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V l-tj. ^L'-i^l
Harvard College
Library
FROM THE FUND OIVEN BY
Stephen Salisbury
Chnof 1817
OP WORCB8TBR, MASSACHUSETTS
For Oreek and Latin Literatore
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,<t«-V!o
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JAHRBÜCHER
für
classisehe Philologie.
Herausgegeben
Alfred Fleckeisen.
EIFTER SÜPPIEMENTBANB.
Leipzig, 1880.
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Die Fragmente des L. Goelins Antipater. Von Wilhelm
Sieglin 1—92
2. lieber den gallischen Brand. Eine qaellenkritische Skizze
ZOT Utem römischen Geschichte. Von Georg Thouret . . 93 — 188
3. Die handschriftliche Ueberliefenmg des Ansonias.« Von
B. Peiper 189—353
4. Philologische Studien zn griechischen Mathematikern. I. II.
Von J. Ij. Heiberg 356—398
5. De Snidae biographicomm origine et fide. Scripsit A. Datib 401—490
6. Verh<nis der griechischen Vasenbilder zu den Gedichten
des epischen Ejklos. Von H. Luckefibach 491—638
7. Ares und Aphrodite. Eine Untersuchung über Ursprung
und Bedeutung ihrer Verbindung. Von Karl Tümpel . . 639—752
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JAHRBÜCHER
FÜR "msmz
CLASSISCHE PHILOLOGI
Herausgegeben
Cr y^
l>jr. A-lfred Fleckeisen,
Profeisoi in Dresden.
JBl:(ter Supplementband.
Erstes Heft.
Leipzig,
^ry^xJL^s-^ «.»d Verlag von B. G. Teubner.
1880.
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DIE FRAGMENTE
L. COELITJS ANTIPATER
WILHELM 3IEGLIN,
«•Inb. t «iMt. rbüol SnvpL Bd. XL
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Vorwort.
Die Yorliegende Abhandlung hat im Wesentlichen den Zweck^
den Nachweis für die Richtigkeit der von Meursius und Plüss auf-
gestellten These beizubringen, dass Coelius Antipater ausser der Ge-
schichte des zweiten punischen Krieges, im höheren Alter ein zweites
Werk, Historien benannt, yerfasst habe; weiter soll der Inhalt und
die Oeconomie dieser beiden Werke dargelegt, endlich eine Prüfung
der einzelnen Fragmente vorgenommen werden in Betreff des Zu-
sammenhangs, dem sie entnommen sind, und yornehmlich auch der
Berechtigung, mit der sie Coelius zu- oder aberkannt werden. Die
von Coelius benutzten Quellen sind gleichfalls besprochen worden.
Nothgedrungen musste bei diesen Untersuchungen eine stete Be-
zugnahme auf die jüngst erschienene Schrift you Otto Gilbert stattfinden,
'die Fragmente des L. Coelius Antipater, Separatabdruck aus dem zehn-
ten Supplementbande der Jahrbücner für classische Philologie'; und so
soll die yorliegende Abhandlung gleichzeitig eine Antwort auf diese
Schrift sein, die nach ihrer Anlage wie nach ihrer Ausführung yer-
fehlt erscheint, so dass sie einer durchgehenden Beleuchtung bedarf.
Neues bietet dieselbe freilich genug, so besonders die Hypothesen
über die ungleichmftssige Behandlung des Bellum Punicum, über die
Tendenz und den Inhalt dieses Werkes, dass es nicht eine Geschichte
des zweiten punischen Krieges habe sein sollen, sondern nur eine
Partei- und Lobschrift auf Scipio; sodann die Aufstellungen über die
Quellen des Coelius u. s. w.; aber alles dies ist wohl durch seine
Kühnheit überraschend, beruht jedoch zum grössten Theil auf Irr-
thun. Dies ist aber nicht der einzige Mangel. Mehrere wichtige
Fragen aus dem behandelten Gebiete, deren Untersuchung nicht nur
wttnschenswerth, sondern geradezu nothwendig erscheinen musste,
sind mit Stillschweigen übergangen, wie überhaupt die Forschungen
früherer Gelehrter mit Vorliebe ignorirt sind, wenn sie den yor-
gebrachten neuen Thesen widersprachen. Bei diesen Eigenheiten
bnn die Gilbert'sche Schrift nicht genügen; die Fragmente des
Coelius haben einer nochmaligen Untersuchung unterworfen werden
müssen.
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4 Vorwort.
Bei den maimigfaehen Richtangen, nach denen hin dies ge-
schehen musste, bot die Grappinmg des Stoffes einige Schwierig-
keiten. Sämmtliche Fragmente, mit Ausnahme der in Livius er-
haltenen, mussten einzeln untersucht werden; und sollten Wieder-
holungen sich nicht zu sehr häufen — ganz Hessen sie sich nicht
vermeiden, — musste diese Untersuchung dem Ganzen yoraus-
geschickt werden^ damit man später nach Bedürfhiss darauf zurück
greifen konnte. Ich that dies, obwohl auf diese Weise der Nach-
theil eintrat, dass durch die Menge von unzusammenhängenden
Einzelfragen der Gesammtentwicklungsgang sich etwas verschleppte.
Ich kann nichts thun, als für diesen Missstand 'um Nachsicht
bitten; ich vermochte ihn nicht zu vermeiden, ohne in grösseren zu
verfallen.
An die Oeconomie der Oilbert'schen Vorlage habe ich mich
nicht halten können. Dagegen habe ich fEtöt überall auf ihn geziemend
Bezug genommen^ mit Ausnahme weniger Fälle, wo eine Widerlegung
zu unbedeutend erschien. Unberücksichtigt gelassen habe ich aber
seinen ganzen zweiten Theil, und dies aus sattsamen Gründen. Der-
selbe bildet nur den Ausbau des im AnfEUige aufgeführten Grund-
stocks: Nachdem Gilbert p. 367 — 396 zu zeigen versucht hat, dass
Coelius fOr die Eriegsereignisse der ersten Hälfte des Hannibalischen
Krieges die Hauptquelle des Livius nicht hat sein können —
wegen der Dürftigkeit seines Inhalts, — erfolgt im weiteren Ver-
laufe consequenter Weise die Ausführung, dass Livius den Coelius
nachweislich als Hauptquelle auch nicht herangezogen habe, son-
dern zu einer directen Benutzung des Silen, Fabius u. s.w. zurück-
gegangen sei. Die Widerlegung des ersten Satzes halte ich für ge-
nügend; ich fürchte, den Leser zu ermüden, wenn ich ihm bis zu
Ende vordemonstrire, dass Behauptungen, die auf falschen Prämissen
beruhen, unbewiessen sind. Wo es noüi thut, werde ich auf die
Gilbert'schen Auslassungen in späteren Untersuchungen zurück-
kommen, die unter dem Titel ^Der zweite punische Krieg und seine
Quellen' im Verlage von B. G. Teubner ich zu veröffentlichen ge-
denke; die erste Abtheilung derselben wird wohl sicher vor Ablauf
eines Jahres noch erscheinen.
Bei der durchgreifenden Umgestaltung, die sich für die Orup-
pirung der Coelianischen Fragmente ergeben hat, wird es manchem
nicht überflüssig erscheinen, wenn im Anhange eine nochmalige
Zusammenstellung derselben nach diesem neuen Principe gegeben
wird, um so ein anschaulicheres Bild von den beiden Werken des
Coelios zu ermöglichen und die Handhabe der Fragmente zu er-
leichtem. Ich habe im Laufe der Abhandlung mehrfach auf diesen
Anhang verwiesen.
Zum Schlüsse ist es meine Pflicht, Herrn Oberbibliothekar Dr.
B« Köhler in Weimar herzlichen Dank auszusprechen für die Zuvor-
kommenheit, mit der er mich bei dem Suchen nach einer Parallele für
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Vorwort. 5
den Traum Hannibals beim Ebroübergang (p. 67) in der deutseben Sage
unterstfitzt hat. Mir war nur das Bechstein^sebe Märchen selber be-
kannt gewesen; ich verdanke ihm die Mittheilimg^ woher Bechstein
seinen Stoff hauptsfichlich genommen, den Hinweis auf Zuccalmaglios
Sammlung deutscher Volkslieder.
Zu aufrichtigem Danke fühle ich mich auch gegen den Oeneral-
director Herrn G. Fiorelli in Bom verpflichtet, der so freundlich war,
mir die wfinschenswerth gewordene Collation des Cod. Neapolit. zu
Charisius p. 126 K. (p. 16, fr. 7) zu besorgen.
Leipzig, 15. Juli 1879.
Wilhelm Sieglin.
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Die Fragmente des L. Coeliis Antipater.
Cap, I.
Es ist schon lange aufgefallen, dass von den Fragmenten, die
uns von dem Bellum Punicum des L. Coelius Antipater erhalten
sind, ein bedeutender Bruchtheil sich mit denjenigen Inhalt nicht in
Einklang bringen lässt, den man nach dem Titel der Schrift voraus-
setzen durfte. Eine Reihe von Fragmenten behandeln die Urgeschichte
Boms beziehungsweise Italiens, andere die Geographie dieses Landes;
eines fSHi in die Zeit der Latinerkriege, wieder eines in die der
Oracchen ; zusammengenommen bilden sie eine so bedeutende Anzahl,
dass es schwer begreiflich ist, wie sie alle sollten Digressionen sein
innerhalb einer Geschichte des Hannibalischen Krieges.
Meursius in seinem Commentar zu Macrob. Sat. 1, 4, 24^) ist
meines Wissens der erste, der, — jedoch wesentlich veranlasst durch
einen weiteren Umstand, dass neben dem Titel Bellum Punicum resp.
Annales, auch der Titel Historiae überliefert ist, — den Gedanken
fasste: Coelius werde zwei Werke geschrieben haben; ausser der Ge-
schichte des zweiten punischen Krieges noch Historien, die ganze
Geschichte Boms begreifend. Da die Hypothese in ungeschickte
Form gekleidet war und der Beweise ermangelte, so wurde sie nicht
weiter beachtet. Voss, in seinen Historici Latini^, wie früher Anto-
nius Augustinus') und Popma^) in den Fragmentsammlungen der
römischen Historiker hielten an der Annahme eines einzigen Werkes
fest, imd ihre Auctorität war für die folgenden Jahrhunderte mass-
gebend.
Das Jahr 1820 brachte neue Anregung in die Frage. Fast gleich-
zeitig gestellte Preisthemen der Göttinger wie der Lejdener Philo-
sophischen Facultftt gaben Veranlassung zu den Schriften von Lach-
mann, De fontibus Livii, in zwei Abhandlungen, Göttingen 1822 und
1828, und von Groen van Prinsterer und B. A. Nauta, De Coelio
Antipatro, Lejden 1821;. in ihnen wurde Coelius zum ersten Male
gründlich imd eingehend behandelt. Nauta und Groen haben haupt-
') Macrobii opera cozd notis Pontani, Meursii^ GronoTÜ, Lugd. Bai
1670 p. 202.
*) Ed. novissima, Franoof. 1677 p. 88.
') Ani Augustinus, Coli, fragm. Eist. Lat. Antv. 1596 p. 82.
*) Aus. Popma, Fragm. Hist. vet. Lat Amstelod. 1620 p. 44.
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Die Fragmente des L. CoeliuB Antipaier. 7
sScblich die Fragmente durchgesehen, sie vermehrt, geordnet und
erklftrt, Lachmann die Quellen des Coelins und seine Benützung durch
Livius untersucht.
Auch zu unserer Frage, ob Coelius ein oder zwei Werke ge-
schrieben habe, nahmen alle drei Stellung. Nauta p. 10 und Groen
p. 13 stellten sich mit Entschiedenheit auf den alten Boden durch
Annahme eines einzigen Werkes, des Hannibalischen Krieges. Alle
Fragmente, die ttber den Rahmen des letzteren hinausgehen, erklärten
Bie einfach für Digressionen, mit Ausnahme weniger, bei denen dies
zu viel Schwierigkeiten machte: diese gaben sie preis und erklärten
sie fttr unächt. Nur Ein Werk nahm zwar auch Lachmann an II,
p. 20, aber die Mittel Nautas und Groens verschm&hend , griff er
zu dem Auswege, Coelius habe das unter dem Titel Bellum Punicum
veröffentlichte Werk fortgesetzt und es dabei ausgedehnt bis zur
Gracchenzeit.
Dieser Hypothese schloss sich zwar mit Lebhaftigkeit Krause^)
an, wenngleich mit der leichten Modificirung, dass er glaubte, Coelius
habe bereits mit dem ersten punischen Kriege begonnen, sonst fand
dieselbe ^ aber nirgends Anklang. Sie war durch die überlieferten
zahlen der Bücher von vornherein widerlegt. Im ersten Buche wird
schon die Belagerung Sagunts (fr. 7 S. ; 1 0 F.), die Expedition des Consuls
Sempronius nach Sicilien und dessen beabsichtigte Landung in Afrika
(fr. 11 S.; 12 F.); endhch die Schlacht bei Cannae (20 S.; 22 F.) er-
zählt; im siebenten (fr. 47 S.; 44 F.) die Gefangennahme des Syphax
551/203. Der erste punische Krieg fand demnach keinen Flatz, er
müsste denn nur kurz in der Einleitung skizzirt gewesen sein, wozu
jeder Anhalt fehlt. Andrerseits, wäre etwa der dritte Krieg dem
zweiten angefügt und die Geschichte desselben fortgesetzt gewesen
etwa bis auf 634/120, wie Lachmann und Krause nach fr. 50 F.;
p. 88, 14 S. annahmen, so müssten diese 80 Jahre, da sie zum
grössten Theil in die Lebenszeit des Verfassers fallen^ mindestens in
nicht geringerer Ausführlichkeit geschildert sein als der Hannibali-
sche Krieg; und doch verstummen mit dem Ende desselben plötzlich
die Fragmente. Aber sehen wir selbst von diesen Bedenken ab, so
ist noch nichts geholfen. Die Hauptschvnerigkeit in der Anordnung
der Coelianischen Fragmente besteht ja darin, dass mehrere derselben
die älteste Zeit Borns und Italiens behandeln und diese wird von
der Laehmann-Krause'schen Hypothese nicht berührt.
Da griff Flüss den Gedanken von Meursius wieder auf und
stellte im Anhange seiner Dissertation: De Cinciis, Bonnae 1865 als
sechste These auf: Coelius Antipater praeter belli Funici historiam
aetate iam provectior rerum Bomanarum annales scripsit. Meltzer,
De Coelio Antipatro, diss. inaug. Lips 1867 p. 10 und H. Feter, Yet.
Hisi Rom. Bell. p. CCXYI, welcher Meltzer fast in allen Stücken
^ Yitae et fragm. vet. Bist. B^m. Berol. 1823 p. 184.
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8 Wilhelm Sieglin:
folgt, gingen zwar über Pltlss wieder hinweg, indem sie sich den
Besultaten Nantas und Groens anschlössen ; doch wird eine genauere
Betrachtung der Coelianischen Fragmente ergeben, dass Plüss das
richtige gefunden hat. Coelius schrieb mehr als Ein Werk; ausser
dem Bellum Punicum noch Historien; nur dass die letzteren nicht
sowohl annalistische Historien sind, als eine Art Origines, eine Ur-
geschichte von Italien und Born, dabei fortgesetzt wie das Werk
Catos bis in die historische Zeit«
Wir halten eine Untersuchung über die vorliegende Frage für
um so gebotener, als der jüngste Aufsatz über die Fragmente des
Coelius von 0. Gilbert dieselbe unberücksichtigt lässt und damit
offenbar für abgeschlossen erklärt zu Gunsten der jetzt herrschenden
Meinung, die von Meltzer, Peter, Teuffei, Bemhardj und Wölfflin
vertreten, an Einem Werke festhält. Weiter hat Gilbert aus den
der Geschichte des Hannibalischen Krieges nicht zugehörigen Frag-
menten eine Beihe von Schlüssen gemacht, die zum Theil berechtigt
erscheinen könnten und zum Theil nicht unwichtige Beiträge zur
Charakteristik des Coelianischen Werkes liefern würden, wenn eben
die Fragmente, aus denen sie gezogen sind, dem Bellum Punicum
angehörten.
Wir geben im Folgenden eine Analyse der Coelianischen Frag-
mente mit jedesmaliger Bemerkung, in welchen T^eil der Geschichte
dieselben eingefügt werden können; wir folgen dabei vielfach dem
Vorgänge von Nauta und Meltzer -Peter. Wir zählen die Frag-
mente in der Beihenfolge auf, wie wir sie in unsem Quellen finden.
L
NoniuB MaroelluB überliefert 18 Fragmente.
1.
Non. p. 29. M. fr. 57 P. Coelius Annali: Ipse cum cetera cqpia
pedetemptm sequUur.
Das vorliegende Fragment bezieht sich, wie Nauta p. 44 er-
kannt hat und Gilbert p. 456 beistimmt, auf den nächtlichen Ueber-
fall des Lagers von Syphaz durch Scipio 551/203. Letzterer hatte,
um denselben einzuleiten, die Hälfte seiner Armee unter Laelius
vorausgeschickt und folgte selber mit dem Beste langsam nach. In
diesem Zusammenhange finden sich unsere Worte Pol. 14, 4, 4:
auTÖc bk xfjv Xoi7rf|v crparidv dvaXaßdiv iiroieiTO Tf|v 6p|uif|v
^ttI töv *Acbpoüßav. (fjv bk aurtjj cuXXeXoTicjui^vov |ui#| TTpörepov
iTX€ip€Tv, ?u)c öv ol TTcpi TÖV AalXiov irpuiTOi tö irOp d|LißdXu)ci
Toic iToXeiiioic.) o\5toc juifev Toiaurac ?x^v dTTivoiac ßdbr]v
ircouxro Tf|V 7rop€(av. Vgl. Liv. 30, 5; App. Lib. 21.
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Die Fragmente des L. Goelius Antipater.
2.
Non. p. 80 M. fr. 5 P. Coelias: Tandum heHum suscitare conari ad-
verscarios contra heUosum genus.
Cod. Guelferb. (W. Saec. XI; beste Handschrift) liest: Caecilius.
Gehört das Fragment dennoch Coelius und dem Hannibalischen
Kriege an, so würde es einer Bede aus der Zeit des Ausbruchs der
Feindseligkeiten zuzuweisen sein, die vom Kriege abmahnt. Das
bellosum genus wären die Römer, die adyersarii die Barcinen, der
Sprecher offenbar Hanno, der langjährige politische Gegner der letz*
teren, der Liv. 21, 10 zum Frieden räth, und die Carthager warnt,
ne Bomanum suscitarent bellum. Wirklich fassen das Fragment so
Nauta p. 22, Weissenbom und Wölflflin zu Liv. 21, 10, 3, und es
Ifisst sich für den Fall der Aechtheit desselben nichts dagegen ein-
wenden« Wir haben aber die Lesart Caecilius ohne Zweifel bei-
zubehalten, da die unter diesem Namen citirten Worte ein deutlich
rhythmisches Gewand tragen:
T&ntum bellum suscitare cönari advers&rios
contra bellosum genus.
An der Lücke ist kein Anstoss zu nehmen; so citirt Nonius p. 652
unter Titinius Barbato:
ita spürcus
Anim4tur ira in pro61ium: y6les eques recipit se
n6que ferit quemquam höstem.
Aehnliche Fälle sind nicht selten bei Nonius. Auch citirt letz-
terer die Fragmente des Coelius nie anders als unter Zufügung von
^aimali' oder ^annali libro . . .' ; es wäre dies der einzige Fall von
zwOlfen, wo nur ^Coelius' stünde.
3.
Non. p. 89 M. fr. 44 P. Coelius annali Ubro VII : Ipse regis
eminus equo ferü pectus advarsum, congmuculat percussuSy ddicit
dominum.
Diese Worte finden sich fast unverändert App. Lib. 26; Liy.
30, 12, 1 und schildern die unvermuthete Gefangennahme des Königs
Sjphax von Mauretanien in der Schlacht bei Cirta 551/203. App. a.
a. 0. Tpair^vrec o\ toö CucpaKoc eic cputi^v töv TTOxaiiöv ^Ti^piüv.
fv9a TIC aÖTOö CiicpaKOC töv Yttttov ?ßaX€V, 6 b' ÄTrecei-
caxo TÖV bectrÖTiiv. Liv. a. a. 0. ibi Syphax dum obequitat ho-
stium tnrmis equo graviter icto effusus opprimitur capiturque.
VgL Sil. ItaL 17, 134—140.
Der tapfere Bömen der so die Gefangennahme des Syphax her-
beifülirte, soll C. Butmus geheissen haben (Sueton? in) Laur. Ljd.
de mens. 4, 63. Doch vermengt Lydus diese Erzählung mit einer
andern davon nnabhängigen Sage, die durch einen etymologischen
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10 Wilhelm Sieglin:
Versuch zum Worte ^Caes&r', welches dem Maurischen ^Elephant'
ähnlich lautete, entstanden war. Nach der in Serv. ad Aen. 1,286
vgl. Spartian. HeL 2, 3 p. 28 P. erhaltenen Belation ¥rar es der Oross-
▼ater des Julius Caesar, des Dictators, gewesen, der in Afrika einen
Elephanten erlegte imd daher seinen Beinamen erhielt. Diesen Mann
nun hält Lydus, indem er den Unterschied der Zeit sowohl wie des
Geschlechtes übersieht, für identiseh mit denjenigen, der Syphax
gefangen nahm^ Iftsst in Folge dessen letzteren statt auf einem Pferde
auf einem Elephanten reiten, und macht den C. Rutilius, der ob
seiner Heldenthat den Beinamen ^Elephant' d. h. * Caesar' erhftlt,
so zum Ahnherren der Caesaren. — Den ganzen Bericht des Lydus
für ein Missyerständniss aus Sil. Ital. 17, 126 zu erklftren, wie
Gilbert p. 457 will, dazu liegt kein Grund vor.
4.
Non. p. 94 M. (fehlt bei Peter) L. Coelius: Caput coüo stMten-
tatur^ truncus st^stmeä^r a coxendicibus.
Um dieses Fragment hat uns Quicherat bereichert Ueberliefert
ist ^Lucilius'; und nur da Quicherat in den von Nonius überlieferten
Worten kein Metrum finden konnte, hat er dieselben, allerdings
mit leichter Aenderung einem Prosaiker zugewiesen. Zu dieser
Correctur ist jedoch keine Berechtigung. ^Sustinetur' ist Glossem
zu ^sustentatur'y und mit L. Müller (Lucili Satur. Bei. p. 155
fr. CXXIX) zu lesen:
C4put ut colo, süstentatur truncus coxendlcibus.
Vielleicht ist auch ^a colo' zu schreiben; jedenfalls liegt zur
Aenderung des Namens keinerlei Grund vor. Isidor Or. 11, 1, 72
überliefert ein Fragment des Nigidius, der sich an Lucilius yielfeuüi
gebildet (L. Müller a. a. 0. p. 285); in diesem finden sich unsere
Worte nachgeahmt:
Vehitur collö caput,
Truncus sustent&tur coxis gönibus atque crüribus.
5.
Non. p. 98 M. fr. 30 P. Coelius annali libro HI: Imperator con-
damai de media, ut veUtes in sinisiro comu removeantur, GaUis non
dMbüaUm inmütantur.
Die Handschriften bieten *libro DI' und *libro IIII'. Etwas sicheres,
welcher Schlacht die vorliegende Scene entnommen sei, ist nicht
aufzustellen, da Hannibal hftufig die Gallier auf dem linken Flügel zu
postiren pflegte, so in der Schlacht am Trasimener See, Pol. 3, 83, 4;
bei Cannae Liy. 22, 46, 3; — und da ebenso die römischen Consuln
fast regelmässig, wenn sie allein waren, im Centrum commandirten;
nur wenn sie mit ihrem Collegen zugleich im Felde standen, nahmen
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Die Fragmente' des L. CoeliuB Antipater. 11
beide auf den Plügeln Stellimg. Gleich stereotype Verwendung finden
die Telites. Nachdem sie das Qefecht eröfEnet, ziehen sie sich auf die
Flägel zurück, yon wo sie nach Bedürfhiss wieder verwandt werden
können. Der berichtete Vorfall konnte also so ziemlich in jeder
Schlacht des zweiten punischen Krieges sich ereignen. H. Peter hat
nun den Vorschlag gemacht, und ihm ist Qilbert p. 369 gefolgt, die
Worte auf die Schlacht bei Senagallia zu beziehen, Liy. 27, 48. Dort
hatte nSmUch der Consul Claudius den rechten römischen Flügel inne
gehabt, Livius den linken; ersterem gegenüber waren die Gallier ge-
standen. Claudius hatte diese nicht angreifen können^ weil schwer
flbersteigbare Höhen zwischen ihnen und ihm sich befanden^ und so
Bchien der von ihm befehligte Flügel von der Theilnahme an der
Schlacht ausgeschlossen. Dies behagte dem Consul nicht, und um
nicht unthfttig bleiben zu müssen, führte er rasch entschlossen meh-
rere Cohorten hinter der römischen Schlachtlinie herum, griff Bömem
und Carthagem gleich unvermuthet die Carthager auf deren rechten
Flügel in der Flanke und im Bücken an, und drang siegreich bis
nun Centrum vor. Dass er an dieser Stelle den Befehl gegeben,
die velites des linken römischen Flügels sollten die unbeschäftigten
Gallier angreifen, ist — vorausgesetzt, dass die velites zur Hand
waren — möglich, doch nirgends überliefert, nicht in leisester
Andeutung. Nach unsem Quellen kommen diese Gallier überhaupt
kaum in Kampf. Ebenso gut, vielleicht sogar mit relativ grösserer
Wahrscheinlichkeit, könnte man das Fragment auf die Schlacht
zwischen Hannibal und Marcellus, Liv. 27, 12, 15; Flut. Marcell. 25
med., oder auch auf Liv. 27, 42 beziehen; ein Gegenbeweis lässt
sich wenigstens nicht beibringen. Ich für meinen Theil verzichte
auf eine Erklftrung. Gegen die Schlacht bei Senagallia spricht aber
das, dass der Consul Claudius nicht Imperator war, folglich auch
von CoeUus nicht als solcher bezeichnet werden konnte; zweitens da
nicht er Oberbefehlshaber über die vereinigte römische Armee war,
sondern sein College Livius Salinator, der auf dem linken Flügel
stand, so war es militftrisch überhaupt unstatthaft, dass Claudius
dem linken Flügel ein Commando ertheilte.
Non. p. 137 M. fr. 41 F. Coelius annali libro VI: Ornnes smud
ierram cum dassi accedmU, fMvüms aique scaphis egrediu/ntwr, castra
mäoH Signa stalmmt.
Liv. 29, 27, 15 berichtet die Landung des Sdpio in Afrika
550/204 und hebt dabei als die Darstellung des Coelius hervor:
(Coeüns ezponit) scaphis milites cum ingenti tumultu in terram
evansse. Ezpositis copiis Bomani castra in proxinüs tumulis
metaniur.
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12 Wilhelm Sieglin:
Non. p. 108 M. fr. 46 P. Coelius Antipater libro IUI: Bespuhlica
amissa exftmdato pukherrimo oppido.
Nach der Zerstörung von Syracus klagt Liv. 26, 32, 3 T. Manilas
Torquatus im römischen Senate: ^Der Vortheil des römischen Staates
sei nicht gewahrt worden durch die Zerstörung dieser nrbs pul-
cherrima ac nobilissima, da sie ehedem ein horreum atque aerariom
populi Bomani gewesen sei, und nun keinen Nutzen Born mehr
biete könne'. Flui Marc. 23.
In den meisten Handschriften ist zwar überliefert *lib. Uli'.
Aber in den letzten Jahren des Krieges war keine bedeutende Stadt
mehr zerstört worden; und so ist mit cod. Laurent, (von H. Peter
verglichen) ^lib. im' zu lesen, unsere Beziehung hat, wie ich sehe,
schon Nauta vorgebracht p. 4 1 . Syracus fast sprüchwörtlich die schönste
Stadt im Alterthume, Timaeus in Gic. de rep. 3, 31 ; vgl. Liv. 25, 24, 11.
8.
Non. p. 157 M. fr. 43 P. Coelius annali libro VI: ConsuUo non
poMciens arcessUum.
Vor seiner üeberfahrt nach Afrika 550/204 h< Scipio Liv.
29, 24, 5, eine Bede an seine Soldaten, in der er entwickelt: *nach-
dem er so oft gerufen worden sei von Massinissa 29, 4; 28, 35;
nun von Sjphaz, sei jetzt der Augenblick gekommen, da er nach
Afrika übersetzen wolle'. App. Lib. 10; Zon. 9, 12 p. 284 Dind.
9.
Non. p. 176 M. fr. 23 P. Coelius annali libro I: iVjmum malo
pubUco groHas singukUm namma(ri).
Die Zahl des Buches zeigt, dass diese Aufforderung zum Danke
der Geschichte der ersten Eriegsjahre entnonunen ist; der Ausdruck
*malum publicum', dass dieselbe römische Angelegenheiten be-
handelt. Peter und eingehender Gilbert p. 368 haben dieselbe mit
grosser Wahrscheinlichkeit den Senatsverhandlungen zugewiesen, die
Liv. 22, 59; 60 unmittelbar nach der Schlacht bei Cannae statt-
fanden. Nach Liv. c; 60 ^ wo T. Manlius die Verdienste der Mftnner
preist, die sich in diesen ünglückstagen um das Vaterland verdient
gemacht und 61, 14, wo der Senat officiell dem Consül dankt, quod
de republica non desperasset, scheinen die Worte einer Bede zu-
zuweisen zu sein, ^welche beantragte, dass in einem besonderen
Senatsbeschluss den M&nnem, die sich in und nach der Schlacht bei
Cannae um das Vaterland verdient gemacht hatten, mit namentlicher
Bezeichnung derselben der öffentliche Dank ausgesprochen werde'.
Ob diese Bede die des Manlius selber, oder von einem andern Senator
gehalten ist, ist von untergeordneter Bedeutung.
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Die Fragmente des L. C!oeliaB Antipater. 13
10.
Non. p. 205 M. fr. 38 P. Coelius annali libro Y: Äd aUquain
huie hello finem facere.
D^OL Frieden hat das römische Volk oft gewünscht im Laufe
des Hannibalischen Krieges. Liy. 22, 34, 7 beklagt sich die Plebs,
um den Krieg zu beenden gäbe es nur Ein Mittel, einen Consul aus
dem Yolke zu wählen, der dessen Interessen wahre. Bequem passen
die Worte zu Liv. 27, 9, 5 (545/209), woselbst die bis dahin treu
ausharrenden Latiner der endlosen Kriegslasten müde werden und
drohend Süssem, Mer Krieg daure zu lang; man müsste den Bö-
mem neue Gontingente yerweigem, um so dem Kriege ein Ende zu
machen'*
11.
Non. p. 280 M. fr. 9 P. Coelius in annalium libro I: Legati quo
missi su/iU vemunt^ dedicant mandata.
Von den drei Gesandtschaften, die zu Beginn des Krieges von
Livius berichtet werden: einer saguntinischen nach Bom mit der Bitte
um Hilfe (21, 6, 2); einer römischen an Hannibal 6, 8, die diesen
jedoch nicht antrifPt c 9, 3; imd einer zweiten römischen, die nach
der Eroberung Sagunts in Carthago ein Ultimatum stellt, passt das
Fragment am besten auf die letzte. Ueber sie drückt sich Livius
c 18, 1 ähnlich wie Coelius aus: Bomani postquam Cartha-
ginem venernnt, Q. Fabius nihil ultra quam unnm quod man-
datum erat, percunctatus (est). Vgl. Pol. 3, 20, 9 in demselben
Zusammenhange: 7TapaT€V0|Li^vu)V bk Td»v 'Puijiiaiuiv Kai irap-
€X8övTU)V eic tö cuv^bpiov kqi biacacpouvTiwv laOra, bucxe-
pujc fiKOuov o\ Kapxvi^<^vioi ifjv aKpeciv tuiv t^apaTelvo^^vu)v.
12.
Non. p. 508 M. fr. 7 P. Coelius annali libro I: (kim jure sine
periado heUum geri poteratur.
Diese Worte sind zu allgemein, um sie sicher unterbringen zu
können. Vielleicht sind sie ein Bruchstück aus der Bede Hannos,
der Liy. 21, 10, 9 die Carthager fragt: Varum sind wir im letzten
Kriege besiegt worden? Nur weil wir die Verträge gebrochen haben.
Mit dem Bechte auf unserer Seite konnten wir den Krieg glücklich
führen, aber eventus belli velut accus iudex unde ius stabat ei vi-
ctoiiam dedit'.
13.
Non. p. 508 M. fr. 45 P. Coelius annali übro VTL: Duos ä 5Cp-
tttognUa Uctoris dovmim deportavisse fasds, qm duäoribus hostvum ante
soluernU ferri.
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14 Wilhelm Sieglin:
Geht nach der VermnthTing von Nauta p. 46 auf Liy. 30, 28, 5
zurück, wo dieser erzählt, vor der Entscheidungsschlacht bei Zama
sei den Bömem bang geworden. ^Scipio werde ein Heer zu bekSm-
pfen haben, perfusum milliens cruore Romano, exuvias non militum
tantum, sed etiam imperatorum portantem. Multos occursuros Sei-
pioni in acie, qui praetores, qui consules Bomanos sua manu occi-
dissent; non esse hodie tot fasces magistratibus populi
Bomani, quot captos ex caede imperatorum praeferre
posset Hannibal/ Drei Consuln waren in den Kämpfen mit
Hannibal gefallen, Flaminius Liy. 22, 6, 4; Aemilius Paulus 22, 49, 12;
Marcellus 27, 27, 7; ein Proconsul 27, 1, 12; ein Prttor 22, 8, 1;
einen Proconsul nahm Hannibal gefieuigen 25, 16, 24; — diese hatten
zusammen 66 Fasces vor sich hergetragen; es fehlen so sechs. Letz-
tere kommen auf Rechnung des Gonsul Crispinus, dem Liv. 27, 27, 8
in der Schlacht bei Venusia schwer verwundet, wie er war, ein Theil
seiner Lictoren getödtet oder gefangen wurde.
Es ergibt sich, dass Nonius das ihm vorliegende Werk des
Goelius immer mit einem und demselben Namen ^Annales' bezeich-
net, mit Ausnahme von fr. 7 (46 P.), das er statt ^Goelius annali'
unter ^Goelius Antipater' citiri Letztere Stelle dürfte darum nach
Peters Vorschlag geändert werden. Alle von Nonius erwähnten Er-
eignisse lassen sich in den zweiten punischen Krieg einfügen. Bei
einigen musste wegen ihres zu allgemeinen Gharakters auf eine ge-
nauere Bestimmung verzichtet wei*den; aber auch bei ihnen hinderte
wenigstens nichts die Annahme, dass sie einer Geschichte des
punischen Krieges entnommen sind, ohne dass wir uns genöthigt
sahen, zu diesem Zweck zur Aufstellung einer Digression die Zu-
flucht zu nehmen. Nonius hat offenbar nur Ein W^k des Goelius
vor sich.
n.
Chariniu überliefert 7 Fragmente.
1.
Ghar. p. 54 K. fr. 27 P. Nucerum enim Goelius dixit.
Das Fragment findet eine passende Stelle in Liv. 23, 19, 12,
wo die Bömer bei der Belagerung von Gasilinum durch Hannibal
538/216 und der in Folge dessen dort ausgebrochenen Hungersnoth
als letztes Mittel Haufen von Nüssen in den Yoltumus werfen, damit
sie die hungernden Gasiliner in Netzen auffe^ngen. Diese Erzählung
wird noch Frontin 3, 14, 2; Fest p. 173, 5 M. erwähnt.
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Die Fragmente des L. Ooelins Antipater. 15
2.
Cbar. p. 143 K. fr. 10 P. Sagumimorum CoeliuB, SagwUiium
SalluBtiaSy at Paulus in Coelii historia Ubro I notat.
Bezüglich der Lesart ist zu bemerken, dass statt ^Saguntium'
^Sagnntinuin' zu lesen ist, wie auf Münzen und Inschriften ge-
wöhnlich steht, s. WölfQin, Antiochus etc. p. 37; Hübner, C. J. L. H.
p. 611b.
3.
Ghar. p. 203 E. fr. 15 P. Coelius historiarum I: Duodeciens
c&Uena müia passuum lange.
Diese Zahl bestinunt die Meilenlftnge, die HannibaL auf seinem
Marsche von Carthago Nova nach Italien durchzog; vgL Pol 3, 39, 11
wer' elvoi Touc irdvrac ^k Kaivf^c tröXeiwc cxabiouc Trepi iwa-
KicxiXiouc, oOc £b€i bieXOetv auTÖv. 9000 Stadien sind = 1,125,000
Schritt.
Char. p. 203 K, fr. 12 P. Coelius historiarum I: Sempromus Lüy-
iHieo cdocem m Africam mittUy visere locum, ubi exercüum exponat.
Es ist die Expedition des Consuls Sempronius nach Afrika
536/218, die freilich nie zur Ausführung kam. Liv. 21, 17, 6;
49 — 51; Pol. 3, 41, 2; App. Jb. 14. Auffallend ist, dass diese hier
Yon Coelius erw&hnte Massregel von keinem der uns erhaltenen
Schriftsteller sonst erwShnt wird; mit dem Berichte des Livius steht
sie sogar &8t im Gegensatz. Es geht daraus hervor, dass Livius
seiner Darstellung der sicilischen Ereignisse des Jahres 536/218
den Coelius nicht zu Grunde gelegt hat. Pol. 3^ 41, 2 deutet den
Yorüedl von weitem an: Ttß^pioc ZefiTTpidvioc eic Aißuiiv ^Karöv
££if)KOVTa CKdqpcct ircvTTipiKOic (dE^TrXei), olc oötu)c KaxanXriKTiKCüc
^TreßäXero TToXeincTv Ka\ TOiauiac ^TroieiTo Trapctaceuäc dv r(^
AtXußaiifi, Trdvrac Kai iravraxöGev dOpoiZuiv, ibc euOdiüc ^k
KardirXou woXiopKificiwv auTfjv xfjv Kapxn^<iva.
Gilbert erblickt p. 420 imd 465 in den Worten des Coelius wie des
Poljbius *eine tendenziös gefärbte Darstellung der überstürzten und
schliesslich doch resultatlosen Zurüstungen des Sempronius'. Dass
die Zurüstungen des Sempronius sehr energisch und mit grosser
Schnelligkeit vollzogen waren, sagt Polyhius, dass sie aber ^über-
stürzt' gewesen seien, ist neu. Besultatlos waren sie; doch hiefür
trifft die Schuld nicht Sempronius, sondern die unvermuthete An-
kunft Haimibals in Italien, und, wenn man weiter gehen will, den
römischen Senat. Sollte aber Sempronius ein Vorwurf dennoch
treffen, so ist ein solcher wenigstens in Poljbius und Coelius nicht
ausgedrückt.
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16 Wilhelm Sieglin:
Char. p. 217 E. fr. 24 P. Coelius historiarum I: Commodum est,
satis videtur. Nee enim pro ^sufficienti', inquit Paulus, accipi debet,
sed pro *pari' et * aequo'.
Gilbert übersetzt p. 405 richtig: ^Es ist einerseits vortheilhaft,
andrerseits billig'; aber die Erklärung, die er gibt, ist gezwungen.
Er legt die Worte einer Bede des Fabius im römischen Senate bei,
^als Formulirung dessen gemässigter, vermittelnder Forderung', Han-
nibals Auslieferung von den Carthagem zu verlangen. Des Fabius
Ausdrucksweise wäre so recht schief; auch kennt Livius eine ganze
derartige Bede nicht. Jedermann wird auf die Unterbringung eines
Wortes verzichten wollen, das unendlich oft gesprochen werden
konnte; denn welcher Bedner hält nicht seinen Antrag für vortheil-
haft und recht? Das naheliegendste wäre noch das Fragment mit
der Bitte des M. Junius, Liv. 22, 59 in Verbindung zu bringen, der
nach der Schlacht bei Cannae im römischen Senat beantragte, die von
Hannibal gefangenen Bömer loszukaufen, und dabei sowohl das Vor-
theilhafte wie das Billige eines solchen Schrittes hervorhob. Aber
auch dies hat keinen Ausspruch auf Sicherheit; es hat nur für sich, dass
der in Coelius ausgedrückte Gedanke hier wenigstens überliefert ist.
Char. p. 220 E. fr. 60 P. Submde Nepos de illustribus viris 11.
Sed et Brutus et Coelius frequenter eo usi sunt
üeber die Bedeutung des Wortes ^subinde' s. Wölfflin, Antiochus
p. 84. Brutus, der Epitomator des Coelius, hat dieselbe vermuthlich
letzterem nachgeahmt.
Char. p. 126 K. (fehlt bei Peter). Dii p. die sive diei lucan
paulus enim libra die somniq. pares ubi fecer. h. @ . . . • n teils arguit
d
diiq. ut sis p. legendum ee definit itq. in coeU bist. lib. I. cum ....
ere dephendes.
Um die Stelle zu erklären, ist Gell. 9, 14 zuzuziehen: Sic
pleraque aetas veterum declinavit: ^haec facies, huius facies', quod
nunc propter rationem grammaticam ^faciei' dicitur. Corruptos
autem quosdam libros repperi, in quibus ^faciei' scriptum est, illo
quod ante scriptum erat, obüterato. Meminimus etiam in Tiburti
bibliotheca invenire nos in eodem Claudii libro scriptum utrum-
que 'facies' et 'facii'. Sed *facies' in ordinem scriptum foit
et contra per i geminum 'facii', neque id abesse a quadam con-
suetudine prisca existimavimus; nam et ab eo, quod est 'hie dies'
tarn 'huius dies', quam 'huius dii', et ab eo, quod est 'haec fiames',
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Die Fragmente dei L. Coelins Antdpater. 17
tarn ^hnins fiomis', quam ^hnius fand' dizerunt. — Quocirca factum
hercle est, nt &cüe his credam, qui scripseront, idiographum librum
Yergilii se inspexisse, in quo iüi scriptum est:
Libra dies somnique pares ubi fecerit horas
id est * libra diei somnique'. Sed sicut hoc in loco dies a Yergilio
scriptum yidetur, ita in iUo versu [Aen. 1, 636] non dubium est,
quin dii scripserit pro diei:
Munere laetitiamque dii,
quod imperitiores**Dei'legunt, ab insolentia scilicet vocis istius abhor-
rentes. Sic autem ^dies, dii' a yeteribus declinatum est, ut ^fames,
fami*, *pemicies, pemicii*, ^progenies, progenii', Muxuries, luxurii',
^acies, acii'. — Aut *facies' ergo in casu patrio aut ^facii' Quadrigarium
scripsisse existimandum est; ^facie' autem in nullo veteri libro scriptum
repperi. Ausser der getadelten Lesart *diei' war die letztgenannte
und ebenfalls zurückgewiesene auf *e', d. h. *die' an unserer Stelle
sehr häufig, Prise VIT, p. 366; 367; XYII, p. 189; Prob. p. 3, wozu
noch Seryius zu vergleichen ist zu Aen. 1, 636. So schlage ich
vor zu lesen:
Dii pro die seu diei Lucanus. Paulus enim in
Libra die somnique pares ubi fecerit horas
corruptmn *die' arguit, *dii'que aut *dies' potius legendum esse de-
finit, idque in Coeli historia libro I eum disserere deprehendes.
Dass der citirte Vers nicht in Lucan, sondern Verg. Georg.
1, 208 steht, wird nichts zur Sache thun. Die Verwechselung ge-
schah vermuthlich durch das ähnlich klingende Luc. 8, 467
Tempus erat, quo libra pares examinat horas.
Das Wort *dii' wird aber ebenso unter die Fragmente des
Coelius zu reihen sein^ wie ^subinde', ^nucerum', ^calvaria' und
andere.
Abgesehen von den beiden letzten, die nur aus vereinzelten
Worten besianden, Hessen sich alle 7 Fragmente in Coelius* Bellum
Punicum einreihen. Citirt sind 5 unter dem Titel ^Historiarum lib. I';
zwei, fr. 1 und 6 (27 und 60 P.) unter 'Coelius'. Dreimal, fr. 2, ö, 7
(10 und 24 P.) verweist Charisius auf Paulus, den Grammatiker und
Freund des Gellius, und ihm wird er wohl auch die übrigen Frag-
mente verdanken. Er nennt das Werk 'Historien', nicht 'Annalen',
wie es Nonius gethan hatte; dies aus Willkür. Seit langer Zeit
waren beide Worte so gut wie gleichbedeutend geworden Serv. ad
Aen. 1, 373; Gell. 5, 18 und Krause, Vitae et fragm. vet. Hist.
Born. p. 12 f. Oft genug gebrauchen die Grammatiker von einem
und demselben Werke beide Namen.
Jfthrb. t oUu. Phüol. SuppL Bd. XI. ^ /^ T
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18 Wilhelm Sieglin:
m.
PriBoiaxi hat 11 Frasmente«
1.
Priac. m, p. 98 H. fr. 22 P. Coelius in L historianun: Dextu
mos in dexkis scida wibet habere.
Nach der Schlacht bei Cannae fordert Sempronius Tuditanus
die abgeschnittene Besatzung des kleineren römischen Lagers aof,
sich durch die nmherstreifenden Carthager durchzuschlagen und mit
den 10,000 Mann, die im grösseren Lager sich befanden, das 1000
Schritte entfernt, auf dem jenseitigen Ufer lag, sich zu vereinigen.
Die Römer folgen seiner Mahnung: links sind sie durch den Fluss
gedeckt, rechts Hranslatis in dextrum scutis', Liv. 22^ 50, 11, und
so entrinnen sie.
Dextimos glaubt Gilbert p. 367, habe Superlativbedeutung, ent-
gegen den Zeugnissen von Nonius p. 94 M.: dextima pro dextra,
mit folgendem Beleg aus Yarro; Fest. p. 74 dextimum et sinistimum
antiqui dixerunt; vgL Sali. lug. 100, 2 Sulla cum equitatu apud dexti-
mos, in sinistra parte A. Manlius; Stellen, die bekimden, dass dexti-
mus trotz der Form dieselbe Bedeutung wie dexter hat. Damit nun,
dass dextimi den Süsser sten rechten Flügel bedeute, will Gilbert
eine Differenz des Coelius und Livius entdecken, um so einen weiteren
Beweis zu bekonmien, dass letzterer den Coelius in der ersten Httlfbe
der dritten Dekade nur wenig benützt habe.
2.
Prise. VI, p. 198 fr. 26 P. Coelius: NMae nationi tot tantas tarn
continuas Victorias tarn hrevi spatio datas arhitror Qtuun vöbis.
Nach der Niederwerfung der Eömer bei Cannae wurde Mago
von Hannibal nach Carthago gesandt, um dem dortigen Senate Be-
richt über den bisherigen Erfolg des Krieges zu erstatten. Mago
zählte alle Siege seines Bruders auf und forderte die Carthager auf,
Liv. 23, 11, 12 pro his tantis totque victoriis verum esse
grates deis immortalibus agi haberique.
3.
Prise. VI, p. 226 H. fr. 37 P. Coelius in Y: NuUius aUus rei nisi
amcUuie eorum causa,
Hannibal erklttrt den Italem zu wiederholten Malen, dass er
nur ihnen zu Liebe und um sie von der römischen Herrschaft zu be-
freien, nach Italien gekommen sei; nach der Schlacht an der Trebia
Pol. 3, 77, 6, nac]^ der Schlacht am Trasimener See PoL 3, 85, 4;
nach Cannae Liy. 22, 58, 2 und ofL Aber auch die Römer lassen
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Die Fragmente des L. Ooelioa Antipater. 19
es ertönen. Im Jahre 542/212 versichern sie den von ihnen be-
lagerten nnd hart bedrängten Syracusanem, dieselben brauchen keine
Furcht zu haben, es sei nur ein Act der Freundschaft, wenn sie ihre
Stadt belagern, Liv. 25, 28, 7 Bomanis causam oppugnandi Sjracusas
fuisse caritatem Sjraoasanorum; Shnlich 24, 33, 5; und so finden sich
eine Beihe von Stellen, wo das Fragment untergebracht werden kann.
Prise. Vni, p. 383 H. fr. 2 P. Coelius: Ex scriptis eorum gm
veri arbüraniur, passive, UTToXajußdvovTai.
Dies Fragment wird seit Nauta p. 1 6 dem Proömium zugeschrieben,
vgl. Cic. Or. 69, 230 (fr. 1 P.). Coelius erklärt, er wolle bei der Ab-
fassung seines Werkes schöpfen *aus den Schriften solcher Männer,
die fOr wahrheitsliebend und zuverlässig gelten'.
Nach Gilbert p. 377 u. 462 ^zeigen' uns die vorliegenden
Worte, ^dass Coelius' Werk weniger auf selbstständigen Unter-
suchungen beruht, als aus Excerpten aus anderen Darstellungen
des zweiten punischen Krieges, d. h., dass er eine Verarbeitung der
ziemlich zahlreichen Werke von Zeii^enossen, die jenen Krieg be-
handelten^ gab'. Dass dies in des Coelius' Worten enthalten sein
soU, habe ich nicht finden können.
5.
Prise! Vm, p. 386 H. fr. 62 P, Lucius Coelius: UM senatus
inURexü populum depecvXari.
Peter p. CCXXXÜI stösst sich daran, dass hier allein von 11
FlÜlen Priscian dem Coelius den Vornamen zuweist; hält das Frag-
ment darum für unächt und schreibt es Lucius Caesar und dessen
Schrift ^Auguralia' zu. Abgesehen davon, dass L. Caesar selbst in
den beiden Malen, da er von Priscian citirt wird, das eine Mal mit,
das andere ohne Vornamen genannt wird, die Schwierigkeit also
nicht gehoben, nur auf diesen übertragen wird, ist es bei Priscian
Überhaupt Begel, nach Belieben in der Benennung der von ihm er-
wähnten Autoren abzuwechseln, nach Belieben oder nach Vorlage
seiner Quellen. So citirt er Cato unter ^M. Cato' auch nur einmal,
Vn, p. 293; unter 'Cato' dagegen V, p. 152; 182; VI, 227; 264;
vm, 383; IX, 487; X, 537 u. ö.; unter 'Cato Censorius' IV; 129.
Ebenso citirt Priscian den L. Cassius Hemina mit dem Vornamen
nur einmal IX, 482; unter 'Cassius Emina' VII, 347; IX, 537; XII,
587; unter 'Emina' VH, 294; unter 'Cassius' VIII, 380. Den
Claudius Quadrigarius erwähnt er unter 'Quadrigarius' X, 541 ; unter
'Claudius' VI, 232; VII, 347; VIII, 484; welche Beispiele genügen
werden. Ist das Fragment aber acht, so ist mir nur Eiae Steile be-
kaimt, wo es untergebracht werden könnte. Ich vermuthe, dass von
2*
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20 Wühelm Sieglin:
den pnblicani Postomius Pjrgensis und Pomponius Yejentanus die
Bede ist, die 542/212 durch ihre grossartigen Betrügereien da«
Volk ausplünderten, so dass der Praetor Aemilius dem Senat dar-
über Bericht erstattete. Der Senat sah das Unwesen zwar ein, wagte
jedoch nicht, energisch aufzutreten, Liy. 25, 3, 12.
6.
Prise. VIII, p. 399 H. fr. 8 P. Coelius ia I: Qm mteUegunt quae
fkmt, dissentiunhir.
Die Worte gehören Verhandlungen an; vermuthlich also den
Eriegsverhandlungen des Jahres 536/218 oder den Mlheren Debatten
des carthagischen Senats, die nach Livius über Hannibals militärische
Ausbildung in demselben stattfanden. Auf diesen letzten Fall passen
sie am besten, Liv. 21, 3, auf die Bede Hannos, der den Bath
gab, den jungen Hannibal nicht nach Spanien in Hasdrubals Lager
gehen zu lassen, sondern ihn in Carthago zurückzubehalten und ihn
zu lehren, gleich seinen Altersgenossen, wie man den Gesetzen ge-
horche. Die Verständigen, die einsahen, was kommen werde, hatten
da Hanno zugestimmt und dem Antrag Hasdrubals sich widersetzt;
Liy. c. 4, 1 pauci ac forme optimus quisque Hannoni ad-
sentiebantur, sed ut plerumque fit, maior pars meliorem vicit.
7.
Prisa Vin, p. 432 H. fr. 36 P. Coelius in V: Morhostm factum,
tU ea qtMC apartuermt, facta non smt.
Morbosus ist ein seltenes Wort und heisst, wie aus Gell. 4, 2
hervorgeht, in der gewöhnlichen Volksrede ^mit einem Fehler be-
haftet'. Es heisst *krank', Cato de r. r. 2 extr.; Varro d. r. r. 2, 1, 21;
Fest. p. 139; dagegen in übertragener Bedeutung ^schünmi', *nnheil-
Yoll' Catull 57, 6; Priap. 46, 2. Diese letztere Bedeutung hat es in
unserem Falle, da das Fragment sonst einen schiefen Sinn giebt und
in der abhängigen Bede das Subject schwer ergänzt wird. Bei den
häufigen Vorwürfen, die die römische Aristokratie von der Plebs hat
hören dürfen, *für ihre langsame und energielose Eriegsführung' ist
es müssig, Conjecturen aufzustellen, welchem genaueren Zusammen-
hange unser Fragment nun entnommen ist
8.
Prise. IX, p. 484 H. fr. 32 P. Coelius in IUI: Custodibus dis-
cessis muUi interficmniur.
Auf die Erklärung dieses Fragments muss verzichtet werden;
der Inhalt derselben 'findet sich in keinem der uns erhaltenen Schrift-
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. 21
steller des Hanmb&üschen Krieges. Vermatlüich sollte die üeber-
nunpelnng irgend einer italischen Stadt geschildert werden; man
yergleiche die von Tarent, Liy. 25, 9, 15.
9.
Prise. X, p. 510 H. fr. 6 P. Coelius in I: Qui cum is Ua
foedus icistis.
Ist aus der Bede Liv. 21, 18, die ein gewisser Hasdrubal im
carthagischen Senate hielt: Yos enim, quod C. Lutatius consul primo
nobiscnm foedus icit. Vgl. Wölfflin^ Antiochus p. 34; Weissen-
bom zu Liy. a. a. 0.
10.
Prise, xm, p. 8 H. fr. 3 P. Coelius in I: Neque ipsi eos äUi
modi esse atque Ämücar dixü ostmdere posstmt älUer,
Abermaliges Bruchstück aus den Hannonischen Beden; die Mpsi'
sind die Barcinen; unter ^eos' sind die Bömer gemeint.
11.
Prise, xm, p. 8 H. fr. 4 P. Coelius in I: ÄfUequam Barcha
perierat, ailU rei causa in Africam missus.
Trotz Wölfflins Ausführung, Antiochus p. 46, halte ich mit
Nauta p. 21 daran fest, dass mit dem Fragmente Hannibal gemeint
ist, nicht HasdnibaL Es sollte damit Liv. 21, 1, 4, wonach der neun-
jährige Hannibid mit seinem Vater Hamilcar nach Spanien gegangen
war, mit einer andern Tradition 21, 3, 1 vermittelt werden, die den
mannbar gewordenen Hannibal als in Carthago aufgewachsen voraus-
setzt. Das ünver^bare dieser beiden Traditionen hat Wölfflin selbst
a. a. 0. nachge¥ne8en. Wäre Hasdrubal mit Beziehung auf Diodor
25, 14 gemeint, so müsste damit eine weit ausführlichere Vor-
geschichte des zweiten punischen Krieges als Einleitung in Coelius'
erstem Buche vorausgesetzt werden, als Livius und Dio-Zonaras
bieten, und zu einer solchen Annahme haben wir keine Veranlassung.
Prisdan nennt meist nur das Buch, aus dem die Fragmente
genommen sind, nicht den Titel des Werkes; an einer Stelle gibt er
'Historiae' als denselben an, fr. 1 (22 P.). Alle Fragmente bei
Prisdan behandeln Ereignisse des zweiten punischen Krieges, oder
besser zu sagen, da einige wegen ihres allgemeinen Inhalts nicht
sicher zu erkl&ren waren, sie legten einer Einsetzung in eine Ge<
schichte dieses Krieges nichts in den Weg. Auch Priscian hat offen-
bar nur Ein Werk des Coelius vor sich.
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22 Wilhelm Sieglin:
IV.
Gtolliiu hat 2 Fragmente.
Gell. 10, 24, 6 fr. 25 P. Suppeiit etiam Coelianum iUud ex
libro historiamim secundo: si vis mihi eguitatum dare, et ipse cum
cetero exercOu me sequi, dieguinti Bomae in CapOölium curäbo tibi
cena sÜ cocta. Et historiam autem et verbum hoc sumpsit Coelius
ex origine M. Catonis, in qua ita scriptum est: Igiiur didatarem
Carihoffimensittm magister equitum monuit: Mute mecum Eamam egui-
tatum', diequinti in Capitolio tibi cena cocta erit.
Es ist das bekannte Wort des Maharbal, als dieser unmittelbar
nach der Schlacht bei Cannae Hannibal aufforderte, stehenden Fusses
nach Bom zu eilen und die Stadt im ersten Schrecken zu überrumpeln.
Liv. 22, 51, 2: immo ut quid hac pugna sit actum scias, die qninto
Victor in Capitolio epulaberis. sequere; cum equite, ut
prius venisse quam venturum sciant, praecedam.' Plut.
Fab. 17; Val. Max. 9, 5 ext. 3; Flor. 1, 22, 9; Zon. 9, 1 extr.; Sil.
ItaL 10, 374; Hist. Mise. 3, 9.
Diequinti oder diequinte, sagt Gellius a. a. 0., war in Giceros
und den älteren Zeiten die gewöhnliche Ausdrucksweise fttr die
quinto: pleraque omnis yetustas sie locuta est. Gilbert p. 383 in
seltsamem Widerspruch mit p. 389 ist der Ansicht, Coelius *yer-
rathe überhaupt eine entschieden archaisirende (!) Tendenz'
und behalte darum *den alterthümlichen Ausdruck' diequinte ^ab-
sichtlich' bei. •
2.
Gell. 10, 1, 3 fr. 59 P. Tertio et quarto consul non tertium
quartiumque, idque in principio libri f Coelium scripsisse.
Die Zahl ist nach ^libri' ausgefallen; doch ist dieselbe nicht
schwer zu bestimmen. Im Laufe des zweiten punischen Eiieges
kommen nur einmal zwei Consuln vor, von denen der eine zum
dritten, der andere zum vierten Male ihr A.mt bekleideten, im Jahre
540/214. Es waren Q. Fabius Maximus lY. und M. Claudius Mar-
cellus in. Da nun Coelius das erste Buch mit Sagunt 536/218 be-
gonnen und dasselbe bis zur Schlacht bei Cannae 538/^16 herab-
geführt hat (Prise. III, 98 fr. 22 P.; Non. p. 176 fr. 23 P.); im An-
fange des zweiten Buches mit den Ereignissen unmittelbar nach der
Schlacht, d. h. Sommer 536/216 fortfahr (Gell. 10, 24, 6; fr. 25 P.),
so kann dasjenige Buch, mit dem Coelius das Jahr 540/214 beginnt,
nur das dritte sein. Dieser Schluss ist um so sicherer, als das Ver-
fahren des Coelius auf diese Weise mit dem des Livius übereinstimmt.
Livius erzählt in Buch XXII nach der Schlacht bei Cannae die nn-
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Die Fragmente des L. Coeline Antipater. 23
mittalbar auf die Niederlage folgenden Ereignisse anf römischer
Seite, bricbt dann das Buch ab, ftngt Bnch XXTTT mit den gleich-
zeitigen auf carthagischer Seite an und endigt dasselbe mit Herbst
539/215 Liv. 23, 48, 4, vgl. Weissenbom zu 24, 1. 1. Es entspricht
aUo Coeüus lib. I — Liy. XXI und XXII; Coel. lib. 11 = Liv. XXIII.
Coelius war nur in sofern consequenter denn Livius, als er den vor-
liegenden Vor&ll als in das carthagische Lager gehörig in Buch n
erzfthlte. •
V.
* Maorob. Excerpt. Bob. p. 651 E. fr. 16 P. Coelius in primo: lUis
faciUus est, heUum tradare; hoc est diu trahere.
Entstammt einer Bede; vermuthlich einer der vielen Eriegs-
reden zu Eröffnung des Feldzuges, speziell einer carthagischer Seits
gehaltenen. Denn die Bömer sind es, denen es leichter fällt vermöge
ihrer ausgezeichneten und ausgebildeten Heeresorganisation und der
ungeheuren Menge von Beservetruppen, einen l&nger dauernden Krieg
auBzuhalten, als die Carthager, wie der Erfolg im Hannibalischen
Kriege und vorher in den Kämpfen um Sicilien bewiesen hat. In
den Beden von Hanno finden sich zwar von diesem Gedanken keine
Spuren, wohl aber ein dem Fragment ähnlicher in der Bede Hanni-
bals an seine Armee vor der Schlacht am Ticin Liv. 21, 44, 8. Dort
fahrt Hannibal aus: ihren Gegnern stehen für den Fall einer Nie-
derlage gesicherter Bückzug und neue Hilfsmittel zu Gebot; diese
brauchen darum auf keine Entscheidung zu drängen: illis timidis et
ignavis esse licet; sie jedoch, die das alles nicht haben, haben in
der konunenden Schlacht für Leben -und Freiheit zu kämpfen. So
beziehen wenigstens das Fragment Peter p. 151, und Weissenbom
zu Liv. a. a. 0.
VI.
Flav. Caper de orthogr. p. 100 K. *Calva' Kpdviov vocatur, licet
Coelius et Varro cäkariam dicani
Auch von Cn. Gellius, dem Annalisten, ist überliefert, dass er
das Wort gebrauchte, Char. p. 139 K. s. v. osse: Quamvis GeUius
libro XXXm dixerit: Calvariaeque eins ipsum ossum expurgarunt
inauraveruntque; und vielleicht beziehen sich beide Fragmente —
denn schwerlich wird Coelius in Gellius geändert werden müssen
— auf dieselbe Angelegenheit. Des Gellius Worte finden sich Liv.
23, 24, 11 (538/216): Postumius (praetor in Gallia) omni vi ne
caperetur, dimicans oocubuit. Spolia corporis caputque praecisum
dncis Boi ovantes templo, quod sanctissimum est apud eos, intulere.
Pnrgato inde capite, ut mos iis est, calvam auro caelavere,
idque sacmm vas iis erat, quo solemnibus libarent, poculumque
idem sacerdoti esse ac templi antistibus.
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24 Wilhelm Sieglin:
Wir haben somit nach Ausscheidung von 2 Fragmenten, die wir
andern Schriftstellern zuweisen mussten, 33 Fragmente des Coelias
aus 6 Autoren gewonnen, die sich sSmmtlioh auf dessen BeUum
Punicum zurückführen Hessen« Bei einigen, die zu sehr aus dem.
Zusammenhang herausgerissen waren, konnte, wie bemerkt, nfiheree
über Zeit und Ort nicht mehr bestimmt werden; bei keinem jedoch
erfand sich der Inhalt als unvereinbar mit der Geschichte des Hanni-
balischen Krieges; keines gab Veranlassung, eine Bigression an-
zunehmen. Diese 33 Fragmente nöthigen ein einheitliches Werk
Yoräuszusetzen, aus dem sie alle entnommen sind.
Ihnen stehen nun gegenüber:
I.
PliniUB mit 8 Fragmenten.
Flin. N. H. 2, 67, 169 fr. 56 F. Hanno Carthaginis potentia
florente circumvectus a Gadibus ad finem Arabiae navigationem
eam prodidit scripto, sicut ad extera Europae noscenda missus eodem
tempore Himilco. Fraeterea Nepos Cornelius auctor est, Etidoxium
guendam sua aäate^ cum Lathyrum regem fuger ä, Äräbko sinu egressum
Gades usque pervedum, multoque ante cum Coelius Antipater vidisse
sc, gui navigasset ex Hispania in Äeihiapiam commerm gratia.
lieber die Umschiffung Afrikas vergleiche Fosidonius bei Strabo
2, 3, 4 p. 99; Fomp.Mela 3, 5, 9, in denen die hier erwähnten Fahr-
ten fast alle erwähnt sind. Mari Cap. 6, 621 nach Plinius: Coelius
Antipater se hominem vidisse conflrmat, qui negotiationis ardore in
Aethiopiam ex Hispania navigasset.
Flin. 3, 19, 132 fr. 13 F. Alpes in longitudinem ducenta qumqtM-
ginta müia passuum patere a supero mari ad inferum Coelius tradit,
Timagines viginti quinque müia passwum deductis; in latitudinem
autem Cornelius Nepos centum müia; T. Livius tria müia stadiorum,
uterque diversis in locis.
Die Zahl, die Coelius angab, ist in den Handschriften verschrie-
ben; durch eine leichte Umstellung ist ccL cIo zu cIo clo — der
vierfachen Höhe — geworden. Strabo 6, 1, 3 p. 211 finden wir
das richtige.
Unser Fragment gibt die Entfernung zwischen Genua und Aqui-
leja an. Man kann schwanken, ob das Fragment einem Berichte
über Hannibals Alpenübergange und einem die Geographie dieses
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Die Fragmente des L. Coelius Antipater. 26
(Gebirges betreffenden Exourse entnommen ist, oder ob es, wie bei
Strabo a. a. 0., dnrch die Angabe der grössten Breite die Grösse von
Gallia Gisalpina bestimmen solL Letztere Beziehung scheint die
wahrscheinlichere, wenngleich die Frage, losgelöst wie die Worte
sind, nicht entschieden werden kann. Immerhin ist zuzugeben, wenn
sich Coelius durch die Expedition Hannibals veranlasst fühlte, die
von diesem durchzogenen Gegenden, die Länge des Wogs und die
Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, zu schildern imd zu er-
klftren, so war bei den Aipen eine Angabe über deren Breite oder
auch deren Höhe zu erwarten, nicht über die Entfernung der äusser-
sten Enden, da das erstere allein für Hannibal in Betracht kam und
für den Leser und dessen Verstftndniss Bedeutung hatte, und doch
wird gerade für diese Breite nicht Coelius, sondern Nepos und eine
nicht erhaltene Stelle des Livius als Beleg angeführt. Nehmen wir
gleichwohl an, Coelius habe beides berichtet, L&nge, Höhe und Breite
des Gebirges, mit andern Worten, — was auch die gewöhnliche An-
nahme ist, — er habe eine förmliche Beschreibung der Alpen ge-
geben, so würde es nahe liegen, dass Plinius, der die vorliegende
Partie des Coelius gelesen hat und einmal zu Bathe zieht, dieselbe
da, wo er die Aipen und ihre Bewohner schildert, benützt, im Anfange
seines dritten Buches. Eine Alpenbeschreibung von Seiten des Coelius
wäre eines der ältesten und schätzbarsten Hilfsmittel für FUnius ge-
wesen. In seltsamer Inconsequenz verschliesst sich jedoch derselbe
auch an dieser Stelle gegen die naheliegende und gekannte Quelle;
erst zu Ende des Buches, da Plinius die Aipen bereits verlassen hat
und da er sich anschickt, die Geographie Oberitaliens zu geben,
nimmt er den Coelius zur Hand, Brunn, De auctor. indic. Plinian. p. 5.
Auch in Livius und Cassius Dio, die auf Coelius' Bellum Punicum
zurückgehen und die beide geographische Beschreibungen oft genug
ihren Quellen entnommen haben, — auch in ihrer Darstellung von
Hannibals Alpenübergang hat sich nicht die geringste Spur erhalten,
dass ihre Quelle in eine derartige Digression sich ergangen hat.
Halten wir nun diesem Strabo entgegen, von dem wir eine Benützung
des Coelius mehrfach wahrnehmen werden, und den Zusammenhang,
in dem Strabo die in unserem Fragmente erhaltene Zahlangabe
brachte, so ergibt sich als berechtigtere Annahme, dass dieselbe
nicht Hannibals Alpenübergang ihren Ursprung zu verdanken hat,
sondern einer Schilderung Oberitaliens entnommen ist, zumal da uns
noch durch ein Fragment des Coelius selbst bezeugt ist (fr. 31 P. Serv.
ad Georg. 1, 77), dass dieser eine solche Beschreibung gegeben.
3.
Plin. 31j 2, 21 £r. 51 P. Ctesias tradit, Siden vocari stagmm in
Indis, m quo tUhü innatet, omnia tnergantur; Coelius apud nos in
Averno etiam folia sUbsidere; Yarro aves^ quae advolaverint, emari.
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26 Wilhelm Sieglin:
Die Angabe des Ciesias findet sieb noch Diod. 2, 87, 7; Antäg.
Eist. Mir. 146 p. 95 W. (an welchen beiden Stellen die Qnelle CiXXa
oder CtXa genannt wird); Isid. Orig. 13, 13, 7 und Sotion Excerpt 3
p. 183 W.
Letzterer, der vielfach Notizen aus Ctesias überliefert, beruft
sich auch hier ausdrücklich auf denselben, obgleich er auffallender
Weise den Vorgang anders erzfthlt: Kf)f\vr\ dv IvboTc, fl touc
KoXujußoivrac iix\ Tf|v t^iv dxßdXXei ibc ätt* öpTcivou, die icTopci
KTr)Ciac. Es ist dies desshalb zu erwl^inen, w^ Sotion an einer
andern Stelle 28, p. 188 auch das vorliegende Fragment des Coelius
wiedergibt, gleichfalls etwas ausführlicher und darum gleichfalls nicht
aus Plinius schöpfend. Nur nennt er den Namen des Coelius nicht
A, a. 0. 'Aoudpvöc kri XijlIVti dv IxaXiiji Trepl Koüjüiac, elc flv rd iK
Tflc irepvceijüidvTic öXt|c djiiirlTrTovTa (puXXa f\ Kdpqpri dqpavfi Tiverai,
ßueiZöjLieva TrapaxpfiiLia. Der ganze Vorfall ist von Coelius aus Ti-
maeus entlehnt fr. 17 M. (Antig. H. M. 152 p. 97 W.), nur dass dessen
Bericht um ein wenig harmloser ist: dKeivo jüidvToi \4.^ex 6 Ti|Liaioc,
biÖTi cuvbdvbpuiv TÖTTUJV dTTiKeijiidvuJv aÖTiJ (tQ 'AopviTi), Kai TTOXXdiV
KXdbuiV Kai qpuXXujv bid rd TTveu/iiaTa tujv jli^v KaraKXuijLidvuJV
Tujv bk dTToceiojLievuiV, oübdv cctiv Ibciv iix* aörq dcpecxTiKÖc, dXXd
biajLidveiv KaSapdv. VgL Anon. Mir. ausc. 102 p. 32 W.
4.
Noch ein viertes Mal hat Plinius den Coelius nachweislich be-
nützt, in Buch XXXVI, wie die Quellenangabe zu demselben zeigt.
Coelius steht dort als zweite Quelle aufgeführt, er wurde also, da
ja Plinius seine Quellen in derselben Beihenfolge aufzählt, wie er sie
benützt, aller Wahrscheinlichkeit nach fllr die Frage von Plinius ver-
wandt, ^Quis primus peregrino marmore columnas habuerit Bomae'.
Von diesen 4 Fallen haben drei mit dem Hannibalischen Kriege
nichts zu thun; bei einem musste die Beziehung zweifelhaft bleiben;
aber auch für dieses ergab sich eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass
es ausserhalb dieses Zusammenhangs seinen Ursprung zu suchen hat.
n.
Serviufl und die sonatigen Commentare su Virgil mit
9 Fragmenten.
Serv. ad Aen. 3, 402 fr. 53 P. Hie iäa duds Mdiboei parva
Phüoctetae suhmxa Petüia mwroj Multi ita intelligunt, non, ^ Philo-
ctetae Petilia', sed * Phüoctetae muro'; nam ait Cato, a Phüocteta,
candita iam pridem civUate, murum tantum factum. Alii ^subnixam'
ideo accipiunt, quia imposUa est excdso muro, ut Coelius historicus ait.
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Die Fragmente des L. CoelinB Anüpater. 27
Ist einer Beschreibung der Stadt Petelia in Bmttium entnonunen.
Petelia wird im Hannibalisclien Kriege einige Male erwähnt, nie je-
doch seine Befestigungsweise, Liv. 23, 20, 4; 23, 30, 1; 27, 26, 5;
PoL 7, 1; 3 ; App. Hann. 29 ; 57 ; 60. Was das gleichzeitig überlieferte
Fragment des Cato betrifft, so wird dasselbe von allen Herausgebern
dem dritten Buche der Origines — nnde qnaeque civitas orta sit
lialica — zugeschrieben, nicht dem fünften, dem zweiten punischen
Kriege, Jordan, Catonis quae extant p. 15, fr. 3; Peter p. 71 fr. 70.
ImpoHta est excdso fmro'] vgl Strab. 6, 1, 3 p. 254 lpu|Livf|
b' dCTlV.
Serv. ad Aen. 4, 206 fr. 55 P. Coelius :Jlfauru«n qui juxta Ocea-
num coUmt,
Die Mauren und Maurusier werden von Livias manchmal ge-
nannt 21, 22, 3; 23, 26, 11, einmal sogar mit der Zufdgung, dass
sie im ftussersten Westen in der Nfihe des Oceans wohnen, Liv. 24,
49, 5 Sjphax cum paucis equitibus in Maurusios ex acie Numidas
— extremi prope Oceanum adversus Gades colunt — refugit, ad-
fluentibusque ad famam eins undique barbaris ingentes prope copias
armavit. Doch kann das Fragment ebenso gut mit fr. 56 P. Pliu.
2, 67, 169 in Verbindung gebracht werden, wo von der ümschiffung
Afrikas die Bede war. Strabo wenigstens, der 2, 2, 4 p. 99 Cas.
ausführlich über die Möglichkeit des genannten Unternehmens redet,
und gleichfalls von einer von Cadix aus bewerkstelligten, aber un-
freiwilligen ümschiffung berichtet, erzählt i^abei, wie dieselbe ent-
standen. Die Gaditanischen Fischer, sagt er, pflegen der Fischerei
wegen bis an die Nordküste Mauretaniens zu fahren; einige beherzte
sogar den Ocean entlang bis zum Lixus, Manche, fügt er hinzu,
haben sich selbst über diese Grenze noch hinausgewagt, so das er-
wähnte Schiff. Dieses sei nun bei dieser Gelegenheit von einem
Sturm überrascht und in langer Irrfahrt bis Aethiopien verschlagen
worden. Yermuthlich war eine solche von ihm selbst oder von einem
andern, ganz oder nur bis in den Süden Afrikas gemachte Irrfahrt
der Weg^ der auch dem von Coelius erwtthnten Kaufriann zu seinem
kühnen Entschlüsse verhalf; wie hätte er sonst die Ausführbarkeit
seines Unternehmens vernehmen können? Gab nun Coelius, was sehr
wahrscheinlich ist, an, wie sein Kaufmann auf die Idee gekommen,
die verrufenen Pfa^e zu betreten, so musste er nothwendig die Mau-
rasier erwtimen, die *am Ocean wohnend' die Veranlassung zu der-
selben gaben.
3.
S^rv. ad Aen. 4, 390 fr. 58 P. Coelius historiarum: DeUnquere
frumenkm^ Sarämiam hostes tenere.
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28 Wilhelm Sieglin:
Das Fragment scbeint einer indirecten Bede zu entstammen, die
aber in die Zeit des zweiten panischen Krieges schwer einzufELgen
ist Es werden zwei Missstände aufgeführt, es fehle an Getreide,
und Sardinien sei von den Feinden besetzt. Ein Römer nun kann
die Worte nicht wohl gesprochen haben; Sardinien war 20 Jahre Yor
Beginn des Krieges römisch geworden, und wurde seitdem — von
zwei unbedeutenden Flünderungszügen abgesehen, Liv. 23, 40 — 41 ;
27, 6, 13 — von den Carthagem nicht mehr angegriffen, geschweige
erobert. Auf einen Carthager passen die Worte um nichts besser;
am wenigsten der Anfang derselben: frumentum delinquere. Die
ganze nordwestliche Küste Libyens, Afrika, Numidien und Maure-
tanien war ja im Alterthum von ungewöhnlicher, sprichwörtlicher
Fruchtbarkeit, ein Land, wo der Waizen 150<ige Frucht trug und
zweimal im Jahre geemfet wui*de (Plin. 15, 2, 8; 17, 5, 41; 18, 10,
94; Flut. Caes. 55; Tac. Ann. 12, 43). Eine Hungersnoth konnte im
carthagischen Reiche schwer entstehen; jedenfalls ist uns von keiner
berichtet, dass wir unser Fragment darauf beziehen könnten.
Der Verlust Sardiniens aber — Sardiniam bestes teuere — war
im Jahr 536/218 ein sehr altes und längst verschmerztes üebel; er
war durch die Eroberung Spaniens zehnfach aufgewogen.
Wohl zahlt Polybius 1, 82, 6 unter den UnglücksftQlen, die die
Carthager während des Söldnerkrieges im Jahre 515/239 betroffen
haben, auf: rdc 7TapaKO|LiiZo|Li^vac dtopötc ^k tüüv Trop* auroic Ka-
Xouji^vuiv *€|LiTrop(a)v, iq>* alc eixov xcic jLietiCTac ^Xirtbac irepi
T€ ttJc Tpoqpfjc Kai tüüv äXXuiv ^TriTTibetujv biaqpOapfivai cuv^ßri
Kaxd GdXaxTav öXocxepdic öttö X€iMWVoc; aber auf diesen Vorfall
unser Fragment zu beziehen, wie Gilbert p. 406 will, geht nicht
wohl an, trotzdem dass die Insurrection der carthagischen Söldner
auf Sardinien gleichzeitig begann Pol. 1, 82, 7. Dass das Fragment
auf den Hannibalischen Krieg selbst nicht passt, hat Gilbert ein-
gesehen und er versucht so diesen Ausweg, um demselben in einer
die Vorgeschichte des Krieges umfassenden Einleitung gleichwohl
Platz in Coelius' Bellum Punicum zu verschaffen. Als Einleitung
zum Hannibalischen Kriege eine Geschichte des Söldnerkriegs
vorauszusetzen, ist jedoch misslich; um so misslicher, da das Frag-
ment allem Anschein nach einer indirecten Rede entstammt, — denn
an einen inf. bist ist nicht zu denken, — die zu Hilfe gerufene Ein-
leitung demnach sehr ausführlich gedacht werden müsste. Gilbert
fasst die Worte des Polybius viel zu einseitig auf. Der Untergang
einer mit Kriegsvorräthen beladenen Flotte war gewiss ein schmerz-
licher Verlust für die carthagische Regierung; aber das Beklagens-
werthe an dem ün&ll war, wie aus Polybius hervorgeht, nicht sowohl
der dabei zu Grunde gegangene Proviant, als die verlorene Flotte
und die Kriegsvorräthe. Da ein Jahr des Misswachses nicht voraus-
gegangen war, war der Proviant von geringerer Bedeutung und es
hiesse die Mücke zum Elephanten machen, wenn Coelius davon in
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Die Fragmente des L. GoeliiiB Antipater. 2d
einer Bede Lärm geschlagen hätte. Der nächste Verlauf des Söldner-
kriegs zeigt keine auch nur irgend bemerkbare Lähmung der Ope-
rationen, die der Verlust zur Folge gehabt hätte; es geht daraus
hervor, dass eben ein ^Mangel' an Getreide zu Carthago im Jahre
515/239 nicht existirt hat Dazu kommt, dass die Besetzung Sar-
diniens durch die Römer keineswegs gleichzeitig mit dem Untergang
der carthagischen Flotte stattgefunden hai Denn wer sollte unter
den ^hostes' verstanden sein? unmöglich, dies wird Jedermann zu-
geetehn, carthagische Söldner, wenn sie auch in Empörung gegen
ihre Begierung begriffen waren; die ^hostes' können nur auswärtige
Feinde, Bömer sein. Mit den letzteren standen aber im genannten
Jahre keinerlei Zwistigkeiten in Aussicht. Im Gegentheil: die Bömer
imierstatzten die Oarthager in ihrem Kampfe durch ausgesprochene
Begünstigungen^ und als endlich nach zwei Jahren ein Conflict sich
erhob, der durch die Wegnahme Sardiniens durch die Bömer endete,
ist von keinem ^frumentum delinquere' mehr die Bede. Aus allen
diesen Gründen ist die Gilbert'sehe Hypothese, auf deren Völlige
Sicherheit' der Verfasser selber verzichtet, zurückzuweisen, obwohl
sie der einzig mögliche Versuch war, das Fragment mit der Ge-
schichte des Hannibalischen Krieges in Verbindung zu bringen.
4.
Serv. ad Aen. 6, 9 fr. 54 P. Coelius enim de Cumano ApoUine
ait: Est in fano Signum ÄpoUinis ligneum aUmn non minus pedes quinr
dedm, cuius meminisse putatur Vergilius.
Weder der Tempel noch das Bild des Apollo von Oumae wird
in irgend einem Schriftsteller des Hannibalischen Krieges erwähnt.
— Beschrieben findet sich der Tempel Virg. Aen. 6, 14 f.; erbaut
war derselbe von Daedalus, Virg. a. a. 0.
Serv. ad Aen. 10, 145 fr. 52 P. Coelius Troiamim Capyn condi-
disse Capuam tradidit, eumque fuisse Äeneae söbrmum,
Coelius stellt sich hier in Gegensatz zu Cato, der fr. 69 P.
(VelL 1, 7, 2) Capua von den Tuskem gegründet sein lässt und auch
die Zeit der Gründung bedeutend später ansetzte als Coelius, nämlich
•260 Jahre vor der Eroberung durch die Bömer' d.i. 283/471. Ver-
muthlich hat darum Coelius ausführlicher über seine Ansicht ge-
sprochen und sie begründet. Entlehnt ist dieselbe von Hecataeus
fr. 27 M. (Steph. Byz. p. 357 W.) und findet sich noch bei Ariaethus
in Dion. H. 1, 49 p. 123: xdc xe KoXouiii^vac Kamiac Alveiou xe Kai
Tpiiuiv dirÖKTiciv cTvai, KaTniac dvojiiacGeicac ditö xoö TpujiKoO
KdiruDC. X^t€xai bt xaOxa fiXXoic xe Ka\ 'ApiatGiii TpotM^avri xd
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30 Wilhelm Sieglin:
'ApKabtKd; Eustath. zu DioiL Per. 357; Suet. Caes« 81; Etym. Magn.
s. V. KaTTUTi p. 490; Verg. a. a. 0.
6.
Serv. ad Georg. 2, 197 £r. 35 P. Item Satori locus iuxta
Tarentom, quem Coelius in V libro Historiarum dicit nomen accepisse
a Saiwra pueUa, quam Neptwnius compressiL
Auch die Stadt Saturi oder Saturia kommt in keiner Darstellung
des Hannibalischen Krieges vor. Die hier erwähnten ^Historiae'
können schon desshalb wohl nicht identisch mit dem Bellum Punicum
des C!oeliu8 sein, da der Abfall von Tarent sich in den früheren
Büchern, selbst die Wiedereroberung der Stadt im vorigen Buche
sich abgespielt hatte. Mit dem Jahre 543/211, dem letzten ver-
geblichen Angriffe Hannibals auf Tarent, tritt dasselbe von dem Schau-
platz der Begebenheiten ab; und in Buch IV sind die Eriegsereignisse
bis zum Jahre 544/210 hinabgeführt, s. p. 12. Geändert kann
die Zahl V nicht werden, da unser Fragment auch in den Schol.
Bern, ad Georg. 2, 197 sich findet, wo es lautet: Saturum Coelins
in libro quinto historiarum dicit nomen accepisse a Satura puella,
quam Keptunus compressit. Es wäre auch eine eigenthümliche, jeden
Leser ermüdende Sitte von Seiten des Coelius, wenn er bei der
Namensnennung jeder Stadt, die ihm im Laufe des Krieges begegnete,
deren Etymologie und Gründungsgeschichte, in unserem Falle, wo
es sich um Tarent handelt, die der umliegenden Städte geben wollte.
7.
Schol. Veron. ad Aen. 5, 251 fr. 63 P. Lucretius in 11: lam
tibi barbaricae vestes meliboeaque fulgens Purpura. CoeUus: Mean ....
factum Meandro duplici .... lana est qualis a Melibea . . . . ut velum ....
Sic alius eum errantem, alius ludentem dicit. An potius duo opera
Meandri in cblamjde texta? Placet hoc magis.
Das Fragment ist verstümmelt. Aber ich denke, das ist deutlich,
dass es nichts mit dem zweiten punischen Kriege zu thun hat, son-
dern vom Flusse Mäander handelt und seinem gekrümmten -Laufe,
der gewissen kunstvoll verschlungenen Zeichnungen auf bunten, ge-
stickten Gewändern seinen Namen gab.
8.
Serv. ad Georg. 1, 77 fr. 31 P. Dicit (Virgilius) frumenta
serenda non esse. Nam licet manu legantur et sint inter legumina:
viribus tamen frumentis exaequantur. Coelius libro tertio seri
avenam ostendit
Recht ansprechend ist die Erklärung Gilberts p. 388: ^Der
Hafer war ursprünnglich nur als Unkraut in Italien bekannt: als
solchen erwähnt ihn Cato r. r. 37; vgl. Cic. de fin. 5, 30, 91; Verg.
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Die Fragmente des L. Ck)eliiia Antipater. 81
ecL 5, 37; Georg. 1, 154; namenüicb Plin. n. h. 18, 17, 149. Die
Worte den Coelius zeigen, dass diese Getreideart zu Coelius' Zeit in
Born unbekannt war und dass Coelius ihre Verwendung bespricht
und erklfirt. Es scheint nun der Norden, speciell das gallische Gebiet
zu sein, von wo die Benutzung des Hafers, wenigstens als Futter-
kraut nach dem eigentlichen Italien hin sich allm&hlich verbreitet
hat. Nach Plin. 18, 17, 149 sind es Germani populi (qui) eamserunt
neque alia pulte vivunt. Nach demselben 18, 24, 205 sind es die
Transpadani, welche in Bezug auf linum, avenam und papaver eine
bestimmte Regel in der Aussaat beobachten. Das Fragment des
Coelius scheint darum auf die gallischen Gebiete Norditaliens, speciell
auf den ager Grallicus bezogen werden zu müssen', und ist wohl einer
Darstellung ^über Land, Volk und Sitten dieser Landschaft' ent-
nommen. — Eine solche ist nach dem Vorbilde Catos gemacht, der den
gallischen Weinbau fr. 43, Mohnbau fr. 35, die gallische Schweine-
zucht fr. 39 geschildert hatte, den gallischen Volkscharakter fr. 34.
9.
Fhilar. ad Georg. 2, 345 fr. 48 P. Coelius in VII: Consuetudine
uxoriSy indulffUate liberum.
Auf die Möglichkeit, dieses Fragment mit dem zweiten punischen
Eiiege in Verbindung zu bringen^ haben Nauta, Green, Meltzer, Peter
verzichtet. Nauta p. 49 bemerkt: equidem in toto hello Punico se-
cundo neminem offendi, qui vel ob singularem in suos pietatem lauda-
retur, vel quem ista causa ab reipublicae bellique curis averteret, Tel
in quem alio quocunque modo couTeniret hoc fragmentum; und Green
p. 65 ruft verzweifelnd aus: is autem, qui probaliter dixerit, quorsum
haec Coelii verba referenda sint^ erit mihi magnus Apollo; auch wir
müssen uns diesem Verzicht anschliessen.
Gilbert hat p. 461 eine Erklärung gefunden. Hannibal soU in
Carthago 552/202 eine Bede gehalten haben, in der er darlegte, wie
sein Vater der consuetudo uxoris, der indulgitas liberum, d. h. jedem
Familienleben und Familienglück entsagt habe, um ausschliesslich
dem Vaterlande zu dienen; dass er selbst (Hannibal) von frühester
Kindheit an in das Lagerleben hineingezogen, die grössten Thaten
gethan; dass sein Verdienst also wohl unz weifelbar, sein Bath also
auch beachtenswerth sei; und hieran habe er die Aufforderung ge-
knüpft, unter jeder Bedingung mit Bom Frieden zu schliessen. Diese
Bede ist natürlich nirgends überliefert, sondern von Gilbert selbst ge-
macht. Bei der Erfindung derselben hat dieser nur vergessen, dass
Hamilkar die consuetudo seiner Gattin so sehr genoss, dass er 3
Söhne und mindestens 2 Töchter zeugte; der Verzicht auf das Zu-
sammenleben mit seinen Kindern bestand aber darin, dass er diese
bekanntlich alle — von vieren wissen wir es bestimmt — selbst
nach Spanien mit sich nahm.
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33 Wilhelm Sieglin:
m.
SolinuB mit 2 Fraermenten.
1.
SoUn. 2, 28 p. 42 M. Coehns Äeet€ie tre$ ßias dielt, Af^iam,
Medeam, Circen. Circen Circeios insedisse numteSy canmnum mcLU-
ficHs varias imaginum fades mentientem; ÄnffUiam vicina Fucino
occupavisse ibique salubri scientia adver sus morhos resistentem, cwm
dedisset homines vivere, deam habiiam; Medeam ab lasone Buthroti
sepultam fiUumque (jus Marsis itnperasse.
Ich lese mit cod. Par. und Bas. ^Coelius' statt ^C. Goelius' oder
*Caecilius\ H. Peter coi^jicirt ^Cn. Gellius', was aus dem Grunde un-
richtig ist, weil dieser Historiker im Gegensatz zu dem vorliegenden
Fragment die Marser mit Marsjas, dem Führer der Ljder, in
etymologischen* Zusammenhang hringt Plin. 3, 12, 108 (fr. 8).
^Wahrscheinlich hatte der archetypus ^Coelius' in ^Caecilius' ver-
schrieben gehabt, eine Form, welche für den Namen des Goelius in
den Citaten der verschiedenen Schriftsteller handschriftlich fast ebenso
häufig überliefert ist, als der richtige Name Caelius oder Goelios;
hatte den Schreibfehler corrigirt, also etwa Gecilius oder Cecilius;
und so sind die Lesarten Gelius (Goelius, Gaelius), Gecilius, aber
auch G. Gelius und daraus G. Gelius resp. Gaius Gelius (Goelius,
Gaelius) leicht zu erklären. Monmisen setzt deshalb auch richtig
Goelius: nur ist das von ihm gehaltene G., wie angedeutet, als ans
dem ersten G. des ursprünglichen Namens Gecilius entstanden zu
streichen'. (Gilbert p. 384). Einen Historiker G. Goelius giebt es
nicht, und so weisen wir das Fragment mit Gilbert Goelius Anti-
pater zu.
2.
Solin. 1, 7 p. 7 M. De temporibus urbis conditae ambiguitatum
quaestiones excitavit, quod quaedam ibi multo ante Bomulum culta
sint. Quippe aram Hercules, quam voverat, si amissas boves rep-
perisset, punito Gaco patri Inventori dicavit. Qui Gacus habitavit
locum, cui Salinae nomen est: ubi Trigemina nunc porta. Hie, ut
Gaelius tradit, cum a Tarchone Tyrrheno^ ad quem Ugatus venerat,
missu Marsyae regis socio Megale Phryge, custodiae foret dahis,
frustratus vincula et unde venerat redux praesidiis amplioribus oecu-
pato circa VoUumum et Campaniam regno^ dum attrectare etiam
ea audct^ quae concesserant in Ärcadum iura, duce Bereute qui tunc
forte aderat, oppressus est, Megäten Säbini receperunt disciplincun
augurandi ab eo docti. Suo guoque nunUni idem Hercules instituit
aram, quae maxima apud pontifices habetur, cum se ex Nicostrate^
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. 33
Eucmdri matrey guae ä vaticiinio Carmentis dida est, immortälem com-
pmssä. Consae^tum etiam mtra quod rUus sacrorum facHs hovicidüs
docuU PotiUos^ saceUum HercuU in Boario foro est, in quo argumenta
ei eofmvii et tnaiestatis ipsius rema/nent.
Diese sonderbare DarsteUung des Cacus nicht als Hirten, son-
dern als König findet sich einzig noch in der Cumanischen Chronik,
die Hjperochus herausgegeben Fest. p. 266, und Dion. Hai. 1, 42.
Die Handschriften haben statt ^Coelius' ^Cellius' und ^Gellius';
doch ist nach Strabo 5, 3, 3, p. 230 ^Coelius' zu lesen, wie auch die
meisten- Ausgaben thun. Die Strabostelle lautet im Zusammenhange:
AÖTTi jüitv ööv f| jLidXiCTa TricTeuojLievTi tfic Td))i»ic kticic dcxiv.
Sk\r\ bi TIC TipoT^pa Kai jiiueiübTic 'ApKabiirf|V X^TOuca T^v^cGai Tf|v
dTrciKiav vrr' €udvbpou. TouTip V d7TiH€VUi0f]vai töv 'HpaKX^a
^Xauvovxa xdc rnpuövou ßoöc. TruOöjLievov bk tfic jiiriTpöc Niko-
crpdTnc TÖV eöavbpov, (eTvai b' aöröv jiiavTiKfic ?jLi7reipov), Sri ti&
'HpaKXcT 7r€7rpuü|Li€Vov ?iv reXecavTi toüc fiGXouc Geqj T€V^c0ai, cppdcai
Te Tipdc TÖV 'HpoKX^a raöra Kai Tdjüievoc dvab€i2ai Kai öücai Guciav
'eXXriviKrjv, fiv Kai vöv fxi (puXdTTccOai tiö 'HpaKXeT. Kai 8 y€ KoiXioc,
6 TÄv 'Pujjiiadüv cuTTpaq>€Üc, toOto xiGexai CTijLieTov tou '€XXt|viköv
clvai KTicjüia -rfjv Tiü|lit|V, tö irap' aurrl Tf]v TrdTpiov Guciav '6XXti-
viKÖv eTvai tiu ^HpaKXeT.
Die Handschriften sind auch hier ungenau und haben itacistisch
& t^ KuXioc, auch 6 K€kuXioc, statt 6 t^ koiXioc; doch Hest KoiXioc
schon Krämer, Lachmann (De fönt. Livii I, 30, A. 3) und Meineke.
Die Handschriften des Solinus und Strabo stützen sich gegenseitig;
wenn gleich in beiden verschrieben, kann nur Coelius resp. KoiXioc
der ihnen gemeinsame Name sein. Schwegler, K G. 1, 80 conjicirt
6 T* 'AkiXioc, Veil Coelius Antipater, der sonst gemeint wäre, nur
eine Geschichte des zweiten punischen Krieges geschrieben hat und
nicht abzusehen ist, wie er hier Veranlassung zu jener Bemerkung
gehabt haben soll. Auch hat Coelius lateinisch geschrieben, während
Strftbo nur griechische Quellen citirt'. Schweglers erster Grund
bietet keine Veranlassung zur Aenderung, da wir bis jetzt schon
13 — 14 Fragmente gefunden, die mit dem Hannibalischen Kriege
nichts zu thun haben. Sein zweiter ist nicht richtig: 14, 2, 25 p. 660;
17, 1, 13 p. 791 citirt Strabo Cicero; 4, 1, 1 p. 177 Caesars Bellum
Gallicnm; 4, 3, 3 p. 193 Asinius PoUio; 11, 13, 3 p. 523 Dellius;
Strabo, der mehrere Jahre in Bom lebte, konnte das Lateinische keine
Schwierigkeiten machen. Auch drückt dieser sich 3, 4, 19 p. 166
über die Benützung römischer Quellen also aus: o\ bk tüjv TuijLiaiuuv
cuTTpacpeic juijaouvrai \xkv touc "EXXnvac, dXX' ouk im ttoXu. Ka\
ydp fi X^TOuci Tiapd toiv *6XXt)Vuüv jüieracp^pouciv, il iavxijjv bk
oö TToXi) jLifev TTpocq)^povTai TÖ cpiXeibriiiov, ujct' ÖTröxav fXXeiipic
T^vnxai Tiap' dK€ivu)v, ouk ?cti ttoXu tö dvairXnpoüiLievov üttö tujv
^T^puiv. Man sieht, ein Misstrauen hatte Strabo gegen die römischen
Scriptoren und er benützte sie gewiss möglichst wenig; aber sein
Jtteb. 1 oUsi. PhüoL Snppl. Bd. XI. S^^ ^^ GoOQIc
34 Wilhelm Sieglin:
Misstrauen richtete sich gegen den Inhalt ihrer Werke, nicht gegen.
die Sprache, in der sie schrieben. Es war eben für gewöhnlich
herzlich wenig Neues in ihnen zu finden. Als er jedoch bei der
Geographie Italiens an die Geschichte Borns kam, war er natürlich
gezwungen, römische Quellen zu gebrauchen. Ob sie dann lateinisch
oder griechisch geschrieben waren, machte ihm, der Jahre lang in
Rom lebte, wenig unterschied; er gebraucht Fabius (5, 3, 1 p. 288)
so gut wie Caesar, Asinius Pollio und hier Coelius. Dass Strabo
ausser Fabius keinen einzigen römischen griechisch schreibenden
Autoren citirt, zeigt am evidentesten, dass wir keinerlei Berechtigung
haben, die von ihm citirten römisch Schreibenden in gräcisirende
zu verwandeln.
Die so gewoimenen Fragmente des Strabo und Solinus sind ganz
im Einklänge mit den Citaten aus Semus; sie behandeln die Urzeit
Italiens und haben wie diese die Tendenz, dasselbe mit Griechenland
in Verbindung zu bringen.
IV.
Anon. de dub. nom. p. 590 E. fr. 61 P. Salientes aquarum ge-
neris masculini ut Coelius perpekmm säUentem.
V.
Quintüian mit 2 Fragmenten.
Quint. 1, 5, 61. Ne in V quidem atque ^s' litteras elire te-
mere masculina Graeca nomina recto casu patiebantur, ideoque et
apud Coelium legimus Pdia dncmnatus et apud Messalam hene facit
Euthia, et apud Ciceronem Hermagora, ne miremur quod ab anti-
quorum plerisque Aenea et ÄncMsa sit dictus.
Ob dieses- Fragment Coelius Antipater zuzuweisen ist, oder dem
Redner Coelius Bufas, muss zweifelhaft bleiben. Für den letzteren
spricht die Zusammenstellung mit Messala und Cicero und der Um-
stand, dass Quintilian Coelius Bufus auch sonst hftufig erwähnt; für
Antipater jedoch die Thatsache, dass dieser nach Sohn. 2, 28, wie
wir gesehen haben, die Geschichte der Medea und des Jason aus-
führlicher behandelte, in welcher ja der Name Pelias eine Hauptrolle
spielt. Wir dürfen wohl behaupten, dass Antipater in diesem Theil
seiner Geschichte eine Erwähnung des Pelias kaum vermeiden konnte.
Dieser Umstand wäre fast entscheidend zu Gunsten unseres Histo-
rikers; aber ein Zufall wollte es, dass ein ähnliches Moment auch
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Die Fragmente des L. Coelius Antipater. 35
bei Bofos eintritt Sempronius Atratinus hatte in jenem famosen
Process gegen Eufds letzteren wegen seines Verhältnisses zur Clodia,
die er verlassen, den ^polchellus Jason' genannt (Cur. Fortnnat. A.
Bh. Schol. p. 92 Cap.), wie Cicero die Clodia *die römischß Medea'
die ^Palatina Medea'. Dass Bufas in seiner Antwort höhnend seine
Bilder gleichfalls ans der Mythologie hervorholte, wissen wir ans
Qnint. 8, 6, 53 ; nnd daes er die Vergleichong mit Jason in beissen-
dem Spotte aufgriff und seinen Gegner einen ^Pelias' nannte und ihm
das Schicksal desselben prophezeite, ist wenigstens möglich; H.Meyer
hat diese Yermuthung aufgestellt Orat. Bom. Fragm. p. 486. So ist
es nicht zu entscheiden^ wem unser Fragment gehört, wenngleich
die Wagschale sich mehr zu Antipater zu neigen scheint. Auffallend
ist*, dass Quintilian, der, so offc er Coelius Bufus erwähnt; diesen zur
Unterscheidung von dem bekannteren Coelius, unserem Historiker,
als M. Coelius hervorhebt (l, 6, 29; 4, 2, 27; 4, 2, 123; 6, 3, 39;
6, 3, 41; 11, 1,5 1) oder wo er dies unterlässt, ausdrücklich als
Bedner bezeichnet (8, 6, 63; 9, 3, 58; 11, 1, 115; 12, 10, 11;
12, 11, 6), nirgends jedoch Zweideutigkeit zulässt, einzig an unserer
und an der folgenden Stelle eine nähere Bezeichnung unterlässt. Da
Coelius Bufas bis jetzt (l, 5, 61) noch nicht genannt war, Quintilian
dagegen kurz vorher den Fabius Pictor (l, 6, 12) Varro de in. urb.
Bom. (ibid) und Sisenna (l, 5, 13) — gleich&lls aus sprachlichen
Gründen — erwähnt hatte, so lag es dem Leser bei Vorführung des
Namens Coelius und bei den aus diesem vorgebrachten Worten, da sie
einen geschichtlichen Inhfilt hatten, näher an Coelius den Histo-
riker zu denken. Wenn aber Quintilian Coelius den Bedner meinte,
so bleibt es unverständlich, warum er gerade hier von der sonst
streng iimegehaltenen Begel abgewichen und einem naheliegenden
Missverständniss Baum gab. Wie wir aus den Granunatikem und
Cicero ersehen, wurde unter ^Coelius' kot' iioxf\v immer Coelius Anti-
pater verstanden; meinte man einen andern, wurde es hinzugefügt,
ähnlich wie wir unter ^Cato' zuerst Cato Censorius verstehen, unter
Yarro den Beatinus und fast nur im entgegengesetzten Falle ein
ütioensis oder Atacinus u. s. w. hinzufügen. Dürfen wir diesen Um-
stand premiren, so hätten wir eine gewisse Wahrseheinlichkeit für
Coelius Antipater gewonnen.
2.
Quini 1, 6, 42. Neque enim tuburchinabtmdum et Jurchina-'
Imndwm iam in Bobis quisquam ferat, licet Cato sit auctor, nee hos
lodiees qnamquam id Pollioni placet, nee gktdMa atqui Messala dicit,
nee parridßMum quod in Coelio vix tolerabile videtur.
Auch bei diesem Fragment ist natürlich zweifelhaft, ob Coelius
Bufas oder Antipater gemeint isi Es theilt vermuthlich das Schicksal
des vorigen und gehört demselben Autor an.
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36 Wilhelm Sieglin:
VI.
Cicero mit 5 Fragmenten.
Cic. Or. 69, 229 fr. 1 P. Sed magnam exerdtationem res flagitat,
ne quid eorum, qui genus hoc secaü non tenuenmt, simile fadamus,
ne aut yerba kaiiciamus aperte, quo melius aut cadat aut volyatur
oratio. Quod se L. Coelius Antipater in prooemio belli Punici nisi
necessario factumm negat. 0 yirum simplicem, qui nos nihil celet,
sapientem, qui serviendum necessitati putel Sed hie omnino rudis;
nobis autem in scribendo atque dicendo necessitatis excusatio non
probatur; nihil est enim necesse, et si quid esset, id necesse tarnen
non erat confiteri. Et hie quidem, qui hanc a Laelio, ad quem scripsit,
cui se purgat, veniam petit, et utitur ea traiectione verborum et
nihilo tarnen aptius explet concluditque sententias.
Mit dieser Bemerkung des Coelius über seine Schreibweise ist
zu vergleichen Fronte p. 62 N. Bari admodum yeterum scriptonim
in eum laborem studiomque et periculum industriosius quaerendi
sese commisere. — Poetanun multo maxime Ennius, eumque stndiose
aemulatus L. Coelius.
2.
Cic. De diy. 1, 24, 48 fr. 34 P. Hannibiüem Coelius scribit cum
columnam auream, quae esset in f<mo Imonis Lacmiae, auferre veOet,
dUbüaretque utnm ea soUda esset an extrinsecus maurata, pertere-
bravisse, eumque solidam invenisset^ statuisse toUere; ei secundum quietem
visam esse lunanem praedicere, ne id faceret, minarique si fedsset, se
curahuram, tä eum quoque ocuktm, quo bene videret, amitteret; idque
ab hamine acuta non esse negledum. Itaque ex eo auro, quod extere-
bratum esset, baculam curasse fadendam et eam in summa cökmma
cofüocavisse.
Hannibals Gelüste nach den Schätzen der Juno Lacinia werden
erzählt; yergL Liy. 24, 3, 6 und 28, 46, 16.
3.
Cic De diy. 1, 24, 49 fr. 11 P. Hoc item in Sileni, qnem Coelius
sequitur, Graeca historia est; is autem diligentissime res Hannibalis
persecutus est: Hannibalem, cum cepisset Sagunium, visum esse in
somnis a love in deorum concHium vocari; quo cum venisset, lovem
imperavisse, ut Italiae bellum inferret, ducemque ei unum e concUio
datum, quo iüum ulentem cum exercUu progredi coqnsse; tum ei ducem
mum praecepisse, ne re^nceret; ißiim autem id diuHus facere non jpo-
tuisse elaiumque cupidUcUe respexisse; km visam beluam vastam et
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Die Fragmente des L. CoeliuB Antipater. 37
wumanf^m circuMpUcaiam serpmtibus, guacunque incederä, omnia ar-
husia, virguUap teda pervertere; et eum admircUum quaesisse de deo,
guodnam ülud esset täte monstrum^ et deum respondisse^, vasHtatem
esse ItaUae, praecepisseque ui pergerä protmus; quid retro cUque a
tergo fieret ne UAorarä.
Der berOlmite Traum Hannib&ls beim Ebroübergang 536/218,
Idv. 21, 22, 6; Zon. 2, 22 p. 238 D.; Val. Max. 1, 7 ext 1; Sil. Ital.
3, 168 — 214; Bist. Mise. 3, 5. Die Zeitbestimmung^ die Cicero angibt
(cnm cepisset Saguntnm), ist etwas ungenau, doch nicht verschieden
Ton der des Livius und Zonaras, wie WölfElin, Antiochus p. 27 an-
nahm, da Sagunts Fall und der Ebroübergang Hannibals zeitlich
unmittelbar aufeinanderfolgten, nur von wenigen Wochen getrennt,
vergl. Sieglin, die Chronologie der Belagerung von Sagunt, diss.
inaug. Leipzig 1878 p. 14; 34.
4.
die. de div. 1, 26, 55 fr. 49—50 P. Omnes hoc historici, Fabii,
Gellii, sed proxume Coelius: Cum heUo Laiino ludi votivi maximi pri-
mum fierent, cwitiis ad arma repente est excitata, itaque ludis inter-
missis iustaurcUivi constUuti sunt. Qui anteguam fierent, cumque tarn
populus consedisset, servus per circum, cum virgis caederetur^ furcam
ferens ductus est, Exin cuidam rustieo Bomano dormienti visus est
venire, qui diceret praesulem sihi nan placuisse ludis; idque ab eodem
iussum esse eum senatui nuntiare; ülum tum esse ausum. Iterum esse
idem iussum et monitum, ne vim siMm experiri veUet; ne tum quidem
eum ausum, Exin fiUum eius esse mortuum, eandem in somnis ad-
momtianem fuisse tertiam. Tum idium etiam debilem factum rem ad
amicos dehdisse, quorum de sententia ledicula in curiam esse delatum,
cumque senatui somnium enarravisset, pedibtis suis sdtvum domum
revertisse. Itaque somnio comprdbato a senatu ludos ülos iterum in-
stauraios memoriae proditum est. C. vero Gracchus multis dixü,
ut scriptum apud eundem Coelium est, sibi in somnis quaesturam
petefre dubitajnti Tiberium fratrem visum esse dicere, quam veUet
cundaräur, tamen eodem sibi leto, quo ipse ifUerisset, esse pereundum.
Hoc, antequam tribunus plehi C, Gracchus factus esset, et se audisse
scribit Coelius et dixisse muUis.
Eine Wundergeschichte aus dem Latinerkrieg 264/490 wird er-
zShlt; ihre Glaubwürdigkeit dargelegt durch eine von Coelius selbst
erlebte Begebenheit, üeber dieselbe s. Mommsen, Eh. M. f. Ph. XTV
(1859) p. 79 f; Hermes IV (1870) p. 1 — 26. — Hertz, de Hist. Rom.
EeL Quaest, Vratisl. 1871 p. 18 von C. F. W. Müller N. J. f. Ph.
LXXXIX p. 607 auf die genauere Wiedergabe von Ciceros Worten
bei Plutarch aufmerksam gemacht, C. Qracch. c. 1. cpeuTOVTt iroicav
dpx^iv Kat ^€9' ficuxiac f)pTm^V(fi 2;f)V, schlftgt vor die Lücke
in Ciceros Text grösser anzunehmen und zu lesen: quaesturam pete[re
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38 Wilhelm Sieglin:
nolenti et vitam tranquillam qnaereJntL C. F. W. Müller in seiner
kürzlich erschienenen Ausgabe von Cicero vol. IV scheint dies über-
sehen zu baben.
5.
Cic. De div. 1, 3ö, 77 fr. 20 P. Quid? hello Punico secundo
nenne C. Plaminius consul iterum neglexit signa rerum futuraruxn
magna cum clade reipublicae? Qui exercUu ludrato cum Arretium
versus castra movisset, et contra Eamitbälem legiones duceret, et ipse
et equus eius ante Signum lovis Statoris sine causa rezente concidit,
nee eam rem habuü rdigioni, obiecto signo, ut peritis videbatur, ne
commUteret proelium. Item, cum iripudio auspicaretur, puUarius diem
proelii committendi differehat. Tum Flaminii^ ex eo quaesivü, si ne
postea quidem pulli pascerentur, quid faciendum censeret. Cum iUe
quiescendum respondisset, Flaminius: Praedara vero auspicia, si esti-
rientibus puUis res geri poierU, saturis nihü gereturi Itaque signa
convdli et se sequi iussU. Quo tempore cum signifer primi hastaü
Signum non posset movere hco nee qwicquam proficeretur, plures cum
accederent, Flaminius re nuntiata suo more neglexit. Itaque tribus iis
horis concisus exercitus, atque ipse interfectus est. Magnum illud etiam
quod addidit Coelius^ eo tempore ipso cum hoc cälamüosum proelium
fieret,* tantos terrae motus in Liguribus, QaUia compluribusque instdis
totaque in Italia factos esse, wt m/uUa oppida conruerint, nrnltis locis
läbes factae sint terraeque desederint, ftummaque m contrarias partes
fluxerM atque in amnes mare influxerit.
Die Prodigien vor der Schlacht am Trasimener See werden von
Cicero noch einmal erwähnt de nat. deor. 2, 3, 8 fr. 19 P. C.Flaminium
Coelius religione neglecta cecidisse apud Trasumenum scribit cum
magno rei publicae yulnere; vergl. Liv. 22, 3, 11; Plut.Fab. 3; Flor.
1, 22, 14; Zon. 8, 25 p. 244 D.; VaL Max. 1, 6, 6; Sü, Ital. 5, 611;
PHn. N. H. 2, 84, 200.
Fassen wir einen Bückblick auf die letztvorgebrachten 22 Frag-
mente, so wurde darin behandelt:
1) Die Frage über die Möglichkeit der ümschiffong A&ikas;
Coelius aufgeführt neben Hanno und Nepos.
2) Der Umfang Italiens. Dessen grösste Breite auf der Linie
zwischen Genua und Aquileja.
3) Beschreibung des Avemersees und seiner Merkwürdigkeiten;
neben Varro und Etesias.
4) Beschreibung von Petelia; neben Catos Origines.
5) Geographische Lage der Maurusier.
6^ War nicht zu bestunmen.
7) Eine Beschreibung des Apollotempels zu Cumaew
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Die Fragmente des L. CoeliuB Antipater. 39
8^ Gründling und Etymologie von Capua.
9) Gründung und Etymologie von SaturL
10) Eine ethnographische Notiz.
11) Nachrichten über den Feldbau in Gallia Cisalpina.
12) Nicht zu bestimmen (Liebe einer Gattin und ihrer Kinder).
13) Der König Aeetes und seine drei Töchter, mit deren Be-
ziehungen zu Italien.
14^ Aelteste Nachrichten über Born.
15) Aelteste Nachrichten über Bom.
16^ Eine Quelle, die unversiegbar sei
17^ Bemerkung über Pelias.
18^ Ein Parricidium.
19) Hannibal am Tempel der Lacinischen Juno.
20) Hannibals Traum beim Ebroübergang.
21) Eine Geschichte aus dem Latinerkrieg 264/491 mit an-
gefügter Erzählung, die Coelius selbst erlebt
22) Die Prodigien Tor der Schlacht am Trasimener See.
Wir hatten oben 34 Fragmente des Coelius gehabt, die wir
theils als sicher, theils als wahrscheinlich in den zweiten punischen
Krieg passend haben festsetzen können; jetzt sind es deren 37, denen
jedoch nicht weniger als 17, oder wenn wir die beiden Fragmente in
Quintilian zuzfthlen, 19 gegenüberstehen, die in keinem Zusammen-
hang mit diesem Kriege standen. Es wird schwer Jemand glauben,
dasB diese 17 resp. 19 Fragmente sollten alle Digressionen sein.
Digressionen sind naturgemäss in jedem Werke etwas vereinzeltes.
Selbst wenn Coelius mehr als andere Autoren sich deren erlaubt
hfttte, so wäre ei ein sonderbarer Zufall, wenn ein solch gewaltiger
Procentsatz derselben in die uns überlieferten Fragmente sollte ein-
gedrungen sein; sie bildeten ein volles Drittel. Der Zufall wäre um
so grösser, da wir in den Fragmenten aller übrigen Eüstoriker, des
Cato, Piso, des Gellius, des Claudius Quadrigarius, Sisenna, Valerius
Antiae, um von andern zu schweigen, von denen wir nur wenige
Fragmente haben, so gut wie keine Digressionen entdecken können.
Die Fragmente des Coelius würden deren mehr bieten als die aller
übrigen zusanmien. Bei der Mehrzahl versteht man aber die Mög-
lichkeit nicht, wie eine Darstellung des zweiten punischen £[riegs zu
denselben Veranlassung geben konnte, besonders zu denen bei Plinius,
bei Strabo und Solinus, mit König Aeetes, mit Hercules, der üm-
schiflPong Afrikas u. s. w., die nebenbei auch einen Umfang haben,
der über das gewöhnliche Mass hinausgeht Etymologische Notizen,
wie sie Servius zum Theil hat, wären denkbar, aber warum ist keine
Spur in Livius übergegamgen? Etwas gesichtet^ konnten sie Leben
in die Darstellung bringen, und Livius ist, wie bereits bemerkt,
sonst nicht der IKfann, der aus seinen Quellen derartiges streicht.
Hier hat er keine einzige aufgenommen.
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40 Wilhelm Sieglin:
Schon diese Betrachtungen zusammengenommen, lassen die
Yermuthung in uns aufsteigen, <iass wir zwei verschiedene Werke
des Coelius vor uns haben. Nun ist aber weiter die Erscheinung zu
fage getreten, dass in derselben Art^ wie wir die Fragmente ihrem
Inhalt nach zu scheiden haben, diese geschieden in unsem Quellen
bereits überliefert sind, dass unsere Grammatiker Nonius, Charisius,
Priscianus, Gellius, welche Fragmente brachten; die in den Hanni-
balischen Krieg hineinpassten, ausschliesslich solche brachten,
keine, bei denen eine Digression angenommen werden muss. um-
gekehrt war es mit Servius, Plinius u. s. w.; diese hatten nur
solche, die nichts mit dem Kriege zu thun hatten : Bei einem solchen
Spiel hört der Zufall auf. Einzig Cicero hatte Fragmente aus beiden
Werken. Dieses an sich auffallende VerhSltniss wird bald erklär-
lich. Servius, der einen Commentar zu einer Art Urgeschichte Borns
schreiben wollte, ihm war eine Geschichte des zweiten punischen
Kriegs keine Quelle, die er verwenden konnte, ebensowenig Plinius,
wenn dieser bei der Geographie Italiens und ähnlichen Disciplinen
nach Hilfsmitteln sich umsah, oder Solinus und Strabo. Umgekehrt
und doch nicht anders ist es mit den Grammatikern. Auch diese
hielten Auslese bei der Benützung der literarischen Produkte, die
ihnen zu Gebot standen, da für ihre Zwecke ihnen meist Ein Werk
eines Schriftstellers genügte, um dessen Schreibweise oder die seiner
Zeit zu charakterisiren. So wird Cato De re rustica von den Gramma-
tikern nie citirt, denselben Grammatikern, die aus Gates Origines und
Catos Beden Dutzende von Fragmenten überliefern. Der vielgelesene
Calpumius Piso wird von den Grammatikern so gut wie ignorirt,
einzig Priscian erwähnt ihn an einer einzigen Stelle. Bezeichnender
noch ist Sisenna. Dessen Historien werden von Nonius nicht ganz
150 Mal citirt, von Charisius nicht; umgekehrt Sisennas Milesia von
Charisius 4 Mal, seine Commentarii Plautini 3 Mal, während Nonius
die beiden letzten Werke nicht kennt, unverändert zeigt sich unser
Fall bei Butilius Bufus, dessen Schrift ^De vita sua' wohl von
Charisius und Diomedes benützt ist, während dessen Historien kein
Grammatiker kennt. Analoge Fälle lassen sich noch genug auf-
zählen. Von Coelius werden wir später zeigen, dass er von den
gewonnenen beiden Werken das Bellum Punicum ziemlich früher
geschrieben hat, als das andere; Grund genug für die Grammatiker,
mit dem älteren Werke sich zu begnügen, als dem sprachlich wich-
tigeren.
Anders endlich als diese beiden Kategorien handelte Cicero.
Dessen Zweck war in seiner Schrift De Divinatione möglichst viele
Fälle aus der römischen Geschichte aufzuzählen, in denen die Gott-
heit sichtbar den Menschen ihren Willen kundgegeben und sie vor
Unglück gewarnt habe. Dafür war ihm umfangreicheres Material
von Nöthen, und so zieht er ausser dem Bellum Punicum das zweite
Werk des Coelius zu Bathe, das die älteste Geschichte Böms behau-
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Die Fragmente des L. GoelinB Antipater. 41
delte^ in der Wunderdinge sieb zahlreicher ereigneten, als in der
sich aofklSrenden spStem Periode, tind darum branchbarer war. Er
verwendet es neben Fabius Pictor (l, 21, 43; 26, 55) und Gellius
(1, 26, 55). Diese Benützung von zwei Werken des Coelius bezeugt
Cicero selbst, indem er im Juni 709/45 mit der Ab&ssung von De
Divinatione beschäftigt an Atticus schrieb (ad A. 13, 8), er möge
ihm nach Tusculom die ^epitome Bruti Coelianorum' senden, was
doch nur heissen kann die Epitome des Brutus aus den Coeliana,
den Coelianischen Werken. Schon dies ist eine unzweideutige Stütze
für unsere Behauptung, aber wir haben noch eine zweite Stelle. Aus
Cic Or. 69, 229 (p. 36, 1) sehen wir, dass Coelius das Bellum Punicum
seinem Freunde Laelius gewidmet hat; aus De Div. 1, 26, 56 (p. 37, 4)
aber, dass Coelius die an diesem Orte von Cicero erwähnte Schrift nach
dem Tode des C. Gracchus, nach dem Jahre 633/121 geschrieben. Aus
De am. 27, 104 geht endlich hervor, dass Laelius bald nach Scipios
Tod um das Jahr 626/128 gestorben ist, vgl. auch Lahmeier z. d. St.
Demnach ist die Geschichte des Bellum Punicum nicht identisch
mit dem Werke, in dem Coelius den Latinerkrieg und den Tod des
Grachus erzählte.
Sehen wir uns die ausgeschiedenen Fragmente näher an und
betrachten wir ihren Lihalt, so zeigt sich, dass alle einen einheit-
lichen Charakter tragen; sie bestehen aus italischen Gründungs- und
StSdtesagen, verbunden mit geographischen Betrachtungen, und weisen
darum auf ein einheitliches Werk hin. Dasselbe ist eine Art Origines
und da sein Titel * Historien' ist (in der älteren Bedeutung; wir
werden darauf zurückkommen) p. 36, 3; p. 30, 6 und wir ein
Fragment haben, das im Jahre 264/490 spielt, so vermuthen wir
weiter, dass es wie das Catonische Werk eine Geschichte Boms war,
die die Urzeit Gesammtitaliens auf breiter Gruncilage behandelnd
auch auf spätere Zeiten sich erstreckte. Wie weit über das Jahr
264^490 hinaus Coelius ging, lässt sich nicht bestimmen. Aus Cic.
De div. 1, 56 (p. 37, 4) zu schliessen, dass sein Werk noch die Gracchen-
zeit umfasst habe, wäre übereilt Ich halte fdr wahrscheinlich, dass
die Erzählung von Ti. Gracchus nur ein Beleg sein sollte für die
Glaubwürdigkeit des erzählten Wunders aus dem Latinerkriege, wie
Coelius die Möglichkeit der ümschiffung Afrikas durch Eigenerlebtes
belegt, Plin. 2, 67, 169 (p. 24, 1), dass das Werk vor Beginn des
zweiten punischen Krieges aufhörte, sei es, dass Coelius durch den
Tod verhindert wurde, sei es, dass er diesen nicht zum zweiten Male
schreiben wollte. Bis auf den Ständekampf scheinen die Historien
jedenfalls sich erstreckt zu haben. Festus citirt s. v. topper p. 352 M.
eine Stelle aus Coelius: Coelius lib. VII: ita uti, si se quisque vobis
studeat aemulari in statu reip., eadem re gesta, topper nihilo minore
negotio acto, gratia minor esset Ein siebentes Buch ist von den
Historien so gut bezeugt, wie vom bellum Punicum (p. 31, 9).
Im Hannibalischen Kriege haben wir keinen Fall, weder zu Bom,
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42 Wilhelm Sieglin:
noch EU Carthago, auf dem die Bede passen könnte; Nauta, Oroen,
Meltzer und Peter ^) haben darum auf die Erklärung auch dieses
Fragments verzichtet Auf den Stttndekampf passt es vorzüglich, be-
sonders fllr die Zeit, da die Plebejer ihre ersten Aemter bekleideten,
aber von den Patriciem beständig den Vorwurf hören mussten, dass
ihre Amtsführung verkehrt und ungeschickt sei. Ein anderes Frag-
ment bei Festus p. 181 fr. 64 P.: Coejlius histonarum [libro • . . oonci-]
tantur ocissime, ist zu verstümmelt, um benützt zu werden. Von
fr. 48 P. PhiL ad Verg. Oeorg. 2, 345 Co^us in VU: oonsuetndine
uxoris, indulgitate liberum, wäre es ja nicht unmöglich, da es nach
der Buchzahl in die ältere Bepublik gehört, dass es vielleicht auf
Coriolan sich bezöge, Liv. 2, 40, der nur durch die Thränen von seiner
Gattin und seinen Kindern sich bewegen liess, von Born abzuziehen.
Fr. 58 P. Serv. ad Aen. 4, 390 (p. 27, 3): Ddinquere fnimentum,
Sardiniam hostes tenere ist einzig nicht zu erklären. Ich vermuthe, dass
^Sardiniam' verdorben ist, denn ich weiss keinen Fall in der Zeit der
ganzen römischen Bepublik ^ auf den die Worte ^ wie sie lauten, be-
zogen werden könnten; sie müssten denn den alten Kämpfen der
Etrurer um die Insel entnommen sein, was ich kaum wage anzu-
nehmen. Ich glaube, wir müssen ändern. Im Jahre 262/492 und
263/491 war in Bom grosse Hungersnoth, Liv. 2, 34, 2; 34, 7;
Coriolan, der dieselbe zu Gunsten der Patricier ausnützen wollte, hatte
in die Verbannung gehen müssen; er zog nun rachedürstend an der
Spitze der Volsker gegen das römische Gebiet und nahm die wichtige
Stadt Satricum weg, das südlichste Bollwerk Boms Liv. 2, 39, 3. Da-
durch brachte er Bom in die äusserste Noth, er eroberte eine römische
Feste nach der andern und rückte vor die Stadt selbst. SoUte hierauf
unser Fragment bezogen werden können? Satricum, verschrieben in
Sarticum, die Endung wie gewöhnlich abgekürzt, konnte leicht in
Sardiniam verändert werden, zumal wenn ein Abschreiber Satricum
nicht kannte, und so hätten wir den Angstruf der römischen Plebs
vor den heranziehenden Volskem, bei der Unfähigkeit, sich wegen der
herrschenden Noth zu vertheidigen, ausgedrückt: firumentum delin-
quere, Satricum hostes tenere. Doch mag das gerne zweifelhaft bleiben.
^ Gilbert, der es versteht, alle Fragmente des Goelius dem Hannibali-
Bchen Kriege anzupassen, versteht dies auch hier. Er coi^icirt 4ta uti'
ne si . . .', statt 'esset' 'eit', fasst 'uti' nicht als Conjunction, sondern als
Inf., legt das Wort einem Carthager beim Friedensschlüsse 552/202 in
den Mund, der um milde Bedingungen bittet und übersetzt (p. 460): Ge-
braucht fdas Glück, welches auch das Schicksal in der Besiegung unserer
Vaterstadt zugeworfen hat,] so, dass jeder Staat Euer Verfahren, f welches
Ihr dem Besiegten zu Theil werden lasset, billigt und] sich bestrebt,
[dasselbe] nachzuahmen, damit, wenn ihm einst das Glück einen gleichen,
vielleicht noch grösseren Erfolg [Euch gegenüber] gewährt, die Gunst-
erweisung, [die Milde, die Ihr dann erfiahrt] eine nicht geringere sei [als
-wie Ihr sie uns jetzt zu Theil werden lasset]. Die Klammem habe ich
zugesetzt; ich hielt sie fOr den eprechendsten Gommentar.
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. 43
Damit haben wir genügendes Material bekommen, um auch
einen Einblick in die Oekonomie des Werkes thon zu können. Im
dritten Buche war Oberitalien (Oallia Cisalpina) behandelt, s. p.
30, 8, im fünften Tarent und ünteritalien p. 30, 6, im siebenten
die Anfüge des Ständekampfes p. 41. Nach der Analogie von
Catos Origines, die zuerst die Urgesqfiichte Roms, dann die Urge-
schichte Italieiis, in derselben zuerst Oberitalien, dann Mittelitalien
und endlich ünteritalien behandelten''), hierauf zu Rom zurückkehrten
und die Zeit der Republik schilderten^), wird Coelius in Buch I — 11
Rom, Buch IQ — V Italien geschildert haben, und zwar in III Ober-
italien, rv Mittelitalien, Y Unteritalien, um in Buch VI zur römi-
schen Bepublik überzugehen, die er in Buch YII bis auf die An-
f&nge des St&ndekampfes führte. Vorausgeschickt waren dem ganzen
Werke vexmuthlich einige geographische Betrachtungen über Italien
und d^sen Umfiäng, wie p. 24, 2 über Cisalpina; (ebenfEÜls nach
der Analogie Yon Cato fr. 38; fr. 50 P.) wie es scheint auch über die
Gestalt der Erde überhaupt, die als Scheibe, umflossen vom Ocean,
angenommen wurde, p. 24, 1.
Die Bestimmung des Titels macht einige Schwierigkeiten, da
die Alten in Wiedergabe derselben oft ungenau waren. Werden doch
selbst Gates Origines h&uflg unter anderen Namen wiedergegeben;
heissen 'Historiae' Nep. Cato 3, 1; Flut. Cato 20, 4; 25, 1; Serv.
ad Aen. 6, 842; 'Annalen' Plin. 8, 5, 11; Liv. Per. 49 p. 54 L
Doch macht die Uebereinstimmung, mit der die Commentare zu
Yergil, und Festus das Werk als Historiae bezeichnen, wahrscheinlich,
dass dies der wirkliche Titel gewesen ist, mit der griechischen Be-
deutung von 'Forschungen', 'Untersuchungen' über die alte Zeit.
Historien in der späteren Bedeutung gab es damals noch nicht; der
Unterschied zwischen Chronik und pragmatischer Zeitgeschichte wurde
noch durch 'Annales' und 'Res gestae', 'Res Romanae', 'Res gestae
Romanorum' bezeichnet. So sagt Sempronius Asellio im Anfange
seiner pragmatischen Greschichte (GelL 5, 18, 8 fr. 1 P.): Verum
inter eos qui annales relinquere Yoluissent et inter eos, qui res gestas
a Romanis perscribere conati essent, omnium rerum hoc interfait:
annales libri tantum modo quod factum, quoque anno gestum sit, ea
demonetrabant ita quasi qui diarium scribunt, quam Oraeci lq>r)jLi€p(ba
Yocant. Nobifl non modo satis esse video, quod factum esset^ id pro-
nuntiare, sed etiam quo consilio, quaque ratione gesta essent, demon-
strare, und zeigt dadurch evident, dass ihm 'Historiae' noch nicht in
der Bedeutung bekannt ist, wie sie Gell. 5, 18; Serv. ad Aen. 1, 373;
Isid. Orig. 1, 40, 1 und andere spftter definiren. Dass dies die all-
gemeine Anschauung war^ zeigt Clodius Licinius, der seine Geschichte,
^ Dies zeigen die Fragmente; vergl. Wagener, M. Forcii Catonis
Originum fragm. Bonn 1849 p. 8; Peter p. CXXJLVnil; Jordan p. XXXY.
^ Nepos, Cato 3, 3.
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44 Wilhelm Sieglin:
die mit dem Jahre 200 begami ^Bes Bomanae' nicht ^Historiae' be-
titelte (Liv. 29, 22, 10; Noiu p. 221 ; p. 636 M.).
Die Abfassungszeit, jedenfalls von Buch VI oder YII an, er-
folgte nach Cic. de diy. 1, 26, 56 (p. 37, 4) nach dem Tode des C.
Oracchus, nach dem Jahre 633/121.
An Quellen hat Coelius« nachweislich benützt Fabius (de Diy.
1, 26, 55). Von Cato ist es zwar nur ftlr das Bellum Punicum bezeugt
(Gell. N. A. 10, 24, 6), doch auch für die Historien wohl selbstyer-
ständlich; und es scheint sogar manchmal, als habe Coelius Cato direct
Opposition machen wollen (p. 29, 5 ; p. 32, 1). Auch griechische Quellen
zog er zu Bathe, die ihm die natürlichen Hilfismitt«! waren bei seiner
ausgesprochenen Tendenz, in den italischen Städten griechische Colo-
nien zu erblicken, so Timaeus (p. 26, 3) und Hecataeus (p. 29, 5).
Ob Coelius in irgend einem Yerhftltniss zur Chronik yon Cumae
stand, mit der er eine ungewöhnliche Aufstellung tbeilt (p. 33) ist
nich1> ersichtlich, doch ist eine Einsicht derselben wohl möglich.
Benützt wurden die Historien, wie die Fragmente zeigen, yiel-
fach. In älterer Zeit zeigt sich ihr Einfluss dadurch, dass bald nach
ihrem Erscheinen eine Beihe yon Werken erschienen, in denen in der-
selben ungemein ausführlichen Weise die älteste Zeit Borns behandelt
war, so besonders Cn. Oellius und Valerius Antias. Im dritten Buche
ist Gellius noch mit Bomulus beschäftigt (fr. 15 F.), im ftlnfzehnten
mit dem gallischen Brande (fr. 25); Yalerius im zweiten mit Numa
(fr. 5; 6 F.). Aus dem Verhältniss ihres ümfanges zu ihren Vor-
gängern Fiso und Cato sieht man deutlich die Spuren des Mittel-
gliedes, das den Stoff zusammengetragen und den Weg geebnet.
Aber auch in der Blüthezeit der römischen Literatur wurden
die Historien des Coelius yiel gelesen. Brutus machte einen Auszug
aus ihnen (Cic. ad Att 13, 8; yergl. p. 41); Strabo^), Verrius
Flaccus, Cicero benützten sie, wobei letzterer sie auf eine Stufe mit
den Annalen des Fabius und Gellins stellt. ^^) Auch Yirgil, sagt
Seryius, soll sie zu Bathe gezogen haben. ^^) Yon Fronto, der den
Coelius so hoch schätzte, ist nicht erkennbar, ob er beide Werke des
Coelius las, doch wohl bei dieser Sympathie yorauszusetzen; ebenso
ist es mit Quintiliän nicht sicher, um so bestimmter wissen wir es
yon Plinius, Solinus, und Sotion, der ein Fragment yon Coelius
überliefert (p. 26, 3), wenn auch ohne Namensnennung. Auf-
fidlender Weise erwähnt Dionys yon Halicamass Coelius nicht, ob-
wohl man es yon ihm erwarten durfte: wer mag es entscheiden, ob
dies aus Zufall oder Absicht geschah? Coelius theilt so das Schicksal
*) In Strabo finden aich Spuren yon Coelius, ausser dem Citate be-
treffend Hercules und dessen Verhältniss zu Rom, bei Gallia Cisalpina
Cp. 24, 2) und bei Petelia (p. 27, 1).
^^) Cic. de diy. 1, 26, 66: Omnes hoc historici, Fabii, Gellii, sed
proxume Coelius: Cum beÜo Latino etc.
») Ad Aen. 6, 9 (p. 29, 4),
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Die Fragmente des L. CoeliiiB Antipater. 45
Ton Casdns Hemina, von Albinas und daudios Qnadrigarias, die
Dionys gleicbfaUa nicht anführt, ohne dass wir den Grund er-
kennen kennen.
Cap. n,
§1.
Weitaus den meisten Buhm erntete Coelius mit seinem frtLheren
Werke, dem Bellum Punicum. Coelius Begabung lag, wie die Zeug-
nisse der Alten schon bekunden, in der Bede; ein gelehrtes Werk
über die Gründungen der italischen Stfidte bot klarer Weise einer
Darstellung nicht' deigenigen B^um, stilistische und rhetorische Kunst
zu Migen, wie die Darstellung des Hannibalischen Krieges, einer Zeit,
die bereits die grossartigste MachtentfiEÜtung des römisch -italischen
Beiches hervorgerufen hatte und zudem, weil noch fast dem lebenden
Geschlechte gehörig, bis in die Einzelheiten bekannt war. Freilich
^die nagende Zeit und die Ungunst des Alters, die alles zerstören',
haben auch dieses Werk yemichtet; schwache Trümmer sind auf
uns gekommen und nur ein mühsamer und sporadischer Einblick ist
una in die ursprüngliche Gestalt desselben gesiattet Immerbin sind
wir aber günstiger gestellt als bei den JSistorien, da zwei uns er-
haltene Schriftsteller, Livius und Dio-Zonoras das Bellum Ponicum
sicher benutzt haben und wir in ihnen die Spuren dieser Quelle
häufig ISngere Zeit verfolgen können, so dass bisweilen sogar Bück-
blicke auf die Vorlage mit Erfolg verstattet sind.
Was zuerst die Oekonomie des Bellum Punicum betrifft, so ist
dieselbe, wie bei den Historien noch zu erkennen. Wir haben zwar
nur wenig Fragmente, bei denen beides, nicht nur der Zusammen-
hang, sondern auch die Zahl des Buches, aus welchem sie entnommen
sind, über dem Zweifel steht; haben aber doch folgende Einzelheiten
bestimmen können:
In Buch I waren Ereignisse enthalten aus den Jahren 536y218
und 638/216, s. p. 15, 2; 15, 4; p. 18, 1; p. 12, 9.
Buch II begann mit 538/216, den Ereignissen nach der Sohlacht
bei Cannae, s. p. 22, 1.
Buch m begann mit dem Jahre 540/214, s. p. 22, 2.
Buch nn enthielt die Yerhandlungen des römischen Senats
über Sjracus 54^10, s. p. 12, 7.
Buch Y das Jahr 545/209, s. p. 13, 10.
Buch VI die Landung Scipios in Africa 550/204, s. p. 11, 6; 12, 8.
Buch YII die Gefangennahme des Königs Syphax 551/203, s.
p. 9, 3 und die Ereignisse vor der Schlacht bei Zama, s. p. 13, 13.
Daraus geht ^e ziemlich gleichmässige Yertheüung des Stoffes
auf alle 7 Bücher hervor. Nun waren die Ereignisse in der dritten
Dekade des Livius also vertheilt:
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46
Wilhelm
i Sieglin:
uc
h XXI Tunfasste die Jahre
) 686/218.
»
XXII
V
»»
»>
637/217 — 688/216 med.
»>
XXIII
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!»•
638/216 med. — 239/216 extr.
1>
XXTV
V
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640/S14 — 641/213.
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«
642/212.
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643/211 — 644/210 med.
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J»
«
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644/210 med. — 647/207 med.
«
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547/207 med. — 648/206.
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XX3X
>»
?»
»>
649/206 — 660/204.
>?
XXX
»»
w
«
661/203 — 662/202.
Wir sehen, Livius hat die Eintheilmig des Coelius so ziemlich
heibehalten; er hat aus sieben Bttchem durch Ausführung des Stoffes
und Zuziehung von neuem Material am andern Quellen zehn gemacht,
indem er drei verdoppelte und vier unverftndert liess. Wir erhalten
mit grosser Wahrscheinlichkeit folgende weitere Einzelheiten^^):
Coel. Buch I — Liv. 21— 22; — 536/J21d — 538/J216 med.
„ „ n == Liv. 23; — 538/216 med. — 639/215
„in — Liv. 24—26; — 54(>/^i4 — 642/212
„ „ IV — Liv. 26—27, 7; — USßll — 544/J^lO
„ „ V — Liv. 27, 7— 28; — 54Ö/J209—b^ßOe
„ „ VI = Liv. 29; — 649/206 — 550/^4
„ Vn = Liv. 30; - 551/203 --5521202.
Diese so gewonnene Eintheilung der Bücher des Coelius ISsst
sich praktisch verwenden zur Ernirung der Oekonomie des Cassins
Dio in seiner Geschichte des zweiten pmdschen Krieges, der nach
Posners ^') Forschungen Coelius gleichfalls als Hauptquelle benützt
hat. Dio hatte den ersten punischen Krieg im elften Buche vollendet
(fr. 43, 30— 32b); behandelte im zwölften die Ereignisse zwischen
diesem und dem Hannibalischen Kriege (fr. 43, 32 c— d), mit Buch
Xin begann er demnach den letzteren, den er in Buch XVII — zu-
sammen in 6 Büchern — beendete (fr. 57, 78—80).
üeber Buch XIV des Cassius Dio erfahren wir aus den Frag-
menten selber nichts; es wird aber ohne Zweifel da begonnen haben,
wo nach Du Cange Buch VIUI seines Excerptors Zonaras beginnt,
mit Frühjahr 638/216, den Ereignissen unmittelbar vor der Sohlacht
bei Cannae.
Buch XV nun behandelt Ereignisse aus dem Jahre 544/210
fr. 57, 46 (— Zon. 9, 6 p. 267, 10 D).
Buch XVI war bis zu dem Jahre 648/206 herabgeführt, fr. 67, 47
(Zon. 9, 10, p. 280, 1 D).
Buch XVII bis zum Jahre 662/202, fr. 67, 78 (Zon. 9, 14, p.
291, 29).
^ Die durch die Fragmente direot ermittelten Zahlen sind durch
den Druck gekennzeichnet. . , „ ^
Tando U8U8
yGoogk
urucK geKennzeicnnei;.
^') QuibuB anctoribuB in hello Hannibalico enarrando usus Bit Dio
CassiuB. Bonnae 1874.
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. .47
Stellen wir nun diese Daten neben die des Goeliiis, so erhalten
wir als nngefthre Eintheilnng des Cassius Dio:
DioXni = Coel. 1 in.— 1 med.=Liv.21— 22, 35; 536j218'-537l217
„ XIV = CoeL 1 med. — 2 = Liv. 22, 36—23; 556?/5i5— 639/516
„ XV = CoeL 3—4 = Liv. 24—26; 640/214— 544/^m
„ XVI = Coel. 6 = Liv. 27—28; 6 A5ß09— 548/206.
^ XVn — CoeL 6—7 = Liv. 29— 36; 649/206-652/202.
Mit diesem Resultate stimmt der umfang der Epitome des Zo-
naras überein^ der die Jahre 613/241—636/219 auf 10 (Teubner'-
sehen) Seiten behandelt, die Jahre 636/218—637/217 zwar dadurch
auf 17 bringt, dass er in sonst ungewöhnlicher Weise die römischen
Prodigien, den Traum Hannibals am Ebro, und zweimal grössere geo*
graphische Beschreibungen ungekürzt wiedergibt, aber die Jahre:
638/216—539/216 vollendet er wieder auf 12 Seiten,
540/214-54^210 auf 9 Seitin,
546/209—548/206 auf 11 Seiten,
549/205—662/202 auf 11 Seiten.
Der gleiche üm&ng in der Epitome bestätigt den gleichen um-
£Emg im OriginaJL
Cassius Dio hat also die 7 Bücher des Coelius in 6 zusammen-
gesogen; durch die weitläufige AjisfÜhrung der Beden, die zu Beginn
des Krieges im römischen und carthagischen Senat (fr. 66, 1 — 9;
Zon. 8, 22 p. 236—237) und in beiden Kriegslagem (fr. 67, 4—6;
Zon. 8y 23 p. 240 u. ö.) gehalten werden, auch wohl durch Aufriahme
weiteren Stoffes durch Zuziehung mehrerer Quellen, vermochte er
im Buch XTU die Ereignisse des Jahres 538/216, die er bei Coelius
noch im ersten Buche vorfand, nicht mehr zu bewftllägen; iih Fol-
genden fiisste er sich kürzer und holte Coelius schon ein. Für den
Best des Krieges nahm er je 4 Jahre in einem Buche zusammen.
Cassius Dio, wenigstens in Buch XVI und XVH, deren Umfang
durch die Fragmente sicher ist, stützt umgekehrt wieder die von
uns aufgestellte Einüieünng des Coelius, und so wird im Ganzen und
Grossen an der letzteren schwerlich viel zu ändern sein. Wir haben
uns nur noch mit den Aufstellungen Gilberts a. a. 0. p. 367 ff. aus-
einander zu setzen, die im schroffsten Gegensatze zu unsem Besul-
taten sich befinden. Nach Gilbert war:
Coel. Buch I =« Liv. 21—22; 636/218—538/216
„ n = Liv. 23, 1 — 26, 40; 638/216 — 54^210
„ „ III — Liv. 26, 41 — 27; «44/210 — 547/207
„ „ IV = Liv. 28, 1 — 38, 11; 547/207 — 648/206
^ „ V = Liv. 28, 38, 12 -:- 29, 12; 549/205
„ „ VI -= Liv. 29, 13 — 30, 6; 560/204 — 651/203 in.
„ „ Vn — Liv. 30, 7 — 45; 561/203 in. — 653/201.
Es enliiielten so nach Gilbert die ersten 3 Bücher die ersten
12 Kiiegsjahre, und waren«gleich 7 Büchern des Livius; während
umgekehrt in den letzten 4 Büchern 5 Jahre, nur 3 Büchern des
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48 Wilhelm Sieglin:
Livius entsprechend behandelt waren. Wlthrend sich factisch in
Coelius eine gleichmässige Vertheilang des Stoffes ergab, ist nach
Gilbert die Anordnung desselben gftnzHch verschoben; die erste
Hälfte des Eiieges ist unyerhältnissmftssig kurz, die zweite nm so
ausführlicher gedacht; und zwar geschah dies zu Gunsten Scipios,
von dem Gilbert annimmt, dass ihn und seine Thaten vorzugsweise
Coelius in seinem Werke habe schildern wollen, während fOr die
Thaten Hannibals und für den ganzen italischen Kriegsschauplatz
nur eine kurze ^summarische Darstellung' beabsichtigt war. Die
weitere Folge der Gilbert' sehen Aufstellungen ist, dass Coelius die
Hauptquelle für die erste Hälfte der dritten Dekade des Livius nicht
mehr sein kann, da ja jetzt dieser den nöthigen Stoff in Coelius nicht
mehr finden konnte. Wirklich zieht Gilbert diese weittragenden
Consequenzen.
Die Beweise aber für dieSe auffollende Neuerung, die wenn sie
richtig ist, alles umstürzt, was wir bisher über Coelius und sein
Verhältniss zu den späteren Historikern geglaubt haben? Ich weiss
nicht, ob es verstattet ist, dass der Verfasser einer Abhandlung den
Gang der Untersuchung unterbricht und von den Nebengedanken
spricht, die ihn beim Niederschreiben begleiteten; ich meinestheils
gestehe, dass mich ein gewisses peinliches Gefühl überkommt, f^at
ein Gefühl der Verlegenheit, da ich mich anschicke, die ünhaltbarkeit
der Gilbert'schen Hypothese darzulegen. Ich suche nach den Stütz-
punkten Gilberts, um sie herauszugreifen und zu widerlegen;
aber es will mir nicht gelingen, solche zu finden, wo ich das mit
gutem Gewissen thun kann. Gilbert hat wohl eine Menge Gründe,
mit denen er seine Ansichten zu stützen sucht; aber er hat die eigen-
thümliche Gewohnheit, vor jedem derselben zu erklären, dass er
selbst ihm keinerlei Beweiskraft beilegen wolle, vielmehr er seine
These nur als möglich, als wahrscheinlich, als einen Versuch, als
eine solche aufstelle, gegen welche er wenigstens keinen Gegen-
beweis vorzubringen vermöge; hernach aber vergisst er die Ein-
leitung und gebraucht praktisch die These als feste Basis, die ihm
erlaubt, Text und üeberlieferung beliebig zu ändern, wo sich Frag-
mente finden, die nicht mit seiner Aufstellung übereinstimmen. Bei
jedem der Gilbert'schen Argumente, das ich herausgreifen und an-
greifen will, fürchte ich unter diesen ümst-änden an dem Verfasser
ein unrecht zu begehen, dass ich ihm, der selber an die Beweiskraft
des von ihm Vorgebrachten gar nicht glaubt, fälschlich und willkürlich
diesen Glauben unterschiebe, und dies wäre ein grosses Verbrechen.
Ich nehme also denjenigen seiner Gründe heraus, den er mit
der mildesten Bescheidenheitsformel, mit einem Venn' einleitet, und
der zugleich sein Hauptstützpunkt ist, die Deutung, die er fr. 30 P.
gibt: Coelius Annali libr. III: Imperator conclamat de medio, ut
velites in sinistro comu removeantur^ Gallis non dubitatim in-
mittantur. Gilbert bezieht das Fragment auf die Schlacht bei Senagallia
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. 49
bUl^Ol. Zwar ist von Cod. Leid. Voss. 116 'libr. Illl'^überüefert,
und bei der Güte der Handschrift die Zahl darum etwas unsicher,
dies ignorirt jedoch Gilbert, und so ist für ihn mit Einem Schlage
bewiesen, dass Coeüus in Buch in seine Darstellung bis auf das
Jahr 547/207 herabgeführt hat, und zwar obgleich in keinem der
OBS erhaltenen Berichte von der Schlacht eine solche Scene über-
liefert ist, wie sie die Worte des Coelius enthalten. Wir haben
p. 10, 5 gezeigt, dass die Möglichkeit, dass eine solche Begebenheit
eintreten konnte, bei Senagallia vielleicht vorhanden war, obwohl
das factische Eintreten derselben aus mehreren Gründen sich als
unwahrscheinlich ergab; jedenfisklls, — was die Hauptsache ist, —
nach unsem Berichten ist sie nicht eingetreten. Wohl aber tritt die
Möglichkeit y dass der erwähnte Vorfall sich ereignete, in vielen
andern Schlachten zu Tage, in allen Kämpfen mit den Galliern, be-
sonders Liv. 23, 24, 8; Pol. 3, 118, 6; dann aber auch in sämmt-
lichen Schlachten der Römer mit Hannibal, in welchen dessen gallische
Httlfsvölker nicht auf dem rechten Flügel standen; thatsächlich finden
sich dem Fragmente ähnliche Momente Liv. 27, 12; Flut. Marc. 25;
Liv. 27, 42; 23, 29 u. ö. H. Peter, der die von Gilbert aufge-
nommene Beziehung des Fragments angeregt hat, ist Angesichts
dieser Umstände so vorsichtig, dieselbe mit einem 'nescio an' einzu-
kleiden; auch so gewissenhaft an2ugeben, dass Poljbios, der gewich-
tigste Zeuge, überhaupt auch nur einer activen Theilnahme der galli-
schen Hülfsvölker an der Schlacht bei Senagallia keinerlei Erwähnung
thut, geschweige denn die genannte Operation gegen dieselben berichtet:
jeder besonnene Forscher wird sich seiner Vorsicht anschliessen und
darauf verzichten, mit der willkührlichen Deutung dieses Fragments
zu operiren: Gilbert gebraucht dieselbe als Basis seiner Forschungen,
um die weitgehendsten Consequenzen daraus zu ziehen.
In fr. 32 P. (p. 20, 8) Coelius in TTTT: custodibus discessis multi
interficiuntur soll die Eroberung der spanischen Stadt Orongis durch
L. Scipio 547/207, Liv. 28, 3 geschildert sein. Diese Eroberung war
in folgender Weise vor sich gegangen. Nach einem ersten vergeb-
lichen Angriffe bestürmte Scipio die Stadt gleichzeitig auf zwei Seiten.
Das unvermuthete dieser That flösste in der Stadt einen solchen
Schrecken ein, dass die Bürger bald verzweifelnd von den Wällen liefen.
Die pnnische Besatzung, in der Meinung, die Stadt sei verrathen, hielt
es unter diesen Umständen für geboten, die Vertheidigung der Wälle
aufzugeben und sich an einem festen Puncte zu concentriren. Damit
war die Stadt natürlich verloren, und um nun eine milde Behandlung
vom Sieger zu erflehen, strömten die Bürger vor die Thore zum
feindlichen Lager hinaus. In Folge eines Missverständnisses wui'den
sie aber grossentheils dennoch niedei^emacht; dann drangen die
Römer durch das offene Thor ein.
Wo ist hier die Aehnlichkeit mit unserem Fragmente? Ich finde
keine. Gilbert &sst die ^custodes' als die punische Armee, die in
Jahrb. f. oUsi. Philol. Suppl Bd. XI. * /^ ^ ^ ^T ^
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50 Wilhelm Sieglin:
der Stadt lag, trotz des Sprachgebrauchs, der unter ^custodes' nie
einen militärischen Posten versteht, und trotzdem, dass diese Armee
keineswegs unbedeutend war, denn allein 2000 Mann derselben waren
bei dem ersten, für die Carthager noch siegreichen Sturme gefallen;
versteht unter ^custodibus discessis' die Concentrirung des punischen
Heeres ; mit ^multi interfidunter' glaubt er, sei das Blutbad unter den
Städtern gemeint Bei dem Fehlen aller Zwischenereignisse würden
dies andere für eine mindestens unverständliche Ausdrucksweise hal-
ten. Gilbert findet darin (p. 407) von Seiten des Coelius ^eine äusserst
prägnante Zusammenfassung einer längeren Darstellung der Quelle
in wenige Worte'. Das ürtheil Gilberts wirkt um so treffender,
als wir kurz vorher von ihm belehrt worden sind, dass Coelius die
Thaten der Scipionen in fast doppeltem umfange wie Livius
schrieb. Aber das ist kein Hindemiss. Für Gilbert ist bewiesen,
dass das vierte Buch des Coelius entsprechend dem von ihm aufge-
stellten Inhalt von Buch III bis zum Jahre 647/207 sich noch er-
streckt habe, dass in Buch III die italischen, in Buch IV die spa-
nischen Ereignisse des genannten Jahres enthalten waren.
Nicht besser lässt sich das folgende an. Gerade diejenigen
Fragmente, auf deren Erklärung wegen ihres allgemeinen Inhalts
verzichtet werden musste, diese gi-eiffc Gilbert als brauchbare Werk-
zeuge heraus, giebt ihnen eine beliebige Deutung und verwendet sie
nun für seine Zwecke. Entgegenstehende Ansichten hält er in den
seltensten Fällen der Mühe werth zn widerlegen: kein Wunder, dass
er auf diese Weise alles beweisen kann.
So i^t fr. 37 P. Coelius in Y: nullius alius rei nisi amidtiae
eorum causa ein Wort, das Hannibal alle Augenblicke den römischen
Bundesgenossen gegenüber erklärt, dass er nur aus Freundschaft za
ihnen, und um sie von der römischen Herrschaft zu befreien, nach
Italien gekommen sei, ein Wort, das wir noch in einer Reihe von
Fällen lesen, die wir p. 18, 3 aufgezählt haben. Wer kann also
wissen, wen Coelius in dem vorliegenden Falle gemeint hat? Gilbert
weiss es, und legt das Wort dem römischen Senate in den Mund, bei
Anlass der saguntinischen Gesandtschaft, die 549/205 mit Dank und
Bitte nach Rom gekommen war. Der Senat soll nach ihm den Sagun-
tiner erklären, ^aus keinem andern Grunde, als aus Freundschaft zu
ihnen, habe er den Erleg mit Hannibal unternommen'. Das Gegen-
theil lässt sich natürlich nicht beweisen. Die Antwort lautet bei
Livius: et dirutum et restitutum Saguntum fidei socialis utrimque ser>
vatae documentum onmibus fore. Es muss bei Gilbert erst vorausge-
setzt werden, dass des Livius Quelle eine ausführlichere Rede brachte,
wo dieser selber nur ein einzelnes Wort uns bietet; — was möglich
ist, aber wir wissen es nicht; weiter, dass in derselben die Römer
eine so geschmacklose Uebertreibung sich zu Schulden kommen liessen,
wie diese wäre, — was wieder möglich ist, aber wir wissen es nicht.
Wenn wir den Zusammenhang, in den die Fragmente eingefügt werden
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Die Fragmente des L. CoelioB Antipater. 51
sollen, statt ihn zu snchen, jedesmal selber uns erst kfinstlioh schaffen,
ohne Bücksieht, wie das, was allein das Ausschlaggebende sein kann,
wie die üeberlieferung sich dazu verhält, so ist bald kein Buch vor-
handen, in das nicht jedes Fragment eingesetzt werden kann. Nur
Schade, dass bei einem solchen Spiele die aufgewandte Arbeit ihren
Werth verloren hat.
Fr. 38 P. (p. 13, 10) Coelius annaU libro Y: ad aliquam huic hello
finem ^äcere, soll Scipio 549/205 erklärt haben als Motivirung, warum er
nach Africa übersetzen, und nicht lieber vorher Hannibal in Italien
angreifen wolle und diesen von italischem Boden verdrängen. Eine
Bede hält Scipio allerdings in dem genannten Jahre, aber der vor-
liegende Qedanke steht wiederum nicht darin; er muss Scipio eigens
zugeschoben werden, damit er die Worte sprechen kann. Dagegen
steht der Wunsch, dem Kriege ein Ende zu machen Liv. 26, 26;
27, 9; 22, 34 u. ö.
Besser vermag Gilbert seine Hypothese nicht zu stützen. Wie
hilft er sich aber über die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten
hinweg? Ich glaube, wenn die Deutung irgend eines der Coelianischen
Fragmente sicher ist, so ist es die von fr. 59 P. (p. 22, 2), und so mag dies
Beispiel genügen, um zu zeigen, wie Gilbert Schwierigkeiten hinweg-
räumt. Das Fragment lautet Gell. 10, 1, 3 : ^tertio' et ^quarto consul', non
^tertinm quartum'que, idque in principio libri f Coelium scripsisse et Q.
Clandium in libro XIX ^C.Marium creatum septimo consulem' dixisse.
Die Zahl des Buches bei Coelius ist; wie bemerkt, ausge&Uen ; da jedoch
nur Ein Consulpaar im Laufe des Hannibalischen Krieges vorkommt,
von dem der eine *zum dritten', der andere ^zum vierten Male Consul'
war, nämlich 540/214, und da Buch I mit dem Sommer 538/216 schloss.
Buch n mit Sommer 538/216 begann, wie auch Gilbert nicht zu
leugnen vermag, so kann die ausgefallene Zahl frühestens *UI' sein.
Damit ist Gilberts Hypothese hinfällig, da dieser das dritte Buch
bereits mit dem Jahre 544/210 beginnen lassen muss. Aber um
einen Ausweg ist dieser nicht verlegen. Er meint, man dürfe aus
den Worten des GeUius nicht schliessen, dass die von ihm ange-
führten Worte des Coelius in diesem auch wirklich gestanden haben,
und man dürfe *nur das aus ihnen entnehmen, dass Coelius im An-
fange eines Buches Formen der OrdinaHa auf -o in Verbindung
mit consul geschrieben hatte, und er erkenne die fragliche Stelle des
Coelius in dem Consulpaare des Jahres 545/209 Q. Fabius Maximus Y^
Q. Fabius Flaccus IV. GeUius, resp. der Freund desselben, hat ent-
weder irrthümlich aus der Erinnerung schreibend gemeint, es komme
hier HI und IV vor, oder hat, weil in diesem Falle gänzlich ir-
relevant, es nicht für nöthig gehalten, ausdrücklich zu bemerken, dass
hier nicht tertio und quarto, sondern quinto und quarto stehe, da ja
jene Form, um die es sich hier handelte, in gleicher Weise durch
das quinto wie durch das tertio seine Bestätigung erhielt'. — Zur
rechten Zeit die nöthige Kühnheit zu besitzen^ ist schön. Die Grösse
_^f*adby Google
52 Wilhelm Sieglin:
der Eühnbeit, die uns hier geboten wird, wird durch die Zuziehung
des Claudius Quadrigarius von Seiten des Oellius treffend illustrirt.
Gilbert verschmSht es aber auf halbem Wege stehen zu bleiben.
Er begnügt sich nicht damit, den Inhalt des Fragments ^tertio'
et ^quarto consul' für ein Missverständniss zu erklären; auch über
die Angabe des Oellius, dass es ^in principio' eines gewissen Buches
gestanden habe, wird als eine Ungenauigkeit hinweggegangen, weil
sie sonst in das System nicht passt. Da des Coelius Bellum Puni-
cum nach Gilbert nicht eine Geschichte des Hannibalischen Krieges,
sondern eine Geschichte der Thaten Scipios ist, xmd da weiter die
Eriegsereignisse in Italien 536/218 — 544/210 nur die Einleitung
des eigentlichen Werkes bilden sollen in Buch I — ^11, so beginnen
nach ihm die ausführlichen Schilderungen der ersten Thaten Scipios
im dritten Buche, Sommer 544/210, Wenn er nun oben zu dem ver-
zweifelten Auswege gegriffen hat und die Worte des Gellius, die
dem Jahre 540/214 entnommen waren, auf das Jahr 545/209 bezog,
so stehen diese damit nicht 4n prindpio' des betreffenden Buches
des Coelius, wie doch Gellius angiebt^ Tielmehr fi&st in der Mitte
desselben, — es gehen 18 livianische Capiiel voraus — ; und Gil-
bert sieht sich gezwungen, auch über diese Bemerkung als un-
richtig hinwegzugehen. Freilich thut er dies nur stillschweigend;
Gilbert hält es für zu unbedeutend auf den letztgenannten Wider-
spruch aufmerksam zu machen: geräuschlos vollzieht er p. 378 die
Aenderung.
Endlich ist man durch die etwas ungewohnte Beweisführung
hindurchgekommen. In Müsse ist es uns verstattet, in seinem neuen
Gewände Coelius zu betrachten. Die neun ersten Jahre des Krieges
absolvirt Coelius in zwei Büchern in summarischer Darstellung; diese
2 entsprechen beinahe 6 des Livius. Die 8 letzten Jahre
vollendet er in 5 Büchern; diese entsprechen umgekehrt
nur 4 des Livius. Trotz der darum nothwendigen Kürze der ersten
beiden enthalten diese aber nach Gilbert selbst nicht nur die Senats-
verhandlungen und Senatsreden, die Livius und besonders Cassius Dio
in diesen Büchern überliefern, ungekürzt — und bei Livius nehmen sie
allein ca. 80Capitelin Anspruch; — sondern noch eine Menge an-
derer Reden, die Gilbert p. 396 f. eigens erfindet. Buch I enthielt
ausserdem eine Geschichte des Söldnerkrieges (p. 406), Details der
sicilischen E^edition des Sempronius, die Livius nicht hat (p. 420)*
eine Beschreibung der Alpen lässt Gilbert vorhanden sein p. 419-
die Gründungsgeschichte einer Reihe von italischen Städten, auch
solcher, über die die Fragmente schweigen, p. 464.
Man begreift, dass der ^eigentliche, thatsächliche Stoff^ in diesen
Büchern unter diesen Umständen immer ^kürzer und zusammenfassen-
der', ^auf ein Minimum des ümfangs beschränkt' werden muss, um nur
der Menge der genannten Beilagen Raum zu schaffen. Von einer halb-
wegs detaillirten Erzählung kann keine Bede mehr sein; auch davon
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Die Fragmente des L. Coeliaa Antipater. 53
nicht, daes Coelias eine der Hauptquellen des Livins für die Geschichte
des Hannibalischen Krieges war, denn wo sollte Liyins den nöthigen
StoflF in Coelins gefonden haben? — Gilbert übersieht, und wo er
das nicht thut, hilft er sich mit allzuleichten Mitteln darüber hinweg,
dass wir im Gegensatz zu seinen Aufstellungen Fragmente haben, die
uns evident zeigen, dass Coelius sehr ausführlich auch den ersten
Theil des Hannibalischen Krieges beschrieben hat; man yergleiche be-
sonders fr. 11; 12; 17; 18; 20; 22; 26 (lO; 11; 15; 16; 18; 20;
24 S.), die den Traum Hannibals beim Uebergang über den Ebro,
die sicilische Expedition des Sempronius, die Schlacht am Ticin, die
darauffolgenden Marschbewegungen Hannibals am Po, den Auszog
des Consuls Flaminius aus Bom, mehrere Scenen nach der Schlacht
bei Cannae theils sehr ausführlich schildern, theils einzelne Mo-
mente einer offenbar ausführlichen Darstellung geben. Wie breit
und bis in die Details genau Coelius den ersten Theil des Krieges
schilderte, geht am evidentesten aus Liv. 23, 6, 8 hervor, wo Livius
aus dem Schweigen des Coelius über ein von ihm namhaft ge-
machtes Ereigniss die Nichtexistenz desselben folgert.
So hat Gilbert kein einziges Moment beigebracht, um seine
Hypothese wahrscheinlich zu machen.
§2.
Wir gehen zu den Quellen des Bellum Punicum über. Die
wichtigste Quelle für Coelius war natürlich die Geschichte des Fabius
Pictor, der in seiner Darstellung gewissermassen den officiellen römi-
schen Standpunkt vertrat Ohne dass wir genügend directe Zeug-
nisse über die Benützung des Fabius durch Coelius aus dem Alter-
thume haben, haben die Untersuchungen von C. Peter, Nitzsch,
Böttcher und anderen dennoch längst klar gelegt, in welch bedeu-
tendem Umfange derselbe von Coelius verwerthet worden ist. Ohne
uns einer Divination hinzugeben, die das Unwissbare wissen will,
können wir mit ziemlicher Sichei^heit behaupten, dass fast die meisten
Angaben, die wir in den von Coelius abhängigen Schriftstellern über
specifisch römische Angelegenheiten finden, zumal Senatsbeschlüsse,
HeeresaufsteBungen und ähnliche Dinge aus Fabius ihren Ursprung
genommen haben. Eine Benützung der Origines des Cato, der im
G^ensatze zu dem alten Adel des Fabius die römiscdie Ydkspartei
vertrat, bezeugt Gell. N. A. 10, 24, 6; die Zuhilfenahme des Ennius
Fronto p. 64 N. Das Geschichtswerk des Silen, das, aus dem carthagi-
schen Hauptquartier hervorgegangen und in dessen Geiste geschrieben,
unschätzbares Material bot, nicht nur um einseitige Auffassungen
der römischen Autoren zu corrigiren und in ihr richtiges Ver-
haltniss zurückzuführen, sondern auch deren Berichte da zu er-
gänzen, wo diese aus Unkenntniss der Vorgänge im carthagischen
Hauptquartier lückenhaft gewesen waren; — dieses Werk von Silen
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54 Wilhelm Sieglin:
wurde von Coelius gleichfalls zu Bathe gezogen imd wie seit Bajack
bekannt und anerkannt ist, vielfach als Hauptquelle zu Grunde ge-
legt Im ferneren Verlaufe des Krieges hat Coelius weiter die Lau-
datio des Marcellus zugezogen Liv. 27, 27, 11, die von dessen Sohne
verfasst, eine ausführliche Geschichte (ygl. Fol. 6, 53, 2) desselben
und seiner Wirksamkeit während des Hannibalischen Krieges gab.
Endlich hat Keller in seinem Buche Mer zweite panische Krieg und
seine Quellen', Marburg 1875, das zwar sonst des Falschen viel ent-
hält, p. 77 — 126; 178; 189—192 eine eingehende Benützung der
Memoiren des älteren Scipio überzeugend nachgewiesen, sei es dieser
selbst, oder einer Ueberarbeitung derselben durch seinen Sohn^^),
was Keller annimmt.
Damit hat Coelius ein umfassendes Quellenmaterial zugezogen,
das durch seine Beichhaltigkeit ihm ermöglichte, seinem Werke einen
umfang zu geben, der den aller seiner Vorgänger weit überra^gte;
das durch den umstand, dass alle Parteistandpunkte darin vertreten
waren, Carthager und Römer, Adel und Volkspartei, einer objectiven
Geschichtsschreibung Baum gab. Ob Coelius ausser den genannten
Autoren noch andere verwandte, wissen wir nicht.
Gilbert will ausser den von uns genannten Autoren durch
Coelius benützt wissen Fhilinus, die Memoiren des Laelius, die
Annales maximi ^sporadisch'; was die Scipionenschrift betri£Ft, so
löst Gilbert den Streit dadurch, dass er p. 394 annimmt, Coelius
habe beides benützt, die Schrift des Vaters und des Sohnes. Nach-
dem Gilbert einzig dadurch, dass gegen die Benützung dieser
stattlichen Anzahl von Autoren der Gegenbeweis nicht beigebracht
werden kann, deren Benützung bewiesen hat^ kommt er zu dem
Resultate, * Coelius habe vielleicht das Bestreben gehabt, durch die
Benützung einer so umfangreichen Literatur zu glänzen und zu
imponiren' und schliesst nun weiter, es sei bei diesem Bestreben
^wenigstens nicht unwahrscheinlich', dass Coelius ^selbst so unbe-
deutende Werke wie diejenigen des Chaereas und Sosilus, oder so
specielle, wie die Memoiren des Cincius eingesehen habe'. Nach diesem
überraschenden Schlüsse fährt Gilbert in einem Athemzuge fort
(p. 396): *Die übrigen Vorgänger des (Melius lasse ich dagegen ganz
unberücksichtigt, weil hier keine besouderen Indicien für ihre Benützung
vorhanden sind, so das vierte Buch des ersten Antiquars Roms, des
Cassius Hemina; sodann das Werk des Fiso'; und diese eigenthümliche
Logik gipfelt in dem Satze: ^Denn da das Zeitverhältniss des Fiso, we-
nigstens der Fublication seines Werkes, in Beziehung zu Coelius ganz
unsicher ist (und da Fiso femer keine andern Quellen im Allgemeinen
hat benützen können, als Coelius auch), so darf man, selbst wenn des
Fiso Werk dem Coelius vor der Herausgabe des seinigen noch be-
kannt geworden wäre, annehmen, dass dasselbe jedenfalls ohne Ein-
*) Vgl. Cic. Brut 19, 17.
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. 55
flnss auf diesen geblieben ist'. Gilberts Quellenantersacliiingen sind
seine schwächste Seite. Dies war in seinem früheren Werke, *Bom
und Garthago', der Fall, und ist es auch hier.
Wir hatten 6 Quellen gehabt, die Coelius bei Abfassung der
Geschichte des Hannibalischen Krieges zu Bathe gezogen hat: Fabius,
Enniufi, Gate, Scipio, Marcellus und Silen. Diese hat er benützt, um
den Süsseren Stoff für seine Geschichte daraus zu entnehmen.
Es ist nun nicht uninteressant, zu beobachten, welche Hilfs-
mittel Coelins für den inneren Ausbau seines Werkes angewandt
für die Darstellungsweise und seinen Stil, um diese kunstgerecht zu
bilden. Das meiste entzieht sich natürlich unsem Blicken; aber was
wir wahrnehmen können ist genüg, um unser Interesse zu erwecken.
Hit Coeliüs hat sich ein grosser Fortschritt in der römischen Lite-
ratur mit einem Male vollzogen; Coelius ist es, der der jungen römi-
schen Geschichtsschreibung einen plötzlichen Aufschwung gab, der
als der erste den Boden der dürren Annalistenschreiberei yerUess,
und es verstand pragmatische Geschichte zu schreiben, der sich
desshalb in seiner Darstellung auf die jüngst vergangene, historisch
sichere Zeit beschränkte. Wer sein Lehrmeister gewesen ist, wissen
wir nicht; das Geschieh ts werk aber, an dem er sich bildete, war kein
geringeres als das des Thucjdides.
21, 1, 1 gibt Livius eine Einleitung zum zweiten punischen
Kriege. Es könnte sich die Frage erheben, ob dieselbe von ihm
selbst herrührt, oder ob er sie in seiner Quelle vorgefunden hat
Ausser Livius geben noch Florus und Dio-Zonaras eine Einleitung
zu diesem Kriege. Dio-Zonaras geht grossentheils auf Coelius ^^)
zurück; von Florus wissen wir, dass er im Hannibalischen Kriege
unabhftagig von Livius ist.^^)
Nun sagt Livius c. 1, 2 in dieser Einleitung: *adeo varia fortuna
belli ancepsque Mars foit, ut propius periculum fuerint qui vicerunt'.
Man vergleiche damit Flor. 1, 22, 1: *ecce alterum bellum, minus
quidem spatio, nee enim amplius decem et octo annos habet, sed
adeo cladium atrocitate terribilius, ut — similior victo sit populus
ille, qui vicit'. Sollte der Satz *ecce alterum bellum' bis ^terribilius'
Zusatz des Florus sein? Aug. De civ. D. 3, 19 schreibt in merk-
würdiger Uebereinstimmung mit Florus: Secundo autem Punico hello
nimis longum est, commemorare clades duoriim populorum tam longo
86cum lateque pugnantium^ ita ut his quoque fatentibus, qui non tam
narrare bella Bomana, quam Bomanum imperium laudare instituerint,
ämilior victo fuerit ille qui vicit.
Noch übereinstimmender mit dem ersten Theil des Florns-Satzes
als Livius ist Zonaras 8, 21 xai 6 iröXefiioc oOtoc t(\> ixtv XP^vqi
^*) Posner, Quibas auctoribus in hello Hannibalico enarrando nsut
fdt Dio CassiuB. Bounae 1874.
^•) Euasner, Jahresbericht über Florus, Philologus XXXVII (1877).
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56 Wilhelm Sieglin:
noXu dXdccuiv toO irpor^pou cu|i߀ßfiK€, toic b* ipTOic toic t€
TraOfiiiaa xai iiciJiüv xal x^XeTTiÖTepoc.
Daraus geht als wahrscheinlich hervor, dass eine Einleitung
zum zweiten panischen Kriege existirte, die Livius und Dio-Zonarae
vorlag, und die Floras, wenn auch durch zweite Hand vermittelt,
kannte.
Vorher sagt Livius: nam neque validiores opibus ullae inter se
civitates gentesque contulerunt arma, neque his ipsis tantum unquam
virium aut roboris fuit. Aehnliches findet sich in Gellius 10, 27, 1
in literis veteribus memoria extat, quod par quondam fuit vigor et
acritudo amplitudoque populi Romani atque Poeni. Neque immerito
aestimatum. Er setzt hinzu: cum aliis quidem populis de unius-
cuiusque republica, cum Poenis autem de omnium terrarum imperio
decertatum.
Wir finden eine dritte Spur. § 5 f&ngt Livius an specieller zu
werden. Er gibt als Grund des Krieges an: angebaut ingentis viri
spiritum — womit Hamilcar gemeint ist — Sicilia Sardiniaque
amissae : nam et Sidliam nimis celeri desperatione rerum concessam
et Sardiniam inter motum Africae fraude Romanorum stipendio etiam
insuper imposito interceptam. Flor. a. a. 0. urebat nobilem populum
mare ablatum, raptae insulae, dare tributa, quae iubere consueverat.
Ich denke, es ist klar, dass des Livius Einleitung zur drit-
ten Dekade nicht von ihm selbst ist, dass er sie in seiner Quelle
vorgefonden hat: grosse Stücke von ihr finden sich in andern von
ihm unabhängigen Schriftstellern, und hat er sie einmal entlehnt,
so kann sie nur auf Coelius zurückgehen, als Einleitung zu dessen
Bellum Punicum; so ist dann erklärt, dass Cassius Dio sie benützt hat.
Die Einleitung des Livius beginnt mit den Worten: Li parte
operis mei licet mihi praefari, quod in principio summae totius pro-
fessi sunt plerique rerum scriptores, bellum omnium maxime
memorabile, quae unquam gesta sint, me scripturum, quod
Hannibale duce Garthaginienses cum populo Romano gessere. nam
neque validiores opibus ullae inter se civitates gentesque contu-
lerunt arma, neque his ipsis tantum unquam virium aut
oboris fuit. Wem föllt bei diesen Worten nicht Thucyd. 1, 1 ein,
^eouKubibric 'AOnvaToc SuvetpaM^e t6v ttöX€|uiov tiöv TTcXonowriciuiv
Kttl *AeTivatu)V, dbc dTToX^iiTicav -rrpöc dXXyjXouc, dpgdjLievoc eöOuc
KaeiCTa|Li^vouKaldXTr(cac|Li^Tttv t€ £c€c6ai küi dEioXoTtüTarov
TU)V TrpOT€T€VTm^VUIV, T€K|Liaip6|Ul€V0C, ÖTl dK|Uldt0VT^C T€
fScav de aÖTÖv d|uiq)6Tepa 7rapacK€ü§ Tr| irdcij xal rö äXXo
'GXXnviKÖv 6paiv guvicrdimcvov irpöc ^Kax^pouc, tö imfev eöeuc, tö bk
xai biavooü|i€VOV. k(vticic top «ötti |ui€tictti bf| toic "€XXticiv
ifiy€TO Kai M^pei tivi täv ßapßdpujv, die bfe elneiv, kqi
tnx TrXciCTov dvepuiiruiv.
Livius fährt dann fort: et haud ignotas belli artes inter sese
sed expertas primo Punico conferebant hello. Ein ähnlicher Gedanke
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Die Fragmente des L. Coelios Antipater. 57
findet sich Thuc. 1, 18, 3 uicT* dird tüüv MnblKUJV de Tovbe del
TÖv iröXenov xd |ifev crrevboMeva, td hk troXe^ouvTec t\ dXXrj-
Xoic fi ToTc ^auTUJV £uMMdxoic dcpicraMevoic €u irap-
€CK€udcavTO Td TToX^^ia Kai dMireipötepoi dT^vovTO
Mexd Kivbuviwv rdc fi^l^^Tac iToiou|i€Voi.
Nach einer Abschweifung kommt Thucydides 1, 22, 2 wieder
auf sein Werk zu sprechen und gibt die Quellen an, denen er seine
Mittheilungen verdanke. Dass er ex scriptis eorum, qui veh arbi-
trantur schöpfen Wolle, hatte Coelius versprochen. Thucydides drückt
sich aus: xd b' Ipfa xuiv itpaxOdvxuiv iv xi^ itoX^^(|i oök Ik xoO
iTopaxuxövxoc iruvOavöfbievoc i^£iuKa Tpd<p€iv, oub* die iiioi dbÖKei,
dXX* oic x€ airr6c irapfiv xai irapd xuüv dXXwv, öcov buvaxöv
dKpißeiqi irepi ^Kdcxou direScXOdiv.
Jetzt geht Thucydides l» 23, 1 an eine Yergleichung des früheren
medischen Krieges mit dem peloponnesischen, und vergleicht deren
Yerh<mss nach ihrer Dauer und der iraOrjiiaxa, die sie zur Folge
gehabt Vor dem peloponnesischen Kriege, sagt er, war der modische
der bedeutendste gewesen; hatte jedoch nur eine kurze Dauer gehabt;
xouxoü bt xoO TToX^MOu futfiKÖc X€ }xiya Trpoußii, iraOriiuiaxd xe £uv-
ffV^XÖn tev^cöai iy auxCf» xfj 'GXXdbi da oöx ^xcpa iv Icijj XPÖvijJ.
Wenn Coelius dies nachahmt, und eine Parallele zwischen der Lttnge
und den iraOrjiicnra des ersten und zweiten punischen Krieges zieht,
so kann dieselbe dem Inhalte nach selbstverständlich nicht ganz
gleich ausfEdlen, da der modische Krieg eine kürzere Dauer als der
peloponnesische hatte, der erste punische Krieg dagegen eine längere
als der zweite. Die Form jedoch ist bei beiden dieselbe: Zon. a. a. 0.
Kai 6 TTÖXeMOC oöxoc xai \xtv xpövtji ttoXu dXdccwv xoO npox^pou
cuMß^ßnK€, xoTc b* fpTOic xoTc xe iraöriiiaci Kai ^eiZujv Kai xaKe-
irurrepoc.
Im Folgenden gibt Thucydides eine kurze Geschichte der Zeit
zwischen dem medischen £[riege und dem von ihm beschriebenen,
um die Ursache seines Ausbruchs klar zu legen: dies finden wir in
Coelius nachgeahmt, der Liv. 21, 2 — 4; Zon. 8, 21 die Jahre zwischen
514/240 und 536/218 zu gleichem Zwecke seinen Lesern berichtet.
Diese IJebereinstimmung setzt sich consequent fort in der sorgfUl-
tigen detailHrten Aufzählung der Streitkräfte der sich bekämpfenden
Länder zu Beginn des Krieges Thuc. 2, 9 «»Liv. 21, 17 u. 21— 22;
in den ausführlichen Verhandlungen und Beden zu Bom, zu Carthago
und im carthagischen Hauptquartier Liv. c. 9 — 10^ 18 — 21; Zon. 8,
21—22 = Thuc 1, 67—87; 119—126; 139—145; 2, 10—12
(die Livius bei keinem Kriege sonst so eingehend widergibt); in der
gasizen Darstellungsweise der Ereignisse. An Thacjdides und den
Griechen hat Coelius sich gebildet; ersteren vornehmlich hat er in
all den Dingen nachgeahmt, in denen er sich von seinen römischen
Yorgängem unterscheidet: in der Auswahl des Stoffes aus der nächsten
Vergangenheit; der pragmatischen Behandlung desselben; der Auf-
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58 Wilhelm Sieglin:
nähme von Beden. Dann hat er im Einzelnen dessen Darstellung
in vielen Punkten nachgeahmt, hat sogar manche Gedanken in be-
denklicher Abhängigkeit von seinem Meister entlehnt. Ich verzichte
darauf, alle Parallelen aufzuzählen zwischen Schilderungen, die sich
in CoeliuB und die sich in Thucydides finden, da uns meist die Mög-
lichkeit genommen ist, zu controliren, wie weit die üebereinstimmun-
gen dem Zufall ihren Ursprung verdanken, wie weit sie künstlich
gemacht sind. Doch sei es mir erlaubt, einige F&lle herauszugreifen,
die die bewusste Nachahmung allzudeutlich verrathen.
Wir wissen aus Liv. 29, 27, 14, dass Coelius eine poetisch
ausnmlende Schilderung jener Ueberfahrt des Scipio von Liljbaeum
nach Afiica gegeben, die dem Hannibalischen Kriege ein rasches
Ende machen sollte. Alle Bürger und die anwesenden Fremden
strömten an den Hafen herab 29, 26, 7, um das grossartige Schaa-
spiel der abfahrenden Flotte zu gemessen. Wem fällt hier nicht
Thuc. 6, 30, 2 ein, wo dasselbe von den Athenern gesagt wird, als
deren Flotte zur sicilischen Expedition abfuhr, dass, um deren Ab-
fahrt anzusehen 6 fiXXoc öjitXoc äitac 6 dv t^ iröXei xal äcrwv xai
Hvwy in den Piraeeus gezogen sei? Wem bei dem feierlichen Gebete
und Opfer Scipios vor dem versammelten Heere, ehe die Anker ge-
lichtet wurden, nicht der gleiche gottesdienstliche Act Thuc. 6, 32?
An das ganze Unternehmen knüpft; Coelius eine Bemerkung an, 29,
26, 1: Viele römische Flotten, sagt er, waren aus Sicilien und jenem
Hafen schon ausgefahren; aber niemals war eine so gi*ossartig ge-
wesen. Zwar war die Flotte des Begulus im früheren Kriege, die
auch hier ausgefahren, äusserlich grösser, aber durch die Bedeutung,
die auf die jetzige gelegt war, erregte diese ein weit grösseres Auf-
sehen. Thuc. 6, 31, 1 sagt: Unter allen Flotten, die ein hellenischer
Staat je gesehen hat, war die hier abgehende die kostspieligste und
grossartigste. Zwar war die Flotte unter Pericles gegen Epi-
dauros einst keineswegs kleiner gewesen; dieser jetzige
Zug überragte dieselbe aber dennoch weit durch die Be-
deutung, die ihm zugemessen war.
Nicht geringer ist die Uebereinstimmung bei der Schilderung
der Pest in Syracus, Liv. 25, 26, mit der Pest in Athen Thuc. 2,
51 f. Thucydides ist abermals nachgeahmt. Man verglqiche Liv. c.
26, 8 curatio ipsa et contactus aegrorum volgabat morbos, nt aat
neglecti desertique qui incidissent morerentur, aut adsidentis curantis-
que eadem vi morbi repletos secum traherent, cotidianoque funere
et mors ob oculos esset, et undiqne dies noctesque ploratus andirentor
mit Thuc 2, 51, 4 beivötaTOV hi iravidc f\\ toö KaKoO f^ t€ dOufLiia,
ÖTi ?T€poc dq)* ^T^pou eepairdac dva7rl^^TXd^evol djcirep xd irpößaTa
lOv^CKOV. Ktti TÖv TrXcicrov q)9öpov toöto dv€iTo(€i. €!t€ xdp jifi
edXoieiv b€biÖT€C dXXtiXoic Ttpoci^vai dTriöXXuvro dpflfuioi, Kai oiKfai
TToXXai dKevuiOricav dirop^ toO eepaireucavTcc Der Tod, fiüirt
dann Thucydides fort, forderte so zahkeiche Opfer, dass toc öXo-
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Die Fragmente des L. Coelins Anüpater. 59
q>upc€tc Tuiv dTTOTiTvoim^vujv TeXeuxdiVTec xai o\ oiKCioi iH^xajLivov
\m6 ToO noXXoö KttKOö vticui)üi€Voi. — öircpßioZo^^vou tou KttKoO oi
ävOpumoi oux Ixovrec ö xi Y^vwvrai, de öXtTuipiav dTpdrrovro xai
kpuiv xai öctujv Ö)lio(u)c. viS^oi t€ irävTcc JuvexapaxGTicav, olc
txp&vxo TTpÖTcpov 7r€p\ TOC TQcpdc, iGaTTTOv bfe dbc ?KacTOC dbüvaxo.
xai iroXXot elc dvaicxövTouc OiiKac dTpiirovro credvci tuiv imvf]"
b€iuiv h\ä TÖ cuxvouc fjbTj TrpOTeGvdvai ccplciv. Livius gibt das
wieder: postremo ita adBaetadine mali efferayerant animos, ut non
modo lacrimis iastoque conplorata prosequerentur mortuos, sed ne
efferrent qaidem ant sepelirent, iacerentque strata exanima corpora in
confipectu similem mortem exspectantiiim. Beachtenswerth ist dabei,
wie Coelios das in der Vorlage erwfthnte ausmalend steigert und
übertreibt *Die Menschen verwilderten so weit/ hatte Thucydides
nur gesagt, ^dass sie sich um das alte Herkommen bei den Be-
erdigungen nicht mehr kümmerten und jeden begruben, wie sie gerade
konnten, selbst schamlose Mittel nicht scheuend', und hatte dies an-
geführt durch Beispiele, wie die Leute ihre Todten auf fremde Scheiter-
haufen legten, die für andere errichtet waren, indem sie dieselben
heimlich vorher anzündeten, oder, w&hrend eine andere Leiche ver-
brannt wurde, die ihrige oben darauf warfen und wegliefen. Coelius
macht daraus^ dass die Leichen überhaupt nicht beerdigt wurden
und auf der Strasse liegen blieben. Starke Farben aufzutragen ist
überhaupt seine Force. Bei der Expedition nach Sicilien hatte Thucy-
dides so erw&hnt, c. 30, 2, dass auch die Fremden bei der Abfahrt
an den Piraeeus herabgezogen seien, um das Schauspiel zu gemessen.
So einfEUih genügt das Coelius noch nicht: bei ihm sind die Fremden
eigens aus den sicilischen Stftdten nach Liljbaeum gesandt, der ab-
fahrenden Flotte beizuwohnen. Die Scene ist so malerischer und
grossartiger, und dennoch ist es nicht genug. ^So zog denn, wenn
ich so sagen darf, die gesammte Yolksmasse in der Stadt,
Bürger wie Fremde, an den Piraeeus hinab', war der genaue Wort-
laut in Thucydides gewesen. Man vergleiche Liv. 29, 25, 4 Coelius
ait: tantam multitudinem conscendisse naves, ut nemo mortalium
aut in Italia, aut in Sicilia relinqui videretur.
So ist denn genügend dargelegt, dass Thucydides in der That
des Coelius Darstellung ein Vorbild gewesen; vermuthlich wird auch
der viel benützte Silen ein solches gewesen sein, der wie aus den
Livius und Polybius gemeinsamen Reden der dritten Decade hervor-
geht, sein Geschichtswerk gleichfalls rhetorisch gehalten hatte.
Stilistisch war das Vorbild des Coelius Ennius. Plernmque,
sagt Fronte p. 14, ad orationem faciendam versus, ad versificandum
oratio magnum adiuvat; so war Coelius naturgemäss auf Ennius hin-
gewiessen, und studiose eum aemulatus est, bezeugt Fronte p. 64.
Die Spuren davon sind noch vielfach selbst in der Ueberarbeitung,
die Coelius durch Liyius erlitten hat, zu erkennen, nicht nur in der
sprachlichen IJeb^reinstimmung einer Reihe von Ihmius-Fragmenten
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60 Wilhelm Sieglin:
mit LiviuSy sondern sogar an mehreren Versen und Yersstttcken, die
in LiviuB und Coelius übergegaDgen sind, da Coelius, wie aus GelL
10, 24, 6 ersichtlich ist, sich sprachlich eng an seine Vorlage an-
geschlossen hat. Die bekannteste Spur dieser dichterischen Vorlage
steht Liv. 22, 50, 10 in der poetischen Schilderung, wie nach der
Schlacht bei Cannae Sempronius Tuditanus die verzweifelnden Römer
im kleinen Lager auffordert, sich durch die Menge der Feinde durch-
zuschlagen und sich dem Staate zu erhalten.
Haec ubi dicta dedit stringit gladium cuneoque
Facto per medios vadit
hostes, föhrt Livius fort, schwerlich hier selber dichtend, unmittelbar
vorher, Liv. 22, 60, 9 findet sich
ut si nihil obstet
Disiicias.
Liv. 21, 9, 3
arma] nee Hannibali in tanto discnmine rerum;
vgl. darüber Hagen, J. f. cl. Ph. CIX (1874), p. 276. Grösser ist
die Anzahl der Ennianischen Fragmente, die hier Beachtung verdienen.
In seiner Bede vor der Schlacht am Tidn versprach Hannibal
den carthagischen Bundesgenossen, wenn sie sich tapfer halten, Liv.
21, 45, 6, qui sociorum oives Carthaginiensium fieri vellent, pote-
statem facturum. Böttcher, Die Quellen des Livius, p. 398 hat Ifingst
nachgewiesen, dass die Livius hier vorliegende Quelle römischen
Ursprungs ist. Die Vorlage der citirten Stelle findet sich Ennius
V. 284 V.
Hostem qui feriet mihi erit Carthaginiensis
Quisquis erit.
Nun nähern sich die Heere. Ausgemalt wird die allmfthlige
Berührung der Gegner, die beide von ihrer geringen Entfernung noch
nichts wissen. Von dem Fusstritt der Massen erhebt sich mächtiger
Staab; nun erst erkennen beide Parteien ihre Nähe: Enn. 286
lamque fere pulvis ad coelum vasta videtur.
Breiter in Liv. 21, 46, 4 densior deinde incessu tot hominum equorum-
que oriens pulvis propinquantium hominum fuit.
Von dramatischer Wirkung ist die Schilderung des üeberfalls
von Syracus durch Marcellus Liv. 26, 24« Marcellus hatte in Er-
fahrung gebracht, dass die Sjracusaner ein grosses Fest der Artemis
feiern, verbunden mit Festmahl und Trinkgelage. Dieses und dessen
Wirkungen will er ausnützen. Er wartet die Nacht ab, bis die Bürger
vom Trinken und vom Festtaumel überwältigt in sichern Schlaf
versunken waren. Alles geht nach Wunsch: magna pars hostium in
turribus epulati aut sopiti vino erant aut semigraves potabant. Auch
Ennius hatte die Scene so malend gegeben v. 291:
nunc hostis vino domiti somnoque sepultL
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Die Fragmente des L. Coelins Antipaier. 61
Man beachte dabei, wie oft des Ennins Fragmente gerade da
eintreten, wo wir in Livins lebhafte dramatische Schilderang haben.
Liv. 29, 27, 14 berichtet von der üeberfahrt Scipios nach
AfrÜEa, dass die meisten Schriftsteller sie als rahig yerlaafen hin-
stellen, Coelins dagegen von einem grossen Sturme wisse ^ und dass
Scipios Soldaten com ingenti tamalta in terram (Africam) evasisse.
In frappanter üebereinstimmung befinden sich damit des Ennius
Worte V. 311:
Africa terribili tremit horrida terra tiunaltu.
Y. 310 lautet, yermathlich auch hierher gehörend:
navibus explebant sese terrasqne replebant.
In der Relation des Coelius sind einfach die Reiseabenteuer des
Octayius Liv. 30, 24 auf Scipio übertragen. Eine etwas bedenkliche
Freiheit in der Verwendung des Stoffes, nxir am mehr Effect zu er-
zielen, ist bei Ennius nichts fremdes; vgl. meine Abhandlung, Die
Chronologie der Belagerung von Sagunt p. 28 — 35. Wenn unsere
Vermuihung nicht trügt, so ist die von den andern Schriftstellern
abweichende Darstellung der Expedition des Scipio durch Coelius
nach seinem ersten Theile (der Abfahrt) nach Thucjdides, nach dem
zweiten (der Üeberfahrt) nach Ennius zusammengesetzt.
Auch hier verzichten wir darauf, alle Fälle aufruzählen, in denen
sich üebereinstunmung zwischen Ennius und Coelius beziehungsweise
lävins zeigt,. weil sich zn häufig unserer Controle entzieht, ob die
üebereinstimmang auf einer Benützung des Ennius durch Coelius
bemht, oder ob sie etwa von einer gemeinsamen Quelle herrührt.
Auf einem Gebiete so difßcüer Art wie das vorliegende ist Vorsicht
anzuwenden. Doch Einen Werth haben diese Parallelen immer, der
für QueUenuntersuchungen von nicht zu unterschätzender Wichtig-
keit ist: wir erhalten daraus Mittheilung über das Alter der beiden
Autoren gemeinsamen Begebenheiten und Aufstellungen, ob sie
Eigenthum des Coelius , oder ob sie früheren Datums sind.
So ist es von Interesse zu erfahren, dass die Charakterschilderung,
die Liv. 21, 4 vonHannibal gibt, Ennius schon gab. Den Hunger und
den Durst rühmt darin Livius, konnte Hannibal, wie alle körper-
lichen Bedürfhisse in hervorragendem Maasse bezwingen. Silius
Italicas, der, wie wir seit Wezels^') und Heynachers^®) Untersuchungen
wissen, den Ennius in umfangreichen Maasse benützte, drückt sich
dabei über die Ertragung des Durstes aus 1, 260:
Exercetque sitim et spectato fönte recedii
In Ennius findet sich v. 546 :
Contempsit fontes quibus sese erugit aquae vis.
*^ E. Wesel, De C. Silii Italic! com fontibus, tum exem^lis. Lipa. 1873.
^^ M. Heynacher, üeber die Stellung des Silius ItalicuB unter den
Quellen zum zweiten punischen Kriege. Berlin, Weidmann 1877 (Pro-
gramm der Ilfelder Elotterschule) 68 pp.
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62 Wilhelm Sieglio:
Weiter ersieht man, dass die Scene, die im carthagischen Senate
nach der Schlacht bei Cannae sich abspielte, wie Mago die Siege
seines Bruders aufzählte und zum Beweise einen Scheffel Ringe in
der Curie zu den Füssen des Senats ausschüttete, wie da höhnend
einer den alten Hanno an seine düstem Weissagungen zu Beginn des
Krieges erinnerte, die sich ja so treMch erfüllt haben, und dieser zün-
dend antwortet, Liy. 23, 12 — 13, dass diese Soene in Ennius bereits
ihren Platz fand. Hanno leugnete darin den Sieg über die Bömer,
da diese selber sich noch nicht besiegt geben, da keine latinische
Stadt zu Hannibal übergegangen sei und die Bömer noch nicht um
Frieden gebeten:
Qui vincit non est yictor, nisi yictus fatetur
Enn. y. 485 ; und Hanno schliesst bei Ennius mit den Worten y. 486 :
Den Frieden bekommen wir nicht
Dum quidem unus homo Bomanus toga superescit
In Fabius kann diese Schilderung nicht gestanden haben, da
Coelius der erste römische Prosaiker war, der selbstyerfasste Reden
in sein Geschichtswerk aufiiahm; Cato hatte nur die yon ihm persön-
lich gehaltenen Beden in die Origines übergehen lassen« Diejenigen
Bruchstücke yon Beden also, die sich in Coelius und Ennius gemein-
sam finden, schliessen ein Entlehnen yon Fabius aus: Ennius ist in
denselben die Vorlage des Coelius gewesen.
§3.
Da der Zweck der yorliegenden Abhandlung nicht ist, Quellen-
untersuchungen im gewöhnlichen Sinne über Coelius anzustellen, son-
dern nur die Namen seiner Quellen und Hilfsmittel soweit zu eruiren,
als sich aus den Fragmenten selbst, beziehungsweise aus der üeber-
arbeitung des Werkes durch Liyius ergibt, so ist mit dem bisher
Vorgebrachten unsere Aufgabe erledigt. Eine interessant-e Frage, die
bei dem Verhältnisse, das sich yon Seiten des Coelius zu Thucjdides
und Ennius ergab, doppelte Aufmerksamkeit erweckt, deren Beant-
wortung für künftige Untersuchungen yon hoher Bedeutung wäre,
konnten wir nur flüchtig berühren, das ist das Verhältniss des Coelius
zu Silen, und der Einfluss, den dieser auf den Innern Ausbau des
Coelianischen Werkes einnahm. Leider ist uns jedoch bis jetzt jede
Möglichkeit genommen, irgend etwas sichereres hierüber aufzustellen.
Durch etwaige directe Zeugnisse aus dem Alterthume wissen wir so
gut wie nichts über Silen; Fragmente sind uns nur drei als dem
Bellum Hannibalicum angehörig überliefert, zwei Cic. De diy. 1, 24, 48,
die den Traum Hannibals beim Ebroübergange und einen späteren
Traum am Lacinischen Vorgebirge berichten, ein drittes ohne Be-
deutung, Liy. 26, 49, 3, in dem Silen die Zahl der bei der Einnahme
Neucarthagos 544/210 erbeuteten Scorpione angibt.
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Die Fragmente des L. Coelias Antipater. 63
Was nim bei diesem gelingen Material philologische Kritik den-
noch leisten konnte, hat sie getreulich geleistet Konnten die wenigen
Fragmente uns auch nichts bieten in Beziehung aof den Einfluss, den
Silen auf die formelle Gestaltung des Ooelianischen Werkes ausübte,
wie wir es Ton Thucydides noch deutlich festsetzen konnten, so war
die Ausbeute xmi so grösser, die dafür für die Quellenfrage sich ergab.
Seit Nitzsch^s scharfsinnigen Untersuchungen und denen seiner
Schüler Bujack und Böttcher, die einzig von dem Traume Hannibals
am Ebro ausgehend die Spuren Silens immer weiter verfolgten, indem
sie den Traum mit der gleichlautenden Erz&hlung in Liyius verglichen
und einer Polemik, die sie gegen die Geschichte in Poljbios 3, 47 fan-
den; — seit diesen haben wir gelernt, dass Silen in allen Hannibal und
das carthagische Lager betreiSienden Ereignissen von Coelius in der
umfassendsten Weise verwerthet worden ist, und andere haben ihre
Arbeit fortgesetzt. Grosse Stücke aus Livius, Poljbius, Dio-Zonaras
wurden herausgeschftlt, in denen man die Chronü: Silens erkannte,
und wenn auch über einzelne Partien sich noch Streit erhebt und
femer erheben wird, die Grundlage für weitere Forschungen ist
gelegt Diese Grundlage, die sich jetzt auf eine stattliche Anzahl
der unzweideutigsten Spuren specifisch carthagischer Auffassung in
den Geschichtswerken des Livius und Polybius stützt, ist so sicher,
dass sie nicht mehr erschüttert werden kann, selbst dann nicht,
wenn der Ausgangspunkt, von dem aus sie gewonnen wurde, nach-
trSglich in unsicherem Lichte erscheinen sollte.
Der Traum am Ebro, der in Coelius enthalten aus Silen seinen
Ursprung genommen haben soll, lautet also: ^Als Hanniba] Sagunt
erobert hatte und nun den Krieg gegen Bom eröffiiete, da trftumte
er beim Ueberschreiten der Grenze, er werde von Jupiter in die
Götterversammlung gerufen. Hier erhielt er den Auftrag, nach Ita-
lien zu ziehen, und dort den Krieg zu führen. Zugleich wird ihm
einer der anwesenden Götter als Führer gegeben. Hannibal erhält
die Weisung, diesem zu folgen, wobei ihm jedoch das Verbot auf-
erlegt wird, irgend um sich zu blicken. Hannibal folgt dem Gotte mit
einem Heere, und eine Zeit lang gehorcht er auch dem Gebote. Hernach
aber vermag er sich nioht länger zu bezwingen; er verletzt das Gebot
und schaut um sich« Da sieht er einen ungeheuren Drachen, der alles
um sich herum verwüstet, lärmend und tobend. Hanniba ist ver-
wundert und fragt den Gott, was das bedeute; dieser antwortet, der
Drache und sein Thun gehe auf ihn und bedeute die Verwüstung
Italiens durch ihn: im übrigen solle er guten Muths sein und der
Zukunft vertrauen'. An der Form der Erzählung ist ein Anstoss
zu nehmen. Der Gott legt Hannibal das Verbot auf, das Göttliche
durch das menschliche Auge nicht zu entweihen und nicht um sich
zu blicken; Hannibal bricht das Verbot; und was ist die Strafe?
Die Aussicht, in Italien grosse Siege zu erfechten. Hier muss eine
Ungeschicklichkeit in der Darstellung vorliegen; denn so formulirt
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64 Wilhelm Sieglin:
widerspricht die Erzählung aller antiken Anschanong.^^) Eine Strafe
muss hier erfolgen, wie das Beispiel des Orpheus nnd andere zeigen.
Suchen wir eine solche, so kann in unserem Falle, wo einerseits
das Streben Hannibals ist, Italien sich za unterwerfen, andrerseits
das Schicksal und Thun des Drachen ein Vorbild auf diesen ist, die
Strafe nur darin bestehen, dass Hannibal Italien nicht bezwingt und
unterwirft, sondern, wie der Drache es thut, nur verwüstet. Die
einfachste Erklilrung ist die: Solange als Hannibal mit dem Gotte
einherschreitet, treibt der Drache seine Verwüstung. Bricht nun
Hannibal das Gebot früh, so kann der Drache nur wenig verwüsten,
Hannibals Erfolge in Italien werden also gering sein; bricht er ee
sp&ter, so ist die Th&tigkeit des Drachen iSnger andauernd und
Hannibals Erfolge grösser. Bricht er es gar nicht, folgt er dem
Gotte bis zu Ende, so verwüstet auch der Drache bis zu Ende, und
Hannibals Sieg ist ein vollständiger. Die Strafe für Hannibal Hegt also in
der ünvollst&ndigkeitdes Sieges. Diese Erklärung wird durch SiUus
bestätigt, der 3, 208 den Traum gleichfalls erzählt^ und die Auffassung,
dass der Grad der Verwüstung des Drachen ein Vorbild auf Hanni-
bal sei, theilt. Er legt dem Gotte die Worte in den Mund a. a. O.:
Quant US per campos populatis montibus actas
Contorquet Silvas squalenti tergore serpens.
Et late humectat terras spumanti veneno:
Tantus perdomitis decurrens Alpibus atro
Involves beUo ItaHam, tabtoque fragore
Eruta convulsis prostemes oppida muris.
Für den Fall, dass er gehorche, hatte der Gott Hannibal ver-
heissen 3, 181:
Bespexisse veto; monet hoc pater ille Deorum:
Victorem ante altae statuam te moenia Bomae.
Ist diese unsere Deutung richtig, so ist klar, dass wir bei dem
Traume Hannibals nicht ein historisches Factum vor uns haben,
sondern eine Sage, die sich nach Beendigung des Krieges gebildet.
Dieselbe ging aus von dem anfänglichen Erfolge Hannibals und dem
Siege bei Cannae, nach welchem dieser statt unverrückt vorwärts
dem gesteckten Ziele entgegen zu gehen, indem er Bom angriff, nach
minder wichtigen Dingen in seinem Bücken schaute, und um die nutz-
lose Kraft unteritalischer Städte sich mehr kümmerte, als um die ita-
lische Hauptstadt. An diese Deutung knüpft sich aber eine wichtige
Consequenz. Cicero a. a. 0. gibt an, Coelius habe die Erzählung von
dem Traume aus Silen entlehnt; der Glaube, dass dies richtig ist,
wird durch dieselbe erschüttert.
Es ist etwas gewagtes, an dem festen Boden eines solch directen
Zeugnisses zu rütteln, und nur bei zwingenden Gründen findet es seine
*») Vgl. Bucol. 8, 102 ; Odyss. 10, 528 ; AcBch. Choeph. 99 ; Theoer 24 91
Ov. Met. 1, 888; 899 u. a. ' *
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Die Fragmente des L. Coelius Antipater. 65
Bechifertigniig: docli glaube ich, dass die Bedenken, die sich gegen
Ciceros Angabe erheben, mindestens beachtenswerth sind. Der Traum
in seiner Weissagung auf den Verlauf des Krieges setzt mit unbeding-
ter Nothwendigkeit das Ende desselben voraus; Silen starb aber*^)
vor Beendigung des Krieges, wie auch in den letzten Btlchem des
Livius jede Spur seiner Darstellung schwindet
Schon dieses könnte genügen. Den Traum träumt femer Han-
nibal der Carthager. Es ist selbstverstftndlich, dass Gedanken und
Trftume, die Hannibal gehabt haben soll, den Vorstellungen ent-
sprechen müssen, von denen dieser in Wirkliphkeit erfüllt war. So
wenig ein Christ, wenn er sich in einem Traume Gott gegenüber
denken sollte, diesen sich etwa an der Seite von Muhammed er-
scheinen lassen wird, oder von griechischen Göttern begleitet, so
wenig wird Hannibal sich seine Götter anders träumen, als mit
seiner Beligionsvorstellung vereinbar ist. Nicht als ob man sich an
^Jupiter' siossen dürfte, oder an Mercur, dem ^Jüngling göttlicher
Gestalt', wie ihn Livius nennt, — solche Umschreibungen für phöni-
cische Namen sind wir gewöhnt; wir dürfen sie nicht anders erwarten.
Aber Dinge, wie eine Götterversammlung, in die Hannibal tritt, aus
deren Händen er sein Mandat empfangt, widersprechen allen cartha-
giscben Beligionsbegriffen total; ein Mythus, der einen derartigen
Inhalt hat, kann nicht in der Umgebung Hannibals aufgekommen
sein; ein Mann, der das carthagische Volk und Sitten kennt, kann ein
solches Unding seinen Lesern nicht aufgetischt haben. Ist also die
Krzfthlnng eine Sage, so kann sie nur eine nicht-carthagische, eine rö-
mische, vielleicht auch eine unteritalisehe Sage gewesen sein, und ist,
da Coelius, wie wir ja wissen, mündliche Traditionen gerne in sein
Werk aufnahm, als solche in dessen Bellum Punicum gekommen.
Dies wird äusserlioh schon dadurch bestätigt, dass in Dio-Zonaras
der Tranm unter den römischen Prodigien steht und dort eine
die Sagenbildung deutlicher verrathende Einkleidung sich erhalten
hat| Zon. 8, 2^ p. 338 D. T«j) hk 'Avviß<)i 6iipla mWä koI ärvwcTa
TÖv "Ißnpa biaßaivovTi irpoKaOriTncctTOy Kai öqnc öveipou i(p&)n\.
Mit unserer Annahme stimmt aber weiter die Thatsache überein,
dasB die beiden Momente» die sich in der Erzählung von dem Traume
finden, einerseits der Drache und Mercur, die Hannibal zu Anüeuig
den Weg zeigen, andrerseits die Vorbedeutung, dass dasjenige, was
mit dem Drachen vorgeht, ein Symbol sein soll auf die Thaten dessen,
der es sebaut, beide auch sonst in der römisch-griechischen Sage er-
scheinen.
Das erste Moment zeigt sich überraschend ähnlich noch im
selben Kriege bei Scipio dem Aelteren, als dieser die das Schicksal
*^ Nep. Hann. 18, 8 huiua belli geeta multi memoriae prodidemnt,
•ed ex bis duo, qui cum Hanmbale in castris fderont simnlqae vixerunt,
qnamdiu fortuna passa est, Silenns et Soailas Lacedaemonius.
Jthxb. t elAM. Phil. Sappl. Bd. ZI.
>gle
66 Wilhelm Sieglin:
des Feldzugs besiegelnde That vollbrachte und nach Africa über-
setzte. Nach der Landung zeigte sich vor dem Lager Scipios gleich-
falls ein Drache, der diesem den Weg nach Carthago wies und ihm
dorthin voraneilte. Scipio erkannte auch, dass dies eine Vorbe-
deutung auf ihn sei und das was er thun solle; er folgte der gött-
lichen Mahnung und brach muthig in das Innere des Landes auf.'^)
Aehnlich zeigte sich als Caesar am Bubikon stand und zögerte,
den yerh&ngvoUen Schritt zu thun und Überzusetzen, plötzlich eine hohe
Gestalt, die ihm auf dem Wege voranging und an das andere Ufer
hinüberschwebte, Suet. Caes. 32. Ein Drache war es nicht mehr,
dazu waren die Zeiten zu aufgeklSrt geworden. Im übrigen war es
wie bei Scipio: die Oestalt entriss einem Soldaten die Tuba, gab das
Zeichen zum Angriff und schwebte voran. Auf denn, rief Caesar,
die Götter wollen es; cunctanti ostentum tale factum est; er folgte
dem wunderbaren Wesen und rückte vor.
Der zweite Theil des Traumes, die Vorbedeutung, dass die Art,
wie der Drache sein Wesen treibt, und die Zeitdauer, wie lange er
es treibt, Hannibals Klopfe in Italien darstellen, findet sich gleich-
falls in einem entscheidenden Moment der römischen Geschichte, bei
Begulus. Als dieser in Africa landete, zeigte sich ein ungeheurer
Drache von 120 Fübs Länge, der, ein Symbol der harten und mör-
derischen Kämpfe, die Born mit Carthago bevorstanden und des end-
lichen Sieges Borns, anf&nglich viele Bömer tödtete, bis er endlich
mit Mühe erlegt wurde Val. Max. 1, 8 ext. 19; Gell. 6, 3; Liv. Per. 18 ;
Sü. Ital. 6, 140 ff; Sen. epp. 82, 25; Hin. 18, 14, 37.")
Aehnliches findet sich femer Plut. Alex. 24, nur dass der Drache
hier wieder vertauscht ist. Als Alexander vor Tyrus lag, träumt er,
ein Satyr zeige sich ihm, den er fangen wolle, und doch vermochte
er es nicht. Immer wieder haschte er nach ihm, immer entrann
derselbe. Endlich nach vieler und andauernder Mühe glückte ihm
der Fang. Besorgt fragte er vom Schlaf erweckt die Seher um die
Deutung. Das lange^ vergebliche Haschen zeigte die lange Belage-
rung von Tyrus an; in einer Zeit, wurde ihm zur Antwort, deren
Ausdehnung er nach dem Fangen des Satyr bemessen könne, werde
er Tyrus einnehmen. •
Eine interessante Parallele mit Coelius bietet endlich eine
'*) CasBius Die fr. 67, 68 p. 106 D. xd wX^icia öpn KaxaJcxövTec crpa-
TÖir€66v T€ iy imTr]bei{\} iiroi/icavTO xal iröv oötö croupiOinaa Trept^9paEav.
Xdpaxac ^ir' ainö toöt* 4v€TK<iM€voi. dpxi t€ KorcocciiacTO, koI bpdKuiv itap
aÖTÖ M^ac h\ä ttJc liri ti?|v Kapx^böva (pcpoOoic 66o0 iTap€(picvc€v, tüctc
Kai *K toOtou t6v Cxtiriiuva kctA t^jv ircpl toütuiv . . . . teuroO (pfifiiiv ^-
6apd|cavTa itpo6updiTcpov Tf|v t€ x^po^ icopef^cai Kai Töte nöXca irpocfilHai.
") Einen weiteren f^all Aesch. Coeph. 626 ff. übergehen wir als zu
unbedeutend, in welchem Cljtemn&stra trftamt, ein Drache liege an ihrer
Brust und trinke ihr Blut: ihr Tod durch ihren Sohn Orestes war damit
angedeutet. Immerhin aber sehen wir auch aus dieser Enäblung, wie sehr
in der griechisch-römischen Sage der Drache als Symbol des Menschen
beliebt war.
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Die Fragmente des L. GoeliiiB Antipater. 67
dentsche Sage, am Niederrhein zu Hause, die sich (mit dieser Quellen-
angabe) in Bechsteins Märchensammlung findet; etwas verkürzt, wie
leider so manches andere schöne Lied, in Zuccalmaglio, * Deutsche
Volkslieder' p. 48. So kindllich und naiv sie ist, mag sie doch ihren
Platz hier finden. Ein Reiter hat ein Pferd, das hat er von dem
Herrn Jesus Christus selber als Pathengescheiüc erhalten. Auf diesem
zieht der Reiter fort über Land und wie er eine Zeit lang geritten ist,
findet er eine schOne Feder am Boden liegen. Diese will er auf-
heben und sich damit schmücken. Das Pferd verbietet es ihm aber
und er ftlgt sich auch. Bei einer zweiten schöneren Feder wiederholt
sich dasselbe Spiel; auch bei einer dritten, noch schöneren. Bei
dieser jedoch vermag sich der Jüngling nicht mehr zu bezwingen;
er hebt sie trotz des Verbotes auf. Bald kommt er in eine Stadt;
da ziehen ihm die Bürger jubelnd entgegen und begrüssen ihn als
König. Das Pferd aber spricht zu ihm: Hättest du die erste Feder
aufgehoben, wärest du Oraf geworden; bei der zweiten Herzog.
Nun da du die dritte gegen mein Verbot nahmst, bist du König
geworden. Hättest du auch diesmal gehorcht, würdest du eine
vierte Feder gefunden haben, bei der ich dich selber aufforderte,
sie aufzunehmen; dann wäre das höchste Ziel, die Kaiserkrone, dein
Lohn gewesen. Wir haben hier denselben Gedankengang wie Coelius.
Die Aehnlichkeit liegt nicht nur in der Steigerung dessen, das dem
Helden zu Theil werden soll, die sich richtet nach dem Grad des
Gehorsams, sondern wesentlich auch in dem charakteristischen Merk-
mal, dass eine gewisse Gunsterweisung dem Helden von vornherein
gesichert ist, selbst für den Fall, dass derselbe gleich anfangs sich
gegen das göttliche Verbot vergeht, und dass &ctisch beide Helden
erst unmittelbar vor dem vollständigen Erringen ihres Zieles sich
versündigen. Ohne Zweifel steht unsere deutsche Sage in einem
Zusammenhange mit der römischen, der natürlich nicht in einem
Entlehnen, sondern in einem gemeinsamen Ursprünge zu suchen ist
Aus diesen Gründen schliesse ich, dass wir eine indogerma-
nische Sage vor uns haben, die uns in Coelius in einer Bearbeitung
vorliegt. An der mannigfachen Verschiedenheit der Form der vor-
gebrachten Sagen wird sich niemand stossen, der Sagenbildungen
bei verschiedenen Völkern und über verschiedene Zeiten hinaus ver-
folgt hat. Die uns hier in Coelius vorliegende Sage ist zusammen-
gesetzt einerseits aus der Form, wie sie uns bei Scipio und Caesar
entgegentritt, andrerseits aus der am Rhein erhaltenen deutschen
Sage. Solche Zusammensetzungen und Vermengungen sind gleich-
fialls etwas ganz gewöhnliches , man sehe nur die zahlreichen Bei-
spiele in J. G. V. Hahn, Griechische und Albanesiche Märchen, 2 TheilC;
Leipzig 1864 und andenu
Jedermann wird uns jetzt mit unserer Auffassung beistimmen,
wenn nur nicht das Zeugniss des Cicero wäre, das unserer Aus-
einandersetzung widerspricht
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68 Wilhelm Sieglin:
Woher hat jedoch Cicero die Eenntniss, woraus Coelias seine
Erz&hlung genommen? Selbst wird Coelius den Bilen hier schwer-
lich citirt haben; jedermann weiss, dass die Alten nnr citiren^ wenn
sie die Ansicht ihrer Quellen bekilmpfen und zn einer Bek&mpfdng
lag hier kein Grund vor. Nun ist aber sicher, dass beim Nieder-
schreiben des Fragments Silen dem Cicero nicht yorgelegen hat, wie
Wölfflin, Antiochus etc. p. 25 evident nachgewiesen. Ciceros An-
gabe ist also nicht aus einem Vergleiche Silens mit Coelius hervor-
gegangen, sondern ist nur eine Vermuthung, die durch die Thatsache
hervorgerufen wurde, dass Coelins allerdings für gewöhnlich fast in
allen die Persönlichkeit Hannibals angehenden Angelegenheiten den
Silen seiner Darstellung zu Grunde gelegt hat, und die durch den
ZuüelU noch provocirt wurde, dass Coelius thatsSchlich das Fragment,
das Cicero unmittelbar vorher besprach, das gleichfalls einen
Traum Hannibals (am lacinischen Vorgebirge) behandelte, aus
Silen geschöpft hatte. Eine solche Vermuthung Ciceros hat aber
wohl eine hohe Wahrscheinlichkeit, mit der wir unter allen ümst&nden
zu rechnen haben^ für sich, nicht jedoch die Kraft eines endgültgen
Beweises, durch den Jedem entgegenstehenden Bedenken die Berech-
tigung entzogen werden düifte. Hat sich durch die Interpretation, die
wir der Erzählung von dem Traume Hannibals am Ebro zukommen
lassen mussten^ dieselbe als eine Sage herausgestellt, und zwar als
eine solche, die in einem Lande entstanden, das mit carthagischen
Verhältnissen weniger vertraut war, so ist dies von einer Bedeutung,
die der des Zeugnisses von Cicero ebenbürtig zur Seite steht Wäh-
rend wir uns aber recht gut zu erklären vermögen, wie Cicero dazu
gekommen sein kann, einen Irrthum zu begehen, können wir für den
Fall, dass Cicero Recht hätte, die jetzt sich erhebenden Schwierig-
keiten auf keinerlei Weise hinwegräumen; und je sorgfältiger und
genauer wir den Traum betrachten, um so weniger können wir dfes.
Aus mehreren Fragmenten und den in diesem Puncte ganz
richtigen Untersuchungen Gilberts wissen wir, dass Coelius, vielfach
sich nicht begnügend mit den schriftlichen Quellen, die ihm zu Ge-
bote standen, zu mündlichen Traditionen gegriffen hat. In der Auf-
nahme dieser Sage haben wir ein weiteres Beispiel derselben. Aus
rhetorischen Gründen hat aber Coelius den Schluss geändert; er
hat nicht die Strafe, aber das Aussprechen der Strafe für Hannibals
Beginnen, die Verheissung des endlichen Misserfolges, flülen lassen.
Natürlich, wenn Hannibal zum Voraus vom Gotte weiss, dass er
nicht siegen wird, unterlässt er lieber den ganzen Krieg. Coelius hat
darum sich begnügt, den Gott erklären zu lassen: Der Drache und
sein Thun gehe auf ihn; im übrigen solle er alles dem Schicksal
überlassen.^') Der Schluss ist somit etwas matt geworden, aber durch
") Dies, dass in dem Fragmente die Sage verstAmmelt vorliegt,
ist ein weiterer Beweis, dass sie nicht aas Silen ihren Urspruns ge-
nommen haben kann. Ein Schriftsteller, der das Interesse Cartnagos
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Die Fragmente des L. Goelius Antipater. 69
die Zweideutigkeit des Spruches, die sich ergab, die nothwendig
Hannihal irre fähren musste, ist wenigstens ein verwendbarer Er-
satz geschaffen. Hannibal wurde so jener Reihe von Männern bei-
gesellt, die mit Ejtösus anhebt und dem trügerischen Spruche, den
dieser vom pythischen Apollo erhalten, die mit Pyrrhus schüesst.
Nichts wirkt mehr auf das menschliche Oemüth, als wenn Helden^
die grosses wollen, aber am Ende von der Uebermacht der entgegen-
stehenden Gewalten überwältigt werden, wir von trügerischem
Orakelspruche geblendet und getäuscht sehen. Diesen Effect wollte
Goelius mit dem neuen Schlüsse erzielen, der anders unverständlich
bleibt, der doppelt unverständlich wäre, wenn er von Silen seinen
Ursprung hätte.
Das im Vorausgegangenen gewonnene Resultat in Betreff des
Traumes von Hannibal lässt sich praktisch verwerthen für die Fest-
stellung der Abfassungszeit des Bellum Punicum von Seiten des
Goelius, indem sich ergibt, dass Polybius in seinem dritten Buche
auf die Erzählung von dem Traume Bezug nimmt. Goelius hat dem-
nach vor Poljbius geschrieben. 3, 46, 8 polemisirt Polybius da-
gegen, dass es Schriftsteller gebe, die beim Hannibalischen Kriege
Geouc Ktti GeOjv iraibac eic TrpaT|iaTiKf|v ktopiov TrpoeicdTOuciv.
Des Poljbius Worte gehen zweifellos auf Hannibals Traum, wie all-
gemein anerkannt ist^ Nitzsch, römische Annalistik p. 15; Böttcher,
Quellen des Livius p. 378; Wölfflin, T. Liv. Lib. XXI, p. XXIII; Peter
a. a. 0. p. CGXXL Mit den Oeoi ist die Götterversfunmlung, mit
9€uiv Tiaibec der Führer gemeint, der Hannibal den Weg zeigt. So
ist kein Zweifel, dass Poljbius den Goelius vor sich gehabt hat. Nun
schrieb Poljbius Buch ni und die folgenden nach Werner, De Poljbii
vita ac itineribus, Lips. 1877 p. 39 non ante annum 610/144, nach
Nitzsch, Poljbius, Kiel 1842 p. 137—138 und Hertzberg, Geschichte
Griechenlands I, p. 302 in den Jahren 613/141—620/134. Goelius
hat denmach jedenfalls vor diesen Jahren sein Werk abgefMst.
Es ergibt sich, wenn auch nicht sicher, so doch mit grosser
Wahrscheinlichkeit noch ein genaueres Datum. Wir haben p. 55
gezeigt, dass Goelius eine Einleitung zum Hannibalischen Kriege
gegeben. In dieser sagt Goelius (Liv. 21, 1, 2): neque validiores
opibus ullae inter se civitates gentesque contulerunt arma, neque
bis ipsis tantum unquam virium aut roboris fuit. Goelius
behauptet also, dass bis zu seiner Zeit noch das römische Beich in
den Jahren des zweiten punischen Krieges an Quantität (vires) wie
an Qualität (robur) die höchste Macht gehabt habe. Ich glaube,
vertrat, wenn er den Tadel, der in der Sage auf Hannibal fällt, ver-
meiden wollte, hätte die Geschichte unterdrückt, nicht Jedoch eine vom
carthagischen Standpunkt gelesen gehaltlose und völlig unverständliche
Verstfimmelung gegeben.
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70 Wilhelm Sieglin:
daes dorans hervorgeht} dass Coelins speciell vor dem Jahre 608/146
geschrieben hat. Denn nach dem Jahre 608/146, wo das römische
Volk nach Zerstörung von Carthago und Eorinth^ Macedonien, Achaia
und Afrika unter seine BotmSssigkeit brachte, ist der Ausdruck nicht
mehr wahr, selbst bei der grössten Begeisterung^ die ein Mann für
die Zeiten des zweiten pimischen Krieges haben konnte. Borns quan-
titative Macht hat um 608/146 die des zweiten punischen Krieges
weit überragt, die qualitative ist erst spftter gesunken.
Es ist wahr^ man könnte einen Augenblick an die Abnahme der
Bevolkertmg Italiens denken, die durch die Verheerungen Hannibals
erfolgt war, und an deren Folgen Italien noch lange Jahre zn- leiden
hatte; man könnte an diese denken, um auch nach der Machtver-
grösserung des zweiten Jahrhunderts des Coelius Behauptung zu
rechtfertigen. Diese Abnahme war jedoch nm das Jahr 608/146
bereits wieder ausgeglichen. Von 270,213 römischen Bürgern, die
im Jahre 534/220 gezählt wurden**), war im Jahre 550/204, als
Hannibal Italien verliess, die Zahl gesunken gewesen auf 214,000*^;
im Jahre 560/194 war sie jedoch wieder gestiegen auf 243,704*^,
566/188 anf 258,318*^), um bereits 580/174, nicht ein Menschen-
alter nach Beendigung des Krieges, die alte St&rke zu erreichen mit
269,015 Bürgern.*^) An den Verlust von Menschenleben kann so
Coelius nicht gedacht haben. Seine Behauptung muss demnach vor
der Eroberung Carthagos und Corinths, d. h. vor dem Jahre, in dem
Rom seine Weltherrschaft sich errang, geschrieben worden sein.
Coelius Antipater war geboren etwa um das Jahr 574/180.
Nach Cic. De legg. 1, 2, 6 war er Pannii aetati coniunctus, welch'
letzterer 577/177 geboren war; Brutus 26, 96 rechnet Cicero den
Coelius, verglichen mit dem Zeitalter eines C. Papirius Carbo (ge-
boren 591/163), zu den *seniores'; und Ähnlich nach Vell. Pat. 2, 9, 4
war Coelius vetustior Sisenna, als dessen ^aequalis' noch C. Rutilius
Rufus (geboren 596/158) im selben Zusammenhange gilt. Coelius
war demnach etwa 32—34 Jahre alt, als er sein Bellum Poenicum
niederschrieb, im selben Alter wie Livius, der mit 32 Jahren an
seine Aufgabe heranging. Um 634/120 schrieb Coelius seine
Historien; 25 volle Jahre lagen zwischen der Abfossung seines
ersten und seines zweiten Werkes. In die Mitte zwischen beiden
Werken fiLllt so die Veröffentlichung von den Annalen des Piso
(geb. 580/174). Dieses chronologische Verhältniss des Piso zu Coelius
scheint Cicero anzudeuten, wenn er Brut. 26, 102 Coelius vor Piso
erwfthnt; De legg. 1, 2, 6 nach demselben. Beide Angaben des Cicero
sind richtig.
**) Liv. Perioch. XX.
«•) Liv. 29, 37, 6.
'*) Liv. 85, 9, 2; Lange, Bömische Alterthüiner II, p. 20i Anm. 1.
•») Liv. 88, 36, 10.
") Liv. 42, 3.
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Die Fragmente des L. Coelios Antipater. 71
Wie weit die Benützung des Coelius durch Polybius sich er-
streckte, ob es eine sporadische, ob es eine eingehende war, iässt sich
aus den Fragmenten allein nicht ermessen; die Untersuchung wird
an anderem Orte geftlhrt und von uns veröffentlicht werden. Für
jetzt ist einzig die Thatsache der Benützung zu constatiren.
Die Ungunst des Schicksals, die es mit sich gebracht hat, dass
beide Werke, Coelius und der grösste Theil von Polybius, uns verloren
gingen, hat auch das gefügt, dass von den erhaltenen Fragmenten
des Coelius nur acht solche Ereignisse schildern, die auch in Polybius
erhalten sind, fr. 9, 12, 14, 16, 17, 18, 28, 57 P. (fr. 6, 11, 12,
13, 15, 16, 32, 46 S.). Von diesen widersprechen dem Polybius
drei 17, 18, 28 P. (15, 16, 32 S.); vier finden sich selbst dem
Wortlaute nach in Polybius fr. 9, 14, 15, 57 P. (6, 12, 13, 46 S.);
das achte ir, 12 P. (11 S.) stimmt mit Polybius überein, ohne dass
dieser jedoch die Sache so ausführlich schildert wie Coelius. Die
vier in Polybius erhaltenen Fragmente des Coelius zählen wir im
Folgenden auf.
Coelius hatte die Länge des von Hannibal zurückgelegten Weges
auf dem Marsche von Carthago Nova nach Italien angegeben auf
^duodeciens centena milia passuum', p. 15. Diese Berechnung finden
wir unter allen Schriftstellern . allein von Polybius übergenommen
3, 39, 11 dicT* clvai touc TtdvToc ^k Kaivfic ttöXcujc crabiouc Tiepl
^vvaKicxiXiouc^ oöc Ibei bieXOeiv auTÖv.
In Betreff des Passes, den Hannibal beim üebersteigen der
Alpen wählte, waren im Alterthume drei verschiedene Ansichten
vorhanden. Man schwankte zwischen den cottischen (Mont Gendvre),
grajischen (kl. St. Bernhard) und poeninischen Alpen (gr. St. Bern-
hard). PoL 3, 56, 4 entschied sich für die grajischen, Livius für die
cottischen 21, 38, 6. Polybius theilte so die Ansicht des Coelius, der
Liv. 21, 38, 7 Hannibal gleichfalls über die grajischen Alpen hatte
ziehen lassen,
Coel. fr. p. 13, 11 Legati quo missi sunt veniunt, dedicant man-
data findet sich Pol. 3, 30, 9 TtapaT€VO|üi€VWV tujv 'Puijiaiujv
(irpecßeuTujv) Kai trapeXGövTujv elc tö cuv^bpiov xal
biacaqpouvTUiv raura.
Coel. fr. p. 8, 1 ipse cum cetera copia pedetemptim sequitur
findet sich Pol. 14, 3, 4 so gut wie wörtlich: aÖTÖc bk TfjV XoiirfjV
CTpatidv dvaXaßuiV dtroieTTo Tf|v 6pjLif|V tiA töv 'Acbpoußav. —
Toiaurac fx^v dmvoiac ßdbriv dtroieTTO xfjv Tropeiav. *Pede-
temptim' ist hier mit *ßdbTiv* wiedergegeben. Doch ist es selbst-
verständlich, dass wir auf diese vier Fragmente wenig Werth legen.
Immerbin scheint Polybius die Coelianische Einleitung zum Kriege
eingesehen und einige Gedanken daraus verwerthet zu haben. Als
Grund des Krieges gibt Coelius in Livius an: angebaut ingentis viri
Spiritus vimm Sicilia Sardiniaque amissae, nam et Siciliam nimis celeri
desperatione rerum concessam, et Sardiniam inter motum Africae fraude
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72 Wilhelm Sieglin:
Bomanorum stipendiis etiam insuper impositis interceptam. Florus
1, 27, 1 gibt das wieder mit: urebat nobilem popalam mare ablatum,
raptae insnlae, dare tributa, quae iubere consueverat. Dieser Satz
findet sich unverändert in Folybins, doch nicht zu Livius, sondern zu
Florus hinneigend 3, 13, 1: Kapxn^<5vioi fCLQ ßap^uic jitv fcpepov
Kai Tf|V uTT^p ZiKeXiac fj-rrav, cuv€7t^t€iv€ b* aöruiv Tf|V öpT^v td
KttTd Zopböva Ktti TÖ Tuiv cuvree^VTWv xpr\\i&r{X)v irXfleoc. Vorher
sich mehr Livius nfthemd, sagt Polybius (3, 9, 6) vo|liict^oy TipiüTTiv
alTiav ToO TToXeiLiou x^TOvevai töv 'A|üi(Xkou Ou^öv, toO Bdpxa
dTTiKaXoujuievou. '0 *A|üIiXkou Ou/iöc ist dem ^ingentis viri spiritus'
nachgebildet, üeberhaupt scheint bei einer Vergleichung Coelius für
die einleitenden Bemerkungen Pol. 3, 9 und 3, 11 (mehr natürlich
nicht) im wesentlichen die Grundlage gebildet zu haben.
Einige sprachliche Spuren finden sich, dass Polybius yom
dritten Buche an eine lateinisch geschriebene Quelle mit-
unter zu Bathe gezogen hat. Sie finden sich in Ausdrücken wie
'f| xae* f]|Liäc edXacca' für *mare nostrum' 3, 37, 6; 37, 10; femer
3, 39, 4, in einem Capitel, in welchem wir schon bei der Besprechung
der Fragmente (p. 16 u. 71) Spuren von Coelius wahrgenommen haben,
unzweideutig. Im zweiten Buche, wo Polybius das westmittelländische
Meer offc genug zu nennen hatte, war dessen Name noch ^ZapbifOV
TT^XaTOc' gewesen, oder *Zik€Xik6v', TußpnviKÖv', wenn es noth-
wendig war auch ^XiKeXiKÖv Kai Tuß^riviKÖv', aber nie ^tö Ka6'
f^äc'. Der Name ^mare nostrum' kam erst im zweiten Jahrhundert
auf^ als das westmitteUändische Becken durch die Eroberung Spaniens
und Liguriens fast ein römischer Binnensee geworden war, kann
demnach selbst Fabius Pictor — um von der Sprache abzusehen —
noch nicht entnommen sein.
Ferner 'ol KeXrol ol ^m tdbe* 3, 34, 4 für 'Galli Cisalpini'.
Dieses letzte Beispiel ist um so schlagender, als der Abschnitt^ in
dem es sich befindet, ursprünglich carthagischer Quelle entstammt
(Bött«cher, QueUen des Livius^ § 4). Der Carthager hatte schwerlich
Oallia Cisalpina gesagt für Gallien südlich der Alpen, sondern ent-
weder o\ iv IraXicf KeXroi oder oi irepi töv TTdbov, wie auch Poly-
bius sie gewöhnlich nennt im Gegensatze zu ol Tiepi t^v 'Pobavöv'^).
Den Anschauungen eines Griechen, der in Griecheuland wohnt und
schreibt, wäre eine solche Bezeichnung fremd, und in den Augen des
Carthagers sind ol KeXroi ol im rdbe die Bewohner von Narbo-
neusis. Wenn das Wort trotzdem in diesem Capitel und in dieser
Bedeutung sich findet, ist es ein Beweis, dass es römische Ueber-
arbeitung erlitten hatte.
••) Hc^i t6v ndbov 2, 17, 8; 2, 19, 18; 2, 81, 8; 2, 86, 4; 3, 84, 2;
8, 39, 10; 3, 47, 4; — ol ^^ 'haXi(f 1, 18, 4; 2, 18, 7; — ol ircpl t6v
•Pobavöv 2, 22, 1.
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Die Fragmente des L. Goelios Antipater. 73
§6.
Wir sind mit der Behandlung der Fragmente des Coelius zu
Ende. Wir haben uns jetzt ein Gesammtbild seiner Persönlichkeit
zusammenzustellen.
Mit dem Kreise der Scipionen, eines Laelius, F^nuius und ohne
Zweifel auch Polybius vertraut, hat Coelius sich die Ideen, die in
diesem Kreise herrschten^ angeeignet Er hat erkannt, dass Geschichts-
schreibung in dem Chroi^^stil eines Fabius, Cincius oder Cato werth-
los ist, dass einzig die pragmatische Geschichte Anspruch auf den
Namen Histonk habe, dass aber diese bei dem Mangel an genügen-
dem und zuyerlSssigejn Material nur dann einen Höhepunkt erreichen
kann, wenn der Geschichtsschreiber mit der selbsterlebten Zeit oder
der zunächst Torhergehenden sich begnügt.
Ein junger Mann yon einigen 30 Jahren hat er sich so die
Aufgabe gestellt, den grössten aller Ejriege, die Bom je geführt, den
Hannibalischen Krieg zu beschreiben, der, kaum 60 Jahre beendet
und seitdem durch keine bedeutende Waffenthat in Schatten gestellt,
noch in frischem Gedftchtniss war. Noch lebten in Bom eine Beihe
TOB Mfinnem, die den Krieg selber gesehen hatten. Ausgerüstet
mit nicht unbedeutenden Kenntnissen in der griechischen wie in der
romischen Literatur, rhetorisch gebildet^) und von einem hervor-
ragenden Darstellungstalent, das auch die Alten anerkannten'^),
unterstützt von den besten HilfsmittelQ, griff er sein Werk an, das
trotz mannigfacher Mftngel, die au ihm hafben blieben, einen neuen
Aufschwung in der römischen Historiographie herbeiführen sollte.'*)
Die Quellen, die Coelius dieser Erstlingsschrift zu Grunde gelogt
hat, haben wir bereits aufgezählt; es sind die Darstellungen aller
Parteien, und es ist dies ein Umstand, der von vorn herein zu Gunsten
seiner Wahrheitsliebe spricht Aus dem hohen Lobe aber, das ihm
Livius zu Theil werden iSsst, der, so oft er Coelius nennt, dessen
Meinung fast niemals zurückweist, immer mit einer Anerkennung
aufftQirt, die um so beachtenswerther ist, wenn wir des Livius IJr-
theile z. B. über Yalerius Antias und andere gegenüber halten; —
aus dem Lobe des Livius, sagen wir, und dem Umstände, dass selbst
Polybius ihn zu Bathe gezogen hat, kö|men wir ermessen, dass
Coelius mit Gewissenhaftigkeit und Wahrheitsliebe seine Quellen
benützt hat. Welch' aufrichtige Mühe sich Coelius gegeben^ die
■^ Brut «6, lOS ftdt ut temp^oribus illis luculentos, iuris valde peri-
tofl, moltormn etiam ut L. CrasBi magister. Pomp. Dig. 1, 2, 2, 40 sed
plus eloquentiae q^nam adentiae iuris operam dedit. Cass Coelius, um
dies nebenbei zu bemerken, praktischer Advokat war, geht aus De orat.
2, 13, 65 hervor: nemo enim atudet eloquentiae nostrorum hominum, nisi
nt in camis atque in foro eluceat.
'0 Oic. De Orat. 2, 12, 5i; De legg. 1, 2, 6; Pompon. a. a. 0.; Spart
Hadr. 16, 6 p. 17, 1 P.
••) Cic. a. a. 0.
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74 Wilhelm Sieglin:
Wahrheit zu erforechen, zeigt una fr. 36 S., p. 86 (Liv. 27, 27, 11),
wo er vom Tode des Marcelltts handelt und, nicht zufrieden mit der
Darstellung des eigenen Sohnes des Marcellus, da sie ihm in einigem
unglaubhaft erschien, auch nicht mit der landlftufigen Erzählung,
die seiner Kritik gleichfalls Bedenken einfKsste, sich eine eigene neue
Ansicht selbst aus diesen combinirte. Dass er aber dabei so ehrlich
war und dieses sein Thun den Lesern offen angab, daraus geht her-
vor, dass er sicli der Verantwortung bewusst war, die der Geschichts-
schreiber seinen Lesern gegenüber zu tragen hat.
Nicht minder erkennen wir seine Wahrheitsliebe aus fr. 15 S,, p. 82
(Liv. 21, 46, 10) in dem Bericht von der Schlacht am Ticin und der
Bettung des schwer verwundeten Consuls Scipio, wo er, entgegen
der Darstellung, die in dem Scipionenkreise herrschte und in Laelius
hauptsächlich ihren Vertreter fand (Pol. 10, 3, 2), die das Haupt-
verdienst Scipios Sohn, dem späteren Africanus zuschob, und ent-
gegen seinen persönlichen Sympathien, diesen Ruhm einem ligu-
rischen Sclaven gewahrt wissen wollte.^)
Freilich, zu viel darf man aus diesem Lobe, das Coelius trifft,
auch wieder nicht schliessen; am wenigsten^ dass es ihm etwa in
uneingeschränktem Maasse zuzuerkennen sei. Coelius wollte
gewiss niemals die Unwahrheit berichten oder gar fischen gegen
sein besseres Wissen; und dennoch hat er, so paradox es klingt,
Fetisch manchmal nicht die Wahrheit^ sondern selbst Erfundenes vor-
gebracht, Dieser Widerspruch hängt mit Coelius* Absicht zusammen,
eine lebendige und anschauliche Darstellung aller einzelnen Momente
des Krieges seinen Lesern zu gewähren, eine DarsteUung, die bis in
die Details geht und die Details malt
Seine Quellen boten Coelius dazu natürlich keinen Stoff; diese
waren sänuntlich viel zu kurz gehalten — in zwei bis drei Büchern
den ganzen Krieg beschreibend; — so hat denn Coelius beim Aus-
malen wesentlich sein rhetorisches Talent zu Hilfe genonunen. So-
lange ja nicht das Gegentheü dessen, was man schrieb, überliefert
war, femd Niemand im Alterthum^) etwas schlimmes dabei, wenn
ein Historiker seine Phantasie in der Darstellung lebendig walten
Hess. Coelius war hier das Kind seiner Zeit; wenn er fehl ging,
trifft ihn persönlich kein Vorwurf.
Aus demselben Grunde verdient Coelius keinen Tadel, wenn er
in Syracus die Pest zu schildern hatte, und die Beschreibung der-
selben der Thucjdideischen nachbildete; warum sollte es unmöglich
") In solchen Zeichen seiner Selbständigkeit und Wahrheitsliebe
findet Gilbert p. 462 'Eigensinn' des Coelius und das Streben 'interessant
sein zu wollen .
^) So sagt noch Qnintil, 10, 1, 81 historia est poesis maxima et'quo-
dammodo carmen solutum, et scribitur ad narrandum, non ad probandum^
und Cicero Brut. 11, 12 sogar: quoniam concessum' est rhetoribus
ementiri in historiis, ut aliquid dicere possint argutius.
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Die Fragmente des L. Coelios Anüpaier. 75
sein, dass die äusseren ümstSnde der Pest in Syracus denen zu
Athen ähnlich gewesen sind? Oder wenn er den feierlichen Moment
der Ab£&hrt Scipios yon Liljbaeum der athenischen Expedition nach
Sicilien zum Theil nachbildet; — gegen die positive historische Ueber-
liefening hat er sich dabei ja nicht yerstossen« Charakteristisch aber
ist ftlr Coelius bei dieser Schildemng, dass er wohl das Gewühl und
den Lftrmen, der bei der Abfahrt erfolgte, in drastischer, yielleicht
allzu drastischer Weise schilderte: Die Vögel am Himmel seien vom
Geschrei der Soldaten zur Erde gefallen, und der letzteren seien es
so yiele gewesen, dass es schien, als bleibe in ganz Italien oder
Sicilien kein Mann mehr zurück; — aber eine bestimmte, demgemftss
yergrösserte Zahl der Truppen mit Namen zu nennen, wie es ein
Valerius Antias gethan hätte, dazu hat er doch zu grosse Scheu.*^)
Mit welchem Aufwand yon Kritik und welchem Verständniss
Coelius bei diesem Streben die Wahrheit zu schreiben nun das vor-
handene Material aus seinen Quellen auszuwählen wusste, dies
im Einzelnen zu beurtheilen fehlt uns leider der Anhalt. Dass er
Kritik anwandte, zeigt uns der Fall mit Marcellus und einige Bei.
spiele, wo er Fabius und Silen yerlassend, sogar zur mündlichen
Tradition gegriffen hat. Im Allgemeinen scheint aber Coelius, wenn
wir seine Fragmente vergleichen mit den ihnen entgegenstehenden
Ansichten anderer Schrittsteller,*nicht weniger und mehr Verständniss
gehabt zu haben, als ein gut gebildeter Römer seiner Zeit, um Na-
men zu nennen, als etwa Liyius, der das eine Mal mit guten Argu-
menten scheidet zwischen wahrscheinlichem und unwahrscheinlichem,
das andere Mal jedoch desshalb sich fdr eine Angabe bestimmen lässt,
weil sie seinem römischen Nationalbewusstsein mehr wohlthut, oder
weil einfach die Mehrzahl seiner Quellen diesen Standpunkt theilt.
Jedenfalls hat Coelius eine Kritik, — dies geht aus seiner fast naiven
Abhängigkeit von Thucydides und seinem Verhältnisse zu dem Dicht-
werke des Ennius hervor, z. 6. bei der mehrfach erwähnten üeber-
fahrt Scipios, oder bei der Belagerung von Sagunt (Sieglin a. a. 0.), —
die nur bei wichtigeren und grösseren Dingen einzutreten sich ver-
anlasst fühlte, die Nebensächliches nicht bemerkt, oder als zu un-
bedeutend ausser Acht lässt Besonders tritt auch ein starker Aber-
glaube bei ihm zu Tage; vertrauensvoll erzählt er uns nicht weniger
als 4 Träume (p. 36,2 — 37, 4), die von der Gottheit den Menschen
geschickt waren, um diesen ihren Willen zu verkünden; er berichtet
uns die Prodigien vor der Schlacht am Trasimensersee, die den
'^ Den nachfolgenden Sturm, den Coelius berichtet, den Lirius an
■einer Darstellung aussetzt, weil er der üeberlieferong widerspreche, die
nur von einer ruhigen Üeber&hrt wisse, diesen hat Coelius nicht selbst
dazu gethan; — eine solche Eigenmftohtiffkeit ^st sich von ihm nicht
nachweisen. Er hat ihn in Ennius gefunden, wie zwei erhaltene Frag-
mente beweisen (p. 61^, und, weil er zu der begonnenen poetischen
Schilderung passte, diesem nachgebildet.
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76 ' Wilhelm Sieglin:
Bömem ihre Niederlage vorher gesagt^ imd er glaubt dabei ernst-
haft;, das8 der Untergang des Flaminius und des gesammten Heeres
eine Strafe gewesen sei für den frevelhafben Leichtsinn, mit denen
der Consul sich über die göttlichen Warnungen hinweg gesetzt
(p. 38, 5). In den Historien zeigt sich Coelius noch von den Schrecken
und Wundem des Avemersees überzeugt (p. 25, 3), der ja den Ein-
gang zur Hölle bildete; er glaubt noch an geschlechtliche Verbindung
der Götter mit den Menschen (p. 30, 6). Es beruht diese Eigenthüm-
licheit des Coelius, man mag von derselben halten, was man will^
zum Theil jedenfalls auf einem gewissen Mangel an ausreichender
Kritik, und es ist dieselbe um so auffallender, als Panaetius, dessen
Schule Coelius als gebildeter Bömer und besonders als Mitglied des
Exeises der Scipionen wohl genossen haben muss, gegen die Mantik
mit Ernst vorgegangen war. Doch mag dieser religiöse Olaube des
Coelius kritisch nicht tiefer stehen als der Iftchelnerweckende Batio-
nalismus eines Piso.
Der Quelle selber, wenn Coelius sich ihr eixmial dem Inhalte
nach rückhaltslos angeschlossen hatte, schloss er sich nach der Sitte
der Alten, der sogar Poljbius huldigt, auch im Wortlaut an, sie
leicht nach seiner Stilweise färbend, wie das Fragment p. 22, 1
verglichen mit Cato zeigt. Sonst natürlich, und dies war bei der
ungemeinen Verbreiterung, die er mit seinen Quellen anstellte, und
den vielen Beden, die er selbstständig in die Darstellung aufnahm,
das gewöhnliche, entwickelte er sich ungezwungen seinen eigenen Stil.
Die SorgMt, die er auf diesen letzteren verwandt, ersehen wir
aus Cic. Orat 69, 229 (fr. l). Fronte p. 62 rühmt von Coelius, dass
er zu den Schriftstellern gehöre, die in laborem studiumque et pericu-
lum verba industhosius quaerendi sese oommisere; und bei diesem Lobe
berichtet derselbe p. 114 von Coelius, dass seine Sprache einfach
und ungekünstelt gewesen sei^^ im Gegensatze zu Cato, der Verbis
multiiugis' geschrieben habe. H. Feter p. CXXXXVIIII erklärt
Verba multiiuga' richtig mit Häufung von Synonymen und führt
als passendes Beipiel dazu auf Cato fr. 95a F.: Scio solere pleris-
que hominibus rebus secundis atque prolixis atque pro-
speris animum excellere atque superbiam atque ferociam
augescere atque crescere. Als Beispiel der knappen Sprache des
Coelius, an der zwei Dinge besonders bemerkenswerth sind, die asjm-
detisch neben einander gereihten Sätze und das constante Praesens
hiBtoricum in der fortlaufenden Erzählung, stellen wir diesem fr.
p. 9, 3 gegenüber: ipse regis eminus equo ferit pectus adversum,
congenuculat percussus, deiicit dominum; oder fr. p. 13, 11 Legati
quo missi sunt veniunt, dedicant Jmandata; und besonders ir. p. 11, 6
Omnes simul terram cum dassi accedunt, navibus atque scaphis egre-
diuntur, castra metati signa statuunt.
'") Historiam quoque Bcripsere— verbis Cato multiiugis, Coelius singulis.
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Die Fragmente des L. Coelins Antipater. 77
Das Praesens historicum ist diejenige Eigenthümlicbkeit der
Coeliamschen Sprache, die tms am hSnfigsten gegenttbertritt. Der
Procentsatz genommen ans vereinzelten Fragmenten berechtigt allein
zwar noch zu keinem Rückschluss auf das ganze Werk; aber anf-
fallend genng ist es, dass gleich in sSmmtlichen dem Worüant
nach erhaltenen Bmchstttcken des Goelius, die ans der fortlanfenden
ErzShlnng genommen waren, das Praesens steht, fr. 8, 9, 12, 22, 30,
32, 41, 44, 57 P. (4, 6, 11, 20, 31, 34, 44, 46, 47). Anch diese,
offenbar mit Absicht angestrebte Ausdrucksweise bewirkt eine kurze,
dabei lebendige und anschauliche Sprache, eine Sprache, die den Leser
fesselt, und die CoeHus weit über Cato mit seinen schwerflllligen
SStsen stellt oder über Piso, dessen Darstellnngsweise wieder allzu
kunstlos, fast kindlich za nennen ist
Solche Eigenschaften, die des Goelius Bellum Punicum nach
seinem Inhalte wie nach seiner Form hatte, sicherten Goelius auf meh-
rere Jahrhunderte hinaus hohes Ansehen. Es trug ihm das Lob Giceros
und vollgültige Anerkennung von Seiten Frontos ein. Brutus machte
einen Auszug aus ihm, der selbst in den Buchhandel kam (Cic. ad
Att. 13, 8) und noch im zweiten Jahrhundert gelesen wurde (Fronte
p. 253), in dem die Begeisterung fOr die einfachere Form der Siteren
Literatur wieder allgemein wurde. Hadrian zog Goelius selbst dem
Sallust vor. Spart Hadr. 16, 6 p. 17, 1 P. Junius Paulus, der Freund
des Qellius und Gommentator des Afranius, schrieb einen Gemmen-
tar zu Goelius Ghar. p. 127; 143; 217; und die Grammatiker Gha-
risius, Priscian, Gellius, Nonius haben ihn mit Vorliebe untersucht.
Die angesehensten Historiker haben ihn benützt, Livius und Gassius
Dio^; selbst Poljbius, — dieser wohl hauptsSchüch wegen des
gleichen politischen Standpunktes und der Menge des gesammelten
und gesichteten Materials, das er in Goelius finden konnte — ^ hat
den jüngeren nicht verschmfiht. Nach dem Umfange der Bücher zu
schliessen lag Goelius Yalerius Antias zu Grunde; vermuthlich femer
Plutarch*^ in der Vita des Fabius und theilweise des Marcellus^^);
der Quelle des Florus und Aurelius Victor; endlich wurde er von
Frontin**) und Valerius Mazimus^^) in deren Sammelwerken zu
Hathe gezogen.
Mit dem Ruhme, den ihm sein Bellum Punicum eintrug, war
Goelius nicht zufrieden. In höherem Alter befasste er sich, beeinflusst
von der Strömung, die in der Gracchenzeit sich in den wissenschaft-
lichen Kreisen allmShlich immer mehr geltend machte, auch mit Alter-
**) Posner, Quibus anctoribuB in hello Hannibalico enarrando usus
sit Dio GassiuB. Bonn 1874.
^ Soltau, De fontibus Plutarchi in secnndo hello Punico enarrando.
Bmm 1870.
^ Soltao a. a. 0. p. 69; Wölfflin, Antioohus etc. p. 28; 79.
*^ Wölfflin a. a. 0. p. 77.
*^) Peter a. a. 0. p. CCXXIV; Kranz, Beitr&ge zur Quellenkritik des
Valerius Mazimus, Posen 1876, p. 24.
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78 Wilhelm Sieglin:
thnmawiasenBohaft, und das Product dieser Studien waren die Histo-
rien. Cato war der erste Römer gewesen, der in seinen Origines
nicht nur die Urgeschichte Borns, sondern auch der italischen St&dte
und Völkerschaften schilderte; dessen Vorgang schloss sich Coelius
an. Er sammelte die Oründungssagen der Mehrzahl der italischen
Städte, Oallia Cisalpina inbegriffen, und unter Benutzung yon Cato,
aber auch yon Timaeus und Hepataeus Hess er sich über dieselben
aus. Auch über den Urspnmg Roms sprach er ausführlicher. Als
wesentliche Tendenz des Werkes erscheint nebenbei Griechenland
mit Bom in Verbindung zu bringen, in den italischen Städten das
Werk griechischer Ansiedler zu suchen und zu erblicken. Capua soll
nach Coelius von Capjs, dem Trojaner gegründet sein, fr. 9 S.; die
Marser haben ihren Namen yon Medea fr. 7 S.; Bom bringt er in
Zusammenhang mit Hercules und Euander fr. 3; fr. 4 S., der Sabiner
Kunst, den Willen der Götter zu erforschen, leitet er auf den Phryger
MegaJes zurück fr. 3. Diese Sucht, Italien als ein Kind Griechenlands,
Italiens Ciyilisation als ein Geschenk desselben zu betrachten, lag
in dem Zeitgeiste, der Bom im zweiten Jahrhundert beherrschte, doch
schmeichelte der Glaube an diese Entwickelung auch wohl dem
Nationalbe wusstsein des Antipater, der das Griechenblut in sich
noch fühlte. Das so begonnene Werk setzte Coelius bis in die histo-
rische Zeit fort, jedenfalls bis in die Anfänge des Ständekampfes,
und yon hier an war dasselbe, wie das Bellum Pnnicum, rhetorisch
gehalten (fr. 17 S., p. 92).
Des Coelius Eigenthümlichkeit, den gegebenen Stoff zu yerbrei-
tem, tritt auch bei den Historien zu Tage. Hatte Cato in 3 Büchern
die Urgeschichte yon Gesammtitalien (indusiye Bom) behandelt,
so that es Coelius in 5; und war Cato im ersten folgenden (yierten)
Buche bereits bis zum Ende des ersten punischen Krieges gelangt,
so war Coelius in zwei Büchern kaum bis zu den Decemyiren ge-
langt. Wie beim Bellum Funicum zeigt sich hier der Einfluss der
Schrift sofort dadurch, dass mit ihrem Erscheinen die auffallend
ausführliche Behandlung des yorliegenden Stoffes unter den Histo-
rikern sich mehrt, wie wir bereits p. 44 dargelegt haben* Cato hatte,
wie bemerkt, im yierten Buche den ersten punischen Krieg yoUendet;
Cassius Hemina im dritten; Piso im dritten oder yierten: bereits
Cn. Gellius aber gelangt im yierten Buche nur noch bis zur Ver-
treibung der Könige, ist im fünfrehnten erst am gallischen Brande
und Valerius Antias ist im dritten am Tode Numas. Wie yiel die
Historien des Coelius selbst in der Blüthezeit der römischen Litteratur
und später noch gelesen wurden, haben wir gleichfiedls p. 44 gezeigt.
Von glücklicheren Nachfolgern .ausgenützt und ausgeschrieben,
yielleicht auch nicht mit der anziehenden Frische yer^Eisst, wie seine
Jugendarbeit, das Bellum Funicum, — wer will es wissen? — haben
aber die Historien auf die Länge der Jahrhunderte nicht den Buhm
yor sich hergetragen, wie Coelius' erste SchrifL Fomponius Jnris-
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;Die Fragmente des L. Coeliua Aniipater. 79
consnlius kannte sie noch; von einem Mann wie diesem und in
dem Znsammenhange, in dem er die Bemerkung bringt, kann mit
^Coelius, qm historias conscripsit' nur die Schrift über die ältesten
Zeiten Roms, nicht der zweite pnnische Krieg gemeint worden sein.
Dann aber theilte sie das Schicksal so vieler andern und wurde yer-
schollen. Dass sie bald selbst dem Namen nach vergessen wurde,
daran war wesentlich ihr eigenthttmlicher Titel Schuld, ^Historien'
in der griechischen Bedeutung von * Forschungen'. Da dieser spftter
nur von der Geschichte der eigenen Zeit oder der unmittelbar vorher
gebraucht wurde, so konnte das Bellum Punicum gleichfalls mit
diesem Titel benannt worden un4 eriüelt' denselben auch nachweis-
lich reichlich. Eine Verwechslung war unter diesen umständen unaus-
bleiblich und von den -verhänfniäbvollst^n Folgen. Ins L^ben rufen
kennen wir die Historien des Coelius nicht mehr. Wenn es aber
unserer Schrift gelungen sein seilte, wenigstens die Thatsache ihrer
ehemaligen Existenz der Vergessenheit zu entreissen, so ist ihre
Hanptanfgabe erfüllt
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L. COELII ANTIPATBI
BELLI POENICI POSTERIORIS
RELLIQUIAB.
EX LIB. I.
1.
Cic. Or. 69, 229 (p. 36, l). Sed magnam exercitationem res
flagitat, ne quid eorum, qui genus hoc secuti non texLnerunt, siinile
faciamus, ne aut verba traiiciamas aperte, quo melius aut cadat aut toI-
vatur oratio, quod se L. Coelius Antipater in prooemio belli Punici nisi
necessario facturum negat 0 yirum simplioem, qui nihil nos oelet,
sapientem, qui serviendum necessitati putet Sed bic omnino mdis;
nobis autem in scribendo atque in dicendo necessitatis excusatio non
probatur. Nihil est enim neoesse et, si quid esset, id necesse tarnen
non erat confiterL Et hie quidem, qui hanc a Laelio, ad quem
scripsit, cui se purgat, yeniam petit, et utitur ea traiectione yerbo-
rum et nihilo tarnen aptius explefc concluditque sententias.
2.
Prise. Vm, p. 383 H. (p. 19, 4; p. 67). Coelius: Ex scriptis
eorum qui yeri arbitrantur.
3.
Prise. Xm, p. 8 H. (p. 21, 11). Coelius in I: Antequam Bareha
perierat, alii rei causa in Africam missus.
4.
Prise, vm, p. 399 H. (p, 20, 6). Coelius in I: Qui intellegunt
quae fiant, dissentiuntur.
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W. Sieglin: Die Fragmente des L. Coelias Antipater. 81
5.
Non. p. 508 M^ (p. 13, 12). Coelius annali libro I: Cum iure
sine periculo bellum geri poteratur.
6.
Kon. p. 280 M. (p. 13, 11). Coelius im annaliuin libro I: Legati
quo miasi sunt veniunt, dedicant mandata.
7.
Char.p. 143 K. (p. 15, 2). ^Saguntinorum' Coelius, ^Saguntinum'
Sallustius, ut Paulus in Coelii historia libro I notat.
8.
Prise. X p. 510 H. (p. 21, 9). Coelius in I: Qui cum is ita
foedus icistis.
9.
Prise. XUI, p. 8 H. (p. 21, 10). Coelius in I: Neque ipsi eos alii
modi esse atque Hamilcar dixit> ostendere possunt aliter.
10.
Cic. De div. 1, 24, 49 (p. 36, 3; p. 62 f.). Hoc item in Sileni,—
quem Coelius sequitur Graeca historia est; is autem diligentissime res
Hannibalis peraecutus est: Hannibalem, cum cepisset Saguntum, yisum
esse in somnis a loye in deorum concilium vocari. Quo cum venisset,
Jovem imperavisse, ut Italiae bellum inferret, ducemque ei unum
e conciüo datum, quo illum utentem cum exercitu progredi coepisse.
Tum ei ducem illum praecepisse, ne respiceret, ülum autem id diutius
&cere non potuisse, elatumque cupiditate respexisse: tum visam belu-
am yastam et immanem, circumplicatam serpentibus, quacunque in-
cederet, omnia arbusta, virgulta, tecta pervertere. Et eum admiratum
quaesisse de deo, quodnam illud esset talemonstrum: £t deum respon-
disse, yastitatem esse Italiae, praecepisseque ut pergeret protinus; quid
retro atque a tergo fieret, ne laborarei
11.
Char. p. 203 K (p. 15, 4). Coelius bistoriamm I: Sempronius^
Liljbaeo celocem in Africam mittit, yisere locum, ubi ezercitum^^^
ezponai
J^hrb. f. olut. PhUol. Suppl. Bd. XI. Digiti J^ by Google
82 Wilhelm Sieglin:
12.
Char. p. 203 E. (p. 16, 3). Coelins historianim I: Duodeciens
centena milia passuum longe.
13.
^ Liv. 21f 38, 6 (p. 71). Tanrini Oalliae prozima gens erat in
Italiam degresso (HaimSbdU). Id cum inter omnes constet, eo magis
miror ambigi, quanam Alpes transierit, et vulgo credere Poenino —
atqne inde nomen ei iugo Alpium inditum — transgressum, Coelium
per Cremonis iugom dicere tranaisse; qui ambo saltus eom non in
Taonnos aed per SalasBOs Montanes ad Libyoa (}aUoe deduzissent.
14.
Macrob. Excerpt. Bob. p. 651 E. (p. 23, 5). Coelins in I: ^Illia
facilins est bellmn tractare'; hoc est din trahere.
15.
^ Liv. 21, 46, 10 (p. 73). Servati consnlis [F, CameUi Sc^mnis in
prodio Ticmensi] decus Coelins ad servum natione Ligurem delegat.
Malim eqnidem de filio verum esse, qnod et plures tradidere anctores
et fama obtinnit.
16.
— Liv. 21, 47, 4 Coelins auctor est Magonem ßpost prodUim
TMnense] cnm eqnitatn et Hispanis peditibns flnmen extemplo
transnasse; ipsnm Hannibalem per snperiora Padi vada exercitum
tradnxisse elephantis in ordinem ad sustinendnm impetum fluminis
oppositis.
17.
--- Cie. De deor. nat. 2, 3, 8 (p. 38, 5). C. Plamininm Coelins religione
negleeta cecidisse apud Trasumennm scribit cnm magno rei pnblicae
vnlnere.
18.
^ Cic De div. 1, 35, 77 (p. 38, 6). Quid? Belle Punico secundo nonne
C. FlamiBius consiil itemm neglezit signa rernm fvtnzamm magna cum
elade rei publicae? Qui exercitu luatrato cnm Arretium veraus aigna
movisset et contra Hannibalem legiones duceret, et ipse et equua ^iuB
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Die Fragmente des L. Coelius Antipater. 83
ante signom lovis Statoris sine cansa repente concidit, nee eam rem
habnit religioni, obiecto signo, ut peritis videbatnr, ne committeret
proelinm. Item com tripudio anspicaretnr, pullarius diem proelii com-
mittendi differebat. Tum FlaminiuB ex eo quaesiTit, si ne postea
qxddem polli pascerentnr, quid fiEMdendnm censeiret. Cum ille qoie-
Bcendmn respondisset, FlaminioB : ^praeelara vero anspioia, si eetirienti-
boB pnllia res geri potent, saturis nihil geretnr'. Itaqne signa con-
Yelli et se seqni iussit. Quo tempore com signifer primi hastati signnm
non posset movere loco, nee quicqnam proficeretor, plnres cnm
aocederent, Flaminins re nnntiata suo more neglexit. Itaque tribus üs
horis concians exercitas atque ipse interfectus est. Magnum illud etiam,
quod addidit Coelins, eo tempore ipso, cum hoc calamitosum {Hroelium
fieret, tantos terrae motns in Lignribus, Oallia oomplnribusque in-
sulis totaque in Italia factos esse, ut multa oppida conruerint, multis
lods labes factae sint, terraeque desederint, fluminaque in contrarias
partes fluxerint atque in amnes mare influxerit.
!»• 637
LiT. 22, 31, 8. Ommum prope amiales Fabium d^tatorem ad-g^y
yersus Hamdbalom rem gessisse tradunt. Coelius etiam eum primum
a populo oreatum diotatorem scribit.
, 20.
Prise m, p. 98 H. (p. 18^ 1). Coelius in primo hi8toria-2ie
nun: Dextimos in dextris scuta iubet habere.
21.
Char. p. 217 K. (p. 16, 5). Coelius historiarum I: ^Commodum
est, satis yidetur'. Nee enim pro ^sufficienti', inquit Paulus, accipi
debet, sed pro 'pari' et 'aequo'.
22.
Non. p. 176 M. (p. 12, 9). Coelius annali libro I: Primum
male publico gratias singulatdm nominarL
23.
Char. p. 120 K. (p. 16, 7). *Dii' pro 'die' sive 'diei' Lucanus.
Paolis enim in
'labra dia somniqite pares ubi feeerit horas'
corruptom 'die' arguit, 'dii'que aut 'dies' potius legendum ease de-
fiiüt, idque in Coeli historia libro I eum disserere deprehendes.
6* edby Google
84 Wilhelm Sieglin:
EXLIB. IL
24.
|~ Gell. N. A. 10, 24, 6 (p. 22, 1). Suppetit etiam Coelianiim
illud ex Ubro historiarum secundo: Si vis mihi equitatom dare et
ipse com oetero exerdtu me soqui, diequiuti Bomae in Capitoliom
curabo tibi cena ait coeta.
25.
Prise. VI, p. 198 H. (p. 18, 2). Coelins: Nallae nationi tot,
tantas, tarn continnas victorias tarn breyi spatio datas arbitror quam
vobis.
26.
— Liy. 23, 6, 5. Postremo yindt [Capuae] sententia plariam, nt
idem legati, qui ad consulem Bomanum ierant, ad Hannibalem
mitterentur. Quo priasquam iretur ceirtuiaque defectioiiis consilium
esset, Bomam legatos missos a Gampanis in quibusdam annalibas in-
venio postulantes, ut alter consol Campanas fieret, si rem Bomanam
adiuyari vellent; indignatione orta snbmoveri a curia iussos esse
missumqne lictorem, qui ex urbe educeret eos atque eo die manere
extra finis Romanos iuberet Quia nimis compar Latinorum quon-
dam postulatio erat, Coeliusque et alii id haud sine causa praeter-
miserant scriptores, ponere pro certo sum veritus.
27.
Cap. De orthogr. p. 100 K. (p. 23, 6), ^Calva' Kpdviov Tocatur,
licet Coelius et Yarro ^calvariam' dicant.
Char. p. 54 K. (p. 14, 1). ^uoerum' enim Coelius dixit
EX LIB. m.
29.
^ GeU. N. A. 10, 1, 3 (p. 22, 2; p. 61). 'Tertio' et 'quarto
^^^consul' non ^tertium quartum'que, idque in principio libri m Coelium
scripsisse.
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Die Fragmente des L. Coelius Antipater. 85
30.
Prise. YlLl, p. 386 H. (p. 19, 5). Lucius Coelius: Ubi senatusö.«
intellexit populum depeculari.
31.
Non. p* 98 M. (p. 10, 5). Coelius annali libro III: Imperator
conclamat de medio, ut yelites in sinistro comu removeantur, Gallis
non dubitatim inmittantur.
EX LIB. im.
32.
Liv. 26, 11, 8 Inde [a TtUia flumine Hannibäl] ad lucum51?
Feroniae pergit ire, templum ea tempestate indutum divitüs. Cape-
nates aliique, qui accolae eius erant, primitias frugum eo donaque
alia pro copia portantes multo auro argentoque id exomatum
habebant. lis omnibus donis tum spoliatum templum. Aens acervi,
cum rudera milites religione inducti iacerent, post profectionem Han-
nibaHs magni inventL Huius populatio templi hatid dubia inter
scriptores est. Coelius Bomam euntem ab Ereto devertisse eo Han-
nibalem tradit, iterque eius ab Beate Cutilüsque et ab Amitemo
orditur: ex Campania in Samnium, inde in Paelignos peirenisse,
praeterque oppidum Sulmonem in Marrucinos transisse, inde Albensi
agro in Marsos, hino Amitemum Forulosque yicum venisse.
33.
Non. p. 108 M. (p. 12, 7; p. 14). Coelius Annali libro IIII: ßes^
publica amissa exfundato pulcherrimo oppido.
34.
Prise. Vim, p. 484 H. (p. 20, 8; p. 49). CoeHus in IIH:
Custodibt» diQcessis multi interficiuntur.
EX LEB. V.
35.
Non. p. 206 M. (p. 13, 10; p. öl). Coelius annali libro V:
Ad aliquam huic bello finem facere.
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86 Wilhelm Sieglin:
36.
-— Liy. 27, 27, 11 (p. 74). Mors Marcelli cum alioqui miserabilis fuit,
tum qaod nee pro aetate — maior enim iam sexaginta annis erat —
neque pro veteris prudentia ducis tarn improvide se conlegamqne et
prope totam rempublicam in praeceps dederat Mnltos circa unam
rem ambitus fecerim, si, quae de Marcelli morte variant auctores,
omnia exequi velim. üt omittam aHos, Coelins triplicem gestae rei
originem edit: xmam traditam ÜEuna, alteram scriptam landatione
filii, qni rei gestae interfaerit, tertiam quam ipse pro inqtiisita ac
Bibi comperta adfert Ceterom ita fama variat, nt tarnen pleriqne
loci speculandi causa castris egresstun, omnes insidiis Gircumyentum
tradant
37.
— Liy. 28, 46, 14. Eisdem diebus nayes onerariae Poenorom ad
octoginta circa Sardiniam ab Cn. Octayio, qui proyinciae praeerat,
captae. Captas eas Coelius frumento misso ad Hannibalem conune-
atuque onnstas, Valerins praedam Etmscam Liguromqne et Monta-
norum captiyos Carthaginem portantis tradii
38.
— - Cic. De diy. 1, 24, 48 (p. 36, 2). Hannibalem Coelius scribit, cum
columnam auream, quae esset in fano lunonis Laciniae, auferre yellet,
dubitaretque, utrum ea solida esset an extrinsecus inaurata, per-
terebrayiflse, cumque solidam inyenisset, statuisse tollere; ei secnndum
quietem yisam esse lunonem praedicere, ne id faceret, minarique, si
fecisset, se curaturam, ut eum quoque ooulum, quo bene videret,
amitteret; idque ab homine acute non esse neglectum. Itaque ex eo
auro, quod exterebratum esset, baculam curasse fadendam et eam in
summa columna conlocayisse.
39.
Prise. VI, p. 226 H. (p. 18, 3; p, 50). Coelius in V: Nullius
alius rei nisi amicitiae eorum causa.
40.
Prise. Vm, p. 432 H. (p. 20, 7). Coelius in V: Mörbosum
factum, ut ea quae oportuerint, fsusta non sint.
EX' LIB. VI.
41.
Non. p. 157 M. (p. 12, 8). Coelius amiali libro VI: Consulto
non pauciens arcessitum.
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Die Fragmente des L. Coelins Anidpater. 87
42.
Liv. 29, 26, 1 (p. 59; p. 75). QnaAtum militmn in Africam [a P.^
Scipione] transportatnm sit, non parvo numero inter aoctores diadrepat.
Alibi decem millia peditum duo millia et dueentos equites, alibi sedeoim
millia peditum mille et sexcentos equites, alibi parte plns dimidia
rem auctam, quinqne et triginta millia peditnm equitumque in naves
imposita invenio. Qnidam non adiecere nnmemm, inter qnos me ipse
in re dubia poni malim. Coelius ut abstinet numero, ita ad immen-
snm multitadinis speciem anget: volucres ad terram delapsas clamore
militom ait, atqne tantam mnltitndinem ooneoendisse naves, nt nemo
mortalium aut in Italia ant in Sicilia relinqni videretur.
43.
Liv. 29, 27, 14 (p. 58; p. 61). Prosperam navigationem [P.Scipio-—
ms tn Africam] sine terrore ac tmnnltn fmsse permultis Graecis Latinis-^^^
qae anctoribns credidi. Coelins praeterquam quod non mersas fluctibus
naves, ceteros onmes caelestis maritimosque terrores, postremo ab-
reptam tempestate ab Africa classem ad insulam Aegimumm^ inde
aegre correctnm cnrsum exponit, et prope obrutis navibns iniussn
imperatoris scaphis, band secus quam naufragos, milites sine armis
cum ingenti tomnltu in terram evasisse.
44.
Non. p. 137 M. (p. 11, 6). Coelius annali libro VI: Omnes simul—
terram cum cla38i accedunt^ navibus atque scaphis egrediuntur,
castra metati Signa statuuAt.
45.
Liv. 29; 35, 2. Duos eodem nomine [Hannonis] Cartbaginien-—
siom duces duobus equestribus proelüs [ad Salaecam urbemj inter-
fectos non onmes auctores sunt, veriti, credo, ne falleret bis relata
eadem res. Coelius quidem et Yalerias captum etiam et Hannonem
tradunt.
EX LIB. VII.
46.
NoB. p. 29 M« (p. 8; 1). CoeUoB amiaU: Ipse cum cetera copia!^
pedetemptim aequitur«
47.
NoB. p.B9 M. (p. 9, 3). Coelius annali libro VII: Ipse regis eminus^
equo ferit pectus advorsum, congenuculat percussus, deiicit dominum. ^^
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88 Wilhelm Bieglin:
48.
Non. p. 508 M. (p. 13, IB). Coalias annali libro YII: Duos
et septuaginta lictoris domom deportavisse fwois, qoi dpctoribus
hostiiini ante soluerint fem.
mCERTAE 8EDIS PRAGMENTUM.
49.
Char. p. 220 E. (p. 16, 6), ^Snbinde' Nepos de illustribus
viris II, sed et Brutus et Coelius frequenter eo usi sunt.
L. COELH ANTIPATRI
HISTOßlARUM RELLIQüIAE.
EX LIB. L
1.
Serv. ad Aen. 4, 206 (p. 27, 2). Coeliufl : Maurusü qui iuxta Ooea*
num colunt.
Plin. N. H. 2, 67, 169 (p. 24, 1). Hanno Carthaginis potentia
florente circumvectus a Gadibus ad finem Arabiae navigationem eam
prodidit scripto, siout ad eiztera Eioropae noscenda missus eodem
tempore Himilco. Praeterea Nepos Cornelius auctor e^t^ Eudoxum
quendam sua aetate, cum Lathjrum regem fugeret, Arabico sinu
egressum Gades usque pervectum, multoque ante eum Coelius Anti-
pater vidisse se qui navigasset ex Hispania in Aethiopiam commerci
gratia.
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Die Fragmente des L. GoeUus Antipater. 89
3.
Soliiu 1; 7, p. 7 M. (p. 32, 2). Cacus habitavit locum, cui Salinae
Bomen est: ubi Trigemina nunc porta. Hie, ut Coelins tradit, cum a
TajTchone Tyrrheno, ad quem legatus venerat, missu Marsyae regis
socio Megale Phryge, custodiae foret datus, frustratns vincula et unde
Yenerat redux praesidiis amplioribus occupato circa Yoltumum et
Campaniam regno, dum attrectare etiam ea audet^ quae concesserant
in Arcadum iura, duce Hercule qui tunc foi*te aderat, oppressus est.
Megalen Sabini receperunt disciplinam augurandi ab eo doctL Suo
quoque numini idem Hercules instituit aram, quae maxima apud
ponldfices habetur^ cum se ex Nicostrate, Euandri matre, quae a vati-
cinio Carmentis dicta est^ immortalem comperisset. Consaeptum etiam
intra quod ritus sacrorum factis bovicidiis docuit Potitios, sacellum
Herculi in Boario foro est, in quo argumenta et convivü et maiestatis
ipsius remanent.
Strabo 5,3,3,p.230C.(p.33). Aöxti jLifev oöv f] jnaXicxa mcrevoiiivr]
TiicTuijLitic KTicic dcriv. fiXXti bi Tic irpoT^pa Kai jüiuGuübric 'ApKabiicf|V
XeTOuci T€v^c0ai Tf|V ÄTToiKiav ött' Gödvbpou. toutiu b* iTTiHevujOiivai
TÖv 'HpaxXea dXaiivovra idc ftipuövou ßoOc. ttu0Ö|li€Vov bi, ttic
^^Tpöc NiKOCTpdTTic Tov Guavbpov (elvai b* airrf|V jnavTiKfic f iLiireipov)
6ti tä 'HpaKXeT Treirpuifi^vov fjv leXecavTi touc fiOXouc 0€1|j T€v^c9ai,
q>päcai b^ TTpdc töv* HpaKX^a raOra Kai T^jiievoc dvab€i2ai xai eOcai
euciav 'eXXriviKyiv, f)V Kai vOv ?ti q)uXdTT€C0ai tä 'HpaKXei. Kai
6 je KoiXioc, 6 tujv Twjiaiujv cuTTpa^pcuc, toOto TiGexai crmeiov
ToO *6XXtiviKdv elvai KTiciiia Tf|v *Pu)|üitiv, tö irap* aurfl -rfiv ird-
Tpiov Buciav 'eXXtiviKov elvai t^ 'HpaKXei. Kai rfjv jüinT^pa bk toO
€udvbpou njüidlci Tuj^aToi, jiiav rdiv vü|üi<p(Iiv vofAicavTec, Kapjüt^VTiiv
M6Tovo|iacd€icav.
EX LIB. m.
5.
Plin. N. H. 3, 19, 132 (p. 24, 2). Alpes in longitudmem du-
centa quinquaginta milia passuum patere a supero mari ad inferum
Coelius tradit, Timagines viginti quinque milibus passuum deductis;
in latitudinem autem Cornelius Nepos centum milia; T. Livius tria
milia stadiorum, uterque diversis in locis.
6.
Serv. ad Georg. 1, 77 (p. 30, 8). Dicit [Vergüius] frumenta
seienda non esse; nam licet manu legantur et sint inter legnmina:
viribus tarnen fhuaentis exaequantur. Coelius libro tertio seri avenam
ostendit.
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90 Wilhelm Sieglin:
EX LIB. IV.
7.
Solin. 2, 28, p. 42 M. (p. 32, 1). Coelius Aeetae tres filias dicit,
Angitiam, Medeam, Circen. Circen Circeios insedisse montes, carmi-
num maleficüs varias imaginum facies mentientem; Angitiam yicina
Fucino occupayisse ibique salubri scientia adversus morbos resisten-
tem, cum dedisset homines vivere, deam habitam; Medeam ab lasone
Buthroti sepultam filiamqne eins Marsis imperasse.
8.
Quint. 1, 5, 61 (p. 34, l). Apud Coelium legimus ^Pelia cin-
cinnatos'.
EX LIB. V.
9.
Serv. ad Aen. 10, 145 (p. 29, 6). Coelius Troianum Capyn
condidisse Capuam tradidit, eumque fuisse Aeneae sobrinimu
10.
Serv. ad Aen. 6, 9 (p. 29, 4). Coelius de Cumano Apolline ait: Est
in fano Signum Apollinis ligneum altum non minus pedes quindecim.
11.
Plin. N. H. 31, 2, 21 (p. 25, 3). Coelius apud nos [iradü]
in Avemo etiam folia subsidere; Yarro aves, quae adyolayerint, emori.
12.
Serv. ad Georg. 2, 197 (p. 30, 6). Saturi locus iuxta Tarentum,
quem Coelius in quinto libro Historiarum dicit uomen accepisse a
Satura puella, quam Neptunus compressit
13.
Serv. ad Aen. 3, 402 (p. 26, l). Hie illa ducis Meliboei parva
Philoctetae subnixa Petelia muro.] Multi ita intelligunt, non Thi-
loctetae Petelia', sed Thiloctetae muro'; nam ait Oato a Philocteta
condita iam pridem civitate murum tantum factum. Alii ^subnixam'
ideo accipiunt, quia imposita est excelso muro, ut CoeUus histo-
ricus ait.
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Die Fragmente des L. CoeUas Antipater. 91
EX LIB. VIL
U.
Cic De div. 1, 26, 56 (p. 37, 4). Oinnes hoc historici, Fabii, Gellii,^
sed proxume Coelios: Cum bello Latino ludi votivi maximi primuin
fierent, civitas ad arma repente est excitata; itaqae ludis intermissis
instatiratiYi constitati sunt. Qtii antequam fierent, comque iam populus
coneedisset, serrüs per circum cum virgis caederetnr^ forcam ferens
dactns est. Exin cuidam rustico Romano dormienti yisus est venire
qui diceret, praesulem sibi non placnisse ludis, idque ab eodem iussnm
esse, eum senatai nimtiare; illiun non esse ausum. Iterom esse idem
iussnm et monitum, ne vim suam experiri vellet; ne tum quidem eum
ausum. Exin filium eins esse mortuum, eandem in somnis admoni-
tionem fnisse tertiam. Tum illum etiam debilem feu^tum rem ad
amicos detulisse, quorum de sententia lecticula in curiam esse dela-
tum, cumque senatui somnium enarravisset, pedibus suis salvum do-
mum revertisse. Itaque somnio comprobato a senatu Indes illos
iterum instauratos memoriae proditum est. C. vero Gracchus multis
dixit, ut scriptum apud eundem Coelium est, sibi in somnis quaestu-
ram petere diMtanH et vUam tranguiMam guaermü Tiberium fratrem
Visum esse dicere, quam yellet cunotaretur^ tamen eodem sibi leto,
quo ipse interisset, esse pereundum. Hoc antequam tribunus plebi
C. Gracchus factus esset, et se audisse scribit Coelius et dixisse
multis.
15.
264
Sery. ad Aen. 4, 390 (p. 27, 3; p. 42). Coelius historiarum:—
Delinquere frumentum, Satricum hostes tenere.
16.
Philar. ad Georg. 2, 345 (p. 31, 9; p. 42). Coelius in VII:
Consuetudine uxoris, indulgitate liberum.
17.
Festus 8. T. topper, p. 352 M. (p. 41). Coelius lib. VII: ita uti si
se quisque vobis studeat aemulari in statu reipublicae, eadem re gesta
topper nihilo minore negotio acto, gratia minor esset.
INCEBTAB SEDIS FRAGMENTA.
18.
SchoL Veron. ad Aen. 5, 251 (p. 30, 7). Lucretius in II: Iam
tibi barbaricae yestes meliboeaque f ulgens Purpura. Coelius : Mean ....
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92 Wilhelm Sieglin: Die Fragmente des L. Goelius Antipater.
factum Meandro duplici. . . . lana est qualis. a Melibea. . . . ut yelum ....
Sic alius enm errantem, alias luden temdicit. An potius dno opera
Meandri in chlamye^ texta? Placet hoc magis.
19.
Anon. de dub. nom., p. 590 E. (p. 34, 4). Salientes aquarom
generis neiasculini, ut Coelius ^perpetuum salientem'.
20.
Quini 1, 6, 42 (p. 35, 2). ^Parricidatum', quod in Coelio vix
tolerabile yidetur.
21.
Fest, p, 181 (p. 42). Cöc]lius historiarum ßibro cowci/tantur
ocissime.
Berichtigungen.
S. 24, Z. 10 y. u. lies müibus statt milia,
S. 31, Z. 5 y. n. lies 4 Söhne statt 3 Söhne.
S. 33, Z. 15 y. o. lies aÜTiP|v statt aÖTÖv.
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UEBER DEN GALLISCHEN BRAND.
EINE QÜELLENERITISCHE SKIZZE ZUR AELTEREN
ROEMISCHEN GESCHICHTE
GEORG THOURET.
DB. PHIL.
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Dass Bom OL 98, 1 oder 98, 2, nach Niebuhr*) OL 99, 3, oder
endlich, wie TJnger will^, OL 99, 4 von einem keltischen Stamme be-
setzt worden ist, kann als eine unzweifelhafte Thatsache bezeichnet
werden. Nicht so steht es meiner Ansicht nach mit dem „Gallischen
Brande''. Einnahme und Brand darf man aber auseinanderhalten:
deim nach den übereinstimmenden Zeugnissen des Alterthums ist Bom
nicht im Sturm erobert, sondern ohne irgendwelchen Widerstand
den Kelten überlassen worden. Folgerichtig wird daher die Zerstö-
rung der Stadt nicht als die natürliche Consequenz der Einnahme,
sondern als ein mit Tollem Bewusstsein ausgeführter Bacheakt dar-
gestellt
Heutzutage wird Niemand mehr die Utere und älteste römische
Geschichte gerade wegen des gallischen Brandes in Zweifel ziehen.')
Da das Eapitol jedenfalls stehen geblieben ist, so darf man mit Becht
annehmen, dass ein Theil der wichtigsten Urkunden der Vernichtung
entging. Weniger überzeugend ist es, wenn man geltend macht, dass
die Bömer vollkommen Zeit gehabt hätten, nicht nur Lebensmittel
und Kostbarkeiten^), sondern auch die werthvollsten öffenttichen
Denkmäler und schriftlichen Aufzeichnungen auf die Burg zu retten.
Die Gallier besetzen zwar erst am vierten Tage nach der Schlacht
an der AUia^) die Stadt, aber nach dem detaillirten Bericht Dio-
dors^ yerweüen sie nur einen Tag auf dem Schlachtfelde und
lagern den zweiten und dritten über bereits vor den Thoren. Dass
dabei an ein überlegtes Bettungswerk kaum mehr zu denken war,
scheint mir auf der Hand zu liegen«'')
Nun wird Jeder zugeben, dass die gallische Verwüstung weder
in der Gesdhichte noch in dem Gedächtniss der Bömer eine grosse
Bolle gespielt hat. Die E[atastrophe geht zwar nicht spurlos an der
politischen Machtstellung Boms vorüber, aber mit Becht hat man
sich stets über die unglaublich schnelle Erholung des Staates ge-
wundert
>) B. G. n S. 684. — *) S.-B. der Münch. Ak. 1876 Heft V S. 66« ff. —
*) Ich verweise hier auf Bröckers Unters, üb. d. Glaubwürd. der altrOm.
Gesch. Basel 1866. Kap. 1. — *) Weiter wiid nach Liv. V 39, 10 u. Diod.
XIV 116, 4 Nichts gerettet. — ») Pol. H 18 u. Diod. XIV 116, 6. — «) XIV
115, 5. — ^ Einen andern Auswe^^ schlägt H. Peter vor. Er läast (rell.
^pnA, p. XXAVn) wie Manlios Capit. so mehrere andere vornehme Bömer
(vor allen die Fabii) auf dem Eapitol wohnen , um die „tablina^zu retten.
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96 Georg Thouret:
Auf der andern Seite ist es bekannt, dass noch die Schriftsteller
der ersten Eaiserzeit das Vorhandensein der Originalurkunden einiger
Verträge aus der Königszeit und der nächstfolgenden Epoche der
Republik bezeugen^), und dass sich dem allgemeinen Glauben nach
in Rom Eunstdenkmäler erhalten haben, deren Beziehung auf Per-
sonen oder Ereignisse lange vor der gallischen Verwüstung unzweifel-
haft ist.^) Wir dürfen uns füglich wundem, wie Dergleichen die
Zerstörung der Stadt überdauern konnte. JedenÜEkUs ist zu consta-
tiren, dass die Schriftsteller bei keiner Urkunde, bei keinem Denk-
mal bemerken, dass es trotz des Brandes unversehrt blieb. Nur
Eins wird ausdrücklich als ^gerettet* bezeichnet, nämlich — der
Erummstab des Bomulus.^^) Die litterarischen Denkmäler bleiben
besser bei Seite. Jedoch halte ich es der Erwähnung werth, dass
Cicero offenbar nicht an eine Unterbrechung der annales maximi
durch den gallischen Brand gedacht hat.^^) Dieser hat also in dem
Gedächtniss der Nachwelt nicht die Stelle, welche man erwarten
dürfte. Um hiefür noch ein Beispiel anzuführen, welches sich auf
topographische Verhältnisse bezieht, so wollte Varro noch in dem
Bom seiner Zeit Spuren der Satumischen Stadt entdecken.^*)
Ebensowenig aber sagen die Schriftsteller in bestimmten Wor-
ten, was eigentlich vernichtet wurde. Die bekannten Worte des Li-
vius VI 1, 2, *dass der grösste Theil' der schriftlichen Aufeeich-
nungen zu Grunde gegangen sei, besagen wegen ihrer Allgemeinheit
nichts, ebensowenig das Zeugniss eines gewissen Clodius, welches
uns Plutarch (Numa c. 1) erhalten hat. Bestimmtere Angaben aber
suchen wir vergebens. So sieht z. B. die Thatsache fest, dass die
zwölf Tafeln zu der Zeit, als die Historiker schrieben, nicht mehr
vorhanden waren*'), über den Verbleib derselben aber schweigt die
Ueberlieferung vollständig.**) Waren die Gesetze in Erz gegraben
und standen die Tafeln auf dem Comitium*^), so ist die allgemeine
Annahme, dass die Gallier sie — da Erz Geld war — als will-
konmiene Beute mitfoi^tnahmen*^, ausserordentlich naheliegend. Frei-
lich wird damit zugleich die Ansicht sehr problematisch, dass die
«) Vgl. SchwgL I 8. 18 ff. — •) Schwgl. I 8. M. — »«) Cio. de däv.
I 17, 30; Fast. Praen. a. d. Z KaL Apr. (G. I. L. I p. 815); Dien. XIV
fr. 5; Plut. Cam. 82. — »») Vgl. de orat. II 12, 62: Erat enim hiatoria
nihil aliud nisi annalium confecüo; cuius rei memoriaeqne pnblicae reü-
nendae causa ab initio rerum Bomanarum usque ad F. Mucium ponti-
ficem mazimum res omnes singulomm annorum mandabat litteris ponti-
fex mazimus ; ei, qui etiam nunc annales maximi nominantor.
VgL auch de rep. II 15, 28; de rep. I 16, 25 ist kein Gegenbeweis. —
") De L 1. V 5, 42 M. p. 16. — ") VgL SchwgL I 8. 20. — ") Vgl.
Becker Top. S. 27 u. A. 48. Die einzige mir bekannte Stelle in Besag
hierauf ist Macrob. Sat. III 17, 8 (ed. lanna). — >') Dion. X 57 extr. Diod.
XII 26. — *•) Vgl. SchwgL I S. 21; Becker Top. S. 27 A 43 urtheilt
etwas anders, jedoch hegt auch er entschiedenen Zweifel, ob die Tafeln
die Verwüstung der Stadt überdauern konnten.
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üeber den gaUisohen Brand. 97
Römer Kaltblütigkeit genug bewahrt hätten, die wichtigsten Ur-
kunden auf das Eapitol zu retten.
Somit hoffe ich die Berechtigung eines Zweifels an dem Faktum
des gallischen Brandes überhaupt zugestanden zu erhalten. Es wäre
nun freilich wahrhaft verwegen , beweisen zu wollen, dass Rom
nicht zerstört worden isi Aber, woher wissen wir überhaupt vom
gallischen Brande? Das Ilauptkriterium für denselben lässt ims im
Stich. Ich meine, sagten die stolzen Worte des Livius (VI 1, 3):
clariora deinceps certioraque ab secunda origine velut a stirpibus
laetius feraciusque renatae urbis gesta domi militiaeque exponentur
die Walurheit, dann hätte die Tradition einen gewichtigen inneren
Grund für sich. Aber es ist eine einfache Thatsache, dass die Ge-
schichte des folgenden Jahrhunderts ebenso getrübt, ebenso ver-
fälscht, ja fast noch dunkler ist als die der früheren. Dieses innere
Kriterium fehlt dem gallischen Brande. Wir wissen also von ihm
nur aus den Berichten der Schriftsteller. Man wird es daher nicht
verwegen nennen, wenn ich die Frage auf werfe: Wie steht es denn
eigentlich mit diesen Berichten? Ich bin zu der Ueberzeugung ge-
kommen^ dass dieselben, wenn man sie fest anpackt, zusammen-
stürzen. Von allem Andern sehe ich ab: meine Aufgabe besteht
einzig und allein in dem Nachweise, dass wir nach Lage der
Quellen berechtigt sind, den sogenannten gallischen Brand und die
Zerstörung Roms überhaupt aus der Geschichte zu streichen. Dass
ich einen schweren Stand haben werde, weiss ich sehr wohl. Kein
Anderer als Niebuhr ist es, der einmal sagt: *Dass Rom eingeäschert
wurde ^ ist gewiss'.*'')
Die Untersuchung wird folgenden Gang nehmen:
1« werde ich den Nachweis versuchen, dass die älteste und beste
Quelle noch nichts vom gallischen Brande weiss;
2. werde ich die vorhandenen Berichte Punkt für Punkt durch-
gehen, ihre innere ünwahrscheinlichkeit und ihre Unvereinbar-
keit mit der ältesten Quelle darlegen;
3. werde ich den Grund des Widerspruchs auf eine gänzlich ver-
schiedene Auffassung des geschichtlichen Vorgangs Seitens der
Quellen zurückführen;
4. will ich versuchen, den Gang der Tradition klarzustellen und
den Punkt zu bezeichnen, wo die Bildung der Vulgata an-
setzte,
5. werde ich das gewonnene Resultat anderweitig zu stützen suchen,
und endlich
6. anhangsweise die Quellenfrage erörtern.
") Vortr. üb. R. G. I S. 882. Die SkepsiB von Lewis stützt sich
nicht eum kleinsten Theil auf die römische Tradition, dass der grÖBste
Theil der geschichüichen Aufzeichnungen im gaUisohen Brande zu Grunde
ging. Er zieht mit unerbittlicher Strenge die Consequenzen daraus. Vgl.
die üebers. v. Liebrecht. 2. Aufl. 1868. I S. 161.
Jahrb. 1 elMt. FhUoL Sappl. Bd. XL "^ r^ T
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98 Georg Thonrei:
I.
Folybiiis.
Vorbemerkung.
Wäre es richtig, was C. Peter in seiner Bömischen Geschichte
(I S. 190) sagt, Mass die Yerbreijnmig Borns durch die Gallier das
erste Ereigniss der römischen Geschichte gewesen sei, von dem die
Griechen Kunde bekommen, und dass derselben von den nur wenig
späteren Schriftstellern Heraklides von Pontus und Aristoteles ge-
dacht worden sei', — wäre dies richtig, so stünde es um mein Unter-
nehmen sehr schlimm. Die betreffenden Zeugnisse — es sind drei ■ —
lauten aber folgendermassen:
Plin. n. h. III 9, 57: Theopompus, ante quem nemo mentio-
nem habuit, urbem dumtaxat a GaUis captam dicit etc.
Plut Cam. 22 'HpttKXelbric t^p 6 TTovtiköc ou ttoXu täv
Xpövwv iKcivwv u7ToX€i7TÖ|ui€Voc iv TÄ TTcpl ipuxnc c\rffßa}xpiaTl
<pT]Civ .... übe CTpttTÖc ii TTrcpßop^wv dXGujv ßuj6€V f|pr|KOi
TTÖXiv *6XXiiviba Tübjuiiiv Kti
Plut. ib. *ApicTOT^XT]C bk 6 <piX6co(poc TÖ jLi^v dXujvai -rfiv
TTÖXiv UTTÖ KcXtwv dKpißiöc b^Xöc IcTiv äkiikouic, töv hl cdicavTa
AeuKiov elvai (priciv* Man wird einräumen, dass in allen drei Stellen
nichts von einer Verwüstung steht, und dass Rom von den Kelten
eingenommen worden ist, leugne ich nicht. Natürlich bin ich weit
entfernt, die angeführten Stellen für mich verwerthen zu wollen.
Man könnte mit Recht einwenden, dass für die Griechen die Er-
oberung Roms wichtiger war als die Zerstörung.*®) Ich wiD mir
aber den Rücken gegen diese Stellen decken: sie sagen nichts gegen
meine Ansicht.
Nach dieser Vorbemerkung gehe ich zu
Polybius
über, der nach der (bisher) allgemein gültigen Ansicht die älteste
und Iseste Quelle für die gallischen Kriege ist.
Polybius spricht an drei Stellen von der Einnahme Roms durch
die Gallier, an einer vierten thut er derselben beiläufig Erwähnung.
Da diese Stellen die Grundlage der ganzen vorliegenden Arbeit bil-
den, so setze ich sie vollständig her, obwohl sie natürlich höchst be-
kannt sind:
I 6 iTOCJxkV OÖV iV€lCTllK€l |Ll€Td T^IV ^V AltÖC TT0Ta|Ll0Tc VttU-
jLiaxiav dweaKaib^KttTov iv & faXarai (bk) Kaid Kpd-
'") Eb ist sehr zu bedauern, dass wir nicht deutlich erkennen kön-
nen, was Memnon in seinem vorzüglichen Geschichtswerk eigentlich über
die Einnahme Roms gesagt hat. Im Excerpte des Photius heisst eine
Stelle (üb. Xm fr. 25, 2, Müller fr. bist. Gr. III p. 688): öimic bi öirö
faXariöv Tuj|id!oi i^rrfiOncav xal 1\\\u dv ^j iröXic, €l |Lif| Kd^iXXoc ^i-
ßor)Oi^cac Tf)v iröXiv tppOcaro. Müller warnt mit Recht vor voreiligen
Schlüssen bei der Knappheit des Ausdrucks.
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üeber den gallischen Brand. 99
Toc ^X6vT€C aÖTf|v Tf|v *Pi&|iiiv KatcTxov TrXf|V toO KaTre-
tujXiou. irpöc oOc iTOiiicdjucvoi Tiu|uiaToi CTrovbdc Kai bioXuceic
euboKOUfi^vac faXdiaic kqI t€v6jli€Voi irdXiv dveXiriCTUJC xflc
iraTpiboc it^paTcTc xai Xaß6vT€c olov dpxfjv rflc cuvauE/jceiüc,
iiroX^lLiouv iv ToTc i&\c xpövoic rrpöc Toiic dcTUTcltovac.
II 18 Tdc jifev oöv dpxdc oö ^6vov ttic x^^^pac direKpdiouv,
dXXd Ktti Tujv cöveYT^c ttoXXouc ötttiköouc diretroiTivro .... |üi€Td
bi Tiva xpdvov jmdxq viKificavTCC Tu)^a(ouc kqi touc |i€Td toötujv
7rapaTa£o|Li^vouc, ^iröiiievoi toic qjeütouci xpici Tf]c indxTic fm^paic
öcTcpov KttT^cxov auTfjv Tf|V 'Pul^l^v trXfjv ToO KaTr€TU)Xiou.
Tevojüi^vou b' dvnctrdc|uiaToc Ka\ toiv Oöcv^tiüv IjißaXövruiv clc
Tfjv x^pav aÖTÄv, t6t€ ji^v tronicdjuicvoi cuv6l^Kac.trpöc Ttüjialouc
Kttl Tf|v TTÖXiv dTTobövTCC i7TavfiX0ov clc Tfiv okciav Kid.
ibid. trapaT€VO|Li^vu)v bk irdXiv tiSv KcXtuiv de *'AXßav CTpa-
TCU^OTl |Ll€TdXlü ^€Td xfjV tflc TTÖXciliC KtttdXnVlV It€1 ipitt-
KOCrtf^ KTi
U 22 (Die Boier und Insubrer fordern die transalpinischen
Gallier zum Kampf gegen Rom auf) — dva|LiijLiviricKOVT€C (bk) liic
TLÜV ibiuiV TTpOTÖVlüV TTpdgeUIC aÖTOtJC, iv 5 ^K€lVOl CTpaT€iicavT€C
oö jLiövov Ivtiaicav ^ax6|i€V0l 'Puiindouc, dXXd Ka\ jüictd Tfiv ^dxnv
ii icpöbou KttT^cxov aörfjv Tf|V 'Pi&jutiv, T€v6)üievoi bk xal tül»v öirap-
XÖVTUJV dirdvTUJV ItKpaTeTc Kai ttic tröXeiüc autf^c iixrä |üif]VOC
Kupi€ÜcavT€c, T^oc IOcXovtI Ka\ |Li€Td xdpiToc trapaböv-
T€C Tf|v tröXiv, dOpaucToi Ka\ dciveic ?xovt€C t^iv dxp^Xeiav elc
xfjv oiKciav iTravf^XOov.
Ich constatire zunächst die Thatsache, dass Polybius mit keiner
Silbe von einem Brande oder einer Zerstörung spricht.^^ Im Gegen-
theü, er sagt zweimal: tf\v ttöXiv d7To(Trapa)b6vT€C. Diese That-
sache ist ausserordentlich auffallend. Nur zwei Erklärungen sind
möglich: entweder fand Polybius in seiner Quelle nichts von einer
Verwüstung, oder er überging dieselbe, üeberging er sie, so wollte
er entweder die vulgäre Tradition zurückweisen, oder er hielt die
Erwähnung nicht für nöthig. Denn den Gedanken, dass er dieses
für das römische Gefühl so schmerzliche Ereigniss aus Zartgefühl
oder dergl. nicht berühren wollte, wird wohl Niemand ernstlich in
Erwägung ziehen, da er ja die vollständige Niederlage der römi-
schen Waffen mit dürren Worten einräumt,
Polybius giebt die Vorgeschichte der gallischen Kriege in grossen
Zügen, im Besum6. Man könnte also sagen, in einem so ausser-
ordentlich knappen Abriss des gewaltigen Kampfes zweier Nationen
^') Seit Brock er (S. 22 a. a. 0.) scheint man dies faktisch ver-
gmen zn haben. Bröcker aber verbaute sich selbst den Weg durch
■eine merkwürdige und man muss sagen unmethodische Ünterschätzung
des Polybius (vgl. z. B. a. a. 0. S. 119 ff.). Lewis dagegen hat in seiner
E[ritik des Bröcker'schen Werkes (II S. 454 ff) den schwerwiegendsten Pankt
— das Schweigen des Polybius — übersehen.
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100 Georg Thouret:
sei es erklärlich, dass Polybius die Zerstörung der Stadt überging.
Indessen ist fesizuhalten, dass er die Oeschichte der gallisclien In-
vasionen durchaus vom römischen Standpunkte aus schreibt Nun
ist nicht sowohl die Einnahme der Stadt — da die Feinde wieder
abziehen — , als vielmehr die Zerstörung derselben für den römi-
schen Staat die Hauptsache, der im Wesentlichen weiter Nichts als
Rom war.
Polybius stimmt genau mit der gesammten IJeberlieferung da-
rin überein, dass die Römer sofort nach dem Abzüge der Kelten in
schwere Kriege mit den umwohnenden Italikem verwickelt werden.
Er hat das volle Bewusstsein von der Bedeutung der gallischen Kata-
strophe, denn er sagt 16; Kai tevöjaevoi irdXiv dveXiriCTUJC Tf\c
TTttTpiöoc ^tTcpaieic Kai XaßövTCC olov dpx^v ific cuvauHii-
CeUIC, ^TTOX^ILIOUV iV TOTC iif\C XPÖVOIC TTpÖC ToOc dcTUYCiTOvac
um so merkwürdiger muss es erscheinen, dass er niemals die
geringste Andeutung von einer Zerstörung Roms giebt: denn bei dem
sofort sich erhebenden Sturm der Feinde war doch das Allerwich-
tigste, dass die Stadt in Trünunem lag. Und lag sie in Trümmern:
dann zeugt die schnelle Erhebung und Erholung des Staates für
seine gewaltige Leistungsfllhigkeit. Also gerade in einem Resum6
ist die Stelle für die gallische Verwüstung.
Einen deutlichen Fingerzeig aber gewährt uns, wie ich glaube,
die letzte Stelle II 22. Die Boier und Insubrer rühmen die Thaten
ihrer Vorfahi^en. Sie sagen: * Erinnert euch, wie unsere Väter die
Römer besiegt, im ersten Anlauf Rom eingenommen, geplündert —
schliesslich aber freiwillig und aus Gefälligkeit den alten Besitzern
zurückgegeben haben', — ja vermisst man da nicht eigentlich die
Hauptsache? Erwartet man nicht, dass sie hinzufügen würden: Wd
wie sie die Stadt dem Erdboden gleichgemacht'? Hier, behaupte
ich, ist die Stelle, wo Polybius, wenn er etwas vom gallischen Brande
wusste (oder wissen wollte), ihn kaum übergehen konnte. Wusste
er nichts davon, dann ist selbstverständlich Alles in Ordnung. Und
nun, machen wir einmal die Gegenprobe. Der Gedanke, welchen
ich oben vermisste, widerspricht sicher nicht dem Gemüthszustande
eines Kelten. Setzen wir ihn also probeweise hinzu; so ergiebt
sich dvalL4l^vr|CK0VT€C . . . Tfjc trpoEeuic ... ^v § ^Keivoi ^vikti-
cav . . . *Puj)ia(ouc . . . Kai Kar^cxov . • . *Pul^T]V' t€VÖjüi€Voi bk
Ka\ TUJV tÖTTapxövTUiv dtrcivTUJV it^pateic [und nachdem sie die
ganze Stadt zerstört hatten] Kai Tf|C tröXeuJC avi^c imä fuinvac
Kupieucavrec t^Xoc ieeXovri Kai juteid x&pnoc tropaöövrcc rfjv
TTÖXlV KT^.^)
Hier zeigt sich meiner Ansicht nach mit Evidenz, dass der zu-
gesetzte Gedanke absolut nicht zu dem Uebrigen passt Der Satz:
Kai TT^c tröXeuJC . . . Kupteucavrec kann nur heissen: ^nachdem sie
•^ Oder: Kai xflc ir6X€uic aörfjc . . . KupicOcavrcc [....] t^Xoc kt^.
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Ueber den gaUifchen Brand. 101
sieben Monate HeiTn der Stadt gewesen'. Dass nämlich iröXtc
nicht etwa = Gebiet za verstehen , beweist zunächst das beigesetzte
^auTf)c' und dann der Zusammenhang, dessen Spitze direct gegen
die Stadt Born gerichtet ist.
Mag man nun jenen Gedanken einschieben wo man will (vgl.
Anm. 20), das Folgende wird absurd, — mithin kann deijenige,
welcher dies schrieb, d. h. Poljbius, diesen Gedanken nicht gedacht
habrn**)
Hier mubs ich einem möglichen Einwand begegnen. Man könnte
meinen, Polybius habe, um die Worte der Kelten besonders höhn-
voll zu machen, sie gerade mit Absicht sagen lassen: * Erinnert
euch, wie unsre Yor&hren die Römer vollständig in ihrer Hand
hatten und ihnen nur aus Gnade und Barmherzigkeit die Stadt zu-
rfidcgegeben haben', (womöglich noch gegen ein Lösegeld, worüber
sich Polybius nicht klar ausspricht).^ Hiegegen mache ich geltend,
dass es wahrlich nicht weniger höhnend klingt, wenn die Boier sagen :
^Erinnert euch, dass unsre Vorfahren die Bömer besiegt, die Stadt
eingenommen und zerstört, — und endlich ihnen die Trümmerhaufen
(resp. die Brandstätte) noch verkauft haben'. Was aber die Haupt-
sache ist: die Kelten sprechen hier nicht zu Bömem, sondern zu
ihren Stammbrüdem jenseits der Alpen. Sie wollen in erster Linie
nicht höhnen, sondern den Muth entflammen: ^Die Bömer sind nicht
unbesiegbar, denn erinnert euch' u. s. w. und dabei lassen sie ge-
rade den gröBsten Erfolg, welchen keltische Waffen jemals errungen,
bei Seite!? Endlich erscheint in der gesanmiten nachpolybianischen
üeberlieferung der Zug der Gallier von Clusium gegen Bom als ein
BaehezQg: sie wollen Bom zerstörenl Sie führen ihre Absicht
aus, sie zerstören Bom: und gerade dies übergehen die Kelten in
ihren Buhmeswortenl
Ich behaupte, dass eine höchst geschraubte Interpretation der
angeführten Stellen dazu gehört, um es glaublich zu machen, dass
Polybius ein so tief einschneidendes Faktum der römischen Geschichte
absichtslos, ja zuföllig überging. That er es aber absichtlich, so ist
seine Autorität gross genug, um auch uns zu veranlassen, die gal-
liache Verwüstung aus der Üeberlieferung zu streichen.
Dass Polybius die ältere römische Geschichte nicht aus sich
heraus, sondern nach Quellen schrieb, ist an sich klar, da er weder
Augenzeuge noch überhaupt Bömer war. Die ganz bestimmten Zah-
len aber, welche gewissermassen das Gerippe dieser Vorgeschichte
der gallischen Kriege bei Polybius bilden (I 18 ffl), beweisen, dass
er nicht nach Hörensagen und aus dem Gedächtniss, sondern nach
'^) Wie will man übrigens an der Hand der Vulgata das mehrmalige
Ti?Jv iröXtv (irapa)äito6dvT€c überhaupt interpretiren. ? — **) Ixovtcc t^v
dKp^ciav (H 22) besdeht sich wahrscheinlich nur auf die Beute. Dagegen
liegt wohl in der Bezeichnung der cirovöal als eii&OKoO|Li€vai ToAdTatc (I 6)
eine Andeutung des Lösegeldes.
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102 Georg Thouret:
Excerpten diesen kurzen Abriss niederschrieb. Diese Erwägungen
führen naturgem&ss zu dem Schluss, dass er in seiner Quelle wirk-
lich nichts von einem Brand oder einer Zerstörung der Stadt gefun-
den hat. Bei der Frage nun, welcher Quelle er gefolgt ist, brauche
ich nicht lange zu verweilen. Die Ansicht Niebuhrs (Vortr. II S. 52),
dass die Geschichte des letzten Kampfes zwischen Born und den Kel-
ten kurz vor Ausbruch des HannibaL Krieges bei Polybius 11 25 ff.
aus Fabius geschöpft sei, ist heute die allgemeine, von allen Autori-
täten gebilligte. Den Hauptgrund, worauf diese Ansicht sich stützt,
hat zuletzt Niese dahin formulirt'^), ^dass die XJebersicht über die
römische Wehrkraft, die Polybius (U 24) wie die übrigen erhalte-
nen Chroniken bei Gelegenheit des letzten grossen gaUischen Krieges
mittheilen, nach Eutrop (UI 5) imd Orosius (lY 13) von Fabius ge-
geben ward'.**) Die Frage, ob diese Zahlen richtig oder überhaupt
glaubwürdig sind*^), gehört nicht in den Zusammenhang der vor-
liegenden Untersuchung. Mögen die Zahlen bei den einzelnen Schrift-
stellern abgebeugt und zum Theil (namentlich bei Orosius) verderbt
sein: soviel steht nunmehr fest, dass sie alle auf eine Quelle zurück-
gehen, und dass Fabius Pictor als diese Quellö anzusehen ist.*^ Um
dieses Resultat anzuerkennen, hat man nach meiner Meinung gar
nicht nöthig, die verderbten Zahlen zu bessern, — was immerhin
gefithrlioh ist. Nach Orosius (a. a. 0., oder vielmehr seiner Quelle)
standen bei Fabius mindestens zwei Summen, und zwar einmal die
Gesammtzahl der ganzen waffenflihigen Mannschaft und zweitens
die Summe der Bömer und Campaner; — diese beiden Addirungen
finden sich nun auch unter den dreien des Polybius (a. a. 0.). Ge-
rade diese Hervorhebimg der militärischen Gleichstellung der Cam-
") Hennea XIII 1878 S. 410. — »*) Die übrigen Stellen sind: Diod.
XXV fr. 18 Dind. (W. p. 611), der sie dem PolybiuB entnahm; Liv. p. 20;
Plin. n. h. III 20, 138. — '^) Sie haben verschiedeoe BeurtheiluDg und
verschiedeno Behandlung erfahren: vgl. Nieb. Vorlas. II S. 52 ; Kitzsch. : die
Gracchen etc. S. 19 ff.; Wietersheim: Gesch. der Völkerw. I S. 169 ff.;
Lange: Rom. Alterth. IP S. 147; Ihne: Rom. G. II S. 402 ff.; Mommsen
Hermes XI 8. 49 ff. Die in ihren Consequenzen peinliche Meinung H. Petera
(rell. p. 36 adnot. 23), dass die Summe der einzelnen Posten bei Polybius
800,300 M. ergäbe, während Polybius selbst (11 24 eztr.) als Gesammt-
zahl (üb.) 700,000 p. und (geg.) 70,000 equ. d. h. überhaupt c. 770,000 M.
angiebt, beruht auf einem Versehen. Mir ergeben sich als Summe:
699,200 p. 69,100 equ. d. h. zus. 768,300 M., eine Zahl, welche auch in
allen ol^n citirten Werken angestellt ist. Da Peter genau 32,000 M.
mehr herausrechnet, so fflanbe ich nicht zu irren, wenn ich seinen Irr-
thum auf die unrichtige Interpretation einer Stelle des Polybius (II 24, 2)
zurückfahre. Polybius sagt nämlich: |li€T& ^iv hi\ T(£rv ÖTrdTuiv ^SeXiiXO-
Bei Tdrrapa crparöircöa TwjüiaiKd, . . . cufütjüiaxoi bi ^cO' ^KUT^puiv i^cav
ol cujLid|üi<pu) ircZiol ^kv TpiCfuiOpioi, 6icx(Xtoi 6' iiriTdc. Die letzten Worte
können nur heissen : „an Bundesgenossen befanden sich bei beiden (cons.
Heeren) zusammen 30,000 p. 2000 equ. Peter theilt offenbar jedem
Consnl soviel zu, so rechnet er 32,000 M. zu viel. — ••) Vgl. hierüber
bes. Mommsen Hermes XI S. 50 ff.
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Ueber den gaUisoben Brand. 103
pflBier und Römer, welche sieber mit d. J. 543 a. xu aufhörte, spricht
für eine direct zeitgenössische Au&eicbnung.
Zu diesem Zahlenzengniss konmit hinzu die gleiche Erklärung
des galliBchen Wortes: Oaesati (Taicärai) »» ^Söldner' bei Polybius
II 22 in. u. Orosius IV 13 (flaverk. p. 133).*^ Wenn endlich noch
innere Gründe von Nöthen sein sollten, so sprechen auch diese für
Fabius. Vor Allem spricht für einen Augenzeugen — und dies war
ja Fabius^, — die Klarheit und Anschaulichkeit der Darstellung.
Einen speciell Fabischen Charakter aber trftgt die von Polybius (11
21 extr.) unumwunden ausgesprochene Antipathie gegen Flaminius.
Ja Polybius sagt sogar mit dürren Worten (11 33), dass bei der
Ungeschicklichkeit des führenden Flaminius nur die militftiische
Tüchtigkeit der Eriegstribune den Bömem den Sieg über die In-
Bubrer gegeben habe. Fabius war aber damals Eriegstribun.
Ist somit Fabius des Polybius Quelle für die Geschichte des
letzten gatlischen Krieges, so ist freilich noch nicht bewiesen,
dass auch die knappen Notizen über die früheren Kfimpfe aus ihm
stammen. Wenn aber irgendwo die Wahrscheinlichkeit an die Stelle
eines Beweises treten kann, so ist es hier, üngers Ansicht^), ^dass
der Bericht über die römisch-gallischen Kriege von der Alliaschlacht
bis zur Unterwerfung der Boier aus einem griechischen Historiker,
entweder Timaeus oder Hieronymus abgeleitet sei', ist so seltsam,
dass er sie hätte begründen müssen. Jetzt hat Kiese wenigstens so
viel nachgewiesen^), dass Polybius römischer Chronologie, mithin
einer römischen Quelle folgt. Wir sind daher, so lange kein Gegen-
beweis gebracht wird, berechtigt, Fabius als Quelle für die Geschichte
der gallischen Invasionen bei Polybius zu bezeichnen.'^)
Kehren wir nun an der Hand dieses Resultats zu unsrer Unter-
suchung zurück, so ergiebt sich — die Stichhaltigkeit meiner obigen
Deductionen vorausgesetzt — dass im Fabius noch Nichts von einem
gallischen Brande oder einer Zerstörung Roms durch die Gallier ge-
standen hat. So auffeilend diese Behauptung klingt, so bitte ich
doch, sie vorläufig gelten zu lassen. Die Hauptargumentation kann
erst dann ihre Stelle finden, wenn wir die vulg&re Tradition genau
übersehen werden.
Dieses vorläufige Ergebniss wird nun aber einfach über den
Haufen geworfen, wenn Mommsens Ausführungen über das Yerhältniss
Diodors zu Fabius'^) als richtig anerkannt werden müssen. Monunsen
*^ Nach Servius ad Sen. VII 664 ist gessa (gesa) » hasta Boma-
normn »> sarissae Macedoomn; und zu Vlll 660 sagt er: nam etiam vi-
roe foriCB Galli gaesos (al. gesos) vocant. Diese ErUämng vereinigt sich
YortrefOich mit der des Namens 'Gaesati'. — '^) Vgl. PUn. n. h. X 71;
Batr. III 6; Oros. IV 18. — »•) a. a. 0. (ob. S. 96 A. 2) S. 663. — »«0 Her-
met Xm S. 401 ff., was Monunsen: die gall. Katastrophe Hermes XITT
8. 647 n. A. 1 anerkennt. ^ '^) Es wird weiter unten ein Punkt zur
Sprache kommen, der geeignet ist, diese Ansicht zu stützen. — ") Ta-
bins und Diodor' im Hermes XITT S. 806 ff.; dazu ein Nachtrag: die
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104 Georg Thonret:
führt Polybius sowohl wie Diodor auf Fabius zurück; da nnn Dio-
dor die Zerstörung Borns durch die Gallier (XIY 115, 6) und ebenso
den Wiederaufbau der Stadt berichtet (ebenda 116 , 8 ff.), so wusste
Fabius bereits davon, — und dann hätte Poljbius in der That die
Zerstörung zuflülig übergangen oder gestrichen.
Ich erinnere zunächst daran, dass Niebuhr, welcher auch Dio-
dor auf Fabius zurückführte ^ gerade das XTTT und XIV. Buch, also
auch unsre Partie, als nicht Fabianisch bezeichnet hai^') Leider
hat er nirgends seine Gründe dafOr angegeben.
Selbstverständlich steht Diodor ein gut Stück von der späteren
Tradition entfernt^) Er kennt nicht die Gesandschaft, nicht das
Eriegstnbunat der drei Fabier, er weiss nichts von der Begegnung
des Camillus und Brennus auf dem römischen Forum, — aber er
erzählt bereits die Wiedergewinnung des Lösegoldes durch den Dicta-
tor Camillus (XIV 117, 4). Im Polybius kommt bekanntlich Camil-
lus gar nicht vor, und bisher hat man allgemein daraus gefolgert,
dass Diodor, da er diese handgreifliche Fälschung bereits hat, eine
jüngere Epoche der römischen Annalistik vertrete als Polybius, dass
also, wenn dieser aus Fabius schöpfe, Fabius in der vorliegenden
Partie nicht die Quelle Diodors sein könne. Es ist ein eigenthüm-
licher Zufall, dass Niese ^ demselben Orte dieser Ansicht noch ein-
mal Ausdruck verlieh^), an welchem Mommsen sie verwirft.
Mommsen sagt nun S. 322: ^Was Poljbius aus römischen An-
nalen entlehnt hat, darf im Grossen und Ganzen auf Fabius zurück-
geführt werden, und ausser Anderem passen die Erzählung der
gallischen Katastrophe bei Poljbios (2, 18) und die bei Diodor (14,
115) nicht blos völlig in einander, sondern stimmen auch gegen
andere Versionen darin überein, dass die Gallier erst nach dreitägi-
gem Verweilen auf dem Schlachtfeld in die Stadt einrücken '.^^) Dazu
konunt noch als Hauptsache die Anm. 3: ^Dass nach Polybios die
Gallier nach Empfang des Lösegeldes in die Heimath abziehen,
stimmt auch mit der Diodonschen Erzählung. Wenn nach dieser
später bei der Entsetzung einer etruskischen Stadt die Römer Beute
und Lösegeld zurückgewinnen, so ist dies ein verschiedener Waffen-
gang, den übrigens Polybios fdglich schon darum übergehen konnte,
weil er ihm die Erdichtung ansah '.'^)
^llische Katastrophe, ebd. S. 515 ff. *- »^ B. G. 11 S. 629/80. — ^) Worauf
ich im zweiten AbBchnitt eingehen werde. Hier berücksiditige ich Dio-
dor nur insoweit er Polybius gegenüber in Fftge kommt Dies bemerke
ich ausdrücklich, um voreiligen Vorwürfe^ zu entgehen. — '^) Hermes
XIll S. 412. — s«) Auch im Nachtrag (S. 526) sagt Mommsen: 'Dass die
Kelten erst am vierten Tage nach der in unmittelbarer Nähe Borns ge-
lieferten Schlacht vor den Mauern derselben erscheinen, berichtet über-
einstimmend die ältere Version, das ist Polybius und Diodor.' Indessen
verweilen nach Diod. XIV 115, 5 die Kelten nur einen Tag auf dem
Schlachtfeld und erscheinen am zweiten bereits vor den Thoren, vgl ob.
S. 91. — »^ Vgl. d. Nachtr. S. 540.
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üeber den gallischen Brand. 105
Ehe idi auf den entscheidenden Punkt eingehe, möchte ich mich
gegen den ersten Satz dieser. Anmerkung wenden. Im Nachtrag
(8. 540) sagt Mommsen eben&lls: ^Auch Diodors Erzählung zufolge
sind die Senonen, wie Polybius sagt, nach der Gapitulation Borns im
J. 364 unverletzt und ungeschädigt mit ihrer Beute nach Hause ge-
langt; dass sie diese im Folgejahr in einem andern Kriege wieder
einbüssten, lindert daran streng genommen nichts'. Polybius sagt
allerdings zweimal ausdrücklich: dTravf^XOov €ic Tf|V olKeiav (U 18
und 22). Diodor dagegen nur (XIV 116, 7): ^tretcGiiTav x^^i^tc
Xaß6vT€C XtTpac xP^ciou Tf|V ttöXiv dKXmcTv Kgi ^k xiic *Piw)Liaiujv
Xu»pac anaXXatfivai. Genau ebenso drückt sich z. B. Plutarch aus
(Ctan. 28); uijLioXoTriOr| Touc |üiäv x»Xiac XCipac xp^ciou KaraßaXeTv,
Touc b€ Xaßövrac ix rfic iröXeufc aÖTiKa Kai xfic x^pac dvaxwpeiv
(£a8t wörtlich ebenso Zon. YII 23). Diodor giebt nirgends auch nur
eine Andeutimg davon, «dass die Kelten in die Heimath zurück-
kehrten. Vielmehr sagt er an der sp&teren Stelle (c 117, 4) nur,
dass die Gallier, welche Camillus schlägt, aus Rom abgezogen seien
(rohf b' dTieXriXueÖTUiv raXaxwv dirö Tuijunc OuedcKiov x^v ttöXiv
.... iropGouvTWv, I^rl0^^€voc auroic 6 auTOKpdTuip, xal touc irXei-
crovc äTroicreivac, ttJc dtrocKfufic irdciic iicupUucev, iv fj Kai tö
Xpuciov ijv 6 €lXfiq>€cav ... Kai cx€böv diravTa rd bnipiraciii^va
Kord Tf|v Ti)c TTÖXeuic dXuiciv). Wer diese Worte uubef^gen er-
wSgt, wird sie kaum anders verstehen können, als dass Diodor habe
sagen wollen, die mit Beute beladenen GaUier seien auf dem Bück-
zuge von Bom durch Camülus vernichtet worden.- Dass die Be-
lagerung von OÖ€dcKiov(?) ein Kriegszug gewesen, den die Gallier
nach ungefährdeter Bückkehr in die Heimath von Neuem
(und zwar die Beute wieder mitschleppend) unternommen hätten,
sagt Diodor nicht. Nach dem stricten Wortlaut müssen wir also
anerkennen, dass in Bezug auf das Verlassen des römischen Gebie-
tes Diodor zu Polybius genau so steht wie die jüngeren Quellen
überhaupt. Halten wir dies fest!
Nun zur Hauptsache! Versichern wir uns zunächst, so weit
wir dies können, dass der 6ieg des Camillus über diese Gallier in
der Hauptquelle Diodors stand und nicht etwa eine Variante ist.
Diodor erzählt nach dem Wiederaufbau der Stadt (c. 116, 8, 9) die
Kriege gegen Volscer, Aequer, Etrusker unter Führung des Dicta-
tors Camillus (c. 117, 1 — 4)« Hieran fügt er ohne Weiteres die oben
dtirten Worte: Camillus trifft die ans Bom abgezogenen Gallier bei
der Belagerung einer bundesgenössischen Stadt (im Text: Oued-
ociov)^! haut den grössten Theil derselben zusammen und nimmt
ihnen Lösegold und Beute wieder ab. Trotz dieser grossen Thaten
^ Die Bedenken, welche sich einer Verbesserung dieses Namens in
Piaaumm (auf Grand von Servius ad Aen. VI 286) entgegenstellen giebt
Mommsen selbst an, vgl. S. 638.
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106 Geoig Thouet:
sei er dennoch durch die SGssgiinBt der Yolkstribnne am Triumph
yerhindert worden. Nnn fährt Diodor fort (117, 5): fvioi bi qKXCtv
auTOV äiTÖ ToiicKuiv Opiajiißov äTorrcTv tni XeincoO TcOpiTnrou kt^.
Das bezeichnende Ivtot bi qxiciv rechfertigt yollkommen die An-
nahme, dass dieser Triumph *eine zweifelhafte "Variante'^ seL Auf
der andern Seite haben wir nach den Gesetzen der QuellenlEritik
kein Becht, auch das Vorhergehende als Variante au&u£aissen. Denn
wo sollen, wo können wir dann noch eine Grenze ziehn? Vielmehr
müssen wir die Behauptung, dass Diodor den Sieg des Camillus in
derselben Quelle fand, welcher er in der ganzen Partie gefolgt ist,
als unwiderlegbar bezeichnen und — fes&alten.
Die Worte des Poljbius nun, welche dem, was Diodor erz&hlt,
schnurstracks widersprechen, stehen in der bereits citirten Botschaft
der Boiw und Insubrer an die Transalpiner (11 22). Sie erinnern
daran, dass ihre Vor&hren
T^Xoc ^OcXovtI Kat jüterä x^iptTOC iropabövrec tf|v tröXiv,
äOpaucrot Kai äcivcic Ixovrcc Tf|v dMp^Xeiav ic Tf|v oketov
^TravnXOov.
Mommsen ist der Ansicht, PoL habe gelesen, was im Diodor
steht, habe aber die Gamillusanekdote als handgreiflich erfunden
gestrichen und dafür die citirten Worte gesetzt.^) Ist dies richtig,
so widerspricht sich PoL und Diod. nicht direct, — beide können
eine gemeinsame Quelle, nftmlich Fabius benutzt haben.
Ich gebe f&r einen Augenblick dies zu, fahre aber fort: Wenn
Fabius den grössten Theil der abgezogenen Gallier unter dem Schwerte
des Camillus fEÜlen liess, so kann er nichts mehr über die weiteren
Schicksale derselben in der Heimath berichtet haben. Finden wir
daher bei PoL dergleichen Nachrichten, so hat er diese entweder
ans sich heraus geschrieben^^), oder einer andern, — mithin älteren
Quelle (da sie noch nichts von Cam. wusste), entnonunen.
Die Worte äOpaucroi xai äctveic finden sich, wie gesagt, nicht
an der eigentlichen Stelle der Erzählung. An dieser aber (11 18,
also Torher), steht Folgendes:
levoM^vou b* dvTtciTdcfioeTOC xal tuiv OdeWTuiv ^jütßoXövruiv
6tc Tf^v xuipov oirruiv, t6t€ iikv iroiiicä^cvoi cuvOnKCtc trp6c 'Pui-
paiouc Ktti Tf|V it6Xiv dirobovrcc £iravnX6ov ek Tf|V olKciav* ^crä
hi Taöxa toic d)yiq)uXtoic cuveixovxo iroX^fiotc* ?vioi bk
xai Tüjv T&c "'AXiretc KaTOiKOUVTuiv 6p)yiäc dirotoCvTO xai
cuvT]6poi2IovTo iroXXdxic dir' auTouc, OeuipoCvrec ^k na-
pa6^C€U)C Tf|V TrapaT€T€Vii|yi^viiv auToTc eubai|yiovtav.
Hier, glaube ich, giebt es keinen Ausweg. Wenn nSmlich Je-
mand einwirft: PoL spreche in den letzten Sfitzen Ton den Galliern
überhaupt, er könne nicht nur diejenigen Ton ihnen meinen, welche
**) VeL Mommsen 8. 317 18 u. 5S7 ff. — ^ Vgl. den Kachtrag S. 540.
— *■) D. K auf deutach: gelogen.
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Ueber den gaUischen Brand. 107
Rom erobert hatten, da diese ein Conglomerat allermöglichen Stämme
gewesen, man aber von einem znsammengewttrfelten Haufen nicht
sagen könne: cuveixovTO toic ^jüicpuXtoic iroX^inoic — so halte ich
einfiach den Worüant dagegen. Nach diesem nnd nach dem Zusam-
menhang können die Gallier, deren irapaT€T€Vii|Li€Viiv eubaijucviav
die Nachbarn mit neidischen Augen betrachten, nur die Bezwinger
fioms, nur die Plünderer Boms sein.^^)
Aber auch sonst ist der Einwand hinflKllig. Poljbius spricht
freilich immer nur Yon TaXorai'. Aber dass auch ei* einen be-
stimmten Stamm derselben vorzüglich im Auge hat, geht aus den
Worten hervor; xai Torv Oöcvdxwv i^ßaX6vTu;v €lc tfjv x^pav
auTiJV. Von einem Heimathland der gallischsn Nation konnte er
füglich so nicht sprechen. Endlich, schöpft Diodor aus Fabius, so
hatte Fabias bereits den einzelnen Stamm der Senonen in bestimmten
Worten als den Kern des gallischen Heeres bezeichnet (vgl Diod. XIV
113, 3); eine Auffassung, welche in der gesammten römischen Litte-
ratiur die herrschende ist.^^ Ziehn nun auch die Öenonen, bevor sie
sich auf Rom stürzen, Verstärkungen von allen Seiten her an sich
(Diod. JLLV 114, 1), so konnte Fabius doch mit vollem Eecht nach
dem Ahsag den Kern des Haufens, — nämlich die Senonen, beson-
ders heimgeleiten und von ihren weiteren Schicksalen berichten.
Die letzten, ganz harmlosen Bemerkangen über das Schicksal
der Plünderer Boms muss also Polybius entweder erdichtet — oder
anderswoher genommen haben: denn derjenige, welcher den grössten
Theil der abziehenden Gallier durch das Schwert des CamiUus um-
kommoi Hess, kann das nicht geschrieben haben, was im Pol. steht.
Die Annahme nun, dass Pol. im Grossen und Ganzen die Quelle
Diodors seinem Auszug zu Grunde legt, in diesem Punkte aber ver-
wirft und auf einen älteren Bericht zurückgeht (welchen?), scheint
mir völlig unmöglich. Sollen wir also die Ansicht Mommsens auch
dann festhalten, wenn sie zu der Consequenz nöthigt, Pol. einer
grossen Willkürlichkeit zu beschuldigen? Endlich was die Worte
iOpaucTOi xai dcivcTc anbetrifft, welche in ihrer prägnanten Kürze
allenfiaUs eine polemische Färbung zeigen könnten^), — so erweisen
sie sich nunmehr meines Erachtens als einfaches Resultat aus der
ausführlicheren eigentlichen Erzählxmg (ü 18)^ die absolut nichts
*") So versteht auch Lewig die Stelle (Liebr.) II S. 269. — *») Vgl.
Lir. y 35, d; Plin. n. h. UI 15, 11«; Sil. Ital. Pnn. I 624; Sueton Tib. 3;
Flor. I 7, 13; de vir. ill. 23, 6; Eutrop. I 20; Ampel. 18; 20; Gros. II 19;
Serr. ad Aen. Vm 666; Fest. p. 339; 372 M ; Paul. p. 64 M.; Strabo V
1, 6 p. 212; Flut. Com. 15. Wenn wir Polybius mit der allgemeinen
Ueberhefenmg verbinden, so würde das Heer der Gallier aus Senonen,
Boiem und Insubrern zusammengesetzt sewesen sein. Damit stimmt vor-
trefflich die Notiz des Coro. Nepos (bei Plin. n. h. III 17, 125), dass eben
diese drei Stämme vereinigt die Stadt Melpum an demselben Tage zer-
stört hätten, an welchem CamiUus Veji eroberte. — **) Wie Mommsen
S. 640 a. E. andeutet
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108 Geoig Thonret:
Polemisches enthftlt, zusammengefasst und ohne jeden Hinter-
gedanken Yon Pol. den Galliern in den Mund gelegt (11 22).
So wage ich zu behaupten, dass die Quelle des Poljbius in der
That kein Wort von der Gandllussage enthielt, — dass mithin Diodor
in diesem Theile seines Werkes eine jüngere Stufe der Tradition
vertritt.
Dasselbe Resultat ergiebt sich ans der Betrachtung eines zweiten
Punktes. Ich frage: Was veranlasst die Gallier, Rom zu lilumen?
Nach Diodor (XIY 116, 7), wie nach der gesammten späteren Tra-
dition^^): die Unmöglichkeit, das Eapitol den Römern zu entreissen,
nach Polybius (ü 18) ein ^dvTiciraciuia' und der Einfall der Veneter
in ihr Heimathland.^^) Jeder wird zugeben, dass der letzte concreto
und wahrhaft historisch klingende Grund sich vortheilhaft von der
vulgären Tradition unterscheidet, der man die römische Tendenz
sofort ansieht. Und doch ist man bei der Ansicht Mommsens sofort
gezwungen anzunehmen, dass die gemeinsame Quelle Fabius beide
Gründe anführte, und dass nur Poljbius sich diesen, Diodor jenen
auswählte. Nun dann aber düi'fte man erwarten, dass folgerichtig
nun auch die Gallier in ihr bedrohtes Heimathland zurückkehren
— wie bei Polybius — , dass sie sich aber nicht — wie bei Diodor
— noch mit der Belagerung und Zerstörung von etruskischen Städten
so lange aufhalten^ — bis sie der Dictator Camillus erreichen und
vernichten kann.*^
Ich glaube somit nachgewiesen zu haben, dass die Ansicht
Monamsens: PoL habe die Gamillusanekdote, welche schon bei Fabius
stand, verworfen und auf eigne Hand seine Quelle rectificirt, — un-
haltbar ist. Will man dennoch Fabius als Quelle Diodors statuiren,
so ist man zu der Annahme genöthigt^ dass Fabius s» Poljb. -|' Diod.
ist, d. h. dass schon Fabius die Gamillusanekdote als Variante ge-
geben hat, eine Annahme, welche höchst bedenklich ist, weil, wie
wir oben (S. 106) gesehen, im Diodor wohl der Triumph des Camillus
mit dem weissen Viergespann, aber nicht der Sieg desselben über
die Gallier als Variante auftritt
Um aber vollkommen gerechtfertigt zu sein dafür, dass ich
Fabius hier nicht als Quelle Diodors anerkenne, stelle ich die An-
*») Vgl. Liv. V 48, 7; Dionys XIII fr. 12; Plut. Cam. 28 (daraus Zon.
VIl 28); Flor. I 7, 17 (Halm); Eutrop. I 20. — *•) Auf Grund von Diodor
XX 86, 4 verstehe ich t€vo|li^ou 5' dvncirdcjuiaToc =• als ihre Aufmerk-
samkeit abgelenkt wurde, — nämlich durch den Einfall der Veneter. —
^') Zwischen dem Abzuff und der Niederlage fallen nach Diod. der Wieder-
aufbau der Stadt und drei Kriege (vgl. ob. S. 101). Alles dies geschieht
bei ihm in ein und demselben Jahre wie die Schlacht an der AUia. Für
unsere Frage ist es gleichgültig, ob wir hierin Diodor folgen oder mit
Mommsen (S. 687) die Ereignisse nach dem Wiederaufbau in das n&chste
Jahr setzen wollen. Denn wichtig würde diese Trennung erst werden,
wenn nachgewiesen werden könnte (was nicht möglich ist, vgl. ob. S. 106),
dass Diodor gerade an diesem Punkte die Quelle wechselt.
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Ueber den gallischen Brand. 109
nahmen Eusammen, welche nöihig sind, wenn Folybius und Diodor
einer Qaelle folgten. Man muss annehmen:
1. Fabins erzfthlte: Die Gallier flEuiden sich bereit, Rom zn ver-
lassen, weil sie das Eapitol nicht erobern konnten nnd weil ihr
Heimathland dtiroh die Veneter bedroht wurde; — Polybius ent-
schied sich ftlr den letzten Grund, Diodor nahm nur den ersten auf.
2. Fabius berichtete: Die Gallier kehrten unbehelligt und mit
der Beute in ihre einheimischen Sitze zurück. Es geht aber die
Sage, dass Gamillus sie vorher vernichtete, ihnen Lösegeld und Beute
wiedersbnahm; — Polybius kümmerte sich um diese Anekdote nicht,
Diodor dagegen nahm nur sie in seine Darstellung auf.
3. Fabius berichtete von der Zerstörung der Stadt durch die
GMlier und schilderte den Wiederaufbau; — Diodor erzfthlte ihm
nach, Polybius überging beides.**)
Ich gestehe, dass eine Ansicht, welche sich auf solche An-
nahmen stützen muss, unannehmbar ist. Bedenken wir aber, dass
Alles und dass gerade Alles, worin Diodor von Polybius abweicht,
sich mit der vulgären Tradition deckt: so sind wir nach quellen-
kritischer Methode berechtigt, hier einen Widerspruch zu constatiren
und zu behaupten, dass, wenn Fabius die Quelle des Pol. ist, Diodor
ihn hier nicht benutzt hat.
Alles spricht dafür, dass bei Pol. Fabius zu Grunde liegt, und
hiezu möchte ich noch Folgendes bemerken. Man darf wohl fragen:
Woher weiss ein römischer Historiker,' dass ein Einfall der Veneter
in die Poebene die Gallier, welche Rom besetzt hatten, bewog, nach
Hause zu eilen? Dass dies nicht römische Tradition ist, liegt auf
der Hand: dieser ist vielmehr der andere Grund: die Unmöglichkeit,
das Eapitol zu erobern, in jeder Beziehimg angemessener. Nach der
Darstellung des PoL verdankt Rom streng genommen den Venetern
seine Bettung. Die Veneter sind also gewissermassen die Freunde
Borns. Das BSthsel löst sich meiner Ansicht nach, wenn wir uns
erinnern, dass die Veneter auch im Jahre 529 a. u. Freunde Borns
sind« Sie erscheinen mit den gallischen Cenomanen in der Liste der
Wehrfllhigen bei Pol. II 24. Ja noch mehr. Wie die Insubrer und
Boier Botschaft schicken an die transalpinischen Stämme imd sie
auffordern, das Schwert zum Entscheidungskampfe gegen Rom zu
ziehen, — so senden die Veneter und Cenomanen nach Bom und
bieten ein Bündniss an (Pol. II 23). Wie Polybius ausdrücklich her-
vorhebt (a. a. 0.), kam dieses Bündniss den Römern sehr zu Statten,
denn die Kelten mussten einen Theil ihrer Streitkräfte zurücklassen,
um sich den Bücken imd die linke Flanke zu sichern. Die Boier
und Insubrer erinnern ihre Stammgenossen jenseits der Alpen an
**) JBüer könnte ich mit demselben Rechte ans dem Schweigen des
Polybius folgern, dass Fabius die Zerstörung Roms — als Variante an-
gefahrt hat.
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110 Georg Thonret:
die Thaten der Vorfahren, welche Born gedemttthigt, — sollten viel-
leicht die Veneter ihrerseits bei Gelegenheit der Gesandschaft daran
erinnert haben, dass ihre Vorfahren schon einmal Born den Hfinden
der Gallier entrissen häfcten? Dies ist nur ein Gedanke und will
weiter nichts sein. JedenÜEdls wurden die Bömer damals auf die
Veneter besonders aufmerksam. Wenn nun die Quelle des Polybius
die einzige ist, welche bei Gelegenheit der ersten gallischen Invasion
die Veneter erwähnt, so darf man nach dem vorher Bemerkten wohl
behaupten, dass dieser Umstand die Autorschaft des Fabius, des Zeit-
genossen des letzten gaUischen Krieges, sehr wahrscheinlich macht.
Ich halte somit daran fest, dass Fabius die Quelle des Polybius
ist und die Diodors nicht ist. Bei der vorliegenden Untersuchung
kann Diodor erst an zweiter Stelle in Frage kommen: Genügt Poly-
bius, eine Entscheidung zu fUUen, ob wir an die gallische Verwüstung
glauben sollen oder nicht, — dann muss sich Diodor ohne Weiteres
beugen.
IL
Die naobpolybianiBohen Quellen.
§ 1. Cato, Varro, Cicero.
Diese drei bedeutendsten Gewährsmänner ziehe ich zuerst heran
und frage, ob wir bei ihnen directe Zeugnisse fELr die Zerstörung
Boms durch die Gallier finden.
Wenn Cato überhaupt eine Darstellung der ersten gallischen
Invasion gegeben hat — was nach der Anlage der origines zweifel-
haft bleibt — , so kann er es nur im zweiten Buch gethan haben,
welches von den gallischen Völkerschaften handelt. Nach dem Vor-
gang Wageners bezieht Jordan*^) das von Gellius (XVII 13, 4) über-
lieferte Fragment des 2. Buchs der or.: neque satis habuit quod eam
in occulto vitiaverat, quin eins famam prostitueret, — auf die von
Livius (V 33, 3) beiilhrte, von Dionys (XTTT 14 u. 15 exe. ambr.)
ausführlich behandelte Ei-zählung, dass der Clusiner Arruns die
Gallier herbeigerufen habe, um sich an dem jungen Lucumo für den
mit seinem Weibe begangenen Incest zu rächen. Ist diese Beziehung
richtig — imd es lässt sich nichts dagegen einwenden — , so hat
Cato die Ankunft der Gallier in Italien geschildert Da diese Wen-
dung der Sage^) aber innig mit dem Weiterdringen der Barbaren
von Clusium gegen Bom zusammenhängt, so ist es möglich, dass
Cato auch die Einnahme der Stadt berichtet hat. An dieser Mög-
") P. XXXIX vgl. p. 10 No. 3. Ebenso urtheilt Peter p. 61 No. 36
nebst adn. — '^) Nach derselben soll Arruns die Gallier zuerst mit dem
Safte der Reben bekannt gemacht haben. Anders lautet die Massilien-
sische UeberlieferuDg, nach welcher die Gallier von den Massilioten Wein-
und Oelbau gelernt haben, vgl. Justin XLIU 4, 2.
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üeber den gallischen Brand. 111
liehkeit mtlssen wir uns genügen lassen, weil nunmehr das Material
völlig yersiegt.
Um einem Missverständniss vorzubeugen, muss ich noch ein
anderes Fragment berühren. Festus bringt p. 241 M. (p. 67 Jord.)
eine Notiz aus Catos Bede de auguribus. Er sagt: probrum virginis
Yestalis ut capite puniretur, vir, qui eam incestavisset, yerberibus
necaretur: lex fixa in atrio Libertatis cum multis aliis legibus in>
cendio consumpta est, ut ait M. Cato in ea oratione, quae de Augu-
ribus inscribitur.
Wir kennen weder genau die Lage des atrium Libertatis ^^),
noch wissen wir etwas über das Alter desselben.^') Man könnte
also meinen, dass Cato unter dem incendium den gallischen Brand
verstehe. Da er indessen dies nicht ausdrücklich bemerkt, so müssen
wir seine Worte auf die letztvoraugegangene Zerstörung des Oebäudes
beziehen. Nun heisst es bei Livius XXXI Y 44, 5 unter d« J. 560 a. u.:
atrium Libertatis et villa publica ab e isdem (sc. censoribus) refecta
amplificataque. Im Jahr vorher war Cato Consul gewesen und in
eben dieses Jahr fftUt seine erste mit Sicherheit nachzuweisende
Bede.^^) Wann die Rede de auguribus gehalten worden ist, wissen
wir nicht, jedoch dürfen wir sie später als das Jahr 560 a. u. setzen.
Daraus folgt, dass Cato an diese jüngste Zerstörung des atrium Lib.
gedacht haben muss, weil er sonst von seinen Zuhörern nothwendiger
Weise missverstanden wurde. Es ergiebt sich also, dass wir nach
dem Stand der üeberliefemng nicht wissen können, ob Cato an die
gallische Verwüstung geglaubt hat oder nicht.
Zu demselben Resultat kommen wir bei
Varro.
Im Ganzen kommen hier vier Stellen in Betracht:
de 1. L V 157 (M. p. 61): Busta Gallica, quod Roma recuperata
Gallorum ossa, qui possederunt urbem, ibi coacerTata ac consepta.
ib. VI 18 (M. p. 80): Dies Poplifugia videtur nominatus, quod
eo die tumultu repente fugerit populus; non multo enim post hie
dies, quam decessus Gallorum ex urbe etc.
ib. VI 32 (M. p. 85): Dies Alliensis ab AUia fluvio dictus; nam
ibi exercitu nostro fugato Galli obsederunt Romam.
de vii pop. R. II bei Non. p.^340"): ut noster exercitus ita sit
fogatus, ut Galli Romae[nisi] Capitolii sint potiti neque inde ante
sex menses cesserint. — In allen Stellen steht nichts von einer Zer-
störung Roms. In der Hauptsache deckt sich Varro mit Poljbius.
Die von Pol. abweichende Angabe über die Dauer der Occupation
»") Vgl. Becker Top. S. 458 ff.; Mommsen Staatsr.« IP S. 348 A. 5.
— *•) Es wird zuerst erwähnt Liv. XXV 7, 12 im J. 640 a. u. (Becker
a. a. 0.). — ") Vgl. Jordan p. LXIII. — ") Ed. Gerlach et Roth Baa. 1842.
Im Text steht: ut Galli Homae Capijbolii sint potiti. Hier muss etwas
verderbt sein. Mir scheint die Ergänzung von Popma (nisi) der Streichung
von 'GapitoÜi' vorgezogen werden zu müssen.
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112 Georg Thonret;
tritt noch später (bei Florus) in der römischen Litteratur anf und
ist mithin von Wichtigkeit für die zum Schluss anzustellende Quellen-
unterBuchung. Desgleichen weicht Varro, um dies hier anzufügen,
von der yulgSren üeberlieferung darin ab, dass er die Höhe des
Lösegelds auf 2000 Pfund und nicht wie diese auf 1000 Pfund an-
giebt^^), eine Abweichung, welche ebenfalls bei der Quellenfrage
zur Sprache kommen wird.
Wir kommen endlich zu Cicero.
Auch bei Cicero haben wir die Thatsache zu constatiren, dass
er nirgends in deutlichen Worten von einer Verwüstung Boms durch
die Gallier spricht, Suchen wir aus den zerstreuten Notizen seine
Stellung zur Vulgata zu gewinnen, so ergiebt sich Folgendes:
Cicero kennt die Verurtheilung des Camillus in den Centuriai-
comitien und seine (freiwillige?) Verbannung (de domo 32, 86; ad
Com. Nep. 11 4), die Schlacht an der Allia (ad Ati IX 5, 2), die
Einnahme der Stadt (Tuscul. dispui I 37, 90), die Belagerung des
Kapitels (pro Font. 10, 20), die Bettung desselben durch M. Man-
lius (de domo 38, 101), das unglückliche Schicksal des Manlius (ad
Corn. Nep. H 4; de re pubL H 27; Philipp. I 13, 32; H 44, 144).
Ich habe oben (S. 96, Anm. 10) die Stelle de diy. I 17, 30 citirt als
Zöugniss für die Fabel, dass der Erummstab des Bomulus nach dem
gallischen Brande unversehrt wieder aufgefanden wurde. Ich glaube
auch, dass man sie in diesem Sinne verwenden darf.^ Hier jedoch
kommt es auf den Wortlaut an. Dieser ist:
Quid? lituus iste vester, quod clarissimum insigne auguratus,
unde vobis est traditus? Nempe eo Bomulus regiones direzit tum,
cum urbem condidit. Qui quidem Bomuli lituus, [id est incurvum et
leviter a summo inflexum bacillum, quod ab eins litui, quo oanitur,
similitudine nomen invenit] cum situs esset in curia Saliorum, quae
est in Falatio, eaque deflagravisset, inventus est integer.
Die Worte sagen nicht, ob Cicero den gallischen Brand dabei
im Auge gehabt hat, wie die gewöhnliche Üeberlieferung lautet (vgl.
oben S. 96, A. 10). Wenn man bedenkt, wie viele solcher Fabeleien
gerade an den gallischen Brand angeknüpft wurden, so könnte man
versucht sein, auch hier Fabel und Anknüpfung zu trennen, d. h.
aus der Stelle bei Cicero zu schliessen, dass die Sage ging, der
Augurstab des Bom. sei bei einem Brande der Kurie der Springer
unversehrt geblieben, und dass die Verbindung mit dem gallischen
Brand eine weitere Erfindung sei, welche Cicero füglich gar nicht
gekannt zu haben braucht. Mag man sich aber entscheiden nach
welcher Seite man will, so erlaubt die angeführte Stelle nimmermehr
den Schluss, dass Cicero an die Tradition geglaubt hat.
Dagegen kömien wir mit Bestimmtheit in Bezug auf einen an-
*^) Bei Non. lü p. 156 8. v. torquem. — ^ Vgl. Mommsen a. a. 0.
S. 627 A. 3.
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üeber den gallischen Brand. 113
dem Punkt einen direkten Widerspruch zwischen ihm und der Tra-
dition verzeichnen. In der Bede pro Caecina macht Cicero gelegent-
lich einige Bemerkungen über die Bedeutung des Wortes *unde'.
Er fragt c. 30, 87: unde deiecti Galli? — a Capitolio. Und fügt
hinzu (88): ut, si Galli a maioribus nostris postularent, ut eo resti-
tuerentur, unde deiecti essent et aliqua vi hoc assequi possent : non,
opinor, eo8 in cuniculum^ qua adgressi erant, sed in Capitolium
restitui oportet. Denselben cuniculus erwähnt er beilSuflg noch ein-
mal (Philipp, in 8, 20). Vielleicht Cicero folgend, stellt Servius ad
Aen. Vni 662 die beiden Traditionen gegenüber: (Qalli) quos alii
per dumeta et saxa aspera, alii per cuniculos dicunt conatos ascen-
dere. Diese Nachricht, dass die Gallier versuchten, durch einen
Minengang auf das Kapitol zu gelangen, ist sonst völlig verschollen.
SSmmtliche uns vorliegende Berichte lassen die Gallier auf einem
FuBspfad die Burg ersteigen. Da aber diese letztere Version mit
der wunderbaren That des Pontius Cominius — die ja an und für
flieh nicht unmöglich ist — , weiter aber mit der noch viel wunder-
bareren Bettung des Kapitels durch die Gftnse der Juno eng zu-
sammenhängt, so dürfte man nur zu geneigt sein, die einsame Notiz
über die Mine fttr älter zu halten. Ciceros Worte zeigen an beiden
Stellen keine ironische Färbung, er muss also diese Geschichte zum
Mindesten für möglich gehalten haben. Auch sonst bringt er be-
kanntlich oft die ältesten Nachrichten. Wenn nun, wie es der Fall,
sämmtliche Berichte die Vulgata aufweisen, so möchte man von vorn-
herein über ihr Alter nicht zu günstig urtheilen.
§ 2. Die Vulgata.
£b würde zwecklos sein, alle einzelnen Zeugnisse fOr die Tra-
dition zusammenzuBtellen, welche wir bei Schriftstellem zweiten Ban-
ges finden« Ich werde mich daher im Folgenden überall an die
Hauptpunkte der Tradition selbst halten.
Ich setze die Ausbildung derselben und ihre litterarische Fixi-
mng auf Grund des ersten Abschnittes in die Zeit nach Fabius. Es
fragt sich nun, wann ist sie abgeschlossen?
Das Fragment des Ennius:
Qua Galli furtim noctu summa arcis adorti
Moenia, concubia, vigüesque repente cruentant,
welches Macrobius (I 4) aus dem VU. Buch der Annalen citirt und
dessen Beziehung auf die Eroberung Roms im J. 364 a. u. nur durch
die Aenderung von VII in im möglich wird^^), ist auf jeden Fall
*') ^gl- Vahlen quaest. p. XLV und rel. p. 28. Die Aenderung ist
eine leichte. Aber ich kann Vahlen nicht beistimmen, dass, wenn die
Besiehung des Fragments richtig iat, die Abweichung der Ennian. Dar-
stelltmg von der Livianischen eine unbedeutende sei (p. XLV). Ennios
h&ite stark übertrieben -~ und nicht zu Gunsten der ROmer.
Jahrb. f. clMf. PhU. Snppl. Bd. XI. n;.;.;.S. k CjOOQIc
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114 Georg Thouret:
zu dürftig, als dass wir daraus ersehen könnten, in wie weit Ennius
bereits der Tradition gefolgt ist.
Haben wir unter dem bei Appian de reb. Gall. fr. 6 (Becker
S. 39) auftretenden Kaücioc 6 PuijiiaToc^) den Cassius Hemina zu
verstehen, was man im Allgemeinen geneigt ist anzunehmend^), so
wäre Hemina der erste, bei dem wir Spuren der Vulgata direkt naeh-
weisen können. Das betreffende Fragment erzählt die wunderbare
That des Fabius Dorsuo. Auch schliesst man weiter, dass Appian
nicht blos diese Stelle, sondern die ganze Partie aus Hemina ent-
nommen, und Appian kennt die Tradition in ihrer yollen Ausbildung
(vgl. Fragm. 1). Diese Annahme bleibt bei dem Stand der Ueber-
Ueferung zweifelhaft
Die Fragmente der Schriftsteller aus der Oracchischen Periode
geben uns keinen Anhalt^pimki Dagegen können wir mit voller
Sicherheit behaupten, dass in Sullanischer Zeit die Vulgata fertig
ist. Ich meine hier nicht sowohl das Zeugniss des von Plutarch
(Num..l) citirten *KXi£)biöc Tic*, der *dv dX^TXH* XP^viwv' die Ältere
römische Geschichte wegen des gallischen Brandes für gänzlich un-
sicher erklärte, von dem man aber sonst nichts weiss ^), als vielmehr
die Fragmente des Claudius Quadrigarius, von denen sich die auf die
gallische Katastrophe bezüglichen mit Livius vollständig decken.^^)
Ja, wir können sogar noch einen Schritt weiter zurückgehen, wobei
uns wiederum der Erummstab des Bomulus leiten wird.
In den Praenestin. Fasten steht bei a. d. X KaL Apr. : (C. I. L. I.
p. 316): tubil — (feriae) Marti hie dies apellatur ita quod in atrio
sutorio tubi lustrantur quibus in sacris utuntur. Lutatius quidem
clavam eam ait esse in ruina Pala(ti in)censi a Gallis repertam qua
Bomulus urbem inauguraverit. Diese Fabel hängt so innig mit der
Tradition zusammen, dass wir beide nicht trennen dürfen. Auch
wenn die Anknüpfung erst ein späteres Machwerk sein sollte (vgl.
ob. S. 112), so muss doch die TJeberlieferung des gallischen Brandes
schon existirt haben. Ich stimme Peter durchaus bei, dass unter
diesem Lutatius — Lutatius Catulus zu verstehen sei (rell. p. 194
fr. 11).«») Dieser tödtete sich selbst im J. 667 a. u. (87).^) Mir
scheint hiemach das Besultat unzweifelhaft zu sein, dass die Anna-
listen der SuUan. Zeit die Tradition ausgebildet vorÜEuiden und dass
die litterarische Fixirung derselben in den Ausgang des VI. Jahr-
hunderts d. St. zu setzen ist.
^^ So die Handschr. Die Aendenmg Kdccioc stammt von Valesius,
vgl. Schweigh. I p. 81. — *•) Z. B. H. Peter p. 101 fr. 19, vgl. Mommsen
a. a. 0. S. 628 u. 648. — •^) Peter trennt (p. CCXXXXV) diesen Clodius
von Quadrigarius auf Grand von Cic. de le^. 1 2, 6 (wonach er älter ist
als Sempr. Asellio); Unger dagegen identificirt beide nach dem Yoiffange
von Niebnhr und Schwegler (vgl. ünger: die röm. Quellen des Livius in
der 4. n. 6. Dekade; Pbilologus 1878 8. Supplementband 2. Abth. S. 12).
— «») Vgl. Peter p. 206 ff., namentl. No. 4, 6, 6. — «•) Vgl. auch Momm-
sen a. a. 0. S. 627 A. 3. — «^) Die Stellen siehe bei Peter p. CCLXXI not. 4.
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üeber den gallischen Brand. 115
§ 3. Die Bericlite.
Oelegentliche Darstellangen bei Dichtern (z. B. Ovid Fast VI
351 ff«), Gommentatoren (wie Servius ad Aen. VIII 672) und Spe-
dalschriftstellem (wie Frontin strat. U 6, 1; in 13 1; 15, 1) über-
gehe ich.^) Bemerkenswerthe Abweichungen werden an ihrer Stelle
verwerthet werden. Ich wende mich nunmehr zu den Historikern.
Eigentliche Berichte oder doch Fragmente von solchen finden
sich bei folgenden Schriftstellern:
LiyiuSj Florus, dem sog. Anrelius Victor, Eutrop, Orosius, Diodor,
Dionjs, Flutarch, Appian, Dio Cassius, Zonaras. Diese Zahl ver-
ringert sich aber sofort für die weitere Betrachtung. Zonaras nftm-
lieh können wir Yon vornherein von der Debatte ansschliessen, da er
lediglich Plutarchs Biographie des Camillus ausgeschrieben hat.^)
Die Fragmente Dios femer (Beck. p. 23 fr. 25) decken sich bis auf
ganz geringfügige Abweichungen so vollkommen mit Livius, dass
wir auch Dio bei Seite lassen dürfen. Endlich, da es sich um die
Berichte über die gallische Verwüstung handelt, so scheiden auch
Aurelius und Eutrop, welche davon nichts berichten, zunächst aus
der Betrachtang aus. Es bleiben somit übrig: Diodor, Livius, Dionjs,
Appian, Flutarch, Florus, Orosius. Aber auch diese Beihe dürfen
wir noch verkürzen. Man könnte zu der Untersuchung Feters über
Plutarchs Camillus^) noch Manches hinzuftlgen: das Resultat der-
selben aber, dass Flutarch aus Dionys, vielleicht zum Theil aus Li-
vius^ geschöpft hat, kann als feststehend bezeichnend werden.
Vergleicht man weiter Dionys -Flutarch mit Livius, so kann
auch darüber kein Zweifel bestehen, dass bei beiden nur ein Bericht
zu Grunde liegt. Da es mir hier nur darauf ankommt^ das Quellen-
verhSltniss in grossen Zügen zu bezeichnen, so brauche ich nicht
auf die schwierige Frage einzugehen, wo Antias und wo Macer die
Quelle ist Soviel steht nach den Untersuchungen von Nitzsch^)
und Glason^) fest, dass Dionjs -Flutarch und Livius in den unsre
Frage angehenden Fartieen Schriftstellern der Sullanischen Zeit ge-
folgt sind.
Was femer Florus anbetrifft, so zeigt sich hier besonders deut-
lich, dass die gewöhnliche Ansicht, er sei ein Ausschreiber des Li-
vius, unrichtig ist Auf der andern Seite aber ist zuzugeben, dass
die geniale Darstellung des Livius einen unverkennbaren Einfluss in
der späteren Litteratur behauptet. Hinsichtlich des gallischen Brandes
^*) Kaom erw&hnenswerth sind die unglaublichen Fabeleien eines
Poljaen (VIII 26, 1, vgl. Lewis II S. 272). — •») JedenfaUs bringt Zo-
nana sor Sache nichts Neues, worauf es hier nur ankommt. — ^ Die
QaeUen Plutarchs etc. S. 17 ff. — "^ Für das sinnlose 'KaTaKoXouey|cavTi'
in Flut. Cam. 6 wird man kaum eine andere Erklärung finden vlLb die
fiilsche Uebeisetzung des Liyian. ^prosecuisset' (V 21) a« proseoutus esset
— ••) Vgl. Böm. Ann. S. 168. — ") Rom. Gesch. II S. 66 — 88.
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116 Georg Thonrei:
deckt sich Florus mit Livius yollkommen. Orosius endlich folgt zum
Theil dem Florus. Was er anders oder mehr als dieser bringt, findet
sich bei Livius wieder.
So bleiben schliesslich als die drei Hauptetappen Diodor, Appian
und Livius -Plutarch übrig.'®)
Auf den ersten Blick schon theilen sich diese Schriftsteller in
zwei scharf geschiedene Gruppen. Auf der einen Seite steht Diodor
allein, auf der andern alle übrigen. Geben wir den unterschied
nach den Hauptdifferenzpunkten an, so kennt Diodor nicht
1. Die Gesandschaft und das darauf folgende Eriegstribunat
der drei Fabier;
2. Die volle Ausbildung der Camillussage.
Auf der andern Seite lassen sich zwei Recensionen unterscheiden:
Appian — und Livius -Plutarch.
Das VerhältnisB dieser drei Etappen wird durch ein Beispiel
am deutlichsten werden. Das schlagendste ist die Gesandschafk
nach Clusium und das Schicksal der Gesandten.
a. Diodor XIV 113, 6 ff.
Die Bömer schicken zwei Gesandte nach Clusium, um Kund-
schaft über die Gallier einzuholen. Die Boten mischen sich dort
in den Kampf. Einer von ihnen tödtet einen gallischen Anführer,
worauf die Gallier die Auslieferung des Missethäters vom Senat
verlangen. Der Senat bietet zunächst Geld als Sühne an. Als dies
zurückgewiesen wird, beschliesst er die Auslieferung. Der Vater
des Auszuliefernden jedoch bewirkt einen das Votum des Senats
cassirenden Volksbeschluss. (Namen werden nicht genannt.)
b. Appian de reb. GalL fr. 2 u. 3.'*)
Bei ihm erscheint schon die Vulgata. Drei Fabier werden
auf das Hülfegesuch der Clusiner an die Gallier abgesandt Die
weitere Entwicklung ist dieselbe wie bei Diodor. Dann aber be-
schliesst der Senat nicht mehr förmlich die Auslieferung, und weiter
werden die drei Fabier zu Kriegstribunen gewählt. Worin unter-
scheidet sich nun Appian von Livius?
1. Er sucht den Völkerrechtsbruch zu mildem und zu entschul-
digen. Die Hülfesendung wird bei ihm begründet: (fr. 2) oö TrdXai
bk o\ KXoucivoi TwjLiaioic ävcnovbox T€TOVÖT€c in auroöc Kax-
^(puTOV. Femer werden bei ihm die Fabier nicht den Galliern zum
Hohn zu Tribunen gewählt, sondern damit man sie nicht auszuliefem
brauche. A. sagt (fr. 3): x^ipoTOVoOci toöc Oaßiouc i-nx t#|v
^^ So will ich diese Recension bezeichnen, da Livius durch Dionys-
Plutarch ergänzt wird, die Fragmente des Dionys aber an dieser Stelle
nnbeiücksichtigt bleiben dürfen, da die auf die Zerstörung bezüglichen
Stöcke der Erzählung völlig verloren gegangen und. — ^') Diese Stellung
Appians hat zum ersten Mal Mommsen, dem ich folge, deutlich gemacht,
vgl. d. Nachtr. S. 620 n. 643.
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Ueber den gallischen Brand. 117
iTifjciov dpx^v xtXtdpxouc, Kai toic Trpecßcuouci toiv KcXtuiv £<pacav
ov buvacOai vOv oub^v ic touc Oaßiouc äpxovrac f{br\. toO
b* i7ri6vTOC ?TOUC f^K€lV ttUTOÜC, ÖV ?Tl jLlTlviuiClV, dK^XcUOV.
2. Appian hat einen Zng nur noch mit Diodor gemeinsa^i, näm-
lich den Yersnch des Senats, die Gallier durch Geld zu beschwich-
tigen (fr. 3). Endlich bringt er Notizen von frischer ürsprüngliohkeit;
z. B. sucht sich nach ihm Brennus für die Botschaft an den römischen
Senat die iSngsten tmd gewaltigsten Gestalten aus (a. a. 0.)J')
c. Livius-Plutarch.
Hier tritt nun der grenzenlose Hochmuth der Bömer den Bar-
baren gegenüber unverhüllt zu Tage. Die Bömer befehlen einfach
den Galliern, von Clusium abzustehen, obgleich, wie Livius (V 35, 4)
ausdrücklich sagt, Clusium in keinem Bundesverhältniss zu Bom
stand. Die Ernennung der drei Fabier zu Kri^stribunen ist ein aus-
gesprochener Hohn gegen die Gallier (Liv. Y 36, 10; Flut Cam. 18).
Dieses Beispiel genügt, die Stellung der drei Gruppen zu ver-
anschanlichen. Die Quelle Appians hatte bereits die ausgebildete
Ynlgata vor sich. Die Darstellung aber verrSth eine ältere Epoche
der römischen Annalistik als die ist, welcher die Quelle von Livius-
Plutarch angehört. Diodors Bericht repräsentirt die iQteste Fassung.
§ 4. Der sogenannte gaUisclie Brand.
Diodors Bericht ist auch hier der kürzeste und einfachste. Er
sagt (XIY 116, 6): t(| T€T<ipTq b* i\Viip(f. TVÖVTCC Tf|V dXrjeeiav
(nämlich, dass die Stadt ohne Yertheidiger sei), rdc Te TTuXac il-
eKO^Hiv xal Tf|v iröXtv dXujLiaivovro x^P^^ öXitiüv oktuiv dv Tip
TToXaTi^i-
Hält man sich streng an die Worte, so spricht er überhaupt
von keinem Brande; dXu)LiaivovTO heisst nur: ^sie verheerten' die
Stadt. Und da er später beim Wiederaufbau sagt (o. 116, 8): tujv
yjiv oiKiOüV KaT€CKamu^vuJv (aedibus dirutis), so könnte man daraus
folgern, Diodors Quelle habe sich die Zerstörung der Stadt als ein
Niederreissen und Einrennen mit Mauerbrechern vorgestellt.'*) Da
nun Diodor die älteste Tradition vertritt, so hätten wir immerhin
kein Becht, die eingebürgerte Yocabel ^gallischer Brand' fernerhin
zu gebrauchen. Ich für mein Theil möchte die Worte Diodors bei
ihrer ausserordentlichen Knappheit nicht derartig pressen, — denn
^') Auf der andern Seite erscheinen bei ihm offenbare XJebertreibun-
gen. So tödten die drei Fabier iroXXoCic KcXtCjv (fr. 3), oder gar iroXO
ffXifOoc (fr. 2). — ^") Mommsen spricht sich auch im Nachtrag nicht
denthch darüber aus, was er eigentlich vom sogen. ^Gall. Brande' hSIt.
Seine Worte (S. 587): ^Es folgt Schleifung der Häuser und die Yerhee-
nmg der Stadt durch die Fremden' geben genau den Diodor. Bericht
wieder, den M. allerdings von vornherein als den 'relativ reinsten' be-
zeichnet (8. 616). Aber das ist ja gerade die Frage!
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HS Georg Thonret:
sonet könnte man mit demselben Rechte die gleich darauf folgenden
Worte (c. 115, 6) pressen, woraus sich dann die ungeheuerliche Vor-
stellung ergäbe, dass die Gallier in wenigen Tagen die Stadt flugs
eingerissen hätten und dann erst zu der Belagerung des Kapitels
geschritten wären.^^)
Einer Vocabel wegen habe ich diese Arbeit nicht unternommen.
Um aber gegen jeden Vorwurf gesichert zu sein, will ich erst die
Verbrennung und dann die Niederreissnng Roms als unhaltbar naeh>
zuweisen yersuchen.
§ 5. Der Brand.
Die ersten Worte des 1. Fragments von Appian enthalten in
nuce die vulgäre Tradition: KeXroi Twjiiaioic dTrexetpticav TrpuiToi,
Kttl TfjV 'PUJ)LIT1V elXoV aV€U TOO KaTTlTUlXlOU Koi i|LiTr€7rpTiKaci.
Ich gehe nun näher auf das Einzelne ein:
1. Veranlassung des Brandes.
Die Gallier finden die Thore offen und kommen in eine ver-
lassene, freiwillig geräumte Stadt (Liv. V 41, 4; Flut Cam. 22 in.;
Flor. I 7, 14; Oros. H 19 Hav. p. 67; Zon. VII 23). Livius, Flu-
tarch, aus ihm Zonaras (alle a. a. 0.) haben übereinstimmend die
bekannte Erzählung, dass ein vorwitziger Gallier den M. Fapirius,
einen der in der Stadt zurückgebliebenen Greise, am Barte zupft.
Als dieser dem Frechen dafür einen Schlag mit seinem Stabe giebt,
werden alle Greise ermordet, Flünderung imd Brand beginnen. Auch
Florus (a. a. 0.) sagt, dass ^e Niedermetzelung der Greise das Signal
zum Anzünden der Stadt gewesen sei. Orosius (a. a. 0.) endlich
widerspricht dem nicht, nur verzerrt er das Entsetzliche zum Ab-
surden, indem er die Alten sämmtlich noch durch das Feuer um-
kommen lässt.
Das Ergebniss ist: die Anzündung Borns ist der freie Wille
der Gallier. Sie betreten, wie Livius sagt, sine ira, sine ardore ani-
morum die Stadt, die sie dann aus üebermuth und Flünderungssucht
an allen vier Ecken anstecken.
2. Zeit und Dauer des Brandes.
Nach allen Berichten beginnt der Brand gleich am ersten Tage,
üeber die Dauer wird nichts Bestimmtes gesagt. Nach dem Erfolg
zu urtheilen muss das Feuer tagelang gewüthet haben.
3. Erfolg des Brandes.
Nach Flutarch Cam. 31 ist so ziemlich Alles verbrannt. Da
die Römer später die Mauern wieder aufbauen müssen (c. 32 med.
'^) Anders sind die folgenden Worte nicht zu verstehen: . . . TToXariip*
ficxA bi TaOxa irpocßoX&c iroioOiiievoi xae' ^m^pav irp6c 6xv)poüc Tdirouc,
o<)hbf ixiy dßiöXoTOv ^ßXaTrrov loijc öirevovrCouc, laurCOv bi iroXXoOc dir-
^ßaXXov kt£. Die öxi^pol TÖiroi können nur das Eapitol sein.
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Ueber den gallischen Brand. 119
ygL Zon. YII 23 extr.), so sind also auch diese zerstört. Sicher un-
versehrt* blieb nur der Erummstab des Romulus (c. 32 extr.).
Dieselbe Ausdehnung giebt Florus der Zerstörung. ^ Er sagt
(I 7, 14): facesque tectis iniciunt ^t totam urbem igni ferro manibus
ezaequant
Orosius äussert sich ebenso (II 19). In seiner Weise malt er
in düsteren Farben ein grauenvolles Bild der Verwüstung.
LiviuB ist in sich widersprechend. Nach der eigentlichen Dar-
stellung brennt Alles nieder. Die Bömer auf dem E^apitol hören
das Prasseln der Flammen, das Dröhnen der einstürzenden Häuser
(Y 24; 4). Das Endergebniss ist: omnia flammis ac minis aequata
(y 42, 7; 48, 2). Später aber fordert Camillus ndt flammenden
Worten die Seinigen auf, ^im Angesicht der fana deorum' tapfer zu
kämpfen (Y 49, 3). Damach müssen einige Tempel stehen geblieben
sein (ygL auch Y 50, 2; 6), womit auch stimmt, dass es von Ca-
millus heisst (49, 4): instruit aciem, ut loci natura patiebatur, in
semirutae solo urbis.
Endlich versammelt sich gleich in den ersten Tagen nach dem
Abzüge der Feinde der Senat nach altgewohnter Weise in der hosti-
lischen Kurie (c. 55, 1), welche an der Nordseite des Forums stand. ^^)
Sie ging bei der Leichenfeier des Clodius i. J. 703 a. u. zu Orunde^®),
— der gallische Brand verschonte sie.
Ziehen wir ab, was auf Bechnung der Schilderung zu setzen
ist, so verbrannte Stadt und Mauer mit Ausnahme einiger Gebäude.
4. Der Wiederaufbau.
Liv. YI 3, 6 : intraque annum nova urbs stetit.
Plut. Cam. 32 med.: dvTÖc Top ^viauroO X^T^Tai KaiW|
dvacrfivai ndXtv (daraus Zon. YII 23). Man gab von Staatswegen
Ziegel her (tegula publice praebita Liv. Y 55, 2). Jeder konnte bauen,
wo er Lust hatte (ebd. 55, 4). Die Folge davon war, dass die Strassen
krumm und schief wurden und dass die alten Kloaken nicht mehr
den Strassen folgten, sondern zum Theil unter den Häusern weg-
liefen (65, 5).
Das ist der uns vorliegende Bericht — , glänzend ist er nicht'')
Meine Taktik wird nun nicht darin bestehen, dass ich Alles
zusammensuche, was nach der späteren üeberlieferung noch vom
ältesten Bom bis auf die letzten Zeiten der Bepublik oder bis zum
") Vgl. Becker Top. 8. 284. — '•) Die Stellen bei Becker Top. S. 310
Anm. 645. — ^0 Diejenigen Widersprüche, welche lediglich Livianisch
sind, habe ich gänzlich übergangen: Die Stadt ist nach Livins (V 41, 6)
leer und todtenstill. Nur die Greise sitzen in den Vestibülen ihrer Häuser.
Sie werden erschlagen, — also ist eigentlich nun Alles menschenleer!
Trotsdem heisst es e. 40, 10: post principum caedem nulli deinde mor-
talinm parci. Wo kommen diese Sterblichen her? vgl. auch c. 42, 4.
Aehnlich äussert sich übrigens Plut. Cam. 22 eztr.
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120 Georg Thouret:
Brande unter Nero erhalten blieb. Nur eins möchte ich von Born
von vornherein retten — und zwar die Mauern.
Erstens konnte Feuer den gewaltigen Mauern des Servius oder
gar dem colossalen Wall auf der nordöstlichen Seite ^^) kaum etwas
anhaben. Femer ist es eine Thatsache, dass Born von der Könige
Zeiten bis auf Aurelian keine neuen Mauern erhalten hat^^) Die
Servianischen sind auch heut noch erkennbar. Man darf auch nicht
Stellen wie die folgenden für die Tradition anführen:
Liv. VI 32, 1: (Es wird ein tributum ausgeschrieben) in mumm
a censoribus locatum saxo quadrato faciendum; oder
Liv. YU 20, 9 : legionibusque Bomam reductis relicum anni muris
turribusque reficiendis consumptum.
Dies sind wirklich alte, echt historisch klingende Angaben. Aber
jene Stelle gehört ins J. 376 a. u., diese 401 a. u. Nach der ersten
hätten also die Bömer erst zwölf Jahre nach dem Brande angefangen,
die Mauern wieder aufzubauen, was undenkbar ist. Es handelt sich
vielmehr in diesen Stellen um Itefectionen, welche natürlich wieder-
holt nöthig wurden, denen wir auch später noch begegnen^), und die
erst aufhören, *als kein Hannibal mehr vor den Thoren zu fürchten
war'.«^)
Da nun Plutarch der einzige ist, welcher von einer Zerstörung
der Mauern spricht, so werden wir aus den angeführten Gründen
berechtigt sein, sein Zeugniss zu streichen.^^)
Ich frage nunmehr: Welche Bedeutung hat der Brand in der
Geschichte der unmittelbar folgenden Zeit? Ist dieses tief einschnei-
dende Ereigniss historisch, so muss es Spuren seiner Bedeutung
selbst in der verworrensten üeberlieferung zurückgelassen haben.
Dies ist nun nicht der Fall.
Erwähnt wird der gallische Brand im Folgenden noch mehr-
fach, insofern vom Wiederaufbau der Stadt die Eede ist (Liv. VI
4, 4; 5, 1; 5, 5; 11, 9). Aber eben der Wiederaufbau spielt gar
keine Bolle.
Es ist die allgemeine, von den besten Schriftstellern bezeugte^'),
und somit nicht zu bezweifelnde Üeberlieferung^ dass Bom nach dem
Abzüge der Gallier von seiner Höhe heruntergeworfen ist und von
allen Seiten bedroht dasteht. Volscer, Etruscer, Latiner, Hemiker
greifen sofort zum Schwert (Liv. VI 2). Dabei kann es dahin ge-
stellt bleiben, ob gerade diese Namen richtig sind. Als Tag der Allia-
schlacht ist der 18. Juli überliefert. Die Occupation der Stadt dauert
") Vgl. Becker Top. S. 171; Jordan Top. d. St. R. I S. 214. — '») Vgl.
Becker Top. S. 182; Jordan I S. 201 flF., bes. S. 340 u. A. 1. — •<>) Z. B.
im J. 540 a. u. Liv. XVI 7, 3: creati sunt quinque viri muris et turribus
reficiendiß. — •*) Becker Top. S. 183. — «») Zon. VII 23 extr. ist kein
zweites Zeugnisa, da er Plut. ausschreibt. — *') Ich erwähne nur Polyb.
I 6; n 18 u. Varro d. L 1. VI 18 M. p. 80.
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Ueber den gallischen Brand. 121
sieben Monate^); mithin werden die Römer ungefthr im Frül\jahr
wieder Herren ihres Vaterlandes. Das astronomische Jahr stinunte
damals ziemlich genau mit dem kalendarischen zusammen.^) Man
ging also einem Sommer entgegen. Sollen wir annehmen, die Feinde
hfttten mit ihrem Angriffe so lange gewartet, bis Rom wieder auf-
gebaut war? Vielmehr erscheint denn auch Camülus in den Kapitel.
Fasten sowohl wie in den Berichten der Schriftsteller sofort nach
dem Abzüge der Gallier als Dictator (IQ). Die Stadt ist ein Schutt-
haufen \md doch heisst es von Camülus (Liy. VI 2, 6): iustitioque
indicto dilectum iuniorum habuit, ita ut seniores quoque, quibus
aliquid roboris superesset, in verba sua iuratos centuriaret. exercitum
conscriptum armatumque trifariam divisit. Also die Bömer stellen
zu gleicher Zeit drei Heere auf, — mit der verbrannten Stadt im
Bücken. Ebenso heisst es weiter (VI 4, 1): Camillus in urbem
triumphans rediit, trium simul bellorum victor. Und wie wenn der
Schriftsteller sich plötzlich erinnerte^ dass ja in Bom gebaut werden
mÜBste, lässt er nun Alles mit emsigem Eifer bauen (VI 4, 6). Die
grösste That, welche die Bömer jemals vollbracht — mit einer ver-
brannten Stadt im Rücken drei Feldzüge zugleich zu führen — sie
verschwindet unmerklich in römischer Tradition.
Ich muss gestehen, wenn die Römer, wie es historisch ist, im
Besitz des unversehrten und (nach Diodor XIV 115, 2) neubefestigten
Veji waren, als dieser Sturm losbrach, so ist es fast unglaublich, dass
sie die Brandstätte der Veste vorzogen. Wenn man einwendet: Mie
Römer sind wahrscheinlich erst dann definitiv nach Rom zurück-
gekehrt, nachdem sie sich etwas Luft nach Aussen gemacht', — so
wirft man die Berichte um, — und weiter will ich nichts.
Einen Ausweg gibt es! Man könnte argumentiren: die andern
St&dte sind vermuthlich auch zerstört worden und mussten also
ebenso wie Rom erst wieder aufgebaut werden. — Nun ist es aber
höchst auffallend, dass von den Städten ringsum keine fiaktisch zer-
stört worden zu sein scheint. Alle diejenigen, welche vor der gallischen
Invasion eine Rolle spielen, treten auch nachher sofort wieder auf.
Von den Städten auf dem rechten Tiberufer kann man absehen, da
sich der Verstoss der Gallier auf dem linken gehalten zu haben
scheini^^ Wichtiger sind die Städte in der unmittelberen Nähe
Roms. Nach unsem Berichten sind sie unversehrt, wie
Bolae Liv. VI 2, 14.
Antium „ „ 6, 4; 9, 1.
Satricum „ „ 7, 1.
Ciroeji „ „ 12, 6.
»*) Resp. nach Varro (vgl. ob. S. 111) 6 Mon.; Servius ad Aen. VIII
e62 giebt sogar 8 Mon. an. Doch hat der gute Cd. Guelferbyt. I nicht
octo sondern 'cnmque', woraus man auch quinque lesen könnte. — ^^ Vgl.
Mommaen: B. Ghron.' S. 202/8. — ^') Seit Clusium, welches auf dem
rechten Ufer liegt
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VI 21, 9.
122 Georg Thouret:
Velitrae Liv. VI 12, 6.
LanuYinin „ ,; 21, 2.
Praeneste
Tuscnlnixi
Gabii
Labici
8 Stftdie, Praeneste unterthan 29, 6.
Setia 30, 9.
Ecetra 31, 5.
Wozu man noch Ärdea aus der CamiUnssage hinzuftlgen kann. Ja
bei Varro^^ befindet sich sogar das winzige Ficulea, drei Million von
Born, unter den Gegnern. Es muss also auch unversehrt geblieben
sein, worüber sich schon Niebnhr wunderte.®^
Wie soll man sich dies Alles zusammenreimen? Nach Liyius
freilich ist Alles in Ordnung. Er erzählt nSmlich: Als die Gallier
von Clttsium aufbrachen, um Rom zu züchtigen, da wSre ein ge-
waltiger Schrecken durch alle Stftdte gegangen; überall hätte man
sich bewa&et, um wenigstens das Leben zu vertheidigen. Die Gallier
aber hätten die GemOther beruhigt und bekannt gemacht: Bomam
se ire (magno clamore significabant Liv. 37, 5). Genau dasselbe sagt
Plutarch Cam. 18 (dßöwv dtri Tf|v 'Pi(l^T^v TTopeueceai Kai mövoic
TToXe^eTv 'Plü^aiolC, touc b* dXXouc q>iXouc itricTacOai). Da nun
Camülus später die Gallier bis auf den letzten Mann vernichtet, so
wäre die Möglichkeit gegeben, dass sie keine Stadt weiter zerstörten.
Aber wer wird Livius dies glauben? Es klingt gerade so, wie wenn
Jemand die Soldaten Till/s auf ihrem Zuge gegen Magdeburg Mani-
feste modemer Kriegführung unter die Bevölkerung ausstreuen liesse.
Gewiss sengen und brennen die Gallier, — genau so wie die Bömer.
Damit ist aber noch nicht gesagt, dass sie auch Bom verbrannten,
ebensowenig wie die Römer Veji sofort dem Erdboden gleichmachten.
Wenn ich durch die bisherige Darstellung die üeberzengun^
bei dem Leser habe hervorrufen können, dass es mit den vorhandenen
Berichten über den gallischen Brand überraschend traurig steht, —
so habe ich erreicht, was ich wollte. Nunmehr stelle ich diesen vul>
gären Bericht dem des Poljbius gegenüber.
Ich frage: Warum verbrennen die Gallier Bom? Aus Bache!**).
Warum belagern sie also das Eapitol? Folgerichtig — um es aus-
zuplündern und ebenfiJls zu zerstören. Nun, ist es wirklich denk-
bar, dass die Gallier in den ersten Tagen nach der Einnahme die
Stadt ausplündern und anzünden — und dann sieben Monate lang
das Eapitol belagern? Ja, ich fi-age sogar: Konnten sie überhaupt
das? Es sei mir eine Parallele gestattet Im J. 69 p. Chr. nehmen
die Truppen des Antonius Primus Cremona mit Sturm und ver-
•») De 1. 1. VI 18 M. p. 80. - ••) B. G. U S. 640 Anm. 1267. —
^*) Ich folge hier der Tradition.
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Ueber den gallischen Brand. 123
brennen die Stadt bis aaf einen einzigen Tempel^ der ausserhalb der
Bingmaner stand (Tbc bist. III 33); die Locaütät mass also ähnlich
ausgesehen haben wie in Born. Gemordet wurde wenig oder gar
nicht (ebd. c 34). Was war nun die Folge? Nach wenigen Tagen
schon mussten die Soldaten die Brandstätte räumen. Tacitus sagt
(c. 35 in.): ceterum adsidere sepultae urbis nimis noxia tabo humus
haud diu permansit! Die Grallier aber sollen sieben Monate lang, zum
Theil in der heissesten und ungesundesten Jahreszeit^) auf der Brand-
stätte gehaust haben, ringsum Yon Feinden umgeben und noch mit
dem Ballast der Beute beschwert. Mir scheint dies geradezu eine
physische Unmöglichkeit zu s^. Die Einäscherung Roms ist nur
zu verstehen, wenn die Gallier die Stadt ausplündern, vielleicht einen
Sturm auf das E^apitol versuchen, die Stadt an allen vier Ecken an-
zOnden, die Beute aufpacken — und weiter ziehen. Damit haben sie
ihren Zweck erreicht, wenn ihr Zug ein Bache- und Baubzug war.
Die Polybianische Angabe einer siebenmonatlichen Occupation der
Stadt lässt sich damit nicht oder doch nur in höchst gezwungener
Weise vereinigen. Da nun PoL kein Wort von einer Verbrennung
Boms sagt, so sind wir berechtigt, hier einen Widerspruch zu con-
statiren. Ist dem so; dann müssen wir eine Entscheidung treffen,
und da zweifle ich keinen Augenblick, mich für Polybius zu ent-
scheiden.^^)
§ 6. Die Niederreissnug Roms.
Die physische Unmöglichkeit verschwindet zum Theil wenigstens,
wenn wir annehmen, die Gallier hätten Bom nicht verbrannt, sondern
niedergerissen. Da sich diese Annahme nur auf den absoluten Wort-
laut Diodors stützen würde, so habe ich das Becht zu prüfen, ob
sich dieser Wortlaut mit den Consequenzen deckt, welche jene An-
nahme nothwendig nach sich zieht.
Wir sind zunächst gezwungen, Diodor insofern zu berichtigen,
dass eine Niederreissung Boms in wenigen Tagen ein Unding ist.^)
Femer: worauf beruht die Bedeutung einer antiken Stadt, — worauf
die Bedeutung Boms? Auf seiner Mauer. Will man eine antike Stadt
zerstören, so muss man die Mauern niederreissen, wie wir dies aus
^ Die ungesundeste Jahreszeit war im alten Bom schon die Zeit
von Juni bis Mitte October. Im August erreicht das Malariafieber seinen
Höhepunkt, vgl. Jordan Top. I S. 143. Jordan sieht in der alten ^pesti-
lentia' eine pernieiöse Form der Malaria (a. a. 0. S. 160). — **) In an-
derem Zusammenhang verwirft Ihne (R. G. I S. 229} die sieben Monate.
Er sagt: 'wir irren wohl nicht, wenn wir diese Berechnung herleiten
aus dem jedenfalls erdichteten Triumph, den Camillus mi Februar
des folgenden Jahres, also sieben Monate nach der Schlacht an der AUia
fefeiert haben soll'. Mir scheint umgekehrt das Datum des erfundenen
'riumphes (Plnt. Cam. 30) nach den sieben Monaten erfunden za
sein. — Lewis (Liebr.) II S. 276/77 hat den Widerspruch deutlich gefühlt.
— »«) Vgl, ob. S. 118 Anm. 74.
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124 Georg Thouret:
zaMreichen und berühmten Beispielen deuüich erkennen. Wollen
also die Gallier Born wehrlos machen, so müssen sie die Mauern ein-
rennen, unglücklicherweise sagt nun aber gerade Diodor das nicht,
sondern er spricht bei Gelegenheit des gar nicht knappen Berichts
über den Wiederaufbau (XIV 11 6^ 8 u. 9) durchaus nur von nieder-
gebrochenen Häusern und von wiederaufgebauten Strassen. Die
Mauern kommen bei ihm überhaupt nicht vor. Also gerade da^ wo
es darauf ankommt, sagt er das Falsche! Femer haben wir gesehen,
dass die Mauern jedenfalls stehen geblieben sind. Auf der andern
Seite kommt mir die Vorstellung ungeheuerlich vor, dass die Gallier
sieben Monate das Eapitol belagern und während dessen ein Gebäude
nach dem andern demoliren. Da scheint mir die Brandfackel der
Situation viel besser zu entsprechen. Endlich liegt den Worten
Diodors (115, 6) keine Andeutung eines systematischen Zerstörungs-
werkes, sondern offenbar dieselbe Vorstellung zu Grunde, welche alle
Berichte durchzieht: nämlich die einer sofortigen, gewaltsamen Ver-
wüstung, wozu das Element des Feuers nöthig ist
So werden wir die Niederreissnng Boms nicht aufrecht erhalten
können, wenn wir die Verbrennung verwerfen.
§ 7. Der Wiederaufbau.
Hätte Diodor wirklich eine ganz andere Vorstellung von der
Zerstörung der Stadt als Liyius, so würde dies für ein hohes Alter
seiner Quelle sprechen. Wie wir gesehen haben, ist diese Ansicht
nicht durchführbar. Aelter ist Diodor jedenfalls. Wie schüchtern
tritt bei ihm die Verwüstung Boms auf: dXu^aivovTO Tf|V ttöXiv
Xujpic öXiTWV oUiAv tv Tt?» TToXaTiip, — gegen die grossartige
und breit ausgefUhrte Schilderung des Livius. Hier hatte die
Phantasie den freiesten Spielraum, und sie hat ihn gründlich aus-
genutzt.
Wenn aber etwas geeignet ist, uns gegen ein sehr hohes Alter
der Quelle Diodors skeptisch zu stinmien, so ist es sein Bericht über
den Wiederaufbau der Stadt. Wir finden ihn, um einige gleichartige
Glieder erweitert, vollständig bei Livius wieder. Was. aber die Haupt-
ursache ist: Diodors Bericht besteht bereits aus Versuchen, spätere
Zustände in den baulichen Verhältnissen Boms durch den flüchtigen
Aufbau zu erklären. Er erzählt (XIV 116, 8): 'Da die Häuser in
Trümmern lagen und der grösste Theil der Bürgerschaft umge-
kommen war, gaben die Bömer Jedem, der bauen wollte, die Er-
■ laubniss zu bauen, wo es ihm beliebte; man gewährte von Staats*
wegen Ziegel (ö»i|uiociac Kepajiiöac), a1 |li^xp* toO vOv noXiTiKai
KaXoCvrai. Als nun Jeder nach seinem GefÜlen baute, so geschah
es, dass die Strassen eng und krumm wurden; daher konnte man
aach später dieselben nicht wieder gerade machen'. Vergleichen wir
damit Livius, so erscheinen auch bei ihm ' Staatsziegel' — tegula
publice praebita est (V 55, 3); auch er sagt: festinatio curam ezemit
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üeber den galUBclLeiL Brand. 125
vicos dirigendi (55, 4). Er fügt nun noch hinzn (55, 5): ea est
caoBa, nt veteres doacae, primo per pubHcnm dnotae, nnnc privaia
paBsim subeant tecta, formaqne nrbis sit ocoupatae magis quam di-
▼isae similis. An frttheren Stellen hatte er bereits die Namen der
Oerüichkeiten doliola (V 40, 8) nnd busta GaUomm (48, 3) auf den
gallischen Brand znrttckgefdhrt.
Dass die Strassen des republikanischen Roms eng nnd kromm
waren, ist gar nicht zn bezweifelnd^); dass die Kloaken theilweis
unter den Hftasem wegliefen wird eine thatsttchliche Beobachtung ge-
wesen sein; dass man in Rom von tegulae resp. figlinae publioae
sprach, kann durchaus als richtig anerkannt werden, ohne dass deas-
halb die gallische Yerwttstung ein historisches Faktum zu sein braucht.
Wie viele solcher etymologischen Erklärungsversuche giebt es nicht
in der römischen Literatur, — und wie willkürlich sind die An-
kn11{rfungen dergleichen thatsächücher Verhältnisse der Gegenwart
an Vorgänge alter und uralter Zeit Sehr häufig — und das ist der
beste Beweis für die Unzuverlässigkeit — existiren verschiedene
Deutungen. So weicht Varro in der Erklärung der busta Gallorum
von liivius ab^), und obgleich er in Bezug auf die doliola wörtlich
mit ihm übereinstimmt, so giebt er doch zwei Erklärungen von der
Entstehung des Namens, von denen keine sich mit der des Livius
deckt und keine an den gallischen Brand anknüpft.^^) Wie frei in
dieser Beziehung die Fabelsucht schaltete, dafür haben wir ein an-
deres schlagendes Beispiel. Es gab ein römisches Sprüchwort des
Sinnes: sexagenarios de ponte deici oportere. Varro versucht das-
selbe zu erklären^*), einen zweiten Versuch finden wir bei Festus.^')
Aber erst bei Festus erscheint die Anknüpfung an den gallischen
Brand: nämlich dass man nach demselben aus Mangel an Lebens-
mitteln die alten Leute von 60 Jahren in den Tiber geworfen habe,
wovon Varro noch keine Silbe sagt®*) — Endlich, was den Wieder-
aufbau betrifft, so haben wir ein directes Zeugniss gegen Livius
und Diodor. Wer unbe&ngen diesen Fragen gegenüber steht, wird
nicht leugnen, dass zwischen den KepapT&€C noXiTiKai bei Diodor und
den tegulae publicae bei Livius ein unverkennbarer Parallelismus zu
Tage tritt, ^tegulae' können nur Dachziegel sein, also werden wir
naturgemäss unter K€pafAtb€C dasselbe verstehen.^^) Nun hat uns
der Zufall aber ein ganz positives Zeugniss des Nepos erhalten (bei
Pliniu6n.h. XVI 10, 36), dass Rom bis zum Kriege mit Pjrrhus,
470 Jahre lang nach seiner Gründung mit Holzschindeln gedeckt
**) Das beste Zeugniss ist Cicero contra Bull. IT 85, 96. — ^) De
1. L V 167 M p. 61. — •») De 1. 1. a. a. 0., vgl. Liv. V 40, 8 (Varro: ubi
non licet despuere; Liv.: ubi nunc despui religio est). — •') Bei Non.
p. 358 (8. V. Bexagenarios per pontem). — ®^) P. 334 M. (s. v. sexagena-
rioe). — *^ Üeber die zahlreichen Sagen, welche sich an die gallische
Katastrophe knüpften resp. geknüpft wurden vgl. Sohwegl. 111 S. 259 ff.;
Lewis n S. 866 u. A. 109. — ^) Vgl. dagegen Mommsen a. a 0. S. 586 A. 1.
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126 Geoig Thonret:
gewesen ist W&re Diodors Bericht Fabisch, so wüsste man {Üglicb
nicht, wie Nepos zu dieser ganz bestimmten Angabe käme , die sich
mit den Worten des Fabius, des ältesten Annalisten, nicht vereinigen
Hesse. Da wir aber die Quelle Diodors nicht kennen, so werden wir
keinen Augenblick Bedenken tragen ^^), das Zeugniss des Nepos als
glaubwürdiger anzuerkennen, wodurch freilich der Glaube an ein
hohes Alter des Diod. Berichts stark erschüttert wird.
Ich foimulire schliesslich das Besultat dahin: dass die vor-
handenen Berichte über den Wiederaufbau der Stadt nur geeignet
sind, uns in dem Zweifel an dem Faktum der Zerstörung überhaupt
zu bestärken.
IIL
Die Lösung.
Die siebenmonatliche Occupation der Stadt verträgt sich meiner
XJeberzeugung nach nicht mit einer wüsten Plünderung und Zer-
störung Roms. Abgesehen von Allem andern spricht hierfür die merk-
würdige Erscheinung, dass, wo in der Vulgata die Zeitdauer der
Occupation angegeben wird, dieselbe offenbar zum üebrigen nicht
passt. Diodor und Livius haben hierüber keine bestimmten An-
gaben ^^^), ebensowenig die fragmentarisch überlieferten Berichte der
Historiker. Die Dauer der Occupation wird bestimmt verzeichnet nur
bei Plutarch und Florus, wozu wir noch Servius fügen können.
Orosius wiederholt nur den Florus in solchen Angaben.
Plutarchs Darstellung ist in der Partie, welche uns hier angeht,
geradezu identisch mit der des Livius. So berichten auch beide ein-
stimmig, dass die Gallier gleich in den ersten Tagen Bom anzünden.
Da Alles verbrannte, erzählt Livius (V-42 ff) weiter, so wurde auch
das Getreide vernichtet, welches in der Stadt aufgespeichert lag. Da
die Bömer aus den in unmittelbarer N&he gelegenen Feldern soviel
Getreide wie möglich nach Veji geschafft hatten, so trat bei den
Galliern sofort Mangel ein, und sie mussten einen Theil ihrer Mann-
schaft auf Fouragiren ausschicken.
Plutarch müsste streng genommen ebenso erzählen, da genau
dieselben Elemente bei ihm zu Grunde liegen. Nun kennt er aber
die siebenmonatliche Occupation der Stadt (vielleicht nach Dionys.,
vgl. Garn. 28, 3; 30, 1), und diese so historisch klingende Angabe
will er verwerthen^ deshalb sagt er (c. 23, 1): iflc bk TroXiopKiac
fiflKOC XajaßavoucT]C diriciTiciüioO toTc faXdiTaic f bei. Man muss Livius
zugeben, dass^ wenn die Stadt verbrannte, auch das Getreide ver-
brannte. Damit Plutarch Becht habe, muss man zu den aller-
trivialsten Annahmen seine Zuflucht nehmen: z. B. die Gallier hätten
WO) Ich verweiae auf Jordan Top. I 8. 683 A. 61. — *®*) Ich erinnere
daran, dass Diodor auch diese so bestimiiit lautende Angabe (7 Monate bei
Polybius) zufilllig ausgelassen haben mflsste, wenn er aus Fabins schöpfte.
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üeber den gallischen Brand. 127
Getreideyorrath auf Monate mit sich geführt; oder, sie hätten erst
das Getreide in Sicherheit gebracht, ehe sie die Stadt ansteckten.
Bleiben wir lieber bei nnserm Livius. DentHch erkennen wir,
dass hier nnr ein ursprünglicher, poetisch gefärbter Bericht vorliegt,
der sich um genaue Daten gar nicht kümmerte, und dass die sieben
Monate, welche Plutarch nebenher bringt, ein heterogenes Element
bilden.
Florus giebt wie Varro die Dauer der Occupation auf 6 Monate
an (I 1, 15).^^) Nun ist es bezeichnend, dass er bei dieser Angabe
selbst stutzt Vorher hat er die Ermordung der Greise geschildert,
dann fiLhrt er fort: facesque tectis iniciunt et totam urbem igni ferro
ezaequant. sex mensibus barbari — quis crederet? — drca mon-
tem unum pependerunt etc. Offenbar fdhlt er, dass Beides schlecht
zuRammenstimTnti. Wenn die Gallier die Stadt plündern und ver-
brennen, so ist es unverstSndlich, dass sie sechs Monate vor dem
Burgfelsen liegen bleiben. •
Auch bei Servius endlich (ad Aen« VUI 652) können wir eine
Art von Compromiss erkennen. Er folgt hier ganz der vulgären
Tradition, und er verbindet damit die Angabe einer achtmonatlichen^^^)
Occupation in der Weise, dass er sagt: cimcta vastarunt octo integris
mensibus, adeo ut quae iucendere non poterant, militari manu
diruerent solo remanente Capitolio. Somit lässt er, eigentlich ab-
weichend von den andern Berichten, die Zerstörung acht Monnte
dauern. ^^)
Fassen wir diese Sachlage ins Auge, so scheint mir der Schluss
unvermeidlich zu sein, dass die dauernde Occupation der Stadt einem
andern Gedankenkreis angehört als die Plünderung und Verbrennung
Borns. Die gsdlische Verwüstung ist eine Folge der vulgären Dar-
stellung der gallischen Invasion als eines Bachezuges. Fassen wir
also das üebel an der Wurzel an und fragen wir: Wie steht es mit
dem Bachezuge?
Wie ich bereits bemerkt habe, stimmt Diodor auch darin mit
der allgemeinen römischen Tradition überein, dass die Senonen den
Kern des gallischen Heerhaufens bildeten (XIV 113; 4). Er giebt
ihre Zahl auf 30,000 junger Mannschaft an. Ehe sie sich auf Bom
stürzen, ziehen sie von allen Seiten Verstärkungen an sich, so dass
ihre Zahl schliesslich 70,000 übersteigt (114, 1). Ich muss ge-
stebn, die Vorstellung, dass sich 70,000 Gallier auf Bom stürzen,
um den Todtschlag eines ihrer Anführer zu rächen, hat etwas Fabel-
haftes« Ich will keineswegs leugnen, dass durch einen Vorgang der
Art, wie die Vulgata erzählt, die Blicke der Gallier auf Bom gelenkt
worden sind, ich will auch nicht mit allgemeinen Erwägung^i die
"«) Nach ihm Oros. II
)llt sich die Sache o£Eenbar ebenso "^
iena sex menaibuB* spricht.
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"«) Nach ihm Oros. II 19 Hav. p. 68, wovon ^äter. — "») S. oben
Anm. 84. — '^^) Grosius stellt sich die Sache o£Eenbar ebenso vor, da er
von einer 'captivitas desaeviena sex menaibua' spricht.
128 Georg Thouret:
Tradition angreifen, — sondern ich gehe anch hier auf Polybins
zurück, um zu prüfen, wie sich seine Darstellung zu der Vulgata
verhält. Ich behaupte, dass seine wenigen Worte genügen, diese
Frage zu entscheiden.
Wollten die GkQlier weiter nichts, als Rom verwüsten, so haben
sie ihre Absicht erreicht, selbst wenn das Eapitol verschont blieb.
Wir sahen nun schon oben (S. 101), dass gerade da, wo Polybius die
Boier und Insubrer die Thaten ihrer Vorfahren preisend aufzählen
Iftsst, der Haupterfolg — die Zerstörung Borns — mit keiner Silbe
erwähnt wird.
Fragen wir weiter, von wem die Verhandlung wegen Räumung
der Stadt ausgeht, so läset Diodor genau so wie z. B. Livius^^) die
Römer die Initiative ergreifen. Halten wir uns streng an den Wort-
laut des Polybius, so gewinnt die Sache ein ganz anderes Ansehen.
Wenn er an der eigentlichen Stelle der Erzählung^^) sagt: T^vofi^vou
b* dvTicirdc^aTOc kqI tujv Oöcv^tujv ^lüißaXövTUJV clc T^jv x^Pöv
auToiv, TÖT€ jutv TroiTiC(i|i€VOi cuvBfJKac irpdc *PuJ^a{ouc Ka\ Tf|v
iröXiv diTobövrec diravfiXeov clc -rfiv oUclav (H 18, 2) und n 22, 3:
T^Xoc ^6€Xovt\ Kai jacrd xdpixoc irapabövrec Tf|v ttöXiv kt^., so
sieht es ganz so aus, als hätten die Gallier aus eigner Initiative den
Römern einen Vertrag angeboten. Hiermit stimmt vollkommen, dass
Pol. (I 6) von den Römern sagt: t€v6jli€V01 irdXiv dveXfrCcTwc
Tf^c Traxpiboc iTKparctc, — sie hatten also fiaktisch die Hoffnung
bereits aufgegeben, was sich mit der gewöhnlichen Version nicht
verträgt.^^^) Ich lege auf diese Differenz nur deshalb Gewicht, weil
sie ein helles Licht auf eine zweite, viel wichtigere wirft. Ich habe
im ersten Abschnitt (ob. S. 108 ff.) ausgeführt, dass nach Diodor wie
nach der gesammten späteren Tradition die Unmöglichkeit, das
Kapitel zu erobern, die Gallier geneigt macht, auf den angebotenen
Vertrag einzugehen, während sie nach Polybius durch den Einfall
der Veneter in ihr Heimathland veranlasst werden, freiwillig die
Stadt zu räumen. Ich halte dies für einen Grundwidersprach zwischen
Polybius und der Vulgata. Nun sieht man aber woM, dass die er-
wähnte Differenz in Bezug auf die Verhandlungen mit diesem Wider-
spruch eng zusammenhängt. Denn: lag die Stadt in Trümmern und
weilten die GhtUier Monate lang auf der wüsten Stätte, so konnten
sie füglich weiter nichts mehr wollen, als das Eapitol einnehmen.
Scheiterten alle Versuche in dieser Richtung an der Tapferkeit der
"*) Diod. XIV 116, 7; Liv. V 48, 7; Plut. Cam. 28 etc. — "•) Dies
mu8S man immer festhalten. Massgebend kann allein die eigentliche
Stelle der Erzählung sein. Man diuf also nicht geltend machen, dass
Pol. I 6, 2 sagt: irp6c oÖc (seil. foX.) iTOir)cdjLA€voi 'Pui^ofioi cirovMc kt^.
Denn hier recapitnlirt er vollständig aus dem Gedächtniss. — ^^') Ebenso
verstand Strabo die Worte des Polybms, Er sagt (VI 4, 2 p. 287): . . . cuv^ßn
bi\v iröXtv aiq>vi6{uic diroßoX^v irapd t^v äirdvruiv böEav, irapd 5öSav
T^ Kai diro\a߀tv.
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üeber den gallischen Brand. 129
Römer, so war das Verlassen der Stadt eigenüioh nicht mehr ein
freiwilliges, sondern ein halberzwungenes nnd zugleich ein Ein-
gestft&dniss ihrer Inferiorität. Ich will nicht geltend machen^ dass
bei Poljbius von einer Berennung des Eapitols keine Bede ist, ob-
gleich dieselbe in der That imnöthig war, da die kleine Besaitung
droben dem Hungertode verfiel; falls sie nicht die üebergabe vor-
zog, und letztere konnte nur eine Frage der Zeit sein. Aber betonen
dürfen und müssen wir, dass Polybius bei dem Vertrage durchaus
nur von der freiwilligen Zurückgabe der Stadt spricht.
Folgte Polybius einem Autor gallischer Nation, so könnte man
meinen, dass dieser einen möglichst wenig compromittirenden Grund
aufstellen wollte, warum seine Landsleute ihre Beute fahren Hessen,
und dass er das Verlassen der Stadt als einen durchaus freiwilligen,
man möchte sagen, beinahe grossmüthigen Akt darstellte, — aber
Polybius hat eine römische Quelle vor sich, und zwar Fabius! Man
wird zugeben, dass der Beiioht des Fabius ftlr die Bömer ungünstiger
lautet als die Vulgata! Ja aber wie? War der Zug der Gallier
gegen Rom ein Rachezug, — hatten sie Rom ausgeplündert und
zerstört, belagerten sie sieben Monate das Eapitol, um es auch aus-
zuplündern und zu zerstören, — scheiterte dieser Versuch, ihren
Rachedurst bis auf das Aeusserste zu befriedigen und sassen sie
endlich auf einem Trümmerhaufen — , dann ist der Grund, den die
Vulgata für ihre Bereitwilligkeit, abzuziehen, giebt, dtirchaus, ja
allein zutreffmd. Ist diese Sachlage historisch, dann ist es voll-
kommen unverständlich^ wie ein römischer Annalist, d. h. wie Fabius
eine andere Darstellung geben konnte und gab.
Bedenken wir dies Alles, stützen wir uns auf den Wortlaut bei
Polybius, machen wir geltend, dass sich bei ihm nirgends auch nur
die leiseste Andeutung davon findet, dass die Stadt zerstört worden:
80 wird der Schluss berechtigt sein, dass Polybius eine von der ge-
wöhnlichen gänzlich abweichende Auffassung von dieser gallischen
Invasion gehabt hat, nämlich die, dass die Gallier eine dauernde
Occupation der Tiberveste versucht, aber nicht haben durchführen
können« Ist dem so, dann wird Jeder einräumen, dass die Gallier
die Stadt, welche ihnen ohne Schwertstreich überlassen wurde, weder
angezündet noch demolirt haben werden.
Mit dieser Auf&ssung decken sich die Worte des Polybius voll-
konmien. Bei dem Vertragschluss spielt nun selbstverständlich das
Kapitol gar keine Rolle, sondern die Stadt und durchaus nur die
Stadt. Die Gallier stehen hier mitten imter Feinden. Das nahe
und feste Veji ist in den Händen der Römer.^^) Der vorgeschobene
Posten am Tiber ist also keineswegs ungefährdet Als nun die Ve-
neter die heimathlichen Sitze der €külier bedrohen, diese also Gefahr
^^) Man könnte wohl fragen, warum denn die* Gallier in ihrem
Rachezuge nach der Zerstörmig Roma nicht nach Veji weiterstürmen.
J»hrb. f. cUm. Phil. Suppl. Bd. XI. ..„..?.. GoOQIc
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130 Georg Thonret:
laufen, ihre eichere Basis zu verlieren, da entschliessen sie sich, den
Posten wieder aufzugeben, laden an Beute auf, was sie fortschleppen
können, lassen sich für die Bückgabe der Stadt noch ein beträcht-
liches Lösegeld zahlen und ziehen ab. Die Römer lassen sie ruhig
und unbehelligt abziehen, froh, ihre Stadt wiederzuerhalten, woran
sie schon verzweifelt hatten, da die Occupation der Stadt Seitens
der Gkkllier in einen dauernden Besitz überzugehen drohte.
Die gallische Bewegung ist eine Yölkerbewegung, eine Flutb,
welche jenseits der Alpen beginnend (Pol. 11 19^ 1) Italien über-
schwemmte bis zur Südspitze ; wo wir die Gallier in den Söldner-
verkehr des Mittelmeers eintreten sehen. Es w&re eine kleinliehe
Auffassung; wollte man in dieser Yölkerfluth weiter Nichts als Banb-
und Plünderungszüge erkennen. Die Kelten wollen nicht blos rauben
und plündern, sondern vor allen Dingen Wohnsitze erkämpfen.
Der Anfang in den Berichten über diese erste Invasion ist
überall gleich, üeberall treten die Gallier landfordemd au£*^)
Auch sonst erscheinen sie als höchst politische Köpfe. ^^^) Den Tenor
hält allein Polybius fest. Bei den übrigen Schriftstellern verdrängt
das Gefühl für die Schmach, welche diese Barbaren der göttlichen
Roma anthun, alle andern Ueberlegungen. Es kann historisch sein,
dass sich Clusium an Rom um Hülfe vrandte — es zeugt dies für
die damalige Machtstellung der Römer — , es ist möglich, dass da-
durch die Gallier auf Rom besonders aufmerksam wurden. Aber
wenn sie Land fordern, — so verschmähen sie schwerlich eine gut-
befestigte Stadt Die Gallier wohnen in Städten; die Insubrer gründe-
ten das feste Mediolanum^^^), die Boier galten als Gründer von Laus
Pompeia^^^), und wenn dieselben Yölkerschaffcen im Verein mit den
Senonen die Stadt Melpum, welche in der Poebene lag, zerstörten ^^^j,
so folgt daraus weiter nichts, als dass sie die ihnen feindlichen Städte
zu brechen suchten, genau so, wie die Römer Fidenae dem Erdboden
gleichmachten. ^^^) Von einer Eroberung Clusiums verlautet nichts:
dagegen sehen wir, dass die Gallier sich sammeln, um den Haupt-
stoss gegen die Hauptmacht zu führen. Sie überrennen im ersten
Ansturm die gesammte römische Macht ^ die Römer räumen das
"<»•) Diod. XIV 118, 3; Liv. V 36, 3; Flut. Cam. 16, 1 (Zon. VII 23);
App. fr. 2; Dio Cass. fr. 26; Flor. I 7, 6; Aur. V. 23, 6. — "«) Nach
Liv. V 36, 8 brechen sie z. B. sofort die Schlacht gegen die Clusiner ab,
als bekannt wird, dass die römischen Gesandten sich am Kampfe be-
theiligt haben. — *") Liv. V 34, 9; Plin. n. h. III 17, 124. Strabo, viel-
leicht durch die Angabe des Pol. (II 17), da&s die Gallier xard Kuü^ac
wohnten, verleitet meint (V p. 213) freilich, dass Mediol. in alter Zeit
eine foJj^r] gewesen sei (vOv 6* diiöXovov ttöXiv). Vielmehr war die
Stadt ein fester Mittelpunkt, denn die Römer müssen es i. J. 632 a. ii.
erobern (Pol. II 34 eztr. Entr. III 6) vergl. Forbiger Hdb. der alt. Geogr.
III S. 662 A4. — *^*) Plin. n. h. III 17, 124. In den Itinerarien heisst
die Stadt nar Laus; seit Pompeius Strabo ein röm. Monicipium erhielt
sie d. Kamen Laus Pomp., vgl. Forbiger III S. 667 Anm. -~ "") Plin.
n. h. m 17, 126. - "*) Liv. IV 34.
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üeber den gallischen Brand. 131
linke Tibemfer und überlassen die Stadt, ohne den geringsten Wider-
stand zu versuchen y den Feinden. Offenbar sind sie völlig conster-
nirt gewesen. Nun haben aber die Gallier doch, was sie nur wün-
schen können — eine colossale Festung und das umliegende Land.
Die kleine Besatzung auf dem Kapitel kommt gaiiiicht in Betracht:
sie ist zum Hungertode pr&destinirt.
Sollen wir diese, ich möchte sagen so naheliegende Auffassung
deshalb aufgeben, weil die spfttere Tradition von einem Baohezug
spricht? Der Grundgedanke, welcher der Yulgata diese Fassung
gegeben^ ist klar: Roms Besiegung und Zerstörung ist ein von den
Göttern gewolltes und daher unabwendbares Yerhftngniss. ^^^) Der
Zorn der Götter, nicht der Arm der Barbaren schlSgt die römischen
Waffen zu Boden. Nun mussten dem entsprechende Frevel und der
schuldige Theil erfunden werden. Und ich möchte sagen, die Ten-
denz steht dieser Erfindung nur zu deutlich auf der Stirn geschrieben:
denn im letzten Grunde tragen die Eomitien die Schuld, die stim-
mende Bürgerschaft, wahrend der Senat von jeder Verantwortung
frei dasteht
Dem Einwand, der gegen eine versuchte Occupation Roms durch
die Gallier gemacht werden könnte, dass dieselben die schädlichen
klimatischen Verhältnisse hätte kennen müssen, kann man entgegen-
halten, dass sie zum ersten Mal in diese Gegenden kamen. Wenn,
schliesslich geltend gemacht werden sollte, dass die spätere Karte
keine Spur einer gallischen Ansiedlung in diesen Gebieten zeige, so
ist darauf zu erwiedem, dass nach den Worten des Polybius die
Gallier eben wieder abgezogen sind.
Der Grund und Boden, auf dem ich fhsse, ist und bleibt Poly-
bius. Es gehört eine unnatürliche und gewaltsame Interpretation
dazu, seine Worte mit der Vulgata in Einklang zu bringen. Da-
gegen deckt sich meine Auf&ssung mit eben diesen Worten ohne
Zweifel besser. Alle inneren Gründe endlich, das wage ich zu
behaupten, sprechen durchaus itir diese Auffassung.
Es wäre thöricht und vermessen, leugnen zu wollen, dass bei
der Besetzung und schliesslichen Plünderung Roms irgend etwas ver-
brannt oder zerstört worden ist. Ich formulire schliesslich das Re-
sultat der bisherigen Untersuchung dahin, dass wir nach Lage der
Quellen, auf Grund der ältesten und besten derselben berechtigt
sind, den gallischen Brand als solchen und die Zerstörung Roms aus
der Geschichte zu streichen.
"•) Liv. V 61, 7 ff. Plnt. Cam. 18. Flor. I 7, 8. 18. Oros. II !•
(p. 68), ebenso sagt Herodot VIII 68: €6€C jap xard t6 Ocoirpömov irAcav
Tfiv 'Attiici?|v tV|v kv T^ i^ireipip Tcv^c6ai imö TTIpcir}a.
Digi?z?dby Google
132 Georg Thouret:
IV.
Dio Tradition und ihre Entatehnng,
Der kurze Bericht Diodors ist deshalb von der grössten Wich-
tigkeit, weil in ihm noch von keiner Verarbeitung der Tradition mit
dem übrigen Stoff der Erzählung die Bede ist Wir sehen, dass
Diodor über die Zerstörung Roms nur einen Satz bringt, w&hrend
er den Wiederaufbau viel ausführlicher behandelt. Bei den Späteren
dreht sich dies Verhältniss geradezu um. Die Verwüstung wird mit
immer reicherer Phantasie im Detail ausgemalt, die Farben werden
immer dicker aufgetragen: halten wir die kurze Notiz Diodors neben
das düstere Gemälde bei Orosius, so bekommen wir einen Begriff
dayon, wie die Phantasie in solchen Dingen schaltet und waltet. Der
umgekehrte Fall zeigt sich beim Wiederaufbau. Hier konnte der
phantasiereichste Kopf Nichts ausmalen; im Gegentheil: fUr die
Schriftsteller der Eaiserzeit hatten die Details der Restauration kein
Interesse mehr. Während wir daher bei Livius noch den Bericht
Diodors um einige gleichartige Glieder erweitert finden , begnügt sich
schon Plutarch mit allgemeinen Bedensarten, und Florus sagt bereits
weiter Nichts, als dass die Stadt wiederhergestellt wurde (I 7, 19),
was selbstverständlich war.
Die Hauptsache bei Diodor ist der Wiederaufbau der Stadt
und nun ist es sehr beachtenswerth, dass derselbe einfach in die
Erzählung eingeschoben ist Ich meine: nach Diodor ziehen die Gal-
lier ab, bauen die Römer durchaus ungestört ihre Stadt wieder
auf (XrV 116, 7 ff.), — und nun erst beginnen die Kriege mit den
Nachbarn. Hier warten also die Feinde mit ihrem Angriff wirklich
so lange, bis Rom wieder steht, was unverständlich ist Hätte Dio*
dor die gewöhnliche Tradition von den gleich folgenden Volscer., Ae-
quer- und Etruskerkriegen nicht, dann liesse sich nichts gegen seine
Darstellung einwenden. So aber erheben sich die begründetsten Be-
denken dagegen.
Die späteren Quellen schoben die Kriege und den Wiederaufbau
zusammen und versuchten eine Verarbeitung, freilich ohne viel Ge-
schick imd Glück, wie wir oben gesehen haben (vgl. S. 121).
Eine Erklärung zu geben, wie die Tradition vom gs^ischen
Brande entstanden ist, ist ein äusserst schwieriges Problem, dessen
Lösung über den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinaus-
geht Die Aufgabe ist deshalb so schwierig, weil wir sofort die Ca-
millussage in die Betrachtung hineinziehen müssten, denn Beides
gehört meiner Ansicht nach innig zusammen. Camillus ist ein ^ali^
Ramulus' und zwar im vollsten Sinne des Wortes. Denn er hat nicht
allein Rom gerettet und die dem römischen Namen angethane
Schmach an den Galliern gerächt, sondern er hat die Stadt zum
zweiten Mal erbaut ^^^), und, wie Florus (I 7, 17) in bombastischer
"•) Liv. V 66, 1; Flut. Cam. 81 med.; Flor. I 7, 19 etc.
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üeber den gallischen Brand. 133
Weise sich ausdrückt, alle Spuren des Brandes durch die Ströme
yon Eeltenblut verwischt
Camillus, diese an Ehren und an Siegen reichste Gestalt der
römischen Geschichte, ist bis jetzt immer noch in ein undurchdring-
liches Dunkel gehüllt. Dies liegt zum grossen Theil daran, dass
wir in der That nur einen einzigen Bericht über ihn in der römi-
schen Litteratur besitzen« Wäre Plutarchs Biographie aus andern
Quellen geschöpft als der Bericht des Liyius, so würde sich viel-
leicht das Dunkel irgendwo tiellen. Bei dem Stand der üeberliefe-
rung jedoch ist kaum zu hoffen , dass dies jemals geschehen werde.
Niebuhr hielt die Camillustradition für eine alte schöne Sage.
Aber gerade der Punkt, den er geltend macht, dass nämlich die
Weigerung des Camillus, die ihm angetragene Dictatur zu über-
nehmen, ehe Senat und Bürgerschaft zugestimmt hätten ,. — für ein
hohes Alter der Erzählung spreche ^^^, scheint mir eher für das
Gegentheil geltend gemacht werden zu müssen. Sieht dies nicht den
so zahlreichen andern staatsrechtlichen Deductionen, welche die ältere
und älteste römische Geschichte nach höchst späteren Gesichtspunk-
ten ummodelten, auf ein Haar ähnlioh? Dergleichen klingt re-
flectirt, aber nicht ursprünglich. Femer, wenn etwas wie alte Sage
klingt, so ist es die packende Scene zwischen Camillus und Bren-
nus auf dem Forum, — und diese ist eine ziemlich junge Erfindung.
Wie ungefähr die römische Sagenbildimg vorging; davon giebt der
nächste Schritt in der Camülussage ein schlagendes Beispiel. Bei
Festus finden wir^^^ die gewöhnliche Erzählung, welche an das be-
rühmte Wae victis' anknüpft. Aber die Fabel ist bereits um ein
Glied erweitert Festus berichtet nämlich: Brennus wird gefangen
genommen; als er sich nun seinerseits über den Vertragsbruch be-
schwert, stösst ihm Camillus das Schwert in die Brust mit den Wor-
ten: ^vae victis'. Hiemit macht man einen dicken Strich durch das
schöne Gemälde bei Livius. — Camillus ist eine durch und durch
aristokratisch-patricische Gestalt Erst in zweiter Linie kann man
ihn den glänzendsten Repräsentanten des Bömerthums nennen. Seine
Geschichte ist vorwiegend im Interesse der Partei des historischen
Bechts gezeichnet.
Ich beabsichtige nun keineswegs, in eine eingehende Unter-
suchung der Camillustradition einzutreten: es sei mir aber gestattet
auf Grund der vorangegangenen Betrachtung eine kurze Andeutung
zu geben, nach welcher Richtung hin mir die Lösung des Räthsels
zu liegen scheint Ich erkläre jedoch ausdrücklich, dass die folgen-
den Bemerkungen weiter Nichts sein wollen und sein sollen als ein
Gedanke, als eine Hypothese^ welche einfach fallen muss, sobald
wichtige Instanzen gegen sie sprechen.
Ist meine Auffassung der ersten gallischen Invasion richtig, so
»^ E. G. II S. 617. — "«) S. 372 M.
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134 Georg Thouret:
stand Rom einmal vor der Alternative, die Stätte aufgeben zu müssen,
an welcher der Staat haftete. Von dieser Alternative hat sich in
der Vulgata eine Spur erhalten, — ich meine die heissen Debatten
über die Frage ^ ob man Bom aufgeben und nach Veji übersiedebi
solle. Diese Debatten treten bekanntlich zweimal in der Ueberliefe-
rung auf: gleich nach der Eroberung von Veji und nach dem Ab-
züge der Gallier. ^^') Veji sollte für immer aufhören, eine Rivalin
Roms zu sein, — aber es wurde nicht sofort zerstört. Die Stadt
war (woran zu zweifeln kein Grund vorliegt) viel prächtiger und ge-
diegener gebsuit als Bom^^); es klingt daher gamicht unglaublich,
wenn eine Partei, natürlich die plebejische, nach der Vernichtung
der Vejenter, vorschlägt, zum Theil nach Veji überzusiedeln. Die
Macht der Patricier hing an den Auspicien, diese an Rom, — ver-
liess man Rom, so war ihre rechtliche Macht dahin, und die phy-
sische besassen sie nicht. Mag Camillus gewesen sein, wer er wolle,
es ist glaublich, dass er die Einigkeit herstellte^ denn es ist öfter
vorgekommen, dass ein grosser römischer Feldherr auch über die
Comitien commandirte. — Da besetzen die Gallier Rom! Auf dem
Kapitol haben wir uns hauptsächlich Senatoren und überhaupt Pa-
tricier zu denken. Florus giebt (I 7, 18, danach Orosius 11 19 p. 67)
die Stärke der Besatzung auf kaum 1000 junger Mannschaft an.
Woher er diese Zahl hat, ist nicht ersichtlich. Mag sie richtig sein
oder nicht, jedenfalls stimmt sie zu der allgemeinen üeberüeferung,
dass der bei Weitem grössere Theil des geschlagenen Heeres sich
nach Veji rettet."^) Wie sieht es nun mit Rom aus? Das Unglück
hat den Plebejern das in die Hände gespielt, was sie vorher nicht
erreichen konnten: Sie sind in Veji, — die Häupter der Altbürger-
schaft auf dem EapitoL
Die Gallier ziehn wieder ab. Nun erscheint zum zweiten Male
die Frage, ob man in Rom bleiben oder nach Veji wandern soll.
Man ist nur zu geneigt **^), hierin eine Absurdität übermalender Ge-
schichtsschreibung zu sehen, und es ist bekannt, wie wenig auf der-
gleichen Debatten bei Livius zu geben ist. Ich will auch nicht das
Detail derselben vertreten. Aber sehen wir allein auf den Grund-
gedanken, so entspricht die Tradition, ein klein wenig anders ge-
wendet, genau den thatsächlichen Verhältnissen. Die Frage ist nicht
die, ob man nach Veji auswandern solle, sondern vielmehr: wie
bringen wir die Plebejer aus Veji nach Rom zurück? Man muss
sich nur vorstellen : die Leute hatten sich häuslich in Veji eingerich-
tet und sieben Monate dort zugebracht. Ja, da die Occupation der
Stadt durch die Gallier eine dauernde zu werden drohte, so musste
man sich mit dem Gedanken vertraut machen, das römische Staats-
"») Liv. V 24, 4 ff. u. 49, 8 ff - "<») Liv. V 24, 6; Plut. Cam. 31;
Aur. Vict. 23, 10. — "') Diod. XIV 116, 2; Liv. V 38, 6; Plut. Cam.
18 extr. — »**) Vgl. Mommsen a. a. 0. S. 687.
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Ueber den gallischen Brand. 135
wesen fiiktisch von Rom zu trennen! Jetzt sollen sie nnn aus dem
schönen Veji wieder nach Born zurückkehren, Vo die Gallier Alles
geraubt, Alles zerschlagen, — Alles verbrannt hatten'. Jemand,
der diese Debatten ausftlhrte, konnte sie fCLglich so sprechen lassen.
Die Patricier konnten Rom wegen der Auspiden nicht aufgeben, —
ohne Plebejer aber nicht existiren. Hier war guter Bath theuer.
Wenn je ein Qamillus in die Vaterstadt zurückgerufen wurde,
so war es in diesem Moment Er allein konnte seinen alten Solda-
ten von Yeji und Falerii her Vernunft beibringen, er allein konnte
sie nach Rom zurückbringen, — und er brachte sie zurück, bis auf
wenige, welche man spfiter halb mit Gewalt holen musste (Liv. VI 4, 5).
Hier ist meiner Ansicht nach der Punkt, wo die Ausbildung
der Vulgata ansetzte. Zwei Elemente sind in ihr unverkennbar, ein-
mal das Bestreben, die Schmach, welche dem römischen Namen an-
gethan war, als göttliches Strafgericht darzustellen, und zweitens
der Ruhm des Camillus, des Betters und Rächers des römischen
Namens. Für die Bömer, welche Karthago und Hannibal besiegt,
welche die Könige des Ostens demüthigten, musste es nich nur be-
schämend, sondern geradezu unglaublich klingen, dass zwei Jahr-
hunderte früher ein Haufe von Barbaren nicht nur die ganze römi-
sche Macht mit einem Schlage vernichtete, sondern sogar Bom dem
Abgrund nahe brachte, nicht mehr Bom zu sein. Wir werden es
verstehen, dass die römische Tradition diesen Abgrund mit aller
Macht zaschaufelte. Die Niederlage an der Allia konnte man nicht
beseitigen. Aber für das Gefühl eines Bömers war es zu viel, dass
faktisch die Stadt den Galliern abgekauft worden sein sollte. Gegen
die Brandfackel der barbarischen Horden war nicht zu kämpfen; dass
Bom verbrannte war an und für sich kein Schimpf, denn auch Athen
wurde von den Persem zerstört. Man rettete aber von der Ehre
wenigstens etwas, wenn man nun die Gallier vergeblich das £[apitol
bestürmen liess, so dass ihr schliesslicher Abzug wie eine Nieder-
lage aussah. Dieselben Götter endlich, welche Bom gestraft, sie be-
wahrten die Stadt vor dem Aeussersten durch die Wachsamkeit der
heüigen Gänse und die Tapferkeit des Manlius.
Wenn man so die historische Wahrheit poetisch bis zur Un-
kenntlichkeit umgestaltete, so war es natürlich, dass die Gestalt des
Camillus inuner mehr und mehr von Phantasiegebilden umsponnen
wurde. Nach meiner Auffassung ist er der Better Borns insofern,
weil er die Einigkeit innerhalb der Bürgerschaft wiederherstellte,
weil er die Gegensätze auf dem segensreichen Boden eines echten
PatriotlBmus neutralisirte^^^); in der Tradition überwog das angeb-
'**) Aur. Vict., dessen kurze Bemerkungen hier sich alle im Livius
wiederfinden, sagt merkwOrdigerweise nur Folgendes (d. v. ill. 23, 8):
Victores Galli m'bem intravermit, ubi nobilisaimos senum in curolibus et
honorum insignibus, primo ut deos venerati, deinde ut homines diBj>icati
interfecere. Beliqua iuventus cum Manlio in CapitoUum fugit, ubi ob-
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136 Georg Thouret:
liebe Verdienst, Bache an den Barbaren genommen zu haben, und
in immer steigendem Masse überwucherte nun die Sage das Histo-
rische an seiner Persönlichkeit. Mit der Zeit wurden ihm mehr und
mehr Triumphe angedichtet, so dass zuletzt Wahrheit und Dichtung
zu einem poetischen Qesammtbilde verschmolz. Der Buhm , ein zwei-
ter Bomulus im vollsten Sinne des Wortes zu sein, bildet die Krone
dieses Wunderbaumes.
Dass diese wunderbaren Gebilde in die römische Litteratur ein-
mal eingeführt, Eigenthum derselben blieben, wird Niemand Wun-
der nehmen, besonders da der grossartige Stoff die geniale Feder
eines Livius fand. Denn gewiss wird Jeder Niebuhr zugeben, dass
Livius' Darstellung gerade an diesem Punkte seines Werkes von be-
sonderer poetischer Gewalt ist, und ich will mir nicht ^ein gerech-
tes Bedauern' zuziehen, dass mir deshalb die Darstellung verleidet
wSre, weil ihre historische ünhaltbarkeit dargelegt ist (B. G. 11
S. 470). Trotzdem aber dürfen wir dem glücklichen Geschick dank-
bar sein, welches uns in Polybius ein Mittel erhalten hat, hier Wahr-
heit und Dichtung zu sondern. Erfreuen wir uns an der Dichtung,
aber glauben wir nur die Wahrheit!
Ich halte daran fest, dass Fabius die Quelle des Polybius ist,
dass also im Fabius von diesen Sagen nichts stand. Mögen diese
älter als er sein: ihre litterarische Fixirung fWt in eine spätere Zeit^
Hiervon werde ich im letzten Abschnitt ausführlicher handeln. Ehe
ich von der eigentlichen Aufgabe meiner Untersuchung scheide,
möchte ich noch einmal hervorheben, dass mein Erklärungsversuch
der Camillussage nur ein vorläufiger Versuch sein soll, dass aber,
auch wenn er misslungen sein sollte, die eigentliche Untersuchung
dadurch nicht erschüttert wird.
V.
HiilfsnütteL
§ 1. Litterarisclie.
Der Sagentheorie Niebuhrs gegenüber hat A. W. v. Schlegel *in
der ausführlichen Becension der Bönu Gesch. von Niebuhr^**) am
rücksichtslosesten die Ansicht verfochten, ^dass die ältere römische
Geschichte ein griechischer Boman sei, von Griechen erfunden, von
den Bömem, denen dies schmeichelte, aufgenommen'; und Dahlmann,
welcher in seiner Abhandlung über Herodot**^) beiläufig auf die Vor-
geschichte Italiens zu sprechen kommt, neigt zu der Annahme, dass
sessa Gamüli virtute est servata. Qui absens dictator dictus, coUectiB
reliquiis, Gallos improvidos intemecione occidit. Populum Bomanum
migrare Veios volentem retinnit. Sic et oppidum civibus et cives oppido
reddidit. Ist dies Zufall? — '") Sämmtl. Werke, hrsgegeb. v. Böcking.
XIl S. 444—612. ~ "*) Forschung. EL 1 S. 129 ff.
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üeber den gallischen Brand. 137
im Hellanikris in seinen fcroischen Geschichten der Grund der ganzen
späteren grftcisirenden Manier zu suchen sei. ^Im Hellanikus, sagt
er S. 130^ möchte der Einschlag zu suchen sein, der vom Diocles
aus Fepareth reich durchwebt in Fabius Pictors Händen zur römi-
schen Vorgeschichte geworden ist'. Schwegler stellt sich in die
Mitte zwischen Niebuhr und Schlegel. Er halt es für gewiss, dass
der Grundstoff der traditionellen Geschichte nicht schriftstellerische
Erfindung sein kann. ^Die Sagen seien entschieden älter, als die
ältesten schriftstellerischen Versuche auf diesem Feld' (I S. 64). Auf
demselben Standpunkte ungefähr steht Lewis (vgl. Liebr. I S. 236).
Ich will keineswegs den vielumworbenen Diocles von Neuem
heraufbeschwören. Nur eine Bemerkung sei mir gestattet, welche
die weiter unten folgende Betrachtung passend einleitet Wenn Nie-
buhr und die meisten Gelehrten nach ihm das Zeugniss Plutarchs
(BomuL 3 und 8), dass Fabius dem Diocles gefolgt sei, einfach ver-
werfen, so darf man mit Schlegel (S. 486) fragen, wie man dies zu
begründen gedenkt, — Menn Plutarch drückt sich sehr bestimmt
aus'. Auch 0. Müller hält gegen Niebuhr das Zeugniss aufrecht. ^^^
Man mnss bedenken, dass dieses Citat im Leben des Komulus steht,
welches mit dem des Numa offenbar zu den spätesten und besten
Viten Plutarchs gehört.'^') In beiden benutzt Plutarch den Varro in
nicht geringem Umfange, und er steht hier seinen Quellen viel selb-
ständiger gegenüber als sonst irgendwo ^^); man darf also den Dio-
cles nicht einfach ^zu den übrigen' werfen, wie es Peter thut (p.
LXXXn). Fabius hat nach Dionjs I 6 die Geschichte seiner Zeit
ausführlich, die alte Geschichte nach Roms Gründung KCcpaXai-
uibujc, — also, schliesst Peter selbst (p. LXXn), wie mir scheint
vollkommen richtig, die älteste Epoche, d. h. die Gründungsgeschichte
gleichfalls ausführlich geschrieben, was wir auch aus den Fragmen-
ten deutlich sehen. Woher hat er nun diese ausgeführte Partie?
Hat er die Volkssage fizirt? Beide Stellen, an denen Plutarch vom
Diocles spricht, halten sich innerhalb der GrtLndungsgeschichte und
im c 8 heisst es geradezu vom Diocles: 5c boK€i irparroc ^KboCvat
'Püjnn^ KTiciv. Dürfen wir da das Citat verwerfen^**)?
Die liebliche Gründungssage verschmähte Fabius nicht, — da-
gegen behandelte er die Königsgeschichte, was wir aus Dion. I 6
ebenfalls schliessen dürfen, sehr kurz. Warum? Verschmähte er sie?
Die einzig stichhaltige Antwort ist meiner üeberzeugung nach die:
i*^ Zu Festus XIII 6 S. 268. Lewis, welcher dasflelbe verwirft,
ffiebt die Berechtigung des ent^geogesetzten Standpunktes zu, vfi.
liiebr. I S. 395 A. 188. — ''^ Dies ist auch die Ansicht von Michaebs:
de ordine vitamm paiall. Plut. Berol. 1875. p. 60. — "^ Höchst be-
achtesBwerth ist es s. B., dass Plutarch trotz Varro und anderen latei-
nische E^mologieen versucht; vgl. Rom. 26 extr. — ^'*) Ich habe hier
die Autorität Bu>becks für mich: vgl. 0. Ribbeck, die röm. Tragödie etc.
S. 72.
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138 Georg Thouret:
weil die Eönigsgescbichte bis dahin noch nicht litterarisch fizirt war;
die Fixirung derselben in einer Oestalt^ der ähnlich, welche uns jetzt
im Livius vorliegt, föUt mithin nach Fabius. Dieses Resultat soll
nun die Grundlage der folgenden Betrachtung bilden.
Es ist nämlich eine allgemein anerkannte Thatsache, dass der
Livianische Bericht Über die hinterlistige Unterwerfung Gabüs durch
Tarquinius Superbus (I 53 ff.) zusammengesetzt ist aus zwei Hero-
doteischen Erzählungen, — der List, mit Hülfe deren Zopyrus Baby-
lon dem Darius in die Hände spielt (Herod. III 154 ff.) und der Ant-
wort des Tyrannen Thrasybul an Periander (V 92). Wohlgemerkt,
zwei Stellen aus zwei yerschiedenen Büchern Herodots sind hier ver-
einigt, und zwar ist der Anschluss an das Vorbild ein so evidenter,
dass der betreffende römische Autor die Geschichtchen nicht blos ge-
kannt sondern gelesen haben muss. Livius hat keine Ahnung von
dem Ursprung dieser Anekdoten, was sich besonders daraus ergiebt,
dass er zwar ein deutliches Geftlhl davon hat, wie unrömisch die
Raffinirtheit des Tarquinius sei (I 53, 4), aber trotzdem mit keinem
Worte von einer Nachbildung spricht. Er fand Alles bereits in seiner
Quelle vor. Dionys kennt wohl die griechiche Parallele, der Ge-
danke aber, dass hier ein Plagiat stattgefunden haben könnte, liegt
ihm gänzlich fem (IV 56).
Das erste Buch des Livius ist von jeher als die Perle des ganzen
Werks angesehen worden, was Einheit, Abrundung und Schönheit
der Darstellung betrifft Das zweite und dritte treten dagegen merk-
lich zurück; das vierte und namentlich das fünfte zeichnen sich
wiederum durch eine grosse Vollendung der Form aus. Sehen wir
uns nun die tms angehende Partie genauer an, so hat schon Nie-
buhr ^^) gelegentlich bemerkt, dass die zehnjährige Belagerung Vejis
bedenklich an Ilion erinnert. Livius lässt den Appius Claudius in
seiner grossen Bede für die Einführung der Winterfeldzüge geradezu
sagen (V 4, 11): decem quondam annos urbs oppugnata est ob unam
mulierem ab universa Graecia: quam procul ab domo? quot terra.s
quot maria distans? Solche griechische Beminiscenzen liegen Livius
selbst fem : er fand sie bereits in seiner Quelle.
Der Faliskische Schulmeister (V 27) hat auch ein sehr griechi-
sches Ansehn; freilich kann ich nicht sagen, woher er stammt. Das
Gebet des Camillus endlich, mit dem er in die Verbannung geht:
(Liv. 32, 9): (in exilium abiit) prccatus ab diis immortalibus, si
innoxio sibi ea iniuria fieret, primo quoque tempore desiderium sni
civiiati ingratae facerent^'^), erinnert lebhaft an das des Achilleus:
H. I 240:
fj itOT* *AxiXXfloc iTO0f| Kexai ulac 'Axaiööv.
Appian (Ital. 6) sagt geradezu: ic Tf)V 'Ap&eaTWV ttöXiv |üi£T(}iicnc€V
>»;0 B. G. II S. 542. — "») Vgl. Plut. Cam. 12 ertr. Bei den Griechen
erscheint das Verbxmi ^miroO^v.
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Ueber den gallischen Brand. 139
edSd^ievoc -rtiv 'AxiXXeiov cuxnv, imTroOflcai 'Puijaaioic Kd^tWov
Wir sehen also, dass die ganze Partie mit griechischen Bemi-
niscenzen durchsetzt ist. Die Facta sind römisch, die Zeichnung
theilweise griechischen Vorbildern entlehnt. Im Anschluss hieran
theile ich eine Beobachtung mit, von der, soviel ich weiss, bisher
nur Niebuhr eine Andeutung gegeben hat, ohne sie jedoch w^ter
auszuführen. Niebuhr bemerkt gelegentlich (Vorles. I S. 381), Mass
die ErzShlung yon der Einnahme Roms an die von der Einnahme
der Akropolis von Athen durch die Perser erinnere'.
Aber nicht blos dies, sondern die ganze Partie bietet auffallende
üebereinsümmungen.
Die Situation ist ja völlig dieselbe. Perser wie Gallier kom-
men in eine verlassene Stadt (vgl. Herod. VIII 50 ff.). In Athen
wie in Bom sind nur wenige zurückgeblieben^ welche hier wie dort
unter dem Schwerte der Barbaren fallen.
Gleiche Verhütnisse bedingen freilich oft gleiche Geschichte.
Aber ein Punkt ist besonders auffallend. Xerxes befiehlt den Athe-
nern in seinem Gefolge (<puTdb€c\ nach heimischer Sitt« auf der
Akropolis ein Opfer darzubringen.^^) Es war zwei Tage nach dem
Brande, in welchem auch der Tempel des Ereohtheus, in dessen
einer Zelle der heilige Oelbaum der Athena stand, zn Grunde ge-
gangen war. Nun finden jene Athener neue Sprossen und einen
grtLnen Zweig an dem verbrannten Stamm, — die Bürgschaft für
ein neues Erblühen der Stadt.
Als man in Bom anfing, den Schutt aufzuräumen, fand man
unter den Trümmern des Marstempels auf dem Palatin '^) den Kmmm-
stab des Bomulus unversehrt wieder, der beste Beweis, dass die
Auspieien durch die Verwüstung nicht verloren waren, und dass die
Götter ein Verlassen der Statte nicht billigten."*) — Fragen wir,
wieviel damals und bei der spftteren Heimsuchung Athens durch
Mardonius eigentlich zerstört worden ist, so antwortet darauf Thuky-
dides. Er sagt I 89, 3: (Die Athener kehrten zurück) Kai Tf|V irö-
XlV dV0lK0b0^€tV 1Tap€CK€lw4Z0VT0 Kai TOI Teixn* TOO T€ Tdp TT€pl-
ßöXou ßpaxea e\crl\K€\ Kai otKiai a\ jii^v troXXal 7r€TmuKecav, dXi-
Toibtnepificav, dvatc aörol icwfjvncav ol buvaTol TttrvTTcpcÄv.
Diodor sagt XIV 115, 6: Tf|v noXiv iXü|iaivovTO X^J^P'ic dX(-
yiüv oIkic&v ^v TIA TTaXariip.
Wie Camillus in Bom, so betreibt Themistokles in Athen mit
*•*) Suidas B. V. •Ax(AX€ioc €Öx^» vergl. auch Plut. Cam. 13 in. —
"«) Herod. VDI 64, 6 ff. — "*) Dionys XIV exe. Ambr. 6; Plut. Cam. 82.
Nach Cicero de div. I 17, 80 befand sich der Stab 'in curia Saliorum'.
— '**J DionjB (a. a. 0.) stellt beide Wunder (von Athen und Bom) neben-
einanaer, genau so, wie wir es oben (S. 188) bei den Anekdoten aus dem
I. Buch des Livius gesehen. Sollte hier eine Nachbildung vorliegen, so
ist sie in echt römischem Sinne gemacht.
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140 Georg Thouret:
grösstem Eifer den Wiederaufbau. Den Erfolg giebt Tkokjd. I 93,
1 — 2 an, und diese Stelle klingt sehr mit der analogen Diodors
(XIV 116, 8) zusammen. Sie lautet: TOUTiji xiD Tf>6ni\) o\ *A0t|-
vaToi Tf|V TTÖXiv ^T€ixicav ^v öXi-^i XP<iviü. Kai br\\r\ n olKobo-
^la Itx Ktti vöv ^CTiv 8ti Kaxd ciroubfiv dT^vexo. ol fäp 6€-
\xi\xox travxoiujv X(0ujv uirÖKeivxai xa\ ou Euv€lpTac^evluv ?criv q,
&\y übe ?Kacxoi TTOxe Trpodqpcpov.
Ich möchte die Analogie frappant nennen: Born — Athen; die
Perser stehen zu den Qriechen, wie die Grallier zu den Bömem,
Xerxes j— Brennus , beide Barbarenführer im Sinne der Alten, Akro-
polis — und CapitoL Und ist auch Camillus Vertreter einer anderen
politischen Richtung als Tbemistokles, so gelten doch beide als die
zweiten Gründer ihrer Vaterstadt Ich erinnere daran, dass Plutarch
Tbemistokles und Camillus in Parallele stellt, — leider ist uns die
cuTKpicic verloren gegangen.
Was den Sturm auf die Akropolis betrifft, so versuchen auch die
Perser, wie die Grallier, zunächst einen Frontangriff, auch sie wer-
den mit blutigen Köpfen zurückgeworfen (Herod. Vm 52), so dass
Xerxes lange Zeit in Verlegenheit ist, wie die Burg zu nehmen sei.
Endlich entdecken die Perser auf der dem Aufgang entgegengesetzten
Seite einen Fusspfad, den sie dann erklimmen und so die Besatzung
überrumpeln. Die Aehnlichkeit ist deutlich. Ich würde diese letzte
Analogie gar nicht besonders erwähnen ^^^, wenn wir nicht oben
(S. 113) gesehen hätten, dass vielleicht die älteste römische Ueber-
lieferung gar nichts wusste von dem Versuch der Gallier, das
Eapitol auf einem Bergpfade zu ersteigen, sondern dass nach ihr die
Gallier einen Minengang anlegten. ^^^) Dies giebt uns doch zu denken.
Hinsichtlich der ganzen Vergleichung aber bemerke ich, dass
ihre Berechtigung darin liegt, dass ich wenigstens von der Unhalt-
barkeit der ganzen römischen Tradition fest überzeugt bin. Ich
bin weit davon entfernt, hier ein rohes Plagiat constatiren zu wollen.
Aber habe ich Beoht, dass die litterarische Fixirung der Vulgata
jünger als Fabius ist, so dürfte die Ansicht nicht unwahrscheinlich
klingen, dass das griechische Vorbild auf die Fassung der römischen
Tradition nicht ohne Einfluss geblieben ist, namentlich wenn wir be-
denken, wie stark damals die gräcisirende Strömung sowohl in der
ganzen gebildeten Gesellschaft wie ganz besonders in der histori-
schen Litteratur war. Die Griechen verhielten sich passiv nur der
römischen Verfassung gegenüber, wie wir dies deutlich an Poljbius
sehen« In Bezug auf Kunst, Mythologie, Kultus und Litteratur
waren die Römer durchaus passiv: dort konnten sie geben, hier nur
empfangen. Die glänzendste Epoche der griechischen Litteratur war
i>«) Denn schliesslich wird jede Burg auf ähnliche Weise erobert —
"^ Cäsar sagt von den Galliern seiner Zeit (b. G. VII 22, 2): apud eos
— omne genus cuniculorum notom atque usitatum est.
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lieber den gallischen Brand. 141
längst vorüber, als die römische ihre ersten Anfönge zeitigte. Die
Scipionischen Kreise hatten ein deutliches Qeftthl von der üeber-
legenheit der Griechen auf diesem Gebiet. Es ist also ausserordent-
lich natttrlich, dass die griechischen Muster auf die Fassung der
römischen Geschichte einwirkten. Man kann femer nicht verkennen,
dass der gallische Brand den Römern eine bequeme Erklärung der
Dürftigkeit der römischen Litteratur gegenüber der Fülle der grie-
chischen darbot. Ich will durchaus nicht die Wahrheitsliebe des
Livius in Zweifel ziehen, aber es bleibt doch fraglich, ob man mit
Lewis die berühmten Worte im ersten Kapitel des VL Buchs: si
quae (sc. litterae) in commentariis pontificum alüsque publicis priva-
tisque erant monumentis, incensa urbe pleraeque interiere, ganz
streng nehmen darf. Dem widerspricht vor allen Dingen der Um-
stand, dass auch das folgende Jahrhundert so arm an gleichzeitigen
Geschichtsaufzeichnungen gewesen zu sein scheint.
§ 2. TopograpMsclie HäUbmittel.
In der Einleitung habe ich als das Ziel meiner Untersuchung
den Nachweis bezeichnet; dass wir nach Lage der Quellen be-
rechtigt sind, die totale Yerbrennung und Verwüstung Boms durch
die Gallier als unhistorisch zu verwerfen. Mehr konnte und durfte
ich von meinem Standpunkte aus nicht wollen. Die vorliegende
Untersuchung war nun auch bereits abgeschlossen, als ich auf den
ersten Band von Jordans ^Topogi'aphie der Stadt Bom im Alterthum
(I 1). Berlin 1878' aufmerksam gemacht wurde. Mit hoher Freude
sah ich, dass Jordan der römischen Tradition vom gallischen Brande
gegenüber sich sehr skeptisch verhält. Wenn ich in Bezug auf die-
sen Punkt den Totaleindruck, den ich aus seinen Ausführungen ge-
wonnen habe, mit einem Worte bezeichnen soll: so hat sich der
Topograph überhaupt nicht um die sogenannte gallische Verwüstung
zu kümmern. Es sei mir gestattet, einige von Jordans Besultaten
hier anzuführen.
Jordan verwirft vor allen Dingen die Berichte über den Wieder-
aufbau der Stadt und zwar stellt er hierbei Diodor auf ein und die-
selbe Stufe mit Livius (S. 484 A. 5).
Er sagt S. 483: ^Die Details der Beschreibung des Wiederauf-
baus nach dem gallischen Brande sind kläglich zusammengebettelt
und im Wesentlichen nichts weiter als misslungene Erklärungen
späterer Zustände, mag nun die Quelle sein, welche sie wolle'.
8. 484 : ^ Wäre Bom in seinen ebnen Theilen geradlinig gebaut
gewesen, so hätte man aus der angeblichen Thatsache, dass die Stadt
dem Erdboden gleichgemacht worden, den Schluss gezogen, dass die
Verwischung aller Grenzlinien von Staats- und Privateigenthum nun
erlaubt habe, nach den Grundsätzen die Limitation die neue Stadt
aufzubauen. Da dieser Schluss nicht möglich war, schien der ent-
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142 Georg Thouret:
gegengesetzte zulässig, dass jene Vermischung ein buntes Durch-
einander von Häuserbauten, die freie Auswahl der Bauplätze ver-
anlasst habe'.
S. 485: *Wie man sichs überhaupt denken soll, dass mit der
Niederbrennung der Holzhäuser und Lehmziegelhütten zugleich die
Strassenzüge verschwinden konnten, dass in dem Gedächtniss der auf
die Burg geflüchteten Vertheidiger in wenigen Monaten jede Er-
innerung an den Besitzstand ausgelöscht worden, während doch nach-
weislich Verheerungen ganzer wesentlich noch mit demselben Mate-
rial gebauter Stadttheile in späterer Zeit dies Wunder nicht gewirkt
haben, bleibt mir unverständlich'.
Dies im Allgemeinen. Niemals sieht sich Jordan bei der Be-
stimmung irgend einer Oertliohkeit des ältesten Born gezwungen,
auf den gallischen Brand Bücksicht zu nehmen. Gehen wir nun
näher auf das Einzelne ein, so nennt Jordan die Angabe des Livius
(V 55; 5), dass nach dem Wiederaufbau die Kloaken Staats- und
Privateigenthum nach allen Bichtungen durchkreuzten, einen ^schüler-
haften Versuch, das erst später weitverzweigte Eloakensystem zu
erklären' (S. 484). Wir gewinnen aber hier ein anderes merkwür-
diges Resultat. Die Beobachtung von der Verzweigung des Kloaken-
systems hat man jedenfalls gemacht, als Agrippa in seiner Aedilität
i. J. 721 es unternahm, die Kloaken und die Wasserleitungen aus-
zubessern und zu vermehren (vgl. Jordan S. 301). Dies konnte
ohne die umfttssendsten Untersuchungen nicht geschehen. Dass Li-
vius von diesen wusste und die Ergebnisse derselben kannte, ist
selbstverständlich. Seine Notiz ist daher nicht unrichtig an und für
sich, aber die Anknüpfung an den gallischen Brand weiter nichts
als ein Akt der Willkür. Wir sehen hier deutlich, dass Livius nicht
das geringste Bedenken trug, Verhältnisse seiner Zeit und ganz
moderne Beobachtungen an einem beliebigen Punkte seines Geschichts-
werks einzuflechten.
Diodor, welcher vor 721 schrieb, konnte daher gar nicht eine
ähnliche Bemerkung über die Kloaken machen.^^) Im üebrigen
aber ist sein Bericht, wie wir oben (S. 124 ff.) gesehen, fast mit dem
Livianischen identisch. Es handelt sich um die K€pa)iib€C iroXiTixat
und die tegulae publicae. Bereits früher ist ausgeführt worden**®),
dass das bestimmte Zeugniss des Nepos, Bom sei bis zum Kriege
mit Pyrrhus mit Schindeln bedeckt gewesen, schwerwiegender ist,
als der Bericht Diodors und des Livius. Hier dürfen wir aber einen
^'^) Diese Erklärung empfiehlt sich meiner Ansicht nach mehr als
die Annahme, Diodor hätte diese Notiz übergangen, was Mommsen an-
nehmen muss, der es für möglich hält, dass sie oder eine ähnliche schon
bei Fabius gestanden habe (a. a. 0. S. 641 A. 1). Ich glaube, ohne un-
bescheiden zu sein, hoffen zu dürfen, dass die vorliegende Arbeit im
Stande sein wird, Jordans Kritik geg^n Mommens Tadel (S. 536 A. 2)
zu rechtfertigen. — "») Vgl. oben S. 126.
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Ueber den galliecben Brand. 143
bedeutenden Schritt weitergehen« Nach Jordaa'^) ist der Baekatein-
bau ^schwerlich älter als die Zeit des Bulla', — auf keinen Fall
aber so alt, dass Fabius bereits die Vorstellung gehabt haben könnte,
dass Born nach dem gallischen Brande aus Backsteinen wieder auf-
gebaut seL Da aber Diodor und Livius von ^Staatsziegeln' sprechen,
so sind wir genöthigt anzunehmen, dass Diodor diese oder eine ähn-
liche Notiz bereits in seiner Quelle fand, welche mithin nicht Fabius
gewesen sein kann, oder man müsste ihm mindestens zwei Quellen
vindiciren, wodurch dann völlig Alles unsicher wird, da man nicht
weiss, was er der einen und was der andern er entnahm. ^ Staats-
ziegel' sind ohne ^Staatsziegeleien' nicht denkbar, und so findet denn
Jordan (S. 485 A. 5) in den Worten Diodors eine Anspielung auf
^Staatsziegeleien', welche nun gar nicht so alt sind wie Fabius, da
die Ziegelstempel in Kom erst mit der Kaiserzeit beginnen (Jordan
S. 57). Endlich klingen die Worte des Livius (V 55, 3): (tegula
publice praebita est) .... praedibus acceptis eo anno aedificia per-
fecturos deutlich an eine Bestimmung der lex Ursen. (§ 75) an (vgl.
Jordan (S. 485 A. 5), welche der Cäsarischen Städteordnung an-
gehört Mag nun Livius jene Bestimmung im Auge gehabt haben,
oder mag (eine Annahme, zu der Jordan a. a. 0. neigt) aus ihm zu
schliessen sein, dass ähnliche Verordnungen ^ schon zur Zeit Cäsars
und früher — auch für Rom galten', jedenfalls ist auch dieser Zug
von Livius den Verhältnissen seiner Zeit entnommen, denn baupoli-
zeiliche Vorschriften treten bekanntlich erst in der letzten Zeit der
Bepublik auf.
So fallen die Berichte Diodors und des Livius in sich selbst zu-
sammen. Topographische Zeugnisse für den gallischen Brand, welche
mehr werth sein würden als alle Berichte, sind nicht vorhanden.
Jordan hat deshalb noch nicht den gallischen Brand verworfen.
Wenn es mir aber gelungen sein sollte, meinerseits zu zeigen, dass
nicht nur die Berichte über den Brand höchst bedenklich sind, son-
dern auch, dass Poljbius in seiner Quelle die gallische Verwüstung
noch nicht vorfand, so werden wir, denke ich, berechtigt sein, den
letzten Schritt zu thnn und den sogenannten gallischen Brand aus
der römischen Oeschichte zu streichen.
VL
Anhang: Die Quellenfrage.
Zwei Fundamentalsätze sind es, welche den Gang der folgenden
Untersuchung bestimmen:
1. Fabius Pictor ist die Quelle des Polybius,
2. Diodor benutzt eine jüngere Quelle.
Ich beabsichtige nun nicht, jeden Schriftsteller, welcher eine
"^ Vgl. bes. S. 18 flf.
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144 Georg Thouret:
DarsteHong der gallischen Katastrophe gegeben, auf eine bestimmte
Quelle zurückzuführen. Dies würde einmal kaum möglich sein und
zweitens für den ^Anhang' eine ungebührliche Ausdehnung nöthig
machen. Ich stelle mir vielmehr nur drei Fragen zur Beantwortung:
1. Welcher Epoche der römischen Annalistik gehört der ur-
sprüngliche Autor der Yulgata vom gallischen Brande an?
2. Wie steht die Quelle Diodors zu dieser Epoche?
3. Welches Yerhältniss findet statt zwischen Livius und den
späteren römischen Schriftstellern?
1.
§ 1. LiviuS; Dionys, Plutarcli.
Man kann über das Yerhältniss dieser drei Autoren zu einan-
der verschiedener Meinung sein: soviel haben die bisherigen Unter-
suchungen festgestellt, dass alle drei, was die gallische Katastrophe
und die Camillussage betrifft, auf eine einzige Becension zurückgehen.
Ich darf mich hier auf H. Peter ^*^) und 0. Clason***) berufen. Nur
wenige Bemerkungen will ich hinzufügen.
Mit Recht weist Peter (a. a. 0. S. 17) darauf hin, dass die
Untersuchung über das Yerhältniss Plutarchs zu Dionys deshalb zu
keinem glatten Resultat kommen kann, weil wir nur Excerpte aus
Dionys vor uns haben, welche den ursprünglichen Text ohne Zweifel
sehr häufig stark verkürzt und die Einzelheiten zusammengezogen
haben. Dabei sind Yeränderungen und Abbeugungen der Darstel-
lung unvermeidlich."*) Widerspricht also ein Excerpt der Darstel-
lung Plutarchs, so wissen wir nicht, ob dies ein wirklicher oder nur
ein scheinbarer Widerspruch ist. Indessen deckt sich die über-
wiegende Mehrzahl der Dionys. Excerpte in einer Weise mit der
Biographie des Camillus von Plutarch (vgl. Peter S. 23), dass nur
eine Becension bei beiden zu Grunde liegen kann, sei es nun, dass
Plutarch den Dionys ausschrieb, sei es dass beide aus denselben
Quellen schöpften.***)
Yon diesem Standpunkte aus müssen wir daher £e vorhande-
nen Differenzen betrachten. Ein Theil derselben erweist sich denn
auch als nur scheinbar (vgl. Peter S. 25), ein anderer Theil erklärt
sich sofort auf die einfachste Weise, wenn wir die Abkürzungen des
Excerptors berücksichtigen (vgl. Peter S. 24). Alle diese endlich
betreffen ganz unwesentliche Punkte. Bei dreien jedoch liegt die
Sache anders.
"») Die Quellen Plutarchs u. s. w. S. 17—28. — "*) Böm. Gesch.
II S. 73—78. — "') Lehrreich sind die Ausführungen Nisaens über die
Excerpte aus Polybius (vgl. Untersuch. S. 8). — "*) Diese Nebenfrageu,
welche eine äusserst subtile Behandlung eitordem, sind für meine Ab-
sichten 80 sehr Nebensache, dass ich sie einfach übergehe.
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tJeber den gallischen Brand. 145
PIutarclL giebt die Höhe des Lösegelds wie Liyius auf 1000
Pfund Gold an^**), Dionys dagegen auf 26 Talente."^ Die letzte
Summe ist £ft8t genau das Doppelte der ersten ^^^^, und wenn wir
uns erinnern, dass Yarro dieselbe Summe angiebt^^^), so werden wir
schliessen, dass entweder Dionys seine Angabe dem Varro entnahm,
oder dass Varro die betreffende Notiz bereits bei irgend einem Schrift-
steller Yor&ndy der mit der Quelle des Dionys hierin übereinstinmite.
AufGülend ist es nun, dass trotzdem Plutarch, was die ganze Erzäh-
lung betrifft, nicht dem Livius, sonoem vielmehr dem Dionys gefolgt
ist (ygl. Peter S. 26). Peter meint, die Erz&hlung selbst sei aus
Dionys, jene einzelne Angabe aber aus Livius entnommen. Ich ge-
stehe, dass dies sehr unwahrscheinlich klingt. Es bleibt, bei der fast
wörtlichen Uebereinstimmung zwischen Plutarch und Dionys ^^^), auch
hier nur die Annahme übrig, dass Dionys selbst beide Summen an-
geftthrt hat, dass Plutarch aber nur die gewöhnliche, der Excerptor
gerade die ungewöhnliche Zahl wählte.
Wenn wir das Excerpt 18 des XIIL Buchs lesen, welches von
der römischen Gesandtschaft an die Gallier handelt, so scheint Dio-
nys mit Diodor übereinzustimmen. Es heisst nämlich: dTTOcraX^v-
Tuiv öi 7rp€c߀UTuiv Ik TiujLiTic iui KcXiouc* KT€; also von einer
Hfllfesendung für Clusium kein Wort; man könnte meinen, Dionys
habe wie Diodor (XIY 113, 4) als Zweck der Gesandtschaft an-
gegeben: die Boten sollten die Stärke und die Zusammensetzung des
gallischen Heeres ausspioniren.
Da die Gkülier nach demselben Excerpt nur die Auslieferung
von zwei Gesandten fordern, so gewinnt es den Anschein, als habe
Dionys wie Diodor (a. a. 0.) überhaupt nur von zwei Gesandten
gesprochen. In diesem Falle würde er nicht die Quelle Plutarchs
gewesen sein können, welcher hier mit Livius (V 36, 5; 11) über-
einstimmt (Cam. 17). Indessen ist die Frage nicht zu entscheiden.
Denn das nächste Excerpt (XTII 19) widerspricht, so wie es dasteht,
allen übrigen Darstellungen. Damach wären nämlich die Gallier
gegen Born aufgebrochen, weil der Senat den Handel in die Länge
zog und mit der Antwort zauderte. Hier müssen wir eine bedeu-
tende Kürzung des Dionysischen Textes annehmen. Dann aber dürfen
wir auch die vorhergehenden Worte (exe. 18) nicht pressen. Für
unsere Untersuchung endlich ist es gleichgültig, nach welcher Seite
hin man die Entscheidung treffen will. Denn gesetzt den Fall, Dio-
nys stimme in Bezug auf die Gesandtschaft mit Diodor überein, so
folgt daraus weiter nichts, als dass er wie so oft mehrere Darstel-
lungen contaminirte. Diodors Bericht ist ja nur deshalb für uns so
"») Cam. 28; vgl. Liv. V 48, 8. — »*•) XIII exe. Ambr. 13. — "»)
Vgl. Peter a. a. 0. S. 26 Anm. — "•) Bei Non. III p. 156, vgl. oben
S. 112. — '^') Hieher gehört vor Allem die gleiche Wiedergabe des Wae
victis' durch 'toIc veviicim^otc ÖÖOvt)' (Plut. Cam. 28) und ^ööüvt) toIc
KOcpOTTHidvoic' (DioD. Xni 13).
Jahrb. t cUm. PhUol. Snppl. Bd. XI. 10 >^ j
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J
146 Georg Thonret:
werlhvoU, weil er auch sonst von der Vulgata abweicht, weil er die
volle Ausbildung der Camillussage nicht kennt. Dionjs aber hat
jedenfalls die Vulgata dargestellt, was wir aus XIII 13 mit Sicher-
heit schliessen dürfen.
Vergleichen wir schliesslich Plutarch mit Livius, so ist eine oft
wörtliche üebereinstimmung zwischen beiden unverkennbar, gegen-
über welcher die Abweichungen verschwinden. Der Vollständigkeit
halber will ich auf die wichtigsten derselben näher eingehen.
Nach Livius V 41, 8 sitzen ^ie sich opfernden Greise in aedium
vestibulis, nach Plutarch Cam. 22 auf dem Forum. Zur Lösung
dieses Widerspruchs giebt uns Livius selbst den Schlüssel. Er er-
zählt V 41, 2, dass die Greise beschlossen, die Schmach nicht zu
überleben. Hierauf f^rt er fort (41, 3): sunt qui M. Fabio pontifice
maximo praefante Carmen devovisse eos se pro patria Quiritibusque
tradant. Diese letzte Darstellung finden wir nun bei Plutarch, und
zwar sie allein (Cam. 21). Wir werden mithia auf einen ursprüng-
lichen Bericht geführt, der so lautete: Die Greise versammeln sich
auf dem Forum und weihen sich unter Vortritt des Pontw M. dem
Tode; darauf geht Jeder in sein Haus. Dieser Bericht spaltete sich
nun zwischen Livius und Plutarch oder bereits zwischen ihren Quel-
len.^^^) Jedenfalls, worauf es mir nur ankommt, liegt nur eine
Darstellung zu Grunde.
Livius erzählt V 46, 6 ff.: Die Römer, welche sich nach Veji
gerettet haben, beschliessen, dem Camillus die Dictatur zu über-
tragen, vorher aber, um die verfassungsmässige Ernennung zu er-
möglichen, einen Boten auf das Kapitel zu schicken. Pontius Comi-
nius führt die Botschaft aus und bringt die Ernennung zurück.
Bei Plutarch (Cam. 24)^^^) wendet man sich direkt an Camil-
lus, dieser aber veranlasst die Sendung des Cominius. Diese Diffe-
renz ist vielleicht auf Bechnung Plutarchs zu setzen, der das Lob,
welches Livius ob diesem Gefühl für Gesetzmässigkeit den Bömem
überhaupt spendet (46; 7) : adeo regebat omnia pudor, discriminaque
rerum prope perdiüs rebus servabant, — für seinen Helden in An-
spruch nahm (a. a. 0.): Tt\c }xkv oOv euXaßeiac kqi KaXcKatuOiac
TÖv KdjLiiXXov ^GaujLiocav. Gerade dieser Zusatz zeugt für einen
ursprünglichen Bericht. ^
Endlich ist noch eine Differenz zu erwähnen, auf welche Clason
meiner Ansicht nach viel zu grosses Gewicht gelegt hat Livius be-
richtet V 25, 9: Die Matronen erhalten das Fahrrecht an Festtagen
als Anerkennung ihrer Beisteuer zum Weihgeschenk, welches nach
der Eroberung von Veji dem Delphischen Apollo geweiht wurde;
"^) Diese Deutaug der Differenz zwischen Livius und Plutarch möchte
ich derjenigen vorziehen, welche Mommsen aufstellt (Hermes XIII S. 628,
A. 1) : * Wenn sie (die Greise) bei Plutarch auf dem Markt sitzen, so ist
dies wohl ein Versehen'. — "*) Und bei Dio fr. 26 (Beck. p. 14). Der An-
nahme, dass Dio hier vielleicht den Plutarch benutzt, steht nichts im W^e.
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lieber den gallischen Brand. 147
und y 50, 7 : Die Maironen erhalten für die Beisteuer zum gallischen
Lösegelde das Recht der^ oratio funebris. Plutarch kennt nur das
letztere, giebt ihm aber die Veranlassung, welche Livius beim ersteren
erwShnt. Um die Verwirrung vollständig zu machen, lässt IHodor
(XIV 116, 9) den Matronen das Fahrrecht für ihre Beisteuer zum
LOsegelde ertiieilt werden.
Clason nennt diese Differenz ^grayirend' (B. 0. ü, 8. 78).
Verstehe ich ihn recht, so will er sie auf folgende Weise lösen:
Zwischen Flutarch und Diodor findet kein Widerspruch statt; die
Elemente sind: Eine zwiefache Beisteuer, eine zwieÜEiche Belohnung.
Diodor und Plutarch haben je eins von diesen Elementen, Livius
aber alle zusammen aufgenommen, — folglich hat seine Quelle hier
zwei Angaben contaminirt. Dem widerspricht aber, wie Clason selbst
sagt (S. 79), die Thatsache, dass Livius weder mit Diodor noch mit
Plutarch in der Zusammenstellung von Leistung und Vorrecht über-
einstimmt, mithin muss er sich einmal versehen haben. Damit ist
die Sache aber noch nicht erledigt. An der Stelle nämlich, wo
Plutarch Beisteuer und Ehrenrecht erwfthnt (Cam. 8 nach der Er-
oberung von Veji), ist seine Darstellung so völlig identisch mit der
Liyianischen (V 23 ff., vergl. Clason S. 74), dass hier dieselbe Quelle
zu Orunde liegen muss, nach Clasons Meinung Licinius Macer. Da
nun Plutarch bei Gelegenheit der gallischen Katastrophe weder von
einer Beisteuer der Matronen noch von einem Staatsdank dafUr spricht,
— 80 muss er (resp. Dionys) inzwischen die Quelle gewechselt haben.
Clason oombinirt nun folgendermassen: Antias knüpfte das Ehrenrecht
der oratio funebris an die Beisteuer zum Mischkrug, und er berichtete
Yon einem ähnlichen Vorgange beim Abzüge der Gallier nichts. Diodors
QneUe dagegen wusste nur von der Beisteuer zum gallischen Löse-
gelde und dem dafür ertheilten Fahrrecht. Macer nahm beide Ver-
sionen auf; ihm folgte Livius, der aber durch eine Verwechselung
die Ehrenrechte an eine falsche Stelle brachte. Plutarch (resp. Dionys)
folgt an erster Stelle Macer und bringt daher die durch diesen hindurch-
gegangene Angabe des Antias. Nun legt er Macer bei Seite und
folgt Antias, mithin schweigt er wie dieser bei Gelegenheit der
gallischen Katastrophe. Diese Combination Clasons ist etwas künst-
lich, namentlich da jedenfalls Livius sich eines Versehens schuldig
gemacht hat Clason ist aber, wie ich glaube, im Lrthum, wenn er
memt, ^dass bei Livius dieselbe Tradition in zwei Varianten vorliege'
(S. 78). Er sagt: ^Ursprünglich kann nur eine derartige Tradition
existirt haben; und zwar war dieselbe zur Erklärung jener Vorrechte
der Matronen erfunden' (S. 79). Die Sache scheint mir vielmehr so
zu liegen: Es gab nur ein altes Vorrecht der Matronen, nämlich an
Festtagen und auch sonst den Wagen innerhalb der Stadt zu be-
nutzend^'), und dieses Privilegium wurde aufgefasst als Dank für die
"■) Vergl. Mommsen, Staatsr.« I, S. 377 u. Herrn. XIII, S. 637.
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_..._adby^
148 Georg Thouret:
Beisteuer der Matronen zum Weibgescbenk an Apollo oder zum
Lösegeld der Stadt Beide Anknüpfungen gingen nebeneinander her,
wie wir dies deutlich daraus sehen, dass Diodor*^) diese, Festus***)
jene nur kennt. Wir haben mehrfach gesehen, dass bei derartigen
Versuchen, bestehende Einrichtungen aus der alten Geschichte zu
erklären, gerade das Auseinandergehen der Deutungen ein Charakteri-
stiken ist Wollte man aber daraus, dass diesem Schriftsteller diese,
jenem jene Deutung besser gefiel, gleich auf verschiedene Quellen
schliessen, so würde man oft gSnzlich fehlgehen. Was nun das an-
gebliche Ehrenrecht der laudatio funebris betrifft^ so ist das offenbar
eine ganz junge Erfindung. Es klingt unrömisch, dass den Frauen
diese Ehre gewesener Magistrate zu Thell geworden sei**^), nnd es
schmeckt das nach den Zeiten ^ in denen Caesar am Sarge seiner
Tante lange Reden hielt***)
Mithin werden wir auf die besprochene Differenz zwischen Livius
und Plutarch kein Gewicht legen. Dem Griechen Plutarch imponirte
wahrscheinlich (wie dem Polybius) die römische Sitte der laudatio
funebris, und deshalb interessirte ihn diese Notiz in höherem Grade
als die andere , auf das Fahrrecht der Frauen bezügliche. — So er-
ledigen sich die Hauptdifferenzen.
Mithin können wir ohne Scheu die Behauptung als bewiesen
bezeichnen, dass uns bei Livius, Dionjs und Plutarch eine Becension
vorliegt, die also auch ftlter sein muss als ihre Quellen, für welche
allgemein die Annalisten der Sullanischen Zeit gehalten werden.
Oben (vergl. S. 114) kamen wir von allgemeinen Betrachtungen
her zu demselben Besultat. Es fragt sich nun, ob uns dasselbe
weiter führt.
§ 2. Glandins Quadrigarins.
Als der älteste Annalist der Sullanischen Zeit gilt Q. Claudius
Qaadrigarius; er wird von Velleius und Fronto'*') in einer Auf-
zählung dem Antias vorgesetzt. Wir dürfen so viel mit Sicherheit
behaupten, dass er seine Annalen unabhängig von Antias und Macer
verfasste. Wann er geschrieben, wissen wir nicht Das letzte da-
"8) XIV 116, 9. — »**) M. p. 246 8. V. polentis; Servias (ad Aen.
8, 666; 11, 478) bringt nur die Sache. Vielleicht entstanden diese
'MatronenYOrrechte' in jenen Tagen, wo das Oppische Gesetz heisBo De>
hatten hervorrief. Eine jedenfalls alte üeberlieferung sagte aus, dass
den Matronen das cur Verfügang gestellte Gold wiedererstattet
worden sei (Fest p. 168 matroni(s) aumm redditum). Damit würde die
hauptsächliche Veranlassung zu Ehrenrechten weggefallen sein, wenn
auch immer noch der gute Wille belohnt werden konnte. Endlich be-
anspruchten auch die Sfassilienser den Biihm^ zum Lösegelde beige-
steuert zu haben (Justin. 48, 6, 9). Wie es sich damit verhält, wissen wir
nun gar 'nicht. — *") Vergl. Mommsen, Staatsr.' I, S. 426 u. A. 2. —
"•) Vergl. Plut Caes. 6; Sueton Caes. 6. — "^ Vergl. die Stellen bei
Peter p. CCLXXXVII.
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Ueber den gallischen Brand. 149
urbare Fragment (Nr. 84, Peter p. 234) berührt das Treffen bei
Sacriportum oder das Jahr 672 a. u. Wenn Peter (vergl. A. l) daraus
schliesst, dass er nach diesem Jahre geschrieben habe, so ist dies für
den letzten Theil der Annalen selbstverständlich richtig: es bleibt
aber unentschieden, ob Claudius nach dem J. 672 überhaupt erst
angefangen hat zu schreiben. Wir wissen z. B., dass Livius das erste
Buch seines Geschichtswerkes zwischen 727 und 729 yerÜEisste ^^),
dass er aber noch den Tod des DrusuQ erwähnte, welcher im J. 745
a. u. erfolgte. War nun auch das Werk des Claudius beträchtlich
kleiner an Umfang, so liegt doch der Annahme nichts im Wege, dass
er die letzten Abschnitte ziemlich gleichzeitig mit den Ereignissen
schrieb. Sicherheit hierüber zu erlangen ist nicht mehr möglich.
Vielleicht gelingt es uns an einer späteren Stelle, den terminus post
quem genauer zu bestimmen.
Die neuere Forschung bezeichnet Claudius als eine Hauptquelle
des Livius neben Antias. Als Ergänzung zu Nissens Untersuchungen
hat in neuester Zeit Unger diesen Satz in der eingehendsten Weise
verfochten und für die 4. und 5. Dekade durchgeführt. ^^^) Für
dieses Verhältniss sprechen einmal die häufigen Citate des Claudius
bei Livius und dann die in reichlicher Zahl erhaltenen Fragmente,
TOB denen sich die meisten in der Darstellung des Livius wenigstens
wiedererkennen lassen, wenn auch die directe Benutzimg des Claudias
in jedem einzelnen Falle erst nachgewiesen werden muss.
Die sechs ersten Fragmente des ersten Buches der Claud. An-
nalen handeln von der gallischen Katastrophe im J. 364 a. u. Auch
diese decken sich mit der entsprechenden Darstellung des Livius^^^);
ob dieser aber dem Claudius hier nacherzählte, ist bei der Kürze der
erhaltenen Fragmente nicht auszumachen. Das erste namentliche
Citat findet sich Liv. VI 42, 3 ; aber an dieser Stelle verwirft ihn Livius
bereits ^pluribus auctoribus' gegenüber. Nach den Gesetzen der
Quellenkritik müssen wir also annehmen, dass Claudius hier nicht
die Hauptquelle des Livius ist. Auf der andern Seite aber beweist
das Citat, dass er einer der Autoren ist, welche Livius bei der Ab-
£a88ang der ersten Dekade zur Hand hatte.
Aus den Fragmenten aber dürfen wir eins mit Sicherheit
schliessen, nämlich dass Claudius, wenn auch vielleicht in knapper
Form, dieselbe Darstellung der gallischen Katastrophe gegeben hat
wie Livius.
Das 1. Fragment handelt von dem Schrecken in Folge der Allia-
schlacht; das 3. Fragment handelt wahrscheinlich von dem Anmärsche
der GraUier; das 4. und 5. Fragment geht die That des Pontius
Cominius an; das 6. Fragment berührt die Waffenstillstandsverhand-
lungen. Aus dem 7. Fragment endlich ersehen wir, dass Claudius
Teuffei R. L. G.» S. 646, 6. — "") Philologus 1878; 8.
SuppL-Band, 2. Abth — *«<») VergL Peter p. 206 u. 6 mit den Noten.
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150 G«org Thouret:
die Bettung des Kapitels durch M. Mazilius und den Sieg des Dictator
Camillus erzfthlte. Wir sind zu der Behauptung berechtigt, dass
Claudius, der älteste Annalist der Snllanischen Zeit, die vulgSre
Tradition dargestellt hat Halten wir dies zunächst fest.
Erinnern wir uns nun, dass wir im ersten Theile der Unter-
suchung (vergL oben S. 139 ff.) die Bemerkung machten, dass die
ganze hierher gehörige Partie des Livius unverkennbar griechische
Beminiscenzen zeigt. Man kann sich kaum der Ansicht verschliessen,
dass das Vorbild des persischen Einbruchs in Attika und die Zer-
störung Athens von Einfluss gewesen ist auf die Fassung der römi-
schen Vulgata. Wir werden dadurch von selbst in die Epoche der
griechisch schreibenden Annalisten geführt. Kehren wir mit dieser
Betrachtung zu dem vorher gewonnenen Resultat zurück, so ergiebt
sich eine überraschende Combination. Ein Claudius hat bekanntlich
die griechischen Annalen des Acilius bearbeitet, oder gar lateinisch
übersetzt (nach Liv. XXV 39, 12 und XXXV 14, 3). Ist Claudius
Quadrigarius und dieser üeberarbeiter ein und dieselbe Person, so
werden wir mitten hinein in die grftcisirende Epoche der römischen
Annalistik gewiesen; in ihr hätten wir den Autor zu suchen, welcher
der römischen Tradition zuerst die Fassung gab, die, wenn auch
vielfach erweitert und abgebeugt, in ihren Hauptzügen feststeht, und
die durch Claudius hindurch in die uns zugängliche historische Lit-
teratur hinüber geleitet wurde.
Acilius würde in jeder Beziehung eine passende Persönlichkeit
sein. Mag derselbe identisch sein mit dem Senator C. Acilius, welcher
als Interpret bei der Philosophengesandschaft im J. 599 a. u. fun-
girte*^'), oder nicht: jedenfalls beweist die Thatsache, dass er römi-
sche Annalen in griechischer Sprache schrieb, seine Vertrautheit mit
griechischer Litteratur. Auch besitzen wir in dem berühmten Ge-
spräch zwischen dem älteren P. Scipio und Hannibal in Ephesus^*^
ein authentisches Stück seines Geschichtswerkes. Dasselbe zeigt
uns deutlich, dass Acilius nicht bloss einen feingebildeten, echt helle-
nischen Geschmack besass, sondern dass er auch schön zu schreiben
wusste.
Weitere Betrachtungen verbieten sich hier von selbst, wo es
vor allen Dingen auf die Entscheidung der Frage ankommt, ob der
Bearbeiter des Acilius und der von Livius im VI. Buche zum ersten
Male citirte Claudius ein und dieselbe Person ist. Diese Frage ist
neuerdings mehrfach behandelt und verschieden beantwortet worden.
Im Folgenden will ich das Tür' und *Wider' beleuchten und ver-
suchen, die Bedenken, welche gegen die Identität erhoben worden
sind, zu entkräften.
"«) Gell. N. A. VI U, 9; vergl. Peter p. CXVmi. ~ "*) Liv. XXXV
14, 3 ff.; vergl. Peter p. 46 n. 5.
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Ueber den gaUiflchen Brand. 151
§ 3. Der Bearbeiter des Aeflins.
In den erhaltenen Büchern des Livins wird ein Claudias ohne
jede nähere Bestimmung lOmal citirt: VI 42; VHI 19; IX 5; X 37;
XXXm 10, 30, 36; XXXVIH 23, 41; XLIV 15. Ausserdem wird
an zwei Stellen ein Claudius genannt, der sich in irgendwelcher
litteiarischen Abhängigkeit von AcilittS befand. Nämlich XXY 39, 12 :
ad triginta Septem milia hostium caesa auctor est Claudius, qui
aunales Acilianos ex Graeco in Latinum sermonem vertit, und
XXXV 14, 3: Claudius secutus Graecos Acilianos libros . . . tradit.
Es fragt sich: Ist dieser zweimal genannte Claudius derselbe wie
der zehnmal genannte? Nissen bejaht die Frage und ist der Ansicht,
dass Livius an allen Stellen ^die Chronik des Acilius in der lateini-
schen TJebersetzung eines gewissen Claudius' benutze. ^^') Er trennt
aber diesen Claudius von Cl. Quadrigarius. Mommsen weist diese
Trennung zurück und versteht unter dem Claudius an allen Stellen
den Quadrigarius.^^) Peter unterscheidet den Claudius jener zehn
Stellen von dem Bearbeiter des Acilius und hält den ersten für
identisch mit Quadrigarius.^^) Unger endlich meint, Livius meine
zwar fiberall ein und denselben Claudius Quadrigarius, habe aber
verschiedene Werke desselben im Auge, nämlich ein selbständiges
Annalenwerk an jenen zehn Stellen, und eine besondere Bearbeitung
des Acilius an diesen zwei Stellen.^^
Dies ist der augenblickliche Stand der Frage.
um in diesem Labyrinth den Ariadneüaden nicht zu verlieren,
betrachte ich die verschiedenen Ansichten zunächst nach allgemeinen
Gesichtspunkten, und dabei zeigt sich sofort eine verschiedene Auf-
fassung in Bezug auf die Frage: ^Können die Annalen des Quadri-
garius und die Bearbeitung des Acilius überhaupt ein Werk sein?'
Mommsen giebt dies unbedenklich zu, die übiigen Gelehrten ver-
halten sich dagegen skeptisch. Warum? Für Nissen war der Haupt-
grund, zwischen beiden Werken zu unterscheiden, die Beobachtung,
dase Livius den Claudius niemals Quadrigarius nennt^ was mit seiner
sonstigen Citirmethode nicht im Einklänge stünde und deshalb so
auffiülend sei, weil Quadrigarius auf keinen Fall damals schon zu
den geleseneren Autoren gehört habe (a. a. 0. S. 40). Ich kann
mich hiergegen auf Mommsens Ausführungen (a. a. 0.) und auf Peters
Bemerkungen (p, CCLXXXXVII) berufen. Danach kann die Form
der Citate hier nichts entscheiden, keine Trennung der beiden Werke
begründen. Aber Nissen hat bereits beiläufig einen zweiten Gnmd
genannt, der ebenfeklls in zweiter Linie von Peter und ünger geltend
gemacht wird. Nämlich: Quadrigarius könne deshalb schwerlich der
"•) Vergl. Untersuchungen S. 39 u. 40. — "*) VergL Hermes I,
8 166, Ann. 1. - "*) Veigl. p. CCLXXXXVU sqq. - *••) Vergl. PhUol.
a. a. 0. S. 4 ff. Ich sage Xivius hatte im Auge' und nicht: ^benutzt'.
Warum — wird unten deutlich werden.
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152 Georg Thouret:
Bearbeiter des Acilius sein, weil dieser mit der Gründung der Stadt,
jener aber erst mit der gallischen Katastrophe begonnen hStte.
Zunächst ist hiergegen zu bemerken, dass eine Bearbeitung des
Acilius vom J. 364 a. u. an immerhin eine Bearbeitung ist. Es
heisst aber viel gefordert, wenn man von Livius verlangen wollte,
dass er genau hätte das Jahr bezeichnen sollen, von dem an Clau-
dius den Acilius übersetzte. Was aber die Hauptsache ist: man darf
nie vergessen, dass die so wahrscheinlich aussehende Annahme, dass
Claudius Quadrigarius sein Geschichtswerk mit dem J. 364 a. u« be-
gann, im letzten Grunde doch nur eine Annahme ist und bleibt.
Gewiss! Wir haben kein Fragment, welches früher zu setzen wäre,
aber ein strikter Beweis ist dies doch nicht. Man führt gern die
Worte des Livius (VI 1), dass die römische Geschichte vor dem
gallischen Brande höchst unsicher sei u. s. w. auf Claudius zurück
und meint, dies sei das Motiv für ihn gewesen, die ganze ältere Ge-
schichte unberücksichtigt zu lassen. Aber erstens ist dies auch nur
eine Annahme, und zweitens könnte man dem wohl entgegenhalten,
dass ja Livius selbst, obwohl er sicher von der Bedeutung des galli-
schen Brandes überzeugt war, doch die Geschichte der alten und
ältesten Zeiten unbedenklich schrieb. Merkwürdigerweise aber hat
nun Quadrigarius nicht nur nicht erst nach dem gallischen Brande
begonnen zu schreiben, sondern er hat jedenfalls die Geschichte der
gallischen Invasion von Anfang bis zu Ende erzählt (vergl. oben
S. 149). Das erste Fragment springt mitten in die Schrecken der
AUiaschlacht hinein. Nach der herrschenden Ansicht wäre es wirk-
lich das einzig Natürliche, dass z. B. die Einleitung des VL Buch
des Livius oder etwas Aehnliches den Anfang seines Werkes bildete,
dass er mit der vollendeten Thatsache der Zerstörung Roms seine
Geschichte begann. Dies ist nicht der Fall, und wo will man nun
die Grenze ziehen?
Endlich noch ein Beispiel. Licinius Macer, welcher von Anfisiig
an die römische Geschichte schrieb, erzählte im 2. Buche bereits den
Krieg mit Pyrrhus.**') Gesetzt den Fall, das erste erhaltene Frag-
ment fiele ungefthr in das Jahr 364 a. u., so müssten wir es auf
jeden Fall unter die Rubrik: ex lib. I bringen, — und was würden
wir vielleicht daraus für Schlüsse ziehen? Gerade die Vergleichung
mit Macer ist lehrreich: Nach der gewöhnlichen Ansicht* schrieb
Claudius die Geschichte der J. von 364—672 a. u. in 19 Büchern^*®),
Macer die Geschichte der J. von 1 — 683 a. u. in 21 Büchern.**^
Nach den Fragmenten handelte Claudius im 2. Buche vom J. 460
a. u.. Macer im 2. Buche vom J. 476 a. u.^^**) Bei dieser Sachlage
!•») Vergl. Peter p. 308, n. 20. — "^ In dieses Jahr und Buch ge-
hört das letzte mit Bestimmtheit zu datireude Fragment; vergl. Peter
p. 234, n. 84 u. 86. — "") Die Beziehuiu^ des fr. 23 bei Peter p. 309
u. Note 23 scheint mir durchaus zutreffend zu sein. — ^^^ Ich setze die
gangbare Jahreszahl an Stelle von ^Pyrrhus'.
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üeber.den gallischen Brand. 153
steht nichts dex Annahme im Wege: also kann auch Claudins sehr
gnt die ganze römische Geschichte von J. 1 — 672 in 19 Büchern
geschrieben haben. Ich will keineswegs den letzten Schluss, obgleich
er mir unanfechtbar zu sein scheint, aufrecht erhalten; es liegt mir
nur daran, zu zeigen, dass man auf die Annahme, dass Claudius erst
mit dem gallischen Brande begann, keine Beweise oder Beweisgründe
stützen kann. Für ünger aber steht die Richtigkeit jener Annahme
so fest, dass er den IXCTXOC xpövuiv eines KXt^biöc Tic, welcher
nach Plutarch Numa c. 1 die gangbaren Familienstammbäume für
yerfftlscht erkl&rte, Ma die Originale durch den gallischen Brand ver-
nichtet worden seien', für eine griechisch geschriebene Monographie
des Quadrigarius httlt, Velche die Bestunmung hatte, die Wahl des
Anfangs seiner Annalen durch den Nachweis der Unzuyerlässigkeit
der lütesten Geschichte ausführlicher und gelehrter zu rechtfertigen,
als dies in seinem für das grössere römische Publikum bestimmten
Werke statthaft gewesen w&re' (a. a. 0. S. 12). Ich kann Unger
hierin nicht beistimmen. Bis jetzt weiss Niemand, was dieser ^Xexxoc
Xpövwv eigentlich enthielt Die Worte Flutarchs drehen sich ledig-
lich um die Echtheit oder ünechtheit von Stammbäumen. ^^^) In-
dessen, wenn es feststünde, dass Quadrigarius wirklich die iQteste
Geschichte bei Seite liess, so würde jene Combination wenigstens
einen festen Grund und Boden haben. So aber billigt oder verwirft
man sie mit gleichem Rechte. Ja, wenn ich mich nicht irre, so ist
jener unglückliche fXcTXOC nicht ohne Einfluss gewesen auf die ganze
Ansicht von den Annalen des Quadrigarius.
Ich schliesse mich also durchaus der Ansicht Mommsens an, dass
an und für sich nichts gegen die Identität dieser Annalen und der
Bearbeitung des Acilius spricht.
Aber geben wir einmal zu, dass eine Trennung vorgenommen
werden müsse, so haben wir zwei Lösungsversuche. Peter nimmt
zwei Werke und zwei Verfasser an. Unger dagegen meint, dass die
üebersetzung des Acilius eine Jugendarbeit des Quadrigarius, die
Annalen aber ein Werk seiner reiferen Jahre sei (S. 12). Ich ge-
stehe, dass mir die letztere Ansicht absolut unmöglich zu sein
scheint Die Annalen des Acilius waren, nach den erhaltenen Bruch-
stücken zu urtheilen, namentlich in den späteren Partieen von einer
gewissen Fülle und Breite der Darstellung. Derselbe Mann aber,
der dieses ganze Werk lateinisch übersetzte oder bearbeitete, soll
nun noch ein zweites, eigenes Annalen werk verfasst haben? Hier
spielt offenbar wieder jene Ansicht von den Annalen des Quadri-
garius mit hinein. Claudius überzeugte sich durch die Üebersetzung
des Acilius, dass die älteste Geschichte vollkommen unsicher sei, und
deshalb machte er sich daran, ein eignes Werk auf kritischer Grund-
"^) In Bezug auf diesen Claudios kann ich nur durchaus den Aus-
führungen BrOckers beistimmen (Untersuch. S. 2 ffl).
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154 Georg Thooret:
läge zu schreiben. Wenn wir einmal die Werke iarennen, dann müssen
wir mit Peter auch die Verfasser trennen. Denn abgesehen von
allem Andern, gewährt es doch einen merkwürdigen Anblick, wenn
Livius ftir eine Periode der Oeschichte, wo die Quellen so rechlich
flössen, neben dem kritisch gesichteten Werk des Claudius auch
noch dessen entschieden schwächere (so muss man doch folgern)
Jugendarbeit benutzt. Um dieser Consequenz zu entgehen, w&hlt
Unger, wie wir sehen werden, einen wunderlichen Ausweg.
So sind wir bis zu dem Kernpunkt der Sireitfrage angelangt:
Welches sind die Argumente für die Trennung der Annalen und der
Bearbeitung? Sie sind aus jenen beiden Stellen geschöpft, yon
denen ich die erste, weil wir sie ganz brauchen werden, vollständig
hersetze:
Liv. XXY 39, 12 (bei dem üeberfall des Pon, Lagers durch
die Bömer unter L. Marcius): ad triginta Septem milia hostium caesa
auctor est Claudius, qui annales Acilianos ex Graeco in Latinum
sermonem vertit, captos MDCCCXXX, praedam ingentem paratam:
in ea fuisse dipeum argentum pondo CXXXVII cum imagine Bar-
dni Hasdrubalis.
Yalerius Antias una castra Magohis capta tradidit, Septem
milia caesa hostium; altero proelio eruptione pugnatum cum Hasdru-
bale, decem milia occisa, quattuor milia CCCXXX captos.
Piso quinque milia hominum, cum Mago cedentis nostros effnse
sequeretur, caesa ex insidiis scribit.
Apud omnis magnum nomen Marcii ducis est, et yerae gloriae
eius etiam miracula addunt, flammam ei contionanti fusam e capite
sine ipsius sensu cum magno payore circumstantium militum: moni-
mentumque yictoriae eius de Poenis usque ad incensum Capitolium
fuisse in templo clipeum Marcium appellatum cum imagine Has-
drubalis.
XXXV 14, 3: Claudius, secutus Graecos Acilianos libros, F.
Africanum in ea fuisse legatione tradit, eumque Ephesi conloentum
cum Hannibale etc.
Ich muss nun zunächst Peter gegen Unger yertheidigen. Unger
sagt (S. 5 ff), die letzte Stelle sage nicht, dass Claudius den Aci-
lius übersetzte, sondern nur, dass er ihm folgte. Mithin hätte Peter,
wollte er consequent bleiben, neben dem Uebersetzer des Adlius,
einen davon verschiedenen Claudius annehmen müssen, welcher dem
Adlius ab und zu gefolgt sei. Dann würden wir drei Claudii haben.
Diese Forderung Ungers ist hart Wenn Livius einmal in bestimm-
tester Weise erklärt hatte, dass dieser Claudius den Adlius über^
setzte, so war es genug, wenn er an späterer Stelle sagte: ^Auch
hier folgt Claudius dem Acilius'.
Die erste Stelle ist bei weitem die wichtigere. Peters Argumen-
tation gipfelt in der Frage (p. CCLXXXXVII): 'Warum hat Livius
diesen erklärenden Zusatz nicht an der ersten Stelle gemacht, wo
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Ueber den gaUischen Brand. 155
er den Claadius dtirt (VI 42, 4)? Warum in der 4. Dekade an der
vierten Stelle (XXXY 14), nachdem er ihn im 33. Buche dreimal
citirt?' Diese Bedenken scheinen Peter so schwerwiegend, dass er
nur eine Lösung der Schwierigkeit fCLr möglich hält: Wir müssen
den von Liyius lOmal dtirten Annalisten GL Quadrigarius von diesem
2 mal genannten Claudius trennen; die Annalen und die Uebersetzung
des Acilius sind zwei ganz verschiedene Werke. Dann ist Alles in
Ordnung. Um Miss Verständnissen vorzubeugen, musste nun Livius
an beiden Stellen jenen Zusatz machen. Peter ist seiner Sache so
sicher, dass er an einer andern Stelle (p. CXXI) von dem üeber-
setzer Claudius sagt: Von diesem Claudius können wir soviel mit
Sicherheit behaupten, dass er verschieden ist vom Quadrigarius! •
Positive Beweise kann Peter nicht vorbringen, weil es keine
giebt Er muss also zugeben, dass die Trennung beider Claudii hin-
föllig wird, sobald Jemand in genügender Weise erklärt, wie Livius
dazu kommt, erst im 25. Buche das Yerhältniss des Claudius zu
Acilius zu bezeichnen. Denn Jeder wird zugeben, dass an und für
sich die Wahrscheinlichkeit grösser ist, dass diese beiden mitten
unter den andern stehenden Citate eines Claudius dieselbe Person
angehen wie die übrigen.
ünger hat nun einen Versuch gemacht, eine Erklärung der
Schwierigkeit zu geben« Ich gestehe offen, dass ich seine Argumen-
tation nicht verstanden habe. Claudius giebt a. a. 0. das Oewicht
des Barkidenschildes auf CXXXVII pondo an.
Unger sagt nun (S. 6): *Die eigenthümlich römische Gewichts-
bezeichnung pondo findet sich bei Livius, wie Nissen S. 108 zeigt,
nur in Stücken, welche nach original lateinischen Quellen gearbeitet
sind. Es hat also Livius auch an dieser Stelle ein von Hause aus
lateinisches Werk benutzt, nicht die uebersetzung des Acilius, und
es &agt sich nur, welchen Grund er gehabt haben mag, hmzuzufügen,
dass der Verfasser des ersteren sich nebenbei auch als
üebersetzer des Acilius bekannt gemacht habe.'
Diesen Grund findet Unger in den hohen Zahlen des Claudius.
Antias gab den Verlust der Punier auf 21 330 M., Claudius dagegen
auf 38 830 M. an. Livius wollte die Garantie für diese sehr hoch
gegriffene Zahl nicht übernehmen, deshalb fügte er ^der Nennung
seines Gewährsmannes die Bemerkung hinzu, derselbe habe den
Acilius übersetzt, d. i. er könne diese Nachricht wohl aus dem
hochangesehenen Werke des Senators C. Acilius — entlehnt haben'
(ü. S. 7).
Diese Erklärung weicht der Schwierigkeit aus. Denn sie be<
antwortet gar nicht die Frage: ^Benutzt nun Livius an dieser Stelle
die Annalen oder die Bearbeitung des Acilius?' Und sie entscheidet
nicht, ob beide Werke identisch oder verschieden sind! Was nämlich
den Ausdruck * pondo' betrifft, so meint Nissen an der von ünger
citirten Stelle, dass Poljbius nach Talenten, die römischen Annalisten
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156 Georg Thouret:
aber nach Assen oder Pfänden Silbers rechnen; und er theilt die
Beobachtung mit, dass Liyius, da wo er Polybias ausschreibt, un-
bedenklich die 'Talente' mit herüber nimmt.
Nun schrieb Acilius zwar griechisch, aber er war ein Bömer;
es ist also höchst zweifelhaft, ob er das Oewicht des Schildes nach
'Talenten' angegeben und nicht vielmehr den Ausdruck Xirpai ge-
braucht hat Zweitens aber hatte Livius nicht den Acilius vor sich,
sondern den Claudius; wenn aber Claudius die griechischen Annalen
des Acilius lateinisch — also flir das römische Publikum übersetzte,
so wird er wohl, da man einem Uebersetzer mehr Sorgfalt zutrauen
darf als einem Ausschreiber, die allgemein yerstiUidlichen Mass- und
GTewichtsbestinmiungen angewendet haben.
Doch nun zu Peters Argumentation. Dieselbe gründet sich,
wie wir gesehen, in erster Linie auf die Frage: Wie kommt Livius
dazu, erst an so später Stelle jenen Zusatz zu machen? Wer diese
Frage beantwortet, beseitigt Peters Zweifel! Aber — er löst nicht
die Schwierigkeit, und daraus sehen wir, dass auch Peters Frage
nicht den Kern der Sache trifPt. N&mlich angenommen, wir wfissten,
wie Livius dazu gekommen sei, so erhebt sich sofort die zweite
Frage: Warum macht er im 35. Buche noch einmal einen fthnlichen
Zusatz? Diese Schwierigkeit bliebe bestehen, selbst wenn die erste
gelöst wSre.
Aber gerade die letzte Frage enthält die Lösung. Sie klingt
vielleicht trivial: ein£a>ch ist sie jedenfalls. Ich meine: Livius hat
es erst im 25. Buche erfahren, oder wurde wenigstens von Neuem
daran erinnert, dass Claudius die Annalen des Acilius lateinisch be-
arbeitet hatte. Mit andern Worten: Acilius wurde an beiden Stellen
von Claudius bereits citirt, und Livius hielt es fdr nöthig, den Gre-
wahrsmann seines Gewährsmannes mitzunennen. Diese Thatsache
würde von grosser Wichtigkeit für die allgemeine Beurtheilung der
Livianischen Citate sein. Es würde sich daraus ergeben, das Livius
mit Ehrlichkeit dabei verfuhr.
Dass Acilius von Claudius an der zweiten Stelle citirt worden
sei, nimmt auch ünger an (S. 7). Hier liegt der Grund auf der
Hand. Das Zwiegespräch zwischen Scipio und Hannibal ist zwar
eine schöne Erzählung, aber offenbar eine Anekdote. Es war natür-
lich, dass Claudius sich hier hinter Acilius verschanzte.
Es bleibt somit übrig, zu erklären, warum Claudius an der
ersten Stelle gerade den Acilius citirte. Gelingt mir dies, dann hoffe
ich meine Lösung gerechtfertigt zu haben. Denn diese beseitigt alle
Schwierigkeiten. Wenn etwas aber für dieselbe spricht, so ist es der
Umstand, dass meiner Ueberzeugung nach Claudius den Acilius auch
an der ersten Stelle dtiren musste, wollte er ein ehrlicher Maxm
sein. Diese Behauptung habe ich zu beweisen.
Den Beweis liefert uns die Stelle selbst
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1
üeber den gtdlischen Brand. '157
Mit Yollem Recht bemerkt Peter rell. p. 46, not. 4, dass di^
vorhergehende Sichildemng des Kaiapfes unter Führung des L. Marcius \
bei Livius nur aus Claudius genonunen sein kann. Die Notizen aus
Antias und Piso stimmen nicht zu der Haupterztthlung, und da ausser-
dem Claudius an erster Stelle genannt ist, so kann es keinem Zweifel
unterliegen, dass er hier Hauptquelle ist. Livius giebt dann (wie
so oft) in Bezug auf die Grösse des feindlichen Verlustes Varianten
ans Antias und Piso an. Dann f&hrt er fort: ^Bei allen (also Acilius
— Claudius, Antias, Piso) steht Marcius in hohem Ansehen. Sie
preisen ihn nach Verdienst und erzählen ausserdem ein Wunder:
eine Flamme sei, wlQirend er vor den Soldaten sprach; aus seinem
Haupte emporgelodert, ohne dass er selbst es merkte, während
Schrecken und Staunen die herumstehenden Soldaten ergriff. Auch
habe (fOgen sie hinzu) bis zum Brande des Kapitels ein Denkmal
seines Sieges über die Punier bestanden, nttmlich der Schild im
Tempel, ^Marcium' genannt^ mit dem Bilde des Hasdrubal'. Da
dies alle erzählen, so hat Peter folgerichtig die ganze Stelle unter
die Fragmente des Acilius (p. 46, n. 4), des Piso (p. 133, n. 32)
und des Antias (p. 247, n. 23) eingereiht. Dabei ist ihm nun ein
Versehen passirt. So weit wir wissen, brannte das Kapitel zum
ersten Male im J. 671 a. u. ab^^'); mithin würden Acilius und Piso
noch nach 671 gelebt und geschrieben haben, was unmöglich ist
Den letzten Theil des Satzes hStte Peter nicht bei beiden aufiiehmen
dtirfen. Livius hat offenbar flüchtig bei Antias und Piso nachg^ehen,
f&nd bei beiden das Wunder wiedererzählt, bei beiden auch eine Er-
wähnung des Schildes, bei Antias endHoh vermuthlich ebenfalls die
Notiz, dass dieser Schild bis zum Brande des Kapitels in Rom yor-
banden gewesen sei.^^') Da Claudius hier Hauptquelle ist, so müssen
wir schliessen, dass auch er eine gleichlautende Notiz brachte^ denn
nur dann ist es zu erklaren, wie bei Liyius die Verwirrung entstand:
Claudius und Antias erwähnten den Brand, Piso zwar diesen nicht,
aber doch stimmte er mit jenen beiden in der Hauptsache überein,
nämlich dass Marcius einen Schild mit dem Bilde dea Hasdrubal er-
beutet Bei seiner eilfertigen Schreibweise schied hier Liyius nicht
streng genug, schob die gemeinsamen Nachrichten unter eine Rubrik:
*Alle erzählen' zusammen, was ja in der Hauptsache richtig ist, be-
merkte nun aber nicht, dass er dabei eine Ungenauigkeit mit in den
^auf nahm.
Ich schliesse nun: Claudius schrieb diese Stelle nach 671, und
als er dies schrieb, war der Barkidenschild bereits abhanden ge-
kommen. Da er nun yorher das genaue Gewicht desselben (137 Pfund)
angiebt, so musste er als ehrlicher Mann sagen, woher er dies wusste,
&Il8 er den Schild nicht selbst gewogen hatte. Dass er dies nicht
' "») Vergl. Fischer, Rom. Zeitt. S. 185. — "«) Dies wird vollkommen
bestätigt durch eine Stelle bei Plinius: n. h. XXXV 4, 14.
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158 ' Georg Thonrel:
ig^ethan, schliesse ich eben aus der Anführung des Acilius. Dass aber
' der Schild gerade in der Zeit des Acilius gewogen wurde, dafür haben
wir eine merkwürdige Notiz bei Plinius. Im Anschluss an die Notiz
über den SchUd, welchen Marcius erobert (vergl. oben Anm. 173), fiihrt
Plinius fort (XXXV 4, 14): Maiorum quidem nostrorum tanta se-
cuntas in ea re adnotatur, ut L. Manlio B. Fulyio coss. anno urbis
DLXXV M. Aufidius tutelae Capitolio redemptor docuerit patres
argenteos esse clipeos, qui pro aereis per aliquot ißm lustra ad-
signabantur.
Man sieht, in den glücklichen Zeiten nach dem Ende des Kan-
nibalischen Krieges zogen die Spinnen ihr stilles Gewebe um die
Eriegstrophäen auf dem Eapitol, — also wahrscheinlich auch um
den silbernen Schild des Marcius. Ich stelle mir nun vor, dass die
Leute auf jene Entdeckung des Aufidius hin nun auch auf das Kapi-
tel gingen, die Schilde herabnafamen, sie anstaunten und nach dem
Gewicht prüften. Da fand sich dann die erstaunliche Thatsache,
dass der Schild des Hasdrubal 137 Pfund wog. Die alte Heldenzeit
trat wieder lebhaft vor die Seele der Nachwelt, und die Gestalt des
Marcius kleidete sich in romantischen Schimmer. Acilius, der nicht
lange nach jenem Jahre geschrieben haben muss, wird diesen Schild
auch gesehen und sein Gewicht gekannt haben. Da er nun, wie wir
aus der behandelten Stelle des Livius bestimmt wissen, die Thaten
des Marcius ausführlich berichtete, so ist es natürlich, dass er den
gewisätanassen neuentdeckten Schild^^^) eingehend beschrieb und das
Gewicht desselben genau angab.
In den furchtbaren Zeiten der Bürgerkriege wird derselbe wohl
wieder der Vergessenheit anheimgefallen sein. Möglich ist es, dass
Claudius ihn noch gesehen hat, möglich aber auch, dass er, durch
das Werk des Acilius aufoierksam gemacht, ihn sehen wollte aber
nicht mehr yorfand, weil er bei dem Eapitolbrande auf irg^id
eine Weise verloren gegangen war. Wie dem auch sein mag: die
Stelle gewinnt Fleisch und Blut und wird vollkommen verständlich,
wenn wir sie auf die angegebene WeisiB verstehen: Claudius nahm
die genaue Angabe aus Acilius mit herüber; da aber der Schild nicht
mehr existirte, als er diese Stelle schrieb, so fühlte er sich ver-
pflichtet, seinen Gewährsmann zu nennen. Bei dem speciellen Sach-
verhalt wagte Livius nicht, sich nur auf Claudius zu berufen, son-
dern er nannte ebenfalls die Urquelle, ohne sie selbst eingesehen
zu haben. Auch bei dem Zwiegespräch in Ephesus berief sich Clau-
dius auf Acilius und auch hier hielt es Livius für nöthig, den ur-
^^^) Ich meine selbstveratändlich nicht, dass Acilius selbst den Schild
wieder ans Tageslicht gezogen hat. Aber ihn als Historiker musste die
Entdeckung des Aufidius interessiren. Nebenbei bemerkt, sieht man nun,
wie es kam, tlass ungefähr za derselben Zeit die Tafeln des ersten röm.
karth. Vertrages von Neuem gefunden wurden. Man war eben auf die
Fundgrube des Eapitols aufmerksam geworden.
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XJeber den gallischen Brand. 159
sprünglichen Autor mitanzuführen. Dass er dies that, gereicht ihm
zur Ehre und ist geeignet, uns zu veranlassen, hinter seinen Ci-
taten mehr Gewissenhaftigkeit zu suchen, als man im Allgemeinen
annimmi^^^) Die kleine Ungenauigkeit , welche er sich hier in ]^e-
treff Pisos hat zu Schulden kommen lassen, kann keine gegentheilige
Instanz bilden. Wahrscheinlich beruht sie auf einem Gedächtnisse
fehler, der bei Vergleichung von drei Autoren erklärlich ist.
Trifft meine Erklärung das Richtige, so fällt jeder Grund weg,
zwischen dem Bearbeiter des Acilius und dem Azuisklisten Claudius
zu unterscheiden, geschweige denn den Claudius zum Verfasser
zweier Annalenwerke zu machen. Wir kommen vielmehr zu dem
Resultate und zu der Ansicht Mommsens zurück, dass Livius sein
ganzes Werk hindurch die lateinische Bearbeitung des Acilius be-
nutzt, und dass diese und die Annalen des Claudius Quadrigarius
identisch sind.
Um es begreiflich zu machen, weshalb Claudius sich gerade den
Acilius wählte^ um nach ihm seine Annalen zu schreiben, stelle ich
auf der nächsten Seite eine Tabelle der lateinisch schreibenden
Annalisten zusammen. Sie soll zeigen, dass Claudius bei ihnen offen-
bar nicht fand, was er suchte, und dass er deshalb seine Zuflucht
zu einem der griechisch Schreibenden nahm. Ich wähle die Jahre
der Stadt, welche eine sichere oder doch höchst wahrscheinliche Ver-
gleichung zulassen. Ich verlasse mich dabei auf den kritischen
Apparat bei Peter. Um die Tabelle auch für andere Vergleichungen
brauchbar zu machen , fahre ich die Annalisten von Cato bis Liviüs
auf. Es fehlen ausser einigen ganz Unbedeutenden nur Faunius und
Tuditanus, deren Ueberreste zu sporadisch sind, als dass man sich von
dem Umfang ihrer Werke irgend eine Vorstellimg machen könnte.
Die Belege sind bei Peter zu suchen. Sie einzeln anzugeben, ist
unmöglich.
Für erae dei'artige Vergleichung wäre es nun freilich von grösster
Wichtigkeit zu wissen, ob die Eintheilung in Bücher von den be-
treffenden Schriftstellern selbst herrührt, oder erst später gemacht
geworden ist, und ferner, ob wir unter ^Buch' überall ein ungefähr
gleiches Durchschnittsvolumen zu verstehen haben. Beide Fragen
weiss ich nicht zu beantworten. Was die letztere betrifft, so scheint
es mir in der Natur der Sache zu liegen, dass die Bücher bei den
älteren Schriftstellern jedenfalls nicht umfangreicher gewesen sein
werden als bei den späteren. Wenn wir endlich sehen, dass die Vor-
geschichte Roms und die Geschichte der Könige, nach den Ueber-
resten zu urtheilen, von Allen ungefähr mit gleicher Ausführlich-
keit erzählt worden ist, und dass diese beiden Perioden bei den
meisten, ebenso wie bei Livius, das erste Buch zu füllen pflegen, so
''*) Dies würde besonders für die Citate des F ab ins und über-
haupt der älteren scriptoreB von Wichtigkeit sein.
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Georg Thouret:
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üeber den gallischen Brand. 161
können i?ir, denke ich, den umfang der Liyianischen Bücher als im*
gefihren MasBstab betrachten.
Sehen wir nns die Tabelle an, so zeigt sich, dass Cato, Hemina
nnd Piso die yorrepublikanische Zeit anverhältnissniSssig ausfUhr-
licber behandelt haben müssen als die Geschichte nach Vertreibung
der Könige. Die Jahre 496 — 605/8 z. B. behandelte Cato in höchstens
4 Büchern, Hemina in höchstens 4 Büchern, Piso in höchstens 5 Büchern,
Clandins in mindestens 6 Büchern. Hier zwar befinden wir uns in
dem hellen Lichte der Geschichte. Viel wichtiger schon ist folgende
Vergleichung: Auf die Jahre 245 — 460 a. u. verwandte Hemina
noch nicht 1 Buch, Piso höchstens 1 Buch, Claudius mindestens 2
Bücher. Der doppelte UmfiEuig in diesem Theile der Geschichte will
schon mehr sagen. Uebrigens illustriren diese Zahlen aufs Beste
das absprechende ürtheil Ciceros über die römische Annalistik.^^^)
Gegenüber dieser fast dürftigen Kürze der älteren Annalenwerke er-
scheint es rftthselhaft, dass gleichsam mit einem Male Cn« Gellius in
das andere Extrem yerfllllt. Er ist beim Jahre 245 a. u. schon über
das dritte Buch hinaus, das Jahr 365 behandelt er im 15. (Liy.
im 6.); das Jahr 538 im 33. Buche (Liy. im 23.). W&hrend Piso,
mit Livius verglichen, einen siebenmal geringeren umfang aufweist
(vergl. d. J. 605 in der Tabelle), kommen auf 2 Bücher des Livius
immer drei des Gellins. Wann dieser geschrieben, ist nicht sicher.
Darf man eine Vermuthung wagen, so möchte ich glauben, dass die
VeröfiPentlichnng von 80 Büchern der annales maz., deren Datum
wir allerdings auch nicht anzugeben vermögen; nicht ausser Zu-
sammenhang steht mit dem kolossalen Um&nge der Gellischen An-
nalen. Man kann sich denken, dass die Eröfhung einer solchen
Wucht historischen Materials Jemand dazu reizen konnte, etwas noch
nie Dagewesenes zu leisten und eine Art Monstre-Geschichte zu
schreiben. So sehen wir, dass. die römische AnnaJistik von einem
Extrem ins andere verfallt. Vielleicht ist hierin das Motiv zu suchen,
das Claudius veranlasste auf Aoilius zurückzugreifen. Freilich wissen
wir von den griechisch schreibenden Annalisten nach Fabius Pictor
sehr wenig. Aber es ist bezeichnend, dass, wfthrend dieselben bei
den Zeitgenossen in keinem guten Rufe stehen, Cicero von ihnen mit
Achtung spricht, Cicero, welcher umgekehrt von der lateinischen
Annalistik nicht sehr erbaut war. Offenbar zeichneten sich die
Werke des Sdpio Africanus, des Acüius und Postumius Albinus durch
eine elegante Darstellung aus. Die Geschichte des Erstgenannten
nennt Cicero eine historia scripta dulcissime (Brut^ 19, 77). Albinus
zog sich bekanntlich durch seine Nachäffung der Griechen und seine
thörichte Entschuldigung dieser Nachahmung den beissenden Spott
CatoB und selbst des Polybius zu (PoL 40, 6; Gell. N. A. XI 8, 2;
"^ YergL die bekannten Stellen de or. II 18, 61. 68 u. de leg.
I 2, e.
Jmbxb, t. oUm. PhUoL Suppl. Bd. XI. 11 /^ ^^^T^
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162 Georg Thoaret:
Flui Cato 12). Polybius sagt von ihm (a. a. 0): TTpaTMaTiicf|V
\cTop(av dv€X€(pilcev, also nabm er sich vielleicht den Thukydides
zum Vorbild. Dem herben Urtheil der Genannten steht dasjenige
Ciceros gegenüber. Er nennt (Acad. IE 45, 137) den Albinus einen
doctnm sane hominem, nnd fügt als Begründung hinzu: ut indicat
ipsius historia, scripta Graece. Und auch die Worte im Brutus
(21, 81): A. Albinus, is qui Graece scripsit historiam, — et littera-
tus et disertus fuit, sind durchaus anerkennend gehalten. Was end-
lich den Acilius betrifft, so stand er auch in sachlicher Beziehung
bei Cicero in Ansehen. De offic. III 32, 113 ff. bespricht dieser die
bekannte Erzählung, auf welche Weise einige der zehn vornehmen
Römer, welche Hannibal nach der Schlacht bei Cannae an den Senat
sandte, um über die Auslieferung der Gefangenen zu unterhandeln,
versuchten, die eidliche Verpflichtung, in die Gefangenschaft zurück-
zukehren, zu umgehen. Cicero sagt nun: de quibus non omnes uno
modo. Kam Polybius, bonus auctor inprimis scribit, ex decem...
novem revertisse, — unum remansisse; und § 115: Acilius autem,
qui Graece scripsit historiam, plures sdt foisse, qui in castra rever-
tissent eadem fraude, ut iureiurando liberarentur etc. Diese Gleich-
stellung des Acilius mit Polybius, oder wenigstens seine ErwIÜmung
neben diesem, spricht deutlicher als jedes positive Lob. Wenn
endlich die Aenderung von Hertz in der perioch. 53 des Livius:
statt C. Julius Senator Graece res Bomanas scribit — Acilius etc.
zu schreiben, kaum mehr eine Aenderung, sondern vielmehr eine
Restitution des Textes genannt werden muss, so macht ünger (S. 7
u. A« 3) treffend geltend, dass diese ^in ihrer Art einzig dastehende
Meldung' ein Beweis für das hohe Ansehen ist, in welchem das Werk
des Acilius stand. Mithin flQlt jeder Grund weg, daran zu zweifeln,
dass Claudius Quadrigarius gerade eine Bearbeitung der Annalen
des Acilius in Angriff nahm, diesem vortrefflichen Geschichts werke
folgte, soweit es reichte und es dann fortsetzte bis auf seine eigene Zeit
Aus allen diesen Betrachtungen ergiebt sich mir ein Bild von
dem Gange der römischen AnnaUstik, das ich in grossen Zügen
zeichnen will, um den Punkt zu gewinnen, an den die specielle Frage
unserer Untersuchung anzuknüpfen ist.^^^ Fabius Pictor (von Cin-
cius wissen wir fiEist nichts) schrieb die älteste Geschichte und die
seiner Zeit ausführlich, das Dazwischenliegende in kurz annalistischer
Weise. Diese Lücke suchten die griechisch schreibenden Annalisten
nach ihm auszufüllen. (Es ist möglich, dass Ennius schon in diesem
Sinne verfuhr.) Das Material, welches sie zu verarbeiten hatten, kann
nicht viel reichhaltigei gewesen sein als dasjenige, welches Fabius
zu Gebote stand. Sie werden daher das Schwergewicht auf die Dar-
177^ Ich biuuche nicht hervorzuheben, dass das Folgende weiter nichts
sein soll, als eine persönliche Anschauung. Ich hoffe aber, dass dieselbe
begründet erscheinen wird.
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Ueber ^en gallischen Brand. 163
stelliuig gelegt haben. Die intensive Beschftftigang mit griechischer
Litteratnr gab ihnen die Mittel dazu. Aber unwillkürlich mussten
sieb dabei die griechischen Vorbilder geltend machen und die Fassung
der römischen Oeschichte beeinflussen. Ja auch absichtliche Nach-
zeichnung ist hier keineswegs ausgeschlossen.
Oegen diese griechische Schönschreiberei machte Cato zuerst
in seinem Sinne Opposition. Deshalb schrieb er vor Allem lateinisch.
Meiner Ansicht nach überging er in seinen origines die Periode von
Vertreibung der Könige bis zum 1. Fun. Kriege überhaupt yoll-
st&ndig. Dieser Beaction (so kann man die litterarische Bewegung
bezeichnen) folgte die lateinische Annalistik der nächsten Zeiten.
Wahrscheinlich im Anschluss an Fabius behandelte man die älteste
Geschichte nach wie vor mit grosser Ausführlichkeit, dagegen die
lange Epoche von Gründung der Bepublik bis zum Kriege mit Pyrrhus
knapp und gedrängt annalistisch. Coelius Antipater machte zum
ersten Mal gegen diese trockne Form der Darstellung Front und
yersuclite wie die Griechen Form und Inhalt in ein harmonisches
und schönes Verhältniss zu setzen. Aber er wählte sich dazu die
historisch sichere Epoche des 2. Fun. Krieges. Darauf wurde durch
die Bedaction der annales maximi in Buchform plötzlich ein überaus
reiches lateinisches ürkundenmaterial der bequemsten Benutzung zu-
gänglich gemacht, und dadurch der lateinischen Annalistik die leichte
Möglichkeit gewährt, ihrerseits die ältere Geschichte der Bepublik
ausführlich zu behandeln.
Claudius Quadrigarius, der älteste Annalist der Sullanischen
Zeit, stand diesen Verhältnissen gegenüber. Er griff die griechischen
Annalen des Acilius heraus, übersetzte oder bearbeitete sie lateinisch,
und leitete so die mit griechischen Beminiscenzen durchsetzte Dar-
stellung der älteren römischen Geschichte in die jüngste Litteratur
hinüber. Der auffallend gleiche Umfang der Annalen des Claudius
xmd des Lidnius Macer (siehe die Tabelle), die gleichartige Behand-
lung des älteren Periode bei beiden kann kaum ein Zufall sein. Wie
Antias zu ihm steht, ist nicht ersichtlich. Dass der Schwerpunkt
seiner Annalen im letzten Theil derselben lag, sehen wir aus der
Tabelle. Das Jahr 618 a. u. kommt bei ihm im 22. Buch vor, während
er 75 geschrieben. Mag nun Livius den Claudius, Antias oder Macer
im 5. Buch benutzen, so viel ist sicher, dass Claudius die gallische Elata-
Strophe in derselben Weise erzählte, wie wir sie bei Livius lesen.
Das Besultat der ersten Untersuchung war, dass Fabius die
Vulgata vom gallischen Brande noch nicht dargestellt hat; das Besul-
tat dieser ist, dass Claudius den Acilius bearbeitet hat. Daraus folgt,
dass die Fassung der römischen Tradition entweder von Acilius selbst
oder doch aus dem Kreise der griechisch schreibenden Annalisten
nach Fabius stammi^^^ Ans der zuletzt angestellten Betrachtung
^^*} Vielleicht hat schon die Dichterphaatasie des Ennius die gallische
164 G«OTg Thonrett
endlich ergiebt sich, dass die lateinisch schreibenden Annalisten nach
Cato diese Fonn der Tradition nicht dargestellt zn haben brauchen.
Sie können anch hier das kritische Messer angelegt und mancheB
weggeschnitten haben.
2.
Diodor.
Eine der schwierigsten Fragen auf dem Gebiete der Quellen-
Untersuchungen ist die nach der Autorschaft der römischen Nach-
richten, welche Diodor bringt Ich masse mir nicht an, dieselbe
lösen zu wollen. Vielmehr beschrfinke ich mich bei der folgenden
Untersuchung ausschliesslich auf Diodors Bericht über die gallische
Katastrophe. Ich glaube nämlich nicht zu irren, wenn ich die alten
Fasten Diodors als hauptsächliche Grundlage der Ansicht bezeichne,
dass er eine sehr alte Quelle benutzt haben müsse. Man erlaube
mir, diese imstreitig Üteren Eponymenlisten einmal bei Seite zu
lassen und nach der bisher verfolgten Methode zu fragen: Wie ver-
hält sich Diodors Bericht zu der Vulgata? Fasten allein entschei-
den nicht. Hier sind wir aber in der günstigen Lage, nicht nur
Ütere Fasten, sondern auch einen anscheinend älteren Bericht vor
uns zu haben.
Von vornherein kann man sich einer Beobachtung nicht ver-
schliessen: *Der Bericht Diodors von der Einnahme Roms durch die
(}allier ist im Vergleich mit seinen übrigen Nachrichten über die
römische Geschichte dieses Zeitraums ungewöhnlich ausführlich'.^^)
Die Hauptdifferenzpunkte zwischen Diodor und der Vulgata sind
bereits erwähnt. Er weiss nur von zwei Gesandten, kennt nicht
das Hülfegesuch der Clusiner, nicht die Namen der Gesandten, nicht
ihre Erwfthlung zu Kriegstribunen. Femer fehlt bei ihm die Scene
zwischen Brennus und Gamillus auf dem römischen Forum.
Man mnss zugeben, dass diese Punkte gravirend sind. Aber
was kennt er ebenfalls nicht? Die Märchen, in denen Fabius Der-
suo und Fabius Ambustus (Aufopferung der Greise) die Hauptrolle
spielen, — also gerade von den Fabiem weiss er nichts.^*)
Katastrophe in ähnlicher Weise ausgeschmückt wie die Belagerung Sa-
gunts im J. 218 v. Chr. Dass die bekannte Schilderung von dem Imter-
gange dieser schwergeprfiften Stadt höchst wahrscheinlich freie Phantasie
des Ennius ist, ist eins der vielen schönen Resultate der Dissertation
von Wilhelm Siefflin: die Chronologie der Belagerung von Sagont,
Leipzig 1878. Vgl. § 4 S. 28 £f. Leider versagt in der vorliegenden
Frage das Material vollständig. — ^^*) Dies sind Worte von Lewis (H 8.
279/80). ~ "<0 Mommsen theilt mit (a. a. 0. 8. 627 A. 1), dass die
besseren Handschriften des Livius den Pontifex nicht Fabius sondern M.
Fol ins nennen. Es ist doch aber auffallend, dass er auch bei Plutarch,
der gerade hier unabhaogig von Livius zu sein scheint (vgl. oben 8. 146
n. A. 160), Fabius hetsst (Cam. 21).
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Ueber den gallischen Brand. 165
Auch in dem Positiven, was er bringt, Iflsst sich ein Temünfteln-
der Zug erkennen: Nach der Yulgata finden die Gallier die Thore
Borns sperrangelweit offen ^^^), nach Diodor müssen sie dieselben erst
einschlagen (XIV 115, 6). Offenbar hat er Becht. Nach der Vnl-
gata hflllt sich Pontius Cominius in eine Art Eorkkleid and Iftsst
sich nftchtlicher Weile durch die StrOmung zur Stadt tragen. Er
vermeidet dadurch jedes Gerftusch; denn auch das geringste kann
ihn verrathen.^^') Dieser romantische Zug fehlt bei Diodor. Er Ifisst
den Pontius einfach in der Nacht durch den Tiber schwimmen und
sich dann an den Burgfelsen hinanschleichen (ib. 116, 4). Ob die
poetische Fassung jünger ist als die mehr prosaische ist sehr die
Frage.
Der Versuch der Gallier, das Kapitol zu ersteigen, die Bettung
desselben durch die Wachsamkeit der Gfinse und die Tapferkeit des
M. Manlius giebt die Yulgata nur in bedeutend knapperer Fassung
wieder (116, 5 ff.).
Wir haben bereits gesehen (vgl. oben B. 108), dass Diodor voU-
st&ndig mit den spftteren Quellen in der Yeraalassung und den
Gründen übereinstimmt, welche die GaUier bewogen, auf den an-
gebotenen Yertrag einzugehen. Ebenso fanden wir seinen Bericht
von dem Wiederaufbau der Stadt mit einigen Erweiterungen genau
bei Livius meder (vgL S. 124 ff.).
um der Frage, welcher Epoche die Quelle Diodors angehört,
nAher zu kommen, betrachte ich nun die Erzfihlung von der Aus-
lieferung des Gesandten, welche für die politische Stellung des Au-
tors schlagend ist Nach Diodor besohliesst der Senat factisch die
Dedition. Der Yater des Auszuliefernden aber weiss die Comitien
zu bewegen, diesen Beschluss umzustossen (XIY 113, 8). Hieran
knüpft sich die Bemerkung: ö ^iw oCv bf))yioc TOic f^npocOev xpö-
voic ndvra ireiOöfievotc tQ Y€pouci<)(, töt€ ttpuütov fip£aTO biaXu-
€iv TÖ KpiOiv VTTÖ Tf)c cuTKXyjTOU. Es braucht kaum erwähnt zu
werden, dass Diodor diese Notiz in seiner Quelle gefunden haben
muss. Abgesehen von allem Andern würde dieselbe sinnlos sein
für die Zeit, in der er selbst schrieb.
Bei Livius (Y 36, 10) und Plutarch (Cam. 18) nun lehnt der
Senat von vornherein jede Entscheidung ab und wälzt alle Yerant-
wortung auf die Schultern der stimmenden Bürgerschaft Dass staats-
rechtlich Diodors Bericht besser ist als der vulgftre, ist klar^^), denn
über die Dedition hat stets der Senat Beschluss gefasst. Andrerseits
zeigt sich nur bei Diodor das unverblümte Bestreben, den Senat voll-
stfindig rein zu waschen. Sollte aber die Darstellung gerade des-
wegen so alt sein? Die angeführten Worte sprechen nicht nur eine
schroff antidemokratische Tendenz, sondern auch die üeberzeugung
«»*) Liv. V 41, 4; Plut. Cam. 22. — "«) Liv. V 46, 8; Plut. Cam. 26.
^•') Ygl. Mommsen, Hermes XIII S. 620.
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166 Georg Thouret:
aus, dasB der Senat der factische, ja der von Alters her berufene
Wächter des Staats wohls sei, — diese Anschauung aber von der
Omnipotenz des Senats den Bürgerversammlungen gegenüber, sie ist
jünger als Fabius, sie stammt erst aus der Zeit, wo Karthago und
Eorinth zerstört wurden. ^^) Man legt diesen Satz gewöhnlich Fabius
in den Mund und iSsst ihn dabei die Vorgänge kurz vor Ausbruch
des HannibaL Krieges im Auge haben. Die Worte Diodors lassen
aber deutlich durchblicken, dass zu den Zeiten des Autors diese
Masslosigkeiten der Comitien gang und gebe waren. Nun schrieb
Fabius wahrscheinlich erst nach dem Schluss des 2. Fun. Krieges,
jedenfalls nicht lange vor demselben: damals aber konnte Niemand
mit den Comitien derartig unzufrieden sein. Dagegen wird man zu-
geben, dass ein Satz wie der vorliegende den Ansichten der Partei,
welche die Gracchen zu Boden schleuderte, genau entspricht. Momm-
sen meint ^^), vielleicht habe Fabius bei diesen Worten an die Aus-
lieferung des M. Claudius Cineas an die Corsen im J. 518 a. u. ge-
dacht, die er erlebt haben müsse. Indessen diese erfolgte wirklich ^^^),
und Mommsen giebt zu, dass wir nicht wissen, ob dieselbe angegriffen
wurde. Will man aber überhaupt ein Beispiel gelten lassen, so passt
ganz genau das des A. Pompeius, dessen Auslieferung im J« 613 a. u.
vom Senat beschlossen, von den Comitien aber verhindert wurde ^^''\
ein Vorgang, dessen Unwürdigkeit noch von den sp&teren Römern
tief empfunden wurde.^
Endlich, ist Diodor <» Fabius, so haben wir ein Unicum in der
römischen Historiographie zu verzeichnen: dann hat sich nSmUch die
Beschreibung der Schlacht an der Allia, wie sie Pictor gegeben, fast
vollkommen intact durch die ganze Litteratur hindurch bis auf Li-
vius behauptet. Die Berichte über die AUiaschlacht bei Diodor und
Livius sind in der Hauptsache identisch, wenn letzterer sich auch
keine grosse Mühe giebt, die von vornherein nothwendige Niederlage*
genau und klar zu schildern. Bei dieser Behauptung setze ich mich
allerdings in Widerspruch mit Lewis und Mommsen. Ersterer be-
tont mehrmals (vgl. Liebr. IL S. 275 u. A. 144), dass Diodor die
Schlacht auf das rechte Ufer des Tiber verlegt, wahrend sie bei den
übrigen Schriftstellern auf dem linken geschlagen wird. Mommsen
aber hat in ausführlicher Darlegung (a. a. 0. S. 522—525) eben-
falls die Ansicht vertreten, dass sich bei Diodor deutlich ein älterer
Bestandtheil erkennen lasse, welcher die Schlacht auf das rechte
Ufer verlegt. Jedoch fügt er selbst hinzu (S. 524), dass ^Diodor in
^**) Vgl. Nitzsch, Böm. Ann. S. 381 ff. Die factische Omnipotenz
des Senats ist natürlich gltei, und zur Zeit des Fabius vorhanden (vgl.
Lange, B. A. II' S. 397 ff.). Ich meine, die staatsrechtliche An-
schauung ist jünger. — "*) A. a. 0. S. 328 Anm. 1. — "•) Vgl. Momm-
sen, Btaatsr.« I S. 244 A. 3. — *") Vgl. d. Stellen bei Lange R. A. D*
S. 329 A. 1 u. Mommien, Staatsr. I* S. 244 Ad. — >^) Cic. de off. UI
30, 109.
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Ueber den g^sch^n Brand. 167
der That so erzfthltf dass die erste HUfte seines Berichtes auf das
rechte, die zweite auf das linke Tiberufer fahrt, und derselbe also
sich selber aufhebt'. Zugegeben einmal, dem wäre so, dann müssten
wir anerkennen, dass Diodor, — falls er sich nicht (um Mommsens
Worte zu gebrauchen, vgl. S. 525), ^hier einmal — sehr ausnahms-
weise — der SelbstSndigkeit schuldig gemacht hat', bereits eine
contaminirte Quelle benutzte und nicht Fabius: denn wer hat vor
Fabios die Schlacht an der Allia beschrieben? Mommsen stützt sich
hauptsächlich auf die Nachrichten, welche Diodor über den Marsch
des römischen Heeres bringt Die betr. Worte lauten (XIY 114, 2):
dEcXOovrec bk Travbri|i€i kui biaßdvrec töv Tißepiv Ttapd töv Trora-
liöv firaTOV Tf|V büvamv CTabiouc ÖT^orjKOVTa, xai täv TaXaTiüv
diraTTtXXofA^vuJV irpocUvai bi^raTTOV tö ctpaTÖTrebov. ^Diese Er-
zählung, sagt Mommsen S. 523, versetzt also das Heer zimächst auf
das rechte Tiberufer; denn jede üeberschreitung des Flusses vom
römischen Standpunkt aus kann nur dies bedeuten.' Ich gebe dies
zunächst zu. Nunmehr aber werden wir sofort vor eine Alternative
gestellt. Es fragt sich nämlich: wollen wir die angeführten Worte
Diodors derartig geltend machen, dass wir jede Schlachtbeschreibung,
welche die Schlacht auf das linke Ufer verlegt, mag sie sonst noch
so vortrefflich, noch so detaillirt sein wie sie wolle, a priori als
falsch bezeichnen, — oder wollen wir der eigentlichen Schlacht-
beschreibung den Vorrang einräumen und nach ihr jene Worte inter-
preüren? Ich will den letzteren Weg keineswegs als den allein zu-
lässigen hinstellen: aber ich wage zu behaupten, dass der erstere
unzulässig ist. Diodor ist ein Grieche, sein Bericht kein Original*
bericht. Gesetzt den Fall, wir hätten ein positives, unanfechtbares
Zeugniss (was wir nicht haben) dafür, dass die Schlacht auf dem
linken Ufer geschlagen wurde, so würden wir keinen Augenblick
anstehen zu erklären, dass Diodor die Marschroute nicht vollständig
angegeben habe, dass er vielmehr nur den letzten Uebergang des
römischen Heeres vom rechten auf das linke Ufer kurz vor der
Schlacht (denn auch diesen Uebergang konnte der Grieche vollkommen
richtig mit dem Worte biaßaiveiv bezeichnen) im Auge habe. Hier-
aus ergiebt sich die meiner Ansicht nach unabweisliche Forderung,
dass wir uns vor allen Dingen den Verlauf der Schlacht klar machen,
wie ihn die Schriftsteller schildern. Können wir aber gar beweisen,
dass diese Schilderung vom militärischen wie historischen Gesichts-
punkte aus betrachtet, die einzig mögliche ist, dann werden wir das
eine Wörtchen biaßdvrec nicht mehr urgiren dürfen.
1. Aufstellung des römischen Heeres.
Die Eemtruppen lehnen sich an den Tiber, der Best und zwar
der unzuverlässigere Theil des Heeres wird auf einer Hügelreihe in
gleicher Höhe mit dem andern Flügel, vom Flusse weiter entfernt
aufgesteUt: Diod. XIV 114, 3; Liv. V 38, 2.
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168 Georg Thonret:
2. Schlaohtordnung der Gallier.
Brennus^^) dehnt seine Linie sehr lang aus (Diod. 114, 3).
Dasselbe geht aus Livius hervor, da er sagt (38, l): tribuni mili-
tum .... instruunt aciem deductam in comua, ne circumveniri
multitudine hostium possent nee tarnen aequari frontes pote-
rant. Beide Schriftsteller stimmen völlig darin überein, dass die
Bömer kein eigentliches Centrum, sondern nur zwei Flügel haben.
Es kommt also darauf an, welchen Flügel Brennus zunächst anzu-
greifen gedenkt. Diodor bemerkt in Bezug hierauf (114, 3): eTre
xara TÖxnv etrc Kard irpövoiov touc dpicTOuc Jcrncav (d. Kelten)
^rri TÜJV XöcpujV. Den ersten Stoss, welcher in den Eeltenschlachten
immer entschied, will also Brennus gegen die Hügel, d. h. den
schwächeren Theil des Heeres, richten. Nach Livius fürchtet er eine
Ueberflügelung durch eben diesen Theil und beschliesst deshalb, ihn
zunächst anzugreifen (38, 3 — 4). Beide Berichte decken sich mit-
hin vollständig: ja auch Livius fügt ganz ähnlich wie Diodor hinzu
(a. a. 0.): adeo non fortuna (tuxii) modo sed ratio (Trpövoia) etiam
cum barbaris stabat.
3. Die Schlacht.
Der Angriff gelingt vollständig.'^) Der schwächere Flügel der
Bömer wird über den Haufen gerannt; er wirft sich bei der Flucht
zum Theil auf den anderen, welcher am Flusse steht. Die natürliche
Folge davon ist, dass auch dieser aufgerollt wird, da er von dem
Kern der keltischen Truppen überflügelt, in der Front aber von dem
Rest des gallischen Heeres bedroht ist. Die Masse der Flüchtigen
wirft sich in den Strom. In diesem Moment erleiden die Bömer die
bedeutendsten Verluste (Liv. 68, 6. Diod. 114, 4 — 115, 2).
Wir können nun bei Diodor (a. a. 0.) genau verfolgen, dass
sich Alles, was überhaupt dem Tode entrinnt, durch Schwimmen
rettet. Wenn er daher schliesslich sagt (115, 2): ol )Litv itXcictoi
Twv biacu)0^vTUJV TTÖXiv Bniouc KttTeXiißovTo . . . ÄXiYOi bk tujv
biaviiHaji^vuiv äotiXci (puYÖvrec elc 'Pui^iiv dTTrJTTtiXav irdvrac
äTToXujX^vai, so dürfen wir nicht daraus folgern, dass er unter den
biacuiO^vrec diejenigen versteht, welche sich zu Lande, und unter
den biaviiSä]Lievoi diejenigen, welche sich durch Schwimmen gerettet
haben. Dies hat aber Lewis gethan, wenn er sagt (a. a. 0. 6. 275)
^dass nach Diodor die Römer über den Tiber schwimmen, um nach
Rom zu fliehen'. Abgesehen von dem Zusammenhang giebt uns Dio-
***) Der Einfachheit halber gebrauche ich den bekannten Namen.
Bei Diodor kommt Brennus nicht vor. Wir müBsen uns indessen er-
innern, dass er in der ^nzen Partie Namen selten nennt. Für die
folgende Betrachtung endhch ist diese Differenz gleichgültig. — ''°) Diese
Phase des Kampfes ist bei Livius, dessen TJnf^ugkeit eine Schlacht zu
schildera, bekannt ist, völlig verwischt. Jedoch sind dieselben Elemente,
wie bei Diodor, deutlich erkennbar.
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Ueber den gallischen Brand. 169
dor selbst den Gegenbeweis an die Hand. öXitoi TUüV biavnSa^^viDV
fliehen nach Born, sagt erl Wo bleiben die übrigen von denen, die
durch den Flnss geschwonunen sind? Den angeführten Worten gehen
nnn fdgende voran: 'Die Mehrzahl der Geretteten wirft sich nach
Yeji hinan; sie befestigen den Ort nach Möglichkeit Kai touc Ik
Ttic qnJTnc cuiZojüi^vouc dveXdjüißavov öXixoi bt kt^: Diese Worte
sagen ganz bestinunt, daas sich auch die, welche in Yeji Halt machen,
dnrch Sehwinunen gerettet haben« Mithin sind die öXitoi Tiuv biaviiEa-
M^vtJüv ein Theil der biocuiO^VTec^^^)
Auch Livios sagt mit dürren Worten (38, 5), dass sich der
grosste Theil des Heeres durch Schwimmen nach Yeji rettet. Da-
gegen flieht nach ihm (38, 10) der zuerst geschlagene Flügel direkt
nach Born. Mit Ausnahme dieser Differenz decken sich die Berichte
beider Autoren ToUkommen, wenn auch der des Livius in Bezug auf
Klarheit hinter dem Diodors zurücksteht.
Der Hauptmoment ist jedenfalls der Flussübergang. Der Kern
der Armee rettet sich durch Schwimmen nach Yeji: das steht bei
beiden fest. Mithin muss die Schlacht, da die Gallier von Norden
kommen, auf dem linken Ufer geschlagen sein, und muss der linke
Flügel der Bömer am Tiber, der rechte auf den Hügeln gestanden
haben.^*^) Die Schlacht ist sonnenklar. Die Kelten überrennen den
rechten Flügel. Dieser wirft sich theils in die Flucht, theils auf den
linken FlügeL Dieser, seinerseits überflügelt und in der Gefahr, um-
zingelt zu werden^ hat keine andere Wahl, als entweder sich zusam-
menhauen zu lassen, oder sich in den Tiber werfen zu lassen, um
womöglich den Fluss zwischen beide Heere zu bringen. Dass Livius
sich wundert und empört darüber ist, dass *der grössere Theil des
Heeres nach Yeji flieht — obgleich der Tiber zwischen liegt — und
nicht recto itinere nach Bom' (38, 5), beweist, dass er gerade das
in seiner Quelle fand, was ihn so empörte.
Ich hoffe dargethan zu haben, dass nach den Berichten,
wie sie bei Diodor und Livius vorliegen, die Schlacht nur auf dem
linken Ufer geschlagen sein kann. Denn man construire eine Schlacht
auf dem rechten, bei der es möglich ist, dass sich die Bömer über
den Fluss nach Yeji retten.
Ich freue mich, dass Mommsen selbst zugiebt (S. Ö23), dass die
Au€Eässung, welche ich vorgetragen, Vom Standpunkt des Interpre-
ten wenigstens zulässig, vielleicht geboten ist'. Dagegen ergiebt
freilich diese Auffassung nach ihm * sachlich betrachtet, geradezu
eine Albernheit'.
'*^) Dies scheint auch Mommsen zuzugeben, vgl. S. 623. Man wird
es übn^ens billigen, daas ich so behutsam wie möglich vorgehe. —
'**) Livius nennt die Flügel, wie ich fflaube, durchaus richtig (dagegen
Mommsen 8. 525), da aber Diodor nidit von 'rechts und links' spricht,
•o habe ich in der Darstellung diese Bezeichnungen nicht angewendet.
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170 Georg Thouret:
Es sei nnverstflndlioh, *dass bei einer am linken Tibernfer ge-
lieferten Schlacht die geschlagenen Römer nicht einmal den Yersnch
machen sich nach dem zwei deutsche Meilen davon an demselben
Ufer gelegenen Bom auf eben diesem Ufer zu retten^ sondern sämmt-
lich in entgegengesetzter Richtung den Flnss zu passiren suchen'.
Ebenso unverstfindlich sei es, dass, ^wenn die Masse der Flüchten-
den sich in und vor Veji sammelt, die Gallier aber auf dem linken
Tiberufer drei Tage verweilen, ohne sich der Stadt zu bem&chtigen,
jene nicht versucht haben sollten mindestens nach dem Janiculum
und auf diesem Wege in die Stadt zurück zu gelangen' (S. 523).
Er fährt dann fort (S. 524): ^Wenn dagegen die Schlacht auf dem
rechten Tiberufer stattgefunden hat, — so ordnet die weitere Er-
zählung von selbst sich klar und sachgemäss. Die römische Armee
ward an den Fluss gedrückt; der Bückzug nach Bom war ihr damit
abgeschnitten; ein grosser Theil ging bei dem Versuch den Strom
zu überschreiten zu Grunde und nur wenige gelangten auf das linke
Ufer und somit nach Bom. Die grosse Masse der Geretteten da-
gegen zog sich auf dem rechten Ufer seitwärts nach dem nahen Veji,
wo sie zwar zunächst in Sicherheit waren, aber nach Bom nicht zu-
rück gelangen konnten, weil das siegreiche Heer der Feinde zwischen
ihnen und Bom stand'. So Mommsen. Ich werde die von ihm aus-
gesprochenen Bedenken und Einwürfe nach beiden Möglichkeiten hin
gewissenhaft prüfen. Es wird sich dabei, glaube ich, ein überraschen-
des Besultat ergeben.
1. Die Schlacht wurde auf dem linken Ufer geschlagen.
Der rechte Flügel der Bömer wird überrannt; dadurch der linke,
welcher am Fluss steht, und zwar der Kern der Arm^e von den
Kelten überflügelt. Es stehen also Feinde vor ihm, in seiner rech-
ten Flanke, ja höchst wahrscheinlich solche auch bereits im Bücken.
Er ist mithin fast umzingelt Um nach Bom zu konmien, musste
er sich also durch den Feind durchhauen. Alle Berichte sagen in
bestimmten Worten, dass der linke Flügel die Besinnung verlor, als
der rechte floh. Er giebt jeden Widerstand auf: er flieht ebenfaUs.
Nach Bom kann er nicht fliehen, sondern nur sich durchhauen.
Naturgemäss flieht er nach der Seite, wo keine Feinde stehen, d. h.
nach der linken Flanke, nach dem Fluss. Er hat keine Wahl: ent-
weder versucht er hinüberzuschwimmen oder er fällt unter dem
Schwerte der Kelten. In dem Schrecken der Schlacht wählt Alles
den einzigen Bettungsweg: Alles wirft sich in die Fluthen um den
Fluss zwischen sich und den Feind zu bringen.
Die Geretteten eilen nach Veji^ einer festen Stadt. Da der Feind
auf dem rechten Ufer steht und also in wenigen Stunden Bom er-
reichen kann, so kann, ja so wird in solcher Situation Niemand da-
ran denken, dass die Kelten drei Tage mit dem Angriff auf die Stadt
zögern werden. Wenn überhaupt in der Geschichte, so muss man
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Ueber den gallischen Brand. 171
in der alten Geschichte mit den Affecten der Menschen rechnen.
Man hatte eben Alles yerloren gegeben. Ehe man sich in Veji so-
weit sammelte, dass man die Situation klar überschauen konnte, ver-
ging mindestens ein Tag: und am zweiten nach der Schlacht standen
die Kelten bereits vor den Thoren Roms (Diod. 115, 6). Ich kann
also nichts ünyerstSndliches darin finden, dass, wenn die Schlacht
anf dem linken Ufer geschlagen wurde, die Bömer nicht nach Rom
fliehen — denn das konnten sie nicht ^^^ — , und dass die Qerette-
tan keinen Yersnch machten, von Veji aus in die Stadt zurückzuge-
langen, — denn dazu fehlte ihnen die Thatkraft.
2. Die Schlacht wurde auf dem rechten Ufer geschlagen.
Auch in diesem Ealle ist es selbstverständlich, dass das Gros
der Flüchtigen sich nach Veji und nicht nach Rom wendet. In Be-
zug auf den zweiten Punkt stellt sich aber hier die Sache gerade
umgekehrt, als Mommsen meint. Gewiss stand zunächst der Feind
zwischen den Flüchtigen und Rom. Aber die Kelten greifen Rom
ja nicht von der Wasserseite — was auch keinen Erfolg gehabt
hätte ^^) — sondern von der Landseite an, wie alle Quellen mel-
den, und wie Mommsen zugiebt (vgl. S. 627). D. h. sie gehen ihrer-
seits nach der Schlacht über den Fluss. Nun, verlangt man einmal
von den Römern, die sich in Veji gesammelt haben (was ich selbst
in diesem Falle nicht verlange), dass sie doch wenigstens den Ver-
such hätten machen müssen, nach Rom hinein zu kommen, so ist
man jetzt viel mehr berechtigt, dies zu verlangen, als vorhin. Denn
nun müssen die Kelten erst einen Flüssübergang bewerkstelligen —
für ein antikes Heer ein sehr beschwerliches Unternehmen — ehe
sie die Stadt angreifen können. Es wäre natürlich, wenn inzwischen
die Flüchtigen versucht hätten, nach Rom zurückzukehren: denn der
pons sublicius war nicht abgebrochen worden, was wir aus der un-
bezweifelbaren Thatsache entnehmen dürfen, dass über denselben die
übrige Bürgerschaft von Rom selbst flüchtet, deren Hauptmasse sich
augenscheinlich nach den westlich von Rom gelegenen Städten
wendet.*®«)
Somit wage ich zu behaupten, dass die allgemeinen Erwägun-
gen, welche Mommsen gegen die vorliegenden Berichte geltend macht,
nicht Stich halten. Wie kommen wir aber zur Entscheidung? Es
giebt einen Punkt in den Berichten, der als historische Thatsache
von Allen anerkannt wird: nämlich die Besetzung Vejis durch den
Kern der geschlagenen römischen Armee. Die Geschichte der nächst-
folgenden Zeit bestätigt vollkommen^ dass Veji von den Römern
^*') Mit Ausnahme des zuerst geworfenen rechten Flügels. Dieser
konnte nach Rom entkommen; dass er nach Rom floh, sagt, wie wir ge-
sehen, Livios c. 38, 10. — »»*) Vgl. Jordan, Top. d. St. R. 1 1 S. 400/401. —
■••) SoTiel kOonen wir aus Liv. V 40, 10 und Plut. Cam. 21 ohne Be-
denken schliessen.
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172 Georg Thooret:
militftrifich besetzt ist Wenn also überhaupt eine Entscheidung über
die Frage, auf welchem Ufer geschlagen worden, möglich ist, so
wird sie hier zu suchen sein« Damit ist nun aber auch Alles ent-
schieden«
Den Kern des römischen Heeres bildete der Flügel, welcher am
Flusse stand. Wurde die Schlacht auf dem rechten Ufer geschlagen, so
ist es nach dem Gkmge derselben eine militSrische Unmöglichkeit, dass
der grösste Theil des rechten Flügels (denn so heisst er in diesem
Falle) unversehrt nachVeji entkommt. Mommsen sagt zwar (S. 524):
^Die grosse Masse der Geretteten zog sich auf dem rechten Ufer
seitwärts nach dem nahen Veji', — aber dies ist, militärisch aus-
gedrückt, das Deployement einer geschlagenen Armee nach der Flanke
wo der Feind steht d. h. eine Unmöglichkeit. Denn (in diesem Falle)
der linke Flügel ist geworfen, mithin die linke Flanke der Bömer
umfasst. Ich weiss nicht, wie die Bömer ^seitswärts nach Yeji' haben
entkommen können.
Wurde auf dem linken Ufer geschlagen, so ist Alles in Ord-
nung. Ein Theil des zuerst geworfenen rechten Flügels flieht nach
Bom, die ganze übrige Masse wird in den Strom geworfen. Wer über-
haupt am Leben bleibt, ist nunmehr durch den Tiber geschützt und
kann sich unbeheUigt nach Yeji, dem natürlichen Sammelpunkt, be-
geben. Ich nehme keinen Anstand, schliesslich zu erklären, dass die
Schlacht nur auf dem linken Ufer geschlagen worden sein kann.
Mit der gegebenen Auseinandersetzung stimmt der Bericht Dio-
dors vollkommen zusammen. Werden wir nun aber wegen des einen
Wortes biaßdvTCC (vgl. oben S. 167) alles bisher Gesagte umwerfen
müssen? Ich meine nicht! Und hierbei stütze ich mich auf Momm-
sen selbst. Die Worte Diodors, welche sich auf den Marsch des
römischen Heeres beziehen, habe ich oben (S. 167) angeführt Momm-
sen sagt nun (S. 523): ^Diese Erzählung versetzt also das Heer zu-
nächst auf das rechte Tiberufer; denn Ueberschreitung des Flusses
vom römischen Standpunkt aus kann nur dies bedeuten, und eben-
dahin führt, dass die von Clusium anrückenden Gallier
nur von dieser Seite her erwartet werden konnten'. Mit
beiden Händen erfasse ich die letzten Worte, — denn sie beweisen
die Bichtigkeit meiner Ansicht. Man wird mir nämlich zugeben, dass
kein Heer, geschweige denn ein antikes, ohne Nöthigung einen Fluss-
übergang unternimmt. Also sind die Bömer gezwungen worden,
den Tiber zu überschreiten. Sie können dazu nur durch den An-
marsch der Gallier gezwungen worden sein. Jeder sieht, was daraus
folgt: Die Bömer erwarten naturgemäss den Anmarsch der Feinde
auf dem rechten Ufer (nach der Lage von Clusium). Sie verlassen also
die Stadt über den pons sublicius, da sie den Edten entgegentreten
wollen. Diodor sagt ausdrücklich: dfeXGövxec . . xal biaßdv-
T€C; d. h. die Bömer überschreiten den Fluss, nachdem sie aus-
gerückt sind. Sie sind aber zunächst auf das rechte Ufer hinüber-
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Ueber den gallischen Brand. 173
gerückt, — mithin sind sie vor der Schlacht auf das linke gegangen,
und die Schlacht wnrde anf dem linken Tiberufer geschlagen.
Wenn endlich Mommsen sagt (S. 523/24): ^Wftren etwa die
Ghülier, um den Fluss unbehindert vom Feind zu überschreiten, weiter
stromaufwärts übergegangen und wftren diese auf die Kunde davon
ihnen auf das linke Ufer gefolgt, so mussten beide Operationen noth-
wendig angegeben oder mindestens das yorherige Vorrücken der
R5mer auf das rechte Ufer unerwähnt gelassen werden', — so ist
diese Forderung Diodor gegenüber hart. Denn ist, wie Mommsen
meint, die Schlacht auf dem linken Ufer geschlagen worden, so hätte
Diodor ebenso gut den Uebergang der Gallier auf das rechte nach
der Schlacht erwähnen müssen, was er aber (und mit vollem Bechte)
nicht thui Es gereicht nun aber meiner Darlegung zum Vortheil,
dass nach derselben auch bei Diodor Alles in Ordnung ist. Seine
römische Quelle notirt nur den Marsch des römischen Heeres. Der
Marscb über den pons sublicius zu Anfiang tritt natürlith nicht als
^FlusBÜbergaug' auf sondern einfach als Ausmarsch (^HeXOövrec),
dann kommt der Uebergang auf das linke Ufer (biaßiivTec).^^^ Dieser
wird verursacht durch die Kunde, dass das gallische Heer bereits
weiter oberhalb über den Tiber gegangen ist (um auf der Seite des
Flusses vorzurücken, auf der Eom, ihr Angriffsobject lag). Der
römische Annalist erwähnt wie gewöhnlich nicht den Marsch des
feindlichen Heeres. Da nun aber die Kelten einmal auf dem linken
Ufer sind, so kann Diodor gar nicht von einem Flussübergang der-
selben nach der Schlacht sprechen.
So fügt sich meiner festen Ueberzeugung nach Alles aufs Schönste
zusammen. Wir können nun auch den Namen dies Alliensis auf-
reckt erhalten. ^^ Ich formulire endlich das Resultat dieser ganzen
Untersuchung folgendermassen: In dem Berichte Diodors finden sich
keine älteren Bestandtheile. In allen wesentlichen Punkten ist er
mit dem Livianischen identisch, wenn sich auch die klare Darstellung
Diodors vortheilhaft vor der mehr verschwommenen des Livius aus-
zeichnet. In Bezug aber auf die einzige Differenz zwischen beiden
(vgl. oben S. 169) scheint mir Livius das Richtigere anzugeben. Denn
wenn der rechte Flügel des römischen Heeres aus Ausreissern be-
stand, so wird er kaum den wuchtigen Stoss der Gallier abgewartet
haben. Dann entspricht es durchaus der Lage der Dinge, dass der
grösste Theil dieses Flügels direkt nach Rom flüchtet, weil eine
weite Verfolgung nie Sache der Gallier war, und diese ausserdem
vorläufig noch mit dem linken Flügel zu thun hatten.
Um nunmehr den Faden der Hauptfrage wieder aufzunehmen,
so ist bereits an einer früheren Stelle (S. 142 ff.) dargelegt worden,
dass die Schilderung des Wiederaufbaus der Stadt bei Diodor (XIY
^ Ich möchte bdianpten, dass Mommsens Irrthum im Grunde be-
ruht aoiFder Zusammenwerning von ^EeXO^vrcc und öiaßdvrcc. — "') Daa
beste Zeugniss für den Namen ist Varro de 1. 1. VI 82 M. p. 86.
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174 Georg Thonret:
116, 8 ff.) weder yon Fabius herrühren noch überhaupt aas einer
älteren Quelle als der Bericht des Livius stammen kann. Sehen wir
nun einen Augenblick yon der verschiedenen Darstellung der Ge-
sandschaft nach Clusium ab, und fragen wir: Was fehlt eigentlich
bei Diodor von der Vulgata? Erstens die schönen Märchen vom Opfer-
tod der Greise und vom Gang des Dorsuo, femer die Ueberraschung
der goldabwägenden GkJlier durch Camillus und dessen Sieg auf dem
Forum. Setzen wir diese drei Geschichten ein, so ist die Vulgata
ziemlich fertig. Welche Vorstellung sollen wir uns aber von dem
Gange der römischen Historiographie machen, wenn dieser Bericht
Diodors Fabisch oder überhaupt der älteste isti Was zeichnet ihn
Yor allen übrigen aus? Die ruhige, sachgemässe Darstellung, die
klare, jeden poetischen Schwung entbehrende oder yerschmähende
Sprache. Man erlaube mir folgende Betrachtung! Es gehört nicht
gerade moderne Kritik dazu, um die poetisch so schöne Scene zwischen
Camillus und Brennus auf dem Markte von Bom für eine Erfindung
zu halten« Ein antiker Historiker, welcher überhaupt nur den Ge-
danken fasste, zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden,
musste dies sofort erkennen. Einmal sah er, dass Camillus später
noch einmal die Gallier yemichtet; dann aber fand er in der ältesten
und besten Quelle, nämlich bei Fabius gar nichts yon einem der-
artigen Vorgange. Freilich war er zu sehr Römer, als dass er es yer-
mocht hätte, die Wiedergewinnung des Lösegelds durch CainiUus
nun überhaupt zu streichen. Ebenso strich er wohl die handgreif-
lichen Fabeln und Märchen, — wagte aber doch nicht das kritische
Messer an die Gänse der Juno zu legen. Er steht auf dem Boden
älterer üeberlieferung: dies beweisen unbedingt die älteren Fasten
und die ältere Darstellung der Gesandschaft nach Clusium. Beides
gehört meiner Ueberzeugung nach eng zusammen. Denn es wird
wohl Jeder zugeben, dass die Geschichte der drei Gesandten bei
Liyius und Plutarch aus den drei Fabiem ihrer Fasten herausgespon-
nen ist und Niemand wird behaupten wollen, dass die Fasten nach
jener Geschichte gemacht sind. Wenn mithin die Quelle Diodors
auf ältere Fasten zurückging, so musste die Gesandschaft der drei
Fabier ipso facto fallen. ^^) Also selbst wenn Mommsen Becht hat
(woyon ich nicht überzeugt worden bin), *dass der unzweifelhaft aus
Fabius entlehnte poljbische Bericht über die GaJlierkriege
mit den diodorischen Fasten, und mit diesen allein, in yollem Ein-
klang steht' (a. a. 0. S. 553); so folgt daraus höchstens, dass der
Autor, dem Diodor gefolgt ist, die Fasten des Fabius seiner Dar-
stellung zu Grunde legt, nach ihnen die Vulgata emendirt
Somit komme ich zu dem Resultat, dass an dieser Stelle (mehr
will ich nicht) einer jener lateinisch schreibenden Annalisten ^^) nach
19«) DafOr spricht, dass bei Diodor absolut kein Name genannt ist.
Wäre einer genannt, dann stünde es besser um unsere Einsicht. —
'*^ Zum letron Male, so yiel ich weiss, hat Plüss in den N. Jahrb.
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Ueber den gaUischen Brand. 175
Cato als die Quelle Diodors anzusehen ist Der Autor hat die Vulgata
bereits Yor sich. An der Hand eines Siteren und besseren Materials
sucht er dieselbe von den offenbarsten Erfindungen zu befreien. Da-
her sind bei Diodor wohl ältere Elemente erkennbar, auf der andern
Seite aber genug junge Züge stehen geblieben. Seiner politischen
Stellung nach scheint mir der Autor in die gracchische Zeit zu ge-
hören. Er yerr&th deutlich antidemokratische Tmdenzen. — loh
will dem ^Kandidaten' Clasons^ dem Calpumius Piso'^) nicht allzu-
sehr das Wort reden, aber Zeit und Persönlichkeit wtlrden vortreff-
lich passen. Ich bemerke noch einmal, dass ich lediglich Diodors
Bericht über die gallische Katastrophe im Auge habe, um welche
meine Arbeit sich allein dreht Ich weiss sehr wohl, dass sich sonst
gerade gegen Piso als Quelle manche Bedenken erheben. Indessen
sind Namen erst in zweiter Linie wichtig. Im yorliegenden Fall,
wo wir mit Fragmenten nicht operiren können, sondern auf allgemeine
Indiden und innere Kritik angewiesen sind, wird es vielleicht über-
haupt unmöglich sein, die Namensfrage zu entscheiden. Wir müssen
uns daher genügen lassen, die Epoche zu bezeichnen. Ich habe nach-
zuweisen versucht, dass die Quelle Diodors in die Epoche der römi-
schen Annalistik gehört, deren hervorragendster Repräsentant aller-
dings Calpurnius Piso ist Im Uebrigen bekenne ich ganz offen, ausser
Stande zu sein, den Autor irgendwie näher zu bezeichnen. Die Formel,
diesen Zaubergeist zu bannen, ist mir völliges Geheimniss. ^Fabius
Pictor' ist nicht der Ton, auf welchen Diodor antwortet
3.
Die rönü0Ohen Quellen nach Livitui.
§ 1. Floms.
Die poetische Darstellung des Livius ist bei Florus zur bom-
bastischen geworden. Er sagt (I 7, 17), Camillns habe die Spuren
des Brandes durch die Ströme gallischen Blutes getilgt; femer (§18):
der Brand habe *die Hütten der Hirten, die Armuth des Romplus'
beseitigt Ja er versteigt sich sogar zu der Bemerkung (§ 3), dass
die ganze Katastrophe ein Experiment der Himmlischen gewesen sei,
welche wissen wollten, ^ob die römische virtus die Herrschaft über
den Erdkreis verdiene*. So dürfen wir uns nicht wundem, wenn
unter seinen Händen der lustorische Vorgang geradezu auf den Kopf
f. kL Phil. 99 (1869) S. 241 A. 6 geltend gemacht, dass Diodor in der
Einleitung zu seinem Oeschichtswerk selbst erkläre, dass er die römische
Geschichte aus alten lateinischen Quellen geschöpft habe. Die be-
treffende Stelle I 4, 8 ff. (Dind.) sagt dies ihrem strikten Wortlaut nach
gans unzweifelhaft. Jedenfalls müssen wir aus ihr entnehmen, dass Dio-
dor auch alte lateioiBche Quellen benutzte. Die Interpretation derselben
durch H. Peter rell. p. LXXXXVIII und not. 1 scheint mir willkürlich,
weil sie das Verhältmss von YordersatK und Nachsatz völlig ausser Acht
lässt. — ^ So nennt ihn Glasen selbst, Heidelberg. Jahrb. 1872 p. 889.
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176 Georg Thoniet:
gestellt wird. Die Senonen sind Barbaren, * welche geboren zu sein
schienen zum Verderben der Menschen, zur Zerstörung der Stftdte'
(§ 4). Als diese Clusium belagerten und die Bömer für diese ^ver-
bündete Stadt' ^^) intervenirten, suchten die römischen Gesandten
vergeblich, dem Recht und der Billigkeit bei den Gbhlliem Gehör zu
verschaffen, vergeblich — denn quod ins aput barbaros? ferocius
agunt et inde certamen (§ 6). Ich meine, aus dieser abweichenden
Darstellung dürfen wir noch nicht auf eine ganz besondere Qaelle
Bchliessen. Man sieht vielmehr deutlich, wie Florus selbst durch
einen kühnen Federstrich den Völkerrechtsbmch der römischen €re-
sandten aus der Welt schafft. Die verlegene Frage beweist, dass
dies eigne Arbeit des Florus ist.
Soviel zur allgemeinen Charakterisirung der Form und des Tones
der Darstellung. Florus hat jeden&lls das Werk des Livius gekannt
und nahm sich dasselbe wahrscheinlich zum Muster, ohne indessen
das Vorbild zu erreichen.
Wir haben bereits oben (S. 118 ff.) gesehen, dass sich in Bezug
auf den eigentlichen Brand und die Verwüstung Roms Florus mit
Livius deckt. Bier aber handelt es sich um die Frage, ob er ihn
benutzt hat Dies ist nun nicht der Fall. Erstens bringt Florus
zwei positive Zahlenangaben, welche im Livius nicht vorkommen:
1) Die Occupation der Gallier dauert 6 Monate (I 7, 15).
2) Die Besatzung des Kapitels beträgt kaum 1000 Köpfe: iu-
ventus vero, quam satis constat vix mille hominum fuisse, duce
Manlio arcem Capitolini montis insedit (§ 13).
Ausserdem aber sind noch mehrere andere Differenzen zu ver-
zeichnen:
(% 7) Ein consul Fabius befehligt das Heer an der Allia;
(§ 14) Die Anekdote von dem Bencontre zwischen einem der
Gallier und dem M. Papirius (Liv. V 41, 9) hat Florus nicht. Bei
ihm werden die Greise erschlagen, weil sie die sie anredendai Gal-
lier keiner Antwort würdigen.
(§ 16) Der Fabier, welcher das wunderbare Opfer auf dem
Quirinal vollzieht ist nach Florus: pontifex, w&hrend Livius dem
C. Fabius Dorsuo eine priesterliche Würde nicht beilegt (V 46, 2).*®*)
(§ 12) Geringfügig ist es^ wenn Florus den Plebejer, wacher
die Jungfrauen der Vesta in sein Gefllhrt aufnimmt und nach Caere
in Sicherheit bringt, Atinius nennt» w&hrend er bei Livius (V 40, 9)
L. Albinius heisst. Sonst stimmen gerade hier die Darstellungen zu-
sammen, nur dass Florus in der Sucht, AUes zu übertreiben, die
Vestalinnen ^nudo pede' fliehen lässt.
'^^) In dieser Wendung: pro sociis ac foederatiii Bomanus intervenit
(I 7, 6), welche den Worten des LiTine direk£ widerspricht (vgL V 35, 4)
stimmt Florus mit Appian überein, vgl. de reb. GaU. fr. 2; Beck. p. 37. —
*^*) Auch Appian nennt den Dorsao einen icpe^c Tic vgl. fr. 6 B. p. 39. Ebenso
erscheint meser Fabius bei Die Cass. (fr. 25, 5; Beck. p. 24) als ponttfez.
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üeber den gallischen BrancL 177
Es kann meiner Ansicht nach keinem Zweifel unterliegen, dass
Florus nicht direkt aus Livius geschöpft hat. Die beiden Zahlen-
angaben sind geradezu beweisend. Im Uebrigen liegen dieselben
Elemente der Erzfthlung zu Grunde, und an einer Stelle klingen so-
gar die Worte zusammen: Flor. I 7, 17: novissime cum iam obsidio
sua barbaros fatigasset, mille pondo auri recessum suum Tenditantes,
idque ipsum per insolentiam, cum ad iniqua pondera addito
adhuc gladio insuper ^vae victis' increparent etc.
VgL Liy. y 48, 8 und 9: pondera ab Gullis adlata iniqua
et tribuno recusante additus ab insolente Gallo ponderi gla-
dius etc.
Die Nachricht, dass die Occupation Roms durch die Gallier 6 Mo-
nate gedauert, könnte den Gedanken nahe legen, dass Florus Varro
benutzt habe, der dieselbe Angabe hat (bei Non. IX p. 340, YgL ob.
S. 111).^ Indessen spricht hiergegen einmal der Umstand, dass
Florus nicht wie Yarro (bei Non. lU p. 155) die Höhe des Löse-
geldes auf 2000, sondern mit der gewöhnlichen Ueberlieferung auf
1000 Pfund angiebt. Femer wttsste ich nicht zu sagen, in welchem
Werke von Yarro eine derartig ausgeführte Darstellung der galli-
schen Katastrophe gestanden haben könnte. Dass in den Hebdoma-
den, dem biographischen Bilderbuch, die Heldengestalten des Camil-
lus und M. Manlius nicht übergangen waren, ist sehr wahrscheinlich,
aber welche Ausdehnung der beistehende Text (Epigramm?) gehabt
hat, darüber wissen wir so gut wie nichts.**^) Florus stutzt offen-
bar bei der die Occupation betreffenden Notiz. Er sagt (I 7, 15):
sex mensibus barbari — quis crederet? — circa montem unum pe-
penderunt etc. Dies spricht dafOr, dass er dieselbe bereits in seiner
Quelle fand und nicht selbständig hinzufügte.
Die eigentliche Erzählung stimmt in allen wesentlichen Stücken
mit der Yulgata, wie sie Livius und Plutarch darstellen, überein.
Livius hat bekanntlich keine bestimmten Zeitangaben, er lässt nur
einmal den Camillns ganz allgemein sagen (Y 52, 12): si non volun-
tate mansimus in Capitolio per tot menses obsidionis. Plutarch
dagegen redet zweimal von ^sieben Monaten' (Cam. 28 u. 30). Daraus
folgt nun noch nicht, dass die gemeinsame Quelle von Livius und
Plutarch diese Zeitbestimmung enthielt. Denn wir dürfen nicht ver-
gessen, dass letzterer zum grossen Theil von Dionys abh≯ Dionys
aber konnte bei Gelegenheit seine Eenntniss des Poljbius verwerthen.
Indessen machen es die gemeinsamen Abweichungen des Livius und
Plutarch von Florus (z. B. bei der Papiriusanekdote) unwahrschein-
lich, dass Florus ein Auszug aus der gemeinsamen Quelle beider
*^ Das YerhältnisB von Florus zu Yarro müsste einmal gpründlich
anteraucht werden. — «<»*) Ygl. bes. Merklin im Philol. XIII ü. 743. Was
aber die Annalen betrifit, so kennen wir weder Inhalt noch überhaupt
die Anlage derselben; vgl. Teuffei, B. L. G.^ S. 286b. Man könnte viel-
leicht an die remm urbanarum libri III denken.
Jahrb. 1 olMt. PhUol. SuppL Bd. XI. DigitizeSgyGoOglC
178
Georg Thonret:
sein sollte. Aber nichts hindert nns, einen Schritt weiter zorfick-
zngehen und anzunehmen, dass die Quelle, welche Florus ins Emze
zog, und die Quelle, der Livius und Plutarch gefolgt sind, aus einer
gemeinsamen dritten schöpften, oder aber, dass Florus diese Urquelle
direkt, jene aber erst durch Vermittlung benutzten. Dass die Ver-
hältnisse in der That so liegen, daftir haben wir einen merkwürdigen
Fingerzeig. Wir constatirten oben (S. 146) eine Differenz zwischen
Livius und Plutarch, in sofern jener die ehrwürdigen Greise in aediom
vestibulis (V 41, 8), dieser aber auf dem Forum (Cam. 22) die
Barbaren erwarten lässt. Wir wurden femer auf einen ursprüng-
lichen Bericht hingeführt, der so lautete: Die Greise versammeln
sich auf dem Forum, weihen sich unter Vortritt des Pontifez Maxi-
mus zum Tode, und darauf geht jeder in sein Haus. Wir liessen
es unentschieden, ob dieser Bericht sich zwischen Livius und Plu-
tarch direkt oder schon bei ihren Quellen spaltete. Nun diesen ur-
sprünglichen Bericht haben wir genau bei Florus (I 7, 9): iam pri-
mum maiores natu, amplissimis usi honoribus, in forum coeunt, ibi
devovente pontifice dis se manibus consecrant^ statimque in suas
quisque aedes regressi, sie ut in trabeis erant et amplissimo cultn,
in curulibus sellis sese reposuerunt. Die Ansicht, dass Florus selbst
hier dasselbe Experiment gemacht habe, welches wir oben anstell-
ten, wird wohl Niemand ernstlich vertreten wollen. Vielmehr dürfen
wir uns freuen, geradezu einen Beweis zu haben, wo wir die Quelle des
Florus zu suchen haben. Sie liegt, das ist die Hauptsache, vor Livius.
Es giebt nun eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich das Ver-
hältniss der drei Schriftsteller zu dieser ursprünglichen Quelle zu
denken. Die folgenden Schemata sollen die wichtigsten derselben
im Bilde veranschaulichen:
Livius Plutarch Fioms
L. P.
Florus
L. P. F.
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Ueber den gallischen Brand. 179
Die erste Form ist sehr unwahrscheinlich, die drei andern stehen
sich ungefähr gleich.
Die Frage ist ohne Namen kaum zu entscheiden; Namen aber
im vorliegenden Falle anzugeben, birgt der Gefahren viele in sich.
Es kann sich im Wesentlichen nur um Claudius Quadnganus, VaL
Antias und Licinius Macer handeln. Hier jedoch mache ich Halt.
Es kam mir nur darauf an, die negative Thatsache festzustellen, dass
Florus an unserer Stelle Livius nicht ausgeschrieben hat, und die
positive , dass seine Quelle in einem Annalisten vor Livius zu suchen
ist, wobei die Frage gar nicht zu entscheiden, ob Florus selbst das
Excerpt gemacht oder bereits ein Excerpt benutzt hat.
§. 2. Oroslus und die periooha.
Wir betreten nunmehr ein Gebiet der Quellenforschung, welches
nicht nur unsicher sondern auch gefährlich ist. Wie viel hier noch
zu thun ist, wird das concreto Beispiel, welches uns beschäftigt,
deutlich zeigen. Ich kann unmöglich alle diese Quellenuntersuchun-
gen systematisch zu Ende führen. Ich begnüge mich, das Sichere
und das Wesentliche festzustellen.
Ebensowenig wie Florus hat Orosius hier den Livius aus-
geschrieben, da auch er die Dauer der Occupation auf 6 Monate und
die Stärke der Besatzung des Kapitels auf kaum 1000 Köpfe an-
giebt (n 19 Hav.^ p. 67 u. 68). In Bezug auf die letzte Notiz
stimmt er wörtlich mit Florus überein; Or. (a. a. 0.): universam
reliquam iuventutem, quam constat vix mille hominum tunc fuisse
in arce Capitolini montis latitantem obsidione concludunt. Flor. I
7, 13: iuventus vero, quam satis constat vix mille hominum fuisse
duce Manlio arcem Capitolini montis insedit. Es giebt nun hier
wieder drei Möglichkeiten: entweder hat Orosius oder seine Quelle
den Florus abgeschrieben, oder es liegt eine gemeinsame Quelle
beiden zu Grunde. Hier möchte ich mich für eine direkte Abhängig-
keit des Orosius von Florus entscheiden, — aus welchem Grunde
wird später klar werden. Zu erwähnen bleibt noch, dass auch bei
Orosius (wie bei Florus) ein Fabius consul an der Allia commandii-t.
Ehe wir weiter gehen, müssen wir auch die merkwürdige That-
sache constatiren, dass ebenfalls die periocha Y, soweit sie die gallische
Katastrophe berührt, kein direktes Excerpt aus Livius sein kann, da
auch hier die ^6 Monate^ erscheinen (vgL Jahn p. 11), eine Angabe,
welche kein Epitomator aus Livius herauslesen kann. Hierzu kommen
noch grosse Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten.
Ungenau ist es, wenn der Epitomator sagt (Jahn p. 11, 19):
Furius Camillus dictator absens creatus inter ipsum conloquium, quo
de pacis condicionibus agebatur, cum exercitu venit, denn nach Li-
vius V 49 kommt Camillus, als wenigstens ein Theil des Goldes
bereits herbeigeschafft war (auferrique aurum de medio .... iubet).
_^ „„12SOOgle
180 Georg Thouret:
Wenn femer ein Epitomator einmal wörtlich anszielien will und
er macht aus den bekannten Worten des centnrio bei Livius V, 56, 1
(centorio in comitio exclamavit) signifer st^tue Signum: hie manebi-
mua optima, — folgende: sta miles, hie optime manebimus (p. 11,
26), so darf man wohl zweifeln, ob er wirklich den Text des Livius
vor sich gehabt hat (vgl. dagegen Val. Max. I 5, 1).
Geradezu falsch aber ist die letzte Notiz: aedes lovi Capitolino
facta est, quod ante urbem captam vox audita erat adventare Gallos
(vgl. Livius V 50).
Vergleichen wir aber diese periocha mit Orosius, so machen
wir die Beobachtung, dass wir jene bei diesem wiederfinden, wenn
wir nur die Punkte streichen, welche jeden Römer mit Freude und
Stolz erfüllten — die That des M. Manlius und den Sieg des Ca-
millus sowie die Wiedereroberung des Lösegoldes — und die Züge,
welche mit antiker Beligiosität innig zusammenhängen aber auch
nur für sie Werth haben, ich meine vor allen Dingen die Bettung
des Kapitels durch die Gänse der Juno. Orosius legt von vornherein
das Schwergewicht auf die faktische Zerstörung Boms, er vergleicht
sie passend mit der Plünderung der Stadt durch die Gothen unter
Alarich. Unter diesen Gesichtspunkt stellt er die gallische Invasion
gleich in den Eingangsworten (p. 67): dehinc irruptio Gallorum et
incendium nrbis insequitor etc. An diesem Punkte der Geschichte
konnte seine pessimistische Ansicht von dem Gange der antiken Ge-
schichte beredten Ausdruck finden, und er taucht seinen Pinsel in
grausig düstere Farben. Dass für ihn die schöne Fabel von den
Gänsen jede Bedeutung verlor, ist selbstverständlich, ebenso natür-
lich ist es, dass er die Thaten des Manlius und Camillus übergeht.
Er will sein zweites Buch auf Buinen schliessen, und er will, dass
sich um den Leser trostlose schwarze Nacht verbreite.
Wir werden also kein grosses Gewicht darauf zu legen haben,
wenn er scheinbar das Wichtigste übergeht. Wir müssen sein
Schweigen zunächst immer von dem oben dargelegten Gesichtpunkte
aus beurtheilen. Ich stelle nun folgende Yergleichung zusammen:
perioch. V Jahn p. 11, 7 fF. Orosius 11 19, Hav. p. 67/68.
cum Galli Senones Clusium obsi- igitur Galli Senones, duce Brenne,
derent et legati a senatu missi exercitu copioso et robusto nimis,
ad componendam inter eos et Clu- cum urbem Clusini , (quae nunc
sinos pacem pugnantes contra Gal- Tuscia dicitur,) obsiderent, lega-
les in acie Clusinorum [videren- tos Bomanorum, qui tunc compo-
tur] ^°^), hoc facto eorum concitati nendae inter eos pacis gratia vene-
Senones urbem infesto exercitu rant, in acie adversum se videre
'^^) So erganze ich nach Orosius, natürlich ohne Sicherheit. Die
( — ) bei der peroch. bezeichnen die Stellen, welche Orosiue wegliess, die
(— ) bei Orosius theils die rhetorischen Zusätze, tibeils das, was er meiner
Ansicht nach aus Florus entnahm.
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Ueber den gallischen Brand.
181
peiienmt, fnsisque ad Aliam Bo-
manis cepere urbem praeter Capi-
tolimn, qao se iuventus contule-
rat; maiores natu cum insignibus
bonorum quos quisque gesserat
in yestibülis aedium sedeutes ocd-
dernnt. (et cum per aversam
partem Capitolii iam in summum
evasissent, proditi clangore anse-
rum M. Manlii praecipue opera
deiecti sunt.) coactis deinde pro-
pter famem Bomanis eo descen-
dere ut mille pondo auri darent
et boc pretio finem obsidionis
emeront. (Furius Camillus, dicta-
tor absens creatus, inter ipsum
conloquium, quo de pacis condi-
cionibus agebatur, cum exercitu
venit et Gallos) post sextum men-
sem (urbe expulit ceciditque).
dictum est ad Veios migrandum
esse propter incensam et dirutam
urbem, quod consilium (Camillo
auctore) discussum est. (movit
populnm Yocis quoque omen ex
centurione auditae, qui cum in
forum yenisset,manipularibu8 suis
dixerat ^sta miles, bic optime
manebimus'. aedes loyi Capito-
lino facta est, quod ante urbem
captam vox audita erat adventare
GaUos.)
pugnantes: qua indignatione per-
moti, Clusini oppidi obsidione di-
missa, totis viribus Eomam con-
tendunt (Hos ita ruentes Fabius
cum exercitu consul excepit, nee
tamen obstitit, imo potius bosti-
lis ille impetus quasi aridam sege-
tem succidit, stravit et transiit.)
Testatur banc (Fabü) cladem flu-
vius AUia (sicut Cremera Fabio-
rum. Non enim facile aliquis si-
milem ruinam Bomanae militiae
recenseret, etiam si Boma insuper
incensa non esset). Patentem
Galli urbem penetrant, trucidant
(rigentes simulacrorum modo) in
suis sedibus senatores (eosque iu-
cendio domorum crematos, lapsu
culminum suorum sepeliunt).
üniversam reliquam iuventutem
(quam constat vix mille bomi-
num tunc fuisse) in arce Capito-
lini montis latitantem, obsidione
concludunt: ibique (infelices reli-
quias) fame (peste, desperatione,
formidine) terunt, (subigunt,) ven-
dunt: nam mille libris auri dis-
ceösionis pretium paciscuntur :
(non quod apud Gallos Boma
parvi nominis fuerit, sed quod
illam sie iam ante detriverint, ut
amplius tunc valere non posset.
Exeuntibus Gallis remanserat in illo quondam urbis ambitu infor-
mium minarum obscoena congeries et undique impedita errantium et
intet sua ignotorum offensae vocis imago respondens, trepidus suspen-
debat auditus. Horror quatiebat animos, silentia ipsa terrebant. Si-
quidem materia pavoris est raritas ipsa vocis in spatiosis). Hinc illis
mutare sedes, aliud incolere oppidum altero etiam censeri nomine
cogitatum pladtum atque tentatum est. (En tempora . . . captivitates)
illa sex mensibus desaeviens (bis Scbluss).
Namentlich der Anfang der Erzählung klingt zusammen, gerade
der Anfang aber verbietet die Annahme, dass Orosius nur von Florus
abhängig sei. Denn Florus streicht, wie wir gesehen, den Völker-
rechtsbruch Seitens der Gesandten. Die bei Orosius eingeklammerten
Stellen bringen Neues nur da, wo auch Florus von der Yulgata ab-
weicht, im Uebrigen sind sie rhetorische Ausschmückungen, welche
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182 • Georg Thouret:
wir mit gutem Becht als das allereigenste Werk des Orosius an<
sehen dürfen.
Bei dieser Sachlage scheint sich mir folgendes Eesultat zu er-
geben: Es ezistirte eine auf Grund des Livias mit Zuhtilfenahme
noch anderer Quellen gemachte Epitome. Aus dieser entstand durch
weitere Verkürzung die vorliegende periocha. Sie selbst bildet das
Gerippe der Darstellung bei Orosius, der aber, um dem Ganzen mehr
Fülle zu geben, theils einige Zusätze aus Florus ma^hte^ theils seiner
Sacht zu rhetorischen Ergüssen hier die Zügel schiessen liess.
Eine andere Ansicht, welche mir aber weniger wahrscheinlich
zu sein scheint, w&re auch nach dem Vorigen berechtigt : Bei Florus,
Orosius und der periocha liegt eine gemeinsame Quelle zu Grunde:
ein kurz gefasster Bericht, den wir aber dann nach dem vorher-
gehenden § 1 nicht auf Livius, sondern auf dessen ursprüngliche
Quelle zurückführen müssten. Für diese Ansicht würde sprechen, dass
wir dann nicht nöthig haben würden, bei Orosius die Benutzung
zweier Quellen vorauszusetzen. Auch hier wage ich keine Entschei-
dung. Das Ziel dieses Paragraphen ist erreicht: Weder Orosius
noch die sogenannte periocha aus Livius können faktisch als direkt
von Livius abhängig angesehen werden.
§ 3. Der sogenannte Aurelius Victor.
Will Jemand mit verständigem Sinn, kritischem Blick und doch
schonender Hand einen möglichst kurzen Auszug aus der Vulgata
verfertigen, so kann er es nicht kürzer und nicht besser als Aurelius
Victor machen. Die beiden kleinen Viten des Camillus (c. 23) und
M. Manlius (c. 24) sind geradezu musterhaft und berühren wohl-
thätig, wenn man von Orosius kommt. Nur weiss man nicht, ob hier
Zufall oder Kritik obwaltet.
Zwei Angaben weisen darauf hin, dass diese Viten keine Aus-
züge aus Livius sind. In der bestimmtesten Weise nennt Aurelius
den 17. Juli als Datum der AUiaschlacht (c. 23, ly^) gegenüber
dem 18. Juli der Vulgata (Liv. VI 1, 11; Tac. bist, n, 91 etc.).*^')
Femer giebt er die dona des Manlius auf 37, die Zahl seiner Ehren-
narben auf 23 an (c. 24, 2), während Livius bei diesen sich ganz
allgemein ausdrückt (VI 20, 8), bei jenen aber die runde Summe
(ib. 20, 7): dona imperatorum ad quadraginta genügen lässt.*^**)
Genau die Zahlen des Aurelius finden wir dagegen bei Plinius (n. h.
VII 28, 103).
Die übrigen Sätze lassen sich freilich sämmtlich bei Livius
*^^) Soviel ich sehe, gehen die Hdachr. hier alle zusammen. — '°^) Vergl.
Mommsen, Chron.* S. 26, Anm. 32. — -°®) Hierhin gehört auch noch
die Notiz (24, 1): Manlius — sedecim annonira volnntarinm militem se
obtulit, welche im Livius nicht steht. Mir kam es im Texte in erster
Linie auf die direkten Differenzen an.
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üeber den gallischen Brand. 183
wiederfinden. Wer aber bei einem so kurzen Auszüge die Zahlen-
angaben des Livins verbesserte, der hat schwerlich seinen Auszug
aus Liyius gemacht. Bei. dieser Sachlage sind wir berechtigt, uns
jeden einzelnen Satz genau anzusehen und ihn streng mit der Vul-
gata zu yergleichen. Dabei zeigt sich eine überraschende Beob-
achtung. Aurelius kennt die Yulgata, nach der Camillus den Gkilliem
das Gold wieder abnahm, denn er s^ von Manüus (c. 24, 5): cum
senatum suppressisse Gallicos thesauros argueret^ was die gewöhn-
liche Tradition genau wiedergiebt: um so auffallender ist es, dass
er in der vita des Camillus nichts davon erzählt. Man darf nicht
geltend machen, dass er überhaupt nicht von einem Loskaufe spricht.
Er stellt von Anfang an die Thatsachen unter den Gesichtspunkt der
speciellen Lebensbeschreibung: der Loskauf an und für sich geht
aber den Camillus nichts an. Seine Worte lauten nun so: Qui
(sc. Cam.) absens dictator dictus, coUectis reliquiis, Gallos impro-
vidos intemecione occidit. Wenn Aurelius in seiner Quelle die
Wiedergewinnung des Goldes durch Camillus verzeichnet fand, so
verstehe ich nicht, wie er, dessen Absicht doch war, die Thaten des
Camillus kurz darzustellen, diese grösste That übergehen konnte.
Misstraute er aber seiner Quelle, so muss er eine bessere Ueber-
lieferung gekannt haben, wobei es wieder unverständlich bliebe,
warum er überhaupt einer verlogenen Quelle folgte.
Mir scheint hier nur eine Annahme mögUch, nämlich die, dass
Aurelius in der That in seiner Quelle nichts von diesen Fabeln fand.
Nun dann fand er auch nichts von einer Wiedererbauung der Stadt
durch Camillus nach dem gallischen Brande. Vielmehr betrachtet er
als die Krone des Ruhmes seines Helden den Sieg über die Gallier,
— und, was das Wichtigste ist, die Verhinderung der Auswanderung
nach Veji. Er schliesst die vita mit den Worten: Populum Roma-
num migrare Veios volentem retinuit. Sic et oppidum civibus et
cives oppido reddidit.
Aurelius Victor sagt im Wesentlichen dasselbe, was wir oben
als Resultat der Untersuchung bezeichneten. Die Stadt steht: aber
der Vorschlag, den Mittelpunkt des Staates nach Veji zu verlegen,
droht ihr den Untergang. Diese Gefahr beseitigt Camillus, — und
deshalb kann man ihn mit Recht einen zweiten Romulus nennen.
Sollte dies Alles wirklich Zufall sein?
Indessen ist zuzugeben, dass eine sichere Entscheidung erst dann
möglich ist, wenn wir die Quelle kennen werden, aus welcher der
Verfasser diese Viten geschöpft hat. Auch hier hat, wie bei Diodor,
die Forschung noch kein unanfechtbares Resultat zu Tage gefördert^
und ich will nicht den gefahrlichen Weg einschlagen, den bisherigen
Vermuthungen eine neue hinzuzufügen, üeber einen Punkt ist man,
soviel ich sehe, nunmehr einig: nämlich, dass Livius nicht die
Quelle ist Auch darüber ist man einig, dass die Quelle älter als
Livius ist: in Bezug auf die Epoche jedoch', welcher dieselbe ange-
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184 Georg Thouret:
hört, gehen die Ansichten auseinander. Man hat Valerius Antias^^),
Calpumius Piso*^^), für einen Theil der Viten sogar Coelias Anü-
pater^^^) als Quelle vermuthet. Dagegen hat der neueste Bearbeiter
dieser Frage, H. Haupt^^^), mit vollem Recht geltend gemacht, dass
der unbekannte Autor bereits ein nach demselben Gesichtspunkte an-
gelegtes Werk vor sich gehabt haben müsse, ^r kommt zu dem
Resultat, dass Cornelius Nepos die Quelle sei. Ist dies richtig , so
dürfte man aus der uns angehenden Tita des Camillus schliessen, dass
Nepos von einer Verbrennung oder Zerstörung Roms durch die
Gallier nichts wusste oder nichts hat wissen wollen^ womit die Frage
eigentlich erledigt sein würde. Ich erkenne durchaus an, dass Haupt
seine Ansicht mit gewichtigen Gründen gestützt hat^^^ : aber gerade
an unserer Stelle macht sich ein Bedenken unabweislich geltend.
Jeder wird zugeben, dass die Lebensbeschreibungen des Camillus
und des Manlius Capit. eng zusammenhängen, üeber die Todesart
des Manlius nun hat uns Gellius in bestimmtester Weise die aus>
einandergehenden Angaben Varros und des Com. Nepos erhalten.
Er sagt (XVU 21, 24): Manlius damnatus capitis saxo Tarpeio^ ut
M. Yarro ait, praeceps datus, ut Cornelius autem Nepos scriptum
reliquit, verberando necatus est. Der sogen. Aurelius nun berichtet
darüber (c. 24, 7): damnatus et de saxo Tarpeio praecipitatus est;
also genau wie Varro. Auch wenn das ganze Kapitel sonst mit
Nepos übereinstimmte: diese eine Differenz zwingt zu dem Schlüsse,
dass Nepos hier nicht die Quelle ist. Wenn nämlich Haupt nach
dem Vorgange Niebuhrs (R. G. IE, S. 687) meint (p. 31), Nepos
habe geschrieben: Manlius de saxo Tarpeio praecipitatus verberando
necatus est, so ist dies, abgesehen von dem offenbaren Widersinn der
Worte, deshalb unmöglich, weil dann Gellius nie hätte dazu kommen
können, die Ansichten der beiden genannten Gewährsmänner als ver-
schieden zu bezeichnen. Auch die Worte des Gellius werden wider-
sinnig, weim Nepos so geschrieben, wie Haupt wilL
Auch Livius erzählt, dass Manlius vom Tarpejischen Felsen
hinabgestürzt worden (VI 20, 12), aber wir haben oben gesehen,
dass Livius hier nicht Quelle sein kann (vergl. S. 182). Cornelius
Nepos ebenfalls nicht, und doch, wenn eine von den Viten einen
streng biographischen Charakter an sich trägt, so ist es die des
Manlius Capitolinus.^^^) Die Stelle bei Gellius enthält einen deut-
lichen Fingerzeig. Meinem ürtheil nach musste eine Untersuchung
über die Quellen des sogen. Aurelius Victor von der unzweifelhaften
"») Mommaen, Hermes I, S. 168; vergl. IV, S. 7. — "^ C. Alden-
hoven, Hermes V, S. 160 ff. — '^^) Soltau: De fontibus Plut. in secundo
b. Pun. enarrando Bonn 1870, p. 102. Vielleicht, meint S., in dem Aas-
zuge des Brutna aus Antipater (vergl. Cic. ad Att. XIII 8). — '^^ De
aactoria de vir. ill. libro quaestionea historicae Frank&rt 1876. —
'*') Namentlich durch die Vergleichnng mit Ampeliua. — *") Vergl. be-
aondera den Eingang.
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üeber den gallischen Brand. 185
Thatsaclie ausgehen, dass sich ein Theil der Yarronischen Etymo-
logieen in der Schrift de vir. ill. wiederfindet*^), und, wie das vor-
liegende Beispiel zeigt, auch sonstige Angaben Yarros. Man mflsste
zunächst diese Spur verfolgen, genau den Thatbestand feststellen und
dann zu ergründen suchen, ob etwa Yarro selbst die gesuchte Quelle
ist oder wenigstens, in wie weit die Quelle von Yarro abhängig ist.
Eine derartige Untersuchung kann hier nicht meine Aufgabe sein,
um 80 weniger, da in der vita des Camillus die speciell Yarronischen
Angaben fehlen, ich meine die sechsmonatliche Occupation der Stadt
und die Summe des Lösegeldes, welche sich nach Yarro auf 2000
Pfund belief. Beides kann fehlen, da der Yerfasser keine Geschichte
der gallischen Invasion, sondern einen Lebensabriss des Camillus
schreiben will.
Als B^sultat dieses Paragraphen bezeichne ich: Auch der auctor
de vir. ill. ist imabhftngig von Livius, seine Quellen sind älter als
LiviuB, und er weiss nichts davoQ, dass Camillus die von den Galliern
zerstörte Stadt wieder aufgebaut hat. Die Quelle steht anscheinend
auf dem Boden älterer Ueberlieferung. Aber sie kennt die Yulgata
und entnimmt aus derselben z. B. die Gesandtschaft der drei Fabier
an die Gallier (c. 23, 5). In welche Epoche der Quellenschriftsteller
gehört, und welchen Namen er trägt ^ dies sind Fragen, deren Ent-
scheidung zur Zeit noch nicht möglich ist.
§ 4. Eutrop und Sextus Bnftis.
Je tiefer wir in der Reihe der römischen Historiker herab-
steigen, um so merkwürdiger gestaltet sich das Yerhältniss der
Quellen. Man muss geradezu sagen, dass die Quellen immer reiner
zu fliessen scheinen. Auch Eutrop und Bufas wissen nichts von einem
gallischen Brande, nichts von einer Zerstörung Roms durch die
Gallier. Eutrop verbindet in der unzweideutigsten Weise zwei ge-
trennte Berichte. Er erzählt einmal die Geschichte zu Ende und
dann beginnt er sie von Neuem. Er sagt I 20: Statim Galli Senones
ad urbem venerunt et victos Romanos undecimo milliario a Roma
apud flumen Alliam secuti etiam urbem occuparunt; neque defendi
quidquam nisi Capitolium potuit. Quod quum diu obsedissent et iam
Bomani fiemie laborarent a Camillo, qui in vicina civitate ezsulabat,
Oallis superventum est, gravissimeque victi sunt. Dies ist ein in sich
geschlossener Bericht und stimmt vollständig mit dem, was Aur.
Yictor bringt, überein. Nun Wart aber Eutrop fort: Postea tamen,
accepto etiam auro, ne Capitolium obsiderent, recesserunt; sed se-
cutus eos Camillus ita cecidit, ut et aurum, quod his datum
fuerat, et omnia, quae ceperant, militaria signa revocaret. Ita tertio
'**) Vergl. z. B. die Erklärung von Aequimaelium (c. 17, 6) mit Yarro
de 1. 1. V 167; M. p. 61.
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186 Georg Thouret:
triumphans nrbem ingressiiB est et appellatue secundus Bomulus,
qaasi et ipse patriae conditor. Es liegt auf der Hand, dass zwischen
beiden Darstellungen ein Widerspruch obwaltet. Nach jener be-
lagern die Gallier vergeblich das Kapitel und werden von Camillus
vernichtet, nach dieser lassen sie sich die Belagerung abkaufen,
ziehen ab, und nun erst trifft und schlägt sie Camillus.
Bei dieser Sachlage haben wir das Recht, zu behaupten^ dass
es einen Bericht gab, nach welchem Camillus die Gallier noch in der
Stadt besiegte, — ihnen aber das Lösegeld gar nicht wieder ab-
nehmen konnte, weil sie überhaupt keins erhielten. Dieser liegt uns
bei Aur. Victor und bei Eutrop vor.
Die folgende Erzählung bei Eatrop bringt nun aber die ganz neue
Notiz, dass Camillus den Galliern die erbeuteten 'signa' wieder ab-
genommen habe. Dasselbe sagt Sextus Bufas c. 6. Aus diesem
Grunde habe ich beide unter dieselbe Rubrik gesetzt. Diese Wendung
der Fabel findet sich in der römischen Litteratur zuerst bei den
Dichtern, bei Vergil*^®) und Properz.*^') Man kann kaum die Ver-
muthung abweisen, dass hierbei die Wiedergewinnung der römischen
Feldzeichen von den Parthem durch Augustus i. J. 734 a. u. **®) mit
eingewirkt hat. Wenigstens findet sich früher keine Spur von dieser
Angabe. Immerhin bleibt es bemerkenswerth, dass eine offenbar
poetisch gehaltene Version in die Werke so später Epitomatoren
übergegangen ist
Sextus Rufas hat hier nicht etwa den Eutrop abgeschrieben, da
er mehr Nachrichten bringt. Vor allen Dingen giebt er in bestimmter
Weise die Zahl der auf die Burg geflohenen vornehmen Römer auf
600 an. Florus und (nach ihm?) Orosius sagen, wie wir gesehen
haben, dass die junge Mannschaft, welche unter Führung des Manlius
das Kapitel besetzt hielt, aus vix mille hominum bestanden habe
(Fl. I 7, 13). Beide Angaben lassen sich deshalb schwer vereinen,
weil Sextus Rufas gar nicht von der militärischen Besatzung, son-
dern von * Vornehmen und Senatoren'*^^) spricht. Eine Entscheidung
ist hier nicht möglich.
Wir haben oben aus dem auctor de vir. ill. und Eutrop auf
einen Bericht geschlossen, der nur von einem Siege des Camillus in
der Stadt selbst wusste. Durch den zweiten Theil bei Eutrop und durch
die kurze Darstellung des Rufus werden wir auf einen zweiten Be-
richt geführt, welcher (wie Rufus deutlich sagt) die GalUer als Sieger
d. h. mit dem Lösegelde abziehen und dann erst Camillus erscheinen
und die Barbaren vernichten liess.
Beide Berichte sind dem Polybius gegenüber in gleicher W^eise
zu verwerfen. Aber nun ist es wohl deutlich, dass jener mit der
***) Aen. VI 826; vergrl. dazu Serviua, und diesen zu Georg. II 169
— «»0 IV 10 (11), 67. — *»^ Vergl. Fischer, R. Zeitt. S. 393. "»^ — Förster
(Wien 1874) schreibt nobilissimi senatores (vergl. diss. p. 19).
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Ueber den gallischen Brand. 187
Sage von dem Zusammentreffen des Camülus und Brennus anf dem
Markte von Rom eng zusammenhängt. Diese Scene ist ja nur möglich,
wenn Camillus die Gallier in der Stadt selbst überrascht. Ebenso
klar wird es nun, wie mir scheint, dass die zweite Darstellung, nach
welcher Camillus die Gallier erst nach dem Abzüge schlug und ihnen
das Lösegeld wieder abnahm, auf jenen ersten Bericht einwirkte und
dass daraus die Scene des Goldabwägens entstanden ist.
Die heutige Forschung ist darin einig, dass der sogen. Aur.
Yictor auf eine in ihrer Grundlage vortreffliche Quelle zurück-
zuführen ist; auch Eutrop muss gute Quellen benutzt haben. Man
könnte also sehr zweifelhaft sein^ welchen der beiden Berichte man
für den Siteren zu halten habe. Dass Camillus zweimal die Gallier
vernichtet und ihnen erst beim zweiten Male das Gold wieder ab-
nimmt, geht nicht, da die einzige Möglichkeit, welche auch Eatrop
darstellt, dass nämlich die Gallier erst nach der ersten Niederlage
das Gold erhalten, eine Absurdität ist. Hier liegen zwei sich wider-
sprechende Elemente vor. Besagte die ältere Darstellung, Camillus
habe die Belagerung des Eapitols durch die Besiegung der Belagerer
aufgehoben, so war in ihr von einer Wiedereroberung des Lösegeldes
nicht die Biede. Dann aber wäre es bewiesen, dass Diodor nicht auf
die älteste Quelle zurückzuftlhren ist, da er vielmehr die zweite Dar-
stellung (die auch Bufus hat) giebt. Liess die ältere Ueberlieferung
die Gallier abziehen und dann erst vernichtet werden, so würde Diodors
Quelle, wie ich es oben angenommen, auf die ältere Ueberlieferung
zurückgehen. Denn in dieser selbst jene Quelle zu sehen, daran
hindern mich die Gründe, welche mich bestimmten, seiner direkten
Quelle ein hohes Alter abzusprechen.
Bei Livius sind jene beiden Elemente schon contaminirt. Er-
kennbar sind sie trotzdem. Camillus besiegt die Gallier zweimal:
in der Stadt und bald darauf an der via Gabinia (V 49). Der Theil
des Lösegeldes, welcher bereits ausgezahlt war, wird den Galliern
schon bei der ersten Dazwischenkunft abgenommen (a. a. 0.). Wir
würden hier deutlicher sehen, wenn wir wüssten, wie Claudius die
Sache dargestellt hatte. Im fr. 7 (Peter p. 206) steht nur, dass
Camillus als Dictator die Gallier besiegt habe.^^®) Es ist nicht zu
ersehen, ob er schon beide Darstellungen in einander geschoben hat.
Wie dem auch sein mag: nach der ältesten und besten Quelle sind
die Gallier unbehelligt abgezogen: die Erzählungen also, welche die
Vernichtung derselben durch Camillus berichten, sind Erfindungen.
So sind wir am Ende imserer Untersuchung wieder auf den
An&ng zurückgeführt worden. Was speciell diesen letzten Abschnitt
betrifft, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch Eutrop
and Rufas nicht von Livius abhängig sind. Bis Florus konnten wir
die Strömung der Vulgata deutlich verfolgen. Ein Arm derselben
"*^ So viel dürfen wir aus den Worten entnehmen.
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188 Gr- Thonret: Ueber den gallischen Brand.
wurde durch Florus zu Orosius geleitet. Dann versiegt plötzlich der
Strom. Die eigentlichen Epitomatoren, die allerspätesten Schrifir
steiler, wie der auctor de vir. ill., wie Eutrop und Bufus, gehen nicht
auf Livius, — sondern, sei es direkt oder indirekt, auf ältere und
bessere Quellen zurück. Ich habe mich begnügt und musste mich
begnügen, nur das AUerwichtigste und Wesentlichste hervorzuheben.
Erst jetzt wird es recht deutlich, wie viele Fragen hier noch ihrer
Lösung harren. Hoffentlich habe ich ein Scherflein zu dieser Lösung
beigetragen.
Kachwort.
Für den vorliegenden Aufsatz konnte der 2. Band von Mommsens
Römischen Forschungen (Berlin 1879) nicht mehr benutzt werden.
Die nachträgliche Lektüre desselben veranlasst den Verfasser nicht,
seine Ansicht in irgend einem wesentlichen Punkte zu ändern. Die
erweiterte Gestalt, in welcher die zuerst im Hermes veröffentlichten
Abhandlungen nunmehr in den Forschungen erscheinen (Fabius und
Diodor S. 221—290; Die gallische Katastrophe S. 297—381), macht
zwar einige der gegen die Ansicht Mommsens erhobenen Bedenken
überflüssig, lässt aber die Hauptdifferenz über das Yerhältniss von
Polybius und Diodor zu Fabius unberührt. Da der Verfasser keine
Quellenuntersuchimg über Diodor zu schreiben beabsichtigt hat, son-
dern die Frage hat aufwerfen und, wenn es anging, beantworten
wollen, ob die Zerstörung Roms durch die Gallier ein historisches
Factum sei oder nicht, so hält er auch den weiteren Ausführungen
Mommsens gegenüber seine Behauptungen aufrecht, die ihren Grund
und Boden in Polybius haben — oder zu haben glauben, so lange
sie nicht eines Besseren belehrt werden«
Berichtigung.
8. 170» Z. 2 y. n. Uei: linken sUtt rechten.
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DIE
HANDSCHRIFTLICHE UEBEßLIEFEßüNG
DES
AUSONIUS.
B. FEIFER.
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I.
Die Editio princeps und die mit ihr verwandten
Handschriften (Z).
Als im 15. Jahrhundert die Drucklegung der Werke des classi-
schen Alterthums begann, war es naturgemäss die Bedürfnissfrage,
welche in höherem Grade noch als die Stärke der Auflage die Folge
der einzelnen Publicationen (im Grossen und Ganzen) regelte. Ein
Canon lateinischer Dichter hatte sich im Laufe des Mittelalters fest-
gesetzt fUr die SchuUectüre, die denn auch für den Kreis der Ge-
bildeten überhaupt massgebend wurde: die Werke, welche, obwohl
anfangs zugänglich, später zurückgewiesen wurden aus diesem Kreise,
wurden fürderhin selten oder gar nicht abgeschrieben und verschollen
allmählich. Manches davon, was der günstige Zufall erhalten, wurde
in und nach der Zeit Petrarcas wieder hervorgezogen, von der neuen
Zeit mit ihrem weiteren Gesichtskreise in jenen alten Canon einge-
reiht, und dieser nach den Bedürfoissen der neuen Zeit erweiterte
Canon isVs, der zunächst Berücksichtigung findet; was der Gelehrte
allein bedurfte, blieb noch längere Zeit dem handschriftlichen Studium
vorbehalten. Unter allen den Dichterwerken nun, welche wir im
letzten Drittel des 15. Jahrhunderts in Italien gedruckt sehen, werden
sich wenige finden, die nicht von Alters her durchs ganze Mittel-
alter bekannt und gelesen, deren Neuentdeckung seit Petrarcas
Zeit nicht laut der Welt verkündet worden wäre, wie die Funde
Poggios, oder doch einem weiteren Kreise, der sich um die glück-
lichen Besitzer, wie Nicolo Nicoli einer war, bewundernd und ge-
niessend schaarte, bekannt geworden wären. Ich finde unter allen
jenen Dichtem nur einen, der bis dahin, wie es scheint, völlig
unbekannt und ungenannt plötzHch im Drucke erscheint, das ist
Ausonius.
Im Mittelalter wird sein Name nicht genannt, Weniges und nur
Unbedeutendes von seinen Schriften ist namenlos in Umlauf gesetzt
worden^); die Sammlung seiner Werke ist dem Untergange oft sehr
nahe gewesen und nur günstige Zufälle haben sie auf unsere Zeiten ge-
^) Mit ^Quidam uetemm' führt Beda ecl. 15 (Anthol. lat. Ries. 640) ein.
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192 R. Peiper:
bracht. Von den Zeitgenossen, deren Werke uns erhalten sind, legen
nur Symmachus und Panlinus Zengniss von ihm ab, des Theodosius
Augustus Aufforderung an den Dichter ist nur durch Ausonius*
Sammlung selbst erhalten. Dann rühmt im folgenden Jahrhundert
Sidonius einmal den Dichter (Sidonius Epp. lY 14 ad Polemium:
Nam tuorum peritiae comparatus non solum Comelios oratores sed
Ausonios quoque poetas uincerepotes). Ennadius hat einige Stellen
aus dem Briefwechsel mit Symmachus der Epistolarsammlung des
letzteren, nicht den opuscula Ausonii entlehnt.^) BSthselhaft ist des
Dichters Erwähnung bei Suidas (I p. 866 Beruh.): Aucövioc co(pi-
CTf|c T€TPacpiwc dmcToX&c xai äXKa xivä irpöc Nöwov.
Wenn man weiterhin bei mittelalterlichen Dichtem Entlehnungen
aus Ausonius hat finden wollen, so beruht das auf T&uschung; es ist
Zufall, wenn Paulus Diaconus in den Versen 17 f. seiner Laudatio
lacus Larii*):
cedat et ipse tibi me iudice furuus Auemus,
Epirique lacus cedat et ipse tibi,
an Ausonius Profess. I 20 anklingt:
in te sie uiguit, cedat ut ipse tibi,
und Paulus so wenig (in seinen Versen *Sic ego suscepi etc.*^*) wie
Thietmar von Merseburg IT 2^) haben das Technopaegnion (de litt.
monos. y. 9) vor Augen gehabt^ sondern vielmehr Persius DI 56,
V 34 nebst den SchoUen dazu. Dass endlich Petms Episcopus
(f 1219) im Benoni Über für seinen Vers:
Sic in figmentis clamat resonabilis echo.
die Schlussworte dem Ovid vielmehr (Met. III 357), nicht dem Auso-
nius (Epigr. 99) entlehnt hat^), wird Jedermann zugeben.
Es bleiben einzig anbestreitbar die weiter unten zu besprechen-
den Entlehnungen des Ermenricus Augiensis aus der Moseila, die
üebertragungen der Monosticha Caesarum in jüngere Suetonius-
Handschriften, die weite Verbreitung, welche durchs Mittelalter hin-
durch die aerumnae Herculis, die Monatsgedichte, die Idyllia Vir
bonus, Est et non gefunden haben; ein Vorgang, der, wie sich weiter
unten ergeben wird, nicht im mindesten die Folge grosser An-
erkennung bei Mit- und Nachwelt gewesen, sondern eher auf Bech-
nung der geringen Beachtung, die seine Werke fanden, des Ver-
gessens, dem sie anheim gefallen, gebracht werden muss. Vielleicht
') Eimodius ad Agnellam VII 16 e» S^machns Aosonio I S5. E.
ad Constantium II 19 und nochmals ad Patncinm «» Ausonius Sjmmacho
I 26. Aus dem letzteren Briefe schöpft Ennodius noch zwei andere Aus*
drücke im Anfange der eben genannten ep. ad Constantium II 19 und
ad Florum I 2. Briefe des Symmachus an andere plündert Ennodius ad
Olybrinm II 13 » S. Protadio IV 28, E. ad Stephanum VII 24 » S.
Romulo IX 69, endlich E. ep. II 20 — S. Patri I 1 ex. — ») H. J.
Müller, im Progr. des Friedrichs - Werder'schen Gymn. zu Berlin 1876,
S 30. — *) M. Haupt, Z. f. d. A., XII 462, v. 43. — *) Pertz, Monn-
menta V. — ^ Pitra Spicilegium Solesmense m, p. XXXVII not.
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Die handfichrifU. Ueberlieferang des Ausonius. 198
bat aber ein Tbeil der letztgenaonten Verse den äusseren Anstoss ge-
gegeben, das Andenken des Dicbters zu beleben dorcb eine Ausgabe
der Yorbandenen Werke, die so unvorbereitet, wie es scheint, im J.
1472 zn Venedig ans Licht tritt Jene Monosticba Caesarum waren
durch die Ed. princeps des Suetonius 2 Jahre vorher bekannt ge-
worden. Das mag einen der mit den Ausonianischen Dichtungen
yertranten Italiener (denn Zahl und Alter der vorhandenen Handss.
beweist uns, dass auch hier von einem neuen Funde ganz und gar
nicht die Bede sein kann, während einerseits die Integrität des Textes
von der anderer Schriftsteller Texte überwuchernden Menge von Con-
jecturen, andererseits der Mangel jeder stillen Einwirkung auf die
Litteratur jener Tage, durch die sich uns das Vorhandensein eines
solchen Werkes verrathen könnte, die Heimathstsätte der Hand-
schriften ausserhalb Boms und Florenz suchen und nur eine be-
schränkte Zahl von Kennern des Dichters anzunehmen räth) ange-
regt haben, den Schatz, der offenbar Freunde zu finden versprach in
der Gresellschaft der damaligen Zeit, weiteren £[reisen durch die neu-
erfundene Kunst zugänglich zu machen. So geschah es, dass dem
Ausonius die Ehre wiederfuhr, in demselben Jahre mit den Elegikem .
und den Plautinischen Lustspielen vor Valerius, Manilius, Lucre-
tius ans Licht zu treten, nachdem die Zeit für die Dichtungs-
art, die er vertrat, durch zwei gleichzeitige Ausgaben des Martialis
zu Rom? und Ferrara 1471 vorbereitet war. Diesen Punkt hebt der
erste Herausgeber in der Vorrede hervor: lam ad Ausonium nostrum
redeamus, quem tanto lepore et salibus atticis latüsque inspersum
Pedoni Getulico Marso Bilbüiensi denique uati praeponendum con-
tenderem, si maxima pars operis non desideraretur.^ Und in der
üeberschrift der tabula: Poetae lepidissimi atque festiui epigramma-
ton libellus.
Man vergleiche damit des Lilius Gregorius Gjraldus früheres
ürtheil über den Dichter — das sich allerdings im Laufe der Jahre
zu einem richtigeren umgestaltet hat; man betrachte die zahlreichen
Spuren der Lesung des Ausonius bei den Dichtem des sinkenden
ftinfizehnten Jahrhunderts; sie beweisen, dass die Berechnung den
Herausgeber nicht betrogen hat. Zunächst ist es ja nicht der wahre
Ausonius mit seinen edleren Eigenschaften, der sich dem Publikum
darbietet; was sich davon in dieser erst erschienenen Sammlung
findet, ist erstickt durch grossentheils leichtfertige epigrammatische
Spielereien, ja Obscönitäten, und würde, auch wenn es sich vorge-
drängt hätte, dennoch nicht in so frivoler Zeit zur Geltung ge-
kommen sein.
Denn die Anordnung jener ersten Ausgabe^ die mit der der ver-
breitetsten Handschriften völlig übereinstimmt, ist allerdings eine ganz
^ Die SchluasBchrifb der tabula: Expliciunt ea Ansonii fitegmenta
quae inuida cuncta corrodens uetustas ad manus nostras nenire pennisit.
Jahib. f. clAM. Pbilol. Bnppl. Bd. XI. 13 'OOQIc
194 B. Peiper:
andere^ als die Ausgaben seit Scaligers Zeit bieten. Die letztere ist
ein Product der Willkür, die bereits in der ersten Ascensiana y. J.
1511 ihr Treiben beginnt, und nach der Auffindung des Lugdnnensis,
in dem Streben die neuen Funde einzureihen, allen Boden yer-
loren hat.
Was im Jahre 1472 herauskam, zeigt folgende üebersicht.
Inhalt und Ordnung der Handschriften Z.
Epigrammaton Über (in einer von der jetzigen durchaus abweichenden
Anordnung),
t Versus pascales (Id. I, 817').
Epistolarum über,
enthält hier fEp. Vm (397), X (399), XI (400) — in zwei Stücke
getheilt durch Einschiebung von Praef. Bissulae (id. VII, 327) —
Ep. XIX (409), XVin (408), XXI (411—413), XXII (414, 416),
XV (404), XVI (406, 406), XH (401), XHI (402), XIV (403).
Einige kleinere Stücke:
fDe aerumnis Herculis monosticha ^d. XIX, 366).
tDe XII Gaesaribus (266—269, von den Tetrasticha nur Nerva
• bis Gommodus 273—278).
Epigr. (108) in scabioaum Polygitonem.
De mensibus et qnattaor anni temporibus (EcL VII 876).
Epigr. (109—114) De Siluio.
Epi^. (146) De notario.
Gratiarum actio (419).
tTechnopaegnion (Id. XII, 338—347, 849)>).
töriphus (Id. XI, 336, 336).
Cento nuptialis (Id. XlII, 360—360).
tEp. IV (398).
Ep. XX (410).
fPrecatio matutina (Ephemeris m, 163).
tEpicedion (Id. U, 319 — ohne die Vorrede 318).
tProtrepticus (Id. IV, 321, 322).
Cupido (Id. VI, 324, 326).
BlBBula (Id. VII, 326, 328—331 ; 327 stand schon oben an falscher Stelle).
Das an erster Stelle befindliche Epigrammaton Über ist folgender-
meissen geordnet:
1
9 (V. 1 fehlt)
2 (getheilt,
V. 6 fehlt)
zusammenhängend, 46
oder wenigstens der Fasti 1, 4, 3 (147, 160, 149)
Ueberschriften 4
ermangelnd, 10—12
3 epit. 32 (249)
6, 6 13—21 (16 + 16 verbunden)
epit 86 (263) 23-26
8 37
^ Ich werde zur Bequemlichkeit stets diese Bezifferung der Pariaer
Ausgabe von J. B. Souchay 1730 beifügen; die Nummern 1—146 sind die
der Epigramme. Durch ein vorgesetztes Kreuz (f) bezeichne ich die StQcke,
welche auch im Vossianus enthalten sind. — *) Es fehlt die erste Vor-
rede an Pacatus (337) und de littens monosyllabis (848).
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Die handschriftl. üeberlieferang des Ansonias. 195
27—29 (27 + 28 verbunden) . 71—76
31—86 (36 getheilt) 123—128 (123 + 124, 126 + 126Yer-
38—40 bunden)
119 49
44 77—84 (84. V. 8—6 fehlen)
46—48 (46 + 47 verbunden) 86—89
60—62 131
epit. 33 (260) 46 wird in anderer Faflsonff — der
epit 31 (248) des Yossianns — wiederholt
64 (V. 8—8 fehlen) 90—92 (90 getheilt, 91 + 92 ver-
epit 28 (246) bunden)
42 41
65—60 93, 94 (94 getheilt)
64—70 (69, V. 6 fehlt, 66 + 67 ver- 30
bunden) 96—103.
120
Selten weichen unsere Quellen in der durch Auslassung der
Titel bewirkten Verbindung einzelner Ejpigramme^ in Umstellung
(z. B. 69, 120, 70), in fehlerhafter Auslassung einzelner Epigramme
von dieser dem Archetypus entstammenden Anordnung ab.
Von der Editio princeps erlangt man durch die Vergleichung G
der Mittheilungen von Saxius (in Argelati's Scriptores Mediolanenses
I p. CCI), der das noch heute in der Äwibrosiana befindliche^^) Exem-
plar selbst geprüft hat, femer von Harles (brevior notitia litt. rom.
Lipg. 1789 S. 716), Panzer HI p. 93 n, 109, Hayn I p. 272 n.
2176, Beriah Botfield S. 139 — in Ermangelung von Maittaire u. a.
— mit der auf ihr fussenden Ausgabe von Ferrarius und den ver-
wandten Handschriften ein Büd, das nicht täuschen kann, wie mir
die erst spät ermöglichte Benutzung des Wiener Exemplars bestätigt
hat (Die Angaben der Ueberschriften bei EUis Catull ed. I p. XXXIV,
sind wohl einem in England befindlichen Exemplar entlehnt.) Er-
schienen ist sie im J. 1472. Jahres- und Ortsangabe findet sich
hinter der kurzen Praefatio ad lectorem f. 1^ (im Wiener Exemplar
verloren), welche nur eine Empfehlung der sedulitas des Heraus-
gebers und Angabe der Dichterwerke, die dem Leser geboten werden, .
ohne jeden Hinweis auf die Quelle, enthält:
a nativ. Christi ducentesimae nonagesimae quintae Olympiadis
anno 11 ^^), VII idos Decembres. Venetüs.
Ein Irrthum des Saxius ist es, daraus 1477 zu berechnen; hinter dem
Calphumius steht das Jahr 1472 in römischen Ziffern.
Der Herausgeber ist hinter jener Vorrede wie hinter dem Schluss-
epigramm nur durch die Anfangsbuchstaben
.B. .G.
'^ Die Marciana in Venedig besitzt kein Exemplar der ed. princeps.
Bnmet I 219 nennt vier Exemplare, von denen nur zwei vollstönoig
waren. — '') Nicht alle Herausgeber des 15. Jahrh. folgen dem römi-
schen Dichterbrauche, Olympiade und lustrum ffleichzuse&n. ügoletus
s. B. setzt 1494^ das Jahr seiner ersten Ausgabe der Quintilianeischen
Declamationen, m die 568. Olympiade.
Digitl^^by Google
196 R. Peiper:
bezeichnet") Von alter Zeit her wird dafür Bartolomens Girar-
dinus genannt; über diesen Mann Näheres zu ermitteln, ist mir nicht
geglückt. Yermuthlich hängt er verwandtschaftlich mit den Brüdern
Alexander und Antonius Geraldinus (Gherardinus, Girardinus) zu-
sammen, über welche Fabricius m 36 f., I 125 M. berichtet. In der
tabula fol. 4^ des Wiener Exemplars heisst es : Pub. Graegorii Ti-
ferni epistojlarum epigrammatuünque pars | per L. chronicum de
schiediis eius lituratis coUecta. Dieser L. chronicus hat also in ge-
lehrter Verbindung mit Bartolomeo gestanden; er war offenbar ein
Schüler des Tifemas, wenn er dessen Goncepte (schiediis 'lituratis)
zur Herausgabe benutzen durfte. Ein anderer Schüler desselben
Mannes, der später dem Ausonius nicht fern blieb, war Georg Morula;
in diesen Kreis gehört also ohne Zweifel Bartolomeo, und die rich-
tige Auslegung des ^B. .G.' scheint dadurch verbürgt.
Im Wiener Exemplar nmfasst der Ausonius 49 Blätter: ur-
sprünglich waren also 52 Blätter, verloren sind das erste Blatt mit
der praefatio auf der Eückseite, sowie 2 Blätter aus der Gratiarum actio
(p. 288 ed. Bip., Z. 13 bis 290 Z. 19 (mau)ult uocare — sed cum paucis-
simis, ferner p. 299 Z. 13 bis 301 Z. 20 Et Antonius •— ne somni qui-
dem aut cibi). Der Text beginnt f. 6': Ausonii peonii poetae diser-j
tissimi epigram|matuiv Über | primus. Die Subscriptio lautet f. 49^:
Explioiunt ea Ausonii fragm|enta. Quae inuidia^^ cuncta
corjrodens uetustas ßid manus | nostras uenire permisitj
likoc I .B. .G. I
aucövioc fneram solus: vOv x^i^^ '^^ koc^u)
Artificis X^^P^ ^^^^ '^^ ^^^ qpuc^i;
ToGt' Ipfov cum prisca queat renouare uetustas:
Tum v^oc antiquis praeferet officiis.
. 50' — 56^ Publii Ouidii Nasonis poetae | Consolatio ad Liuijam
Augustam de moi*te Drusii o. s. w. Darunter nur: Finis.
f. 57' Probae Centonae Clariss. fe|minae excerptum e Maro|ni8 car-
minibus ad te8|timonium | ueteris nouique testamenti { opu-
sculum.
f. 67^ med.: T^Xoc | Probae Centonae clariss. | feminae opusculum: |
feliciter exjplicit.
f. 68' Titi Calphumii siculi bucolijcum Carmen Omitus | et Corj-
don fra|tres interjlocutores aegloga prima. |
f. 83' TcXoc I Titi Calphumii poetae Siculi | bucolicum Carmen |
finit. I Anno incar. dominice. MccccLXXII.
f. 83^^ ist leer.
f. 84' Publii Graegorii Tifemi poejtae illustris hymnus | in trinitatem.
") Botfield und Hayn geben hier fälschlich den voUea Namen. —
*^) Die Worte Expliciunt bis permisit schlössen auch die Tabula auf
f. 3^, wo richtig inuida gedruckt ist.
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Die handschrifbl. Ueberlieferang des AnBonius. 197
f. 99' Pmis.
l 99^ leer.
Die Tabula 1' — ö^ reproducirt diese Titel nicht ohne weiteres,
sie ist vielmehr genauer. ^^)
Die Hds., welche diesem ersten Drucke zu Grunde gelegt
wurde, ist wie es scheint verloren. Das ist ein sehr beklagens-
werther Verlust, den die Sorgfalt, welche diese erste Ausgabe vor
allen folgenden des lä. Jahrhunderts auszeichnet, dennoch, wie na-
türlich, nicht voll zu ersetzen vermag. Denn einerseits haben sich
doch einige Druckfehler eingeschlichen, andererseits muss die Aus-
legung des Geschriebenen immerhin nach subjectivem Ermessen, wenn
gleich mit Kenntniss und Hingabe, erfolgt sein und selbst einen so
bescheidenen Herausgeber, wie B. G. offenbar gewesen ist, zn Con-
jecturen genöthigt haben. Um so schwerer ist der Yerlust, weil von
den Hdss., die wir besitzen, die einen nur als fehlerhafte Abschrifben
dieser Ausgabe sich ausweisen, die anderen den Text in dem ver-
wilderten Zustande, den wir an Hdss. des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts kennen, enthalten, die einzige, die ein höheres Alter als
die ed. princeps beansprucht, durch Auslassungen imd Fehler aller
Art entsetzlich entstellt ist. Die Hds. des Bartholomäus hingegen
muss, wenngleich an vielen einzelnen Stellen jede der anderen
Besseres als sie bietet, im Gkmzen und Grossen doch entschiedene
Vorzüge vor allen Erhaltenen gehabt haben, und dieser Abdruck
darum in erster Reihe unter den grundlegenden Hilfsmitteln aufge-
zählt werden.
Dem zunächst haben wir den bereite von Vinetus u. a. benutzten
codex Tilianus zu verzeichnen, dessen Identität mit Leide nsis Vos-
BianusQ. 107 (früher Voss, lat 191)**^) feststeht.^«) Das beweist die
üebereinstimmung der von Vinetus aus ihm angeführten Lesarten^^),
^^) f. 3'. med.: Ausonii burdigalensis uassatis medici poetae^. Aus den
Anfimgsworten des Epicedion in patrem de nita sna (so geben Tüianns und
ed. pr. den Titel) hat man diesen Iri-thum heransgelesen, und ihn auf dem
Titel weiter durch den Zusatz Peonü ausgeprägt. Es ist eine der unglück-
licbsten Vermuthungen, den Ursprung dieses Wortes, das aus Virgil A. XII
401 entlehnt ist, auf den Namen der Mutter des Ausonius zurückzuführen.
— ") Bei Golomesius durch einen Irrthum 192. — '•) Er ist der Vos-
sianus alter, den auch Toll an manchen Stellen benutzte — aber sehr
sorglos. Und dieser erkannte schon seine (von Axt S. 8 f. vergeblich
an^ochtene) Identität mit dem Tilianus. — '^ Man muss bei einigen
sdieinbaren Abweichungen doch im Auge haben, worauf es dem Vinetus
bei der Anfohrnng der Lesarten ankam. Fasti I 10 (147) war es ihm
nicht um das einzelne Wort explicet zu thun. Ep. VIII 13. 14 (397) wird
nicht der Tilianus citirt; 'in nouis' bedeutet Drucke, und so findet sich
die Lesart denn auch in der Ascensiana 1611: nuUas q. 1. eio. In der
Ueberschiift von ep. XIX (409) gibt jener nicht poemation an, sondern
poematouis, ein offeDbarer Druckfehler; er hat das poematü der Hds. in
poemation zu ändern gedacht. XX, 1 kam es ihm auf aliaue qua statt aliaue
qnanis an; naui entnahm er nicht mehr der Hds., in der sich nauimque
statt naui nsque fand — eine für i}m durchaus nebensächliche Corruptel.
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198 Ä. Peiper:
(die C. 0. Axt nicht vollstSndig zusammengestellt bat, 8. 11 seiner
Dissertation, Leipz. 1873). Die griechischen Verse, die zn epigr. 57
in dem Tilianns beigeschrieben waren, finden sich anch wirklich
im Yossianns wieder. Als jüngeren Alters und ohartaceas wird er
öfters durch Gegenüberstellung des antiqQus, netus, membranacens,
d. h. des Yossianus 111 «=3 Lugdunensis bezeichnet z. B. Technop.
339, 7, Oratio matntina 84. Von Ausgaben sacht Yinetus ihn za
scheiden durch die Bezeichnung loannis Tilii uetus codex, z. B.
Technop. 340 A, Z. 8.
Die Hds. besteht ans Quintemionen^^), nur an sechster Stelle
(£. 50' — 57) ein Quatemio, au neunter und letzter ein Sextemio. Vom
ersten Quintemio (jetzt f. 1—9) ist das erste Blatt verloren gegangen, mit
den Gedichten 1, 9, 2, 3, 5, 6, 253 Y. 1—3; die Hds. beginnt jetzt mit
253 Y. 4. — Auf f. 57"", mitten auf der Seite (der Beet ist leer ge-
lassen), schliesst das corpus der Ausoniana. Indessen finden sich
noch einige Nachträge: 1) zunächst f. 58' — 59^ med. (59^ ent-
hält-nur 5 Yerse), ep. XXY (418) Quarta tibi haec etc. 2) Danach
f. 60' — 62' Fragmente des Catalogus urbium (dieselben, die Fer>
rarius gibt). 3) t 62^—63^ die griechischen epp. Xu, XIII (401,
402), vollständig wie bei Ferrarius. f. 64' — 67^ sind leer gelassen;
dann folgt 68' bis 88^: C.Calphurnii Carmen bucolicumino. feli-
citer. Der letztere ist von derselben Hand wie die Ausönische Samm-
lung geschrieben, üeber den Schreiber jener Nachträge zum Ausonias
könnte sich ein Zweifel erheben beim ersten Anblick. Die Hand, die
die Urbes geschrieben, nähert sich durchaus der des Schreibers von f.
1 — 57, aber sie zeigt auch offenbare Yerwandtschaft mit der des
Schreibers von ep. XXY. Die letztere ahmt mit SorgMt die Schrift
der Yorlage nach in den Buchstabenverbindungen; von einzdnen
Buchstaben fidlen besonders auf s, g, c, h; von Ligaturen st, ss, sp,
si^ 8u, fe, fi, fl, et — Auch in der Orthographie schliesst sich der
Schreiber an die Yorlage an, während er früher oft in die Ortho-
graphie seiner Zeit yerflült (Foelix nunquam quanuis etc.); diese
Yorlage war in longobardischer Schrift: das gibt der Copie, ob-
wohl sie dem Hauptschreiber angehört, einen fremdartigen Anslxich.
Nachdem der Schreiber an dieser Yorlage seine Hand gebildet hatte,
ging er ans Abschreiben der Urbes: da zeigt sich denn seine Schrift
ein wenig grösser, und man sieht deutlich^ wie er mit mehr üeber-
legung und langsamer, weil von etwas schwierigerer Yorlage, abge-
schrieben hat als in der eigentlichen Sammlung. Die beiden Briefe
XII Xin zeigen unverkennbar die alte Hand. — Mit dem Quater-
nio schliessen £57^ die eigentlichen Opuscula; man sieht daraus,
dass auf jene Nachträge bei der Anlage nicht gerechnet war; dass sie
^^ Der CuBtode des dritten Quinio gibt f. 29^ nicht die An&ngs-
werte des ersten Yerses vom vierten Quixdo (quis mirmiloni), sondern
des zweiten (Inter uirtates).
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Die handflchriftl. Ueberlieferang des AusoniiiB. 199
sich erst sp&ter Yorgefonden haben. Die Hds., aus der die Nachtaräge
stammen (yon den graeca muss man vielleicht absehen), ist ver-
schieden von der^ welche die Hauptsammlung geliefert; möglicher-
weise stammen auch Ep. XXV und Urbes aus verschiedenen
Hdss. her.
Die griechischen Stellen wurden zunächst ausgespart und sp&ter
nachgetragen von kundigerer Hand, aber mit derselben Tinte, also
zur selben Zeit. Der Baum dafür war aber nicht stets genügend be-
messen; darum wird epigr. 29 am unteren Rande beigefügt, 40
y. 6 steht zur Seite, ep. 31 ist aus diesem Grunde ganz weg-
geblieben, ebenso 88, wo eine Zeile zu wenig ausgespart ist
Baum ist aber nicht gelassen für die graeca von epp. XII, XIII und
ep. XIV V. 25 — 35 (hier schliesst sich der Schlussvers 36 sofort
an 24 an), die letzteren sind dann im Kachtrage vergessen worden.
Die Vorlage hatte in den graecis Majuskeln, wovon eine Spur sich
ep. Xn V. 23 KpeßeHHON erhalten hat.
Gering sind sonst die Abweichungen von der oben angegebenen
Ordnung. Epigr. 56 fehlt; ep. 45, welches auf f. 1' vor dem Fasti
steht, wird zwischen 131 und 90 mit einer Abweichung, die dem
Texte des Lugdunensis entspricht, wiederholt. 35 ist getheilt in
zwei Epigramme, getrennt sind auch 98 und 99.
Zahlreiche Spuren leiten darauf, dass der Tilianus auch in
seinem Haupttheile aus einer älteren Hds. abgeschrieben ist. In der
Gratiarum actio scheint der Schreiber genau nach den Zeilen der Vor-
lage sich gerichtet zu haben; so steht z. B. f. 32^ am Anfange von Z. 5 :
(p. 294 Bip. Z. 4 V. u«) uestis cura praestatur; er hat eine Zeile
übersprungen, den Fehler aber sogleich bemerkt — Ein grosser
Theil der übergeschriebenen Varianten entstammt, wie die Ver-
schreibungen beweisen, der Vorlage.
Der litterarische Verkehr des Elias Vinetus mit dem ehe-
nuiligen Besitzer dieser Hds.^^), Johannes Tilius (Du Tillet), Bischof
von Brieuz, dann von Meauz, hat sich nicht auf Ausonius beschränkt:
er benutzte auch seine Hds. des Persius-Scholiasten (s. Vinets Brief
an P. Daniel bei 0. Jahn, ProlL p. CXVII) für die von ihm veran-
staltete Ausgabe 1563. Du Tillet besorgte 1549 die erste Ausgabe
des ülpianus auf Grund einer Hds., die bereits 1544 in seinen Be-
sitz gekommen war; die Identität derselben mit dem früher in Petavius'
Besitz gewesenen Vaticanus ist festgestellt; dieser Vaticanus aber ist
in coenobio Floriacensi ad Ligerim geschrieben (s. Ulpiani ezcerpta
ed. J. Vahlen, Lips. 1866 p. V. VII), dem Kloster, aus dessen
Bibliothek auch Peter Daniel, schon vor der Plünderung durch die
Calvinisten im J. 1562, Handschriften wie die Aulularia erhielt
(vgl H. Hagen im Catal. codd. Bemensium p. XII und in ^ Peter
'^ Ueber ihn und seinen gleichnamigen Bruder vgl. Bayle ed. 1740
ToL IV p. 360 sqq.
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200 R- P«iper:
Daniel' S. 6). Dann hätten wir möglicherweise auch onaere Ausonius
Hdas. dem Kloster Fleury zu danken.*^) Eine begrdndetere Ver-
muthung werde ich jedoch weiter unten mittheilen.
Nachdem Tilianus ist das Kings -Ms. n. 31 des British Mnseum
zu nennen, auf 52 Blättern dünnen Pergaments in dünnen, unebenen
Zügen; einige Theile sind mit rother Tinte geschrieben. Der Inhalt
entspricht ganz dem der ed. princeps, abgesehen von dem Fehlen
der Graeca 401 V. 30—45, 402 und 403 V. 25 flF. Die Unter-
schrift lautet:
AOZA Hyadrae die XXn Martii 1475 compleui.
Die erhaltenen Graeca sind durch die Abschrift fürchterlich
verstümmelt, dennoch lässt sich durch die üebereinstimmung mit
Tilianus und ed. princeps öfters das Richtige herstellen, so ep. Xu
(401): V. 1 fi^TOXOV; V. 2 *'A£iov; V. 3 dcp* iXmciv dürfte vielleicht
zu halten sein: ist doch auch der griechische Name 'EXiric in jenen
Jahrhunderten aspiinrt worden, wie die von der Legende zur Ge-
mahlin des Boetius gemachte Dichterin Helpis bezeugt; 5 Sttoi;
14 KpivvoCT€<pavoi; 16 trinmphum liest Kings.-Ms. mit Tilianus
für die conjectur libellum; 20 für esse geben alle Quellen eive; es
scheint, dass die Verkürzung des ai in € schon in Ausonius' Zeit
vulgär gewesen und von ihm selbst hier angewendet worden ist,
Anderes scheint in Kings-Ms. richtiger zu sein als im Til. und
ed. pr.; V. 13 werden die Musen der Mnemosyne in jenen ttoXukXti-
Tiva T^Kva genannt, in Kings-Ms. ircXucantica (iroXiiKANTica) ; V. 8
dort Kpuoc öbövTUJV, thöricht in KpUjuiöc geändert, hier Kpouc|i6c;
V. 23 dort Kpeßevvov, hier Kpeßevvou, was wenigstens auf den Gene-
tiv Kpeß^vvujv leiten würde; V. 22 gibt K allein TravTobaTn^, die
übrigen juiavTobaTrri; 24 becxHN, jene Xeaxnv; 28 jene causasie, K
hat das i doch bewahrt: causaciT€.
K füllt femer die Lücken aus, welche sich in Til. und ed. pr.
vorfinden: die vorhandenen Buchstaben bedürfen allerdings erst der
Entziffenmg. In V. 5 liest die ed. pr. Kpuoc e^iv; (etwa 7
Buchstaben sind ausgespart), in TiL folgt nichts hinter Kpuoc K
gibt Kuoc AHta ncctin. Schwerlich hat Ausonius Kpüoc ä£uXov gesagt
mit Hinweis auf die holzarme Gegend; fiSevov dürfte passen. V. 15 ?v6*
&fe fioi TToXu-risa im\ wird nach K zu lesen sein (ttoXu Risaeemc in K, wo
zwischen ttoXu und eiri die übrigen etwa vier Buchstaben auslassen).
V. 17 lautet in K: TMaTapKdipo salYOCTiKONYCOTroNTic, während die
andern nur Yfiarap . . . ctixov bewahrt haben; ich vermuthe: ö^eT^pTj
Xfjpov ciaXöcTixov fjvuca TTCjünrq.*) V. 18 Til. und ed. pr.: ^eya-f-
luievo. . . uibrjv, K: MpMYTM€NOBapoNU)dHN, lies: )i6)iiTM€VO-ßäpßapov
*^) Ein Catalog der Bibliothek dieses Klosters vom J. 1532 wurde
aus J. W. Hubers Bibliothek 1789 verstei^rt (Serap. V 48). Verloren
kann er doch nicht aein; wo befindet er sich derzeit? — *) ^Sprudelnde
Scherzrede'; ^omnia nna saliua continnare' sagt Hieronymus einmal.
Uebrigens ist der Buchstabe hinter der Silbe aal eher v als t-
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Die handschriitl. Ueberlieferung des Ausonias. 201
tlibriv. V. 26 ed. pr. und TU. geben "Orrt äOcXStvöoic . . . ^e^q>€0
poucatc K gibt ohne Lttcke OTta6€X£tNOOic ^€C€BiTiaf€N q>€OT-
MOTCtitc Das übereinstimmend gegebene ^^^q>€0 ist zn halten, wenn
hinter ^ouconc Komma bez. Kolon gesetzt wird: ''Om )üi^^q>€0, Qnod
obiecisti etc.; zwischen äOeXEivöoic und }ii}i<^o scheint ein lateini-
sches Partidpinm, f&lschlich ins Oriechische transscribirt , zu stehen
(was öfters vorkommt): ^^ • Der sich daraus ergebende Sinn
scheint annehmbar.
Vaticanns I — 3152, s. XV in 8®, f. 1—18 Titi Calphnrmi
Sienli Bncolicnm Carmen. 19 — 21' Celii Cipriani episcopi cartha-
giniensis nersns. 21^ — 25 Lactantii Firmiani de foesto die resnr-
reetionis dominice nersus etc. 25 — 30 nacna. 31 — 81 Ansonii
Ponponii liber primns incipit feUciter. — Ezplicit liber ansonii pre-
treptici pom. (das Schlnssstück ist wie überall Bissnla 331, nicht
ProptrepticaB).
Alle Stücke von einer Hand geschrieben, die griechischen Stücke
gibt die Hds. in derselben ünvollstftndigkeit wie Kings-Ms.
Eigenthümliche Abweichungen von den anderen bekannten
Texten in den Titeln: epigr. 3 Ad fontem Dannbii iussn Väleriani
Angnsti (denselben Fehler begeht die schlechtere Wolfenbütteler
Ezcerpten-Hds.), ep. 8 Ezcitaüo ad modestiam. Meist jedoch enger
Anschlass an G, z. B. 11, 249, 119 und dann abweichend von K
and den Wolfenbütteler Hdss. — Epigr. 45 wird nicht wiederholt, 98
and 99 verbunden wie in 0. Die tituli sind, wie es scheint, von 44
ab (in der Ordnung von Z) ausgelassen. Die Graeca sind vorhanden
und meistens richtig in 28, 29, 31?, 32?, 40?, 88. Ep. XH (401)
ist bis V. 13 incL vorhanden. Die Hds. stimmt hier gewöhnlich mit
K gegen T und G, beispielsweise V. 9 ir^Xci] mXei TG, q)0Kiu
VK, aber ist offenbar vorzüglicher als dieser, z. B. V. 11 wird nur
in V vervollstftndigt gegeben:
äpXÖ^€VOC b' dpa \Xf\yxV €U)ta] NOYT€CAL€Nb€f ,
woraus sich ergibt:
'Apxö)üi€Voc b* fipa Mnvl v^ip lavoö re calendatc
Primitias Paulo nostro n^^ipu), ^eXoetb^c.
^eXoeib^c B ^6Xu)b^c ist adverbiell zu nehmen; das Attribut ^eXt-
T|b6ic, das man gegen alle Hdss. eingeführt hat, passt auch im Scherz
nicht zu solchen Versen. In V. 6 femer geben die übrigen Hdss.
Km frigidopoetae, V allein das richtige Kai frigdopoetae. — Ep. XIH
(402) fehlt, ep. XIV (403) schliesst mit V. 25 (Nobiscum inuenies),
epigr. 30 fehlt. Sonst werden noch vermisst epigr. 14 (?), 47 (?),
66, 273—278. Die Ueberschriffc von ep. VIII (397) lautet: Auso-
nius paulo secundo (aus sal. verlesen); der Text dieses Briefes kommt
mit ed. Bipont. überein; er soll, und wohl auch die übrigen Stücke,
mit Verständniss geschrieben sein, auch wenig metrische Fehler auf-
weisen; indess sind doch Schnitzer, wie das eben genannte secundo
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202 R. Peiper:
statt saL nicht vereinzelt: In der üeberschrift von ep. XXI** (413
ad lambnm säum) wird aus dem lambus ein lacobns gemacht; id.
VI (324) elogia ans ecloga. — Id. VII (327) beginnt abweichend
Yon G und E: carminins incompti, stimmt also mit T überein, mit
dem er auch sonst sich berührt; hinter ep. XIV (403) z. B., aber
vor den beiden Schlussversen dieses Briefes, steht: Finit epistoLiram
über I, wie in T, nur dass in letzterem die Zahl I fehlt und diesem
Explicit seine Stellung hinter V. 36 angewiesen ist.
So weit die mir vorliegenden Mittheilungen, aus denen ich obige
Einzelnheiten auszuheben für genügend erachte, ein ürtheil ge-
statten, liegt allerdings ein nicht aus der ed. pr. des Girardinus
hergeleiteten Exemplar in V vor, dessen Vorlage von Werth war; die
Abschrift freilich ist so entstellt, dass es genügen wird, wenige
Partien zu weiterer Prüfung zu vergleichen.
Vaticanus 11 = 1611, s. XV ex. chart in 4® min., folL 220.
Zuerst Propertius imd Tibullus. Ausomus von f. 151 — 220. ^Ausonii
poetae uiri ccmsularis epigrammatum et aepistolarom fracmenta'.
Ich weiss wenig, aber doch genug von diesem Exemplar. Die
Ordnung der Epigramme weicht nur scheinbar von der recipirten
(s. die Tabelle) ab; es hat nur eine Umstellung einzelner Partien
stattgefunden, die vermnthlich auf irriger Umstellung der ersten
lose gewordenen Blätter beruht: BL 1 war nur auf der Rückseite be-
schrieben; jede Seite mag etwa vierzig Verse enthalten haben; das
dritte rückte nun an die Stelle des zweiten, das fünfte an Stelle
des vierten Blattes, daraus ergab sich die jetzige Ordnung:
1—3
1-3,
249—24
5—12,
5—12
anstatt
249—24,
40—58
25—39,
25 etc. )
40—58 eto.
Hinter den Epigrammen, von denen 109 und 250 (epii 33) zu
fehlen scheint» ist die Ordnung ungestört; der Inhalt bis zum Schluss
der gewöhnliche. Die Gi*aeca fehlen völlig; für die einzelnen griechi-
schen Worte ist Baum gelassen, für die Ueberschiiften Zeilen aus-
gespart. Nicht unwichtig scheint die Notiz, dass hinter ep. XIV
(403) ^Einit lib. I epist.' steht, woraus sich Verwandtschaft mit Ya-
tic. 3152 erschlösse.
Laurentianus I =: pl. XXXIII, c. XIX s. XV chart. in 8^,
foll. 60 ^optime seruatus'. Bandini ü, p. 102 f. Bei Mont&ucon p.
308 B ist er XXXIU 7 bezeichnet Brandes, diss. S. 7, irrt in Be-
zug auf diese Hds.
Die griechischen Stücke fehlen aach in ihr, aber es ist Baum dafür
gelassen, so wie auch für die einzeln eingestreuten griechischen Worte.
Ingleichen ist Baum ausgespart für Initialen und Ueberschriften. Ausser
Bandinis Beschreibung liegen mir Mittheilungen H. Peters vor, nebst
ÜoUation des grössten Theils der Hds., die derselbe im J. 1862 ge-
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Die handBchriftl. üeberliefening des Ausonins. 203
Bommen hat Von Graecis fehlen ausser den aasgesparten Versen
von 28, 32, 40, die voUstftndig griechischen Epigramme 29, 31, 88,
sowie die Episteln 401, 402, 403 V. 25 ff. Die Initialen nnd üeber-
Schriften sind zu späterer Eintragung, die wie so oft unterblieben
ist, ausgespart Als fehlend wird von Bandini 80 und 127 be-
zeichnet; ausserdem 120, wofdr es 121 heissen muss (dies letztere
ist ja den Hdss. Z fremd); femer die Stttcke aus den Caesares
273—278. Irrthttmlich wird 337 unter den Fehlenden nicht an-
gegeben; 412 dürfte nicht fehlen, sondern nur ungetrennt mit 411
yerbunden sein. Die Periochae (420 — 468) nebet den Widmungs-
gediohten 469 — 471, die man Bandini zufolge in der Hds. voraus-
setzen mttsste, fehlen natürlich. Von Epigr. 24 fehlt das dritte Di-
stichon, von 72 das letzte; in beiden Fällen abweichend von ed. pr.
und Tilianus. Daraus ergibt sich, dass dieser Laurentianus die Hds.
ist, von der Daniel Bein sius in seinem Handexemplar der ed. Char-
pini zu Leiden (768 F 11) eine flüchtige Vergleichung eines Theilff
der Epigramme gegeben hat Der Ausfall von 80 und 127 wird
durch ihn bestätigt, wenn er aber auch 30, 37, 49 als fehlend an-
gihty so kann sich das auf unsere Hds. nicht beziehen. Aus-
gelassen sind femer in üeberstimmung mit ed. pt. 2 V. 6, 9 V. 1,
69 V. 6; abweichend von ed. pr. und Tilianus: 3 V. 7.8, 35 V. 6.
Der Schlusa von ep. VHI (397) lautet gerade wie in der ed. pr., ab-
weiohend vom Tilianus:
Nobiscum inuenies muUas quia liquimus eh
Vale ualere si uoles me uel uola.
Die Ueberschrift von ep. XIX (409) stimmt mit ed. pr. und
Til., nur dass in Laurentianus quem statt cum und et statt ex steht.
Die Gratiarum actio hat eine Lücke am Anfange Z. 6—10 (p. 284
Bip.) von einem groHas ago zum anderen. Besonderes wird sich von
dieser Hds. bei der Nachlässigkeit, mit der sie geschrieben isi^ nicht
erwarten lassen. Wo ihre Lesarten nicht mit G und T stimmen'^),
sind es fehlerhafte Abweichungen.*')
Girardinus* Text beruht nicht auf T: denn in letzterem fehlen
beispielsweise ausser zahlreichen Versen, die in G stehen, die Graeca
>!} Sie stimmt mit ihm und 6 z. B. 21, 8 Ac (At G); 24, 3 pitani;
26, 1 Uiceno; 84, 9 Agat irascor; 11 haee fehlt; 66, 2 (T lässt 66
aus) asseueratos; 69 ab aere] habere; 76, 8 acciperem etc. — '*) 27, 4
deuB] simns; 21, 8 asta; 38, 3 dissimnlabo? 34, 14 libeat; 16 Detego;
46, 1 Ellinguem; 66, 3 Nob? -• et; 4 his fehlt; 67, 6 tela; 66, 2 abs-
tulit? 67, 1 Haecdnm — nespeiaB? 72, 1 trinÜB] silice; 2 calaicalum ;
4 dissüuit; 73, 2 saperasBe; 4 aospidum?; 6 ne; 74, 1 extremo? (externe
TU.); 76, 6 missu? 78, 4 postolante; 84, 1 eastaB?; 91, 6 amem; 92, 12
für Radium ist das mittelalterliche iugulum gesetzt (cf. Boetii Phüos.
CSouBol. reo. R. Peiper p. XXXYDI). In diesen Lesarten stimmt, ausser
wo ich Fragezeichen beigefOgt, die CoUation Peters mit der von D. Hein-
siuB überein; die mit diesem Zeichen Versehenen entnehme ich nur dem
Exemplar des Heinsins.
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204 R. Peiper:
31 und 88 und ep. XIY 25 — 35, ebenso die üeberschiiften zu 81
und 82, 28, 31, 32. Er wttrde nicht aus eigenem Antriebe den
Titel ep. 29 de baccho T mit Libero patri E vertauscht haben. Er
wttrde nicht in ep. 28 mit E melior nulli, sondern nulli melier lesen,
oder nouit uerum TE in uerum nouit ändern; übersehen hätte er
gewiss nicht das t\ welches 40, 3 in T die sjllaba anceps tilgt,
nicht in V. 5 XP^K^fe fxic in XPI^TÖc 1%^ verwandelt. Sollte er bei
seinem strengen. Anschluss an die Hds., die er benutzte, iropaiavbi-
vov aXq)a haben drucken lassen, wenn sich dort tropäbeXqpeöv
dKivbuvov fiXcpa vorfand?*') Ep. Xu wird öttoi (d. h. fiiroi) für
öm, wie Til. gibt, und dcTiv, was TiL weglässt, von Girardinus
schwerlich aus Conjectur gesetzt sein. V. 7 liest Til. T€V€VOirXoKa-
^UJV, Eings-Ms. T€V6K0TrX., Girardinus endlich mit Yatic. 3152
Tev€poirX.; das letzte ist richtig, falsch dagegen die Vulgata T€p€-
vottX. ; nur muss man den ersten Theil des compositums mit lateini-
schen Buchstaben schreiben: teneroirXoKdfiwv; ähnlich geben die
Hdss. in V. 5 Ka^iroiciv statt campoictv.
Girardins Hds. ist aber auch kein Bruder von E: wenngleieh
in diesem die Graeca entsetzlich verstümmelt sind und in ep. XU —
XIY ausser dem ersten Drittel von ep. XII ganz fehlen, bietet doch
diese Hds. so Manches, was Girardinus gewiss nicht verschmäht hätte,
z. B. den Anfang des griechischen Yerses über ep. 81 &pxr| hi TOt.ri;
auch das ^^v würde er 29, 1 nicht verschmäht haben, er würde
ep. 32 €i|i' dvdTTi statt des thörichten €Im€V tt] (el ^^VTOl T) ihm
entnommen haben u. a. m.
Girardins Grundlage ist ein Text, der vielfach Besseres bietet
als T oder E. Ganz zu geschweigen der beiden Yaticani und dej
Laurentianus I, die, an Alter hinter E erheblich zurückzustehen
scheinen. Alle diese Hdss., von denen keine aus der andern direkt
hergeleitet zu sein scheint (zu sicherer Entscheidung bedürfte es doch
näherer Eenntniss der Yaticani), gehen auf ein und dasselbe Exemplar
zurück, das vor Alters an den Gestaden des Adriatischen Meeres,
vermuthlich in Yenedig sich befand, von wo eine Abschrift ziemlich
früh nach Zara in Illjrien verschlagen wurde, wohin uns die ünter-
*^ Es dürfte hier zu lesen sein: -rrap' db€Xq)oO didv6uvov äKxpa; die
im Nomen proprium gang und gäbe gewordene Verkürzung des u, die
far das Griechische Anthol. XI 429, far das Latein dieser Zeit Sym-
machns ep. I, 1 bezeugt (über die Messimg des offenbar davon absu-
leitenden Cognomens in der gens Manlia 'Aoidinus' liegt kein Zeugniss
vor), brauchte bei diesem Wortspiel nicht aufgegeben zu werden. In
V. 1, wo GTE übereinstimmend (nur dass in E das Zeichen fQr t weg-
gefallen ist: AYAAcacpeoi) xPY1Ct6c dKiv^uvoc aOTabeXq>€ol lesen, ist dura
Eioschnb von o: op&roabcXcpcol leicht zu helfen. Weshalb man in ep.
29, 2 ^l q>6i|Li^voiciv durchaus beseitigen will, das durch die griechischen
Parallelen genügend geschützt ist, um die alte Messung von 'A6u)ve0c in
gewinnen, während man doch ein anapaestiches Phidias sich gefallen
lassen muss, verstehe ich nicht.
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Die handschrifU. üeberlieferong des AosoniuB. 205
Schrift von K imd der Exoerpte im Gudianus (s. unten), die im J.
1445 nicht erst verfertigt, sondern nur wieder copirt wurden, weisen.
Weiterhin werden wir noch andere Sporen jenes alten italischen
Archetypus ermitteln. Eine direkte Abschrift desselben ist nicht er-
halten: sein Gut ist zersplittert und muss nun aus den ältesten Copien,
die wir besitzen, aus GTK, vielleicht auch Yaticanus I, zusammen-
gelesen werden. Für die letzten beiden eine vollständige Collation
zu erlangen, ist mir leider nicht geglückt. Das eine muss hier
wiederholt werden, dass die Conjecturalkritik und Interpolations-
sucht diesen Hdss. des Ausonius ziemlich fern geblieben ist, die sich
bei anderen gelesenen Schriftstellern im Laufe des XY. Jahrhunderts
80 breit macht Eine sorgflQtige, gar die Eigenthümlichkeiten der
Orthographie schonende und sonst peinlich reproducirende Abschrift
werden wir trotzdem in keiner Handschrift zu erwarten berechtigt sein.
Als reine Abschrift der ed. Girardini ist folgende Hds. zu be-
zeichnen:
I. Laur entianus 11 = pL LI, c. XIlI (Bandini 11 p. 151), s. XV
ex. membr. foU. 201. Die Hds. ist mit deni Wappen der Mediceer
geschmückt. Sie enthält vor Ausonius den Martianus Capeila. Vor
den Epigrammen stehen hier Moseila und Caesares (256 —
279). In Bandinis Inhaltsangabe haben sich offenbar Fehler ein-
geschlichen.^) Am Ende fehlt aber wirklich n. 331.^^) Hinter
256 — 259 finden sich auch 273 — 278 der Caesares (trotzdem die
ganze Beihe vorausgeschickt ist). Am Schluss bezeichnet sich der
Schreiber: De hoc Opere corrupto ut plurimum nil ulte-
rius repperi et ideo explicit. Alexander Verrazanub
escripsit MCCCCLXXXX. Er ist durch zahlreiche Copien aller
Schriftwerke in den Jahren 1490 — 1506 bekannt; s. Vogel im
Serapeum 1850 S. 363 und Münchener lat. Hdss. 10261; für das
Griechische ist Platz gelassen. Diese li^gt wiederum der folgenden
zu Ghrande:
II. British Mus. Harleianus 2578: Ausonii P^onii Poet^
lepidissimi Epigrammata — die Graeca fehlen. Aber am Ende hinter
331: H^c sunt ea Ausonii fragmenta qu^ sunt scripta in codicibus
impressis. quibus apposui alia qu^dam eiusdem, qu^ leguntur in
uetnsto codice ex bibliotheca diui Marci Florentif .
Ausonii Moysella folgt (mit oder ohne Schlussvers, sagt mein
Gewährsmann nicht, wir werden uns die Frage selbst leicht beant-
worten können; sodum): Finiunt ea Ausonii fragmenta que inuidia^®)
cuncta corrodens uetustas ad manus nostras uenire permisit.
**) Er l&sst auch Epigr. 29 und 81 ans, femer. 401 und 402, und
statt 146 schreibt er 141. Auch beim Laurentianns I sind eine grosse
Beihe ünffenauigkeiten anzumerken. — '*) Vielleicht haben den Scli^iber
die ähnlichen Schlüsse von 330 und 331 oris— apes getäuscht. — '^) So
gibt an dieser Stelle auch die ed. Girardini, während sie hinter der Tabula
iwmda hat
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206 B. Peiper:
Sjonachns Ausonio salntem etc. | His pr^cedunt monasticha XII
C^sarum (Nnnc etc.) | Ausonii fragmenta qu^ omnia Gorrodens uetustas
prouenire Ad nos permisit. | Imperfe<%tum opus.
Die anderweitigen, von Mont&ucon bezeichneten Ysticani-
sehen Hdss., wie cod. 3683, sollen nichts von Ausonius enthalten.
Meine Bemühungen in Betreff der wahrscheinlich hierher-
gehörigen Hdss.:
Valencia n. 146 membr. fol. Hftnel p. 1002;
Escorial III S. 25, s. XV membr. (D.D. A. Eomae die Ja.
a. 1625 liest man yom), Hänel ebenda,
sind erfolglos geblieben.
Montfaucon p. 424 D, führt (nach Zaccaria) aus der Dominikaner-
bibliothek von St. Marcus in Florenz an: n. 53 (hinter Ennodii
Opera) Quod compertum est ex libro Ausonii Poetae. Gratiarum actio
dicta Domino Gratiano Augusto sub Ausonio v. c. Auch dieser
mttsste heutzutage sich also in der Laurentiana befinden.
11
Die ferneren Palaeotypen, die Handschriften der Mo-
seila ^ der Codex Ticinensis.
Wenn volle siebzehn Jahre vergingen, ehe die Werke des Anso-
nius von Neuem aufgelegt wurden, so beweist das nicht, dass
Girardinus' unternehmen nicht den gewünschten Bei&ll gelinden,
oder der Absatz seiner Ausgabe weit zurück geblieben wäre hinter
dem Masse, in dem anderer alter Dichter Publicationen vertrieben
wurden; mit welchen Schwierigkeiten die römischen Drucker in
dieser Beziehung zu k&mpfen hatten, ist sattsam bekannt aus Pan-
nartz' imd Sweynheyms Schicksalen. Für den Beifall ist die Anzahl
der Handschriften, die wir in jenem Decennium auftauchen sehen,
bezeichnend genug; wenn sich durunter Einige als diveote Abschriften
des ersten Druckes erweisen, so zeigt das eben, dass die neue Art
der Herstellung, weil weniger kostbar, damals noch nicht allgemein
für anstiindig genug galt, Manchem aber, der für sich den Schrift-
steller zu besitzen wünschte, bei beschränkten Mitteln die eigene Ab-
schrift doch noch weniger Unkosten verursachte. Nach diesen sieb-
zehn Jahren aber folgt rasch eine Ausgabe der anderen: ein berühmter
Lehrer Mailands, heisst es^ hielt es ftir eine Schmach, dass aus dieser
Stadt noch keine Ausgabe des Ausonius hervorgegangen, und das
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Die handschrifU. üeberlieferung des Aasonins. 207
zu einer Zeit, da noch nicht einmal die Lobrede des Dichters auf
Mailand bekannt geworden, die später in Marmor gegraben an öffent-
licherStfttte prangte. Georg Merula^^) war dieser Lehrer, und unter
seinen Auspicien unternahm es im J. 1490 der erste Professor der
Geschichte daselbst, Julius Aemilius Ferrarius (geb. 1452,
t 1513), der den Ausonius, gemeinsam mit dem Dichter Joh. Steph.
Cotta studirt hatte, einen verbesserten Abdruck der ed. pr. zu liefem.^^)
Sein ^emendauit et castigauit' bezieht sich einerseits nur auf gröbere
Verstösse, andererseits auf die Herstellung einiger wenigen, dort in
gar zu schlimmer Verfassung edirten Stücke nach einer leidlich guten
Quelle, aus der nun auch Fragmente der Clarae urbes, die dort ganz
fehlten, hinzugefügt wurden; Morula hatte dieselben in der Bibliothek
der Dominicaner von St Eustorgio in Mailand entdeckt.^)
Ein Nachdruck dieser Ausgabe erschien zu Venedig 1494'^), und an
ihn wieder schliesst sich'^), abgesehen von einer Anzahl Verbesserungen,
eng an in Anordnung wie Text die erste Ausgabe des Hieronymus
Auantius, deren Vorrede datirt ist XIV EaL Octobres 1496.^^) Die
Vertheilung des Textes auf den einzelnen Seiten ist fast völlig dieselbe ;
die sieben ersten Bltttter dieser Ausgabe (in der die Blattzählung
rechts oben in römiscken Ziffern zugesetzt ist) enthalten genau, was
auf den ersten 15 Seiten der ed. Ferrarii steht, es ist gerade eine
Seite gewonnen; auf 38 Blättem^^ steht, was auf 37 Blättern der
ed. Ferr. enthalten ist Die Fehler des Textes sind grossentheils
herübergenommen, in ep. 146 V. 19 steht z. B. wiederum dedisse
statt dedisset, V. 31 ullata statt uUa tarn etc. Eine Vermehrung
jedoch hat diese Ausgabe aufzuweisen: Bartholomäus Morula hatte
ausser einei; empfehlenden Vorrede dem Herausgeber achtzehn, bisher
unbekannte Ausonische Epigramme zur Verfügung gestellt, welche
der Veronesische Dichter Franciscus Nurcisius Geheimschreiber
(a secretis) der Königin von Cjpem, ^superioribus annis' zu Mailand
aufgefunden hatte. Dieselben lässt Avantius am Schlüsse der Aus-
gabe hinter dem Epigramm ^Aucövioc fueram — ' folgen, hinter ihnen
das Explicit fast mit denselben Worten wie bei Ferrarius. Jene Epi-
gramme sind nach ihrer heutigen Bezifferung:
epit 38 (255), 118, 137, 117, 132, 133,43, 106, 142, 143,
22, 144, 121, 134, 136, 116, 140, 145.
*^ üeber ihn s. Sazius in Argelati Scriptores Mediolanenses I p.
CXCVil sqq. ad a. 1478. — *^ Ezem]^ in Berlin. Die Vorrede dazu
abgedruckt W Argelati I p. CGGCXClK. lieber Ferrarius, seinen Freund
Cotta und Varisius, dem das Werk zugeeignet ist, ebenda I p. CCCXXII
sq. und 11, p. 2211 sq. — >^ G. Merum ^suos quoque cinerea in Templo
S. Eustorgii reliquit . Sazius 1. 1. — '^ Exemplare in Breslau (Stadt-
bibliothek)^ Bonn und Wolfenbüttel. — ^') Vielleicht auch an die Orifinnal-
auflgabe selbst? Letztere war mir, als ich dies schrieb, nicht zur Hand.
— ^*) Die letKte Seite ist leer; statt 35 — 38 ist irrthfimüch XXXVI—
XXXIX gec&hlt. -- *>) Exemplare in Bonn (aus Böckings Naohlass),
Wolfenbüttel, Venedig (Mardana).
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208 R. Peiper:
Neuen Zuwachs brachte die Ausgabe des Thadeus ügoletus,
Panna 1499 '^) in so überraschender Menge, dass der Umfang der
Opuscula beinahe um den vierten Theil sich vermehrte. Mit Recht
rühmt er: ^ez collatione diversorum codd. Ausonio additom quantum
adhuc ab alio nemine'. Einem Codex des Tristan Chaleus ^uerae et
sincerae lectionis' wurde der L u d u s VII sapientum und Catalogus
urbium entlehnt, von dem seit Ferrarius wenige schlimm mitge-
nommene Bruchstücke vorlagen; eine Hds. des Antonius Bemerius
(iuris seien tia, generis nobilitate et auctoritate plurima perspicuus)
^fidei non abrogandae' lieferte die Periochae, eine dritte, nicht nfther
bezeichnete Hds. die Mosella sammt dem auf sie bezüglichen Briefe
des Symmachus: ^Mosella uitiatus et mutilatus in lucem prodibit ut-
pote escriptus ex unico ezemplari eodemque ab indiligenti librario
exarato'. Am Schluss endlich findet sich das Gedicht der Sulpitia
und ^epigrammata ex Georgii Alexandrini quae feruntur emanasse
bibliotheca'. Das sind mit ihren heutigen Nummern folgende 24
Gedichte:
116* epit 38 (256), 116, 22, 117, 118, 121, 122* 129^
130* 132, 133, 43, 134, 136, 136* ^37, 139* 140, 141*
142, 143, 144, 146.
Davon^smdy wie wir sofort gewahren, nur sieben, die mit dem
Sternchen bezeichneten, neu; die 17 unbestemten sind bereits von
Avantius mitgetheilL Das einzige bei Avantius, welches hier nicht
erscheint, findet sich in das Über epigrammaton eingeschoben, nebst
acht andern, bisher unbekannten und zwar an folgenden Stellen der
oben gegebenen Epigrammensammlung in Z:
hinter 245: epit. 29 (246)
hinter 60: 61, 62, 63
hinter 84: 85
hinter 103: 104, 105, 106, epit 34 (251).
In dem der praefatio (an den Arzt Lazarus Cassola) beigegebenen
Index ^opusculorum Ausonii quae diu ignorata a nobis iussu tuo
publicata sunt' finden sich aber auch noch folgende Stücke, auf deren
Quellen nicht hingewiesen wird, aufgezählt: zun&chst Epigr. 54 und
84, die schon früher bekannt, hier nur completirt erscheinen. Femer
Epigr. 107, epi 8 tola ad P aulinum (ep. XXY, 418), Sententiae Septem
sapientum (309 — 315und316),Tetrastichaimperatorum(261 —
273'^), 279—284), De nominibus stellarum (ecl. III 370). Jenes
Epigramm, die Sententiae, die Ecloge, haben mit Ausonius nichts zu
thun**); wir werden nur nach den Quellen für den Brief an Panlinus
und die Caesares zu fragen haben.
'^) Nachgedruckt Yenetiifl 1601 in 8^; vom Oriffinaldmck Exemplare
in München und Venedig (Märcianä)^ vom Nachdruck Breslau, Stadt-
bibliothek. •— **) 273 Nerua filhrt iJgolet irrthümUoh noch mit aaf:
das Stück steht in Z. — ^<) Die Quellen ffir diese Stflcke fliessen
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Die handBchriftl. Ueberlieferung des AuBonins. 209
Neben den Zugängen bemerken wir aber auch eine Aenderung
in der Ordnung der Opuscula. Die Gedichte 108—114 hat Ugoletus
mit den oben genannten 104 — 107 hinter 103 an das liber epi-
grammaton angeschoben; die Fastengedichte 147, 150, 149 hingegen
aus den Epigrammen entfernt und vor die nun vollständigen Caesares
gerückt. — Ehe wir nach den Quellen, die er benutzt hat, uns weiter
umsehen und die wunderbaren Widersprüche, die zwischen ügolet
und seinem Vorgänger Avantius sich auf den ersten Blick bieten, zu
entwirren suchen, verfolgen wir die ferneren Zugänge in den weiteren
Ausgaben des Avantius und Ascensius.
Der von dem ersteren besorgten Veneta vom J. 1507^'') liegt
gegen Erwarten nicht die erste Avantius-Ausgabe von 1496 zu
Grunde, sondern der Text des ugoletus, wie das der Herausgeber
in der Vorrede auch selbst erklärt^^), obwohl er diligentia an dieser
Ausgabe vermisst, mit dem Bemerken jedoch : Miligentiam quidem
non Thadei, quam vir iste inter doctos optimus nequaquam potuit
praestare, sed parmensium aliorumque omnium impressorum pluribus
locis desideramus'. Sein Verzeichniss der neuen Zugänge (opera quae
nunc addidimus non alias impressa sunt haec) ist unrichtig): eine
Vergleichung mit ügolet ergibt ein anderes Eesultat. 1) Vor dem
liber Epigrammaton erscheinen neu: Theodosii epistola; Ausonius
Theodosio (469); Pythagoricum (id. XV 362). 2) Im epistolarum
liber schaltet er zwischen 414 f. und 418 (ep. XXTI u. XXV) zwei
neue Briefe an Faulinus nebst einem Briefe des Paulinus (I^ v.
19 — 102 der ed. Bip.) ein. 3) Zwischen Protrepticus und Cupido
findet sich das Genethliacon (323). 4) Hinter dem Mosellabriefe
drei neue Briefe aus der Correspondenz mit Sjmmachus: Symmachi
ep. VII; Ausonius Sjmmacho (ep. XVII, 407); Symmachi ep. VI.
5) Gleich dahinter ein Fragment, welches bereits die ed. Ascensiana
als den Anfang von luvencus Historia Evangelica nachweist ^^),
und darauf die Paulinusbriefe I» 1 — 18, 11», 11^, 1° 103 — 284
(285 — 331 fehlen). Hinter der Sulpitia endlich wird noch ein
Epigramm de matre Augusti (7) angereiht
zahlreich. Fürs erste s. Biese's Anthologie 268 und R. Peiper, Rhein.
Mns. XXXI, 189; für das dritte, ein Gedicht des Priscianus, wie die
Hdss. angeben — a. dagegen Scaliger, Auson. lectt. II c. 29, Teuffei
449, 9 -- Biese n. 679, für die Sententiae E. Wölfflin am P. Syrus
p. 149—152, ein Burdecalensis bei Vinetus, Hildeberti opera ed. Beau-
gendre col. 1336. VindobonensiB 281 Endl. s. XII, Hds. von Voran s.
XU (Wattenbach, N. Archiv U 403), andere nennt E. Bährens, Rhein.
MuB. XXX (aber im Thnaneus 8069 stehen die Verse nicht) etc. Pul-
manns Fragment enthält wie andere 316 allein. — ^^ Exemplar in München.
— '^ 'Itemm enim emendandum suscepimus Ausonii coiucem non Vene-
tiis scilicet nostra castigatione olim impressum sed Tadei Ugoleti bene-
ficio a Parmensibus impressoribus nuper emissnm'. — ^*) Die Quelle des
Avantius ist der jetzige Harleianas 2699, zu Verona 1471 geschrieben,
s. unten. Eine handschriftliche Quelle für epigr. 7 habe ich noch nicht
ermittelt.
Jahrb. f. clMS. FhlL SuppL Bd. XL 14
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210 tt. Peiper:
Neugierig firägt man sich, welche Stellang AvantiTiB in Betreff
der Nursius- Epigramme zu ügolets Ausgabe genommen, für die
freilich nicht er, sondern Bartholomaeus Merula die Vertretung zu
übernehmen hatte; auch hier finden wir erstaunt engsten Anschluss
an ügoletus, nur dass er — freilich nicht ganz zutreffend — die
Hauptüberschriffc berichtigt:
Ausonii Epigrammata per dominum Bartolomeum reperta.
Dass die Zahl seit 1496 erheblich grösser geworden, erklftrt er so
wenig, als ihn die von ügolet vorgenommene Umordnung kümmert
Die Menge der Emendationen (auch bei 418, wo er erheblich
vom ersten Herausgeber ügolet abweicht) fahrt darauf, dass ihm
neue handschriftliche Hilfsmittel zu Gebote standen; vergl. 404
(ep. XV), 406 (ep. XVI*), 393 (ep. IV), auch beim Ludus, wie es
scheint. Auf solche Verbesserungen macht er selbst aufrierksam:
^distinctiones emendatae habent primus duas litteras maiusculas',
d. h. die verbesserten Verse beginnen statt mit einer, mit zwei
Kapitälchen, z. B. ep. XXV v. 12, 22, 28, 43, 47, 51, 54, 56, 58,
59, 68.
Eine durchgreifende Umgestaltung der Ordnung, die besonders
in den Epigrammen die Grundlage der später üblich gewordenen An-
ordnung bildet, finden wir in den Pariser Ausgaben des Ascensius,
deren erste im J. 1511*^, unter dem Einflüsse und der Mitwirkung
des Hieronymus Älecmder^ durch dessen Schüler und Freund Michad
Hutnelberg^^) von Ravensburg aus, wohin derselbe im J. 1511 aus
Paris (wo er seit 1508 weilte) zurückgekehrt war, redigirt wurde.
Eine Handschrift wurde nachweisbar nur für die Mosella benutzt, die
in dieser Ausgabe zuerst in lesbarer Gestalt nebst ihrem Schluss-
verse erscheint, sorgsam bearbeitet durch Aleander selbst, der weiter
auch die Bosae (id. XlV 361) ^ez fide vetusti codicis' dem Ausonius
zufügt/*) So ist denn diese Ausgabe mehr ein Product der Kritik
ohne handschriftliche Grundlage für die Anordnung^) wie den Wort-
*^ Exemplar in Berlin. Die nächste Ascensiana vom J. 1618 in
München; der Leipziger Ausgabe von 1516, welche Bdchard Crocus be-
sorgte, liegt die erste Pariser zu Grunde, wie schon die Uebereinstim-
mung im Titel beweist; ein Exemplar in Göttingen. — ^^) Geb. 1487 zu
Bavensbarg. — *') ^Et quoniam nonnulli tarn ambitiöse obstinati sunt,
ut neqne ex fide uetusti codicis persnaderi queant, hoc de rosis opuscolam
Ausonii esse, sciant illi tantam abesse, ut ego id non credam: nt etiam
existimem plusculos hninscemodi Maroni adscriptos nostro saeculo lusus
AuBonianos esse: Quod mdidisaimis argamentis in Ansoniana enarratione
se probaturam Aleander profitetor'. Hamelberg in den Castigationes.
Wenn Riese's Apparat (Anthol. n. 646) vollständig genug wäre nna Sicher-
heit genug böte, müssten wir ihm zu Folge das hohe Alter von Aleanders
Hds. anzweifeln, da sich in ihm V. 10 findet, sowie die Ergänzung vom
V. 41. — ^^ Schon der Titel spricht das als ein HauptTOstreben der
Herausgeber aus : — opera diligenter castigata et in pulcherrimum ordinem
e pristina conftisione restituta. Anschluss an die Avantius-Ausgabe von
1607 zeigt schon die Voranstellung des Tbeodosius-Briefes und der Ant-
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Die handiichriftl. Ueberliefenmg des Ausonioa. 211
laut. Wir finden die Opuscula in fünf Massen (Sectiones) gegliedert.
L Epigrammata, ü. Edyllia**), EH. Epistolarum liber — die Angabe
der innerhalb dieser Theile befolgten Ordnung ist hier überflüssig — da-
• hinter erscheinen, nicht recht geschieden, als lY. und Y. Sectio : Sulpitia,
Epigr. 7, de fastis (147, 160, 149), luvenci prooemium, Gratiarum
actio, Ludus, ürbes, Sententiae, de XII aerumnis Herculis, Caesares,
de mensibus (376), de nominibus stellarum (370), Periochae^ zuletzt
Epigr. 29 und 30. Wie es scheint, soll die Orat. actio allein die
yierte Abtheilung bilden, Ludus mit allem Folgenden die fdnfte, was
vor der Actio steht, noch zu den Epistolae geschlagen werden. Eine
Yorrede fehlt der Ausgabe von 1511. Hinter dem Pinis folgen:
Castigationes errorum insigniorum quos inter imprimendum opifices
prae nimia celeritate admiserunt (3^^ Seite), geschlossen durch ein
Nachwort:
Michael Humelbergius . IL^^)
Lectori . S.
Haec obiter recognouimus omissis quibusdam labeculis, quas
unusquisque uel semidoctus lector per se castigare potest. Non infi-
ciamur tarnen non pauca in omnibus Ausonii codicibus menda inue-
niri magno digna vindice: Quae Hieronymus Aleander uir omni lau-
dum praefatione maior Dum haec imprimerentur alibi occupatus sibi
in publice reseruat auditorio discutienda. YALE candidissime Lector:
I LYTETIAE PARISIORVM | M. D. XL | Ex ^dibus Ascensianis.
In der Ausgabe von 1513 bevorwortet Ascensius selbst die Aus-
gabe und erklärt, Aleander gedenke nächstens herauszugeben: lucu-
lentas enarrationes in eiusdem Ausonii tenebras. Interea autem grati
animi significationem faciesHomedeo qui diligenter ab ipso Aleandro
adnotata aut ex eins praelegentis ore excepta aut diuini ingenii boni-
tate a se reperta sie concinauit, ut Ausonianae integritati parum
deesse merito conquerare.
Mit Homedeus muss Humelberg bezeichnet sein. Ascensius
sandte schon in vigilia assumptionis Mariae 1511 einen Brief nach
Bavensburg, während Briefe von Aleander im März, April, Juni des-
selben Jahres von Orleans nach Paris gerichtet sind. Ascensius
schreibt dann Parisiis Nonis lulii M. D. Xn. an Humelberger: ^Prae-
Bcripsi ut recepi annotationes nomini tuo. Dedi Ausonios cui com-
miseras et quot petierat'.^^
wort des Ausonius auf denselben (469). — **) Es ist selbstverständlich^
dasB diese Beieichnung, die keinen Ajihalt in Ausonius' Worten findet
und gegen die Vinetus schon protestirt hat, künftig wegfallen muss. In
der Pn^fatio des Griphus wie im Nachwort zum Gento (335, 8; 360, 2)
geben die Hdss. epylHa, epillia, epilia T an erster Stelle, pillia Yossianus
ebenda. Das dreimal bei Nonius wiederkehrende Sueius pnllis dürfte
auch eher epallis als edollis bedeuten (Lucilins ed. L. Müller p. 313,
Bh. Mus. XXIV, 654). — "**) D. h. Ravenspurgensis. — *•) Michael Humel-
beig. Eine biogr. Skizze von Adalbert Horawitz, Berlin 1876 (die erste
14*
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212 R. Peiper:
Nicht klar ist, warmn ep. 29 und 30 an den Schluss gestellt
sind; sollte Humelberg schon die später yon Yinet ausgesprochene
Annahme der ünechtheit getheilt haben? Die Sulpitia und das
luvencns-Fragment stehen in der ersten Ausgabe noch mitten unter
den echten Ausoniana, aber werden in den Castigationes als unecht
bezeichnet, und in der Ausgabe yon 1513 darum hinter t^Xoc ans
Ende gesetzt. — Die oft von Vinetus citirte Ausgabe (Parisiensis
liber) ist wohl fälschlich von Neuem für eine Handschrift gehalten
worden.
Die dritte und letzte Ausgabe des Avantius, die Aldina von
1517^^), ist, wie es scheint, ohne Eenntniss der Ascensianae erfolgt;
die kriegerischen Zeiten machen das wohl erklärlich. Die Bosae
fehlen, die Sulpitia und das luvencus-Prooemium werden ohne Be-
zeichnung der ünechtheit weiter geschleppt; (jenes: Queritur de statu
Beipublicae et temporibus Domitiani, mit Weglassung des Namens
Sulpitia, dieses: Ausonü Carmen imperfectum), die Ordnung der Aus-
gabe von 1507 ist beibehalten, niu* dass Epigr. 7 hinter dem Pytha-
goricum vor die Epigramme gerückt ist. Die Vorrede an Marcus
Cornelius Cardinalis (Comaro) ist nur eine Neuredaction der früheren,
die an denselben gerichtet war. Jedoch ist dem Texte nicht diese
eigene Ausgabe zu Grunde gelegt, sondern ein flüchtig durchcorri-
girtes Exemplar der ügoletiana, aus der nun mancher Fehler, den
Avantius bereits in den Ausgaben 1496 \md 1507 getilgt hatte, in
die Aldina wieder eingeführt worden ist So z. B. gaben jene
beiden in ep. X (399) v. 9 richtig lirare, die Aldina wiederholt den
durch Ferrarius und Ugoletus fortgeschleppten Druckfehler der ed.
pr. litare; jene in v. 42 poena imd paena, diese mit ed. pr., Ferrar.,
UgoL penna etc.; trotzdem muss Avantius neues handschriftliches
Material gefunden haben: in Epigr. 70 liest er statt des bisher über-
lieferten subulo in näherem Anschluss an die Wolfenbüttler Hds.
suppilo. Und in der Mosella, deren letzten Vers er gibt, hat er so
wenig die Ugoletiana zur Grundlage genommen^), als die Ascensiana;
es liegt hier ein offenbar durch Conjectur vielfach berichtigter, öfters
verschlimmbesserter, handschriftlicher Text vor von einer Güte, wie
sie ügolets Hds. nicht kennt; die Abweichungen von der Bearbeitung
des Aleander zeigen aber, dass Avantius auch mit diesem keine ge-
meinschaftliche benutzte. Die von Brunet I 220 u. a. angeführte
Asceneiana stand dem Yerfasaer nicht zu Gebote). In den ferneren beiden
Aufsätzen von Horawitz, welche über Humelberg epistolarischei Material
bieten (*Zur Biogr. und Correspondenz Johannes Beuchlins' und ^Ana-
lecta zur Gesch. des Humanismus in Schwaben, 1612 — 1618') in den
Sitzungsberichten der Wiener Akademie, Bd. 86 u. 86 (1877), ist weitere
Aufklärung nicht zu finden. — *^ Exemplare in Breslau TStadtbibl.),
Göttingen und anderwärts. — ^ Wenn Böcking bezüglich der Mosella
safft, die Aldina ^exemplum anni 1607 sequitnr', so widerstreitet dieses
völlig der Sachlage.
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Die handschriftl. üeberliefening des Ansonins. 213
InntiDa ist mir nnbekaimt geblieben: sie ist vielleicht nur, wie an-
dere luntinen, ein Nachdruck der Aldina.
Es sind manchfache Andeutungen guter handschriftlicher Hilfs-
mittel, welche Ascensius in seiner Diatribae in Ausonium, Ovidium
ao Solinum, Born 1524 f/^), gibt. Diese zersplitterten Notizen, die
zum Theil nicht einmal auf eigener Einsicht in das Material be-
ruhen, sondern mehr oder weniger genauer Mittheilung von Freunden,
dürfen wir vorlKofig ausser Acht lassen, um sie weiter unten aus-
führlicher im Anhange des Vossianus zu besprechen, mit dem die
werthyollsten Mittheilungen im Zusammenhange stehen.
1. Codex Eustorgianus.
Nachdem wir so die manchfachen Erweiterungen, die die Opus-
cula des Ausonius von Girardinus bis Ascensius erfahren, überblickt,
dürfen wir nach den Handschriften fragen, denen Ferrarius, Nursius,
ügolet, Avantius, endlich Aleander entlehnt haben. Was zunächst
die Fragmente der Urbes betrifft, so sind dieselben allerdings so
wenig xunfangreich,' dass man sich bedenken könnte, darauf hin den
Tilianus, der eben dieselben Beste dieses Werkes enthält, mit jener
Hds. des Klosters St.Eustorgiozu identificiren. Betrachten wir aber
die genaue üebereinstimmung des Druckes F mit den Lesarten von T,
so kann sie uns in jener Yermuthung nur bestärken. Es sind kaum
nennenswerthe Abweichungen zwischen beiden. In den Ueber-
Schriften:
T F
De carthagine et constantinopoli Idem de carthagine constantinopoli
et bieantio
De capua Idem de capua
De treveri De treneri septimo loco eatn ponit
De bardegali nrbe De bordegaZZi urbe.
Sodann im Texte selbst:
II 13 LygOB tu] lices tu licea ah tu
rV 6 praelabitor? |>erlabitxir
y 10 emula aemnla
YI 1 cvltuaue poenuque culta penuqne
6 cniroleB curules
11 Annibalis Hannibalis
18 vitiig viciis
yni 3 alpinis arpinis (Druck f.)
6 comertia cömertia
XI 6 Cum Botiant Garn sociant
placida placi^a
Xm 2 inmeuBum imensnm
13 orifl oraB (Druck f.)
16 tarquinoa Tarqninius
*") Exemplare in Bonn und Wolfenbüttel.
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214 B. Peiper;
T P
XIII 18 merces marces Pruokf.)
20 freta frea (Druckf.)
XIY 8 Bnrdegalia Bnrdegallia
18 aereas aerias
39 ciuis cuins (Druck f. ^
40 .S. Bnrdegala S. Bndegalla.
Wir finden fünf Druckfehler, vier Verbesserungen 11 13, XI ö,
lY 6, VI 1 — wenn nicht an den letzten beiden Stellen in meiner
Vergleichung Nachlässigkeiten vorgefallen sind — alles üebrige sind
Oi-thographica. In den üeberschriften ist ein Abgehen von der Hds.
nachzusehen. Diese Unterschiede werden durch die genaueste Ueber-
lieferung in Verstheilung vöUig aufgewogen: wir haben eine für jene
Zeit äusserst accurate Copie des Tilianus vor uns. Diese Hds. hat
indessen, um allen Zweifel zu benehmen, dem Ferrarius (der überall
sonst so eng an den Girardinus-Tezt sich anschliesst, dass er nur
ausser inconsequenter Aendernng einiger Orthographica die schlimmsten
Druckfehler bessert und einige leicht verderbte Stellen durch Con-
jecturen heilt) auch noch zu anderen Stücken Besserungen geliefert,
den makaronischen Versen in ep. XII. Ferrarius weicht nämlich hier
von der ed. pr. an folgenden Stellen ab:
ep. XIT G
P
7 TCvcpoirXoKamuv
T6p€V01TX0KafAUJV
9 OoXtropri
Qdkmupt]
9 Lücke hinter nulla
mXei
18 £<pap^o«aTe
iq>ap\ioZaTk
23 KOI Druckf. für
Kai
24 XccxTlv
Xcaxnv
31 ßXciüia
ßXemna
82 6airac (statt baitavac)
bamvac
34 ineXujöciv
{üiTlXujöetv
36 cpirerai
€1T€Tai
38 iLioucaov
ILioucaui
üeberall geht er an diesen Stellen mit T^ denn auch v. 7 ist
seine Lesart nur eine Bessenmg der Lesart dieser Hds. tcvcvottXo-
Ka)iU)V; V. 9 ist dort in OaXiTUjpr) von erster Hand u) in o corrigirt
In dem Distichon ep. Xm war keine besondere Gelegenheit zu Ab-
weichungen. In ep. XIV findet sich in elf griechischen Versen nur
eine Aendernng gleich im ersten Verse, TrXr|9uv F statt TrXr|6tiv G,
dazu ein Druckfehler im siebenten Verse: CKaZvoTa KOi (beide Male
ist o durch c ausgedrückt) für CKoJvovTa Kai G (der Setzer hat das
falsche v getilgt). Hier ist also, ohne Bücksicht auf eine Hds«, G
abgedruckt worden: inT fehlen eben die Graeca dieses Briefes.
Wenn wir nun aber in den griechischen Epigrammen F ganz auf G
fussen sehen, die doch T hat, so wird es uns auch nicht wundem
dürfen, ep. XXV Ausonius Paulino, ein bisher nicht bekanntes Stück,
von Ferrarius verschmäht zu finden: dieser hat nämlich offenbar die
Hds. gar nicht in Händen gehabt, G. Merula aber, ganz der Gewohn-
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Die handschrifü. üeberliefenmg des AuBonins. 215
keit jener Zeit gemäss, nur ein wenig daraus genascht: dass diese
Epistel, die seinen Augen nicht entgehen konnte, da sie vor den
ürbes steht, überhaupt noch nicht publicirt war, ist ihm bei
dieser flüchtigen Behandlung entgangen.
Dass eine Hds. der Dominikaner des heil. Eustorgius zu den
Benedictinem von St« Fleury übertragen worden sein sollte, ist kaum
anzunehmen. Du Tillet aber hat, wie wir wissen, sich nicht auf
Durchforschung der französischen Elosterbibliotheken , wozu ihm
Franz L die Erlaubniss gegeben, beschränkt; er hat auch, wie Blume
Iter I 49 erwähnt, Handsohriftenkäufe in Italien gemacht: auf diese
Weise wird der Eustorgianus zum Tilianus geworden sein.
2« Moseila-Handschriften.
Die Mosella findet sich in keiner der bekannten Z-Handschriffcen
als dieser Sammlung eigenthümlich angehörig, und fehlt auch im
Yossianus. Unsere Eenntniss des Gedichts beruht auf Einzelhand-
schriffcen. Woher haben Ugoletus, Aleander, Avantius ihre verschie-
denen Texte? Der des Ugoletus ist so eigenthümlich gestaltet^ dass
wenn er nur noch ezistirt, wir nicht lange zu suchen haben werden;
und er existirt in der That zu Florenz in der Hds. des Yerazzanus
vom J. 1490, pl. LI c. XIII, der seiner Abschrift der ed. Girardini^)
nicht blos die Mosella mit dem Symmachusbriefe, sondern auch die
Gaesares 256 — 279 aus einer verschollenen Vorlage, die offenbar
beide Werke enthielt, voraufschickte.*^) Die bekannten Entdeckungen
in Bobio, von denen Baphael Volaterranus berichtet, wurden erst
vier Jahre später gemacht. Die Vergleichung des Ugolet-Textes
hebt über jedes Bedenken hinweg, ob nicht etwa Mosella erst nach
imd aus Ugolets Ausgabe in jene Hds. übertragen worden sei^^); denn
der Verazzanus-Codex ist frei von den Besserungen Ugolets wie von
den durch seine Setzer verschuldeten Fehlem; er gibt, wo Ugolet
gebessert, nicht verstümmelte Ugoletiana, sondern Spuren der in den
übrigen Hdss. vertretenen Lesart. (45 legenis L lagaeis Ugolet;
277 dirces L, circes Ug.) Jene Vorlage Ugolets ist nun aber eine
so verstümmelte Hds. der Mosella, dass es unmöglich war, auf den
ersten Anlauf einen lesbaren Text zu schaffen, der Herausgeber hat
(wir müssen nur stets den Standpunkt seiner Zeit dabei im Auge
behalten) sich redlich darum gemüht — die eben genannten Cor-
recturen zeigen das schon (wenn auch die erste derselben durch die
^ Die Mailänder Ausgabe ist erst vom 15. September 1490 datirt.
— 01) Eine Abschrift ist, wie oben gesagt, der Harleianus 2578; in der
Wiener Hds. der Mosella (358 Endl. 114/cp 109, f. 45'-- 48', einst dem
Seb. Tengnagel gehörig, der Symmachus- Brief fehlt nicht^ sieht Tross
(Vorrede S. 10) nur eine Abschrift der Ugoletschen Ausgaoe, vielleicht
nur auf der Nachricht vom Fehlen des letzten Yerses fassend. Den Wunsch,
ihre Bekanntschaft zu machen, lässt das junge Alter der Hds. nicht auf-
kommen. — **) In diesem Falle wäre es doch sehr wunderbar, wenn nicht
auch die übrigen Zugänge ugolets in ihr Aufnahme gefunden hätten.
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216 R. Peiper;
bessere üeberlieferung limigenis hinfilllig geworden ist). Der Tadel,
zu dem sich Ugolet gegen den Schreiber der Hds. veranlasst sieht,
hat ihn wohl bewogen, seine Quelle zu verschweigen'; es lohnte sich
wohl, dem edlen Besitzer der äusserlich so schönen Hds«, der ihre
Anfertigung veranlasst, Aerger zu sparen. Keine der heute bekannten
Mosella-Hdss. gehört ursprünglich Italien an. Auch die Vorlage des
Laurentianus ist sicherlich erst durch einen Henoch aus dem Norden
oder Nordwest dahin verpflanzt worden in einer Abschrift, die an
Barbarei mit allen jenen Findlingen wetteifert. Die Zahl der klei-
neren Werke, deren Auffindung bestimmten Personen zugewiesen
wird, ist eine aufflQlig geringe, verglichen mit der Intensivit&t dieser
Bestrebungen; es wurde nicht gar viel Aufsehens davon gemacht;
trägt doch nicht einmal die Neapolitaner Abschrift der Dracontiana
den Namen dessen, der sie in Bobbio femd. Oder dürfte man sich
genügen lassen an der mündlichen Kunde, die davon zu den Ohren
der sich dafür interessirenden Oelehrten drang? Die Entstehung der
Fehler in unserem Mosella-Exemplar ist nun offenbar derselben Ver-
anlassung wie bei den anderen Funden zuzuschreiben: Unfähigkeit
des italienischen, seit langer Zeit an ganz andere Schriftzüge ge-
wöhnten Abschreibers zur Entzifferung der alten Hdss.; und auf
ziemlich hohes Alter der Vorlage deuten denn nicht wenige der zahl-
reichen Lesefehler hin.^*)
Sehen wir von diesen Schnitzern ab, so deuten die wesentlichen
Unterschiede des Laurentianus von anderen Ueberlieferungen darauf
hin, dass wir es mit einem nahen Verwandten des Bruxellensis
zu thun haben^): aber nicht nur in der Moseila, sondern nicht minder
in den Caesares.*^) Dieser Verwandte ist jedoch noch frei von zahl-
reichen Fehlem, die wir in dem Exemplar B finden, und wird demnach
zu einer nicht unerwünschten Hilfe, um das Letztere zu controliren.^
Hieronymus Aleander giebt keinen rein handschriftlichen Text;
er hat ein Ugolet*sches Exemplar nach einer Hds. und eigenen Ver-
muthungen, wie 350 Bomaeque tuere, durchgebessert und so ist
^) 80 sedere Lüg. für aecundae, 11 climeast . . . LUg. für dioi
castra, 117 est tendere für contendere, 123 latus für lectos, 189 con-
claueus fQr cxmi glaucus etc. — ^) Hier wenige aber ausreichende Be-
lege. Im Symmaohusbriefe fehlen die Worte Unde igitur — credidistd in
Büg., Mosella 113 fehlt in BLÜg. fartim, 27 deuexus BLUg., 320
decoramine BLÜg., 329 irmpit BLUg. — '^^) Hier kann ich nur
Ugolet, nicht seine Hds. L befragen; sie kommen gegen die anderen Hds.
überein: Tetrast II 2 Augustas, V 3 et crimina ^sus fehlt, VI 4 quae]
et, IX 2 Caesar faeris B fueris Caesar Ug., 4 agit B ait Ug., X 3 flam-
mam, XII 1 seminos, XXI sceleris B celeris Ug., XXU 4 Irnsu, XXIV 1
Tunc. — *•) Man beachte folgende Stellen der Caesares , wo Ugolet —
also jedenfalls sein Laurentianus — gegen B die richtige Lesart bewahrt
hat: I 1 Sorte Ug. more B, V 2 ingenii Ug. imperii B, VII 1 mereri Ug.
teneri B, VHI 3 erit Ug. ausgelassen und Raum dafür B, XX 1 non Ug.
quod B, XXII inscr. : Caracalla Ug. fehlt in B, XXH 3 nocens Ug. carens
B, XXIII 4 quae Ug. qui B. In Mosella fehlt v. 286 in B, nidit in L.
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Die handscbrifU. üeberliefening des Ansonms. 217
denn manche nmichtige Lesart ügolets, die offenbar der benutzten
Hds. fem lag, conservirt worden, wie gleich anfangs y. 1 1 Niuomagmn,
das einem Nuiomagnm, statt Noiomagum, seine Entstehung ver-
dankt u. 8. w.^^ Dennoch kann sein Text die handschriftliche Her-
kunft nicht verleugnen, er weist uns mit aller Sicherheit auf den
Codex des heil. Gallus hin.
Auf dieselbe Hds. führen uns auch mit aller Bestimmtheit^)
die Lesarten, die Th. Poelmann^^) aus ^Cornelii Gualtheri
Mosella liber antiquus' mittheilt Ersichtlich hatte Poelmann
diese Hds. nicht selbst in Händen, sondern verfügte nur über einzelne
Lesarten, die er der Mittheilung des Cornelius Wouters ^) verdankte.
Aber Wouters selbst kann nicht im Besitz des cod. S. Gallensis, den
Goldast für seine Erotica (Francof ad M. 1610) offenbar an Ort und
Stelle benutzte, gewesen sein; auch er hat bestenfalls nur eine
Abschrift, wahrscheinlich nur eine Collation besessen, die mit der
des Aleander vielleicht, wenn nicht identisch, doch verwandt®^), mög-
licherweise ein Auszug daraus war. Für Aleander ist die Ver-
gleichung des S. Gallensis zweifelsohne durch M. Humelberg in
der Heimath besorgt worden®*) und durch diesen mag der Fund
aueh anderen Humanisten mitgetheilt worden sein; und verfolgen
wir die von Poelmann p. 99 zu v. 367 angedeuteten Spuren, so ist es
Hermann Graf von Nuenaar, ein Mann der allerdings auch selbst die
Schätze jenes Klosters zu prüfen Gelegenheit hatte^ dem Wouters seine
an Poelmann weitergegebenen Mittheilungen zu verdanken hatte.^
Abweichungen der Aldina 1517 von der Ascensiana 1511.
Woher nun Avantius die Hds. gehabt, die er bei seiner dritten
Ausgabe des Ausonius der Moseila zu Grunde legte, ist nicht zu er-
mitteln, üeber ihr Verhältniss zu den erhaltenen Hdss. wird am
besten eine Yergleichung der Aldina mit der ersten Ascensiana
Auskunft geben. Ich füge die Siglen der Hdss., die für die Lesart
des Avantius oder Aleander eintreten, bei, indem ich mit a Ugoletus
«'O Vgl. V. 71. 118. 207. 278. 297. 329. 386. 466. — ") Die Identität
ist unanfechtbar: v. 374 ist diua ein Irrthum Poelmanns, v. 367 scheint
Böckings Angabe ans S. GaUensis unsicher. — ^^ Ausonius ed. Th. Pol-
m&nnus Antverp. Plantin. 1568. — '^ Patricier von Gent, Canonicus
St. Donatiani daselbst, f 1582. Vgl. ausser JOcher und Grässe HI 1, 1243
Sweertü Ath. Belg. s. 187, Foppens I 102. — '^) Mit Aleanders Ausgabe
selbst ist Wouters liber antiquus nicht identisch: denn Poelmann gibt
daraus v. 11 Noiomagum 45 limigenis 80 fas ant 89 rhaedo 140 At
cum 192 propulit 263 inualido 278 carptas 365 Drahonum 374 diua
Mosella 380 Bomae tenuere 484 Chamaaes 452 post munera. Auch
scheint Poelmann die erste Ascensiana gar nicht gekannt zu haben; in
dieser findet sich wenigstens nicht die Lesart Torta, die er zu v. 368
aofl seiner Ascensiana anfahrt. — *') Vielleicht hat Aleander auf diesem
Wege auch schon Kenntniss des Technopaegnion im heutigen Leidensis
Yoss. Q 38 erlangt. — *') Dass der Gemblacensis, den JPoelmann be-
nutet hat, uns im Bruxellensis erhalten ist, ist nicht zu bezweifeln. Das
ist auch Brandis Ansicht.
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218
R. Peiper:
lÖOl (die Originalausgabe stand mir nicht mehr zu Gebote), 0 San-
gallensis, R Bhenaugiensis, B Bruxellensis, T Vaticanus (geht nur
bis Y. 180), mit iX) endlich die Uebereinstimmang sämmtlicher Hdss.
mit Ausnahme der auf der andern Seite etwa genannten, bezeichne.*}
Aldina
1 nauem V
8 Dom NisBum a
10 conspicior Druck f.
11 Nouomagum Av. (Nogom. Y
Noiom. cett.)
16 aetrham V
18 nitentis aGB'
27 Naniget a (Druck f.)
28 fluuioB uitreosque Av.
29 aequiperare aui
33 prolapsus a
(36 Buperante aus Conjectnr.)
39 Bortire Druckf.
45 limigeriB R (lagaeiB a)
47 Sicca in primores spargis Ay.
49 Trudena Av.
61 leue Druckf.
68 calydcnÜB Av. Druckf.?
71 locupletes quaeque Av.
72 AsBimilaot a G'B
79 Nomina quae et c. RB
80 aut a\u
84 caeruleos (ceruleas a) Druckf.
fluitanteB (fluitantifi GR)
86 praetenero au)
89 thedo a
90 Efßgiens Druckf.
92 hoBtia RB^
95 uni R
101 fronte Av.
113 pinguescit R
114 squalot uj
cauda Av.
120 Hinc a
128 geminas species a
130 &rio Druckf. ?
149 magnuB R?
150 liquidus Druckf.
153 bacchea Druckf.
Ascensiana
Nauam atu
Dumnissum w
conspicor aui
Niuomagum a
aethram auj
nitentes (aber nitentis Castigg.)
RB»V
Nauiger u)
fluuiuB uitreoque au)
aequiparare
praelapsuB w
(fluperante Castigg. aus Conjec-
tur) aperante im Text w, (spi-
rante G, aperanti Y)
Bortite au)
lunigenis (limigenia w)
Sicca in primo respergunt u. lim-
phaa ui, respergit a (aber Ca-
stigg.: Sed sicca in primo asper-
git u. limpha uel sicca sed etc.)
Tendens aui
lene aui
caledoniis aui
locupletibus usque a
asflimulant G^R? adsimulant V
N. quae c. aGV
haud R
caeruleo ui
fluitantibus aVB (aber fluitoatea
Castigg.)
prae tenens AI. (aber prae teuere
Castigg.)
redo (rhedo, rhaedo, raedo ui)
Effugiens aui
Ostia aui
omni aui
frontem aui
pinguescis aui
squallet a
caudam aui
Hie ui
species geminas ui
sario a
magno aui
liquidas aui
baccheia a (ui)
*) Mit Av. und AI. bezeichne ich die Lesarten, welche auf Con-
jectur zu beruhen scheinen.
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Die handachrift. üeberliefemng des An«oma8.
219
160 Gamiimam aB
Garonnam (w)
167 astrepit aBB
adstrepit GV
169 homineB Ay.
hominnm au)
171 Naiadas Ay.
Naidas ui
176 fdrata e
fnratsB
176 oread^ aiu
oreiadas AI.
186 ferant Ay. (specnnt a)
petunt UI
187 tegantur aR
tegatnr tu
193 profandit a
perfondit u)
Adnnmerat G
196 Annnmerat aEB
198 confadit BB
confandit aG?
207 exclndet a (Drnckf.)
excludit atj
209 Bolfurei Av.
snlphnrei au)
210 Ve«em
Vesffiui
216 missena a
mylasena (ui)
216 cymbae B (cimbae aR)
cnmbae G
221 faseli (fitselli a, phaseli ui)
phaselli
222 perfimderit a
perfuderit lu
224 rediget Av. (redüt aB)
redegit (aber Castigg. redigit ui)
226 Atque B
Vtqie aui
286 praetendit Av. (pretendat a)
237 Libratos R
praetemptat uj
Vibratos aui
coeptat Av.
captat aui
defensns — pisds G
242 defensos — pisciB w (defensas a)
249 Implicitos Av.
Indutos uj (InductoB G)
266 Dextera a
Dexter ui
261 Cniqxie Av.
Qniqne aui
266 brancia au)
branchia AI.
276 coeptat Av.
captat aui
277 Dirces ui
Circes AI.
278 captas a
carptas ui
Tethyn (ui)
281 Thetim (a)
288 miratnr a
miretur ui
189 chalcedonio Av.
calcedonio aui (calched. G)
294 plangQ R
pnlsn aui
296 promiscent a
permisceut ui
Qni UI
298 QuiB a
304 syracaBii aw
syracosii AL
307 hebdomade Av.
hebdomas
(312 quadro coi in R [cedro in a]
ebenso AI. ans Conj., denn G hat
qnadra cni in)
314 incesti aui
incerti Drnck£
316 totns R
coms aui
317 afflatamqne auj
afflictamqne ?
323 nendicat R
nindicat aui
324 Villa Drnckf. (Vlla a sollte
illa uj
in illa corrigirt werden)
336 nntantia Av.
nitentia aui
colnmnifl ui
colopis a
345 hie Av.
huc aui
afforet aui
adforet
361 hostia u)
Ostia aG' '
364 est a (pronea est a statt pro-
est fehlt UI
neae ui, Av. hat proneae
corrigirt aber eststehen
lassen)
addneta (adncta a)
adint« ui
368 hostia nnr R
Ostia aui ^
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220
R. Peiper:
359 Belgis au)
Erubris BG
360 allabere E (alabere a)
363 seras Ay.
366 Draconum a
369 festa B
hostia aB
377 TybriB GB (tibria a)
380 Bomae tennere aui
388 qui a
392 oÜB B (ora a)
394 niromm a
407 BritanoB (der Vers fehlt a)
416 Detestatnr aBB
421 angasiae Drackf.
426 tdncti Druckf.
427 tactu B
431 utrinqae Av.
433 hostia aui
434 Chamaues au)
436 amne B
437 uno a
448 tanta a
meri — fli Av.
460 natuB Ay.
461 Saxona Ay.
464 nolntuB aw
466 postponet w
Tagam Ay. (tandem a)
468 AturDUB B
471 taurinthes B
473 hostia B^
483 Gammnae Av.
gelbis G
Ernbras aB
adlabere G
serras w (sarras a)
Drachonnm (drahonum G)
fessa aiu
Ostia ui
Thybria B?
Bomaeque tnere AL
que UI
oci (w)
uiritim ui
BritannoB ui
Detexatnr G
Augostae atu
iuncti aui
tractu aui
utrique aui
Ostia G*
Oamaues
amni aui
nnos UI
quanta ui
mei — se aui
nati aui
Azona aG
uolatus Druckf.
TamS UI
Atorrus bui
taurinae aui
Ostia auj
Gamiinae (ui)
Man sieht, die Verwandtschaft mit dem Bhenaugien sis tritt klar
hervor, und mit ihr stimmt der andre umstand, dass Avantius für die
Caesares, die im Bhenaugiensis , und also vermuthlich auch seinen
Verwandten fehlen, in seiner Hds. keine Hülfe gefunden hat, sondern
nur den Text des Ugoletus mit einigen Besserungen wiedergibt. Folgen-
des sind die sämmtlichen Abweichungen in den Tetrastichen, sammt
den Orthographicis und Druckfehlem:
a Aid.
II 4 Bcaena
saeua
m 1 nectus
nactuB
IV 2 Bcaeuo Bcaeuior
saeuo aaeuior
4 polutum
poUutum
V 2 speciem
VI 4 et
apecimen
quae (Conjectur)
IX 1 digna
digne
2 tibi
sibi
4 alt
adit
non fehlt
non
X 1 comoduB
commodus
famam
XI 4 nos
non
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Die handflchrifbl. üeberliefermig des AnBonius. 221
a Aid.
XII 3 qua
qaia
XIV 1 Agreditur
aggreditor
4 &tare
fBiteare
XY HabrianuB
Adrianns
3 hinc cai iunctus erit
hie Bociatqae nimm
XVm 1 harenae
arenae
2 beUa
bello Druckf.
\ \l 1 e geHdo
egelido
2 parricidae
paricidae
3 CBxngo
XXin 2 anctorem
origo
authorem
3 qnereUis
quereÜB
XXTV AlagabaluB
HeliogabaluB
Tunc
Tu ne
Bei Xni — XV 111 hatte ügolet nur seinen Laurentianus zum
Führer genommen, und die früheren Ausgaben, die wenigstens diese
Tetrasticha bewahrten, vernachlässigt; Avantius hat auch aus ihnen
nur für XV 3 einen unbedeutenden Gewinn gezogen. Diese Stelle
zeigt aber zugleich, dass er auf dies Hülfsmittel beschränkt war und
die übrigen richtigen Aenderungen glückliche Coigecturen sind.
Dass Avantius den Bhenaugiensis selbst, bez. eine aus ihm ge-
nommene Abschrift gehabt hat, ist mir nicht erweislich ; wir werden
an einzelnen Stellen also Avantius* Ausgabe zur Controle dieser Hds.
nicht verschmähen dürfen.
3. Codex Ticinensis.
Auch für die weiteren Zugaben in Ugolets und Avantius* Aus-
gaben bedaure ich den Leser nicht in die Bibliothek von Bobio führen
zu können. Die von ügolet benutzte Hds. des Tristan Chalcus —
die im Original mit eigenen Augen gesehen zu haben, weder Ügolet,
noch selbst Chalcus, wie ich glaube, sich rühmen darf — ist uns er-
halten im Parisinus 8500 s. XIV foL; diese werthvolle Hds.
bietet allerdings viel mehr als Ludus und Catalogus, die Ügolet allein
allein nennt; ja sie enthält auch die Periochae, die Ügolet nach der
gerühmten Hds. des Antonio Bemieri mittheilte. Ihr Inhalt mag
hier vollständig verzeichnet werden.
Auf £ 1' ist Signatur: CLXX und 170/4740. Zwei, wie ich
meine, den Miniaturen gleichzeitige Wappenschilder befinden sich
unten auf dieser Seite in Miniatur, das eine, links, einen sich nach
rechts erhebenden Adler in blauem Felde darstellend, das andere,
rechts zweigetheilt, links blau, rechts golden, einen sich am Halse
krauenden, nach der linken Seite zu gewendeten Hund unter einem
Baume, von dem im goldenen Felde ein Vogelkäfig herabhängt.^)
^) Herr A. v. Beumont hatte die Freundlichkeit auf eine Anfrage
betr. cueser Wappen mir FolgendeB zu erwidern: 'Das Quartier mit dem
Adler würde an EstenBische Beziehungen denken lassen, aber der Esten-
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222 E. Pdper:
f. 1' De yita et gestis Fabii Fulgentii Planciadis.
f. 3^ Mjthologiarom Fabii Fulgentii Planciadis.
f. 14' Ausonii Ludus.
f. 16*^ Periochae ohne üeberschrift und Explicit. Eine HinweiBung
auf AusoniuB fehlt durchaus,
f. 20^ Viro illustri Ausonio Paulinus. Quarta reddit — Paulini ep, 1\
Quum abdicatas — - - ]?.
£ 21' - - - - Continuata mea — - - EL*.
f. 21^ - - - - Ego te per omne — - - ^^
- Defore me patriis — - - P.
f. 22^ Epistola D. M. Ausonii ad Paulinum. E'ca. (d. h. Rubrica).
Proxima que — Ep. XXTTT 416.
f. 23' Alia ep. eiusdem ad eundem. Discatimus — Ep. XXIY 417.
f. 23^ Inoipit alia eiusd. ad eundem. Quarta tibi — Ep. XXY 118.
f. 24' Ep. Sjmmachi ad Aus. Yerum mihi gaudium — Symm. ep.
Vn ed. Bip. 341.
f. 24^ Ausonius Symmacho. Modo intelligo — Ep. Xvil 407.
Symmachus Ausonio. Etsi plerumque — Sjmm. ep. VI
ed. Bip. p. 340.
f. 25' Ep. Theodosi Augusti. Amor mens. ed. Bip. p. 335.
Aus. ad Theod. Agricolam si flava — n. 469.
Aus. ad Symm. Latebat inter nugas — Id. XI praef. 335.
f. 25^ Gripus temarii numeri. Id. XI 336.
f. 26' Eiusd. TTpocoTTOTTOicia in chartam. Si tineas — epigr. 34.
Ep. ad esperium fiL Libellum quem — Id. lY praef. 321.
TTpOTpeTTTiKOC ad Aus. nep. Sunt etiam musis — Id. IV 322.
f. 26^ Genethliacon. Carmina prima — Id. V 323.
Egloga de ambig. vitae. Quod vitae — Id. XV 362.
f. 27' Prudentii de natura animg. Decurrit dubitans — [Apotheosis
V. 782 ff.],
f. 28' Versus pascales Ausonii. Id. I 317.
Prudentii de fide. Est tria summa deus [Apotheosis v. 1 ff.],
f. 29' Ausonii Cathalogus urbium.
f. 30' Cassiodorii libri seculariimi litterarum.
f. 43^ Ysidorus libro ethimoL quarto capitulo Xni de medicina — •
f. 44 Boetii de scolastica disciplina.
f. 50' De decem sibillis. Sibille generaliter dicuntur — .
f. 50^ De sibilla erithea R'ca. (darin die Verse: ludicii Signum — ),
f. 51^ Liber Erithee Sybille. De troianorum et ceterorum prin-
cipium euentus B'ca. Bequiris a me o illustrissima turba —
f. 54^ Aristo telis de pomo.
sische Adler, weiss im blauen Felde, wendet den Kopf rechts, und w&re
es ein verliehenes Emblem, so würde es nicht unten stehn. Die übrigen
Wappenfignren sind mir völlig neu, kommen mir auch so modern vor,
dass ich sie dem 14. Jahrh. nicht zutrauen würde . . . Die Bomagnolen
namentlich haben freilich manche sonderbare Wappen . . .'.
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Die handschrifü. Ueberliefenmg des Ausomus. 223
£57 Ovidii Metam. libri primi narrationes.
£ 76' Vita Prndentii. Carmen de vitiis et virtutibus. Per quin-
quennia iam decem — Excuciensque piis de mentibus vicia
cnncta. pPrudentii praeüeitio.]
£ 83' Alberici poetarins, mit dem 105' die Handschrift endet.
Schrift (eckige Cursiv), Inhalt, Ausstattung mit Miniaturen (die
leider der Verleihung der Hds. nach auswärts hinderlich sind) weisen
aufs 14. Jahrhundert und Italien. Für die frühestens s. Xu ex.
verfasste pseudo-boetianische Schrift de disciplina scolastica ist sie
eine der filteren Hdss.^) Dass das Werk in Italien bekannt war
im 14. Jahrhundert, zeigen Citate bei Coludus u. A. Das Werk
über die SibjUen ist wohl das des Abts Joachim Floris, der 1201
starb.«^
Die Hds. tritt trotz der Fehler, die der^ der merovingischen
Minuskel unkundige Abschreiber verschuldet hat, wegen des hohen
Alters ihrer Vorlage würdig dem Vossianus zur Seite. Man be-
trachte die üeberschrift des epigr. 34 und des Pythagoricum (idjlL
XV), den Anhang zu letzterem, die homerischen Verse, die im Original
jeder Periocha vorgesetzt sind«
Wenn wir von dem, was diese Hds. an Ausonianis bietet, ab-
ziehen, was schon aus Z durch die ed. princeps mitgetheilt worden
ist (Griphus, epigr. 34, Protrepticus, Versus pasoales), femer was
durch ügolet aus Chalcus und Bemieris Hdss. ne^ publicirt wurde
— das erste, zweite und letzte Stück dieser Sammlung ^) — , so ent-
spricht der rückständige Best genau dem, was Avantius in seiner
Ausgabe von 1507 Neues gab: ügoletus und Avantius theilen sich
also in den Gewinn, den diese Hds. bot. ügoletus selbst kann sie
nicht in Hfinden gehabt haben, denn in diesem Falle würde er ftir
die Periochae nicht eine andere Hds. anfahren und gewiss dem
Avantius nicht eine so reiche Nachlese übrig gelassen haben; er hat
von ihr nur die Stücke gegeben, welche Calchus ihm mitgetheilt.
Avantius kann die Hds. selbst in Hfinden gehabt haben, er hätte
sie dann, wie in anderen Ffillen^), für die schon publicirtnn Stücke
bei Seite geschoben und nur das von seinen Vorgängen noch nicht
Mitgetheilte abgedruckt Wahrscheinlicher jedoch ist, dass er an
ihrer statt eine vollständige, von der des Chalcus verschiedene Ab-
schrift gehabt hat, aber gewiss nicht dieselbe, welche heute im
**) Obwohl durchaus nicht alle sonstigen Hdss. davon ins 15. Jahrh.
gehören, wie Obbaiius in den Prolegg. zur Consolatio XIX will, selbst
eine schlesiache Hds. (Breslau, Eöm^. BibL I F 185) ist v. J. 1372. —
^ FabriciuB IV p. 39—41 M. Eine Hds. dieser und späterer Prophetien
(as. B. des Johannes Viennensis aus d. J. 1274) ist der Rehdigeranus S.
IV. 4 p. 3, jetzt n. 280. — •^ Denn ep. XXV giebt Ügoletus aus einer
andern Quelle. — •*) Z. B. bei ep. XXV, die von Ugolet zuerst, aber
nicht nadi dem Parisinus-Texte, sondern einer unbekaDnten Quelle, wie
später dargethan wird, veröffentlicht worden ist.
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224 R. Peiper:
British Museum als Harlejanns 2613 [chart in 4^^^) jsich befindet
eine Hds., die uns die Art, wie man damals abschrieb, recht klar
vor Augen führt, denn er gibt Paulini ep. I® in dem vollen Um-
fange des Parisinus ohne 167 — 284 wegzulassen — es müssten
denn zwei Blätter in der englischen Hds. verloren gegangen sein.
Tristan Chalcus kennt wenigstens den Ursprung der Hds. In seinem
vaterländischen Geschichte werke (Historia patria 1. II ad a. 379 ^^) er-
zählt er: Nos uetusto codice, ex Ticiuensi Yicecomitum Biblio-
theca prolato, redintegrauimus et ubi quinque tantum imperfecta habe-
bantur, nos decem et octo absoluta Urbium Epigrammata edidimus
(nämlich in Ugolet's Ausgabe), inter quae septimo loco est celebre illud
Et Mediolani mira omnia, copia rerum u. s. w.
(es folgt das ganze auf Mediolanimi bezügliche Stück).
Jene von Gian Galeazzo Visconti i. J. 1402 gegründete Samm-
lung hatte nur kurzen Bestand.^^) In dem Jahre als Ugolets Aus-
gabe erschien oder im folgenden, wurde sie durch die Franzosen nach
Blois gebracht. Wenn in dem Verzeichniss der Bibliothek Franz I.
in Blois ^^) unsere Hds. sich nicht findet, dürfte man vermuthen sie
sei ihrer Miniaturen wegen vor dem Baub in Sicherheit gebracht
und in Italien noch länger geblieben, doch ist es immerhin frag-
lich, ob jener Katalog vollständig ist Der cod. Paris, lat. 11,400
'') Der Harlejanns enthält die Stücke in anderer Ordnung: f. 1^ Epigr. 34
f. 2' ueraus pascales f. 2^ ep. XXIII f. 3^ ep XXIV f. 6 Paubni I*
f. 6^ Paulini P f. 8—9^ Paulini II*»» f. 9^ Paulini 1° f. 11—16^ Ludus
f. 16^ Symmachi ep. VII, Ausonii ep. XVII, Symmachi ep. VI f. 18^ Theo-
dosius Ausonio, Ausonius Theodosio f. 19^ Periochae f. 33 Griphus
nebst Vorrede, f. 36 Nochmals Epigr. 34 — hier an derselben Stelle
wie im Original — f. 36^ Protrepticus nebst Vorrede. Vor v. 14 steht
nochmals der Titel des Epigr. 34. f. 39 Genethliacon f. 39^ I^hago-
ricum de ambiKuitate vitae f. 41—44^ Catalog^s nrbium. Er läset
ganz weg ep. !^V, von ep. XXIV die Verse 123—132, von Paulini ep.
ic die Verse 167—284; er verändert der Sitte der Zeit gemäss wiUkühr-
lich Titel und Unterschriften durch Verkürzung (wie beim Pythagoricum,
wo er iuzta — uiam weglässt) oder erweiternde Zusätze und macht sich die
Lesarten des Originals zurecht, manchmal recht unglücklich, wie im
Schlussvers des Ludus Meditamini^ häufig aber nicht ohne Geschick.
Dem Ugolet hat diese Abschrift für Ludus nicht vorgelegen , denn er
fügt in der Ueberschrift proconsulem, wie Paris, hat, bei, was im Hsflej.
fehlt; er liest v. 1 des Ludius scripsisse fama, wo Harlej. richtig scripse
(statt Paris, scribis et) giebt. Auch Titel und Explicit des Catalogus
zeigt näheren Anschluss an 'Parisinus als Harlejanns. Dasselbe Besultat
ergiebt sich für die Periochae aus meinen allerdings nicht umfangreichen
Mittheilungen aus dem Harlejanns. — ^^ Ich kann nur nach Uraeuius
Thes. antiq. Italiae II p. 139 citiren, der doch wohl den Text des Chalcns
unverändent giebt, wenn er gleich v. 6 die Variante labro aus Vinetus
beifügt. Ist dem so, so citirt Chalcus die Verse nach dem Enstorgianus,
nicht nach dem Ticinensis, und darüber darf man sich nicht wundem.
Bei Argelati I p. CCCXXIII findet sich v. 1 En Mediolani gedruckt. —
") Blume Iter I 191, vgL I 49, IV 161. — ^*) H. Michelant, Catalogne
de la biblioth^que de Fran9ois I. ä Blois en 1518. Paris, A. Franck-
Vieweg, 1863.
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Die bandschriflil. üeberliefenmg des Aasomns. 225
enthält „catalogae de la bibliothdque du cb&teau de Payie" 1459
bis 1469; vermuthlicli hat L. Delisle in seinem, mir der Zeit nicht
zugänglichen Werke: Le Cabinet des manuscripts de la bibL imperiale
t. I Paris 1868, denselben abdrucken lassen. Ebenso ist mir nicht
zur Hand das Buch des Marquis Girolamo d'Adda: Indagini storiche
artistiche e bibliografiche sulla librerio Visconteo-Sforzesca del castello
di Pavia. Milano 1875, 8^. Es dürfte in diesen Schriften über
unsere Hds. Näheres mitgetheilt sein.
Möglich, dass die Hds. nicht blos für Ausonius benutzt wurde.
Der Mailänder Priester Hieronymus Passiranus von Asula, ein Mann
dessen Verdiensten die Nachwelt zu wenig Beachtung geschenkt hat
(Baptista Pius bezeichnet ihn rühmend als Bonorum mare), erhielt,
wie man bei Argelati liest ^^), für eine Eeihe noch nicht heraus-
gegebener Schriftsteller ein fünfjähriges Privilegium vom Herzog
Ludovicus Maria Sforza. Unter diesen Werken befanden sich des
Fulgentius Enarrationes allegoricae fabularum, die nebst einem
Commentar von Joh. Baptista Pius ein Jahr vor ügolet's Ausonius
(1498) bei dem Drucker des Ausonius von Merula-Perrarius von
1490 und 1497, üldericus Scinzenzeler in Mailand, die Presse ver-
liessen.'*) Der Fundort der zu Grunde gelegten Hds. wird nicht
angegeben. Denen , welchen dieser Fulgentiusdruck zur Hand ist,
bin ich durch Bursian's Güte in den Stand gesetzt einige charakte-
ristische Lesarten der Pariser Hds., die zur Prüfung der Identität
dienen können, mitzutheilen. Dieselbe liest im ersten Buch der
Mjthologica:
p. 595,2 Stav. causa cessat equitatis.
p. 602,1 „ mundo tenebrescenti respersum universos
mentibus pavores abstersii
p. 602,2 „ incessus quos belli corrogaverat interdictum.
p. 643,2 (I c 14) die angebliche Stelle aus dem Diphilus des
Epicharmos lautet hier folgendermassen :
aU33l€. jAUVHa. yauDHTisaptiHNi.
Ich fürchte nur, auch für die Fulgentius- Ausgabe wird, wie in
der Copie der Ausoniana, der Abschreiber die Graeca des Parisinus
weggelassen haben. Falls diese Stellen üebereinstimmung zeigten,
würden wir Passiranus für den Entdecker der Hds. halten dürfen, der
bez. des Ausonius Anderen Mittheilung machte, sei es dem Calchus
(denn aus den Worten codice prolato . • redintegravimus ist noch
nicht zu schliessen, dass dieser der Finder war), oder wie man eher
»«) Saxius bei Argelati I p. CCCCXVI f., femer DCUI f. DCVn und
DCVHI. — '*) Saxius a. o. Bmnet 11 340. Muncker setzt diese Ausgabe
iirthfimlich ins Jahr 1487. Die übrigen Schriftsteller waren Sidonius
und Apicius, die beide gleichfalls 1498 erschienen, Yarro de lingua latina
und Festus, deren Heraasgabe erst 1500 erfolgte.
Jahrb. £. oUm. Pfailpl. SappL Bd. XL 16
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226 E. Peiper:
vermnthen darf dem Georg Menüa: über das Yerh<niss dieser
Beiden werden wir weiterhin zu sprechen haben.
Wie der rechtskundige Bemieri zu seinen Periochae gelangt
war ist schwerlich zu ermitteln, aber bezweifeln darf man, dass er
nur die Periochae in Abschrift besessen.^^)
m.
Die Herkunft der Epigramme des Nursius und ügoletus.
Weder Avantius noch ügoletus haben sich uns bisher in ihren
Ausgaben als falsarii gezeigt. Waren dieselben voll von Nachlässig-
keiten, so kommt doch sehr viel davon, wenn nicht das Meiste, auf
das Haupt der impressores, über welche ja in jener Zeit schwere
und gerechte Klage geführt wird. Man vergleiche nur, wie scharf
Politianus über die mangelhafte Beschaffenheit der Manuscripte, die
Willktthr, Nachlässigkeit und Thorheit der Setzer in einem Briefe
an Merula (Epp. XI 6) sich äussert Fem aber sei es, die Heraus-
geber ganz frei sprechen zu wollen; grade die noch nicht behandel-
ten Erweiterungen, die sie des Ausonius Werken zugeführt haben,
berechtigen uns zur Elage über das sorglose Verfahren dieser Ge-
lehrten.
Es handelt sich um die 18 Epigramme^ die von Bartholomäus
Merula i. J. 1496 dem Drucker Tacuinus für die von H. Avantius
zu besorgende Ausgabe versprochen und mitgetheilt worden waren.
Sie wären nach Merulas Versicherung superioribus annis in Mailand
aufgefunden worden von dem damals in Venedig lebenden, ehemaligen
Oeheimsecretär der Königin Katharina Comaro, Franciscus Nur-
cisius aus Verona'*^, Dichter in der Vulgärsprache. Ausser
dem, was Maffei in Verona illustrata n (1731) s. 260 f. über diesen
Mann sagt^^, der bei ihm Nursio heisst, kenne ich nur die dürftige
^^) loh finde einen ^Antonio Bemieri pur da Correggio in eta
giovaxule h miniatore di clara fama' von Tiraboschi genannt, in der
neunbändigen Venetianischen Ausgabe 1795, Bd. VII 1565, nach Ortensio
Land! Cataloghi p. 498, und in Naglers Eünstlerlexicon (geb. 1516, aus
edler Familie, kam nach Verona); cBese Notiz kann von Bedeutung sein
für die Erforschung der Schicksale unserer Handschrift — ^*) Foeta
noster, Veronensis tuus. — ^^) Da das Buch nicht überall zuff&nglich,
gebe ich Maffcis Bericht: Trancisco Nursio Tanno 1472 essendo f anni
dieciotto, e trovandosi in Bavenna, mando ad Aurelio Schioppi nobile
Veronese un Poemetto in terza rima ... ^ in teste a penna presso ü
Sig. Conte Emilio Emilj Cavalier di Malta. Lesai gia parimente presso
il Sig. Magüabecchi in codice pleno di Poesie volgari del Tibaldeo, del
Pico Mirandolano, e d'alln: Francisci Nuraii Timidei Veronensis Begii
Secretarii carmen austemm in innere Simonett§ Vespucci^ Florentine
ad iUustrissimum Alfonsum Calabriae ducem. . . . Eranvi ancora altn
componimenti e un dialogo bnrlesco in terza rima con molte parole
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Die handschxiftl. üeberlieferoDg des Ansomns. 227
Notiz, die der Asolaner Colbortaldi in seiner Biographie der Caterina
znm Jahre 1489 bewahrt: ^(Caterina) Essa condusse seco per suo
rettore Nicola Priuli — per secretario Francesco Amedeo detto per
sopranome il Kurzio (sic)^ eccelenta poeta e non mediocre filosofo,
GioYanni Sigismondo, Alemani, per suo medico.'^^)
Hit dem Hause der Comaro stand auch Bartholomäus Morula
[aus Mantua]^^) in enger Beziehung, als Lehrer zweier Neffen der
Kdnigin, der Söhne eines Venediger Senators, denen er 1497 und
1499, wo der eine schon Cardinal und Patriarch von Constantinopel
war, vier seiner Ovid-Commentare widmete« Zu diesen Hause hatten
auch Tacuinus und H. Avantius Beziehungen, wie die Dedication des
Ausonius 1496, des Lactantius 1502, an jenen Cardinal gerichtet,
bezeugt.
Der Stand der beiden Männer schliesst eine beabsichtigte
Täuschung aus. Wunderbar aber, dass von beiden Gedichtreihen,
der des Nursius von 18, der des ügoletus von 16 Epigranmien jede
weitere handschriftliche Nachricht yerschollen ist Denn .Bandinis
Angabe HI 804 ff., nach der in einem Laurentianus chart. s. XV
anter vielen Schriften des Phüephus die vier ^Tetrasticha' 119, 118,
42, 23 — also eins der Nursius-Beihe (n. 118) — sich finden, erweist
sich sofort als Irrthum dadurch, dass n. 118 nicht 4, sondern 18
Verse enthält; es kann nur 18 oder 120 gemeint zu sein.
Wenn nun Ügoletus die Gedichte, wie wir sie bei Avantius
finden, in unveränderter Beihe in calce hätte abdrucken lassen, würde
man einfach an eine Nachlässigkeit bei Vertauschung der Vornamen
Bartholomäus und Georgius denken dürfen, zu der die Erinnerung,
dass Georg Morula schon in der ed. Ferrarii 1490 seinen Beitrag
geliefert, Veranlassung gewesen sein konnte, neben der bei weitem
den Bartholomäus überragenden Bedeutung des Mannes. Dieser ist
es ja wohl auch zuzuschreiben, dass immer und immer Georg Morula
als Herausgeber selbst der ersten Ausgabe des Avantius bezeichnet,
des Bartholomäus Name beim Ausonius ganz in Vergessenheit ge-
Veroneai. Matteo Bobso [über ihn s. Fabiicius bibL med. et inf. lat.
I 264 M.J in epidtola (1. 3 ep. 69) : enumerandos enim iure Nursius mihi
uidetur m suauitates humanas, et quas parit m terris natura dolicias.
Gerolamo Avanzo in lettera, ch* h con le sue Emendasdoni, lo chiama
Fe nie 6 Veronese. L^Azion Pantea d^altr* opera sua fa cenno:
Nursius et plorans Daphneia fnnera rythmo
Bübileo alludens.
Gioan. Tacuino nella dedica di Lattanäo al Cardinal Comaro nel 1608, cosl
gli dice: Nursius ille Veronensis poeta elegantiesimus, qui clarus virtute
mnliivaga et mores hominum mmtorum novit et urbes, in aedibus iam
diu consenuit'. — ") Angefahrt von Mas-Latrie Eist, de Chypre III 447.
Heim Archivar E. Herquet in Aurich verdanke ich den Nachweis dieser
von ihm, in seinem Buche Charlotte von Lusiffnan und Caterina Comaro',
Begensburg 1870, s. 220, benutzten Stelle. — ^") üeber in siehe ausser an-
deren Fabndus Y p. 70 M.
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228 B. Peiper:
kommen ist®*^); obwohl in der That nur was bei der Ausgabe von
1490 von Georg bemerkt wird und ein kleiner Antheil der ügoletiana
auf seinen Namen kommt. ^^) Aber die ümordnung der Nursius-
Epigramme, die Vermengung mit den neuen, die Einordnung einzel-
ner aus beiden Reihen in den alten Bestand — das könnte die An-
nahme nahe zu legen scheinen, dass Ugoletus einer anderen Quelle
gefolgt ist.
Wenn wir sehen, wie Ugoletus, ohne der handschriftlichen Ord-
nung zu achten, die Stücke 108, 109 — 114, die in Z von den Epi-
grammen getrennt stehen, ans Ende des Über epigrammatum setzt,
wie er die drei Fastengedichte aus letzterem entfernt und vor die
Caesares bringt, wie er ftlr ep. XXV (418) und die Mosella eine,
dem Inhalt mehr entsprechende Stellung zu finden weiss, so müssen
wir an sein Bestreben, Ordnung in das Chaos zu bringen, glauben,
und auf dies Streben werden wir dann berechtigt sein die Einordnung
der Bucula-epigramme 61 — 63 unter die gleichartigen des alten
Stammes, die Verbindung von 86 (Daphne und Niobe) mit 84 (Sal-
tator), des Epit. 29 (Niobe 246) mit einer überlieferten Reihe von
Epitaphien (250, 248, 54, 245), zunächst mit dem gleichfalls auf
Niobe bezüglichen Ep. 28 (245), zurückzufahren.
Es ist aber etwas anderes die Ordnung erleichtem und neuen
Funden einen angemessenen Platz geben, als eine durchaus fach-
gemässe Ordnung für eine überlieferte Sammlung so verschieden-
artiger Gedichte herzustellen, ein Unternehmen von dem schon Pietät
abhalten konnte.
Solche Pietät kann es aber nicht gewesen sein, wenn er im
Anhang die Gedichte gibt quae feruntur ex Georgii Alezandrini
bibliotheca manasse. Denn indem Ugolet die Epigramme 108 — 114
ans Ende transponirt, hat er dort gleichfalls zwischen 103 und 108
einen Einschub von mehreren neuen Gedichten (darunter nur eins
der Merula-Reihe, 106) versucht (104, 105, 106, 251, 107): wer
Verwandtschaft dieser Gedichte in Inhalt oder Form erwartet, wird
enttäuscht; es wird durch den Einschub eher eine Reihe, fOr die sich
allenfalls noch ein Zusammenhang finden Hesse, unterbrochen. Wir
müssten nun weiter den ganzen Rest der Merula-Epigramme in der
alten Ordnung und dahinter die neuen Funde Ugolets erwai*ten, aber
alles das ist wie die Blätter in der cumaeischen Grotte durch den
Luftstoss durcheinandergewirbelt, wie der Zufall es wollte. Mag
nun die Lust zu ordnen bei Ugolet eine vorübergehende Laune ge-
wesen, oder mag er von der vollen Durchführung seines Wunsches
^^) Siehe die durchaus falschen Angaben in dem Index editionum
der Bipontina zur Ausgabe von 1496, an denen z. Th. wohl schon Sazius
bei Argelati I p. CGI and DCU die Schuld trägt — *^) Kur mit diesen
Beschränkungen darf also die Auffährnng einer AasoniuB-Ansffabe unter
. Georg Merulas Schrifben bei Fabricius, bei Boscoe Lorenz v. Medici, übers.
cv. Sprengel 1797 p. 818 Anm., und anderen fär zulässig gelten.
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Die bandschriftl. üeb^rlieferung des Ausoniiifl. 229
abgehalten worden sein, offenbar ist mit der Scheere gearbeitet
worden, und der nicht genügend instmirte Setzer, der dem Heraus-
geber in damaliger Zeit viel mehr noch als ^heutigen Tags überliess
imd überlassen mnsste, ist nach Gutdünken yer&hren; so sind 140
und 145 (ex Menandro), so die beiden Fortuna-Gedichte 143 und 22
auseinandergerissen; selbst die Aenderung der üeberschriffcen mag
nicht der Herausgeber, sondern ein Anderer verschuldet haben; letz-
tere selbst werden aber wieder den Beweis liefern dürfen, dass
ügolet völlig auf Morula fusste (s. unsere weiteren Bemerkungen
zu 106, 142, 145).
üeber die Herkunft dieser beiden Gedichtreihen werden die
folgenden Auseinandersetzungen genügenden Aufschluss geben.
Ausonius hat eine Anzahl seiner Epigramme den Griechen ent-
lehnt, die Vorbilder sind uns grossentheils in der Anthologie er-
halten und auf ihre Nachweisung hat zuerst Accursius Bedacht ge-
nommen. Aus der Vossianusreihe sind folgende mit Sicherheit als
Nachbildungen der daneben genannten griechischen Gedichte er-
mittelt:
23 *ex graeco' versichern die Wolfenbüttler Hdss. und ed. pr. *« Anth.
IX 44, vgl. 45 Statjllii oder Ratonis; dem letzteren gibt es
auch Diogenes Laertius m 33, 184.
45 — 48, 51, 52 beruhen sttmmtlich auf einem oder mehreren griech.
Epigrammen, als mehr oder weniger freie Nachbildungen; engerer
Anschluss ist sichtbar bei Epigr. 46 -» XYI 318 (Planud.)
äbTlXov; 51 e» XI 145 u. 151 fibriXov; 47 und 52 sind auch
nur Variationen, vgL dazu noch XI 149.
72 — IX 159 db^CTTOTOV. Vgl. Huschke, Anal. 140 ff., der den
Schlussvers richtig auf Ovid Fast. V 41 zurückfahrt.®*)
84 SB XI 254 AouKiXXiou. Dübners Tadel ^Graeco poeta longe in-
ferior' trifft die unechten Verse 3 — 6.
Aus den durch die ed. princeps bekannten sind es folgende:
11 verdankt sicher einem griechischen Gedichte die Anregung; aber
eine bestimmte Quelle, etwa XVI 153 oder 155 (Planud.) zu
nennen ist unthunlich.
12 = XVI 276 (Planud.) TToc€ibi7nrou.®')
13 = V 21 VgL V 12, beide Tou9(vou(?). Vgl. Horat C. IV 10.
14 = IX 18 rccfiaviKoO oder 'AbpiavoO? (nicht IX 17 oder IX 370),
VgL Plin. n. h. Yill 81 leporem omnium praedae nascentem.
21 — XVI 263 (Planud.) fibriXov *Ez graeco traductum' ed. pr.
*^ In T. 7 giebt certos keinen Sinn, man musB incertos schreiben:
Vezigpl A. n 224: fhgit com saucius aram Taurus et incerUm ezcussit
cenuce securim. — **) Zu v. 7 vgL Phaedrus 6, 8 cuisu sie uolucri pen-
dens in nonacula caluus etc. Die Quelle der Carmina burana (LXXVII
1, 8 fortona fronte capiUata sed plenunque aequitar ocoasio caluata.
XVII 7, 10 haec occasio calna) ist nicht Phaednu, sondern Catonis dist.
n 26, 2 fronte capiUata, post est occasio calua.
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230 R. Peiper:
Vgl. 0. Benndorf de Anth. gr. epigr. qnae ad artes speotani.
Diss. Bonn. 1862 d. 32 adn«
24 «" Vn 229 AiocKopiöou »» Plntarchi Apophtkegm. laoonica 48.
32 = IX 671 V. 7 u. 8 äbr\koy (nicht IX 506 oder IX 66).
39 = Xn 200 CrpdTUJVOC (nicht V 42). Ueber die Parallelen s.
Boissonade zu Xu 200; Bnrmann Aiith. lat m 225. Den An-
fang hat Ausonius aus Martialis IX 32.
42 — XVI 174 (Planud.) db^cmoTov.
50 — IX 489 TJaK\ab&(?).
55 — VI 1 TTXdTCDVOC
57 — XVI 160 V. 5 n. 6 (Planud.) TTXdtujvoC (vgl. XVI 162
fiÖTiXov). Vgl. Benndorf a. o. s. 23.
58 Bi IX 713 und 726. äöriXa. Der Anfang des Ausonianiun weist
auf das erste, y. 2 auf das zweite Epigramm; aber YÖllig
sicher ist die Quelle nicht.
73 — XI 114 NiKdpxou (nicht XI 257).
74 = XI 113 NiKdpxou.
79 u. 80 «• V 68 AouKiXXioD ol bk TToXd|iU)voc toö TTovtikoO, dann
V 88 *Pouq)ivoü(?). 80 ist nur Doublette von 79, wie das
griechische V 88 nur eine Nachahmung von V 68. Aber jedem
der beiden Ausoniana liegen beide Oraeca zu Grunde (80, 1:
restringe «» 68 TrepiTpatiiov; 80, 2: transire iube «» 88 |i€Td6€C;
79, 1 : quod amare uocant »> 68 tö q)iX€iv; 79, 1 : solue — misce
"» 68 Xuojc — K€pdci]c). Dann kann freilich V 88 nicht von
Bufinus sein, oder dessen Zeit muss früher als gewöhnlich ge-
schieht, angesetzt werden. Denn dass ein Dichter der Antho*
logie Ausoniana in die griechische Sprache übertragen habe,
wird bei den Epigrammen*) so wenig wie bei den Epitaphien
(gelegentlich deren eine derartige, gegen Canter sich richtende
Muthmassung des Stephanus Schneidewin eurückgewiesen hat
in Philol. I S. 24) angenommen werden dürfen.
*Ez graeco' überschreiben beide Gedichte die Wolfenbüttler
Hdss., vom ersten sagt es auch die ed. pr., die eine üeberschrift
des zweiten nicht giebt.
93 — XI 163 AouKiXXiou (nicht XI 161).
94 _ V 158 'AcKXiimdbou.
100 B» ? IX 783 dön^ov. Mag fraglich scheinen, jedenfalls li^
Ovid. M. IV 384 mit zu Grunde.
119 «= XI 225 Cipdruivoc.
Epii 28 (245) = XVI 129 (Planud.). Vielleicht ist auch dies aus
Anhängen zum Peplos genommen, vgL unten S. 235 L
Noch manches andre Ausonianum mag sich auf ein griechisches
*) VinetuB zu Epigr. 86 bez. des Palladus: ^uare qui Ansonium
Gneoormn semper interpretem faisse ezistimant, mdeant quam tato id
credere possint Siehe desselben Vermuthung eu Epigr. 60 und Epit
29 (246).
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Die handschrifü. üeberlieferung des Ausonius. 231
Epigramm, das wir hent nicht mehr besitzen, gründen. So das oben
zn 13 genannte Epigr. 19, welohes doch nimmer auf Attusia Sabina,
die erst 28 Jahr alt starb, bezogen werden kann, oder sollte dies
dnrch Anth. V 103 (Toucpivou) veranlasst sein? Es liegen aber
bestimmtere Hinweise auf verlorene griechische Quellen vor in den
Epigrammen 81 — 83. Zu 81 giebt ed. pr. als Titel: Ex graeco
traductum ad cupidinem, die Wolfenbüttler Hdss.: ex greoo, Tilianus
ISsst ihn ganz weg, der Vossianus:
ex greco apAhc to iHHia Ti aatoc
d. h.: dpx^ (b)^ TOI f^jLiicu iravTÖc
ein aus Plato (Legg. YI 753 E) Lucian (Somn.' § 3; in Hermotim. § 3),
Demetrius (iT€p\ £p|Li § 122) u. a. bekanntes, von den Paroemiographi
(Diogenianus 11 97 bei Leutsch imd Schneide win Bd. I 213) nicht
übersehenes Hemistichium, das auf Hesiod (€. k. H. v. 40) zurückgeht.
Die üeberschrifk von 82 lautet im Vossianus:
ex greco AxApic Aauncyc azApic xapic
und so gibt, wenn wir von Wortverbindung und Acoent absehen,
auch die ed. pr.:
d x<ipic (d ßp)aWTT0uc fix^pic X^ipw^
(In den Wolfenbüttler Hdss. fehlt das Epigramm, im Tilianus der
Titel)
Dieselbe Quelle liegt offenbar dem Epigramm der Anthol. X 30
zu Grunde, im Palatinus als dbiiXov bezeichnet, von Planudes auf
Lucian zurückgeführt:
u)K€iai xÄpixec T^wKepifttepar fjv bk ßpabuvg,
TTÖca x^pic K€V€f| \xr\bk X^toito x<ipic.
Man vergleiche den Gegensatz in X 37:
f| ßpabÜTTOuc ßouX#| |li€t' d^€iva)v f| bk raxeia
aÜv dcpeXKOjLidvTi Tfjv jLiexdvoiav ?X€i.
Mit *Ex eodem' wird in Voss, und ed. pr. auf dieselbe Quelle
für die Doublette Epigr. 83 zurückgewiesen; die in ihrem Ausdruck
übrigens sehr stark an Seneca de benef. 11 1, 2 erinnert: Ingratum
est beneflcium quod diu inter manus dantis haesit etc.
Die griechische Spielerei über Bacchus Epigr. 29, die Vinetus
nebst 30 mit unrecht als Ausonisch anzweifelt, enth< im Ausdruck
Beminiscenzen an die Anthologie, wie natürlich erscheinen muss.
Zu V. 2:
BoKXoc iv\ Zujotciv, ^vi (pOi^^voiciv 'Abiwveüc
▼gL das oben angeführte, allgemein im Alterthume bekannte Epi-
gramm des Plato Anth, Vn 670 (Poetae lyrici graeci ed Bergk, ed.
n p. 493 n. 15):
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232 B. Peiper:
^Acrfip irpiv jLifev ?Xa|LiTr€C ivx üuioTciv *Gi|>oc,
v€v bk Oavibv Xd^-rreic "ecirepoc dv q)0i|Lidvoic
oder Plannd. IV 4, 12 v. 6 (Bosch.):
Ka\ 2;u)oic ^co^m xai (pOi^^voici ßapuc.
Mehrfach scheint Lucianus und Plntarchus des Ansomns Quelle
zn sein, der erstere fdr Epigr. 27, welches den Alciden als Urheber
der Cyniker hinstellt. Vgl. Lncian Sympos. s. Lapithae 16: TTpoirivu)
CGI, ii KX€av0\, 'HpaKXdouc dpxTiT^TOu, und weiter: tfek&care^
d Tfji vüjLwpij TrpoÖTnvov tiA toO fmcT^pou 0€oö toO *HpaKXdouc
Zu Epigr. 44 de Philomuso verweist schon Yinetus auf Lucians
Bede Trp6c dTraibcuTov xal TroXXd ßißX(a ibvoiifLievov. Cf. Ady. lud.
6, 19, 29, 18. Plutarchs d7roq)0dTM«Ta haben vielleicht dem Auso-
nius das Oedicht des Dioskorides gewiesen, dem er Epigr. 24 nach-
gebildet hat, sicher das in den Handschriften darauf folgende Epigr.
25 de matre Lacaena (apophth. lac. 15).
Zu einem kleineren Theile liegt offenbar die Anregung in einer
lateinischen Quelle.
5 ist aus Vergil ecl. YII 35 f. entnommen.
17 stammt aus Ael. Spartiani Hadrianus 20, 8 ^iam hoc patri
tuo negaui', vgl. die Ausdrücke canescenti und infecto capite
beim Historiker. Wenngleich Capitalinus im Yerus c. 5
(I 71 Peter) es als ein noüssimum dictum de numero conuiua-
rum bezeichnet: ^Septem conuiuium, nouem uero conuitium', so
werden doch Ausonius Worte in der Ephemeris locus inuitationis
(155) V. 5 die Worte ^sex enim conuiuium cum rege iustum,
si super conuitium est' als direct diesem Schriftsteller ent-
nommen gelten müssen.
20 (Meroe a mero dicta) hat Yinetus richtig auf A pule ius Met. I
c. 7 ff. zurückgeführt.
126 haben, wie derselbe Erklftrer gesehen, ihre Yorbilder in den
Priapea 7 und 67 Bücheier (1622 u. 1688, Meyer).
69 beruht auf Plinius n. h. YH 4, 36. Dass Ausonius dies Werk
lieb gewonnen, wissen wir aus Symmachus (epp. I 24), der
ihm darum einige Bücher davon zusendet.
Aehnliche Quellen lassen sich fdr die Epigramme des Nurcisius
und ügoletus nachweisen.
Aus der Anthologie stammen bei dem erstgenannten:
118 = XYI 151 (Planud. lY 9, 24) dWcTTOTOV.
137 = IX 168 (PI. I 17, 1) TTaXXabcL
132 und 133 = IX 12 A€U)vibou vgl. 11 und 13 (PI. I 4, 2, vgl.
1 und 3), die jedoch nicht als Yorlagen anzusehen sind.
43 — XYI 174 (PI. lY 12, 22) dbdciTOTOV.
106 — XYI 178 (PL lY 12, 26) 'AvTiirdTpou.
22 = IX 45 TTXdrujvoc toO M€TdXou (PL I 84, l).
121 = IX 515 Kpivaröpou (PI ), vgL 516 (und PI. XYI 126
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Die handBchrifbl. üeberliefenmg des Ansonins. 233
und 136 Bosclu), wenn nicht vielmehr Musaeus v. 95 f. (das
Gedicht wurde zuerst 1494 bei Aldus herausgegeben) zu ver-
gleichen ist:
ol bk iraXaioi
xpeTc Xdpirac ipeucovro irecpuK^var elc hi Tic *HpoOc
dq)6aX|Liöc tcXöiüv ^xaTÖv XapiT€CCi xeGriXei.
136 = XI 279 (PL n 10, 2) AouKiXXiou? Einige Hdss. schreiben
das Gedicht nach Stephanus Zeugniss dem Palladas zu, dessen
es würdiger ist nach Dübners Ansicht, die ich bei Vergleichung
von IX 173 TTaXXaba gern theile.
145 = X 26 (PI. 1 12, 6) AouKiavoO. Parallelen (wie Isocrates ad
Demon. c. 3) giebt F. Jacobs. Das ^ex eodem' der Ausgabe
weist auf die üeberschrift von 140 *De ingratis, ex Menandro'
zurück: Meineke hat das Stück, trotzdem die späteren Aus-
gaben seit ügolet flottweg ^Ex Menandro' geben, mit Becht
verschmäht. Epicuri dürfte es eher heissen; vgl. das verwandte
Pithoeanische Epigramm bei Biese Anth. lat n. 911 (Burm. III
149, Meyer 1564, vgl. 1308, Choerilus ap. Athen. VIII 3 p.
336 = n 111 Meineke, vgl. Choerilus ed. Naeke s. 254) —
für dessen ZurückfÜhrung auf Epicurus Burmann I p. 595 den
Grund angiebt —
Cum te mortalem noris, praesentibus exple
Delidis animum: post mortem nuUa uoluptas.*)
Der Fehler wird dadurch entstanden sein, dass Nurcisius oder Merula
die ursprüngliche Ordnung 116 (Epicuri opinio), 145, 140 in 116
140, 145 irrthümlich geändert hat.
Femer bei ügoletus:
122 = XI 104 (PI. n 32, 13) AouKiXXiou.
129 = XVI 136 (PI. IV 9, 8) 'AvTKpiXou.
130 = XVI 137 (PL IV 9, 9) ^iXittttou. Das Schlussdistichon aber
mit Timomachus Namen setzt Eenntniss von XVI 138 voraus,
vgL Benndorf, a. 0. s. 64.
139 = Vn 396 (PL m 14, 2) Bidvopoc.
61 = rx 721 'AvTiirdTpoü. 1
62 — IX 715 'AvaKp^ovTOC. l(PL IV 7, 9. 3. 18.)
63 = IX 730 AimnTpiou BiGuvoO. )
85 = XI 255 (PL n 38, 3) HaXXabä.
Epit. 34 (251) — vn 224 (PL HI 12, 12) db^CTTOTOV.
Anderen griechischen Quellen entstammt bei Nurcisius:
140 die Angabe ^ex Menandro' ist richtig; das Stück ist dem Sto-
baeus (Florileg. p. 31, 11, bei Meineke Comicorum relL IV 325)
entlehnt. Diesselbe Quelle liegt zu Grunde für
*) VgL Gatonifl dist. II 2, 2:
Cum sie mortalis; quae sunt mortalia cura.
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234 R. Peiper:
117, ein Fragment von Mcvdvbpou *G7riTp€7rövTUJV, welches Sto-
baeus aufbewahrt hat (Tit XXX = A 7, t. 11 p. 24 Mein.,
Comicorum relL IV p. 119 incert CDLXXII, daraus Mono-
sticha V. 34).
144 steht freilich in der Anthologie VE 670 TTXctTUJVOc (PL 1116, 28|;
dürfte indessen eher dem Diogenes Laertius (HE 29 p. 182;,
oder Apuleius de mag. c. 10 entnommen sein«
Bei ügoletus:
Epit 29 (246) wird gleichfalls nicht der Anthologie VE 311 (PL HI
7, 3) dbdciTOTOV entlehnt sein; bei Planudes ist es 'AtoiOiou
cxoXacTOKoC überschrieben, dem es auch das Scholion des
Demetrios Triklinios zu Sophokles Electra 150 zuweist —
es kommt hier nicht darauf an, ob es, wie Brunck meinte, älter
ist als Agathias: die Hauptsache wird die Quelle sein, aus der
der lateinische Verfasser es geschöpft, und ich zweifle nicht,
dass wir als solche den Eustathius äacrembolita, der zwischen
850 und 988 lebte, annehmen müssen; s. Eustathii Macr. de
Hysmines et Hjsminiae amoribus rec. J. Hllberg^ Vindob. 1876,
S. 201 ff.
Auf lateinische Quelle geht zurück bei Nurcisius:
116 das ist nicht aus Diogenes Laertius X 139 genommen, sondern
wie der Wortlaut zeigt, direct dem Cicero nat. deor. I 17, 45
und 1 30, 85 nachgebildet. Auf einer römischen Inschrift beruht,
epit. 38 (255), zu welcher Scaliger eine Parallele nachgewiesen
hat aus Lactorate in Novempopulonia; man YergL aach Anth.
1514 Mejer:
Olim non faimus, nati sumus, unde quieti
nunc sumus ut fuimus; cura relicta. Vale!
Bestimmte Quellen für 143 und 143 sind nicht nachweisbar,
das letztere kann durch Anth. IX 180 TTaXXabä veranlasst sein:
aber wer hätte nicht diesen locus communis in Vers oder Prosa gut
oder schlecht ausgeführt. Die üeberschrift von 142 lautet bei Nur-
cisius ^Aliud de uxore', es muss also ein Epigramm de uxore aus-
gefallen sein. So wies bei Nurcisius 133 ^Aliter in caecum et clau-
dum' auf 132 in ^caecum et claudum', 22 *de eodem (lies eadem)
exemplum' auf 143 Me uarietate fortunae', bei ügolet 130 ^Aliud in
eandem' auf 129 ^in Medeae imaginem' zurück. Der Ausfall eines
Epigramms ist auch bei ügolet wahrscheinlich; 141 de Demosthene
handelt nicht von Demosthenes, und wenn man ex Demosthene
schreiben wollte, wer würde dem Bedner diese Worte geben woUen,
die doch offenbar aus den Disticha Catonis entlehnt sind; es sind
die ersten Absätze von IV 23, 21 und 27:
Disco, sed a doctis!
Exerce Studium!
Disoere ne oessal
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Die handBchriftl. üeberliefenmg des Ausonias. 235
welche in je einem Hexameter ausgeführt, bez. yarürt werden. Der
sinnlose diitte Vers:
quae didicisti aut dum discendo absumere tendas,
war leicht zu corrigiren: Q. d., haut dediscendo a. t.
Es hat sich also, wie mehrfach in der Salmasianischen Antho-
logie (vgl. Peiper Bh. M. XXXI s. 186, 187, 188, 191) die Ueber-
schrift erhalten^ das Epigramm mit der folgenden üeberschrift ver-
loren. Wenn wir nun den Demosthenes nicht ein einziges Mal, weder
in der griechischen noch lateinischen Anthologie genannt finden,
dürfte man vielleicht die Veimuthung wagen, es habe als Parallele
zu dem echten Epigramm 55 Lais die üebertragung von Anth. XI 266
AouKiXXiou
Veubfec fcoTTTpov ?X€i AriiuiocOevic* el t&P äXh^^c
?ßX€TT€V, oÖK Sv 8Xu)c fjOcXev aÖTÖ ßX^ireiv.
in der Beihe der ügoletiana ehedem ihren Platz gehabt und den-
selben durch einen sorglosen Abschreiber oder Setzer bis auf die
Ueberschriffc, deren Verstümmelung sehr natürlich, eingebüsst.
Wir dürfen bei dieser Bechnung dieEpitaphia nicht berück-
sichtigen, da diese ein geschlossenes Werk bilden, welches Ausonius
einer namenlosen griechischen Sammlung nachgebildet hat, wie er in
der Vorrede erklärt, offenbar dem Aristotelischen Peplos in der Ge-
stalt etwa, den derselbe in der Florentiner Hds. hat. Im Vossianus
um&sst die Beihe epit. 1 — 26 Helden des troischen Kriegs; ohne
neueBubrik schliessen sich an Niobe: 27 und 30; Diogenes: 31 nebst
Epigr. 53 und 54; 36 nebst Epigr. 35, 37, 32 homo felix, Lucius,
equus Augusti, Carus, Matrona. Nr. 28 und 33 fehlen im Voss.,
müssen also zu den Epigrammen gerechnet werden, 38 findet sich
unter den firaglichen des Nurcisius, 29 und 34 unter denen des
Ugoletus.
Die üebertragung ist eine ausserordentlich freie, wenn wir
einige wenige Qedichte ausnehmen; wie hätte auch die Dürftigkeit
der Originale dem Bömer genügen können?^) Viele haben mit der
griechischen Vorlage nur den Namen des gefeierten Helden gemein,
andere sind durch Züge aus Homer (wie 4 Achilles), Vergü, Ovid
(Aiaz 3) u. a. erweitert, der Name Marc wird in dem einen (13) ge-
radezu genannt ^^), und wie fOr 13, so ist Vergil für 9, 19 und 23,
wenn nicht die einzige, doch die Hauptquelle, wie schon Vinetus er-
kannt hat. Aber selbst nur eine so ftusserliche Anlehnung an ein
griechisches Vorbild lässt sich bei Ausonius nicht überall nach-
weisen: wie er eine grosse Zahl der in der grieclu Sammlung ge-
") Vgl P. W. Schneidewin, de peplo Aristotelis, Philol. 1 (1846) b. 24.
•^ In dem von Nureisius stammenden Epigr. 118 beruht die Nemimig
Vergils auf dem griechischen Originale.
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236 B. Peiper: *
nannten Helden übergangen hat, so hat er andere, wie es gerade der
Gang seiner Studien oder seine Laune fügte, dazu gewählt, die dort
nicht berücksigtigt sind: daraus auf grössere Verluste der griechi-
schen Sammlung zn schliessen, sind wir nicht berechtigt; alles weist
uns im Gegentheil auf eine den erhaltenen ziemlich ähnliche Hds.
des Peplos hin^), der schon damals manchfach mit firemdartigen Be-
standtheilen versetzt (wie Auson. epit. 3 «= Asclepiades AnthoL Vil
145 = Peplos 7 Bergk bezeugt), nur Tielleicht noch etwas yoUstSn-
diger war als die uns bisher zugänglichen Exemplare, wie man aas
der Anwesenheit von epit. 8 >=" AnthoL VII 144, einem, wie Jacobs
erkannt hat, aus dem Peplos stammenden Gedichte, schliessen darf.^^)
Zur Anfügung der dem trojanischen Kriege fremden Epigramme
konnte der Vorgang der griechischen Sammlung den Ausonius be-
rechtigen.
Sicher gehen auf ein Gedicht des Peplos oder der Anthologie
zurück: ep. 2 (3 Bergk), 3 (7 B. = Anth. VH 145), 7 (11 B.), 8
(Anth. Vn 144 und Peplos 11 B.), 11 (32), 14 (Anth. VE 139),
21 (M. Schmidt, Philol. 23, S. 66, hat das Distichon auf Oedipos,
welches aus Porphyrius bei Eustath. Od. X 538 p. 1698 erhalten
ist, fr. 7 bei Y. Böse, Pseudo-Arist. S. 579 damit verglichen), 24
(vgL Tzetzes Hom. 489, V. Böse S. 577). Von den Epitaphien des
Anhangs sind die drei auf Diogenes epit 31, epigr. 53 und 54 der
Anthologie YII 64, YII 66 + XYI 333, [X 145, das des Carus der
Anthologie VII 228 nachgebildet.
Bei aller Aehnlichkeit zwischen dem handschrifblichen Ausonias
und den Epigrammen des Nurcisius und ügoletus bezüglich der Quellen
und ihrer Benutzung finden sich doch gewaltige Unterschiede. Ein-
mal bezüglich der statistischen Verhältnisse — selbst wenn wir an>
nehmen, dass noch mehr Epigramme des Ausonius als wir derzeit
nachzuweisen im Stande sind, auf Anregung der Griechen und
früherer lateinischer Auetoren beruhen. Denn von 113 echten Epi-
grammen waren wir nur im Stande etwa den dritten Theil auf
solche Quellen zurückzuführen, von den 34, die Nurcisius und ügolet
hinzubrachten, sind wir nur mit 4 im Bückstande bezüglich eines
solchen Nachweises (134, 115, 104, 105). Zweitens fimden sich
schon für Mehrere bei Nurcisius und ügolet Quellen, diederZeitdes
Ausonius offenbar fremd sind. Als durchaus sicher werden wir
die Yerfassemamen auch in der Anthologia Palatina nicht betrachten
dürfen; ebenso werden die Angaben über die Lebenszeit der ein-
zelnen Dichter noch mancher Berichtigung bedürfen. Wenn wir daher
Bufinus als Verfasser mehrerer Gedichte der echten Ausoniana finden
»O S. auch M. Schmidt in Philol. 23 (1866), S. 61. — »») S. Schneide-
win a. 0.
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Die handschriftl. üeberlieferung des Aasonias. 237
(13, 88), 80 wird nicht ohne Weiteres die Richtigkeit der Angabe zu
bezweifeln, sondern eher das Zeitalter des Bufinus danach zn be-
stimmen sein^); finden wir den Palladas als Vorbild ftir eine einzelne
Nummer, 50, so werden wir diesen Namen anfechten dürfen, so
gut wie Bnmck es ans triftigen Gründen bei Anth. X 32 gethan (ein
Epigramm, das schon bei Ljcophron und Athenaeus erwähnt ist),
wir mflssten denn annehmen, dass ein Stück sehr ähnlichen Inhalts
dem Ausonius wie dem Palladas vorgelegen habe; finden wir ihn
öfters, wie bei Nurcisius und Ugolet (137, 136, 85), werden wir ge-
gründete Ursache haben, diese Reihen dem Ausonius abzusprechen
und einem jüngeren Verfasser zuzuweisen. Dann werden wir uns
auch nicht wundem, dass solche griechische Epigramme, die nur
durch die Planudea auf uns gekommen sind, in verhältnissmässig
grösserer Zahl sich als Vorbilder für die fraglichen , denn als solche
der echt Ausonischen Epigramme ausweisen (bei diesen 6 auf 35,
bei jenen 5.auf 19), ja dass keins der nachgewiesenen Vorbilder in
der Planudea fehlt, während doch wenigstens für 2 der echt Ausoni-
schen (39, 94) dieselben nur in der Anth. Palatina sich finden, in
der Planudea fehlen. Die Disticha Catonis werden wir nun, auf
spätere Zeiten gewiesen, gern als Quelle gelten lassen: wir werden
zu den Werken greifen, die am Ausgange des fünfzehnten Jahr-
hunderts gedruckt oder ungedruckt die Quellen des gelehrten Wissens
waren, und Eustathius, Stobaeus, Diogenes Laertius ohne Wider-
spruch als die anerkennen, bei denen der Epigrammatist seine An-
leihe gemacht hat. Zu all den oben aufgeführten Quellen aber wird
eine Hauptquelle oder Anregung hinzutreten: die echten Gedichte
des Ausonius selbst.
Von diesem Standpunkte aus betrachtet, treten viele Sonderbar-
keiten, über die übrigens meistens Erklärer und Grammatiker recht
fltlchtig hinweg geglitten sind, wenn sie sich überhaupt damit zu be-
fiässen gewagt, in ein anderes Licht und finden ihre gerechte Wür-
digung.
Zunächst werden wir uns veranlasst fühlen im Ganzen und
Grossen den Standpunkt, den Ausonius, und den der Ver-
fasser der Nursio-Ügoletiana den griechischen Vorbildern
gegenüber einnimmt, zu prüfen und es wird sich ein gewaltiger
unterschied ergeben. Für Ausonius gilt das Wort des Accursius:
^feUciorem plerumque metaphrasten Ausonium quam Interpretern
fideliorem agnoscas' und an anderer Stelle (zu ep. 118): ^Ausonius
quidem rem ezomans, ut ingenimn dezteritasque eins fuit, graeco
epigrammati, unde suum finzit, hunc uersum (v. 10) cum hexametro
et annezos statim duos ac quatuor Ultimos adiecit . Und so trifffc
auch Vinetus das Rechte, wenn er, freilich gelegentlich der willkühr-
liehen Ergänzung von ep. 84 in ügolets Ausgabe, bemerkt ^ut sit
•>) Vgl. Bernhardt H 678.
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238 &. Peiper:
luee dariuB nostrnm in plerisque non inierpretis sed imitatoria condi-
torisque perfanctum munere, multaque aut apüus comminuisse ant
locupletiuB commiuünisse excoluisBeque et neluti coloribus aspersiBse'.
Ausonius ist Dichter, der andere ein geisüoeer, schülerhafter üeber-
Setzer. Ausonius greift gewisse Epigramme wegen besonders an-
ziehender Momente heraus und frei arbeitet er diese Momente um;
selten nur (und auch dann nicht in der Absicht^ das Original getreu
in sein Latein zu übertragen) schliesst er sich enger an den Wort-
laut an: hauptsftchlich findet das bei kurzen griechischen Vorlagen
statt, die die Pointe schon prägnant genug ausgeprägt enthielten
(wie 21, 74, 94, 119), dass ein Aendem Unverstand gewesen w&re.
Einer sla'engeren üebersetzung fügt er wohl eine Pointe hinzu, wie
der unterschied des Bömers vom Griechen erforderte (epit. 28). Wenn
darum die Erklärer der griechischen Anthologie, im besonderen F.
Dübner, so häufig berichten: ^dies oder ein diesem ähnliches Epi-
gramm hat Ausonius übersetzt', so liegt darin — abgesehen von der
unwahrscheinlichen Annahme, dass eine so erhebliche Zahl griechi-
scher Epigranmie, die Ausonius in den Gedichtsammlungen seinar
Zeit gefunden, nach der Zusammenfassung derselben in grössere
Sammlungen, verloren gegangen — ein Misskennen der Ausonischen
Dichtungsweise. Wenn aber die Kritiker beim Vergleich mit dem
Originale den Dichter tadeln, so trifft dieser Tadel meistens nicht die
Person des Ausonius, sondern den Charakter des Volkes imd der
Zeit, aus denen heraus er dachte und dichtete; oder sie tadeln, wie
Dübner bei ep. 84 ^graeco poeta longo inferior', Verse, mit denen,
wie wir nun wissen, er nichts zu thun gehabt. Denn die Nursio-
ügoletiana stellen üebertragungen dar, in die der üebersetzer nicht
vermocht hat vom eigenen Geiste etwas hineinzulegen; es sind
traurige Producte den Versuchen z. B. eines Traversari gegenüber
— wie könnten sie gar mit der Leistung eines Grotius in die Schranken
treten. Der beiläufige Tadel, der ihnen von Vinetus u. a. gezollt
wird (*lepidius multo mehercule graece', Vinet zu ep. 63), steht
nicht im Verhältniss zu ihrer Dürftigkeit. Schon in der Wahl der
Stoffe zeigt sich das, in den Fällen, wo freie Wahl ihn leitete (s. unten) :
die metrische Einkleidung eines bekannten Sprüchleins ist ihm die
Hauptsache; ob der Spruch die Mühe verdient, ob das Stöfflein eine
Pointe bietet, lässt den Verseschmied gleichgültig. Mangel an Witz
macht sich hier wie in den lateinischen Komödien des 15 — 16. Jahr-
hunderts in Italien breit (man sehe nur die platten Verse 134 de
diuite et paupere), aber man findet doch sonst bei den Italienern
jener Zeit mehr Feinheit in der Form. Das Misskennen dieser Mängel
hat die Kritiker hier und da zu gewaltsamer Besserung verleitet:
so hat man wenigstens einen kühlen Wortwitz in 142 einzufahren
versucht (uxorem abigere®^), subigere auciUam), vergebliches Be-
*^ Vielleicht ist habere nur aus haueve verschrieben.
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Die handschrifü. üeberliefemog dea Aasonins. 239
ginnen! Man muss diese Erzeugnisse nehmen als das, was sie sind:
Beiträge zur Geschichte Ausonischer Stadien, aber darf sie auch nicht
Ifinger dnlden unter den Werken des Ansonius, die durch diese Ge-
Seilschaft yernnziert werden.
Es lassen sich ftlr eine nicht unbedeutende Anzahl der Nurcisius-
und Ugolet-Epigramme bestimmte Beziehungen auf die echten
Ansoniana nachweisen, welche dieselben schlagend als solche ^stndia
Ausoniana' charakterisiren, als metrische Versuche herrorgerufen
durch die Beschäftigung mit dem neu erstandenen Dichter, im be*
sonderen durch die Yergleichung der Ausonischen Muse mit ihren
Yorbüdem; sie entstanden also ohne Zweifel nach der Herausgabe
der ed. pr., aber vielleicht schon vor der YeröffentUchimg der Antho-
logie durch J. Laskaris.
Ausonius hat auf seine Weise in ep. 42 das epigr. XYI 174
behandelt: die Nurdsiana geben dazu die strenge üebersetzung
in 43.
Yon den 11 Bucula- Epigrammen 58 — 66, ftlr die doch un-
zweifelhaft die Anregung in der Anthologie gegeben war, Ittsst sich
eine bestimmte Quelle nur bei 61 — 63, d. h. den unechten, nach-
weisen.
22 ist mit Eenntniss von und in engstem Anschluss an Auso-
nius 23 gefertigt^) Wer solche Eenntniss nicht besass, dessen
Üebersetzung musste sich naturgemftss ähnlich gestalten wie die des
Ambrosius Traversari^^):
Deposuit laqueos aurum uir nactus: at aurum
non nactus laqueis tristia colla ligat.
Desselben Traversi üebersetzung vergleiche man bei 144^^):
lam dudum uiuis fulgebas Lucifer, at nunc
defunctus luces Hesperus exanimis.
85 würden wir schwerlich unter den ügoletiana finden, hätte
nicht Ausonius 84 übersetzt (Ob ügoletus selbst erst als Heraus-
geber, oder jener ungenannte Epigr. 84 auf Grund der Anthologie
yezTollstftndigt hat, kann fraglich erscheinen: ich entscheide mich für
das erstere.) 121 yerräth seine Beziehung auf 32 deutlich genug
ep. 34 wurde als Gegenstück zu ep. 32 und 33 gedichtet Wir
dürfen erwarten^ dass der Italiener zu eigenen Yersuchen, die er
den Ausonianis zur Seite stellte, sich anregen Hess, und in der That
haben wir davon ein klares Beispiel an dem Epigr. an Galla 105,
'^ Ausonius wird gewissermassen corrigirt, seine Worte strenger ans
Original angelehnt (^iirc ßpöxov liquit laqueum, 6v Xiirev quod abdi-
derat, wodurch postquam vermieden wird; zur Füllung durch Fremdes
muBS aber doch auch der Corrector seine Zuflacht nennen: qui limina
mortis inibat, ouans, periit). — **) Diogenes Laertias de vitis philoso*
phorum traductos a fratxe Ambrosio. Yenetüs per Pelegrinum de Pas-
quaübus. 1494 (Neudruck der Ausgabe Born 1476) f. XXXm. —
•») f. XXXÜ'.
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240 B. Peiper:
welches das echte Epigr. auf Galla (Auson. 13) zur Yoraussetzuog
hat. l^ein Wunder, wenn dem Verfasser ein Seitenstück nicht ge-
nügte, sondern dass er in Uebertragung mehrerer derselben Art, zu
der ihm die Anthologie hauptsftchlich den Stoff lieferte, sich ver-
suchte: So feierte er im Anschluss an die vorhandenen Epitaphien
Dido 118 und Niobe 246, Medea 129, 130, die fratres Thebani 139;
auch Penelope 135 mag darum ihren Platz hier erhalten haben;
endlich 255. Zu den Bufus-Epigrammen gesellen sich die gegen den
Grammatiker gerichteten 136, 137, zu den anderen satirischen
Stücken die auf Delia 104, Furippus 115, Faustulus 122, üxor
142; den Praxiteles -Bildern der Venus das des Apelles 106 (dies
und 43 schon im ersten Druck neben einander gestellt), endlich eine
Beihe sententiöser und parabolischer Verse (116, 117, 140, 141,
143, 145, 134, 132, 133, 134) im Anschluss an 81 ff.
Die Spuren des 15. Jahrhunderts machen sich in der Wahl
der Stoffe wie nicht minder in der Grammatik und Prosodik geltend.
Das epitaphium latinae viae (255, epist. 38) erinnert uns an die neu
erweckte Neigung, Inschriften zu sammeln. Von einer hybriden Zu-
sammensetzung wie sie in Furippus a farendo und Furippus a fu-
rando in ep. 115 geboten wird, kann doch wohl in alter Zeit nicht
die Bede sein, trotz eines Pseudo-Cato, Pseudo-Damasippus bei Cicero.
Die siebente Zeile von ep. 139 bietet uns zwiefachen Anstoss der Art:
atque utinam et Thebas quissent partirier ipsas.
Ein quissent darf für ziemlich ungewöhnlich gelten (Neue II 399,
Kühner I S. 529), einen Infinitiv auf -er las man einst wohl im
Ausonius: Ludus v. 88 <= Selon 16 nach dem Vossianus, mit dem
auch Parisinus stimmt:
proinde miseros aut beatos dicier
euita.
Die Aenderung in dicere, für die auch Scaliger sich aussprach, darf
heute als sicher gelten, üeber das vereinzelte Erscheinen dieser
Form s. die Zusammenstellung bei Kühner I S. 450. Im 15. Jahr-
hunderte taucht sie wieder massenhaft auf: Leonardus Brunns hat
in seiner Polyzena inficiarier, labefactarier, dicier zweimal, darier,
insidiarier. Kaum dürfte ich mich täuschen, wenn ich aus einem
missverstandenen Archaismus die Erklärung für ep. 140, 1 entnehme,
den der erste Druck so gibt:
ingrato homine terra peius nil creat;
der Verfasser mag auf homonem fassend, das Priscian und Servius
aus Ennius beibringen (vgL Paulus Festi exe. p. 100, 5 M.), schon
die seinen Versen zu Grunde liegende Plautus- Stelle Bacch. m
2, 9 = 394 B.:
'Nam pol, meo quidem animo, ingrato homine nil impensiust,
sich durch Einsetzung von homone lesbarer gemacht, und dann
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Die handBchriftl. üeberliefenmg des Auboiutib. 241
diese Form in sein Gedicht übertragen haben. Vom griechischen
Original hat er nnr y. 2 in seinem y. 5 wörtlich wiedergegeben: das
mdüns, hospes des zweiten Verses scheint aus Horat. ep. IE 2, 132
entlehnt; der dritte Vers, der wie der erste, mit Unrecht gewalt-
same ümSndeningen durch Gronoy und Salmasius erfahren, dürfte
gelautet haben, mit einziger Aenderung der Silben et genus:
et si qua genera sunt maligna ciuium.
Ich entnehme das Wort dem 17. Verse derselben Plautus-Scene:
iuetus iniustuSy malignus largus, tristis commodus.
Mehr als diese Einzelnheiten noch erinnert uns an die angegebene
Zeit ein modemer Ton, der allerdings bei den italienischen Epi-
grammatisten, die sich an Ausonius gebildet haben, nicht immer so
sehr heryorsticht. Mit einigem Rechte konnte allerdings der Conte
Nicolo d* Arco (s. Maffei, Verona illustr. 11 293) yon Ayantius
rflhmen:
Qui Ayantii modulos et hos et iUos,
Qui deinde Ausonii poema cemet,
Ayantii aut modulos putabit esse
ütrosque, Ausonii uel esse utrosque.
Von der Armseligkeit^ die in diesen Stücken waltet, gibt die
Wiederholung derselben Wendungen Zeugniss, die selten durch
das Griechische bedingt ist.
Vgl. 129, 3 rerum in diuersa, 139, 4 in diuersa sui.
129, 6 alterutrum uideas, ut sit in alterutro, 132, 2 quo caret
alteruter, sumit ab alterutro.
129, 2 Voluentem in natos crudum animo feu^inuS; 130, 2 In
natos crudum uoluere mente nefas.
129, 7 cunctantem satis est, 130, 10 Cunctantem — nur fUr
130 gab das griechische Original dazu Veranlassung.
129, 4 ut ne picta quidem — 7 quin ne picta quidem: — eine
wenig geschickte Wiedergabe des (rriechischen y. 2 Ka\ dv eibdiXuj
— y. -5 Kai iv KTipu).
Der Grieche gibt y. 3 f. folgendermassen:
fj TIC li'icuiv
b€UT€poc fj rXonjKii TIC irdXi coi TTpöqpacic;
der Italiener:
Numsam te pelez stimulat? numne alter lasen
altera yd Glauce sunt tibi causa necis?
Ans Ungeschick hat der üebersetzer haaren Unsinn geschrieben; denn
das ist es doch, wenn man unter pelex nur die wirkliche Glauce yer-
stehen kann. Nicht immer hat er es bei wenig tlTorten bewenden
lassen, auch geschwätzigere Erweiterungen des kurz gefassten Ge-
dankens des Originals yerschmäht er nicht: ep. 122 macht er aus
einem Verse drei:
Jateb. f. olMS. Phüol. flmppL Bd. XL J?_ , Qooale
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242 R. Peiper:
AaKTicOeic ibc cixe tö xaipiov *Ä 98öv€' q>iidv —
Mozque idem ad mortem est multatns calcibos eitts,
perditus nt poeset uix retinere animam.
Yiz tamen est fatns: ^qnid rides, improbe liuor?'
So werden aus zwei griechischen Distichen vier lateinische in 137;
freilich hat er sich dazn aufgerafft, ans eigner Tasche eine Pointe
anzufügen, die immerhin mehr Ge&llen erregen wird als die Er-
weiterungen in 118 (Dido) v. 9 — 12 und 15 — 18, die durchaus
überflüssig sind und der Wiederholungen nicht entbehren, z. B.:
4 uita nee incestis laeta (laesa?) cupidinibus —
11 uixi sine uulnere famae.
Im Gegensatz zu diesen Erweiterungen läset er anderwärts
Mittelglieder, die zum Yerständniss wichtig sind, aus, weil er
mit den sprachlichen Schwierigkeiten erfolgreich zu ringen und sie
zu überwinden nicht die genügende Ausdauer besitzt; denn genug
Feinfühligkeit, um diese Fehler selbst zu gewahren, hat der Mann
unbedingt besitzen müssen. Epigr. 129 ist auch hierfür lehrreich.
Volles Yerständniss gewinnt es nur, wenn wir das Original zu
Hülfe nehmen: dann ergänzen wir uns hinter y. 4 die Worte fi^qm!
b* dTrXrjpuJcev, die wir gar nicht entbehren können; dann erst ver-
stehen wir, was die Worte ^Cunctantem satis est' sagen wollen, wenn
wir im Original lesen:
*'ApK€T b* & jh^XXticic', ?<pa co<pöc.
Wer dürfte richtig im Epitaph der Gallicratea (epit 34) die Worte
entziffern: ^
Nullius sezus mors mihi uisa fuit,
wenn ihm nicht der Grieche das Räthsel löste :
oub' dvöc ovbk mf^c (sc. T^KVWv) ibpaKÖjLiiiv Oävaxov.
Die Yergleichung des Originals ergibt, dass in t. 4 In tremulam zu
trennen ist, wie auch D. Heinsius erkannte; so lesen aber auch die
ersten Ausgaben bis auf den erst durch die Aldina beseitigten Fehler
tremula. Die letztere aber hat dafür eine charakteristische Lesart
in V. 3 verdrängt:
Sed centum et quinque expleui bene mensibus annos.
Dem Yerfasser schwebte Yergil Aen. Y 46 vor:
Annuus exactis completur mensibus orbis«
Wenn wir nun zweifelsohne dem Avantius Becht geben, wenn
er erwog: durch menses werde der orbis annuus erfüllt, der orbis
annorum durch messe s, so fühlen wir uns doch nicht berufen, die
metrischen üebudgen des Yerfassers zu corrigiren.
Epigr. 61: errasti attendens baec ilia nostra, iuuence —
Die Worte des echten ep« 5 9 : ^ubera quid pulsas ?' könnten auf attundens
oder tundens führen. Der enge Anschluss an die griecliisohe Yor-
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Die handsohrifÜ. Ueberliefeaning des Anaomas. 243
läge, den der YerfMser in diesen Bucula-Epigrammen anstrebt, macht
es wahrscheinlicher, dass er das griechische TTpoc^pxcai durch ein
dem Lateinischen allerdings in diesem Sinne fr^ndes accedens
wiedergegeben; sündigt er doch im folgenden Epigramm ebenso
gegen den Genius dieser Sprache, wexm er die Worte
ßouci cuvc^eXdojc
wiedergibt durch
cum bobus ezagites.
cum bSbus! So steht es gedruckt bei ügolet im ep. 62 und es iSsst
sich weder corrigiren noch, wie man leider gethan, mit bübulcus oder
subus entschuldigen (ygL L. Müller de re m. p. 350, Kühner lat Gr.
I; Neue, Formenl.). Nichts mahnt uns in den Nursio-Ügoletiana in
proaodischer Beziehung besonders an das Zeitalter des Ausonius
und Pauünus; ein solcher Schnitzer ist auch dem Mittelalter fremd,
wir können ihn nur ans äusserste Ende desselben hinabrücken, mit
ihm die Gedichte, in denen er erscheint. Ich fürchte, er steht nicht
allein; ihm reiht sich an die Partikel fere 105, 5 (Neue 11 518)
und uero 115, 1 mit verkürzter ultima.®*) Freilich scheint dies uero
nicht vereinzelt bei Ausonius, denn epist. VI 5 gibt die Hds. : poma ut
mala uoces, carmina uero mala; indess ist uero hier auch dem Sinne
nach nicht angemessen, man erwartet einen Imperativ, wie die, aoca,
und wenn wir bedenken, dass den poma nicht ein Beiwort zugefügt,
sondern ein anderer Name, mala, an seine Stelle gesetzt wird, dass
also auch mala nicht als Adjectiv auf carmina bezogen werden darf,
sondern Substantiv sein muss, so wird sich uerte als richtig/ er-
weisen.
Die Anfänge der drei Morula -Epigramme 122, 132, 133
lauten:
Faustulus insidens formicae, ut magno elephanto,
Deddit —
Insidens caeco graditur pede claudus utroque.
Ambulat insidens caeco pede captus utroque.
Es liegt eine Achtung abnöthigende Beharrlichkeit in der Yer-
tauschung des Particips von insideo, welches sich nicht verwerthen
liess, mit dem von insido. Wenn sich nur Stellen der Alten dafOr
fänden! Aber wo equo insidens gebraucht wird (equoque insidentem
Liv. Vn 6, vgL ourru insidens Seneca Medea 29, insideoque toro
Ovid. Her. XIX 134),. ist es von insideo herzuleitexL Bekannt ist
GeUius Xmi 5, 8: pleraque enim ueterum aetas et hominem equo
insidentem et equum qui insideretur ^equitem' dixerunt. und jenes
insidens deckt sich völlig mit inpositus. Ich ziehe den Schluss, dass
wir es mit einem der kräftigsten prosodischen Schnitzer zu thun
'^ uera hat der älteste Druck und auch noch die Aldina; jedoch ist
die Bicl^tigkeit der Umänderung nicht 2u bezweifeln.
[Jft*zedby Google
244 B.'Peiper:
haben, der sieb denken läsBt, nnd dass der Yerfiuser selbst an die
Ableitung von insido gar nicht gedacht hat.
Dem verkürzten o am Ausgange dieser Partikeln steht gegen-
über die Verlängerung der Endsilbe von ambo 134, 4 in der Di-
aeresis des Pentameters, gegenüber sieben Ausonianischen Stellen mit
kurzem o. Ebenso findet sich ego bei Ausonius nur mit kurzem
Schlussvocal (denn die Stelle Praef. ad lectorem 470 v. 35 (ed.
Bip. p. 331)
cuius ego comes et quaestor et culmen bonorum
wird mit N. Heinsius durch Einschub von et zu ändern sein). Zwei-
mal dagegen finden wir es in den neuen Gedichten, zuerst 54, 6 in
der yermuthlich durch ügolet gegebenen Ergänzung des Gedichts : Sicut
ego solus — das andere Mal 105, 7 separor unus ego (in Cäsnr).
Cypri mit langer Endsilbe in der Ai*sis 106, 6 würde keinen Anstoss
erregen: wir werden aber von dieser Aenderung der Aldina lieber
zur Lesart der ersten Ausgabe zurückkehren:
*Iam tibi nos — i prae — * Inno inquit et innuba Pallas,
*cedimu'.
Bezüglich der Wahl des Yersmasses ist nicht unbeachtet zu
lassen, dass die vom echten Ausonius nur einmal (Epigr. 48, zwei
Zeilen) verwendeten stichischen Trimeter viermal bei unserem Ver-
fasser erscheinen: 140, 142, 143, epit. 29.
Ep. 135. Das ist, wie schon Scaliger bemerkt hat, überhaupt kein
Epigramm, sondern Fragment einer Heroide nach Ovids Muster, an-
schliessend an die letzten Worte der Penelope in Ovids ep. I: Gerte
ego, quae f ueram te discedente puella, Protinus ut uenias facta uidebor
anus. Brandes versucht die ersten beiden Verse mit dem folgenden
zusammenzuschliessen: gelungen ist es ihm nicht, und es kann auch
nicht gelingen. Aber richtig hat auch er in uidua hergestellt (vgL
uiduas manus Ovid. Her. I 10, uidua lecto, derselbe I 81), wie vor
ihm Heinsius und ein Freund des Ausonius, der einige Bemerkungen
in ein der Breslauer Stadtbiblipthek gehöriges Exemplar der ed.
Gryph. 1575 eingetragen. Mir scheint der Anfiemg des Granzen zu
fehlen, sodann eine Lücke zwischen v. 2 und 3 zu sein. V. 3 wird
gelautet haben:
Hinc mea uirginitas ÜEtcibus tibi gliscit adultis
arsit et in uidua principe uerus amor.
Für glisco findet sich lisco in der Ecbasis. — Das Gedicht erregt
sonst noch manchen Anstoss. Die schlimmsten Punkte scheinen wir
V. 2 oscula uix ipsi cognita Telemacho,
V. 8 strataque tentaui sicca pauente manu.
Wie kann der Sohn die dem Vater aufgesparten lüsternen Küsse
cognoscere? Allenfalls würde man credita noch ertragen. Statt des
duröh Martial XI 81 zu begründenden unsaubem sicca (et iacet in
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Die handsohrifü. üeberliefenmg des Aosonias. 245
znedio sicca puella toro; vgl Ovid Ars 11 686 siocaque de lana co-
gitat ipsa sna) fUhlt man sich zaerst wohl versucht, ein weniger an-
stOssiges Wort einzusetzen; etwa tincta. Beides falsch: der Dichter
^obscenae nnineros pruiiginis implet' und wir müssen beide Tactlosig-
keiten hinnehmen; aber dem Ausonius sie aufzubürden, sind wir nicht
berechtigt; auch nicht in dem Sinne, den Scaliger hineinlegt: castigat
stüi sui ubertatem et luxuriem Ausonius — obwohl er dies sofort
entkrfiftigt durch den Zusatz: denique nihil in eius poematis reperias,
quod eins saeculi scholasticum tumorem referat. Ita omnia ad imita-
tionem ueterum tamquam ad examen quoddum eziguntur.
Ep. 139 (de fratribus Thebanis). Dies ist einmal eine freiere
XJebertragung eines griechischen Gedichts; aber nicht in der Art des
Ausonius. Die im Griechischen angedeuteten Züge sind nur ver-
ballhornt, z. Th. durch Verwendung Ovidianischer und Statianischer
Beminiscenzen. Auf letzteren weist Oedipodionidae hin (Th. I 313,
Yn 216), Die Ausdrucksweise des Gedichts ist geschraubt, dafür
genügt als Beweis v. 2 de misero ah miseri V. 3 und 4 sind
geradezu unsinnig:
Namque etiam ex uno surgentes aggere flammae
in diuersa sui dissiliunt cineris,
also flammae, ex uno aggere surgentes, dissiliunt in diuersa sui ci-
neris! Die ersten drei Editoren jedoch, Morula, ügolet, Avantius,
haben ein eres, und dies ist richtig, man trenne nur diu'ch Komma
am Ende des dritten Verses die beiden Subjecte flammae und cineres,
von denen das erste dem Statins entlehnt ist Th. Xu 431:
exundant diuiso uertice flammae,
der zweite dem Ovid Trist V 5, 35:
ipsa sibi discors
scinditur in partes atra fauilla duas.
In der That eine wenig geschickte Verschmelzung zweier Bemi-
niscenzen! Ersetzen wir noch das thörichte etiam durch ecce:
Namque ecce ex uno surgentes aggere flammae,
in diuersa sui dissiliunt cineres.
Weiterhin ist Anstoss zu nehmen an dem Ausdruck: in semet . . . atrox
animus; endlich schliesst der Dichter mit einem Verspaar, welches zu
Zeugen seiner Feinfühligkeit den Binnen* und Schlussreim as trSgt:
A. u. c. Thebas q. p. ipsas *
B. e. metas u. c. nebulas.
Fast noch b9ser sind die beiden Schlussworte selbst: cinerum ne-
bulas, ein Ausdruck erbeutet aus Ovid Tr. V 5, 31:
sensus inest igitur nebulis quos exigit ignis.
und das sollte ein Ausonianum sein?
Ich glaube in der ursprünglichen Lesart einiger Stellen dieser
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246 B- Peiper:
Epigramme Fingerzeige für ihre Entstehusg zu finden: zunftcbst fUire
ich ep. 133 an; hier hat Merula herausgegeben: Nam caeouz claudo pes
commodat Die beiden Epigramme 132 und 133 sind nur Vaiiationen
derselben etwas frei gehaltenen üebertragung einer und derselben
griechischen Vorlage; v. 1 und 4 stimmen in Beiden fast wörtlich
überein. Und zwar finde ich in 133 den vorlftufigen Entwurf, der
danach in 132 seine Verbesserung erfuhr: commodat und mutua dat
wurden hier in das eine ministrat zusammengezogezu Wenn ich nun
den dritten Vers von 132 vergleiche:
Caeco namque pedes claudo gressumque ministrat,
kann ich mich des Verdachtes schwer entschlagen, der Verfasser
habe vor der Durcharbeitung, also in v. 133, pedes commodat hin-
geworfen, nicht pede, eine Aenderung, die ügolets Kopf entstammt,
aber sprachlich unzulässig erscheint; denn diesen Ablativ von daudus
abhängig zu machen, gestattet v. 1 nicht; commodare aber erfordert
den Accusativ. Der Fehler also trifft nicht den Verfeusser, sondern
den unbedachten Herausgeber solcher Sachen.
Ep. 136: Felix grammaticus non est; sed nee fait umquam;
nee quisquam est feliz nomine grammaticus.
In dem griechischen Texte lesen wir für felix äpTtoc oder jn^rpioc,
letzteres aus F. Jacobs' Conjectur; im Palatinus ist das Adjectiv ganz
ausgelassen: der üebersetzer hat willkührlich die Lücke der Hdss.
durch felix ausgefüllt; das deutet auf sehr spftte Zeit der Ab-
fassung.^)
Aehnlich hat sich der Üebersetzer den fehlerhaften Text in der
Vorlage für ep. 130 willkührlich zurecht gemacht, wenn «er die un-
verständlichen Silben eic S O^Xeic durch tenax ersetzt. Wer cera
statt creta liest, könnte die Wahl des Epithetons aus Vergil 6. IV
161 herleiten und die Aenderung, zu der sich Accursius durch Kiipiu
verleiten Hess, dadurch gestützt wähnen; der Üebersetzer hat aber
doch wohl ebenso wie der Grieche den Stift des Malers (ypaqAc^
creta) damit charakterisiren wollen, der, was der Maler beobachtet,
festhält und getreu wiedergibt. Den griechischen Text nach diesen
Epigrammen zu emendiren, wie Dübner hier^^), anderwärts Benndorf
gethan, geht nicht an, zumal der Text des üebersetzers sich an
*^ Die ungeschickte Wiederholung von nxmiquam in v. 1 und 8 hat
nicht der Verfasser, sondern der SetMr der zweiten Ausgabe (der des
ügoletuB) verschuldet; der Verfasser schrieb:
Sed si quis feliz praeter fatnm extitit et fas,
hie demum ezcessit grammaticos canonas.
So gut praeter &tam et fiu, so schlecht ist Sed und hie an den Vera-
anfingen; weon aber die Herausgeber letzteres in Ai und is ändern, hat
man, fürchte ich, nur dem üebersetzer sein Ezercitinm oorrigirt —
*^) Er liest tc* drcWic. Liegt etwa dcpeXfic darin? Ein Lob der scmichten,
aUer Unwahrheit und üebertreibung abholden Zeichnung des EansÜers,
vgL Plin. n. h. 86, 145; denn trotz Lessings abweichender Ansicht dürfte
doch noch dies Epigramm auf des Timomaohus Bild sieh beziehen.
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Die haodschriftl. üeberlieferong des Ansonins. 247
manchen Stellen fehlerhafter erweist, als die vorhandenen griechi-
schen Hdas. Man yergleiohe Epigr. 118 "» (Plannd.) XVI, v. 6, wo
der üebersetzer ffXuOev vorfand, wenn er nicht vieUeicht nur beim
Lesen irrte, wihrend der echte Ansonins, wie ep. 21 zeigt, in der
That einen fehlerfreieren Text hatte, und allenlings von Benndorff
ZOT Aendernng irplv statt xai herbeigezogen werden durfte. Die
griechischen Worte lauten:
CUJV fOß dji^Tpiwv
ZrjXiwv *€ica0€X€ic kui Tpaq)ic alcödvetai.
Die IJebersetzung in der Ausgabe von ügoletus:
namque tui mens
creta tenax geli concipit immodicam.
Merulas Ausgabe hat dne für den Umfang des Gedichts recht
betrSchtliche Anzahl von offenbaren Gorruptelen, deren Corrector
zum Theil durch Avantius, zum Theil erst durch spätere, nicht immer
glücklich, versucht worden ist. Unter die verunglückten Versuche
rechne ich auch, wenn man tui uim für tui mens gesetzt; ich glaube
mit tumorem . . . immodicum Bichtigeres zu bieten.
Ep. 122 ist überschrieben: In Faustulum staturae breuis Anci
ProbinL Anci liest man noch unverändert in der Aldina; Anicii ist,
offenbar richtig, erst später eingesetzt worden. Gemeint kann kein
Anderer sein, als der, der mit seinem Bruder Oljbrius im J. 395
Consul wurde — vgl u. a. Beimioni, Geschichte Borns I 690 und
813; J. Aschbach, Die Anicier und die röm. Dichterin Proba,
8.-B. d. Wiener Akademie LXIV 1870 p. 369 ff. Das Gedicht
des Claudianus an das Brüderpaar ist hauptsächlich durch ita-
lienische Handschriften überliefert, vgl. Jeeps Prolegomena p.
Vn. Unser Epigramm entstammt dem Griechischen; den Zwerg
Faufltulus nennt das Original Menestratus. Wenn nun gleich
eine Uebertragung griechischer Epigramme auf Zeitverhältnisse des
Uebersetzers nicht undenkbar ist, wie uns die Bnfiis-Epigramme be-
weisen, so sind doch jedenfalls die vom echten Ausonius angewandten
Namen stets fingirte, niemals die verspotteten Personen mit ihrem
wirklichen Namen bezeichnet, und Yinetus war in einer wunderbaren
Täuschung be&ngen, wenn er die Bufus- Epigramme in der An-
merkung zu ep. 50 auf den Historiker Seztus Bufus bezog. Nicht
anders ist* der Verfasser der Morula- und Ugolet- Epigramme ver-
fahren. Zudem findet sich im Original des Faustnlus- Epigramms
keinerlei Hinweisung auf den Herrn des Zwerges; die Anfügung der
Genetive Anci Frobini ist eine anfällig gezwungene: mit einem
Worte, es ist ein vom Üebersetzer nicht gewollter Zusatz, dessen
Entstehung zu erklären die Erinnerung dienen kann, dass Ugolet
einer der ersten Herausgeber des Claudianus gewesen (Parma 1493):
so mag denn eine zufällige Notiz seiner Hand zu diesem Epigramme
sich verirrt haben.
Der Eindruck der Werthlosigkeit dieser Erzeugnisse trägt doch
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248 B. Peiper:
wohl die Schuld, dass trotz des Ausonius Namen für die Bichtig-
stellimg des Textes von den Editoren so wenig geleistet worden ist
Man sollte meinen, der Fehler in ep. 134, 1 hätte selbst einem rasch
Yorttbergleitenden Auge sonst nicht entgehen können:
Non est diues opum diu es nee pauper inopsque
Infelix.
Die einzig möglichen Gegensätze sind felix und infelix; an Stelle des
zweiten diues, das nur ein Schreib- oder Setzervorsehen sein kann,
ist felix zu setzen. Im vierten Verse ist mit der ersten Ausgabe zu
schreiben:
Sic cum egeant ambo^ pauper egens minus est.
Wir haben bisher ohfle Unterschied von beiden Sammlungen,
der des Nursius wie der des Ugoletus gesprochen, und waren dazu
durch den innem Zusammenhang beider, durch den gleichen Cha-
rakter als üebersetzungs- und Djchtungsproben, die nicht blos auf
Gleichzeitigkeit der Verfasser, sondern auf einen und denselben Ur-
sprung hinwiesen, berechtigt, sowie durch Uebereinstimmung in Fehlem
(ygL 122 mit 132, 133). Zufall dürfte es sein, dass bei Nursius
eine grössere Anzahl freierer Bearbeitungen (wie 118, 121, 132 und
133, 136 und 137, 140) sich fanden als bei Ugoletus (139). Dass
ein wirklich altes Gedicht am Schluss der Ugoletiana sich findet
(107), wird für die Frage nach dem Verfasser bedeutungslos sein.
Ein absichtliches Unterschieben ihnen als neu bekannter Gedichte
seitens der Herausgeber ist undenkbar: Ugolet würde schwerlich bei
dem Nursius -Epigramm 118 bemerkt haben, dass das griechische
Original die vier letzten Verse des Lateinischen nicht kenne, er würde
bei 132 nicht mit den Worten ^ex graeco' auf die Quelle des mo-
dernen Ver&ssers hingewiesen haben; aber er kannte diese Quelle
selbst nicht genau genug; denn wenn er gleich 84 aus derselben
ergänzt, hat er doch bei 54 sich des griechischen Originals nicht ent-
sonnen und den Schluss frei hinzugedichtet.^ Ausserdem würde er
für diese eigenen Erzeugnisse doch so viel Interesse gehabt haben,
dass er (wenn nicht leichtere Druck- und Interpunctionsfehler, die
ja selbst in jene Ergänzungen sich eingeschlichen haben) ^^, doch so
unsinnige Textverschlechterungen wie über statt liuor, factus für
fatus (122, 5 f.) von ihnen fem gehalten hätte.
Bereits vor J. Laskaris' Ausgabe wurde die Anthologie in Hand-
schrifiien fleissig studirt. Politianus, der in seinen Enabenjahren
an des Moschos ''EpwG bpa'niTt\c sich voigebildet zum Uebeisetzer,
der im 17. Lebensjahre (1471) eigene griechische Epigramme ver-
fertigt, theilt in einem Briefe (XII 8) dem Bartholomaeus Scala, als
^ Genug Beweis, dass die Supplemente der echten Ausoniana nicht
* von dem Dichter der neuen Epigramme herrühren. — •») Ep. 64, 3 procul
BOlito: maiore c. 84» 4 spectatur.
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Die handschTiftl. üeberliefenuig des Ansonins. 249
dieser ihm die lateinische Nachbildimg eines griechischen Epigramms
gesendet hatte, einen griechischen Versuch mit^) Dem Codrus
Urcens sendet er eine Auswahl griechischer Epigramme, besonders
solcher, in denen er mit den Griechen, selbstyerst&ndlich der Antho-
logie, wetteifert, aus einem Libellus solcher Produkte, den er publi-
ciren will (epp. Y); die anerkennungsvoUe Antwort des Codrus,
in der derselbe auch sagt ^Contuli igitur, ut iussisti, epigrammata
tua cum graecis' ist gegeben Bononiae quinto luce lulii 1494: also
vor Erscheinen jener III Idus Augusti 1494 (kurz vor Politians
Ende, 24. Sept. desselben Jahres) datirten Ausgabe^ was ja nicht
Wunder nehmen darf; sagt uns doch Laskaris selbst in der Wid-
mungs-Epistel an Peter Medicis: ^De libro autem Epigrammatum
nihil ducimus in praesentia disserendum (vorher hat er nur zum
Buhme der neuen Typen, in denen die Anthologie gedruckt ist, ge-
sprochen); ipsa enim passim iam edita apud egregia studiosorum
ingenia, suam sibi gloriam uendicabunt'.
Aber es gibt schon frühere Nachrichten von Politians Antho-
logiestttdien und diese betreffen zugleich den Ausonius: er ist, wenn
nicht der erste, doch einer der ersten und zugleich bedeutendsten,
die sich auf eine Yergleichung des Römers mit den griechischen Vor-
bildern einlassen: so erkannte er denn auch in dem Gedichte des
Posidippus das Original zu Ausonius ep. 12 und handelt darüber in
seinen 1489 (XTTT CaL Nov.) edirten Miscellanea (c. XLIX, ed. Basil.
1553 foL p. 265); dem Epigr. 126 ist c. XL gewidmet, anderwärts
gibt er eine griechische Uebersetzung von ep. 25.^^)
Politian jedoch bildete mit solchen Bestrebungen keine Aus-
nahme; fOr die philologische Büdung war offenbar die Eenntniss
jener Erzeugnisse der griechischen Poesie schon Erfordemiss; sonst
hfttte sicher Politian dem Georg Morula den Vorwurf erspart^ den er
ihm in einem Briefe vom März oder April 1494^^) macht: ^Glaphy-
ram uero, qui tamen est apud te Glaphyrus, nunquam profecto co-
moedum citharoedumue credidisses, si graeca teueres Antipatri epi-
grammata et Philippi'. Und doch hatte dieser einige Eenntniss der
Anthologia Planudea bereits verrathen in seinen Commentarii in
JauenaHs sat. 8, in denen er das erQte Gedicht derselben (in der
Palatina steht es IX 357) in folgender vom neuesten französischen
Herausgeber übersehenen uebersetzung ^^^) mittheilt:
*^ 8. F. W. Hoffmann, Lebensbilder berühmter Humanisten S. 81,
96, 179. — ••) waiöl AdKatva cdKOC iroX€|uiiice(ovTi btboOca,
iroft, €<pn, f\ cOv Tt^b* fi kid r^b€ v^ou.
In c. XXXIX erkl&rte er Auson. epist IV 71 ff. mit Anziehung von Epi-
grammen des Zeno und Timon; auch seine Gedichte eriimem oft an Auso-
niufl (YgL Delitiae c. o. Italornm poetamm coUectore Ranutio Ghero
1608, 261 Nemesis, 842 (Niobes sepnlchrom), 362, 866, 866. Alcon und
Euniu sind aas demselben entlehnt (260, 261). — ^°^ Hoffmann a. o. S.
170. — ^®^) Ich entnehme sie dem Florilegium des Bivinus, Gotha 1661.
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250 R. Peiper:
Qaattaor ezercet certamina Oraecia saera,
mortali duo sunt et duo sacra deo.
Sunt lotds et Phoebi atque PaUemonis Archemorique,
pinum, oleam atque apiuin malaqne tiictor habet.
Halten wir die Herkunft der Nursius -Reihe aus Mailand zu-
sammen mit der Angabe der Quelle, aus der die Ugoletiana ge-
flossen sein sollen, so finden wir uns in eben dieses Georgs Merula
Museum versetzt. Bereits Tor Politian, den er so kleinlich ange-
feindet hatte*^*), war dieser Mann gestorben. ^^ Sein litterarischer
Nachlass war auf des Herzogs Lodovico Sforza Anordnung dem
Staatssecretär Bartholomaeus Chalcus (Calchus)^^) anvertraut, mit
welchem persönlich wie durch Jacobus Antiquarius auch Politian
darüber verhandelte^), der dem Herzog seine Hülfe bei Herausgabe
der unter desselben Auspicien von Georg Merula gefundenen und
noch nicht publicirten alten Handschriften anbietet.*^') Dieses Bartho-
lomaeus Vetter (affinis, parente) war Tristan Chalcus (geb. 1472,
f nach 1507); der würdige Fortsetzer des wegen seiner Gründlichkeit
gerühmten vaterlandischen Geschichtswerkes des G. Merula*^^, und
mit dem Beinamen Titus Livius Mediolanensis von den Zeitgenossen
ausgezeichnet. Sein Yerhältniss zu seinem Lehrer wird mit dem des
Georg zu dessen alten Lehrer Filelfo verglichen, dessen Tod, wie
man erzählte, der Aerger über seinen Schüler verschuldete, e^) Zweifels-
ohne wird der Staatssecretär seinem gelehrten Verwandten weder
Einblick in jenen Nachlass noch Benutzung desselben gewehrt, ihm
vielmehr die Nutzbarmachung desselben, die Mittheilung an Gelehrte
zur Herausgabe mit herzoglicher Bewilligung überlassen haben; war
doch durch seine Vermittelung Tristan in Georgs Stelle eingerückt.^^)
Aus diesem Museum wird also die Abschrift des Parisinus mit Ludus
und ürbes stammen, die ügoletus dem Tristan verdankt; dass Tristan,
wie wir oben sahen, das Verdienst der Auffindung sich selbst zu-
schreibt, darf uns bei dem eiteln und gegen das Verdienst seines
Lehrers ungerechten Manne nicht wundem. Ebendaher werden die
Epigramme, deren wahren Verfasser der Geber selbst nicht kannte,
stammen. Die Annahme, dass jene Stücke mit den Epigrammen, die
Epigramme mit der Sulpicia in einer und derselben Hds. gestanden,
ist durch nichts begründet. Von der Sulpicia fand sich eben gleioh-
^^^ HofPmaan a. o. S. 100 f. 166 ff. Roscoe Lorenzo Medid, übers,
von SprenffeP S. 818 ff. — *<>») Fabriciua bibl. med. et inf. lat. V, p. 71
Mansi. — "*) üeber ihn s. Sarins bei Argelati SS. MedioL I p. CLXXXVI
ad a. 1477, TiraboBchi VI S. 21. — ><>*) Hoffmann a. o. S. 174—176. —
^^^ Hoffmann S. 172 f. — "») A Potthast, Wegweiser durch die Geschichte-
werke des europ. Mittelalters S. 441 upd 179. — ^^^•) Die Kritik, die
Tristan an seinem verstorbenen Lehrer und Vorgänger übte, venAth allere
dings weniff HetiLt. Vgl. Argehiti I p. CGCCXXVL — Weiteres über ihn
Argelati CGCCXXV ff. Tiraboschi VI 684. Zwei Briefe Politians an ihn,
einer aus dem J. 1489 in epp. 1. IV. — ^^ 'B. Chalci affinis sni officio
apud Principes intercedente' Argelati.
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Die handBchriftl. üeberlieferang des Ausonins. 251
fiüls eine Abschrift nnier Menüas Papieren; sie wnrde vier Jahre
nach seinem Tode an mehrere Gelehrte mitgetheilt, die sie in dem-
selben Jahre 1498, beide dazu wohl berechtigt, edirten, der eine za
Venedig ^^^), der andere (ügoletns) zu Parma an Ausonius. Der
Yenediger Herausgeber weist seine Berechtigung nach, indem er
Georgs Namen dem Titel zufügt: ^Solpitiae carmina LXX. . . nuper
per Georgii Morulae opera in lucem edita'; ügoletus, indem er bei an-
dern gleichzeitig edirten Stücken G. Morula und Tristan Ghalcus
nennt. Dem Yenediger grössere Berechtigung zuzuerkennen auf
Grund der klaren Nennung seiner Quelle, scheinen wir nicht be-
rechtigt*^^); wir finden ja Niemand weiter, der bei der Yertheilung
des Merlanischen Nachlasses die Hand im Spiele gehabt, als Tristan;
und wenn Argelati des Ghilinus Zeugniss ^qtii rapinae patnisse
literariam Morulae horoditatem tradit' bestätigt meinte dadurch, dass
in keiner Bibliothek etwas davon erhalten sei: auf wen anders dürfte
dasselbe gemünzt sein als auf Tristan Chalcus?
Nichts liegt nun näher als die Yermuthug, dass Tristan es ge-
wesen, der aus demselben Nachlasse schon einige Jahre vorher dem
Nursius jene Epigramm-Beihe ausgeliefert für seinen, damals viel-
leicht mit Ausonius-Studien beschäftigten und wohl deswegen nach-
her mit Beurtheüung und Bevorwortung der Leistungen des jungen
Avantius von Tacuinus beauftragen Frexmd und Genossen im Hause
der Comaro. An heimliche Entwendung zu denken, wo Bescholten-
heit durch nichts erwiesen, wäre ungeziemend. Die Zeitangabe priori-
bus annis stimmt gut zu dem Todesjahr Merulas. Als sich später
eine zweite Beihe zu der ersten gesellte, verband der neue Heraus-
geber, der vom Zusammenhange beider durch Chalcus Kunde er-
halten haben mag, dieselben zu einem Ganzen, und er setzte den Na-
men Georg Merulas, ohne Nursius und Bartholomaeus zu nennen,
mit Absicht, nicht, wie man zunächst glauben dürfte, aus Irrthum an
die Spitze dieser Beihen.
Es würde sich lohnen, die Werke der italienischen Dichter des
ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts nach ihren Ausonius-Studien
zu prüfen: das landläufige gedruckte Material reicht dazu freilich
nicht aus; aber auch eine nur flüchtig angestellte Musterung des
Yorhandenen findet Spuren genug. So hat der poetische Nebenbuhler
des Politian, Michael Marullus (1453 — 1500), neben Catullus und
^^^ Als Anhang zu den Gedichten des Italiener Gregorius Tiphernns,
Jac Pontanus, Franc. Octavius. — *") Die Veneta ist datirt 1498 Mensis
Ixuui die undecimo, die Parmensis 1499, die X mensis luhi: aber ihr
Frivü^um tragt das Datum 'die XXYIII Inlii 1498' : der geringe zeit-
Uöhe ünteiBchied schliesst sowohl den Gedanken der Abhängigkeit der
ednen von der andern Publikation yöllig aus, als er die Annahme gleich-
zeitiger Mittheilung an Verschiedene rechtfertigt. Dass Mernla selbst dem
Venetianer das Gedicht mitgetheilt, macht ja der Tierjährige Zwischen-
raum zwischen seinem Tode und der Herausgabe undenkbar.
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R. Peiper:
Horatins auch die griechische Anthologie und Ausonius als Vorbilder
nicht verschmäht fUr seine 1497 zu Florenz herausgegebenen Epi-
gramme. Schon der Eingang einiger derselben deutet das an:
ed. Paris. 1582 S. 32^ Vane quid affectas — Auson. ep. 11,
40^ Viderat armatas — Auson. ep. 42;
man yergleiche femer 15^ de amore mit Auson. ep. 12.
Viele seiner Gedichte dürften geringeren Anstoss unter den
Ausoniana finden als jene, wie wir sie jetzt wohl mit Bestimmtheit
bezeichnen dürfen, Merula^schen Producte. Wie viele femer eines
Jovianus Pontanus***), der beiden Strozza)^**, des Sannazar."*) Wer
würde, fände es sich unter den Ausoniana, dem Epigramm des San-
nazar auf Quintius die ünechtheit ansehen:
Clara tibi uideor scripsisse epigrammata, Quinti;
sunt, fateor: medio scripsimus illa die.
Tu latebras obscurus amas, quia lumine nuUo
atque intempesta scribere nocte soles.
Es ist Vieles und viel Gutes von diesen Epigrammatisten ge-
liefert worden, dessen sich auch ein Zeitgenosse des Ausonius nicht
schämen dürfte. Aber allen diesen würden wir bitteres unrecht thun,
wenn wir ihnen die Geisteskind^ jenes Quintius -Morula unter-
schieben wollten, Sie, die Zeitgenossen eines Politian, sind getäuscht
worden durch den Glauben an das Alter der Verse, ein auch heute
noch bei Vielen stichhaltiger Grund, um Hässliches schön, Unbedeu-
tendes bedeutungsvoll zu finden: haben es jene Männer versäumt, so
mögen nun endlich bei uns des Sannazarius Verse an Bufiis^^^) auf
diese Producte Morulae fruchtbringende Anwendung finden:
Ad Rufum.
Tanquam prisca mihi saxoque inuenta uetusto
disticha Bufe soles saepe referre tua.
Stultum adeo me Bufe putas? ego tam mala credam
carmina Bomano marmore posse legi?
">) t 1503, vgl. sein Gedicht auf das M&dchen Stella (Delitiae U
471) mit dem Pseudo-Ausonianum 144, seinen Hymnus ad Christom (II
462} mit der Versus paschales und Oratio matatina. — ^^') Strozza pater
(t 1606) de uacca Myronis (ed. Aid. p. 147), vgl. mit Auson. 61 ff.:
Natoram atque artem in uacca petÜBse Myronis
partem aimit, morem gessit utrique Myro.
Qui uaccam spectat ^natura hanc protalit' inquit,
at si contigerit, dizerit artis opus.
Einem Gedichte des Sohnes (f 1608) S. 88: Inuide quid nostrae adlatras
praeconia fftmae -— liegt eine Beminiscenz an Auson. ep. 103 za Grunde
(und diesem Ovid ex Pento IV 16). — ^^^) Vgl. das Epigramm Actaeon
(Delitiae n 734), de Venere et Marte (U 721) u. a. — ^^') Ad Bufdm:
Delitiae II 728.
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Die handschriftl. Üeberliefening des Anaonins. 253
Ardiemoro longos afifingis Nestoris annos,
Andromachefl puemm Laomedonta nooas;
Desine mentiri Pyliam Phiygiamque senectam;
Sint uetera haec aliis, mi nona semper eront.
Der im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts begründeten Auto-
ritSt des Ausonins ist es zuzuschreiben^ wenn er auch auf die
Dichter des folgenden Jahrhunderts in Italien neben CatuU, Mar-
tialis u. a. seinen Einfluss geübt hat und von ihnen nachgeahmt
worden ist
Der Schüler Politians, Petrus Crinitus (1465 — 1504), ist
offenbar zu seinen Terzinen ^de fagiendis ingratis' durch das unechte
Epigr. 140 veranlasst worden^^^), sowie Andreas Naugerius
(1483 — 1629) und Hieronymus Fracastorius (1483 — 1553) in
ihren Genethliacon a. o. 11 131, I 1108 dem Ausonius folgten; ihm
hat offenbar auch Julius Caesar Scaliger (1484 — 1558) für seine
Heroes und Urbes (Delitiae 778 — 830, 830—855) den Gedanken
entlehnt. Und nicht wenige der Epigramme des Andreas Alciatus
(1492 — 1550) weisen auf diesen zurück: ich erinnere hier nur an
EmbL 174, Fatuitas, mit Miramur beginnend wie ecL 1, femer auf
Dicta sapientum Embl. 54. Von Cynthius Gyraldus (1504 —
1573) findet sich a. 0. I 1247 eine Nachahmung von Epigr. 121
(Morula), das der Mittheilung werth scheint:
In Yesbianu
Tres habuit furias quondam; sed Vesbia manes
ut petiit, furias quatuor Orcus habet
^Lesbia' wird öfters als seine Geliebte angesungen. Die von Pithoeus
der Polianthaea entnommenen Verse ^Formosissima Lai feminarum'
(Biese, Anthol. 892) könnten wohl als Seitenstück zum echten Epigr.
17, aber von einem besseren Dichter, ab Morula war, yerfasst worden
sein. In der ed. princeps des Sidonius 1498 befindet sich ein Lob-
gedicht auf Baptista Pius von Balthasar Tachoni, in welchem jeder
Hexameter nach Art des Technopaegnion auf ein Monosjllabon
schliesst.
Ohne Zweifel Hessen sich diese Beispiele von Einwirkung des
Ausonius auf das seiner Wiedererstehung folgende Halbjahrhundert
erheblich vermehren. Ich will an dieser Stelle lieber auf ein ein-
zelnes, neuerdings besprochenes Epigramm, das seinen Weg in die
Anthologie gefunden hat, zurückgehen, da es gleichfalls in diesen
Kreis gehört.
Hermann Hagen hat in der Gratulationsschrift der Universität
Bern zu Bettigs Jubiläum 1877 eine Humanistenschrift abdrucken
lassen als Quelle dreier Epigramme, die, zuerst von Patisson mit-
"•) Delitiae I p. 836.
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254 K Peiper:
getheilt, in die Anthologia latina aufgenommen worden sind (894 —
896 Biese) nnd mit stichbaltigen Gründen hat er dargethan gegen
Göttling, dass diese Gedichte Erzengnisse des 15. Jahrhunderts sind;
die übrigen Verhältnisse der Schrift sind nicht genügend klar gelegt:
ich glaube zu diesem Behufe etwas beitragen zu können.
Jjolius Camülus (von welchem man bei Banutius Gherus DeL
poei ItaL I 551 — 555 zwei Gedichte Host, das erste an Petrus Bern-
bus, welcher 1529 aus Padua nach Venedig gegangen war) fand in
Padua im J. 1530 eines Phavorinus IL (d. h. liber) (piXauriou^^^)
Das kann schwerlich ein anderer gewesen sein als Guarinus von
Favera, vom October 1514 bis zu seinem Tode 1. Mai 1537, Bischof
von Nocera, ein Schüler des Politianus.^ Auf einen Geistlichen
weist kl&rlich der Schluss der Schrift hin.
In der Schrift selbst sagt nun Phavorinus: Vidistisne unquam
in louis Capitolini templo et legistis tabellam lapideam ad aram
magnam literis aureis omatam, in qua epigramma est, quod Calli-
machi ferunt? und er schildert das Bild und theilt ep. 896 mit
Offenbar weist der Ausdruck ad aram magnam auf den Hochaltar
einer christlichen Kirche hin; wenn diese selbst mit louis Capitolini
templum bezeichnet wird; so kann nur die nach damaliger Ansicht^^)
an der SteUe des ehemaligen Jnppiter- Tempels auf dem Capitol er-
richtete Kirche S. Maria Ära Caeli darunter verstanden werden: sie
wäre unserer Schrift zufolge im 15. Jahrhundert mit neuen Werken
von Bildnern und Dichtern ausgeschmückt zu denken.^^) Trotz des
^frivolen Spieles der Humanisten mit dem Heidenthume'^'^) würden
die Worte des Epigramms ^At louis est — ' an einer anderen ge-
weihten Stätte als dieser, unbedingt anstössig gewesen sein: in diesem
Tempel fanden sie, für jene Zeit^ ihre volle Berechtigung,^**)
"^ Üeber die q>iXauT(a handelt auch ein Emblema des zeitge-
nössischen Aldatns (a. 0. I p. 44 d. 147); die Anwendunj^ des Weites
emblema in Camillus* Nachschrift S. 16, 7 darf man damit m ZuMunmen-
hang bringen. — ^^^ V^l. Tiraboechi VU 1060, W. Boscoe Leo X. U
129—137, Garns Series episcoporum ecclesiae catholicae, Batisbonae 1873.
Derselbe war Mitherausgeber der Horti Adonidis 1496 bei Aldus, woran
Eckstein im Nomenciator philologorum 8. 77 zu zweifeln scheint. —
"^) So FlaTius Blondufl, ygl. Jordan, Topop. der Stadt Born 11 498,
Gregorovius, G. d. Stadt Rom IV 416. — ^°) Auf Sculpturen des 16.
Jahrhunderts am Hochaltar, welcher 1728 erneuert wurde, weist Platner-
Bunsen IE 2, 353 hin. — ">) G. Voigt, Wiederbelebung des kl. Alterth.
8. 467. Ueber die Epigrammatik der Zeit, vgl. J. Burckhardt, Coltor der
Benaissance. 2. Aufl., 8. 210 iL — ^^*) Es ist ja etwas ganz Anderes,
wenn beispielsweise Leonardus Aretinus in seiner Comoäia Polyxena
die dii im Allgemeinen erw&hnt (deorom delubra; deos suspicor affu-
tnros etcO» wenn er der Calphumia, die eben gesskgt, 'iueram, nt fert
reli^o, ad sacras ecclesias', den Buf in den Mund legt: ^o lupiter, o Inno,
Lucma', danach wieder sie und andere Öfters ^ita me salnet hiesns' rufen
läsBt, oder ^per eum quem colimus deum' ; fehlt doch selbst nicht 'sanetL
Francisci oracnlum'. ~ Von dieser Mengerei ist immerhin die naive Ver-
tanschung der christlichen mit der heidnischen Gottheit ^ wie wir sie
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Die handschriftl. üeberlieüdrimg des AuBonins, 265
Dies lateiniflohe Epigramm nun sollte der ehemalige Bibliothekar
der Lanrentiana in gatem Glauben dem alten Callimachus zuge-
schrieben haben, nachdem bereits zwei Ausgaben des griechischen
Dichters (1495 und 1513), die Hauptausgabe in Florenz selbst, und
schon früher eine lateinische Uebersetzung seiner Werke (Mediol.
1480) erschienen waren? Glaube das, wer's kann. Philippus Calli-
machus^^) war in Italien gewiss noch wohl bekannt, also dass bei
einigermassen gebildeten Leuten eine Verwechselung des Mannes mit
dem Griechen nicht denkbar erscheint^ Nur wir kennen ihn und
die ganze poetische Litteratur jener Jahre noch viel zu wenig. Das
Wort ferunt will aber eben so viel sagen wie feruntur in der
üeberschrift der Epigramm -Beihe des ügolet. Freilich zur Be-
gründung mangelnden Wissens könnte man ins Feld führen die bis-
her noch nicht entrSthselte dpwTOViKta des Phocylides oder Musaeus,
die vom Verfasser S. 8, 20 citirt wird. Auch wohl das S. 13, 29
genannte wunderliche Epicharmenion. Ich halte das letztere für
ein freies Gitat von Horat. C. 1 18, 14, möglicherweise unter fehler-
hafter Bezeichnung des Metrums. Eine Untersch&tzung des Wissens
jener Männer ist so wenig am Platze wie Uebersch&tzung; zu irren
hatten sie in allen Dingen mehr Berechtigung als wir, die wir kaum
mehr wissen, was es heisst, aus Handschriften des 14. und 15. Jahr-
hunderts mit all ihrem Wust ein vielfältiges oder gar ein accurates
Wissen sich zu erarbeiten. Um eines verfehlten Gitates wiUen also
werden wir den Mann nicht geringer schätzen dürfen: ein solches
gleichfalls, und nicht eine Beziehung auf ein unedirtes oder gar ver-
lorenes Gedicht eines Griechen Hegt, glaube ich, in der ipuüTOViKla
vor: der Verfasser deutet hin auf das zuerst bei Aldus 1494 heraus-
gegebene Gedicht des Musaeus, welches übrigens längst so bekannt
war^^), dass Hero und Leander bereits in dem Laubwerk an den Bronze-
thüren der alten Peterskirche (jetzt am Portal des neuen Peters-
domes) zwischen 1441 — 1447 angebracht wurden,^*^ Zwei griechi-
im Mittelalter finden, sehr verschieden. Vgl. F. Piper, Mythologie der
christlichen Enzist I 140 f., 280 ff. Man vergleiche oie An&ngsverse des
Bmnellus (£. Voigt, kleinere lateinische Denkmäler der Thiersage,
Strassb. 1878, S. 81):
Instabat festiua dies, animalia bruta
conueniunt culpas depositura suas.
Et lupuB et uulpes capitolia prozima quaerunt,
iungitur bis asinus nulla sinistra ratus.
Sede sedet potiore lupus: nos lupiter, inquit,
mandat de nostris paenitnisse malis.
— "^ An ihn, den Freund des Conrad Geltis (1437 — 1494, in Krakau
gestorben; Fabricius bibl. med. et inf. lai I 824 M.) hat schon M.
Schmidt erinnert. — "*) fiesonders da CalimachuB ein dem Italiener ge-
läufiger Name war; in der eben genannten Poljzena z. B. tritt eme
Person dieses Namens anf. — ^'^) Oder soll man Ovid. Her. XVIII als
Quelle annehmen? ^*^) Piper, a. 0. I 293. Platner-Bunsen U 1, 178
nennt Hero und Leander nicht
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256 R. Peiper:
sehe Epigramme mit lateinischer Uebersetztmg stellte Marcus MoBuniB
dem von ihm heraasgegebenen Texte des Oedichtes voran: das zweite
lautet in der üebersetzung folgendermassen :
(Marci Musuri Cretensis) in Musaeum.
Etiam praecordia inuidia deorum tetigit, nam carminibus
lactauit consecutum Mars praemia laborum.
Id audiens indignatus est quod sua obumbrauerat opera
Tenebrae satis, Martisque non tulit inuidiam Amor;
Musaeoque mandauit, ille uero canebat amantium
Furorem decerpendi uirginitatis florem.
Laudetnr ergo paruis pauxisse marginibus
Quae paruis ludens manibus patraoit Cupido.
Eine dunkle Erinnerung an diese Worte des Musurus können
den Verfasser, der sein Schwanken in Betreff des Dichters selbst ge-
steht, veranlasst haben, den Inhalt, so weit er ihm vorschwebte,
poetisch angeputzt und erweitert vorzutragen und, unbeabsichtigt
einen Titel zu erfinden, der selbst dem griechischen Lexicon fremd
ist^^
Das Epigramm selbst nun ist eine Nachahmung des Ausoniani-
sehen Epigr. 112 in simulacrum Occasionis et Poenitentiae und es
hat vielleicht mit beigetragen, dass das Original weiterhin in Gunst
blieb. Allein der oben genannte Alciatus hat es dreimal ver-
werthet in den Emblemata, n. 50 Gratiae, n. 69 in simulacrum
Spei, n. 186 in Occasionem. — Die beiden anderen Epigramme, die
Camillus aus demselben Bande wie des Phavorinus Schrift ans Licht
zog, siad offenbar spftter entstanden als das des Callimaohus; Paral-
lelen Hessen sich auch fär sie in den auf eiKÖvec bezüglichen Ge-
dichten des Ausonius auffinden; zwischen dem auf die Aphrodite-
statue des Praxiteles aber und Auson. ep. 57 findet sich keine
Beziehung.
IV.
Der Codex Lugdunensis (Voss. 111).
Die bisherige Schätzung des Charakters wie des poetischen In-
geniums des Ausonius wurde durchaus reformirt durch die Ent-
deckung des heutigen Vossianus 111.
Etienne Charpin, ecclesiae Lugdunensis presbyter, fiand ihn
in dem alten, von Karl dem^Grossen nach Benedicts Ordnung zu Ehren
"^ Ich will gelegentlich bemerken, dass S. 8, 21 zu lesen ist: In
qno nimirum, ans&tt In quo nir miras.
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Die haadschriftL Ueberliefernng des Ansonins. 257
des heiL Martdnns neu begrttndeien und reich mit Handschriften be-
schenkten^^) Kloster der in der Saone nordwärts von Lyon so schön
gelegenen De-Barbe (Insula Barbarae), dessen Gebäude heute mili-
tärischen Zwecken dienen; die Liberalität des Abtes und Dechanten
Antonius ab Albone, die 0. Paradinus und L. Miraeus in den
poetischen Beilagen der ed. Tornaes, gepriesen wird, 'ermöglichten die
Herausgabe, an welcher Ouillaume de la Bärge ecclesiae Lugdu-
nensis comes"^) hervorragenden Antheil nahm: ^Bargeus heros', heisst
es in einem, diie neu aufgefundenen Stücke einführenden Gedichte:
*quo sine Oastalidum deperiisset opus',
femer: Complementa dedit Bargeus. Vielleicht hat er die Entzifferung
der noch nicht bekannten Theile der Hds. übernommen, ein ftir da-
malige Zeiten, wenn man den Zustand der Hds. bedenH, gewiss nicht
leichtes Werk. Die eigentliche Bearbeitung fiel weder dem Oharpin
noch ihm zu: sie übernahm der auch sonst als Philolog bekannte
Arzt B. Constantin, wie er selbst in einigen Versen bezeugt:
Quas metifl Ausonii segetes, runcauimus etc.
und am Schluss S. 290 durch die Worte bestätigt wird:
Constantini censura castigatum.
Diese Männer haben sich ein hohes Verdienst um die Erhaltung
des AuBonius erworben^ das ihnen nicht geschmälert werden sollte
durch die Bekrittelxmg ihrer, nicht blos vom heutigen Standpunkte
ans, allerdings schwachen Leistung. Wer in Lyon die Hdss. gesehen, die
durch die Revolution aus jenem Kloster noch gerettet worden sind^^),
nachdem gewiss eine bedeutende Zahl der trefflichsten Hdss. dort der
^'*) Gregor von Tours nennt bei der Erz&hlung vom S. Mazimus das
Kloster (c. a. 400) de gloria confessorum c. 22, vgl. Buinart p. 912.
Ado in Mariyrolog zum 4. Nov. verzeichnet einen Ambrosius abbas aus
frtOierer Zeit: vor der Restauration durch Kaiser Karl zählt Gallia
Cfaristiana t. IV 620 ff. (ed. 1656) bereits zwOlf Aebte auf; bdrgerliche
Unruhen oder Sarazenen- üebeiHflÜle hatten dann die Klosterinsassen zer-
streut — ^*^) Notizen über ihn ans Ljoner Hdss. in Delandines Catalog
ni 218 und 447. — "^ Einiffe Beispiele : Cod. Lugdunensis 617 (ancien 257)
s. IX— X. De Geometria, Musica et Astronomia^ wie der Rückentitel in
Golddruck besi^. 'Trad. d*une partie du Tim^e de Piaton ' wie
H. G. Libri am 26. 8. 1841 vom bemerkt hat Es ist eine schOne
Chalcidius-Hds., wie ich mich überzeugt habe. F. 1 ist abhanden g^e-
konunen, die Ränder sind abgefault, besonders in der zweiten Klfbe ist
dadurch auch der Text stark mitgenommen. Die Hds. beginnt jetzt mit
den Worten: quisque fortunam sortis inprosperam culpet; sie schliesst
institationis ingenuae. | . . . IMEO EXPLICITFELICITER. Es folgte
dann noch auf dem Reste der Rückseite des letzten Blattes ein Glossar,
soweit die verblichenen Züge errathen lassen. Zwölf Qoatemionen und
fOnf Blätter, das letzte mit rxni bezeichnet — Entsinne ich mich recht,
so ist auch Lugdun. 180 (anc. 523), ein Augustinus de civitate dei s. IX,
nnd 178 (anc. 524), Augustinus de perfect institiae s. Vni, stark mit-
genommen, ebenso 85 (anc. 414} In epistolas Sancti Pauli ezplanationum
ubri: die ersten fünf Paulinischen Briefe durch lauter Stellen aus
Angostinus illustrirt von Ambrosius, nach Abbä Morel von Tichonius:
Jahrb. f. dM«. Pbilol. Suppl. Bd. XI. 17
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258 B. Peiper:
Vernichtung anheimgefallen, kann sich einen Begriff von der Gefahr
machen, die auch der Ausonius-Hds. drohte, wäre sie nicht aufge-
funden^ fortgenonmien und aus eines Gelehrten Hand in die des an-
deren gekommen. Ihre ferneren Schicksale lassen sich mit ziemlicher
Sicherheit ermitteln.
Die deutlichsten Spuren von Vernachlässigung in der der
Feuchtigkeit des Flusses ausgesetzten Elosterbibliothek trSgt denn
auch unser Vossianus an sich. Derselbe kehrte an diese St&tte nicht
mehr zurück, die noch zu Lebzeiten des oben genannten Abtes Anto-
nius d*Albon (seit 1526 — ?) von den 'Haeretikem' geplündert und
völlig zerstört wurde (1562, wo auch die herrliche Metropolitan-
Kirche St. Maurice in Vienne ihre Verstümmelungen erlitt, die Kirche
von St. Just in Lyon u. a. zerstört wurden), sondern blieb im Be-
sitze Ch^xpins, der ihn an Jacob Cujacius verlieh; von diesem
wanderte er bald nach Erscheinen der ed. Tomaesiana 1558 aus
Bourges (Avaricum), wo sich Cujacius 1659 zum zweiten Male auf-
hielt (das erste Mal war er dort 1556 und 1557, zum dritten Male
1676 und 1676), an E. Vinetus nach Bordeaux. Sie kehrte zu Cuja-
cius zurück: denn als im J. 1575 von Februar bis in den Sommer
hinein Vinetus seinen Text im Druck fertig gesteUt, lässt er sie sich
das zweite Mal von Cigacius zusenden. Bei diesem hatte sie in-
zwischen nicht müssig gelegen/^^): er erwähnt z. B. Obss. et Emen-
dationum 1. V c. 10 (ed. 1577, zuerst Lyon 1664), ihre Lesart con-
mindestens zeigt letztere, der Carolingischen Zeit entstammende Hds., die
ffanz zweifellos aus jenem Kloster gekommen, was für schöne Werke
dasselbe bessss. In Lugdon. 1190 (anc. 706) findet sich eine Anzahl
jüngerer nnd älterer Fragmente, die wohl audi daher stammen: ein sehr
altes von zweimal sechs Blättern, des Hieronvmus Werken entstam-
mend, wie ich vermathe. Ich will eine Stelle aus iedem ausheben: 1) Valeria
missalarum soror amisso seruio uiro nulli uolebat nubere quae interro-
gata cur hoc faceret ait sibi semper maritum seruium uiuere sentio in
catalogo feminaram multa me plura dixisse quam exemplorum patitur
consuetudo et a lectore erudito iuste posse reprehendi sed quid faciam
cum mihi mnlieres nostri temporis apostoli ingerant auctoritatem. 2) onde
quo ipso alibi dicit quia impediuit nos satanns competenter ostendit se
in orationibus sine intermissione certare ut deuictis sattmae impedimentis
prosperum iter eins fiat in uoluutate diuidere eos qui romae sunt, desi-
derat enim et in orationibus obsecrare non cessat fructam alique. —
Dort finden sich ferner zwei Blätter aus Augustinus s. IX: f. V
^poyrafef. Cmn antiquo sensu praedioent EXPL. | INC AD EUNDEM. | Im-
portuna in euangelio mulier etc. F. 1^ EXP Ad Damasum epsm. inopt
ad marcellam de quinqne noui testamenti qnaestionibus. Zwei fernere
Blätter enthalten zunächst eine üebersicht von Brieftiteln: Innocenti ad
uitoricum epm { item innocenti ad epos | item innocenti ad decentium etc.
Die anommen Commentare zu den Evangelien oder Paulinischen Briefen
in den Hdss. 376 s. IX, 405 s. X, 414 s. VIII stammen eben daher.
— ^'*) Es ist zu bedauern, dass man aus dem im J. 1573 angefertigten
Cataloge der Bibliothek des Cigacius, der sich in der Pariser Hds. lat
4552 erhalten hat, nicht wenigstens ein Verzeichniss der Handschriften,
die derselbe bis dahin gesammelt, mitgetheilt hat (E. Spangenbeig, Jacob
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Die handsehriftl. üeberliefening des Auaonins. 259
Bors statt consi in Teclinop. 343, 3 : bei ihm hatten andere von ihr
Kenntniss genommen nnd sie benutzt: Ludoyicus Russardus z, B. nnd
Adrianus Tnmebus, der manchfiach in seinen Adversarien sie ver-
werthete; hauptsftchlich Scaliger, der sie seiner 1573 erschienenen
Ausgabe zn Onmde legt; er muss sie, da er 1571 zu Valence den
berühmten Bechtsgelehrten hörte, verglichen haben, wie er auch
zu der Zeit unter anderen Hdss.^**) den neuerdings wiedergefun-
denen Codex Cuiacianus des CatuU TibuU Propertius und der Priapea
benutzte.^ Aus der Bibliothek des Gujacius (f 1590), wenn sie
wieder in dessen Httnde gelangt ist (vgl. Bemays S. 144 über Ver-
laste, die Gujacius an verliehenen Handschriften erlitt), sind es
höchstens zwei Schritte in die des I. G. Vossius, dessen Nachlass die
Leidener Bibliothek verherrlicht: in der Zwischenzeit dürfte sie in
der Bibliothek des Scaliger sich befunden haben — wenn gleich
nicht, wie Gujacius einst gewünscht haben soll, als Erbtheil des
Lehrers und Freundes.***)
Von einer weitlSufigen Schilderung der Hds. in ihrem Schriffc-
charakter, der in neuerer Zeit einer namhaften Anzahl von Gelehrten
bekannt geworden ist, können wir hier absehen. Sie ist uns ein Be-
weis, wie noch längst nicht in palaeographischer Beziehung die er-
haltenen Werke ausgenutzt sind. Es tritt uns zunächst ein unter-
schiedenes Gompendium für m und n entgegen: für n wird dem
vorausgehenden Vokal das gewöhnliche Zeichen ^ übergesetzt, für
m dasselbe durch übergesetzten Punct verstärkt: ^ Es wird dies
zurückzuführen sein auf die in der üncialschrift des Berner Oribasius
und des Leidener Apuleius de herbis von H. Hagen und L. Müller
bemerkte Ersetzung des schliessenden M dui'ch -r-*) In unserer Hds.
jedoch kommt schon auf f. 27 und 28 dasselbe Zeichen häufig für
n vor, bis schliesslich für n überall das eine wie das andere eintritt.
In jenem Theile der 40 Blätter umfassenden Hds., f. 26^^ col. 2, tritt
auch die altgewohnte Abkürzung für per, das unten durchstrichene
p, ein, z. B. epist. 4, 28 pbia statt per auia, während vorher, be-
fremdend selbst für geübte Handschriftenleser, diese Präposition
durch das Zeichen, das gewöhnlich pro bedeutet, ersetzt wurde.
Letzteres gilt selb^ im Genethliacon v. 5, wo die Ausgaben über-
einstimmend lesep:
Emendata rudi proferret lingua palato
nicht für pro, sondern für per, wie Parüs. 8500 klärlich zeigt, und
CujaB und seine Zeitgenossen S. 61 und 176). — "■) Die Bemays p. 148
au&Blilt — "*) S. Hermathena III Dublin-London 1876, S. 124 ff. Jenaer
Litteraturz. 1876 S. 819. — »»*) Bemays S. 148. — *) In den üncialen der
von L. Delisle beschriebenen Eugippius-Hds. (Notice aar nn manuscript mdro-
vingien contenant des fragments d^ Eugippius. . . Paris 1876 p. 11) wird M
durch den Strich über dem vorausgehenden Vocal ersetzt, sein Platz aber
durch einen Punkt hinter demsell^n bezeichnet.
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260 ß. Peiper:
das scheint auch der Sinn zu fordern. Jedoch steht für die Inter-
jection proh ganz dasselbe Zeichen Par. 15, 6.
V V V
Bekannter ist übergesetztes y für u: catf cautus, tinge
V
tingne, araf auras; übergesetztes s, mit vorausgehendem Conso-
nant für us geltend, z. B. b' für bus, dnrch langes i geschlnngen
ins, wie in der merkwürdig missverstandenen Stelle in Rieses AnthoL
lat. 644 Y. 9, wo der Voss, iustotutrinae (sie) gibt, nur dass die
Silbe ins auf die gesagte Weise abgekürzt ist und das Anfangs-t von
tutrinae einen kleinen Zuwachs links oben hat, der es mit dem voraus-
gehenden o verbinden soll. Beide Eigenthümlichkeiten haben auch
die Alcimus- Papyri in Paris, aber selbst in jüngeren Hdss. wie im
Vergilius Ouelpherbytanus sind sie nicht selten.
Ictus: f. 37^ im Gedichte des Sulpicius Lupercus 649 Kies. v. 2
T
liest man qöruit (für corruit), die Interjection o wird anstatt dessen
durch einen Punct in der Mitte des Buchstaben charakterisirt (z. B.
f. 32'* zweimal).
Femer ist zu bemerken, dass, wo erste Hand ein ausgelassenes
i einschiebt, wie 157; 4 latimodo, oder einen anderen Buchstaben in
i corrigirt, wie Technop. X 3 radicatus in radicitus, dies i ähnlich wie
7 gebildet wird; vom Hauptstriche geht ein kleiner Strich nach rechts
oben ab. Es fehlen aber auch gewöhxüiche i in solchen Fällen nicht
(z. B. 157, 9).
Die Umwandlung des b, wo es vulgär statt u gesetzt war,
durch eine lineola paulum assurgens am Hauptstriche rechts oben,
wird, wenn ich recht verstehe, von H. J. Müller (Progr. des Fr.
Werder*8chen Gymn. zu Berlin 1876 s. 25) nicht als eine Massnahme
späterer Hand angesehen ^ sondern als Charakterisirung dieses b
(significans üla haud dubie b ut u pronuntiandam esse), von gleich-
zeitiger Hand: man darf diese Aenderung, die ziemlich consequent
vorgenommen worden ist, vergleichen mit den häufig genug beob-
achteten Vorgängen in anderen Hdss., z. B. der steten Ver-
änderung der Machedones durch Basur und erneute Setzung von c
in Macedones in der Rhediger'schen Orosius-Hds.; ich weise sie der
selben späterer Hand zu^ die auch beispielsweise q, wo es für quae
gilt, in q^** geändert hat.
Ueber die Diphthonge a§ und 09 ist schon von L. Müller ge-
sprochen worden. Auch der Bruxellensis der Mosella hat vereinzelt
V. 24 mo§nia und deutet so auf eine alte Vorlage hin.
Eine Klage über Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen
u und a, 1 und lang i ist einzig an Stellen, wo durch äussere Schäden
die höchst ckarakteristischen Unterschiede verwischt sind, gerecht-
fertigt. Man muss eben jene Unterschiede zu beachten gelernt haben;
wem der compendificirte episcopus einer Merowinger Hds. noch als
Epheublatt ins Auge tritt, der muss allerdings sehr auf der Hut sein.
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Die handachriftl. Ueberliefenuig des AnBonins. 261
Besonders zu nennen sind die Abkürzungen für nomen, noster,
uester: nmen Prof. 9, 5; 24, 3 nme Prof. 1, 6 nma Prof. 9, 10;
11, 7; epit 27, 2 (anstatt numina) nsa ep. 34, 12 nsas Par. 22,
10; 29, 3 — ura Id. 4, 31 f. 30"^ der Hds. (diese Formen treten im
Beginn des letzten Viertels der Hds. auf) nse Par. 21, 3, auch
norf epist. 23, 30 — use Par. 22, 2 — nre Id. ö f. 30' nsi Prof.
2, 27; epist 25, 62 nsis Prof. 7, 20; Ed. 16 (383) inscr. —
usis Ephem. 157, 43 nsro epist. 24, 114 nso Par. 30, 8; Ephem.
167, 42 nsos Id. 8, 43 — nirm epist 24, 119; Chilon 8 — usr
eiuncta statt ueste reducta epist. 4, 33 — (nfs statt Nisi epist 24, 42
— um gibt Parisinus für uesixum oder uerum Ludus Thaies 23).
Als dialectische Eigenthümlichkeiten der Hds. sind ausser der
Vertauschung von u und b hervorzuheben: l) die Schreibungen
quum^^^), qum und quur, sequutus u. s. w., die auf der häufigen
Vertauschung des c und qu beruhen, die sogar in Ludus dixere qui-
dam statt dixi recedam erzeugt hat; Formen wie locor, condam statt
loquor, quondam sind auf der anderen Seite nichts seltenes. 2) Ab-
werf nng des anlautenden i und hi vor sp und st: Spania, ste sta stum
für iste u. s. w., selbst extimant für ezistimant Ludius 7. 3) Die
constante Setzung von mici statt mihi.
Incipit findet sich nicht selten; selbst vor einem pluralis: in-
cipit parentalia — jedoch incipiunt tetrasticha bei den Caesares.
Nirgends aber erscheint explicit; statt dessen wird finit und finiunt
mehrmals gesetzt mit und ohne Namen des Stückes. Einige Male
ist Finit erst von späterer Hand (in longobardischen Zügen) zuge-
setzt. FINIT findet sich, beiläufig bemerkt, auch am Schluss der
Homilien des Ayitus auf den Pariser Papjrus-Blättem; hinter den
wenigen Epistolae, die sich dort erhalten haben, steht statt dessen
EXPLICIT. um etwas ganz Neues mitzutheilen, sei erwähnt, dass
im Münchener Codex der Gedichte desselben Ayitus c 1 330 s. X
hinter jedem der ersten fünf Bücher statt des gewöhnten Explicit
ein EXPLICAT erscheint
Es ist so selbtsverständlich, dass auch die beste Abschrift eines
Werkes ihre häufig eigenartigen Fehler hat, dass ein Versuch, den
Beweis davon zu führen, Eulen nach Athen tragen hiesse. Einige
der Fehler, die vor dem ünfehlbarkeitsglauben in Bezug auf diese
immerhin nur relativ beste Hds. warnen mögen, zum Theil solche,
die in den letzten Jahren Gegenstand der Besprechung gewesen
sind, ohne sichere Heilung bisher gefunden zu haben, wollen wir hier
zur Erledigung zu bringen suchen.
^'^ Quum auch mehrfach im' Leidener Theodulf-Codex (Lat Q. 16).
— Eine Reihe der erwähnten Punete erhalten ihre Aufklärnng durch F.
Rfihls Mittheilungen zur westgothischen Palaeographie (Acta boc. phiL
Lips. IV 876 ff.).
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262 B. Peiper:
Ephem. SchlusB (157) y. 16. Die schlimmen Träume der
Nacht hat der Dichter geschildert, die nach und nach entweichen:
probrosa recedit
culpa tori et profugi minuiscunt crimina somnL
Minuiscunt ist eine Erfindung Scaligers, die mit Recht angefochten
wird von G. Götz PhiloL 34, 295. Aber festhalten müssen wir
Scaligers Ansicht, dass ein dem recedit entsprechendes Verbum in
den Buchstaben der Hds. munus quü liege, quum also für cunt,
nicht für die Präposition cum stehe (munus cum crimine Vinet und
Heinsius, wofür sich auch Axt entschieden ; crimen cum munere^ ein
anderer Versuch des Heinsius). uanescunt (Götz) liegt zu weit ab:
manascunt halte ich für das ursprüngliche; vgl Tlbull. 3, 4, 81:
Ignauus defluxit pectore somnus; Prop. 1, 20, 2: id tibi ne uacuo
defluat ex animo.
Parent. m 1 f.:
Culta mihi est pietas patre primum et matre uocatis:
Dicere set rea fit tertius Arborius.
Nicht die schlechteste Conjectur war die des ersten Herausgebers:
Dicetur serie tertius A. Wie man zu den gezwungenen ErklSnmgen
der handschriftlichen üeberlieferung seitens Scaligers und Gronovs
zurückgreifen kann, ist mir unerklärlich. Brandes hat sich eines an-
deren besonnen; er schreibt: Dicere sed suasit. Indessen ist das ja
das gerade Gegentheil von dem, was Ausonius wollte. Der Dichter
begann Par. I 1 f.:
Primus in his pater Ausonius; quem ponere primum
etsi cunctetur filius, ordo iubet.
Es folgt Par. H 1 f.:
Proxima tu, genetrix Aeonia.
In richtiger Beihe folgt nun Arborius; wenn die pietas diese Ord-
nung gleichermassen empfiehlt, ist doch sie nicht in dem durch sed
eingeführten Gegensatz bezeichnet. Die pietas gegen Arborius wird
aber im folgenden in Conflict mit der gegen die Eltern geschildert:
Quem primum memorare nefas mihi patre secundo,
Bursum non primum ponere paene nefas.
Der Dichter schrieb also zweifelsohne:
Dicere set refugit: ^Tertius Arborius*.
ParenilV 25:
Amissum flesti post trina decennia natum.
Mit Becht erhebt Brandes diss. s. 25 Einwendungen gegen diesen
frühen Tod des berühmten Bedners. Wenn er aber schliesst: ^restat
ergo, qua nodus expediatur, una duntaxat sententia^ cormptum esse
numerum', und quina für trina einsetzt, kann ich ihm nicht bei-
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Die handBchrifü. UeberHeferung des Ansonins. 263
pflichten. Ich nehme ausser an dem Alter, auch an dem Ausdrucke
selbst Anstoss: amissum post tr. d., und lese lieber:
Amissum flesti per trina decennia natum —
Mreissig Jahre lang hast du deinen Sohn betrauert'; vgl. IX 8
Perque nouem caelebs te fleo Olympiadas. Es stimmt das auch yiel
besser zum folgenden Verse, wie man ihn immer corr^giren mag:
Saucius, hoc dempto lumine cassus eras
(oder hoc luctu).
Parent VH 4:
Et patruos, elegea, meos reminiscere cantu:
Contentum tellus quem Butupina tegit.
Magna cui et uariae quaesita pecunia sortis
Heredis nullo nomine tuta perit.
Heinsius vermuthet zuerst fulta und entscheidet sich dann für tota.
Es ist cauta zu schreiben; es liegt Horatius ep. II 1, 105 zu Grunde:
Cautos nominibus certis expendere nummos,
wozu man Bentlej vergleiche.
Parent. VII 14:
Commune hoc uerbi munus habete *Yale',
Brandes bemft sich auf diese Stelle, um Prof. XXIY 15:
accipe acerbum
Glabrio in aetemum commemorate *Vale'
acerbum mit uerbum zu vertauschen, wodurch gegen den Yergili-
sehen Gebrauch Verstössen wird. Dem Heinsius missfiel hingegen
an unserer Stelle der Ausdruck uerbi munus; er hariolirte umbris,
uobis, Erebi und entschied sich für dneri. Das vorausgehende com-
mune fordert:
commune hoc ambo munus habete: Yale!
Parent Vm 6:
Pulcher honore oris, tranquillo pectore, comis,
Facundo ciuis maior ab ingenio.
YgL I 12 quamquam et facundo non rudis ingenio. Cuiuis oder
quinis will B&hrens, quouis Brandes. Yielleicht:
Facundo que cluis maior ab ingenio.
Parent YIII 17 f.:
Caelebs namque gener nunc haec pia munera soluo:
Nam et caelebs numquam desinet esse gener:
Das nam des Schlussverses betrachte ich als eine Marginal-Correctur,
die an falscher Stelle in den Text gedrungen ist:
Et caelebs numquam de sin am et esse gener,
und desinam et hat bereits Heinsius gefunden.
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264 R. Peiper:
Parent. XI 1 f.:
Ta quoque maturos, puer immature, dolores
Inriimpis maesti luctus acerbus ani.
Ich lese:
Interrupisti, luctus acerbus aui.
Mit maesti }\ß,t ein Leser den Ausfall einer Silbe ^ der durch den
Fehler In für Inter eingetreten war, zu beseitigen gesucht.
Parent Xn 1 f.:
Si qua fait uirtus, cuperet quam femina prudens
Esse suam, soror hac driadia non ruit,
so gibt der Vossianus, in welchem freilich im Worte non das o von
anderer Hand zu a gemacht und endlich non durch vier Striche ge-
tilgt ist Die Betonung des Namens Dryadia steht durch Parent.
XXTTT 10 und XXV 1 fest. Auf Dryadia muss also ein vocalisch
anlautendes Wort gefolgt sein; nun, wie 'oft ist nicht non f(ir ur-
sprüngliches haud gesetzt worden! Sodann ist in der Vorlage die
ursprünglich vergessene, dann übergesetzte Silbe entweder vom Li-
brarius des Vossianus übersehen worden, oder sie mag im Voss,
selbst übergesetzt worden und verblichen sein:
Soror hac Dryadia haud caruit
Dass dies das richtige Verbum***), zeigt der folgende Vers:
Quin etiam multas habuit —
Parent. Xu 9. Von derselben Schwester Dryadia sagt der
Dichter:
Coniuge adhuc iuuenis caruit, sed seria uitam
Moribus austeras aequiperauit anus.
Geistige Frische der Matrone geht aus dem Vorhergesagten hervor;
wenn sie in der Sittenstrenge mit den Strengsten wetteiferte, wird
sie doch mit jenen die tristitia und morositas nicht getheilt haben:
und dieser Gegensatz muss sich in den unverständlichen seria uitam
bergen; man schreibe seria uitans; vgL XXII 8:
Tu grauis et comis cum iustitiaque remissus,
Austeris doctus iungere temperiem.
In dem sich eng anschliessenden V. 11:
Produxit celerem per sena decennia uitam,
kann nicht mehr von caelebs, wie Heinsius will, die Bede sein; der
Gegensatz der tristitia und austeritas muss in dem Attribut von
uita ausgedrückt sein:
Produxit que hilarem per sena decennia uitam. ^^^
"•) Vgl. XXIII 6 PaulinuB caruit quo pater eloquium. — "^ Der
Uebergang von q; hilarem zu celerem war leicht bei der vulg&ren Ver-
tauBchung von qu und c, i und e und der häufigen Auslassung des an-
lautenden Hauchlauts.
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Die handschriftl. üeberlieferung des Ansoniiu. 265
Parent. XVI 1:
Tu quoqne, uel nurus mihi nomine nel uice natae,
Veria, snpremi Carmen honoris habe.
Das Scaliger'sche nuruis bezweifelt auch L. Müller de re m. 381.
Ich sehe nur die Möglichkeit zu schreiben:
Tu quoque siue nnrus mihi nomine sen uice natae.
Parent XXIÜ 16:
Nondum purpureas cinctus ephebe genas,
doch offenbar tinctus. »
Parent. XXIH 17:
Quattuor ediderat nunc facta puerpera partus:
Funera sed tumnlis iam geminata dedit
Das einzig Yemünftige hat Brandes bislang vorgebracht diss.
S. 39: nunc fracta. Man muss da also ediderat puerpera verbinden:
das ist doch mindestens ein ungewöhnlicher Pleonasmus. Ich lese:
Quattuor ediderat, nunc functa puerpera, partus.
Wie Brandes bei AusoniuSi so habe ich bei Catull 67, 6 fracta für
facta eingesetzt:
Postquam est porrecto fracta marita sene.
Aber auch dort ist functa das Richtige und l&ngst durch Statins gefunden.
Parent. XXVI 7:
Ergo Gommemorata aue! maestumque uocata
Pro genetrice uale!
abe Vossianus. Dies aue — uale sieht doch recht seltsam aus; ich
vermuthe es steckt in dem Worte ein consonantisch beginnendes
Adverb zu commemorata, vielleicht pie. Vgl. Parent VI, 2 affectu
nati commemoranda pio. Dass ist gewiss besser als wenn man zwei-
mal uale lesen wollte : wozu die h&ufige Vertauschung von uale und
aue verleiten könnte, z. B. ep. XXV v. 32, wo TiL salue atque aue
ftlr salue atque uale bietet
Ludus Praef. 13:
Pone obelos igitur spuriorum Stigmata uatum:
Palmas, non cnlpas esse putabo meas.
So hat man thöricht^r Weise geschrieben und den Homer unter die
spurii vates versetzt; prauorum versucht gar Heinsius. Die Lesart
des Vossianus ist unantastbar, primomm; woraus im Parisinus irr-
thümlich puriorum — wie auch ügolet gibt — geworden ist
Mit nicht minderem Unrecht hat man am Schluss der Vorrede
V. 18 derselben Hds. schöne Lesart:
Optabo ut placeam: si minus, ut lateam,
verschmäht
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266 B. Peiper:
Prologus 24flF.:
non hac caasa hnc prodii,
Ut expedirem, quis theaira, qois forum,
Quis condidisset prioas partes moemom:
Sed ut uerendoB disque laudatos uiros
Praegred^rer agere quid uellent sibu
y. 28 ist unvollständig; man hat in agere den Fehler gesucht und
geschrieben: ac refeiTcm (Bip.), ecfarerque und ederemque (Heinsins),
aegre dixim oder dicam (ScaJiger): Vinetus allein scheint die Er-
gänzung eines Yerbums nach ppiegrederer Dir überflüssig gehalten
zu haben; er schreibt: Progrederer agere quidnam uellent hi sibi.
Mir scheint mit der Ergänzung Ton coram die Stelle geheilt:
Praegrederer, agere coram quid uellent sibi.
Prolog. 29 ff.:
Pronuntiare suas solent sententias,
Quas quisque prouidentium antenerterit.
Y: quas si quisquam prudentum, P: quas quisquam prirdentum; d.h.:
Quas quisque iam prudentium antenerterit
oder getrennt ante uerterit? Die Worte: Scitis profecto quae sint,
sind ais Parenthese zu ÜMsen.
Melete to pan. Die beiden Verse, die diese Sentenz behandeln,
lauten in VP:
Ludius 15: meditationem esse qui totum putant
Periand. 3: meditationem esse totum quod (qd9 P) recte geras.
Beide fehlerhaft: die aufgenommenen Correctnren können nicht ge-
nügen:
Esse meditationem t. q. p.
Meditationem id esse totum quod geras. (Accursius.)
Wie kommt recte in den zweiten Vers, wenn totum quod geras das
Ursprüngliche war? Ich meine, quod recte geras ist Schreibung des
Verfassers, der 2. Vers durch Beischreibung des ersten, nachdem
derselbe selbst eine Verstümmelung erf&hren, inficirt Der erste,
glaube ich, lautete:
Meditationem posse qui totum putant,
ygL Incerti Aulularia 49, 8 meiner Ausgabe: nisi ubique faueat
totum üle qui potest; der zweite, wie ihn Heinsins henustellen
gesucht:
Meditationis esse, quod recte geras.
Ludius 18. Thaies £tT^oi> iräpecn b* ÖTr\ protulit
engyea paradata VP, indessen Thaies 18 geben die Hdss.: Engia
paradata V, Engja paradita P, und die Abweichung an unserer Stelle
wird nur ein kleiner Fehler sein« Die Verkürzung der Schlusssilbe
Yon Thaies dürfen wir schwerlich zugeben; wir kommen mit Elin-
Schiebung yon sed dahinter aus:
Thaies sed ifT^a^ iräpa b' daa protulit.
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Die handBchriftl. üeberlkfeniDg des AuBonias. 267
Die Stelle Thaies 18 ist denn auch, um TrdpecTi b* ärn hinein-
zubringen, willkürlich behandelt worden : vor dicimus geben die Hdss.
ecce P, &ce V; lies:
Nos irrtet, irdpa b' äia graece dicimus.
Latinum est spende: noxa sed praesto tibL
noxa praesto tibi est VP.
Solon 6: Beete olim ineptum delphicus ait deus.
lasit und iussit sind versucht worden, besser suasit
Solon 8. Die Hdss. geben:
ut in orbe tereti nominum sertum incideret.
nominum sertum ist ohne Anstoss, man schreibe inderet, auf in-
cideret konnte ein Abschreiber leicht verfallen.
Solon 28: fines qui agelli proprii numquam excesserat.
qui fehlt in VP, eher wird is hinter proprii eingeschalten sein.
Solon 45: Die Vulgata lautet:
Croesus ad regem iUico
Deductus lectam per ministrorum manum,
Die Hdss. indessen geben:
per ministrorum dudtur lectam manum ^
nur dass P ducit hat. Der Fehler kann nur in ministrorum liegen;
man schreibe:
per militarem ducitur lectam manum,
Solon 50: Laudat Solonem: Croesum in amicis habet.
C. hinc in amicis schreibt Heinsius, besser wäre inde gewesen; doch
wird wohl zu lesen sein:
Croesum unum in amicis habet.
Chilon 3: Hui quam pauca quam diu loquuntur Attici.
diu bedeutet nun einmal nicht, was man ihm hier unterlegt: longo
temporis spatio, sondern: longum tempus; quam fehlt in den Hdss.
Chilon sagt ironisch: 0 wie kurz fassen sich doch die Attiker:
Huil quam pauca, di, loquuntur Attici!
Gleobulus 7: persequar
per ordinem.
porro ordinem ist einer Ausgabe der Breslauer Stadtbibliothek bei-
geschrieben.
Cleobulus 14. Man lese:
uita in omni quicquid est,
Istum requirite optimae pausae modum.
Bias 1. Der Ludius sagt v. 11:
Bias Prieneus dixit: o\ irXeiCTOi KaKOt.
Quod est latinum: plures hominum sunt mali.
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268 B. Peiper:
Damit stimmt schlecht das Qaadrisyllabum Prieneus an dieser Stelle:
Bias Prieneus dixi: o\ TrXetCTOi KaKOi.
latine dictum suspicor: plures mali.
Y. 2 muss an y. 1 angeknüpft werden:
Bias Prieneus quod dixi: ol TrXeiCTOi KOKOi,
latine dictum suspicor: plures malL
Bias 10:
Sed nemo quisquam tam malus iudex fnat,
qui non amborum partibus se copulet.
Yulgo wird qui non bonorum gebessert: lies quin iam l>bnorum
mit Heinsius.
In y. 12 ist illud aus Y zu schreiben.
Pittacus 8: Ad Antiphilam quo uenerat seruus Dromo.
quom schreibt der Leser des oben citirten Exemplars. Im Heautoni
364 (II 3, 124) ist es nun nicht Dromo, sondern Syrus, der die
Worte spricht: In tempore ad eam ueni; und an der ersten kann
Ausonius bei seiner yölligen Bedeutungslosigkeit gar nicht gedacht
haben; dazu kommt, dass die Handschriften nicht Dromo geben, son-
dern V dromo, P drimö, d. h. dromon oder drumon, Schnellsegler (s.
Du Cange dromones): ein Wort ganz geeignet die Schnelligkeit eines
Sklayen auszudrücken. Eine Glosse hat Syrus dromo zu seruus
Dromo gestaltet Erklftrlicher und mehr zu entschuldigen ist es,
dass Ausonius Antiphila statt Bacchis setzt; um der ersteren willen
strengt ja Syrus seine Schlauheit an; ihrer gedenkt Ausonius auch im
Schlussyers des Technopaegnion (Heaut. 290).
Yrbes, Capua 1:
Nee Capuam pelago cultuque penuque potentem
Deliciis, opibus famaque priore silebo.
Mistat a pelägo Capua' meint Heinsius und schreibt largo: der an-
geführte Grund zur Aenderung ist nicht der hauptsfichlichste, diese
selbst trftgt einen Pleonasmus hineia, der die Ausdrucksweise nur
schwerflQlig macht. Ich war ehedem yersucht zu schreiben:
Nee Capuam pol ego . . . silebo.
At pol ego neque florem neque flocces uolo mihi, uinum uolo,
sagt Caecilius Statins 190 B. Was zunfichst dagegen einzuwenden,
s. oben S. 244. Femer würde auch hier, wie bei Heinsius, die noth-
wendige n&here Bestimmung zu cultu und penu fehlen. Das ist doch
wohl glaebae; der Dichter hat Yergil A I 531 (potens armis
atque ubere glaebae) nebst Ge. H 224 (talem diues arat Capua) im
Sinne.
ToloBa9:
Quae modo quadruplices ex se cum effuderit urbes.
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Die handBchrifü. üeberliefening des AusoninB. 269
Non Ulla exhanstae sentit dispendia plebis:
QuoB genuit cnnotos gremio conplexa colonos.
colonos ist nach dem Yeraasgehenden völlig überflüssig, wtthrend
eine noth wendige Bestimmung zu gremio, dessen Fruchtbarkeit be-
zeichnend, fehlt Das Verlangte gibt: gremio conplexa colono. Dies
Adjectiy braucht Sedulius 3, 9 de Christo: Quippe ferax, qui uitis
erat, uirtute colona omnia fructificans.
Narbo 4 Insinnant qua se Sequanis AUobroges oris.
qua Sequanicis yermuthet Heinsius, um die gewöhnliche Quantität
des Namens herzustellen. V gibt: q^ esse cauis allobrogis oris;
F: qua sese cauis allobro gessoris. Aus letzterem macht Ugolet:
qua sese graiis AUobroges oris — und das ist mit kleiner Aende-
rung festzuhalten:
qua se Grais AUobroges oris.
Der Punkt soU bezeichnet werden, wo die AUobroger eindringen
in die Provinz, nicht der, wo sie, in der Provinz sitzend, sich mit
auswärtigen Stämmen berühren. In der Nähe der Alpes Graiae aber
waren ihre Sitze.
Epist. n Pater ad fiUum, cum temporibus tyrannicis ipse
Treueris remansisset et fiUus ad patrem profectus esset.
Man hat a patre verbessei*t, was aUerdings mit dem Schmerze
über die Trennung, den das Gedicht ausspricht, wohl in Einklang
stände, indessen doch zu gesucht erscheint Der Sohn ist ad pa-
triam gereist, nach Bordeaux.
Epist I V. 11 ff. Ausonins ad patrem de suscepto filio:
Quippe tibi aequatus uideor, quia paruulus isto
Nomine honoratum me quoque nobilitat;
Atque aetas quia nostra eadem. Nam supparis aeui
Sum tibi ego et possum fraüis habere uicem.
Jenes At^jue in v. 13 ist gegen die Hds.: denn diese gibt Bona
aetas; Heinsius versuchte Adde und Paene, das letztere auch Axt
Durch aUe diese Yermuthnngen wird indessen so wenig den Zügen
der Hds. als dem Sinne Rechnung getragen. Von dem Alter wiU
Ausonius grade abgesehen wissen; vgl. v. 25 f.
Annos me nescire tuos, pater optime, testor.
Die Worte der Hds. Bona 9tas sind entstanden aus der Schreibung:
Non a^tas. Infolge Äscher Zertrennung des Diphthongs a§, der in
Y so häufig erscheint, wurde aus Nona Bona gemacht
Für habere gibt V abare, wofür Heinsius amare und obire
coi^jicirt Das Erste scheint mir richtiger.
Epigr. 10 In Eumpinam adulteram.
In V aUein steht dieser unerhörte Name^ aus dem ScaUger Euna-
pia herauslas. Biir scheint Eurypylam (geschrieben Euripulam)
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270 ß- Peiper:
sicherer za sein — vielleicht ein Analogen zn eiipuTtpujKTOC, viel-
leicht ohne Nehengedanken zufällig ans Anacreon oder der Antho-
logie aufgenommen.
Epigr. 34 Hunc studeo ulcisci: et prompta est ultio uati:
so alle Hdss., Voss., Paris., Z; haec hat Girardinus vor nltio ein-
geschoben. Schreibe: et iam prompta est ultio natL
Epigr. 35
Yna qnidem geminis fulget set dissita punctis
Littera: praenomen sie nota sola facit
Mit dissita punctis littera ist ein von zwei Puncten eingeschlossener
und so yom vorausgehenden und folgenden abgetrennter Buchstabe
bezeichnet (dissitus soviel als dissaeptus); in v. 2 muss also .L.
ergänzt werden. Wäre der Name Lucius schon in v. 1 genannt,
wie es in Z geschieht:
Lucius una quidem, geminis sed dissita punctis
Littera —
so wäre die Ergänzung überhaupt nicht nöthig.
Epigr. 44 Hoc genere et chordas et plectra et barbita conde.
lies condes; denn Y gibt condis.
Idyll. I Versus pascales procodicti V
Die Abkürzungen sind in den Titeln nicht selten entstellt. ^'^) Dem
Sinne nach passt einzig die Auflösung pro dominis dicti.
Idyll. VIII Precatio.
Lucian Müller leugnete einst (Fleckeisens Jahrb. 1861 S. 641),
dass durch den versus intercalahs eine strophische Gleichmftssig-
keit angedeutet werde. Ich selbst meinte (Fleckeisens Jahrb. 1863
S. 621 Anm.), er könne sich für diese Ansicht höchstens auf Auso-
nius * precatio consulis designati' und die Dirae berufen. Für die
letzteren, die seither öfters besprochen worden^ unterliegt die ge-
forderte Gleichmässigkeit keinem Zweifel mehr: ich selbst bin diese
Meinung zu begründen immer noch verhindert gewesen. Für Auso-
nius Gedicht sie klarzulegen werden einige Worte genügen.
Es erscheint in diesem Gedicht viermal wiederholt (v. 1, 28,
36, 44) der Vers:
lane, ueni; nouus anne, ueni; renouate ueni Sol!
Ihm zu Liebe hat man das Gedicht in vier Theile zerMlt, von
denen die drei letzten einander gleich oder fast gleich sind: mit
Ausschluss des Intercalaris siebenzeilig, der letzte achtzeilig.
Der erstere längere Theil aber, den man ohne Absatz von
V. 1 — 27 in den Ausgaben liest, zerfällt von selbst in vier sich
scharf sondernde Abschnitte:
">} Ep. 10 adult; ep. 122 de ausilio GRAMJiii» d. h. gramma-
tico, vgl. Prof. 11 GBAMM^BVRDf d. h. Grammatico Burdigalensi; Prof.
12 GRMCO ; Prof. 24 GRAMM B^RD€GAN ; Ludus : Drepanio PRocoesi^did (?X
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Die handschrifil. Ueberlieferang des Ansonins. 271
1. Einleitung: Ansonius Consul, der Höchste nach dem Kaiser.
2 — 4. Die eigentliche Precatio, a) günstige Witterung,
b) Fruchtsegen, c) glückliche Gestirne erflehend.
Der erste Theil hat fünf, die übrigen je sieben Verse.
Der Intercalaris, an die Spitze der Strophen gestellt, ist vor
Str. 1 syntactisch mit der Strophe verbunden durch den auf Sol
sich beziehenden Yocatiy:
Consulis Ausonii Latiam uisure curulem.
Das ist als falsch zu bezeichnen den übrigen Strophen gegenüber,
znnächst y. 29 (Hostibus edomitis ist mit lam uenit Augustus zu
verbinden; hiater Alanis ist statt des Punktes ein Komma zu setzen)
und V. 37. Auf v. 45 darf man sich nicht berufen; dort hebt ja
mit dem Imperativ Coge immerhin ein neuer Satz an. Aber wenn
ich eine enge Verbindung von v. 45 mit dem vorausgehenden Inter-
calaris zugebe , so wird es doch auffällig erscheinen müssen, dass
der folgende Vers mit einem so stark betonten Tu anhebt Dies
Tu hat ja dasselbe Gewicht wie die Wiederholung des Sol in dem
ersten Verse der voraufgehenden Strophe:
lane ueni, nonus anne ueni^ renouate ueni Sol.
Aurea uenturo, Sol, porrige gaudia lano.
Solche nachdrucksvolle Wiederaufnahme eines besonders wichtigen
Wortes des Intercalaris im folgenden Verse ist ein wohl gestattetes Kunst-
mittel. Daraus ergibt sich, dass v. 46 den Anfang der Schluss-
Btrophe bildet: der vereinzelte v. 45 Mit nun aus der Strophe heraus
— ich lasse dahingestellt, ob er eine Dittographie ist oder in die fol-
gende Precatio zwischen v. 7 und 8 gehört, die auf die unsrige Bezug
nimmt, wie sie denn auch mit Worten unserer Precatio (v. 7 Anne
bonis coepte auspicüs) anhebt — die Schlussstrophe stimmt also in der
Verszahl mit den übrigen ausser der ersten, und auch diese werden wir
nun auf die Sieben-Zahl bringen, indem wir die obgedachte Incon-
venienz durch eine Lücke, die die ersten Verse des Gedichts gleich
nach dem Intercalar verschlungen; erklären. Dreimal ist also der
Intercalaris zu ergftnzenl Ich kann mir denken, welche Schwie-
rigkeit die darin finden, die sich ein Product des Alterthums von
seinem Verfasser in allen Aeusserlichkeiten so redigirt vorstellen,
wie sie selbst es heut zu Tage nach langer üebung erst und kaum
noch mit Hülfe des geübten Setzers ermöglichen; die Kritiker , die
ein Schwanken z. B. in orthographischen Dingen bei den Alten für
ein Ding der Unmöglichkeit halten, denen ein Incipit oder Explicit
über der Linie als Barbarei erscheint Es wäre eitele Mühe, ihnen
die zahlreichen Stellen nachzuweisen, wo solche Auslassungen wohl
bezeugt und anerkannt sind, sie aufmerksam zu machen auf die
Gründe dieser Auslassimgen, die offenbar in missverstandenen oder
vernachlässigten Zeichen des Originals liegen. Worte, wie sie W.
Christ in der neuen Auflage seiner Metrik S. 651 wieder gesprochen:
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272 R. Peiper:
*Die Bemühungen neuerer Kritiker^ eine regelrechte 01iedei*ang her-
zustellen, rütteln theils zu sehr an der handschriftlichen üeberlie-
ferung, Üieils laufen sie auf viel zu complicirte Besponsionsyerhält-
nisse hinaus', sind nur als eine Mahnung zum Masshalten gut; ich
besorge weniger, so sichere Ergebnisse, wie beispielsweise die von
mir gefundenen ursprünglichen Formen Ton Catulls Parzenlied und
Vergils achter Ecloge"*), durch sie wieder in Frage gestellt, als
vielmehr den unbefangenen Blick und ästhetischen Sinn derer be-
mängelt zu sehen, welche sich femer zu Vertheidigem der bisher
üblichen Anordnung jener Gedichte hergeben, für die noth wendig
wenigstens eine bestimmte Absicht des Dichters nachgewiesen wer-
den müsste, eine Absicht, die doch nur auf Verhöbnung einer klar
und bestimmt angedeuteten Kunstform gehen könnte, mit dem Wesen
ihrer Gedichte also total unvereinbar wäre.
Im Einzelnen findet sich in unsrer Precatio manche Corruptel.
V. 6 lese ich mit Heinsius :
Hoc apice aetemis signat sua tempora fastis
statt Hoc capite. Derselbe verbindet Septembribus horis mit v. 10
Mordeat autumna frigus subtile pruina.
V autumnas — pruinas, worin wohl eher autumnis — pruinis liegt.
Stark ändert Heinsius im folgenden Verse:
Attenuata (oder At tenuata?) Notis certet modiocribus aestas.
V Et tenuata modis cesset; vielleicht ist nur moris c mediocribus
zu schreiben. Unerträglich ist v. 27:
Nonnumquam hospitibus fiuälis Cyllenius adsit.
Es muss heis.^en: Nee numquam — * adsit oder Non umquam —
absit: *C. möge stets in Verbindung mit Juppiter und Venus schei-
nen'. In Nonnunquam ist n vor u in der Hds. ausradiri
Im Technopaegnion bedarf das Capitel de litteris mono-
syllabis mehrfach der Berichtigung, theils auf Grund der Hb.,
theils durch Conjectur. Man schreibe ^^^):
V. 3 HTA quod Aeolidum quodque €i ualet, hoc latiare e.
V. 5 Hoc tereti argutoque sono negat attica gens o.
V. 20 Haec tribus in Latio tantum addita nominibus k:
praeualuit post quam, Gkunmae uice functa prius, c
atque aliam pro se titulo replicata dedit: g.
V. 26 Coppa fui quondam boeotia, nunc latium q.
V. 16 ist Pe, 17 Graeco mit V zu schreiben.
Sämmtliche Monosyllaba des griechischen und lateinischen Al-
phabets finden sich besprochen und als Versschluss verwendet: von
^*') S. meine Beiträge zur Kritik von Gatnlls Gedichten Breslau
1876, S. 16 ff. Fleckeisens Jahrb. 1864, S. 456 ff. — *«^) 3 €i fehlt
y I latiar V 5 egat V corr. Scaliger | o] vulg. 8 80 addit V 21 post-
quam vulg. 22 Adque V | G] C, V 26 cappaV 1 fui V | b^&ia V | Q] KV.
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Die handscbriftl. üeberliefenmg des Ausonins. 273
den laieiniflchen fehlen freilich die mit Yocal beginnenden f 1 r s,
m und n werden mit den griechischen Buchstaben gemeinsam be-
handelt, z 7 (z) als griechisch angesehen. Was kann da in v. 23
fCbr ein Buchstabe unter der Oestalt des O- sich bergen:
Ansis cincta duabus erit cum iota, leges Q-,
Ich kann nur an cäv für ciTliOt denken und verweise betreffs seiner
dem hebräischen Schiu entsprechenden Form a> V der Kürze halber
auf Passow-Bosts Handwörterbuch d. griech. Spr. 1852 11 1359.
Epist V, 17
An quia per tabulam medico pugnante notatam —
Das th5richte medico ist zu beseitigen; zunächst muss man aus den
Spuren der Hds. (edica) edicto herauslesen; dies also wird zu
prüfen sein.
Bpist V, 24
Ergo aut praedictos iam nunc rescribe Darios
Et redime, ut mora sit libera desidiae —
rescribe et redhibe ist wohl richtiger.
In Y. 2 dieses Briefes liest auch Heinsius expediens.
V.
Die Handschriften V und Z in ihrem gegenseitigen
Verhaltniss. Excerpt-Hdss. der Klasse Z.
Der Vossianus zeigt sich dem zuerst bekannt gewordenen Ge-
dicht-Corpus gegenüber als eine authentische Ausgabe. Man ver-
gleiche zunächst das frühere Über epigrammatum mit den aus Voss,
bekannt gewordenen Epitaphien- und Epigrammen-Beihen. Aber auch
die Disposition im ganzen macht den Eindruck der Wahrheit und
UnyerfUschtheii
Voran gehen:
1. drei Praefationes: Lectori, Syagrio, Theodosio (477*— 477^
469); es folgt:
2. Ephemeris, Ton der aus Z nur die Oratio bekannt war,
161—167 mit Incipit und Pinit;
3. Eclogarum Über, ohne Vorrede und Widmimg, mit Incipit,
das sidi mit dem in den Ausgaben stehenden im Inhalt nicht ganz
deckt: auch IdylL XIX («= 366 Herculis aerumnae) findet sich
darin;
4. Precationes pridie Eal. Jan« und Kai. Jan., Id. VIII, IX »>
332, 333;
Jahrb. f. olM.. Philol. SappL Bd. XL ^^^^^^^IJ^^ GoOglc
274 R. Peiper:
5 — 7. Parentalia, Professores, Epitaphia, die ersten beiden mit
Incipit, die letzteren mit Finit;
8. Epyllia (?) mit Vorrede an Drepanius Pacatus 471, in der
der Verfasser die folgenden Sachen als nugae und quisquiliae be-
zeichnet; es kann folglich von den auf diese Widmung folgenden Ge-
dichten nur Id. XV— XVm, Ecl. I, II (= 362 — 365, 368, 369),
nicht die weiteren gemeint sein. Der Titel fehlt;
9. Eine auf das Leben des Ausonius bezugnehmende Gedicht-
Reihe: Villula, Versus paschales (Id. in, I = 320, 317), die flir un-
echt gehaltenen und in den neueren Ausgaben fehlenden Versus rho-
palici (auf diese jedoch, und nicht auf 317 scheint die Einleitung
von 318 hinzuweisen), Epioedion (Id. 11 = 31 8, 319. lectori suo ist
die Widmung). Das Gedicht Villula mit Incipit, Epicedion mit In-
cipit und Pinit;
10 — 13. Vrbes mit Incipit; Technopaegnion (die Vorrede an
Paulinus fehlt); Ludus dem Drepanius Pacatus wie das Technop. ge-
widmet; Caesares nebst den Fastengedichten 147, 148 (149 und 150,
die Widmung an Proculus, fehlt) dem Hesperius zugeeignet;
14. Briefwechsel: a) mit Symmachus (vorauf der Griphus);
b) Axius Paulus; c) Theon; d) Hesperius (darin Genethliacon und
Protrepticus) ; e) Pontius Paulinus — an den des Paulinus oratio
angeknüpft wird — bei einigen kommt Incipit und Pinit vor; endlich
15. Epigrammata de diuersis rebus, wie das Anfangs -Gedicht
34 zeigt dem Proculus gewidmet
Man kann ja wohl Einzelnes in dieser Anordnung anders
wünschen, und selbst den Versuch machen, die Ordnung zu bessern;
wenn man beispielsweise das ganze Eclogarium mit den beiden Pre-
cationes hinabrückte hinter die vorläufig als Epyllia bezeichneten
Gedichte, so würde die in den Hendesasyllaben (471) gegebene
Charakteristik der Sammlung scharf hervortreten, die vereinzelten
Precationes aber, aus ihrer Vereinsamung gerissen, sich an die ver-
wandte Reihe wohl anschliessen. Eine derartige Versetzung ist
ja nichts ungewöhnliches. Für jetzt können wir solche Fragen noch
dahingestellt lassen.^^^)
Einen dem ganz entgegengesetzten Eindruck gewinnen wir von
den Z-Hdss., in denen zunächst in gewaltiger Unordnung das Über
epigrammatum erscheint, dann die Versus paschales, darauf wirr
durch einander eine Anzahl Briefe, nicht nach den Correspondenten
gesondert wie im Voss.; ein dritter Theil bietet Herculis aerumnae
und Caesares -Fragmente nebst Epigrammen, darunter auch eine
ecloge de mensibus; es folgt die prosaische Gratiarum actio, die
Spielereien Technopaegnion, Griphus und Cento, wiederum eine An-
^*^) Ein nicht imbedeutender Einwand dagegen würde schon der
Umstand sein, dass vor jenen Eclogen, die mit 872 ecl. V beginnen, ein
Incipit steht
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Die handschrifü. Ueberlieferung des Anaonins. 275
zahl Briefe (zu denen auch Epicedion und Protrepticas sich rechnen
lassen), dazwischen die Oratio matutina, am Schluss endlich Cupido
und Bissula: also ein planloses, wirres Sammelsurinm, das
wir nicht mit Hieronymus Alexander gewaltsam umordnen
dürfen.
"Dass nicht erst dem 15. Jahrhundert die Schuld beizumessen
ist, eine früher vorhandene Ordnung aufgelöst zu haben, ist leicht
nachweisbar aus den erhaltenen Excerpten dieser Familie, die, schon
in frühere Zeit zurückreichend, dieselbe Anordnung befolgen.
Für die Epigramm -Beihe zunächst beweisen es die Pariser
Excerpte im Cod. 18275 S. Xm^^^, dieselben enthalten:
^*') Die Hds., früher Cordeliers 100, entstammt dem 18. Jahrh. Sie
enth< FulgentiuB Fabulamm lifori ÜI. Physica editio super 12 libros
Eneidos. Expoaitio sermonum antiqq. ad Calcidium. Ferner den Brief-
wechsel des Beneca und Paulus. F. 23' Disce notas apicum quae sunt
primordia uocum — 21 Verse. Est ubi non imber nee ros dilabitor um-
quam — 28 Verse (die ersten vier in Biese's Anthol. 906 nach Pithoeus),
daim Martialis Xenia. F. 26J ein philosophischer Traotat: Quoniam, ut
ait TuUius in prologo rethoricorum — Am Ende sagt der Verfasser von
sich: -> apud Montem Pesulanum constitutus sum ab auditoribus meis
etc. Darauf folgen von derselben Hand zwei Bl&tter Ausoniana mit der
Uebersohrift 'In ausonio contra miselatos'. Die Titel sind nur bei ein-
zelnen Emgrammen gesetzt: 12 In simulacmm occasionis et penitentie.
Epit. 32 ^ytaphium anicie in ausonio. 19 Ad uxorem. 23 Ex greco.
83 Epytaphjum Veneris. 79 Cnpidini. 80 Veneri. 91 Ad Marcum. Daraus
erkennt man Anschluss an die ed. pr.; der Tilianns lässt diese üeber-
Schriften weg. Auf das letzte Epigramm (92) folgt:
Grande honns in musis tot secula condita cartis
quae sua nix tolerant tempora nostra grauant.
Inoipiunt monostica de erumnis Herculis. Darauf die Monostica 256 —
269, dann: Mellito nepoti Ausonins. Sunt etiam musis etc. (Protrepticon
1-17, 26—28). Darauf:
Ad amicam.
C Ecce rubes nee causa sähest: me teste pudicus
Iste tuns culpam nescit habere pudor;
Et uice populeae frondis tremis et uice lunae, »
Puniceam maculant lutea signa cutem;
Amplexus etiam nostros pucbbunda recusas
£t^ si teetis adest, osonla seua (sota m. pr.) fugis.
C Consuetodo ooulis nil sinit esse nouum.
Sich kann nicht sofort den Verfasser dieser Verse nachweisen, aber hat
loch selbst ein Bährens die Quelle des Dido- Epitaphs, das er Rhein.
Mus. XXX 604, und ich selbst ebenda XXXn 527, anfahrte — es steht
bei Orid. Her. VII 193 f. — nicht angegeben.]
C Nil metoam cupiamque nichil (Ausonii Oratio y. 59—78 und 58).
Darauf: De temporibus monostica (Ausonü ecloga n. 875). Ohne Tren-
nung folgt von derselben Hand:
C Dom petit haec dirom manus ob manus üla oatinum
Dum manus haec ibat manus altera plena redibat.
C Cemla quae patolo luoet ficedula limbo
com tibi sorte datur si sapis adde piper.
Digr
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276 B- Peiper:
Epiffr. 6
Epigr. 49
t8 V. 7 f."«)
79
tio
80
12
tsi
tepit. 82 (249)
t82
Epigr. 13
t83
19
89
123
90 V.
33
91
136 V. 7—10
t92
tepit 31 V. 1, 2
tEpigr. 72
78
Das ist die Ordnung des Tilianus; aber auch der Text selbst weist
uns auf diese Familie bin.
Für die übrigen Tbeile der Sammlung bestätigt es nun der
erste Guelpherbytanus (Gud. l45 chart.), geschrieben zu Jadra
1445, der ohne jenes Zeugniss freilich weniger Gewicht bean<
Sprüchen dürfte. *Hec sunt carmina que reperiuntur de omni
opere Ausonii Theonii'. Epigr. 3. 5. 6. Epit. 36. Epigr. 8.
45. 147. 10. 11. Epit. 32. Epigr. 13. 19. 20. 119. Epit. 28.
Epigr. 42. 70. 120. 71. 127. 78. 23. 79. 80. 81. 86. Epist. X.
Cupido (324. 325), Bissula 330 und 331. Cento nuptialis. Explicit
Am Iadr§. YIIU^ kr Augusti 1445. Ego Baptista dedus Feltrien
dum Cancellarius essem. W. Capitan ladrf transscripsi. Zu Hyadra,
erinnern wir uns, ist auch Kings -Ms. 31 im J. 1475 geschrieben.
^Bonae notae f uit archetypus' hat bereits Brandes S. 10 seiner Disser-
tation anerkannt Die Folia reota der Hds. sind oben mit einem
rothen F, die Folia versa mit rothem AV, f. 1' und 9", wo Dedos
Hand aufhört (f. 10 ist leer), mit F AV bezeichnet. Von alter Hand
sind die Blätter anders numerirt: .171. bis .180. — Auf f. 11'
und 1 1° folgt von anderer Hand und anderer Tinte schön geschrieben
die Egloga de ambiguitate uit^ (Idyll. XV). Auch das Papier
ist em anderes: foll. 1 — 10 haben als Wasserzeichen einen Stern, f. 11,
mit dem unbezifferten Blatte vor f. 1 zusammenhängend, eine Wage.
*Die zwei den Umschlag bildenden leeren Blätter führen als Wasser-
zeichen einen Narrenkopf mit Schellen behangen.
Der zweite Guelpherbytanus (Augustanus, 10, 9) f. 36' —
46' enthält dieselbe Sammlung; aber er ist nicht aus der Hds. von Jadra
abgeschrieben und steht, trotz guter Schrift, jener^ durchaus nach.
C Lectio crebra ualet quam non oblimo tollit
et recolis plane cum tibi prebet opus.
proficit hie numquam cui 'sepe "lecta nouantur;
nam perit eziguo lectio lecta diu;
quod putat esse aliud hoc erit illud idem.
Die letzteren gehören einem mittelalterlichen Gedichte 'Liber V clauium'
au (y. 67 ff.). F. 56'' enth< Proben aus Martialis (14. I 8, 5 f. I 16,
11 f. Il8. 119 etc.). — '^") Durch voigesetzteB Kreuz bezeichne ich
die auch im VoBsianus erhaltenen Stücke.
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Die handachrifbl. üeberliefening des AuBonins. 277
Die üebersclirift lautet hier: ^Ausonii Theonii ex omni opere &ag-
mentum'. Am Ende : Finis. Ansonii Poet^ &agmenta expliciunt. Idyll.
XV fehlt. Hinter den Priapea (f. 47 — 68') folgt eine Beihe leerer
Blfttter; auf der letzten Seite finden sich Ausonius Epigr. 83 und 82
mit Angabe des Verfassers (Ausonius und Idem). In diese Excerpten-
Sammlung gehören letztere Beide nicht, sie müssen aus anderer Quelle
geschöpft sein; und wirklich finden sich beide in dieser Umstellung
bereits in einer Vorauer Hds. des 12. Jahrhundert (n. 111),
über welche Wattenbach im N. Archiv II 403 berichtet hat; hier
ist aber der Name weggelassen und in 82 heisst es fehlerhaft: est
gratia namque est, und: properas. Eine ältere Quelle also liegt beide
Mal zu Grunde.
Dieselbe Sammlung ist es offenbar, die im Cod. Marcianus
cL Xn, cod. Vm Chart, s. XV in 4^ f. 93 — 99 vorliegt: Ausonii
Theonii poetae praestantissimi carmina ex omni opere suo deflorata.
Näheres über sie habe ich nicht mitzutheilen.
Jenes Pythagoricon (Id.XV,n. 362) hat zuerst Avantius 1507
publicirt; sein Text schliesst sich eng an den Gudianus an, mit dem
er auch in v. 26 ducere statt degere liest. Von einem Cod. Ve-
netns s. XV (codd. latini cL XII c. LXIX) hat soeben G. Götz in
Fleckeisens Jahrb. 1878, Bd. 117 S. 768 Nachricht gegeben. Er
enthfilt einen besseren und vollständigeren Text als der Gudianus.
Das Gedicht steht nSmlich auch in Paris. 8500 mit Hinzufügung des
von Götz mitgetheilten christlichen ürtheüs. Und nach dem oben
Gesagten muss das die Quelle sein, aus der Avantius es entnommen.
Wenn Beide offenbar auf die für Avantius genommene Abschrift
des Parisinus zurückgehen müssen, so bietet doch Gudianus schon
den von Avantius überarbeiteten Text, der Venetus die Original-Les-
arten; letzterer gibt das Schlussstück vollständig, der Gudianus lässt die
Ueberschrifk sammt den griechischen Versen aus. Ich darf wohl das
Stück nochmals abdrucken lassen mit den Abweichungen der Hdss.:
Haec quidem pythagorica est apophasis secundum tale quod
subiectum est distichon:
TTpdrrov \ii.y ^f| qpOvai iy dvOpuitroiciv äpicrov,
b€UT€pov ÖTTi xdxiCTa TcOXac 'Aibao nepficai.
1—4 lässt G(adiana8) weg, in M(arcianuB) sind von 1—2 am
Bande nur *noch die Worte Pythagorea apophasis .... Disticon er-
kennbar. 1 poetagorica P(ari8ina8) pythagorea M | apofasis P apo-
phasis M acroasis G. Götz.^^*) 3 ttpCna PM | 90ivai P | ovcpumoiav P
4 öeurpov P | ort M | iruVa .i. bao P nuXac abao M | ircpncat P trepacai M
"*) Voreilig, vgl. Diog. Laert. I 40: öiacpujvoOvrai bi xal dTco-
<pdcetc ain^.
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278 ß. Peiper:
5 Contra sed alterius sectator dogmatis ista
Quid doceat reprobans subdita disce legens:
Ergo nihil qnoniam uita est qiiod amemas in ista,
Nee tarnen incassum fas est nos credere natos,
Auetorem uitae si iustum credimus esse,
10 Vita alia est nobis illi uiuendo paranda,
Cum quo post istam possimus uiuere uitam.
Illi equidem stygias properent descendere ad umbraa,
Fythagoreorum stolidum qui dogma secuti
Non nasci sese quam natos uiuere malint
6 quod P 7 nil G 8 in casum P 9 Autorem P 10 nobig est G
12 Illaque P correxi, Illi autem MG | etigias P 13 Pitag. PG Pithag.
M I quid P 14 sese] esse P | mallint P malunt GM | Finia G
Dies Stück wird sich nicht so ohne weiteres aus dem Ausonius
ausmerzen lassen: sein Ursprung ist alt genug, es entstammt dem
Archetypus. Wer sollte auch später von den zu Grunde liegenden
Stellen Eenntniss gehabt haben ^^), von Theognis 425 f.
ndvTU)v iLifev |Lif| q)Ovai inixOcvioiciv äpiCTOV
|iiT]b' dcibeiv aurdc 6£^oc T^eXiou*
<l)uvTa b* öiruic ujKicra uiiXac *Aibao n€pf)cai
Kai KCtcBai noXXfjV ff\y iiiaiir\c&iitvov.
Oder von den damit zusammenhängenden Worten, die Silenus
dem Midas gesagt haben soll:
'ApxT|V fiiv |Lif| q)Ovai dTrixÖovioiciv Äpicrov
q)\3vTa b* önujc djKicxa tniXac 'Atbao irepfjcai.
Der Yossianus hätte uns auch dies Stück bewahren müssen,
wenn er getreue Abschrift des Archetypus enthielte; aber selbst die
Ueberschrift der Ecloga ist in ihm verkümmert:
ex greco pytagoricon de ambiguitate eligende uite. V
Incipit egloga eiusdem de ambiguitate | uite elegende
iuxta grecum poeantis bicto|co driame ixibon .i. quam
quis uite percurrat uiom. P
TToliiv TIC ßiÖTOio xdjuiiji rpißov beginnt des Posidippus oder
des Komikers Plato Epigramm Anthol. Pal. IX 359, zu dem uns die
Hds. in bpdjLiij eine alte, bisher unbekannte Lesart bietet, die
allerdings den Vorzug nicht beanspruchen darf, aber doch den Gon-
junotiv TäjLii}, der aus Stobaeus floril. XCVIII 57 jüngst eingesetzt
worden ist statt des Optativs, bestätigt.
Ich will hier die Handschriften einzelner Stücke der Tiliaaus-
Hdss. aufführen:
^*^ Man sehe die Nachweisungen bei Bergk zur Theognia^SieUe.
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Die handschriftl. Ueberlieferung des Ausonins. 279
Harlejanus 2599, gesohrieben zu Verona 1471. Er enthält
mir Versns paschales (317, id. I) und Protrepticus v. 1 — 13 (322
id. IV) mit der Unterschrift ^Explicit Qryphus'. Voran aber geht
das Prooemium des Juvencns mit der Ueberschrift ^Versus Decimi
Magni Ansonii', welches, nach dieser Hds. wohl, von Avantius 1507
nnter die Ansoniana gesetzt wurde.
Einige Epigramme stehen nach Bandini UI 801 ff. mitten
unter Philelphus Werken in einem Cod. Laurentianus chart. s. XV.
Es sind: 58. 44. 3. 6 und 119. 118. 42. 23. Indessen ist 118 ein
Irrthum; s. oben 8. 227.
Unbekannt ist mir geblieben Parisinus 8284 mbr. s. XV
(olim Tellerianus) MartiaJis aliorum etiam Ausonii nonnulla epi-
grammata. Ebenso Monacensis cl. 7471 (III 1238) s. XV— XVI
f. 62' epitaphia Dymii (*Heus bone quis? Dymus — ), Cynici euius-
dam philosophi (^Condor ego hie cynicus — ), epigr. Ausonii de
cjnigo Diogene. Bernensis 211 s. XV ex. enthält unter 26'*
Epigr. 11 Echo ad pictorem.
Ich will hier auch die handschriftlichen Auszüge aus alten
Drucken verzeichnen, die mir bekannt geworden sind:
Wenn die Oratio matutina einzeln in Handschriften s. XV ex.
erscheint, dürfen wir mit Sicherheit auf eine Abschrift aus einem
alten Drucke rechnen; so z. B.:
Cod. Venetus Marcianus, cL XIV c. CCXXX s. XV chart
in 4^. p. 1, einst im Besitz des Jao. PhiL Thomasinus, später dem
Jac. MoreUi gehörig. Thomasini führt in seinem Werke über die
Bibliotheken von Padua auch s. 136 eine Hds. im Besitze des aus
Kopenhagen stammenden Prof. med. Johannes Bhodius an, dessen
'ganze Bibliothek vielleicht' nach Blume Iter I 173 in die Dom-
bibliothek zu Padua übergegangen ist. Vermuthlichist der Marcianus
diese Hds.
Cod. Wratislauiensis biU. regiae et uniu. IV F 36 chart.
in folio B. XV ex. f. 102.
Cod. Ambrosianus F 36 Sup. chart. s. XV.
Auszüge eines Drucks sind auch die Excerpte des Cod. Ambro-
sianns P 83 Sup. Chart s. XVI. Er enthSlt:
12. 45. 11. 21. 27. 31. 46. 47. 51. 52. 54. 56—68. 71. 74.
30. 95—98. 118. 129. 130. 106. 135. 141. 37. 36. 38. 285+286.
287—298. 24. 25. 2. 6. 253 (= epit 32). 35. 250 (— epit 33).
13. 39. 55. 77. 78. 408 v. 14—24. Und zwar liegt, wie die Reihe
der unechten Epigramme 118 — 141 bezeugt, eine Ausgabe des
Ugoletus oder eine spätere zu Orunde.
Praktisch ist man zum Behufe einer Ausgabe genöthigt, eine
Trennung dessen, was die Familie Z Eigenes bietet von dem, was ihr
mit Vossianus gemeinsam ist, vorzunehmen; imd da wird einerseits
eine üebersicht über das jeder Handschriftenklasse Eigene die
Frage auftauchen lassen, ob jene Stücke in ihrer Vereinigung den
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280 B. Peiper:
Charakter einer Sammlung an sich tragen, andererseits bei dem
gemeinsamen Gut die Frage, woher dasselbe stamme, wie es sich
mit dem Eigenthum der Familie Z verbunden habe, nahe legen.
In der That, wenn wir die auch im Vossianus vorhandenen
Stücke aus Z ausscheiden, so gewinnt die Sammlung Z einen ziem-
lich bestimmten Charakter, sowie auch die Anordnung dann als
eine leidlichere erscheint:
1. Epigrammata.
2. Epistulae.
3. Minora quaedam carmina. 108. 375. 109—114. 146.
4. Gratiarum actio.
5. Cento. Cupido. Bissula.
Wenn ep. XX (410) an Paulinus zwischen Cento und Cupido
unter Briefen des Vossianus erscheint^ so werden wir das als kleine
Störung ansehen und dieselbe beseitigen dürfen, so gut wie die
Transposition der Bissula-Praefatio an ganz fremde Stelle (mitten
hinein in ep. XI ^^ 400). Wir werden femer nicht Nachlässigkeit,
sondern Absicht finden dürfen in der Lostrennung von ep. Xu — XIV =
401 — 403 von den anderen Briefen des Axius Paulus: es sind grie-
chische und griechisch-lateinische Spielereien, die Ütesten Beispiele
makaronischer Poesie ^^^, und darum von den übrigen gesondert und
ans Ende der sämmtlichen epistulae gestellt Dann stört nur noch
der die Paulinusbriefe trennende Brief an Ursulus, ep. XVIIL = 408,
die Ordnung; welche wahrscheinlich parallel der im Vossianus ein-
gehaltenen — Symmachus, Axius Paulus, Theon, Hesperius, Paulinas
— an erster und zweiter Stelle den Briefwechsel mit Axius und
Paulinus, zum Schluss den mit den dort nicht vertretenen Freunden
Tetradius und Probus hatte, denen wir nun wohl den ürsuluB un-
bedenklich zugesellen dürfen.
Unter den Epigrammen (von deren langer Reihe im Ganzen
wir hier noch absehen) finden sich die beiden Widmungsgedichto
der Fasti an Proculus (149. 150) — die Widmung an Hesperius
147 steht in Z sowohl, wie im Vossianus, die Supputatio 148
fehlt in "Z. Unter den kleineren Gedichten findet sich eine einzelne,
im Voss, fehlende Ecloge. Das macht, wie die Briefe, alles den Ein-
druck einer Nachlese zu dem im Voss, vorhandenen Corpus der
Opuscula. Eine solche Nachlese, von Anderen angestellt, die mit
dem Hauptcorpus natürlich bekannt waren und darauf Bezug nahmen,
konnte auch Dinge bringen, von deren weiterer Veröffentlichung
der keusche Charakter des Ausonius wohl Abstand nehmen musste,
den Cento, oder die immerhin bedenklichen Bissula-Gedichte,
die ihn, den betagten Greis, leicht Ificherlich machen konnten; sie
konnte die Gratiarum actio hinzufügen, die zu publidren, be-
sonders unter lauter poetischen Produkten, seine Absicht nicht ge-
^*') Worauf B. Köhler in Rh. M. XII 434 aufinerksam gemacht.
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Die handschrifU. Ueberlieferang des Aasoniiu. 281
wesen sein mag, oder jene makaronischen und griechischen-Tttn-
deleien, von denen etliche auch unter den Epigrammen Au&ahme
gefunden haben.^^^ Man darf nicht annehmen, dass Ausonius alles,
was diese Nachlese bietet^ mit Absicht ausgeschlossen habe aus
seiner echten Sammlung: manches mochte ihm damals nicht zur
Hand sein, wie ein Theil der Briefe, einzelnes nach Abschluss der
Hauptsammlung sich ihm noch zum Verse gestaltet haben.
Dieser Nachlass des Ausonius, mit Bücksicht auf die von dem
YerÜEisser selbst veranstaltete Sammlung zusanmiengestellt, muss
darum auch äusserlich mit derselben in Verbindung gebracht worden
sein, muss einmal den zweiten Theil einer Handschrift der opuscula
gebildet haben. Die Frage, woher jene Stücke in Z stammen,
die auch der Vössianus bietet, kann sich voraussichtlich nicht anders
beantworten als dahin: es sind das Fragmente der Hauptsamm-
ung. Betrachten wir die Vertheilung dieser Stücke auf die Blätter
des Vössianus:
1 (SV*^) Oratio Voss. f. 1^ 2'
2 (4) Monosticha de Herculis aerumnis Voss. f. 4'
3 (1; Versus pascales Voss. f. 17'
4 (9) Epicedion Vosg. f. 18'
5 (5^ Technopaegnion Voss. f. 19^ col. 2 bis 21^ col. 1
6 (3) Caesares, monosticha Voss. f. 23' col. 2
tetrasticha XHI— XVin Voss. f. 24' coL 2**»)
7 (6) Griphus Voss. f. 24^ col. 2, 25' und "
8 (2) Ep. Vm ad Axium (14 Verse) Voss. f. 27' col. 1
9 (7) Ep. IV ad Theonem Voss. f. 27^ col. 1 bis 28' col. 1 "®)
10 (10) ProtrepticuB Voss. f. 30* col. 1 unten bis 31' col. 1,
da Iftsst sich denn doch schwer die Vermuthung unterdrücken, dass
ein in der Vertheilung von dem erhaltenen Vössianus nicht gar
stark abweichender Codex ausser der ersten Hälfte des ersten
Qaatermo seinen dritten und vierten Qnatemio &st vollständig zu
dieser Sammlung hergegeben habe.
. Q, ni: 17 18 19 20 = 21 — 23 24
. Q. EH: 25 — 27 28 = — 30 31 —
Die Blätter der Hds. sind natürlich vielfach verstümmelt zu
denken, manche Gedichte und Gedichttheile, die auf ihnen standen.
^^') Man darf auch woh} von episr. 105 annehmen, dass Ausonius
Scheu trog, es eu veröffentlichen, da der Name der Angeredeten, GaUa,
einem Mi&liede der kaiserlichen Familie, der Schwester seines Schülers
und WohlUiaters Gratianus gleicherweise gehörte. — ^*^) Die erste Zahl
ordnet die Stücke nach dem Vössianus, die in Klammem gesetzte gibt
die Ordnung in Z an. — ^*^ Auf dieser Columne stehen über Nenra nur
noch die beiden letsten Verse des Domitianus; mit Commodus v. 4
schliesst dieselbe. — ^^^) Von den eigentlichen Briefen sind also nur diese
beiden in Z übergegangen, die auf den verschiedenen Seiten eines und
desselben Blattes un Vössianus stehen, fireüich getrennt durch ep. IX.
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282 B. Peiper:
waren gar nicht mehr lesbar oder so lückenhaft, dass ihre Ueber>
tragong sich als werthlos erweisen mnsste. Besonders schlimm ist^
wie uns eine oberflftchliche Vergleichong lehrt, ausser dem Techno-
paegnion, von dem noch in einem besonderen Capitel gehandelt
werden muss, dem Epicedion mitgespielt worden, welches dem
Technopaegnion vorausging: es ist ohne Vorrede und um ein ganzes
Drittheil seines Umlsuiges gekürzt nach Z übertragen.^^) Dem Pro-
tr opticus sind nur vier Zeilen der Vorrede entfremdet worden, in
ep. IV sind 2 Verse (69 und 87) verloren gegangen.
Unlesbar waren also geworden:
Auf Q. ni:
Id. in de herediolo, den Versus Pascales vorausgehend,^f. 1 7' d. Voss.
Versus ropalici, den Versus Pascales folgend, f. 17'' „
Ordo urbium, zwischen Epicedion und Technopaegnion^ f. 1 8^ 1 9*^ „
Ludus, zwischen Technop. und Caesarum monosticha, f. 21^22 „
Caesares, der grösste Theil derselben, f. 23^ „
Auf Q. mi:
Fast sämmtliche Briefe zwischen Griphus und Protrep-
ticus, dann zwischen Protrepticus und Oratio Paulini
mit Ausnahme von zweien, die auf f. 27 standen ^^^): f. 26' bis 35^
d, Voss.
Die Einordnung dieser Fragmente in den Inhalt von Z ist im
Ganzen sachgemttss erfolgt, aber ohne zu grosse Abweichungen von
ihrer ursprünglichen Reihenfolge, wie sie uds durch Vossianus ver-
rathen wird« Die Versus Pascales voran — ab loue principiunEi —
ein andrer würde vielleicht die Oratio an diese Stelle gesetzt haben;
ep. Vni ist richtig mit dem Briefwechsel des Axius verbunden
worden; die Caesares mit den Epigrammen; die Spielereien Techno-
paegnion und Griphus fanden passende Gesellschaft am Cento, und
dahinter einten sich die ernsteren Gedichte Oratio, Epicedion, Pro-
trepticus. Ep. IV an Theon ist sicherlich mit dem Briefe XX an
Paulinus aus der ursprünglichen Stellung durch ein und dasselbe
Geschick verdrängt worden.
Die Handschriften des Technopaegnion.
Die Abweichungen zwischen V und Z innerhalb des Textes
jener gemeinsamen Stücke sind nun in der That sehr zahlreich, aber
^«>) Es fehlen 21 Vorse von 64, n9inlich 13—16, 19—26, 29-— 34,
39 und 40, für 43 wurde nach Anleitung des Metrams der Raum ana-
gespart. — In den Monosticha Gaesaram fehlt nur ein Vers, t. 9 des
vorletzten Abschnitte (Tempus imperii). — ^^') Fehlten diese beiden, eo
könnte man auf ein absiohtlichefl Weglassen aUer Briefe schliessen, deren
Inhalt die Mühseligkeit der Abschnfk von einem so mitgenommenen
Exemplare nicht au lohnen schien.
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Die handschriftl. Ueberliefenmg des AusoniuB. 283
man ist zu rasch bei der Hand gewesen mit Annahme zweier ver-
schiedener, vom Dichter selbst besorgter Ausgaben: von denen uns
V die erste, Z die zweite darstellen soll.*^) Denn es stelien sich
doch in d^n meisten Stücken die Aendernngen in Z im grossen
Ganzen als einfache Textverschlechterungen dar, nur im Techno-
paegnion sind sie bedeutender und könnten für mehr gehalten werden.
Zum Glück steht uns grade hier ein reichlicheres Material zur Prü-
fung dieser Frage zu Gebote; auf der Seite von V die Leidener
und Pariser Excerpte (vp), auf der von Z die Stücke im Canta-
brigiensis (C).
V = Leidensis Voss. Q. 33 f. 112^: die bekannte Hds., aus
zwei Theilen zusammengebunden, von denen der erste nach Angaben
auf f. 1'. bl\ 68' ex bibliotheca Schobingia, die zweite f. 62'' ex
bibliotheca Goldasti in Isaak Vossius Bibliothek gekommen ist.
Ueber ihn s. H. Keil, Gramm, lat. m p. 389 ff. A. Riese's Anthol.
lat. n p. XXVI f.^*) — Bei Toll ist es der Tertius Vossianus.
p = Paris. 2772 s. X— XI f. 79', Technop. n. 339. 340 B.
341, über ihn Biese AnthoL lat. II p. X; auf f. 107^ de signis et
temporibus XII (ecl. 15 n. 382) ist nicht derselben Quelle entlehnt.
C = Cantabrigiensis Univ. Library Kk, V, 34 (n. 2076)
8. IX — X. ^A small and rather tall quarto on vellum, of 47 leaves,
eaoh page containing about 20 lines, neatlj but corruptlj written
in a verj earlj half-Saxon band, witli almost no contractions,
which may perhaps be assigned to the IX^ or X^ Century. The
tiües of the works and the initial letters are simply coloured,
without any kind of omameni Yarious later hands occur throughout
the volome.' So der Catalog. Den sonstigen Inhalt verzeichnet
Zangemeister in den SB. der Wiener Ak. 1877, Bd. 84, S. 550.
Vgl Th. Dehler im Rh. Mus. I 135 (Ritschelii opuscula III 840 f.
M. Haupt Ind. lect. Berol. aesi 1854 p. 2 (Opuscula II 27
0. Bibbeck Appendix Yergiliana p. 35. Munro Aetna p. 29.
Von den Ausonianis enthält er als n. 2 die Oratio matutina
f. 1 — 3^, darauf die metrischen Stücke des Technopaegnion (als
n. 3 — 13) in folgender Ordnung:
345 V. 19 bis 349 ex., 339 bis 345 v. 18.
Ich gebe im Folgenden eine Uebersicht der in den einzelnen
Hdss. enthaltenen Theile des Technopaegnion:
1^) E. B&hreo8, Zu Ausonius N. Jahrbücher CXIII 1876, S. 151 ff.
— ^^*) Zwei rftthaelhafte griechische Zeilen auf f. 75^ lauten:
dr aptuc uyky^ fyHtBHWeVC
H-f-l-CKyeVPdVHPBG) C CCÖPPyPyWT mpr
Das scheint zu heissen: dicitur apertus sine parte beaius, nascitur
a uerbo cum corripiatur apertus.
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284
B. Peiper:
Ed. Souchay
Voss. 111
Voss. Q 33
Paris. 2772
Cantabrig.
Tilianns
337 (prc^a) Pacato
V
V
338 ^rosa) Paulino
—
—
—
—
T
339
V
V
P
C
T
340 A (prosa) . . .
340 B Pacato
V
V
—
T
V
V
P
c
T
341
V
V
P
c
T
342
V
V
c
T
343
V
V
—
c
T
344
V
V
—
c
T
346
V
V
—
c
T
346
V
—
—
c
T
347-
V
—
—
c
T
348
V
—
—
—
349
V
—
—
c
T
Offenbar liegt uns in C ein Text vor, welcher die Grundlage
für die Z -Texte bietet. Jener Text ist aber (von singulären
Fehlem dieses Exemplars abgesehen) ^^^) noch frei von zahlreichen
Verderbnissen, die wir in den Z-Handschriften (zunSchst in T «» Tilia-
nus und G «» ed« princeps) finden:
Oratio v. 8 — 16 fehlen in C noch nicht Der Titel lautet in
C noch Oratio, in TG Precatio 51 archanis VPC camis TG
Technop. 341 de membris VvpC hominum ftlgt TG hinzu 346
floriparum V floreparum C floriferum TG 339, 1 fragiles VCG
facüesT fors VC sorsTG 2 Fors VC Sors TG 3 finita VC sine
fine TG 343, 4 vorhanden VC fehlt TG 9 genius VC gns T
genus G (daher conjicirt Girardinus: genus hoc) 344 de cibis VC
de cibis nostris TG 345, 15 umgestellt C, darum ausgelassen TG
nach y. 18 neue Bubrik de gentibus C, de quibusdam fabulis TG
23 und 24 vorhanden C fehlen TG 26 secus C scelus TG 347,
12 vorhanden C, fehlt TG 349 Titel vorhanden C fehlt TG 8
an latii VC anni TG v. 9 umgestellt C fehlt darum TG u. s. w.
Die Herleitung der Stücke in C und derer die Z mit V gemein-
sam hat aus Fragmenten erklärt einerseits die Auslassung ganzer
Theile des Technopaegnion und die Zerrüttung besonders der Theile
345 und 349, andrerseits die Vorzüge, die gleichwohl C im Wortlaut
vor V in Anspruch nehmen darf, wie wir sehen werden. Wir wür-
den aber schwerlich im Stande sein, die grossen Differenzen von Z
''^) Oratio 6 contra statt coram 34 infecit st adiunxit 89 nebula
st. nubila etc. Technop. 339, 9 infesta st. infrena 14 irrigat st rigat
340, 5 LEX st. FOBS 341, 3 infecta st. inuicta 342 v. 8 fehlt 343«
10 NAS st NAB 11 pias st. piat 345, 6 MONS st SOBS 11 cos fehlt
16 saeua st sera 349, 1 ride st stride 2 condemnas st condemnans
5 catalecta st catalepta etc. etc. An allen den Punkten, wo die
Z-Tezte mit V sich einigen gegen G, müssen wir selbstver-
ständlich dem Cantabrigiensis Unrecht geben.
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Die handBchrifü. üeberlieferang des Aasonins. 285
und C rationell zu erklären, wenn wir C nur als Excerpte einer
alten Z-Hds. gelten Hessen, d.h. einer schon durch die Fragmente
der Hanptsammlung verstärkten Abschrift des Nachlasses. Wir
müssen vielmehr C als coordinirt den Z-Hss. betrachten; er ist
dir e et aus eben jenen Fragmenten herzuleiten, aber er beruht auf
einer Abschrift die früher genommen ist, als die welche in den
Nachlass übergegangen ist. Und zwar muss der frühere Abschrei-
ber auf den schwer zu entziffernden Blättern seine Eestitutionsver-
suche (wenn er sie nicht zum Theil selbst schon vorfand) hinter-
Isssen haben ^^^): das erklärt uns die üebereinstimmung beider Ab-
schriften in diesen Puncten.
In den grossen Veränderungen, die CZ gegen V aufweisen in
Techn. 34d u. 349, eine nachfeilende Hand des Dichters zu
entdecken bin ich völlig ausser Stande. Ich finde nichts wie Zer-
rüttung.
Wenn in 349 v. 3 als viertletzter Vers in andrer Gestalt er-
scheint, so liegt darin nur eine gewaltsame, der Intention des Dich-
ters fremde, Verbindung mit den übrigen Ennianis vor, welche in
bester Absicht von einem Fremden vorgenommen wurde, der die
Anfangsworte nicht mehr entziffern konnte. Nach der Zeit, als für
Z Abschrift genommen wurde, war auch v. 4 unlösbar geworden,
der darum in TG fehlt, v. 5 und 6 sind schon in C zusammen-
geschweisst — von letzterem Verse war nur noch das Schlusswort
TAV sichtbar — wer dürfte wagen diese Verkürzung dem Dichter
aufzubürden! Darauf folgt in C v. 9, den TG ganz und gar weg-
lassen. Beides, die Umstellung und die Auslassung, muss in dem
Zustande der Vorlage begründet sein. Vielleicht war der Vers an
den Band geschrieben und wurde das eine Mal falsch eingesetzt, das
andre Mal ganz weggelassen. (Freilich wäre auch eine spätere
Auslassung in T denkbar, indessen verweise ich auf das folgende
Beispiel.) Auf mangelhaften Zustand des Archetypus deutet mir
übrigens auch v. 7 hin, der die aus den Catalepta genommenen
Beispiele auseinanderreisst und schwerlich von Ausonius selbst diesen
Platz erhalten hat
AehnUch verhalten sich C und Z zu einander in 345: da wird
V. 14 hinter v. 16 gestellt in C, in Z aber ausgelassen, v. 17 ist
hinabgerückt hinter 24 in C, hinter 22, nachdem v. 23 und 24 weg-
geÜEdlen, in Z. Die Gründe für den Wegfall sind klar: 24 fand sich
in andrer Fassung hinter 346, 5; an beiden Stellen steht er in C;
an der ersten ward er dann für Z getilgt; v. 23 war schon vorher
afficirt und ist später ganz unlesbar geworden. Wenn in GZ nach
V. 18 ein neuer Titel, in beiden gleich unpassend, eingeschoben
^^ Gerade wie uns heute im Vossianus oft genug die Möglichkeit,
die alte echte Lesart zu entziffern, durch fiftlsche Entzifferungsversucbe,
die darüber gemalt sind, genommen ist.
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286 R. Peiper:
wurde, so lag das an dem völligen Ausfall eines Verses in dieser
Gegend, und man kann das wohl mit der ümsteUung von y. 27 in
Zusammenhang bringen. Zufällige Verschlechterungen späterer Zeit
mögen die Auslassungen von 343, 4 und 347, 12 in TG sein.
Auch die Splitter des Technopaegnion in den Hdss. y und p
können wir nur als rersprengte Trümmer^ nicht als Ezcerpte einer
vollst&ndigen Sammlung oder auch nur des vollständigen Gedichts
ansehen. Die Auslassung der Vorreden^^^), wie des Stückes 348 de litte-
ris, das Abbrechen in p hinter 345, das von v hinter 346 v. 25
beruhen alle auf demselben Grunde: dass die Abschreiber nicht mehr
von dem Technopaegnion vorfanden. ^^)
Die Stellung der Hdss. VvpCZ zum Archetypus und unter-
einander ganz genau zu bezeichnen istt wegen des geringen ümfangs
von vp unmöglich: aber es sind merkwürdige Berührungen zwischen
ihnen vorhanden welche verrathen, dass die Verfassung des Arche-
typus direct oder indirect an allem Fragmentarischen die Schuld trägt.
Merkwürdig ist das Zusammengehen der einzelnen Glieder die-
ser Kette in den Auslassungen:
Vv lassen die zweite Vorrede an Paulinus weg,
pC lassen beide Vorreden an Pacatus und Paulinus, und dazu
340 A weg,
Z lässt die erste Vorrede an Pacatus weg.
Für die engste Verwandtschaft von Vv haben wir zahlreiche
Zeugnisse; p und C stehen in anderem Verhältnisse — p gehört wie V v
zur Vossianusfamilie — indessen finden sich doch auch sonst Be-
rührungen zwischen beiden^ die uns dahin führen, einen Archetypus
für alle diese Hdss. anzunehmen.
Vv stimmen selbst in ganz thörichten Fehlem miteinander
gegen CZ:
339, 2 que fehlt VW 340A, 1 bibiam Vv 342, 1 dos]
uox Vv 8 arx] rex Vv 343, 11 periuria] peiuria Vv 12 ueli-
uoli] ueliquoli V uelicoli v 344, 10 quinquegenus] quinquete-
nis V quinquegenis v 345, 2 eCt] et Vv 4 periurum] peiurum
Vv 8 quo] quod Vv 11 aconita] acotina Vv 15 opima C (der
Vers fehlt Z) picna V pugna v 18 euboicis] aeuoicis V aeboi-
cis V 19 20 generat — ueotus] genera uict(uru8) mit Auslassung
der Worte quem — aera Vv 21 uim] ü V ut v.
Indessen kann v nicht aus dem Exemplar V, V nicht aus v
abgeschrieben sein^^^):
'*^ Ein absichtliches Auslassen der prosaischen Stücke würde man
allenfalls für C annehmen dürfen, aber nicht für die kleine Partie 389—
341, ohne 340 A, in der Hds. p. — "•) Die Umstellung in C (846, 19
bis 849 vor 889—346, 18) ist em singnlärer, erst auf die Erfindung des
neuen Titels hinter 846 v. 18 sich gründender Fehler dieser Hds., den
Z nicht theilt. — ^'') V hat einige Male die richtige Lesart, die v gibt,
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Die handschrifbl. üeberliefenmg des Ansonins. 287
340B, 3 A/rta VC Arte vp 343, 2 obs V ops vCZ
(343, 12 yeliquoli Y uelicoli y^ als Ortbographicum nicbt duroh-
schlagend) 344, 10 quinquetenis V, quinquegenis ▼ richtiger
(quinquegenus CZ) 345, 11 Aspargit V Spargit v —
Als leichte Versehen können folgende betrachtet werden: 339,
4 infema V infemi v (und so auch T, aber nicht G) 343, 9 genius
V genus v*G gfis T 343, 7 bona fehlt v („soUicitat „bona T) —
337, 2 procedere v precedere V 340A, 2 Et hi uersiculi v
richtig; Et in uersiculis V falsch.
Y stimmt mit p:
340B, 3 arte Yp A/rtsL V Arta C arcta TF 339 Incip.
tethopegnii textus y incipit techopegnii testns p.
Vyp stimmen auch zusammen (Stellen wie 339, 16 tan-
tum Vyp uemm CZ citire ich nicht erst):
z.B. 340B Item prefatio ... IIII Vvp 340, 4 fando Vyp
fandi CZ 341, 4 Et durum Vyp Edurum CZ 339, 16
iocos V iccor y iuco p das ist dasselbe; dagegen iocus CZ (locus 0).
p ist offenbar nicht aus y (wie tethop. — techop. iccor —
iuco zeigt) so wenig wie aus V selbst hergeleitet. Man Yer-
gleiche folgende Stelle: 339, 16 et nihili] für et gibt V ein dem
a ähnliches Zeichen, mit leichter Basur oberhalb , tmd anihili liest
auch y; p gibt richtig &nihili. Wie könnte 341, 4 p OS aus V ent-
lehnen, der OS gibt, oder aus y, wo CVS (C au8i 0 durch Basur)
steht?
Wenn wir dieser Spur des Zusammenhangs Yon Yp und C
folgend das VariantenYerzeichniss durchmustern, dürften sich ihr
bald eine Anzahl andrer zugesellen. Darunter gehören die Doppel-
lesarten in C:
345, 22 pellax wird Geta genannt in Vy, ferus in C, aber über-
gesetzt ist jenes: V pellax. ferus ist ein Irrtum des Exem-
plars C fOr seruus Z und diese Lesart ist offenbar aus einer
Glosse in den Text gekonmien.
346, 3 auch hier findet sich die Lesart Yon V als Variante in C
notirt: passura Y fusura C; Z pflanzt das erste fort.
345, 21 incestam, darüber V f, C. In dem ersten sind alle Hdss.
einig, Yon der Variante findet sich nirgends weiter eine Spur.
erst Yon zweiter Hand, z. B. 340 A, 2 subtexto y subtexo V. Selbst thö-
richte BesBeruDgsversache, die y im Texte gibt, sind in V überge-
schrieben, doch 80, dass man sieht, sie sind nicht erst aus V nach y
bei Gelegenheit der Abschrift übertragen: 346, 19. 20 ist nach dem Aus-
fall der Worte quem — aera der Vers yeryollständigt, indem man uictus V
ifür uectus) in uicturus, was y im Texte hat, yerwandelte; uietos homo
TOB aL BS.) V. 345, 22 lidus V* lyd^us V« lidius y.
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288 R. Peiper:
Oleicherweiss hat C eine doppelte Fassung erhalten in der
Oratio v. 84:
Consona quem celebrat modulato carmine plebes
Consona quem celebrant modulati carminea dauid
Die erste wiederum ist es, die dann Z übernimmt, die zweite gibt
y P (d. b. Paris. 7558 s. IX von dem mehr unten bei der Paulinns-
correspondenz). Und der letztere bietet noch eine Variante: Mistica,
anstatt Consona, die der Schreiber nicht erfunden hat ^^)
Und zweifeln dürfen wir nicht, dass in diese Kategorie auch
der den Ser betreffende Vers gehört, den Yv als 345, 24 gibt:
Yellera depectit nemoralia uestifluus SEB
während derselbe in Z als 346^ 6 in folgender Fassung behandelt
wird:
lam pelago uolitat mercator uestifluus SEB
an beiden Stellen in seiner besonderen Gestalt gleich passend. Der
Cantabrigiensis gibt beide Verse an ihren Stellen.
In den Stücken die nicht in C stehen findet sich doch wenig-
stens ein Beispiel doppelter Lesart: Protrepticus y. 45 wird da in
zwei verschiedenen Fassungen überliefert:
a) Perlege quodcumque est memorabile prima monebo
b) Perlege quodcunque est memorabile ut tibi prosit
So der Tilianus (in dem zufällig mit a die Seite 53' schliesst, die
neue 53^ mit b uihebt; am Bande von b steht das bekannte f ) und
die Ed. princeps. V gibt nur die erste Gestalt; alle Hdss. lesen
prima statt priua.
Aus dem Bisherigen dürfen wir folgerecht schliessen:
1) ein Theil der Abweichungen der Hdss. G und Z von V be-
ruht auf willkürlicher Aenderung, zu der die schadhafte Ueberlie-
ferung nöthigte, und leicht können schon auf den Blttttern selbst,
von denen die doppelte Abschrift ein Mal für C, das andre Mal für
T genommen wurde, derlei Aenderungen zur Lesbarmachnng des
Textes sich vorgefunden haben.
345, 23 Fallaces Ligures Vv Audaces Hcii C. Der Vers war
bei der Uebertragung in den Nachlass nebst dem folgenden
überhaupt nicht mehr lesbar; C (bez. sein Vorgänger) fand
noch Spuren, welche denn falsch interpretirt wurden^ indem
man Nachbarn der Carier einschob statt der nach Vergil A.
XI 701 (haud Ligurum eztremus, dum fallere fata sinebant)
erwähnten Ligurer. Dieselbe Veranlassung hat
345, 26 fOr die Lesart: Nota caledoniis nuribus Vv (die eben
^^ Denn dieser ist völlig kenntnisslos: er verwechselt l^nfig die
ähnlichen Buchstaben mit einander und stellt andere um: 36 letiferj
leofer 39 Semita] Semita 44 iure] inro 58 rear] rera 69 saucinsj
suaciua 71 fruar] fiaias 81 mens] mens.
\
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Die handschrifbL üeberliefernng des Ausonius. 289
der Abechreiber nicht kennen lernte, oder Tielleicht doch
noch, wenn ihm die Sachkenntniss nicht gefehlt hätte, zu
entziffern vermocht hätte) das Jedem mögliche: Nota et
pamornm cunis erzeugt.
Wir können nun weiter beobachten, wie gerade bestimmte
Partien eine grössere Anzahl solcher Aenderungen oder TraD^>08i-
tionen enthalten, während andere ganz frei davon bleiben. Zunächst
sind es, wie wir schon sahen, 345 und 349^ die so stark betroffen
werden. Wenn nun ein Theil als inteipolirt sich zeigt, dürften wir
wohl auch die übrigen Beispiele (die gewiss, dafür wird der Inter-
polator gesorgt haben. Erträgliches bieten werden) auch für unterge-
schoben erklären^ wenn keine besonderen Gründe dagegen sprechen«
So also in 345 v. 6 die Lesung
Et furiata Oestro tranat mare Cimmerium bos CZ
anstatt des in Vv stehenden:
Threicium Libycum freta Cimmeriumque secat bos.
Wenn wir 349, 21 schon eine Interpolation Fauline CZ für Paeate
Y entdeckten, dürften wir vidleicht auch die Durchführung des Con-
jusetivs in v« 7 — 19 anstatt des Indicativs, den Y bietet, dem Inter-
polator zusehreiben.
Yielleicht mtLssen wir schon für v. 1 der Oratio Anwendung
von dieser Erfahrung machen,
Y: Omnipotens solo mentis mihi cognite cultu
CT: Omnipotens quem mente colo pater unice rerum.
Der letztere kann doch keine Correctur des Dichters darstellen;
wohl aber konnten die verwischten Züge des ersten Yerses, wo das
erste und dritte Wort und die Schlusssiiben des vorletzten Wortes
«.nice noch sichtbar erschienen, zu solcher Ergänzung anleiten.
Jedenfalls aber gehört hierher der Schluss der ep. YIII in Z:
der kürzere Sohlussvers (der in Y lautet: Nugarum unteres cum sale
relliquias) war ausgefallen, die Lücke schon äuaserlich sichtbar: sie
wurde flottweg ausgefüllt . durch den ein klein wenig veränderten,
aber woder dem Sinne noch Metrum nach an dieser Stelle passen-
den Schlussvers von ep. XIY
, , . , (iam uenL
uale ualere si uoles ine{ , .
\uel uola.
Ob der Yers freilich auch dort echt ist, kann zweifelhaft erscheinen.
Yon den Epigrammen des Yossianus zeigen gerade die beiden
letzten gewaltige Aenderungen in Z: von 92 ist der vor- und dritt-
letzte, von 72 der letzte Yers dniok andere ersetzt, deren ünecht-
heit sofort in die Augen springt.
2) Zum andern, aber kleineren Theile verdankt man über-
gesetzten Erklärungen die Entstehung von Abweichungen.
3) Endlich mochten sich in der That Doppellesarten von glei-
jAbrb. t cUm. PhUol. Buppl. Bd. XI. n.^lÄ k C^OOQIc
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290 B. Peiper:
eher Güte vorfinden, von denen ein Theil auf Ausonius selbst zurück-
gehen mag. Ich kann sichere Beispiele davon nicht ausfindig machen.
Wenn diese Doppellesarten die Annahme gestatten sollten, die
Y-Handschriften entstammten einer vor Hinzufügung jener Aende-
rungen genommenen Abschrift, würden wir doch noch längst nicht
berechtigt sein, von einer ^zweiten Ausgabe' zu reden.
Dagegen ist beträchtlich gross die Zahl der anderweitigen nur
auf ein Wort sich erstreckenden Abweichungen zwischen V und C.
Indessen wenn wir uns bei ihnen so häufig für C entscheiden müssen,
so ist das nicht ein Resultat der Abwägung zweier gleichwerthiger
Ausdrücke gegeneinander, die beide vom Dichter herstammen könn-
ten, sondern die entschiedenste Sicherheit, dass in Y oder Yv gegen-
über C ein Fehler liegt. Wenige Beispiele — es sind grossentheils
die schon oben angeführten — genügen zum Beweise:
342, 1 uox Yv dos CZ 8 rex Yv arx CZ 343, 3 consors
Yv consi CZ 12 ueliquoli Y uelicoli v ueliuoli CZ 345, 2 et
Yv est QZ 8 quod Yv quo CZ 16 picna Y pugna v opima C
(der Yers fehlt Z) 26 decus Yv secus C scelus Z 349, 18
addidit Y astruit C adstruit Z 22 quid Y pax CZ.
Aber selbst diesen Buhm dürfen wir C nicht zugestehen, dass er
das Bichtige vor der Familie von Y voraus habe: sondern die er-
haltenen einzelnen Exemplare dieser Familie süid fehlerhafte Abschrif-
ten, voran Yoss. 111 selbst, aber dass es auch bessere gegeben,
zeigt der weiter unten zu besprechende Parisinus 7558 (F), in der
Oratio:
35 olim Y aetas FCZ 43 spiratam Y spaeratam F spera-
tam CZ 61 non Y nee FCZ 64 mala Y male FCZ und so Pau-
lini Oratio v. 6 f. Die letzten beiden Fehler theilt mit Y gerade
das der Familie Z zugehörige Excerpt in Paris. 18275. 80 Nate Y
Christo FCZ: so gibt auch die Wiederholung des Yerses am Schluss
der Yersus Paschales.
Die guten Lesarten in C sind also die Lesarten der einen
Ausgabe, die Ausonius gemacht; die schlechten in Y haben mit dem
Dichter nichts zu thun.
Der Werth der Familie Z wird allerdings durch unsre Unter-
suchung über das Yerhältniss von C zu Y, von Z zu C ungemein
herabgedrückt betreffs der auch im Yossianus vorhandenen Stücke;
immerhin wird er ein freilich sehr vorsichtig zu verwendendes Cor-
rectiv bilden können bei der Benutzung des letzteren; seine grösse-
ren Abweichungen werden ohne Weiteres zu verschmähen sein, zu-
mal wir eines wirklich guten Exemplars dieser Familie entrathen.
Die Hds. des Tilius selbst, die verschollene Hds. des Girardinus,
die Hdss. zu Born und London, wie weit diese unter sich häufig
auseinandergehen, wie das Gut der Familie in ihnen versprengt ist,
ist oben gezeigt worden. Da wird nun auch der Text des Nach-
lasses in ihnen nicht im besten Stande erhalten sein. Wünschen
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Die handschriftl. üeberliefenmg des Ansonias. 291
wir uns Glück, dass fOr die herrorragenderen Werke wenigstens eine
relaÜY bessere Grundlage in Y auf unsre Tage gekommen ist nebst
einer ganzen Reibe lehrreicher Splitter, die über das Mass seiner
ZuyerlSssigkeit uns die Augen öffnen und nicht dulden, dass wir
im Staunen über sein hohes Alter und seine merovingische Schrift
den Boden der Kritik verlieren.
Epigrammaton liber.
Von den sämmtlichen 112 Dichtungen, die im Epigramma-
ton libei; der Tilianusfamilie vereinigt sind, findet sich im Yossia-
nus noch nicht der vierte Theil vor: 8, 10, 23, 34, 35, 44 — 48,
51, 52, 54, 72, 75, 81—84, 86, 87, 92, 147 (Pasti), 248, 249
(Epitaph. 31 und 32), 253 (Epitaph. 36). Woher hat Z die Ge-
dichte, die auch der Yossianus gibt? Woher stammen die übrigen
drei Yiertheile der Sammlung?
Zunächst wird man sich darUber klar werden müssen, dass in
dieser Sammlung jede Ordnung fehlt, dass die vorhandene nimmer-
mehr vom Dichter selbst ausgegangen sein kann. Wie kommen die
Fastengedichte da hinein, wie die Epigramme, die seine Gattin Sabina
betreffen (18, 19?, 36, 37, 38), in jene Umgebung? Auch die Ge-
dichte ans Kaiserhaus 1 — 6 werden schwerlich mit seiner Bewil-
ligung so eng mit den folgenden verbunden worden sein. Wie
konconts, dass 29 von 30, 40 von 41 so weit getrennt sind? Und
doch fehlt wieder nicht ein und das andre Zeichen einer ursprüng-
lich besseren Ordnung, z. B. jene fortlaufende Beihe Gedichte an die
Mitglieder der kaiserlichen Familie, die sich voraufgestellt findet
1 — 6 (n. 4 ist versprengt worden, über n. 9 wird unten zu sprechen
sein), eine Beihe Graeca hinter einander 28, 29, 31, 32, 40 (das
letzte freilich abgetrennt). Dahin gehört auch, dass 45 zweimcd in
den Hdss. vorkommt (in zwei verschiedenen Fassungen). Der Yer-
sueh, diese ursprüngliche Ordnung herzustellen, dürfte schwerlich
gelingen. Man wird sich begnügen müssen, jene, fast vollst&ndig
aufgenommene ^^^) Yossianusreihe auszuscheiden. Dass diese ganz
ebenso wie die übrigen in Y vorhandenen Stücke erst später und
aus derselben Quelle in Z eingesetzt worden sind, darüber lässt die
Beihenfolge in der sie erscheinen keinen Zweifel, es ist annähernd
dieselbe, in der sie im Yossianus selbst stehen. Diese sind iu an-
gemessenen Zwischenräumen nebst den wenigen Epitaphien, die sich
gerettet (28, 30, 31, 31B, 34), einzeln, paarweise oder mehrere in
eine bereits vorhandene Sammlung meistens auf gut Glück hinein-
geworfen worden an fünfzehn Stellen:
i«i) Es fehlen von den 22 Epigrammen des Yossianus nur das fjlnfte
und sechste (n. 76 und 138).
19*
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Ed. Paris.
V
265 (epit. 36)
« epit 81
8
=- ep. 2
45
» ep. 9
147
=. fast. P««)
10
«= ep. 8
249 (epit. 32)
=« epit. 34
23
=» ep. 14
34, 35
= ep. 1, epit.
31B'
.68)
292 B. Peiper:
Ed Paris. V
44, 46—48 » ep. 7, 12, 18, 8
51, 52 »- ep. 10, 11
248 (epit. 31), 54 = epit. 28 und 30>»*)
72, 75 = ep. 22, 4
81—84, 86, 87 = ep. 16—20
46 o- ep. 9 zQsa zweiten
Male*)
92=-ep. 21
Im YoBsianns stehen jene Epitaphien auf f. 14°, die Epigramme
auf f. 35B' — 36' am Schlüsse der Ausoniana.
Man kann öfters die Bemerkung machen, dass wo Excerpte
aus einer Gedichtsammlung, wie die Ausonische ist, ausgehoben wer-
den, und Ton einer längeren Reihe, wie z. B. die Epigrammenreihe
des Vossianus ist, wenige Proben mitgetheüt werden sollen, der
Excerpirende sich auf das erste bez. erste und letzte beschrilnkt.
Das werden wir auch beim Ausonius selbst finden: der unten zu
besprechende St Oallensis gibt 72, das letzte des Vossianus, die
Pariser Sammlung (Paris. 8500) 34, das erste des Vossianus; der
Bruxellensis nun enthSlt das im Vossianus selbst fehlende, sonst
nur in den Z-Hdss. überlieferte Epigr. 9, das sich als Einleitungs-
gedicht einer längeren Epigiummenreihe darstellt, oder gar, wenn
wir der Ueberschrift Glauben beimessen, als Einleitung zu einer
grösseren Gedichtsammlung:
COMMENDATIO CODICIS
Est qnod mane legas, est et quod nespere; laetis
seria miflcuimus, tempore uti placeant.
Non unus uitae oolor est nee carminis unus
lector; habet tempus pagina quaeque guum:
Hoc mirata Venns, probat hoc galeata Minerua;
Stoicus has partes, has Epicurus amat.
Salua mihi ueterum maneat dnm regula momm,
plaadat permissis sobria musa iocis. EXPLIGIT.
Wenn wir dies Gedicht in einer mit dem Vossianus verwandten
Sammlung wiederfinden, und zwar vollstSndig, während es am an-
dern Orte seines Anfangs beraubt ist^ so ist das ein Zeichen, dass
es ursprünglich nicht der Z-Sammlung, sondern der im Vossianus
erhaltenen eignet, dass es femer in der That ein erstes Gedicht
war, welches seine derzeitige Stellung als zweites vielleicht nur der
Lückenhaftigkeit verdankt, die verbot es an erste Stelle zu setzen.
'^') Mit andern Fastengedichten verbanden. -- '®*} Folgt in V
ohne Nummer auf epit. 31. — *") Die Verbindung dieser beiden, sowie
die ünvoUständigkeit des zweiten ist wiederum ein Zeichen der Ent-
lehfiimg aus Fragmenten der Vossianus -Familie. — *) Die Reihe 15—
22 wird durch die Wiederholung von 45 » 9 gestM;.
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Die handschriflbl. üeberHefernng des Aasonius. ^93
Wenn wir dann eine Reibe Gedichte finden, gegen deren Ein-
reibung in die Opuscola weder der Inbalt nocb sonst etwas einen
Grund abgeben konnte, Gedicbte, von denen nicbt zu erwarten dass
sie, wie etwa ein gelegentlicbar Brief, zur Zeit dem Sammler nicbt
zu Händen waren, die wir also nicbt erst vom Veranstalter des
Nacblasses eingereibt uns denken dürfen, so werden wir auf die
Vermutbung unabweisbar bingefübrt, dass die Gedicbtsammlung im
Yossianus nicbt abgescblossen uns vorliegt, dass dieser Codex, in
welcbem so plötzlicb mit jenen 22 Epigrammen die Sammlung ab>
bricht, um sich zu fremden Producten zu wenden, aus einer Vor-
lage abgescblossen ist, deren letzter Tbeil verkürzt war«
Zunächst, glaube ich, ist eine längere Gedichtreibe das Kaiserhaus
betreffend, von denen nur einige Stück sich erhalten, un$ verloren
gegangen. Wie viele der im Liber epigrammatum enthaltenen Dich-
tungen zu der durch Epigr. 9 erö&eten zweiten Sammlung ge-
hören, wird eben nicbt genau zu ermitteln sein^^); einige sind be-
stimmt auszuscheiden, zunächst alle griechischen und grie-
chisch-lateinischen Spielereien, die sämmtlich dem Nacblass eigen
sein werden; sie finden sich fünf an Zahl an einer Stelle der Samm-
lung (28, 29, 31, 82 hinter einander, 40 davon getrennt), während
die lateinischen üebertragungen merkwürdiger Weise erst am Ende
erscheinen (80 auf 29, 41 auf 40 bezüglich), während ein sechstes
88 Aöbpa richtig zu den in die Vossianusreibe aufgenommenen
lateinischen Versen desselben Inhalts gesetzt worden ist.^^^) Dann
werden auch eine Anzahl obscöner Epigramme, wie 126, von Au-
sonius selbst so wenig pubbcirt worden sein, wie der Cento; ande-
res war vielleicht als gar zu unbedeutend oder aus besonderen Bück-
sichten ^^^) von Ausonius übergangen (gewiss recht wenig!), anderes
was später im Anscbluss an Früheres hinzugedichtet (etwa die
Bufus-Gedichte 49 u. 50) und darum dem Nachlass-Sammler anheim-
gefallen ist, werden wir schwerlich in der Lage sein, sicher zu er-
kennen und auszuscheiden.
'^^) Demi die Annahme^ dass wir hier lauter Epigramme des Haupt-
corpus vor uns haben, und nur weiter unten in den Epigrammen de Poly-
gitone und de Siluio mit Nachträgen des Nachlasses zu thun hätten, würde
wie die Graeca beweisen, falsch sein. — "*) Die Versuche, einzelne jener
Tilianus- Epigramme zu verdächtigen, die wir bei Vinetus finden, sind
binföUig. Die Annahme, dass sie wie jene an Paulas gerichteten Graeca
erst durch den Nacblass Veröffentlichung gefunden haben, schützt sie.
Damit würde sich eine Annahme, dass 29 nichtausonisch und nur als
Vorbild zu 30 von ihm benutzt worden sei, immerhin noch vertragen. —
*^^ Die Dedicationsverse der Fasten an Probus, die Zueignung eines
Exemplars der Apologen des Titianus und der Chronica des Nepos an
denselben fehlen im Hauptcorpus; es liegt die Veranlassung vielleicht
darin, dass Probus in Ungnade gefallen war und sich Ausonius der
Thaten des einst von ihm so sehr gerühmten Mannes schämen mochte,
vgL Ammianus 30, 6.
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294 R. Peiper:
VI.
Verlorene Schriften, Fragmente, Eclogen, Zersplittertes,
Dass Ausonius ausser den uns erhaltenen Werken noch andere
geschrieben^ die für uns verloren gegangen sind, darauf weisen nur
geringe Spuren hin, wenn wir absehen von den aus lateinischen
Annalisten ezcerpirten Fasten (Mommsen, röm. Chronologie S. 130
Anm. 242, der die etwaige Vermuthung, dieselben dürften dem
chronologischen Werke des Cassiodorus zu Grunde liegen, ebenda
zu entkräften sucht). Dieses Werk hat Ausonius selbst aus der
Sammlung seiner Opuscula, die nur Poetisches enthielt — vielleicht
im Anschluss an den Wunsch des Theodosius — , ausgeschlossen,
wie die Au&ahme der auf dies Werk bezüglichen Epigramme in
die Gedichtsammlung beweisen kann. Warum der Sammler des
Nachlasses sie nicht aufgenommen hat, wie die Gratiarum actio,
weiss ich nicht zu sagen. Nach L. Both (Die mittelalterlichen Samm-
Inngen lateinischer Thierfabeln, Philologus I 1846 S. 538 Anm.)
und Teuffei Litteraturg.^ 395, 2 soll Ausonius die prosaischen Apo-
logen des Julius Titianus um 375 für den Sohn des Probus in
Trimeter umgesetzt haben. Ich kann aus Ausonius £p. XVI 73 K
das nicht herauslesen:
Apologos ea misit tibi
Ab usque Rheni limite
Ausonius nomen Italum,
Praeceptor August! tui,
Aesopiam trimetriam,
Quam uertit exili stilo
Pedestre concinnans opus
Fandi Titianus artifex.
Ich lese ein Lob der Babrius-Uebertragung ^^ des Titianus her-
aus, finde aber keinen Ausdruck, der auf eine poetische Umformung
seitens unsers Ausonius hinwiese. Dass er nur dies Werk gerade
mit einer Widmung schmückt, die gleichzeitig mitgesandte Abschrift
aber der Chronica des Nepos nicht mit einer solchen begleitet,
ist so natürlich, dass man es doch nicht als Grund für jene Annahme
geltend machen darf, noch weniger, dass er diese seine Verse mit
106^ Dass Titianus den Babrios selbst übertragen, ist bereits von
Gannegieter Dissert. de aetato Aviani c. XI augenommen worden, welchem
nach Wemsdorf Y 666 auch Bernhardy BLG." S. 576, Anm. 478 u. &.
zastimmen. Schon die Bezeichnung Aesopiam trimetriam weist auf die
Mu8(a|u^ßoi alaÜTTCioi hin. — Avianus brauchte, wie Wemsdorf V 666 seigt,
des Titianus gar nicht zu gedenken; yielleicht hätte er des zeitge-
nössischen Ausonius gedacht, wenn ihm eine poetische Uebertragung
desselben bekannt geworden wftre.
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Die handschriftl. Ueberlieferong des Aasonixu. 295
einem plaatiiiischen Antelogium vergleicht, oder seine sedulitas
empfiehlt, die eben nur in der Besorgung zweier für die Unterwei-
sung des Knaben geeigneter Bücher bestand. Ausserdem würde
wohl Ausonius eine directe üebertragung aus dem Griechischen einer
derartigen Bearbeitung vorgezogen haben.
Das Versprechen, welches Ausonius in der Mosella 392 ff. und
448 iL gegeben, die berühmten Städte und Männer des Moselthales
zu besingen, wenn er an seinem Lebensabend seinen Buhesitz in
der Heimath genommen, hat er sicher nicht eingelöst«
Wir sind bezüglich verlorener Stücke also nur auf die drei
Fragmente angewiesen, welche der Auetor de dubiis nominibus
unter des Ausonius Namen mittheilt:
579, 3 Keil. flumen generis neutri, ut Ausonius:
rediie sursum flumina!
(auronius rediT M rursum die Hdss., offenbar liegt das grie-
chische övw yop TroTamSv zu Grunde.)^*®)
582, 27 Keil, lepus generis masculini, ut Ausonius:
inuestigato ferre dolos lepori.
(inuestigatum fern dolus Hdss., verbessert von M. Haupt.)
589, 6 EeiL rumor generis masculini, ut Ausonius:
quae tantae tenuere morae rumore sub omni?
(que tante de sub omni M.)
^^ Ich mag mirs nicht versagen, eine kleine, durchaus nicht yoU-
siAndige Stellensammlung für dies Adjnaton zu geben: Aeschylus ap.
HesyelL Eurip. Suppt 620 Med. 412 Schol. ad Theoer. I 134 Lucian.
diaL mort. 6, 2 Nazianzeni carmen de vita ana Zenob. II 56 Diogeo.
I 27 Smdas etc. Horat. epod. XVI 26 C. I 29, 11 Vergil A. I 607 XI
405, daza SerWue Ovid. Trist. I 8, 1 ex Pento IV 5, 43 Met. XIII
3S4 Her. V 28 Propert. I 15, 29 III 7, 32 IV 18, 6 Seneca Med. 408
Apnleios Met. I 3 (p. 2 Eyss.) Claudian. in Eutrop. I 353 Dracontius
Hexaem. v. 489 Carpzow. Anthol. lai Ries. II, XXXV. Fär sein Fort-
leben in Mittelalter und Neuzeit zeugen u. a.:
ErmenricuB Augiensis ed. Dünmuer s. 37, v. 55 f.:
Ante cadant imis nascentia sidera terris
aut fluat ad summos flumen ubique polos,
quam tuuB a nostro pectore amor redeat.
Anonymus Neyeleti U 7:
Nee tibi nee riuo nocui: nam prona supinum
nescit iter nee adhuc unda nitore caret.
BicharduB Venusinus de Paulino et Polla 861 f.:
Cum mare siccatum, uer non florere uidebis
et fluuioB uersis cursibuB ire retro,
femina tunc poterit tibi non linguosa uideri.
Paul Heyse in 'der Weinhüter': ^Eh' mir einer gut genug ist fttr
dich, muaa die PaBser den Ifinger hiDanflieBBen\ G. Freytag Die Qe-
Bchwister b. 11: — wenn die Compagnie 'Euch zurücknimmt'. 'Also wenn
WasBcr den Berg hinauffliesst,' lachte der Gesandte.
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296 B. Peiper:
Wir werden die Autoritftt des Sammlers nicht anfechten, auch
nicht den faulen Ausweg, ein anderer Ausonius (oder Auxonius, oder
Auxanius) sei hier zu verstehen, einschlagen dürfen; den Gedanken
aber, dass diese Stellen einer wichtigeren Schrift |des Mannes ange-
hören, oder einer Schrift, die in das Corpus seiner Gedichte ehe-
mals nicht Aufnahme gefunden, glaube ich mit guten Gründen ab-
weisen zu dürfen. Wir haben wohl nur den Verlust weniger un-
bedeutender Stücke, vielleicht nur eines einzigen polymetrischen
Briefes, der möglicher Weise an Paulinus gerichtet war, zu bekla-
gen , der sich aus der Vorlage des Vossianus oder dem Archetypus
verloren etwa wie der Theodosiusbrief, der Anfang des Planeten-
gedichts hinter dem Hesiodion, der Schluss der Caesares-Tetrasticha,
wie Epigr. 9 mit anderen, wie der zweite Theil des zweiten Pau-
linerbriefes V. 49^-68 imd anderes.
Der Urheber jener Ezcerptensammlung (de dubüs nominibus
oder de generibus nominum) hat nftmlich von den Werken des Pau-
linus nicht eine vollständige Sammlung, wie der Puteanus u. a. sie
bieten^ benutzt; er kennt einzig nur die Gedichte, die sich von Pau-
linus in unserem Vossianus finden ^^^: von den beiden ersten an
Gestidius (foL SO', in den Ausgaben des Paulinus Gedicht I und II)
nimmt er keine Notiz; aus dem dritten an Nicetas (foLd6^, n.iVlI
der Ausgaben) hat er sechs Stellen ausgehoben; wenn die Hdss.
hier allerdings recht stark vom Vossiauischen Texte abweicten, so
nähern sie sich in diesen Abweichungen — die nur Verstümmelungen
auf der einen oder andern Seite sind, eben auch nicht den bisher
bekannt gewordenen Texten, während schon die üebereinstimmung
mit V in der einzigen Stelle v. 106 (f. 37' des Voss., p. 589, 17 Keil):
Et rate armata titulo salutes^^^)
wo die Ausgaben amata (und natürlich salutis) geben, überzeugend
auf Verwandtschaft der Quellen hindeutet Ausserdem erscheint
eine Stelle der Oratio (fol. 35', p. IV der Ausgaben), die nur durch
Ausoniushandschriften (ausser dem Vossianus die Excerpte in cod.
Paris. 7558) überliefert ist. Zwei Stellen nur sind es, die Haupt und
Eeil nicht nachzuweisen vermocht haben, s. 594, 7 K.: Taulinus:
zelus discrepat atrox', vermuthlich die Schlussworte einer verloren
gegangenen Strophe ebendesselben Gedichts:
^^^ Auch die eine Symmachus-Stelle 8. 88, 5 und 90, 7 Haupt ist
nicht direct ans des Symmachus Briefen, sondern ohne Zweifel einer Hds.
von PrudentiuB contra Symmachum (Symmachus ed. prior lureti p. 347,
Pnidentius ed. Dressel p. 261 ad libr. II v. 877) entlehnt — "') V. 8 f.
(584, 14) adnixa f£Lr adnexa ist wie das obige salntes nur eine ortho-
graphische Verschiedenheit; 267 f. (680, 20) extracta richtig für ex-
tracto des Voss, und der Dracke; 274 f. (585, 20 und 582, 12) condeos
mit Ausgaben, condis schlecht der Voss.« oomulans ebenso im Voss. la
cumulas verstümmelt; saori lucrum . . talenti hat der Auetor fölschlicli
für sacrum lucris . . talentnm, wie auch Voss, hat, geschrieben.
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Die handschrifü. Ueberliefenmg des Ausonius. 297
— • . . — . zelus
diserepat atrox.
(s. L. MüUer de re m, 314, 318) und 571, 17:
erit nt (vielleicht et sicnt) arbor quae propinqua flumini.
Es mag eigenthümlioh erscheinen, dass gerade zwei verlorene
Terse von diesem Autor citirt worden sein sollen: wie wenn gar
ein drittes Beispiel dazu kommt? Die Verwunderung muss wachsen,
in gleicher Weise aber auch der Glaube an die Möglichkeit der An-
nahme. Der Yossianus gibt folgende Strophe im Nicetas-Gedicht:
289 Caritas XP ^i^o ^^sa ca^lo
294 Orbis aut alter fieque mors renellet
295 Corporis uita moriente uita
uiuet amoris.
V. 290 — 29^ sind weggelassen: aber gerade 293 wird von unserem ^
Autor 84, 9 H. citirt: nuUa nos aetas nulla tibi labes.
Die Schrift de dubiis nominibus ist, da Yenantius und einmal
Isidorus citirt wird, niqht vor der Mitte des siebenten Jahrhunderts
abgefasst. Bis dahin ist also wohl das Corpus Ausonianum ziemlich
unversehrt geblieben« Der Aufenthaltsort dieses Exemplars, das als
Archetypus für den Yossianus betrachtet werden darf, wird nicht
gar weit vom Fundorte angenommen werden dürfen : der ungenanute
Grammatiker bringt auch drei Stellen des A vitus (das erste und dritte
findet sich in ep. 86). Dass dessen Brief- und Homiliensammlung durch
zahlreiche Abschriften verbreitet gewesen, ist nicht leicht anzuneh-
men; möglicherweise liegt also diesen AnfOhrungen dasselbe Papj-
rusexemplar zu Grunde, dessen Beste sich heut in Paris finden und
das, einst von dem L joner Diaconus Florus excerpirt für seinen
Commentar der Paulinischen Briefe, späterhin im 12 — 13. Jahr-
hundert, da es offenbar schon sehr defect geworden var, umgeschiie-
ben wurde in den heut zu Lyon befindlichen Codex, auf dem jetzt allein
unsere Eenntniss der Prosaschriften des Bischofs von Yienne beruht
In diesem fehlt gerade ep. 86, der das erste und dritte jener Citate ge-
liefert hat. Ein Geistlicher ist jener Autor selbstverständlich; auf die
Nähe von Lugdunum deuten ausser Avitus wohl auch die verhält-
nissmässig zahlreichen CHtate des Sidonius, auf Frankreich minde-
stens die Citate aus dem von Yenantius genannten, sonst verschol-
lenen Dynamius. Nach der Ile-Barbe wird der Ausonius also schwerlich
aus grösserer Entfernung gebracht worden sein; in Lyon wird auch
sein Archetypus, durch irgend welches Geschick aus der Heimath
des Dichters verschleppt, die Bibliothek der alten Cathedrale Saint-
Just geziert haben. Bei der Restauration des Klosters Ile-Barbe
mag man fGLf die neue Bibliothek von der dort bewahrten Hds. eine
Absehrift genommen haben.
Yon Lyon war der Weg nach Beichenau und St. Gallen zumal
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^
298 K. Peiper:
für ein den Bbein betreffendes Stück leicht gefunden. Mit verwandten
poetischen Stadien beschfiftigt lebte dort Walahfrid Strabo, der
zu Agobard, der als Erzbischof der Ljoner Diöcese bis 840 vor-
stand, freundliche Beziehungen hatte: schon am Hofe zu Aachen
hatten sie sich kennen gelernt; dass [diese Beziehungen fortgeseizt
wurden, beweist ein poetischer Gruss des Abts von Beichenau an
Agobard (Canisius Lect antiquae VI 648). Walahfrids Dichtungen
sind hauptsächlich durch St. Oaller Hss. auf uns gekommen: der-
selbe Codex, der die Mosella enth<, bewahrt einen Theil derselben.
(Vgl. E. Dümmler, N. Archiv IV 270. 276. 263.) Die Abschrift
Walahfrids lernte Ermenricus (über ihn E. Dümmler ebenda S. 321),
der vor des Letzteren Tode Beichenau und St Gallen besuchte, ken-
nen und verwerthete sie in seiner bekannten Schrift
Wir werden also auch hier nicht über die alte Hauptsammlung,
von der eine in manchen Theilen verstünunelte Abschriffc im Vos-
sianus vorliegt, hinausgewiesen, und dürfen nun wohl an die Frage
herantreten, ob ein grösseres Stück, ja das edelste der*Ausoniani-
schen Dichtung, wenn wir die Briefe an PauHnus ausnehmen, die
Moseila, dieser Sammlung von Anfang an fremd geblieben, oder in
ihr ursprünglich Au&ahme gefunden, aber durch einen unglück-
lichen Zufall ihr später entfremdet worden sein möge.
Eclogae Ausonianae.
Dass die Mosella, der Ausonius doch wohl hauptsächlich An-
erkennung als Dichter verdankte, von ihm aus dem Grunde in die
Hauptsammlung nicht aufgenonunen worden, weil sie in separaten
Exemplaren schon grosse Verbreitimg gefunden, ist schon schwer-
lich glaublich. ^''^ Bei einem umfangreicheren Werke könnte man
das allenfalls zugeben« Dass nun aber auch der Veranstalter des
Nachlasses, der das Moselgedicht sicherlich gekannt hat, jenen Grün-
den eben so grosses Gewicht beigelegt haben sollte, ist nicht blos
schwer, sondern nimmermehr zu glauben. Dass die Mosella im
Nachlass fehlt ist ein Beweis, dass sie im Hauptcorpus ihren ver-
dienten Platz gefunden hatte.
An welcher Stelle, wollen wir jetzt nicht fragen, eine hervor-
ragende Stelle verdiente sie sicherlich ^^^), wenn der Dichter nach
der Würdigkeit die Ordnung hergestellt hätte.
"^ Sollte sie wirklich, wie Gronov annimmt, erst nach des Auso-
nius Consulat publicirt worden sein, so wird sie doch sicherlich vor der
Gesommtausgabe de/ Opuscula längst ihren Abschloss gefunden haben.
— "■) Der Vossianus hat die ersten vier Quatemionen eingebüsst (s. Biese
Anth. lat II, p.. XVI) und begint ^abhinc Ausonii opu8cnl%' ; schwerlidi
haben also auf den verlorenen Quatemionen Ausoniana gestanden, unter
ihnen etwa die Mosella. Dem Inhalte nach müsste sie in dem Theile
etwa, der die Clarae urbes enthält, gestanden haben.
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Die handflchriftl. Ueberliefening des Ausonius. 899
In den massgebenden Handschriften, dem S. Oallensis (G)
8. XI^^^) und Bruxellensis (B) finden wir dies Ausonianum nicht
vereinzelt Nur die durch Irrthum des Buchbinders bewirkte Zer-
splitterung auf verschiedene Theile der Hds. G^^*) macht es erklärlich,
dass man bisher nicht daran gedacht hat, die Ausoniana derselben
unter einem Gesichtspunkte zu betrachten, dass man sich gar nicht
einmal um den auf das Gedicht Bezug nehmenden Sjmmachus-
Brief gekümmert hat, den sie wie der Bruxellensis und die Quelle,
aus der XJgoletus schöpfte, enthält Sodann bietet der S. Gallensis
die Herculis aerumnae., Vir bonus. Est et Non, Hesiodion,
de Achilla d. h. das Schlussepigramm der Yossianus- Reihe;
der Bruxellensis hat die vier zuletzt genannten nicht: dafür gibt er
die Caesares und Epigramm 9 in der echten, sonst nirgends er-
scheinenden Fassung: d. h. das Anfangsepigramm einer im Yos-
sianus derzeit fehlenden Epigrammenreihe. Wir haben es offenbar
mit Excerpten der Gesammtausgabe zu thun, deren Archetypus
uns freilich nicht erhalten ist Als eine dritte Auswahl aus dieser
Excerptensammlung reiht sich an der Puteanus (tt = Paris.
4887)^^^, welcher die Moseila (nebst dem Briefe) und die beiden
Epigramme weggelassen hat Der Archetypus, aus denen diese drei
Sammlungen geflossen sind^ enthielt also mindestens folgende Stücke
n folgender Ordnung:
1. MoseUa nebst Symmachus -Brief, enthalten in G B —
2. Caesares, monosticha et tetrasticha - - — B ir
^^*) Aofiffihrlich beschrieben ist dieselbe von E. Dümmler in seinen
St. Gallischen Denkmalen aus der Earolingischen Zeit »» Mittheilnngen
der Züricher Antiqu. Ges. XU (1859) s. Y, femer in Haupts Z. f. d. A.
XII 446 ff. (vgl. Pertz Archiv XII 279 über cod. 'Christinae 421, der ur-
sprünglich em Stück unserer Hds. bildet), weiteres E. Dümmler im Neuen
Archiv lY, S. 106 ff., 276 ff. Dümmler und Scherrer im Catalog S. 315
setzen sie ins X. Jahrhundert — "") P. 2 Symmachi epistola, p. 3 Est
et Non, p. 4 Hesiodion, p. 22—45 Mosella, p. 45 Herculis aemmnae, p. 47
Yir bonos, p. 48 de Achilla, also eine geringfügige Umgestaltung der im
Folgenden gegebenen ursprünglichen Anordnung. Yon der Moseila liegt
die Collation von Bücking, berichtigt durch Schenkl (zur Kritik späterer
lat Dichter Wien 1863, S. 57 und H. J. Müller Progr. des Friedrich-
Werder-Gymnasium EU Berlin 1876, S. 24) vor. Für die übrigen Stücke,
ausser dem Symmachus-Briefe, die Yer£[leichnng Schenkls a. 0. S. 57 u.
58. Den Symmachus -Brief hat für mich Herr Dr. Idtensohn zu ver-
gleichen die Güte gehabt — "•) Paris. 4887 membr. s. XII, olim
Pufceanos 4902. Hinter Freculf erscheiat f. 78' ein Stück Julius Afri-
canus, welchem andere Ezcerpte de tempjoribus et aetatibus aus Isidor,
Beda, Eusebius, Hieronymus, Prosper, Orosius folgen, nebst einem Stück
'de discretione temporum'. Darauf fr. 74' die schon früher von WOlfflin
verglichenen Caesares nebst dem anderen vier Ausoniana. Hinter Freculf
gal^n diese Stücke denn auch die vom Puteanus als Sohn und Enkel ab-
Btammenden Hdw. von Pontigoy, jetzt in Auxerre n. 85 und 67 s. XII
und XIU (diese drei Hdss. habe ich selbst verglichen), sowie eine in
Troyes n. 887) Clairvaux Q 88) s. XII.
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300 B. Peiper:
3. Herculis aerumnae enthalten in G B tt
4 — 6. Vir bonus, Est et Non, Hesiodion - - G — n
7. de Achilla (Epigr. 72)^") . . - - G
8. Epigr. 9 - -— G —
Mosella.
Betrachten wir zunähst die Mosella, so ist unzweifelhaft der
besfe, wenn auch von Fehlem nicht ganz freie Text der des S. Gal-
lensis. Die Exemplare in Brüssel und Beichenau (jetzt in Zürich,
=> B) ^^^) können aus diesem selbst nicht geflossen sein, da sie hier
und da (freilich selten genug) Bichtigeres bieten, was man nicht
auf Conjectur zurückführen darf, z. B. 372 cumque G quenque BB.
Sie sind also aus dem Archetypus, jedoch nicht direct, geflossen. Ein
und derselben Abschrift jenes Archetypus aber entstammen beide, denn
sie stimmen häufig gegen G in Lesarten überein, die nicht als bessere
zu bezeichnen sind, z. B. 281 conuerrere G conuertere BB 378 Da
ueniam da G Da ueniam mihi BB 306 uolumine G uolumina BB
359 belgis G gelbis BB 415 Detexatur G Detestatur BB 452
munera G tempora BB. Vgl. femer: 18 nitentis G nitentes B*BV
35 properare G reparare BB preparare V 50 dispectis G despectis
BB despectus V 60 profundi G fluenti BBV 93 melioris G maio-
ris BBV (131 flumineis O flumineas BBV) 149 additus G ad-
ditur BB?V 178 aureus G igneus BBV 417 in undas G in un-
dis BB. Ihre Texte haben sich aber getrennt, indem sie entweder
offenbar Fehler des Archetypus^ die G hier und da conservirt hat,
auf verschiedene Weise zu berichtigen suchen — : so liest G V. 312
quadra cui; dafür findet sich statt der einfachen Correctur quadrata
cui, die alle Schwierigkeiten hebt (cui quadrata ist durchaus un*
nöthig) in B quadr§ cui, in B quadro cui — oder indem der über-
lieferte Text durch den einen oder andern verändert wird, z.B. 331,
wo das von G^ und B ausgelassene eet von B zugesetzt wird (die
Zusetzung von G^ kann aus demselben Gmnde wie in B erfolgt
sein). 294 palsu GB plausu B 261 quique GB (anstatt des von
Avantius 1507 gefundenen Cuique) qufque B. Ein Theil dieser
Fehler mag auf Bechnung der vorhandenen Exemplare B und B,
nicht ihrer Vorlage kommen; denn als Söhne jener Abschrift aus
dem Archetypus, aus der ihre Texte geflossen sind, dürfen wir sie
^^') Das Epigramm -72 ist offenbar aus S. Gall. 899 — oder seiner
Vorlage — nach 8. Gall. 897 s. IX med. übertragen worden; es findet
sich auch sonst vereinzelt, z. B. im Laorentianus XXXIII c. 31 (Bandini
II 126, XXII), irre ich nicht auch LXXXIX c. 25 s, XIII (Band. III 460
n. IX) ^ deren Lesarten ich nicht kenne; ea wäre wünsohenswerth , so
wissen, ob diese Texte aus V oder Z entlehnt sind. — "*) Universit&ta-
Bibliothek n. LXII s. XII. Eine neue Vergleichung verdanke ich Herrn
Prof. Dr. BlOmner.
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Die handscbriftl. üeberlieferang des Aasonius. 301
nicht ansehen. Besonders B strotzt so von Fehlem, dass er fast
allen Werthes baar ist: dieselben sind offenbar zum grössten Theil
Schuld des Schreibers.
Indessen werden wir vor üeberschätzung der Si Galler Hds.,
vor Unterschätzung der beiden anderen Hdss. gewarnt durch das
unbedeutende und fehlerhafte Fragment im Vaticanus Beg. 1650
(einst S. Eemigii) s. IX f. 38^ bis f. 40. med., welches V. 1—180
gibt."»)
Denn dies stammt aus einer 'dem 8. Gallensis nahestehenden
Quelle: 4 sinopes OY 53 umentia GY 72 assintulant G^ Adsi-
mulant Y 79 que (et fehlt) GY 119 secmentis GY 144 adlan-
tiaco GY 144 baUena GY.
Die Entstehung mancher Abweichungen in BB erklärt sich aus
Ist es Zufall, dass er 134 Prospexi mit B gibt und 175 furate,
wo B furatae, statt farata e?
Aus G abgeschrieben ist er nicht (schon das Alter schliesst
diese Annahme aus): 17 non inuidat Y noniuidet G 52 luxoriatur
Y luxuriae G.
Noch mehr beweisen dies die zahlreichen Stellen, in denen er
sich gegen G mit BB verbündet: es ist das an allen den oben an-
geftthrten, soweit sie in Y enthalten sind, der Fall. Alle diese Ya-
rianten gehen also auf ein mit G sehr nahe verwandtes Exemplar
zurück, und es wird, da G selbst voraussetzlich manchen singularen Irr-
thum enthalten wird und nachweislich hier und da geirrt hat, wie
wir gesehen, sich denn doch fragen, ob z. B. v. 60 profundi, v. 93
melioris, v. 178 aureus u. a. als echte Lesarten des Ausonius be-
trachtet werden müssen dem gemeinsamen Widerspruch von YBB
gegenüber, die doch wohl aus verschiedenen Quellen geschöpft
haben.
Welcher von diesen beiden Klassen die Hds. des Ermenricus
angeh^e, ist nicht zu erkennen: dass sie mit B nicht stimmt (die-
ser gibt 436 amne, 225 Atque, wo Ermenricus mit GB amni und
ütque liest) würde noch nichts besagen, da jene Lesarten dem Li-
brarius dieser Hds. zugeschrieben werden müssen; dass er 202
horas wie BB liest, während G oras gibt, ist für den Anschluss an
die Yorlage dieser Hds. noch kein triftiger Grund. Für den Text
der Moseila selbst ist selbstverständlich die Sache gleichgültig.
Der Text des ügoletus schliesst sich eng an B an, wie schon
^^') Die Hds. ist sehr nachlässig geachrieben: zwei ganze Yerse sind
weggelassen (86 und 166), die Wortverbinduiig fehlerhaft und dadurch
zaMreiche und schlimme Fehler erzeugt, z. B. 172 : Gapede sagittat cum
laeta proptemia panas. Mitten auf S. 40 bricht die Mosella ab.
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302 R. Peiper:
früher gesagt worden ist. Das ergibt sich auch aus den Eigenthttm-
lichkeiten beider im Symmachus-Briefe, wo beispielsweise Z. 7,
8 (ed. Bipont p. 336) die Worte Unde — credidisti in beiden fehlen.
Caesares.
Gehen wir weiter zu den Caesares. Von diesen findet tich
I. Monosticha und Tetrasticha yollstftndig: l) im Vossianus V,
2) im Bruxellensis B und ed. Vgoleti (welche, wie früher gezeigt,
auf einer verwandten Hds. beruht), 3) im Puteanus, hier s» ol^^
Die Monosticha yollst&ndig, von den Tetrasticha nur ein TJbeil in
Ed. princeps und Tilianus (zu deren Sippe die Ezcerpte in Paris.
18275 B= P gehören). 2 und 3 gründen sich auf einen durch Aus-
lassungen entstellten Yossianustext, der sich scharf von der Sippe
des Tilianus sondert.
Ganz charakteristich ist:
Tetrast Xu: Nerua tetrarcha YBa.
XXII: Bassianus antonius sine caracaUa Ya Ugol. (B
lässt hier siue caracalla weg, aber ügolet hat es und das
beweist, dass es nicht dieser Klasse, sondern nur dem em-
zelnen Exemplare fremd ist).
Tetrast. XX, 1 sceptris Y sceleris B celeris XJgoL a — spoliis T.
Monost. n Monosticha de ordine imperiorum a mit Y (B om.)
Monostica de ordine imperatorum TGP.
Monost. III de aetate imperii eorum YBa de aetate imperato-
rum in imperiis TG.
und zwar stellt sich a dar als eine weitergehende Yerschlech-
terung des Textes von B. Ygl. ausser dem eben angeführten Bei-
spiele Tetr. Y, 3 : die Worte et crimma passus, welche Yoss. bietet,
sind in B ausgefallen, a ergänzt flottweg: certa potestas.
Tetr. YI, 4: set Y et BUgol. me a
Den Zusammenhang aller bekannten Texte mit der Yossianus-
Familie bekundet deutlich genug die allen mit Y gemeinsame Aus-
lassung der beiden letzten Yei'se, für die Y wenigstens den nöthigen
Baum ausspart. lieber die Yossianus-Becension hinaus weist uns
nichts, üeber den Ursprung der Z-Recension ist bereits oben ge-
sprochen worden. Wir müssen hier noch der in den Hdss. des
Suetonius erhaltenen Monosticha gedenken. Mir liegen vor:
^^^ Mit Ba stimmt in den Monosticha, die er allein hat, überein
B s» Parisinus 9847 s. IX; yon einem, wie es scheint, mit diesem
darchaas verwandten 'Petauianus in quo catalecta Yirgilii' sind in
HeinsiuB Handexemplar zu den Monosticha die Lesarten notirt; das wird
PsEris. 7927 s. X sem (vgl. Näke Catonis Dirae p. 844).
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Die handschriftl. üeberliefenmg des Ausonias. 303
A Suetonii ed. Bomana a. 1470, von Sweinheiin und Pannartz
gedruckt, mit einem Briefe des Joannes Episcopns Aleriensis.
Dieser nebst den Monosticha ist abgedruckt in dem Werke:
A. M. Card. Q'uirini de optimorum scriptorum edd. . . . reo.
Schelhoni; Lindaugiae 1761 p. 192—194.
D Bemensis 285 s. XU (eine Yergleicbung von Bongarsius Hand
in der ed. Gryphii 1575 in Bern).
E Bemensis 104 s. XIV (eine Abscbrift des P. Daniel im Cod.
Bemensis 189 n. 48).
Das scheinbar geringe Material ist ausreichend, um Einsicht
in die Sachlage zu gewinnen. Hinter Sueton, wie in E, finden sich
die Yerse in zahlreichen Hdss. des 15. Jahrhunderts zu Paris, Wien
u. 8. w., z. B. Vindobon. 264 und 266, EndL s. XY in einem von
Heinsius verglichenen Membranaceus (der in den Hauptpunkten mit
£ stimmt); im British Museum Addit. Ms. 12009 f. 157^ Im Lauren-
tianus XLY 26 membr. s. Xn (Bandini 11 363 II) stehen sie wie in D
(dessen Lesarten jener theilt, wie aus gewissen Angaben zu schliessen
ist) unter den Werken des Sidoniu s. Geradezu unter dem Namen des
Sidonius stehen sie — in Folge davon — im Paris. 6116 s. XII (Roths
praef. p. XXYII), im Laurentianus LXIY, 9 s. XIV (zu den Caesa-
res ist hier bemerkt: Isti uersus aL leguntur Decimi Magni Ausonii
Musellae: das ist ein Hinweis auf die Yerazzanu8*Hds.) , und wie es
scheint auch im Laurent. LXXXIX inf. 8.
Beide Texte stimmen im Ganzen ttberein in ihren Abweichungen
von YaBT*®^), abhängig sind sie von Ba^®*); der Text der Sueton-
Hdss., wie der Zeit nach so auch innerlich verschieden von dem der
Sidonius-Hdss., ist eine Weiterbildung jenes schon so stark inter-
polirten Textes. Yiele Lesarten dieser schlechtesten Klasse verun-
stalten heute noch unsere gangbaren Ausgaben.*^)
***) Der Sidopius- wie Suetonius-Text abweichend von YBaT:
Monost. U 4 Caeaar alle Hdss.; aber: Gaias DE Caius A III Titel:
De aetate imperii eorum YBa De aetate imperatomm in imperiis
T] De longitudine regni eorum D E Caesarum tempora A 5 • ebdoma-
dam] ebdomadem D ebdomade E Hebdoadem A 7 famose] formose DE A
8 neaciet (auch Y?)] nesciit DEA (uestiit D) nesciat a 10 decadam
YBaT etc.] decadem DEA lY titolus: De obitu singulorom] De fi-
nibua eorum DE Ordnung der Yeree in DAE abweichend: 4 2 3 5
(v. 1 fehlt wie in Ba) 4 Expetiit] Exegit, was heute noch in den Texten
steht, nur DEA 4 Chaerea] curia DEA (and G hat es übernommen!
wie er auch in III 8 nesciit daher genommen zu haben scheint) 12 pia-
cula] pericola DAE? (so hatte sich Bchon P verschrieben, aber sogleich
corrigirt). — "•) ÜI 11 fehlt RaB DAE lY 1 fehlt BaB DAE lY 7
othone IlaB DAE lY 8 potitur RaB DAE. — ^^') EA inteipoliren
weiter auf Qrund von D. Monost. II 8 infamis aeuo auch D, infEunis
aeui EA m 9 der Yers fehlt noch in D, er ist erst eingeschwärst in
EA und bisher als Ausonisch festgehalten worden UI 11 fehlt in D
(wie auch in Ba), an seiner Stelle ist in EA ein neuer Yers eingesetzt:
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304 R. Peiper:
Da wir nun auch in Slteren Sueton-HdB8. diese Verse nicht an-
treffen, ist es wohl wahrscheinlich, dass sie erst im 14. Jahrh.
aus einer solchen Sidonins-Hds. (in die sie ans mit dem Pnteanus ver-
wandten Exerpten übertragen worden) dahin verpflanzt und gleich-
zeitig die Interpolation vollendet wurde.
Der Name des Ausonius fehlt in DE, vorhanden ist er in A^
wenigstens den Worten des Bischofs von Ateria nach: Haec hahni
quae sununatim de Suetonio refen'em, postea uigum est uersas quos-
dam Ausonii poetae in ipsius commendaüonem adscribere, ütulosque
ipsis uersibus per partes inserere (das . Letztere ist mir, dem die
Ausgabe selbst nicht vorliegt, unverständlich; aus Audiffredi Bomanae
edd. s. XY p. 64 ergiebt sich auch nichts) und in der oben ge-
nannten Sueton-Hds. des British Mus. heisst es: ^Expliciunt
Versus Ausonii' und vorher: ^Versus Ausonii de Xu Caesaribus'.
Im Bemensis 104 »= E folgt durch die ersten beiden Verse
der Tetrasticha (Nunc et praedictos) angeknüpft ein Auszug aus
Sextus Aurelius Victor. Das kann vielleicht auf die Quelle hinleiten.
Wie hat sich einzelnes aus diesem Text der Monosticha nun in
die Ausgaben eindrängen können?
Es ist das die Schuld des ügoletus, der hier seinen B-Text
contaminirte mit dem der ed. princeps und dem Sueton-Texte, den
er einer der ersten Sueton-Ausgaben entnahm.^^)
Aus B z. B. stammt es, wenn er U 3 regnat, was in B^ fehlt,
weglässt Aus der Familie Z nimmt er die Verse in 11 und IV 1,
wie die Titel von I und II.
Aus der Suetonrecension den Vers III 9, femer III 7 die Les-
art: lasciue et formose und IV 6 proprio se perculit ense.
In den Testraetiofaa wahrt er seinen B- Text^ und dieser ist oft
OstenBus terria Titas est brenitate perenni. Damit nicht zufrieden, fOgt
E einen zweiten zu: Heu tite monstrauit terris te uita biennis.
rV zwischen v. 4 und 6 wird in EA ein neuer Yen eingeschoben, der
noch in D fehlt: Terdecies periit repetito uulnere gaius. IV 6 pro-
prii nim peitulit ensis] propriorum protulit enses D proprio se perculit
ense EA. — ^^*) Es standen ihm jedenfalls andere eher su Gebote aU
die jedenfalls seltene des Bischofs von Aleria (man vergleiche dessen Brief
an den Pabst, in welchem das Verzeichniss der Druckwerke von Sweyn-
heym und Pannartz befindlich): die römische Ausgabe des J. A. Oampa-
nu8 von demselben Jahre kennt jene Verse nicht, dagegen die Jenso-
niana Venetiis 1471, welche nach Schweiger Versus Ausonii in libro«
Suetonii auf f. 1^ gibt, und mit den Versen des Ausonius auf f. 162^
Bohliesst; die letzteren könnten schon die Tetrasticha sein, da die ed.
Ferrariensis des folgenden Jahres ebenso f. 1^ Ausonius versus und am
Ende nach bestimmter Angabe ^Tetrastica de Gesaribus post Tranquillam'
gibt. Ob sämmtUche? ob nur die der Aussähe des BartholonLaeus Girar-
dinuB? Die Ausgabe s. 1. 1480 hat f. 1* Ausonii uersus; ob die Tetra-
sticha am 8chlnss ? Die Bononiensis 1488 scheint schon die Ausgabe der
Gedichte zu kennen, da f. 1^ der Titel lautet: Ausonius Hesperio F^io
•salutem: In libros Suetonii.
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Die handflchrift. üeberlieferang des AuBonius. 305
besser als der des Brüsseler Exemplars (man muss von den zahl-
losen und entsetzlichen Schreibfehlem, sowie den Druckfehlern, die
nicht blos dem Nachdruck von 1501 zur Last fallen, absehen). Die
Lesart des Archetypus von B wird sich durch Vergleichung von
Ugoletus Text öfters ermitteln lassen.
Monosticha de Herculis aerumnis.
In den Monosticha de aerumnis Hercnlis finden wir dieüeber-
einstimmung zwischen V und GBtt nur in kleineren Dingen, wie
Orthographicis gestört Li y. 11 gibt V das richtige destricta, die
anderen 6 Bit districta, das wird die bedeutendste Abweichung sein
und es mag noch fraglich erscheinen, ob sie ursprünglich vorhanden
war, da ein yon dieser Klasse GBir abhängiges Exemplar (der Ger-
manensis, von dem weiter unten gesprochen wird) destracta hat Er-
wähnt muss werden, dass auch die Z-Hdss. diese Monosticha bieten.
Der Tilianus selbst gibt einige meistens fehlerhafte Abweichungen:
1 leonis] laboris 5 discrimine] certamine 6 threicium] threitio 7
augeis] augei. Diese theilt die ed. princeps, mit Ausnahme des rich-
tigen augei, nicht, jedenfalls weil dem Girardinus ausser der Hand-
schrift G hierfür noch andere Quellen zu Gebote standen. Denn durch
Coi^ectur bedürfte höchstens das dritte einer Aenderung, die übrigen
Punkte forderten an sich nicht dazu auf. Jenes threitio wird auch nur
dem Einzelexemplare der Familie zur Last fallen ; laboris aber geben
schon die älteren Exerpte (Paris. 18275), so gut wie augei (nur ent-
stellt: ageis tabur) und wahrscheinlich auch certamine. — Das Gedicht-
chen ist weit yerbreitet in älteren und jüngeren Sammel-Hdss., z. B.
Bern 250 f. 11^ s. X; der Familie Z aber ist es nirgend entlehnt; es
ist, da wir eine directe Entlehnung aus V nirgend annehmen dürfen,
auf GBiT zurückleiten, und dafür spricht auch, dass es in derLischrif-
tensammlung des Walahfrid (cod. Einsidlensis n. 326 s. IX) stehi^^)
Vir bonus, Est et Non.
Die Hdss., welche ausser Verbindung mit den übrigen Werken
des Ausonius den Vir bonus und Est et Non enthalten, sondern
sich scharf in zwei Klassen; der Führer der einen, sich eng an
Vossianus anlehnenden Klasse, ist unser S. Gallensis (G).
Dieser Klasse gegenüber tritt das Juuenalis ludi libellus (a)
in seinen Hauptyertretem Augustanus, Bembinus, Thuaneus und
Petauianus.^^)
^") Mommsen Bh. M. 1854 IX 299. — >^^ Siehe meine Bemerkungen
zur Appendix Vergiliana an: Q. Valerius CatuÜus Beiträge z. Kritik seiner
Gedichte, Breslau 1875 s. 63 fP.
Jfthrb. f. cUm. Phil. Suppl. Bd. XI. Digiti^Öby C^OOQIc
306 B. Peiper:
Man vergleiche in Vir bonuB folgende Stellen:
GV a
6 labis l^lanis V) labiis
6 sidat fidat
7 quam qaem
21 qnod quid
21 foret (feret V) fhret
8 capricorno capricomu
10 protuberet protorberet
12 subter snbtos
14 declinaDS declinat is
13 ist yorhanden fehlt
22 perstrictos perstrictis
Der AugustanuB allein geht an einigen dieser Stellen, den ersten
fünf, mit VG; darüber weiter unten.
Ans G selbst ist von den bekannten Hdss. keine einzige ab-
geleitet; es würde sonst doch wohl eine sich näher an Y anschliessen
oder die Fehler von G, von denen er natürlich nicht frei ist, theüen:
z. B. 12 qnocnmque und ianua 16 quod gestum 18 fehlt nur in G
19 quid. Auch gewisse Vorzüge theilt keine Hds. mit ihm (wenn
wir absehen vom Augustanus); v. 26 gibt G ganz allein dat, wo
selbst V det liest An eine Herleitung der Hds. G aus V selbst ist
nicht zu denken, aber ihre Voreltern waren eng verwandt: Die obige
Annahme, dass schon G aus einer Excerpten-Hds. geflossen, findet
nun neue Bestätigung durch die enge Verwandtschaft, die zwischen
ihm und den Excerpten im Puteanus erkennbar ist. In den oben ange-
geftthrten 12 Stellen weicht er nur v. 21, wo auch er quid gibt, von
VG ab. Vereinsamt steht er da mit gewissen fehlerhaften Lesarten
(in V. 2 scheint er multis zu geben, was Aldus liest, 6 per deuia, 10
aequus 11 amissis 15 reputarit 17 fehlt 22 non (mit Petav. und
Helmstad.) 25 ad uesperum), die obengenannten Fehler von G theilt
er nicht, v. 26 gibt er mit V und den Hauptvertretern der zweiten
Klasse det. Aus V selbst ist der Puteanus nicht geflossen, selbst
wenn man auf die orthographischen Verschiedenheiten kein Gewicht
legen wollte. Wie im Titel des Vir bonus, so ist auch im Titel
von Est et Non ein Zusammengehen zwischen Gir gegen V zu
bemerken:
De uiro bono pytagorice atioacic V (es ist auch hier diröq)acic
wie IdjlL XV zu lesen, s. oben S 277.)
De institutione uiri boni Gtt
NaY. KAY OY PITAGORICON V
Incipit de pythagoricis difOnitionibus naikeoY GiT (pitagoricis ir
Tay KH wj ir)
In diesem zweiten Gedicht nun bleibt das Verhältniss von G
zu V dasselbe^^^, und wenig anders das von ir zu G^ nur dass tt in
**^) Vgl. V. 19 fulgeribuB VG (gut) falgoribos air.
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I
Die handschriiFt]. üeberlieferang des AuBonius. 307
Kleinigkeiten hier einigemal mit a gebt, z. B. lässt er v. 21 gegen
GV mit a das est weg, v. 9 liest er Sin mit a. Das erklärt sich
ans dem spftter zu Sagenden. In diesem Stücke gewinnt die Klasse V 0 ir
eine Anzahl asseclae, die freilich im kritischen Apparat zu fignriren
keine Berechtigung fernerhin haben. Das sind:
Voss. Q 86 nebst seinem Vetter Paris. 13026 (S. Germanensis),
beide 8. IX^««),
Darlacensis 36 s. IX, gleichfalls mit seinem Vetter Voss. Q 33
s. X (»= Cod. Beginae).^»)
Dass das zweite Paar auf einem, mit dem ersten Paar engver-
wandten Texte beruht, der weiter durch Interpolationen entstellt
wurde, ist ersichtlich.*^^)
Wir hüten uns bei dem unzulänglichen Material über die Ab-
stammung der Hdss. zu weit gehende Schlüsse zu ziehen. Die
Zwischenglieder sind uns ja nicht zur Hand. Wenn wir v. 7 An-
schluss dieser beiden Hdss.-Paare an Vossianus finden (faciüs und
difficilis, nata), hingegen a und ir ebenda übereinstimmend mit G
(&cile8 und difficiles, nancta G, nacta air), wenn dieselben v. 9 In
mit V lesen, Sin ira, was eher auf G, welcher Si gibt, zu deuten
scheint, so dürfte das z. B. zu dem Schlüsse, die Quelle für an sei
näher mit G, die Quelle von jenen vier Hdss. näher mit dem Vossianus
verwandt, nicht zureichend sein.
Als sicher werden wir nnr amiehmen dürfen, dass ihre Herkunft
auf einer Hds. der Familie GV beruht. In gleicher Weise werden
wir aber auch den Urahnen der Familie o, die sich nach ihrer Auf-
nahme ins luyenaUs ludi libellus selbständig weiter entwickelt hat,
auf ein zu GV gehöriges Glied zurückführen dürfen: und, wenn hier
und da eine Verwandtschaft des Puteanus mit a durchzuleuchten
schien, so werden wir jetzt umgekehrt a aus einem Vorfahren
dieser Hds. hergeleitet erklären dürfen.^^^)
Dass die Familie a nicht gleich Anfangs bei ihrer Aufnahme
in das luyenalis ludi libellus den festen Text, welchen wir aus
Bembinus, Thuaneus, Petavianus u. a. kennen, gehabt, sondern den-
selben erst im Lauf der Zeit gewonnen hat, seheiat der Augustanus
zu beweisen, der zu öfterem im Vir bonus von a zu VGn abgefallen
^^ VgL ▼. 10 foro für fora, t. 8 interuenit est mit Auslassung des
zweiten est — ^^) Sie stimmen z. B. fiberein v. 3 in der Aoslassmig
von et, y. 6 studüs studiere» fär st. ut mores , 23 commemorantar für
commeditantes, 11 teatro für theatri, 8 iutemeniens est statt interuenit
est est, 6 seorsnm statt seorsis. Im Duxlacensis steht das Gedicht hinter
Prisciani periegesis und darum wird es im cod. Reginae sofort dem
Priscian selbst zugeschrieben. — **^) V. 23 commeditantes] Germanensis
hai come.., daraus macht Voss. Q 86 comine, Dnrl. und cod. ßeginae
verändern das unsinnig weiter in conmiemoxantnr. — ^'') Schon die Be-
zeichnung des Vir bonus als Egloga in der Snbscxiptio von ir, welche
weder in G noch V vorkommt, sich aber in a findet, scheint d^uf zu
deuten.
bdby
Google
308 R. Peiper:
scheint: z. B. in den ersten fünf Stellen des obigen YerzeichmBses.
So wie er es auch ist, der in den Bosae eine Anzahl besserer Les-
arten bietet als die übrigen Hdss.; z« B. y. 6 hat er allein uegetare,
V. 26 Ac tenus et folio — vielleicht für Ac tenui folio? — Die
Lücke, welche alle filteren Hdss. am Ende von v. 41 bieten (florom
est ist erst jüngere Interpolation), füllt er idlein durch talis aus —
die Ribbeck' sehen Hdss. Yl haben mit ihm irgend welchen Zu-
sammenhang — Y. 45 bietet er wiederum allein das richtige rutilus,
y. 5 hortis, y. 9 teretes patuHs, was nicht zu yerschmfthen war, so
wenig wie y. 44 Cum pubescenti . . breuis statt quae pubescentes . .
premit. Wir sehen einen Theil der jüngeren Hdss. seiner Sippe
folgen, z. B. die eben genannten Hdss. Y und 1 (ygl. y. 41), sowie
den Helmstadiensis (ygl. y. 5 und 9): ein Umstand, der den Werth
des Bruzellensis (s. 65 ff. meiner Beiträge *zur Appendix Yergiliana)
zu erhöhen, seine Wiederauffindung um so erfreulicher zu machen
geeignet ist
Es ist klar, dass Niemand daran gedacht haben kann, diese
Gedichte aus einer yollst&ndigen Sammlung der Werke des Ausonius,
wie der Yossianus 111 sie bietet, zu übertragen ins luyenalis ludi
libellus; sie müssen nothwendig yereinzelt und namenlos, wie schon
der Name Edoga andeuten mag, in einer Anthologie hinter einem
oder dem andern Gedichte des Yergü sich gefunden haben.
Die Zersplitterung jener ursprünglichen Auswahl aus Auso-
nius' Gedichten ist danach schon yor der Entstehung des lu-
yenalis ludi libellus erfolgt.
Hieronjmus Aleander ^^) hat nun, aus einer yerhttltnissmSssig
jungen Hds. dieses libellus auch die Bosae, die nur in dieser Samm-
lung überliefert sind ^^'), unter die Werke des Ausonius aufgenommen,
die inneren Gründe würden genügen, um sie auch femer an ihrem
Platze zu erhalten, die äusseren scheinen nicht ausreichend. Dass
im Yossianus das Gedicht fehlt, brauchte bei überwiegenden inneren
Gründen nicht als entscheidendes Hindemiss angesehen zu werden:
er bietet ja offenbare Lücken; so ist u. A. der Schluss der Caesarea
in ihm ausgefallen, so der Anfang des Planetengediohtes hinter den
Hesiodion^^) — aber dass weder G noch TT es kennen, scheint doch
darauf hinzudeuten, dass wie in ihnen und im Yossianus, so auch
im Archetypus yon YGtt Yir bonus Est et Non Hesiodion un-
getrennt durch die Bosae standen: dann hat es aber nie in jenen
Ezcerpten gestanden, auf die indirekt a zurückgeht, und wir müssen
die Echtheit bestreiten, wenn auch Inhalt und Form gegen Ausonius
als Yerfasser nicht zeugen.
*•*) In der Ausoabe von 1611. Accnrsius stimmt ihm bu. — '••) Auch
wo sie einzeln erscheinen, stammen sie doch stets aus dieser Quelle. —
1»«) Dass Gir übereinstimmend den Schluss des Hesiodion hinter v. 10
ansetzen, ist in Yerbindung mit dem abweichenden Inhalt der folgenden
Verse ein genügender Beweis far jenen von Schenkl vermutheten Aus&U.
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Die handschriftl. Ueberliefenmg des AoBoniiiB. 309
HesiodioxL
üeber das Hesiodion können wir kurz sein, so wichtig es für
unsere Frage ist. Die Ueberschrift lautet in Y : De aetatibus. Hesiodion.
Vollständiger in Gtt: Explicit egloga supra scripta, incipit de aetati-
bus animantium. Hesiodion (supra om. G Hesidion 0 hHcyuJ^yuuA^,
darüber hesiodion ir). Eine Hds. von Yalencienne s. IX (auf der
eine jüngere daselbst s. XII beruhen wird) geht auf Gir zurück,
wie zunächst die ueberschrift, Incipit de aetatibus animantium
hesiod — , dann wenigstens eine Lesart bezeugt, v. 10 secreta, wo V
secreti gibt
Woher stammt nun in dem Titel dieses Gedichtes, wie der
früher genannten, das Wort Egloga? Ist es aus dem Archetypus
von GttY herübergenommen, der ein Eclogarium bietet? ^^^) Schwer-
lich! denn da stehen die oben genannten Gedichte in einem anderen
Theile. Es findet sich jener Titel nur:
1) In der Subscriptio des Yir bonus in tt und a (AB PC);
2) In dem damit verbundenen Incipit der Bosae in a (in B
scheint es zu fehlen) , ebenso in dem Explicit der Bosae
in a;
3) In dem Explicit von Est et non Gir;
4) In dem Explicit des Hesiodion G.
Also nur in Gira, nicht im Yossianus.
Wir dürfen dies hier mit der bisher missachteten Ueberschrift
der Mosella in G und B verbinden:
Incipiunt excerpta de (ex B) opusculis Decimi Magni Ausonii,
um nun die üeberzeugung zu gewinnen, dass Egloga den kleineren
aus Ausonius ausgehobenen Gedichten in der Urhandschrift dieser
Excerpta beigesetzt wurde. Bei der Nachlässigkeit und Inconsequenz
der Abschreiber ist es bei einigen dann verloren gegangen.
Monatsgedichte.
Man könnte sich versucht fühlen, aus dieser Excerpten- Samm-
lung auch die Splitter von Ausonischen Gedichten herzuleiten, die
Sannazarius ^ex alio oodice bybliothecae in Araris insula' geschöpft
hat Es sind das:
1. Epigr. 75 In Eunomum medicum, im Yossianus wie auch in
der Z-Familie erhalten;
2. ecl. XIY (n. 382) Principium lani «= Anth. lat. Biese 640.
'*") So wenigstens scheint man, wie früher bemerkt, die Ueberschrift
der fSnften Ecloge im Yossianus: Incpt eglogar, de nominib. septe dier,
deuten zu müssen. Noch einmal kommt der Titel vor Id. XY: Egloga
de ambigoitate vitae im Ticinensis.
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310 B. Peiper:
Diese üeberlieferung des Epigramms weicht sehr stark von Z,
wenig vom Yossianus ab, aber doch genügt sie letzteren nicht als
directe Quelle erkennen zu lassen, der Text hat offenbar durch wieder-
holte Abschrift gelitten: v. 7 gibt die Hds. qui, der Yossianus nebst
ed. pr. quia (worauf auch das qs des Tilianus — anstatt q2 —
deutet), femer y. 8 diese Hds. adcirem, wo Voss, accirem, die Fa-
milie Z acciperem liest. In der Ecloge, die in Z fehlt, zeigt er mit
dem Yalentianus n. 330, der dadurch an Werth gewinnt, Ver-
wandtschaft.
Hier eine bestimmte Entscheidung treffen zu wollen, wäre sehr
unvorsichtig, zumal zwei noch nicht genügend erörterte ümstftnde
auf die endgültige Entscheidung einwirken müssen:
1. Die Ecloge (Anth. 6405 Principium lani — wird von Beda
de temporum ratione c. 16 citirt ('quidam ueterum'). Ein Vers daraus
findet sich in den biblischen Glossen des Kölner Codex 211 (Darm-
stad. 2180) s. IX, s. Jaff&- Wattenbachs Catalog S. 160: Mensisqui
apud grecos dioscori apud latinos uocatur lunins. Huic ergo mensi
geminorum signa asscribnntnr. Unde poeta: lunius aequatas (sie)
caelo uidet ire Laconas.
Die Verse dieser Ecloge sind femer den Bildern der pracht-
vollsten Handschrift von Wandalberts von Prüm Martjrologium
(Vatican. christin. 438 s. X) vorgesetzt (E. Dümmler N. Archiv IV
309). Vereinzelt scheint das Gedicht auch in anderen Hdss. vorzu-
kommen. Es war wohl von alter Zeit bekannt, und dass es sich von
Lyon aus verbreitet hat^ dafür kann die von Sannazar gesehene Hds.,
in die es nicht direct aus Vbssianus gekommen sein mag, sprechen.
2. Dieselbe Ecloge steht nebst einem anderen Ausonianum in
einer kleinen, neuerdings mehrfach besprochenen Sammlung^^) von
Monatsgedichten, die nach Bährens' Annahme von Beda veranstaltet ist
und folgende Nummern enthält: 1. Ausonii ecl. IX = 376 (Anth.
lat. 639) Primus romanas — ; 2. u. 3. Anth. 394 und 395; 4. Frag-
ment aus Ciceros Aratea (Meyer 1028); 5. Ausonii ecl. XV =» 382
(Anth. lat. 640) Principium lani — . Die wunderliche Ueberschrift
von 394 in den Hdss.:
versus de numero dierum singulorum mensium
deutet Bährens auf den Ausfall von Auson. ecl. IX =» 378 (Implent
tricenas — ), dessen Ueberschrift im Vossianus lautet: Quoteni dies
sint mensuum singulorum. Dies Gedicht trifft man jedoch ausser-
halb des Vossianus nirgends an. Mit mehr Recht erklärt er 394 für
'•«) Biese Rh. M. XXX 136. Bährens Bh. M. XXXI 96 ff. Ueber
den cod. Mos. Brit. 16 B XIX, siehe Zangemeister S. B. der Wiener Ak.
phil.-hist. El. 84 (1877) S. 614. üeber die Hdss. von S. Gallen gibt
Scherrers Catalog, selbst mit Hilfe der Indices keine ausreichende Xunde;
vgl. z. B. die Mittheilungen E. Dümmlers an der oben angeführten
Stelle.
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Die handschriftl. Ueberlieferang des Ansonins. 311
zusammengesehweisst ans Fragmenten zweier Gedichte. ^^^) Einen rich-
tigeren Titel, der natürlich nur auf den ersten Theil des Qedichts
sich beäeht, bietet Cod. S. Gallensis 250 s. IX:
Versus de honore deorum singulorumque mensium.
Dort steht das Gedicht mit Anth. 680, Versus Bedae presbiteri
lind Anth. 395. Mit Beda hat die Sammlung dieser fünf Gedichte
(von denen 394, 395 ihm freilich bekannt sein konnten) ^^), gar
nichts zu thun. Die Hdss. dieser Sammlung gehen — soviel bis
bis jetzt bekannt — über das neunte Jahrhundert nicht zurück. Man
wird eher jfragen dürfen, ob nicht unsere Sammlung in Connex ge-
standen zu der unter den Nummern 676 — 680 bei Biese heraus-
gegebenen*^*), die in dem römischen Codex des Wandalbert gleich-
falls vorkommen, und ob dieser Gründer beider sein könnte: der
Diaconas Florus von Lyon, dessen reicher Bibliothek Wandalbert
soviel verdankte, wie er in der Vorrede selbst bekennt*^), könnte
ihm dazu die bisher unbekannte Ecloge des Ausonius (Primus ro-
manas — ) beigesteuert haben. Indessen liegt das Material auch heute
noch in solcher Unvollständigkeit vor, dass das Aussprechen einer
so vagen Vermuthung nur bezwecken kann, die Auünerksamkeit auch
nach dieser Seite hin zu lenken. Ein Umstand wird bei Erledigung
der Frage nach dem Entstehungsorte dieser Sammlung nicht ohne
Gewicht sein: die einzige Ecloge des Ausonius, welche in die Hdss.
Z übergegangen ist (ecl. VIEL = 375, Aetemos menses — ), fehlt in
der besprochenen Sammlung; sie könnte nicht fehlen, wenn
eine alte Hds. dieser Familie Z sich in dem Vaterlande
jener Sammlung befunden hätte. Stanmit die Sammlung von
Wandalbert, bez. Floi^us, so war der Archetypus von Z schon im s.
IX ins Ausland gekommen; und h&tte sich im Frankenreiche eine
Abschrift von ihm erhalten, so würde sicherlich aus ihr die Samm-
hmg im Laufe der Zeit um dies Gedicht sich bereichert haben.
Sonst ist mir von einzelnen Gedichten der Vossianus- Familie,
die zersprengt in Miscellen-Hdss. aufgefunden werden, nichts bekannt
geworden aasser drei Diogenes -Epitaphien, epit. 31, epigr. 53 und
54 (die unter den Epitaphien des Vossianus eine Beihe, 28, 29, 30,
^*^) So gewinnt er eine Sammlung von 7 Monatsgedichten. — ^*^)
Dass Ausomus der VerfiäBser dieser beiden — bez. drei — Gedichte sei,
wie Biese muthmasst, dürfte sich schwerlich aasreichend begründen lassen.
— ^*^ Üeber diese s. Scaliger Lectiones Ausonianae II c. 29: die Les-
arten des von diesem benutzten Ctgacianos führt Biese nach Burmami
mangelhaft an. Das Gedicht' 676 ist vor Hieronymas ver&sst. In dem
Jahrhundert zwischen Hieronymns nnd Columbanus, die es beide kennen
(der letztere verwebt es vollständig ausser v. 1, den er durch einen an-
dern einleitenden Vers ersetst, in sein Gredicht ad Sethnm), schmückt
Dracontias damit seine SatisfEbctio (v. 4, 5, 6, 8, 12 » Satisf. 247, 249,
261, 269, 263), von v. 4 hat er die erste Hälfte in der Medea v. 182 und
im dritten seiner kleinen Gedichte v. 6 benutzt. — ^^) d'Achery Spicileg.
ed. Vetos V p. 386, ed. nova II p. 39.
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312 B. Peiper:
bilden). Sie finden sich im Cod. des britischen Mas. Reg. 15 B
XIX, s. IX— X f. 99' (s. E. Bährens Rh. Mus. XXXI 94, Zange-
meister S. B. der Wiener Akad. 1877 Bd. 84 S. 615). Weiterhin
folgt f. 102^ Mentio duodecim uersuum predpuanun nirtntam Her-
culis. siue epyOA^yoM (um übergeschrieben) ipsius. Prima cleomei
etc. Das dritte Epitaph ist ai'g verstümmelt. Statt des Croesus
redet Diogenes den Xerzes an — eine mittelalterliche Umwandlang,
wie sie auch im Carmen Buranum XI S. 9 von mir nachgewiesen
worden ist Rh. Mus. N. F. XXXlT S. 521 — die zweite Nennung
desselben Namens in v. 3 ist getilgt:
Nil, inquid, tibi Croese tuum superat, mici cuncta, gibt Yossianus,
Nil, inquit, curo tua: sat superant ndhi cuncta, die britische Hds.;
ausserdem ändert die Hds. 5 mendice in mendace, 6 si in sie. Die
Verse 3 — 6, die in den Ausgaben noch fehlen (statt ihrer stehen die
unechten Verse des ügoletus), lauten:
^Nil, inquit, tibi, Croese, tuum superat; mihi cuncta;
Nudus eram: sie sum; nil habui: hoc habeo.'
Rex alt: ^Haud egui, cum tu mendice carebas
Omnibus'. *Et careo, si modo non egeo.'
Ich lasse dahin gestellt, ob auch sie aus unseren Ezcerpten
stammen, worauf die Verbindung mit den aerumnae Herculis führen
könnte.
Parisinus 8600.
Eben so wenig wie in den Hdss. Z werden wir in dieser Hds.
die Arbeit eines Excerpten-Sammlers suchen dürfen. Auch die Mit-
theilungen dieser Hds. gehen auf Fragmente eines alten Exemplars
der Opuscula Ausoniana zurück. Und auch hier sind es, wenn wir
die Vertheilung der Stücke auf Quatemionen im Vossianus zu Grunde
legen^^^), naturgemSss die mittleren Quatemionen, die am besten sich
erhalten und die meisten Stücke hergegeben haben:
.Q. LI........
.Q. n , . . 15 16
.Q. m. 17 18 19 . , 21 22 23 24
.Q. im. 25 26 . . ,29 30 31 32
.Q. V. 33 34 35 35B, ....
üud zwar finden sich zwei Mal vollständige Reihen ohne alle Lücken
aus der Mutterhandschrift ausgehoben 1) 24^ bis 26^ Griphus und
'<^') In den Schreibstuben war wan behufs der Erleichterung des Ge-
schäfts, der Berechnung des nöthigen Pergaments, der Vertheilung an
die Scribae, und ihrer Beaufsichtiguig zu mechanischem Festhalten der
äussern Anordnung genOthigt. Eine Berechnung, wie wir sie anstellen,
kann also nicht völlig trügen. Die Vul^rhdss. des Ausonius und die
ersten Drucke stimmen ebenso sehr aus begreiflichen Grfinden in der
Vertheilung Qherein.
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Die bandschriftl. üeberliefeniug des Ausonius. 313
SymmachasBriefe, 2) 29^ bis 35 B Briefvvechsel mit PanlinaB nebst
epigr. 34 (welches im Yossianus vom Briefwechsel dnrch Paulini
oratio getrennt steht). Bei dieser zweiten Beihe ist die völlige Umkehr
der Reihenfolge zu beachten, die doch nicht auf einer Laune des Ab-
schreibenden beruhen kann, sondern eine Folge falscher Lage los-
gelöster Bl&tter sein muss: und möglich dürfte es sein, daraus und
aus den Umstellungen der anderen Stücke annKhemd den Umfang
und die Zeilenzahl der Bltttter in der Vorlage zu berechnen. Von
grosser Wichtigkeit ist die Erkenntniss, dass die Vorlage voll-
ständiger war als der Vossianus: Der Brief des Theodosius
hat sich vor dem Briefe des Ausonius an denselben (469) erhalten,
und es fehlt nicht der jambische Schluss von Paulinus 11 ; dagegen
ist im ersten Paulinus -Briefe der Hymnus auf Christus 285 —331
weggelassen.
Der Gedanke tritt zunächst nahe bei dem verschiedenartigen
Inhalte von P und Z, dass die verschiedenen Theile derselben Hds.
sich in diese beiden Sammlungen zersplittert haben. Indessen sind
es doch vier Stücke, die Beide gemeinsam haben:
Id. I Versus pascales,
Id. XI Griphus mit Vorrede,
Id. rV Protrepticus mit Vorrede,
Epigr. 34 Ad Proculum.
Dass sich beide Sammlungen soweit ergänzen, ist also nur Spiel des
Zufalls, von dem es ja eigenthümliche Beispiele gibt.^^')
Der Zufall hat uns aber, wenn nicht alles trügt, wirklich aus
derselben alten Hds. einige weitere Stücke bewahrt: Der Bestand
der oben angeführten, vorläufig als Excerpte bezeich-
neten Sammlungen S. Gallensis, Bruzellensis, Puteanus
ist es: aus dem ersten Quaternio hat er die Herculis aerumnae er-
halten (und daraus ist seine Herleitung aus einer andern als der
Stamm-Hds. von Z ersichtlich), am Schluss des zweiten die ersten
drei der zwischen Pythagoricon und Versus Pascales ausgefallenen
Stücke (Vir bonus, Nat Kai oö, Hesiodion), in der zweiten Hälfte des
dritten den vollen Inhalt der Lücke zwischen Ludus und Griphus,
die Caesares.
Wenn P das erste der epigrammata de diuersis causis
noch vorfand, so konnte für diese Sammlung noch das Schluss-
epigramm der Eeihe benutzt werden: dazu kommt nun das einleitende
Epigramm der nur in Z erhaltenen anderen Epigrammensammlung,
sowie die Mosella: beide dürften in der zweiten Hälfte des vierten
und im fünften Quaternio jener alten Hds. gestanden haben.
>os) Wenn z. B. die Breslauer Hds. von Apulejus herbarium, s. IX,
eine Lücke aufweiset, welche gerade durch ein einzeln erhaltenes Blatt
einer bedeutend altem Hds. aus S. Emmeram ausgefüllt wird. S. Spengel
im Phüol. XXI p. 119--122.
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314 B. Peiper;
Doch wo bleiben die Periochae? Sollen wir wirklich annehmen^
dasB sie aus der voUstttiidigen Sammlimg ausgeschieden sind auf die-
selbe Art wie die Mosella? Und dass sie sich nun in die Sammlung
P gerettet? Denn das ist die einzig nachweisbare Hds. dieses Werkes.
Inscriptio und Explidt, jede Bezeichnung des Verfassers wird ver-
missty während bei den Ausoniana niemals ein Titel, aus dem der
Verfasser sich ergibt, fehlt Innere Ghrttnde sprechen für die Autor-
schaft des Ausonius nicht: auch der äussere Grund, dass die Schrift
zwischen Ludus und den PauHnus-Briefm steht, ist kein triftiger, da wir
doch auch zwei Mal Stücke aus Prudentius unter die Ausoniana ge-
stellt finden. Die inneren Gründe würden an einen Autor wie Pul-
gentius denken lassen, und eine Hauptschrift dieses Mannes, die
Mjrthologica, gehen nebst seiner Vita dem Ludus vorauf. Es würde
sich also wohl eine sprachliche Untersuchung, ob diesem die Vater-
schaft zuzuweisen, lohnen: dem Ausonius, dem nur Leichtfertigkeit
dies Produkt zugewiesen, entschuldbare Unkenntniss des Sachverhalts
bis jetzt bewahrt hat, muss sie unter allen Umständen abgesprochen
werden, wenn nicht, was kaum glaublich, die triftigsten Gründe für
ihn nachträglich entdeckt werden sollten.
VIL
Resultate.
Ich entwerfe nach den bisherigen Untersuchungen einen Stamm-
baum, zu dessen Erläuterung die folgende Eecapitulation dienen möge.
L
Die zuerst durch den Druck ans Licht getretenen Dichtungen
des Ausonius enthalten zunächst den Nachlass des Dichters z.
Dieser Nachlass muss mit der Hauptsammlung in einem Bande ver-
einigt gewesen sein, nicht dass er einen zweiten gesonderten Band
gebildet hätte. Er löste sich von ihr und nahm eine, den Schluss
der Hauptsammlung bildende Epigrammen-Masse mit fort. Die um
diese Masse gekürzte Hauptsammlung j gerieth völlig in Verfall;
Abschriften von den letzten Splittern derselben, y^, wurden in den
Nachlass eingereiht (y* + z^). In alter Zeit, vielleicht schon vor
Mitte des 9. Jahrhunderts, ist der Stammvater aller erhaltenen Ab-
schriften der so entstandenen Sammlung Z, ohne eine Spur in der
Heimath zu hinterlassen, nach dem nordöstlichen Italien, zunächst
wohl nach Venedig, gekommen; Zeugniss dafür legen unbedeutende
und umfassendere Excerpte des 12. und 13. Jahrhunderts ab, von
denen die einen durch Friaul nach Steiermark auf vielbenutztem
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Die handBchrifU. UeberliefiBning des Auflonius. 315
Ffade^^) ihren Weg fanden (Vorau), die anderen nach Sodfraakreich
(Montpellier) zurückkehrten (p =» Paris. 18275). Der Enstor-
gianns (»» Tilianns) T und die von B. Girardinus der ed. pr.
zu Gmnde gelegte Hds.^ G, sind aus' verschiedenen Abschriften der
ürhandschrift geflossen. Eine andere Abschrift wurde, offenbar von
Venedig ans, nach Zara yersehlagen und bereite vor der Mitte des
15. Jahrhunderts zu um&ngreicheren Excerpten verwendet, deren
älteste erhaltene Gopie der Gudianus vom J. 1445 ist, g^, als auch
vollständig abgesclndeben, wofttr das Eings-Ms. vom Jahre 1475
— E — K6ugt Der Zusammenhang der übrigen sehr jungen Hdss.
der Familie Z ist noch unermittelt. GTK sind die vornehmsten Ver-
mittler unserer Kenntaiss einerseits des Nachlasses, andererseits einer
der Hauptsammlung entfremdeten zweittei Epigrammen-Masse.
n.
Einige Theile wenigstens jener in den Nachlass (z) verwebten
Splitter von y sind bereits, ehe sie in der Abschrift y^ mit z sich
verbanden, einmal abgeschrieben worden: y^ Von dieser Abschrift
stammen die Fragmente imCantabrigiensis, C (Oratio und Stücke
des Technopaegnion). Früher, aber bereits als der Nachlass mit den
letzten Blättern des Hauptcorpus sich von diesem losgelöst hatte,
ist von dem Codex y, dessen Zersetzung inzwischen weitere Fort-
schritte gemacht hatte, so dass nun u. a. auch die Moseila aus ihm
verschwunden war, eine vollständige Abschrift y* genommen. Den
am Anfang stehenden Brief des Theodosius fand der Schreiber nicht
mehr vor, eine Blattumstellung mag den Ausfall des jambischen
Theils von Paulinus ep. 11 sammt der hier bemerkbaren Unordnung
verschuldet haben. Diese Hds. y^ ist als Vater des Cod. Lugdu-
nensis (Voss. 111) V anzusehen. Zur Annahme dieser engeren
Verwandtschaft zwischen V und den Trümmern von y (y*y^) nöthigen
die im Voss. Q 33 und Paris. 2772 erhaltenen Stücke des Techno-
paegnion — V p; zwischen y und V wenigstens ein Mittelglied ein-
zuschieben, lassen die Lücken in V als rathsam erscheinen, wie die
(wegen y* y*) offenbar sehr früh anzusetzende Zeit des Verfalls
von y. Aus y^ gleichfalls scheinen direct geflossen die vermuthlich
auf Flor US Diaconus Lugdunensis (von denen der erste Anhang
Näheres mittheilen soll) zurückgehenden Ezcerpte des Parisinus 7558
= F, indirect die schon genannten Stücke des Technopaegnion in v p.
HL
Die Mosella ist nicht von alter Zeit her in Einzelhandschriften
verbreitet gewesen, sondern stets nur in Verbindung mit anderen
Ausoniana, z^ In den wenigen Einzeltexten, die wir kennen (R «»
108^ Vgl. J. V. Zahn Austro-Fiiulana (Fontes rerom Austriacanun II,
Bd. XL) Wien 1877, und desselben Friaolische Stadien I (Archiv ftlr
österreich. Gesch. LVII, 2 S. 277 ff.) Wien 1878.
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316 R. Peiper:
Bhenaugiensis, V «» Yaüconus) erscheint sie willkührlich dieser Ver-
bindung entfremdet. Die ganze Sammlung, in der sie einst das
Hauptstück bildete^ ist in ihrer Integritttt nicht mehr erhalten; die
einzebien Stücke derselben sind in manchfaltiger Gruppirung in klei-
nere Sammlungen übertragen worden, von denen uns mindestens drei
Gestaltungen deutlich erkennbar vorliegen; ihre characteristischen
Vertreter sind für 1) S. Gallensis 899 = G, für 2) Bruxcl-
lensis 5370 = B, für 3) Puteanus (Parisinus 4887) «= it. Die
Natur dieser Stücke wehrt dem Gedanken, den der mehrfach ge-
brauchte Titel Ecloga, sowie Ezcerpta de opuscuUs Decii Magni
Ausonii erzeugen könnte, dass nur frei ausgewählte Excerpte der
vollständigen Sammltmg vorliegen; für versprengte Trümmer von
y dürfen wir sie indessen nicht halten, weil ein Theil des Caesares,
sowie ein Epigramm in x^ sowohl wie in Z Aufriahme gefunden hat.
Aufklärung gibt uns eine zweite, mit j nicht zusammenhängende,
grössere Trümmersanmilung, x\ erhalten im Ticinensis (Parisinas
8500) '=' P, in die sich die Stücke von x' einfügen: zusammen re-
präsentiren x^ und x^ einen nicht unbedeutenden Theil eines zweiten
Exemplars der Hauptsanunlung, x, welches vermuthlich noch nicht
um den Nachlass vermehrt war. (Dann liesse sich x sogar mit dem
echten Exemplar des Ausonius identificiren und j würde eine Ab-
schrift davon darstellen.) — Wenn nun gleich P aus alter Hds. ab-
geschrieben sein muss, so mag man doch zwischen ihm nnd dem
Exemplar x^ ein, vielleicht sogar mehrere^ Zwischenglieder (durch
x^' bezeichnet) ansetzen; muss doch jene durch x bezeichnete Hds.
in sehr früher Zeit (wohl früher noch wie j) in Trümmer gegangen
sein, sehr früh also die Bildung von x^ und x' stattgefunden haben,
da drei Gedichte der zweiten Splitter- Sammlung x^ schon in recht
alter Zeit in das bekannte luvenalis ludi libellus «» a Aufnahme ge-
funden haben, dessen relativ reinster Text sich im Augustanas zu
Trier findet — Ein Best der Vaterhandschrift von dem in Italien
geschriebenen Codex P hat sich in dem Fragment der ürbes (übel
zugerichtet, weil dieser Catalogus den Schluss der Handschrift bil-
dete) in den Eustorgianus T hinüber gerettet
Es kann kaum bezweifelt werden, dass die von der Haupthds. y
abgeleiteten Hdss. sämmtlich in Lyon ihre Heimathsstätte
haben; von dort her stanamt Y, dort wurden doch wohl, von Floros
selbst vermuthlich, die Excerpte F abgeschrieben. Dort, oder nicht weit
von Lyon wird also auch wohl der YerfEiU von y vor sich gegangen
sein, in einer Zeit, ¥de sie uns beispielsweise Ado zum Jahre 737
schildert'^) Auf Lyon deuteten auch die beim auotor de dubiis
104^ Wilicarius Austreberto uenerabili episcopo Vieonae eucoedit
Qui ob cladem Sarrasenorum, cum eseet domus piaeclarissima mar-
tjnim citra Bhodanum ab eis iam incensa, ossa beati Ferreoli cum ca-
mte luliani matyris infra urbem transtalit . . . Idem Wilicarius cum
nirioso et insano eatis oonsilio Franci res aacras ecdeaarum ad usus
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Die handflchriftl. Ueberliefenmg des Atuonias.
317
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318 R. Peiper:
nominibus erhaltenen Fragmente hin, und bei ihrer Besprechnng
wurde auch auf die Möglichkeit einer Abstammung von x^ aus der-
selben Stadt hingewiesen, bei der nahen Verbindung, in der Walah-
frid mit Agobard von Lyon stand. Für Z und x^ ist soviel sicher,
dass sie frtth nach Italien gelangt sind, dort aber verschiedenes Ge-
schick erfahren haben: der bessere Theil der Opuscula wurde nur
einmal abgeschrieben, während Z weitere Verbreitung &nd. Sie waren
also jedenfalls in verschiedene Hftnde gekommen. Dieselbe Hand kann
dennoch beide gleichzeitig von Lyon aus mit dahin genommen haben:
vielleicht dass es Agobard selbst war, da er mit Kaiser Lothar dahin
flflchtete. Aus der Capit-elsbibliothek von St Justus zu Lyon dürften
sie aber gewiss stammen.
Auf welchem Wege nun die Werke des Ausonius von der
Garonne nach der Bhone verschlagen worden, das mag als
eine müssige Frage erscheinen; aufdrängen wird sie sich den-
noch Jedem, der an dem Schicksale der Hdss., wie ihres Inhalts
und ihrer Verfasser Theil nimmt. Bei der beschränkten Anzahl von
Exemplaren, deren Spuren in alter Zeit nachweisbar, werden wir
zunächst eine Uebertragung durch vollberechtigte Erben annehmen,
diese selbst in die Nähe der Bhone verpflanzt denken müssen. Bei
der Seltenheit des Namens Ausonius, der sich (wir lassen den Mär-
tyrer von Angoul^me, der vor unserem Dichter gelebt und gelitten
haben soll^^) bei Seite) rein auf die Familie des Dichters, von seinem
Grossvater bis auf seinen Tochtersohn, beschi-änkt, werden wir, wenn
in nicht zu weitem, räumlichem und zeitlichem Abstände ein Mann
dieses Namens begegnet, zunächst berechtigt sein denselben als
Nachkommen des Dichters anzusehen. Ein Schreiben des Papstes
Hi&rus nun vom Jahre 464, welches sich an die Bischöfe eines
Theils der Provence (der provincia Viennensis, Lugdunensis, Narbo-
nensis prima et secunda, Alpina) richtet, führt unter den Adressaten
auch einen Ausonius auf: die Diöcese, der er vorstand, ist so
wenig wie bei den meisten übrigen Adressaten zu ermitteln, aus
der Anordnung kaum ein Anhalt zu gewinnen — man könnte ver-
sucht sein, weil er bald hinter Faustus, jedenMls dem Bischöfe von
Riez, und Auxanius, der vielleicht nach Apt oder Aix gehört, nur
durch einen Namen von diesen getrennt, genannt wird, auch ihn
zum Suffiragan des Bischofs von Arelate zu machen, wenn nur dieser,
8U0B retorqnerent, uidens Viennensem ecdesiam Buam indecenter hnmi-
liari, relicto episcopatu in monasterium Banctorum martymm Agaunen-
sium ingressus oitam uenerabiliter daxit. Vastata et dissipata Vien-
nensis et Lugdunensis prouinoia aliquot annis sine episcopis
utraque ecclesia feit, laicis sacrilege et baroare res sacras ecclesiamm
obtinentibuB. Ado bei Perts SS. II 319. — '<>») Acta SS. Bolland. S2.
Mai t V p. 131 ff. Eine Lvoner Märtyrin Ausonia erwiUmt nach Lyoner
Martyrologien Ruinart zu Gregor von Tours p. 799 not. — •*•) Ph. ^bbei
et Gossartii Concilia IV 1045. A. Thiel Epistolae romanorum poidäficuin
I 148. /
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Die handschriftl. üeberlieferang des Ausonioa. 319
Leontius mit Namen, nicht grade an letzterer Stelle selbst genannt
-wftre. £ine Yerwechselung mit Anxonius, Episcopus Viyariensis un-
bestimmter Zeit^^^, ist nicht anzunehmen.^®) Unter den Bischöfen,
die um die Zeit des Concils von Arles 475 des Faustos Protest
gegen den Presbyter Luddus unterzeichneten, und denen, an die der
Letztere seinen Widerruf richtet^, erscheint der Name Ausonius
nicht mehr. Sehr wohl könnte also dieser Ausonius, ob er mm
Suffiragan des Episcopus Lugdnnensis oder Arelatensis gewesen, ein
Enkel dessen sein, dem der Dichter sein Protreptieon und Geneth-
liacon gewidmet. Daraus würde sich nun auoh eine Erklttrung er-
geben für das Lob, welches Sidonius ApoUinaris, der Bischof der
Arvemerstadt, dem Dichter Ausonius zollt, dessen Werke schwer-
lich anders als durch solche Privatverbindungen zugänglich waren,
deren sich Sidonius mit einer so grossen Zahl von gallischen
Bischöfen rühmen konnte ^'^) — wie hinwiederum diese Erwfthnung
fEbr die den Bischof Ausonius betreffende Annahme einen Halt
gew&hrt
Eben des Sidonius Lob führt jedoch auf eine zweite Vermuthung, die
mir ansprechender erscheinen will. Ausonius hat die opuacula dem
Syagrius, seinem alter ego, gewidmet (470 v. 41 — 44), welcher,
Consul im J. 381, wegen seiner Beredsamkeit zum öftem von Sjm-
machus, als Dichter von Sidonius gerühmt wird.^^^) Derselbe stammte
selbst aus Lugdunum; dort befand sich sein Grabmal, zu dem sich
einmal nach der Feier des h. Justus die Festversammlung begibt^^^);
dort lebten seine Nachkommen: Ferreolus praefectorius Affiranii, Sya-
'^^ Gallia christiana t. XYI 543 f.; vielleicht ist dies der gallische
Bischoi, den Pabst Caelestinus in seinem Decret v. J. 432 nennt. —
><>>) Ueber die Handschriften der Canones-Sammlung von Arles, in denen
der Brief erhalten, s. F. Maassen G. d. Quellen und der Litteratur des
canonischen Rechte Gratz 1870, I s. 767, A. Thiel I p. XXVII. Die
angedeutete Verwechselung scheint in der Gallia Christ. XYI p. 8 der
Einleitung freilich stattgefunden zu haben. -— '^') Labbei ConoiHa IV
p. 1044. — '^^ Sidonius und seine Zeit von Fertig II p. 32. — Ueber
den Verbleib der Bücher eines verstorbenen Bischofs dürfte es in jener
Zeit nicht gerade zahlreiche Nachrichten ^eben; nahe üe^t die An-
nahme, dass dieser Nachlass meist an die Metropolitanlorche kam.
Ausdrücklich vermacht Bischof Perpetaus von Tonrs im J. 476 seiner
Ecclesia alle seine Bücher mit Ausnahme eines, von HilariuB von Poitiers
geschriebenen £vangeliariimi, das er seinem Freunde Eufronius (dem Bi-
schof von Autun vennuthlich) zueignet. d^Achery Spicileg. V 106. in
den erhaltenen testamenten des S. Remigins von Rheims, f 683, und
Caesarius von Arles, f 542 (Br^uigny et La Porte du Theil Diplomata
I n. XV, XVI und XXIII) ist von Büchern keine Bede, und in dem Frag-
mentnm Testamenti Desiderii Caturcensis episcopi a. 663 ^libros uero
meos tibi matri ecclesiae tuoque aduocato successori meo commendo',
ebenda n. CXXXII ist sicherlich libertos an Stelle von libros zu lesen.
— *") Sid. ep. V 5 — Teuffei» 401, 2 führt diese Stelle nicht an. —
*^*) Si4. ep. V 17 placuit ad oonditorium (conductorium vulg.) cinium
primis una coire. Vgl M. Fertig Sidonius und seine Zeit Würzb. 1846
II 29.
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320 R. Peiper:
grii consnlis e filia nepos*") Salonius***), vor allem, am Hofe Chilpe-
rieh I,^^^) Syagrius *der Vermittler der römischen Civilisation nnter
den Bnrgundionen/***) Des Vorfahren Dichterruhm war in der Familie
bekannt geblieben, seine poetischen Versuche erhalten^^^; so sind
dieselben, die schwerlich eine weitere Verbreitung gefunden haben,
dem Sidonius zugänglich und bekannt geworden. Ohne Zweifel be-
wahrte die Familienbibliothek auch andere werthvoUe Erinnerungen
an den Vorfiahren, unter denen die opuscula Ausonii einen besonderen
Platz verdienten. Dies dem Sidonius bekannte Exemplar^^^ dttrfte
der Stammvater aUer erhaltenen Handschriften sein.
vni.
Briefwechsel mit Symmachus.
Derselbe beschränkt sich in den Ausonius-Hdss.: l) Anf die
Mittheilung des die Mosella betreffenden Briefes des Symmachus, an-
gehängt an die Mosella im S. Gallensis, Bruxellensis, Laurentianus,
ed. Ugoleti. (Symmachus ed. prior Jureti 18, ed. Parei I 14.)
2) Auf die Widmung des Gxiphus (id. XI «== 336), die natürlich in
den Symmachus-Ausgaben fehlt — an welche sich im Vossianus
Symmachi ep. I 31 Par. (I 25 Jur.) mit des Ausonius Antwort,
Aus. ep. XVn BS Symm. I 32 Par. (I 26 Jur.) auf den Protrepticus
bezüglich, nebst einem kleineren Billet des Symmachus den Thalassius
(Thalysius?) betreffend (I 25 Par., 1 19 Jur.), für dessen Mittheilung
es an jeder Begründung mangelt, anreiht. Die letztgenannten drei
«»") Sid. ep. I 7, n 9, VH 12 Carm. XXIV 86. — "*) Sid. ep.
Vm 8: redde te patriae. — "») Sid. ep. V 6, der 6. u. 7. Brief sind im
Herbste 474 geschrieben: 0. Binding, das Burgundisch-Bomanische König-
reich Leipsig 1868 I 78 Anm. 306 ; A. Jahn I 629. — *^^) Seine Bedeutung
nach dieser Richtung hin schildert -nach dem an ihn gerichteten Briefe
des Sidonius V 5 A. Jahn, Gesch. d. Burgundionen und Burgnndiens I
148—160, ygl. n 16 und Anm. 1. — Derselben Familie {fehOrt offenbar
die fromme Syama (thesaurus ecdesiae nennt Ennodius dieselbe), welche
den Ayitns fSr Loskaufung von EriegsgeÜBuigenen Gelder spendet (um
494); sie ist vielleicht identisch mit der in der Historia abbatnm Agan-
nensium c. 2 (W. Arndt, El. Denkm. a. d. Merovingerzeit, Hannover
1874 s. 14) erwähnten Syagria. — '*') Sid. ep. V 6 Syagrio suo. Com
sis consnlis pronepos idque per uirilem successionem . . . cum m igitur
e semine poetae, cui procul dubio statuas dederant littorae, si trMeae
non dedissent: quod etiamnuno auctoris culta uendbus uerba testaatur.
a quo studia posterorum ne parum quidem, <^uippe in hac parte de^gene*
rauemnt — '*') Ausser der oben S. 192 citurten lobenden Aeusserung
dürften sich bei Sidonius auch einzelne Spuren wirklicher BekanntBchm
mit den opuscula des Dichters nachweisen lassen: selbst bei Avitns
glaube ich einiges der Art zu finden.
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Die liandflchriftl. Ueberliefemng des Aasonius. 321
Btttcke giebt in derselben Reihenfolge auch Paris. 8500. Die Ueber-
Schrift des letzteren lautet im Voss.:
Ausonius. Axio Simacus: Ausonio.
im Parisinus:
Besponsio ausonii ad symmachum.
Symmachus ausonio.
In beiden ein Irrthum, der in der älteren gemeinsamen Quelle be-
gründet sein muss. Den des Vossianus könnte man aus einem
leichten Versehen erklttren, da der Briefwechsel mit Axius Paulus
hinter dem Schreiben des Symmachus beginnt; der Parisinus leitet
aber wohl eher auf den Ausfall eines Briefes des Ausonius.
Eine vollständige Mittheilung seiner Correspondenz mit Sym-
machus hatte gewiss Ausonius so wenig beabsichtigt, als er sie zu
liefern im Stande sein mochte. Ebenso wenig hat sich Paulinus
darauf eingelassen, fOr ein Epistolarwerk die Briefe seiner Freunde
zu sammeln. Grössere Verluste haben wir also schwerlich zu be-
klagen, als höchstens jenes eine auf den Thalysiusbrief, dessen Be-
rechtigung in dieser Sammlung jetzt so fragwürdig erscheinen muss,
sich beziehende Schreiben des Ausonius. Symmachus hat nur seine
eignen Briefe gesammelt, alle an ihn gerichteten Briefe aus-
geschlossen:'^^) man muss sich darum wundem, den Brief des
Ausonius (ep. XVII Modo intellego — ) an ihn im ersten Buch (ep. 32)
eingelegt zu finden, und wird geneigt sein^ da das darin gespendete
Lob ihn nicht zu einer solchen Ausnahme bewogen haben dürfte, den-
selben für später aus Ausonius' Werken in die Hdss. des Sym-
machus eingeschwärzt zuhalten. Der alte Parisinus beginnt leider
erst mit I 25, der Divionensis und Pithoeanus des Juret, die bereits
jenen Brief enthalten, werden von Glason als deprauati bezeichnet
Scioppius reproducirt nur den Text seiner Vorgänger: aus den guten
Hdss.) die er benutzte (Fuldensis, Cod. Bessarionis, Haupthandschriften
nach Clasons Annahme), theUt er auch nicht eine Lesart mit: doch
wohl, weil in ihnen dieser Brief fehlte, denn Gelegenheit zur An-
führung bot dieser Brief gewiss in Fülle. Zu einem ürtheil reicht
also der bisherige Apparat nicht aus. Vorerst können wir fQr diesen
Brief dem Symmachustexte nur die Geltung einer mit dem Vossianus
gleichberechtigten Abschrift aus gemeinsamer Quelle zuerkennen.
Vier von den sieben Briefen des Symmachus, die heute den An-
hang der Bipontina bilden, sind erst von den Herausgebern aus der
nmfiangreichen Sammlung seiner an Ausonius in einem kaum zehn-
jährigen Zeitraum (der Zeit der ersten Praefektur bis vor Ausonius
Fortgang in die Heimath, nach 383) gerichteten Schreiben (Sym-
machus epp. I 13 — 53 Par.)^ ausgehoben worden: es sind die.
>i^ Ausser einem Beines Vaters 12. — "^) Die Amiahme Le Mer-
eiers, dass auch I 4 nicht an den Vater, sondern an Ausonias gerichtet
sei, hat Ritschl Opp. III 618 widerlegt.
Jfthrb. f. clMW. PhU. Snppl Bd. XI. 21 ^ j
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322 B. Peiper:
welche von den Ehrenstellen, die Ausonios und sein Sohn Hesperius
bekleidete, handeln (I 16, 18, 21, 23); sollte dieser Anhang seinen
Zweck erfüllen, so dürften auch 30 u. 38, 36 u. 42 nebst anderen
nicht fehlen.***)
'*') Die Bemer Bibliothek besitzt ein Exemplar des Sjmmachiu ed.
Juret 1680 (H 11) mit Bongarsiiu' Bemerkmigen. (Das Frobensche
Ebcemplar Basil. 1649 (F 91) enth< keine Varianten oder Goigectaren
zu den Aosonins- Briefen.) Zuiächst hat er yor den Briefen einge-
tragen eine
Symmachi nita ex C. Ms. Bibliothecae Begiae.
Sjrmmachns genere Bomanas tempore Constanini magni consul cum Probe
mit sicat in legi. Rom. inueni — - nuUo uetemm minor noster Symmachns
Inxuriator.
Dann sind za den Briefen eine Reihe Lesarten angemerkt, von denen
man zim&chst annehmen wird, dass sie derselben, verrnnthlich also der
heute erst mit I 62 Par. beginnenden und mit VIII 41 schliessenden Hds.
Paris. 8628 (0. Clason de cod. Parisino opp. Sjmm. diss. Bonn. 1867)
entstammen. Mir liegen durch H. Hagens Freundlichkeit die Varianten
zu drei an Ausonius gerichteten Briefen vor, die ich hier mittheile.
1 7 Jur.» 13 Par. fuunda esse ] laetitia et angustias | gestire ]
tibi autem scribendi (amice fehlt)) peperit. . .] res secnnda | residem
fehlt I opere] operae praetium | Primores fehlt | lanus aperibat] lanua-
rias I creperum] crepusculum | quam operiamur] quam adhuc operiamur|
si credis— iLlius fehlt | cruditatem] crudelitatem | Bonus— ofiQcii fehlt
Iquae tunc} qui tunc | hie] hinc | natura tutetur] fortuna tutetur | deli-
cias] reliquias | scripta] scripto | plausus e£fudit] multomm pl. effnderit|
I 8 Jur. "i 14 Par. poematis tuiA] Apedibus j pedestrium] tuomm
djLioucoc] imperitus | tacere] reticere | quam nominibus] quae sunt nomi
nibus j uaria tarn] uariata | ut magnitudine] et magnitudine | probabilem
amabuem | trahas] accedat I 9 Jur. » 16 oper§] opus | euentilatis'
euentilatam i nouus athenaei hospes Latiare] nos at. hospitis latiale
probus est oratione] probasse oraüone | dissentiuntA] Auel etiam quod
pectus] genus | Non] nee | certiores habet natura uindicias bene sen<
tiendi] certiora h. n. mdicia bene sciendi | quod alÜA] Aqui | Hanc] Haec 1
et quod] quod et | a te fiam numquaml a te fiam non | quod] et quod |
factum uolo] fitmam cnpio | prolatuj relatum | uoluptatem] uolun.
tatem.
Wir finden hier eine ziemliche Anzahl von Lesungen, die in den
späteren Ausgaben Aufnahme gefunden haben, wie in dem Mosella- Briefe
(1 8) reticere und accedat, anderes findet sich in Hdss., wie ebenda ua-
riata; indess dies letztere ist hier von der im vorausgehenden ange-
gebenen Lesart quae sunt erfordert, und diese, wie die übrigen ange-
gebenen Varianten sind den mir bekannten Hdss. so fremd, ihre Anzahl
dazu eine sogar dürftige, dass wir es offenbar mit Conjecturen neben ein-
zelnen Mittheilungen aus anderen Ausgaben zu thun haben. Gäbe es
aber wirklich eine Hds. mit diesen Lesungen, so würde sie .als inter^
polirt auf Grund eines lücken- und fehlerhaften Textee TÖllig bei
Seite zu schieben sein; es genügt, auf die ersten Versuche in I 8 hin-
zuweisen.
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Die handscluiftl. Ueberlieferung des AuBonius. 323
IX.
Briefv^echsel mit Paulinus.
Der Briefwechsel des Ausonius mit Paulinus ist in mehr als
einer Beziehung höchst interessant, einmal durch seinen Inhalt,
der uns die beiden Männer in ihrem Charakter vorftihrt, den Auso-
nius als den milden, innige Freundschaft und Liebe zu seinem Zög-
ling im vollen Herzen hegenden und hier von jugendlichem Feuer
glühenden Greis, den Andern als den angehenden Eiferer für die
christliche Lehre, die im Ertödten alles Fleisches ihre Hauptaufgabe
zu suchen begann, zum Andern, indem sie uns einen Blick in die
Werkstätte des Dichters thun lässt und einen Beweis gibt, wie er
wenigstens die Gedichte, an denen sein Herz Antheil hat, zu feilen
und abzurunden und, und zunächst fOr sich, zu etwas Besserem zu
gestalten sich angelegen sein lässt. Drittens aber gibt er uns
auch wichtige Aufschlüsse zur Beurtheilung des Werthes unserer
Haupthandschrift, des Vossianus.
Dieser Briefwechsel umfasst im Vossianus f. 31' bis 36 B'*")
folgende Stücke:
Ausonius ep. XXV, XXIV», XXIV^ XXIII;
Paulinus ep. 11 (der jambische Schlusstheil fehlt) P, I* P dazu
die Oratio. (Dieselben Stücke finden sich in P.)
Alle diese Stücke fehlen im Tilianus, er enthält:
Ausonius ep. XIX (409), XXI (411—413), XXH (414. 415),
XX (410) (zwischen XIX und XXI ist ep. XVm eingeschoben;
XX ist nebst ep. IV zwischen Cento und Precatio matutina Ter-
schlagen).
In den mir bekannt gewordenen Hdss. der Gedichte des Pauli-
nus findet sich der Inhalt des Vossianus mit Ausnahme der Oratio
S. Paulini; von den an Paulinus gerichteten Briefen des Tilianus
findet sich nichts. Die Anordnung der sftmmtlichen Gedichte des
Paulinus im Puteanus (Paris. 2122), von den früheren Heraus-
gebern als Begius bezeichnet, habe ich mir nicht notirt. Der Brief-
wechsel mit Ausonius folgt hinter dem metrischen Briefe an Jovius
in folgender Ordnung:
Aus. ep. 25, Paul. I"**), Aus. ep. 23, Paul. II, Aus. ep. 24, Paul. I«.
Der Bruxellensis Nr. 10703—10705, kleine Schrift des
12. Jahrhunderts (ein Theil der Hds. oot^ 10614—10729), offenbar
derselbe den Poelmann als Vetus Gandavensis benutzt und unter der
*'*) Mnratori erwähnt neben dem Lngdunenais (-« Voss. lat. 111)
öfters einen Vossianus oder Vossianus in Anglia, welcher Pauli-
nus I und Ausonius ep. XXIV enthalte. Beide Hdst. sind identisch, wie
die Vergleiohung der oetr. Stellen ergibt. — '**) Ich numerire nach dem
Anhange der Bipontina des Ausonius, nicht nach den Paulinus- Ausgaben.
81*
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324 B. Peiper:
Sigle Y citirt, befolgt dieselbe Ordnung.'^) Voraus gehen die Briefe
des Sidonius; die Prosabriefe des Paulinus enthält er nicht, indess
setzt die üeberschrift des ersten Gedichtes ^Finit ad Jovium prosa.
Incipit ad eundem versus' diese voraus. Nach dem Joviusbriefe
folgt der Briefwechsel mit Ausonius in angegebener Reihe — bis
auf ebe unten angegebene, eine Lücke im Puteanus erweisende Ab-
weichung; dann: adCitherium, de natali domini Felicis I — X, zwischen
Natalis VIII und IX wird jedoch ein Gedicht de obitn pueri ein-
gereiht; zum Schlüsse: de Nicete episcopo de Dacia. Zusammen
17 Briefe des Paulinus, die drei des Ausonius.
Der Briefwechsel mit Ausonius nebst den Orationes beider
Männer erscheint auch in der Sammlung Paris, lai 7558, S. IX^^^),
deren Gesammtinhalt soeben E. Dümmler im N. Archiv IV 299 ff.
verzeichnet hat. Der uns interessirende Theil der Hds., von dem
E. Dümmler die Güte gehabt hat, die eben genannten Stücke zu ver-
gleichen, enthält Folgendes:
f. 87^ Sancti Paulini Epigramm!. *Si domini temelum supplex {)ec-
cator adisti — (sehr abweichend vom Abdruck bei Fabricius
Poet eccles. 349)
f. 9(F Inc. Oratio sei Paulini (Paulini c. IV)
f. 90^ Inc. Oratio sei ausoni
f. 92^ Inc. ausoni ad paulium (ep. 25)
f. 94' Item ausoni ad paulinu (ep. 23)
fep.n)
f. 96' Ausonio paulinus (ep. P)
f. 94^ Ausonio paulinus
f. 101^ ad paulinum ausonius (ep. 24^)
f. 102' Ausonio paulinus Tep. I*)
f. 102^ Ausonio paulinus (ep. I^)
f. 104^ Incipit laus sei iohanni (Summe pater rerum —
Paulini c. VI)
f. 111^ Inc. laudes domini cum miraculo quod accedit in Aeduico
(Fabricius 765)
'**) Nähere EenntniBS des Inhalts verdanke ich der gütigen Ver-
mittelung des Conservateur en ohef , Herrn L. Alvin. Die Hds. gehörte
einst nach S. Nicolaus von Cnes, dann dem Jesuitencollegium zu Ant-
werpen. ^11 est enti^rement ^crit snr denz colonnes. II n'y a pas daos
le texte d'interpolations proprement dites. Par ci par Ul, la mßme main
et une main post^rieure ont ajout^ quelques mote. Le texte (foL 188' —
166' col. 1) contient plus de 73 colomies de 70 lignes chacune, oe qui
fait un total de plus de 6100 lignes. ' — Eine Belgische Hds. ist von den
Herausgebern für die Prosabriefe benutzt; ich kemie dieselbe nicht.
Üebrigens scheint Poehnann auch Lesarten ans Drucken am Bande na-
saführen. — ''^ Wegen der h&nfigen u fSr a setzt Dfimmler die Hds.
noch ins s. IX, doch könnte sie allenflBtlU noch, wie er zugibt, ins zehnte
gehören.
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Die handschriftl. Ueberliefenmg des Ansonins.
326
f. 114^ Inc. heroo ad quem supra (lam mihi polliceor —
Paulini c. XTOT)
f. 118 Inc. Bebiani diverso modo et metro dictis (Fabricins 775).
Von F. 121 an folgen die dem Florus Diaconus Ecclesiae Lng-
dimensis'^ (f nach 854) theils mit Unrecht zugeschriebenen, theils
wirklich zagehörenden Dichtungen;
Eben diese Oedichte beweisen, dass die Hds. aus Lyon stammt.
Eine weitere Bestätigung dafOr bietet die zweite von E. Dümmler a. 0.
beschriebene Florus-Hds. (Paris. 2832, s. IX), in der wir zwei von
Sannazar im Kloster der Ile-Barbe abgeschriebene Stücke, von denen
sich das eine, eine Grabschrift, die Quelle bisher nicht ermitteln Hess,
wiederfinden (s. unten 8. 349). Bei den ausgebireiteten Studien
dieses Florus, von denen auch seine Commentare zu den Paulinischen
Briefen, seine Schrift De missa u. A. zeugen, wird man ihn als
Sammler obiger auf S. Paulinus bezüglichen Stücke annehmen dürfen.
Die Ordnung der Briefe ist in den Hdss. folgende:
Anfang d^
Stacke in der
Bcihe Ton T:
V
Von. 111
F
Paris. 7568
P
Ptfii. 8MK)
PuteanoB, mit
welchem Bmxel-
lentii flberein-
Btimml
Qpartatibi —
DiBcntimus —
Agnocirae
Proxima —
Continaata -
Egote —
Defbre me
Quarta
redit —
goid
abdicatas
ep. XXV t
ep. XXIV» +
(V. 1—102)
[v. 31 —37 fehl.]
ep. XXIV^ t
(v. 103 ff.)
ep. XXUI
ep. II»
[ep. IP V. 49—
68 fehlt]
gp. I«
(v. 108—
331)
fep.l» t
I (V. 1-18)
l (v. 19-102)
ep. XXV +
ep. XXIU +
ep. II» t
[ep. IP» fehlt]
ep. I<^ t
ep. XXIVi» +
[ep. XXIV»'
fehlt]
ep. I» t
ep. XXV *
[ep.l»fehlt]"0
lep.P
ep. 11^ *
ep. I« *
[v. 286-331
fehlen]
ep. xxni +
|ep. XXIV» +
\ep. XXIV^ *
ep. XXV +
ep. P
ep. XXIII
[ep. IP
+
+
t
ep. XXIV +
[v. 6—122 feh-
len in S]
ep. I««")
Durch f habe ich die Anwesenheit einer Anrede (Ausonio
Paulinus etc.) bezeichnet, durch ^ eine üeberschrift ohne Anrede,
"^ lieber ihn s. Dümmler a. 0. — "^ Dies Stück scheint nur durch
AusoniuB-Hdss. überliefert — '**) Erst seit Muratori ist dies Stück zu
einem Briefe mit I» und P verbmiden worden, wShrend es früher in den
Aasgabeo, entsprechend der Ueberlieferang der Hdss., ein Gedicht fEUr
iich bildete.
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826 ^ Peipert
durch * das Fehlen beider. Die der Vossianus-Beoenflion zöge-
hörigen Handschriften geben die Briefe der beiden Correipondenten
getrennt, VPF zuerst die des Ausonius, danach die des Panünns
(in F ist durch Zufall die zweite Hälfte von XXIV um zwei Num-
mern hinab gerückt, die erste Hälfte ausgefallen); in P umgekehrt
Paulinus vor Ausonius. Die Paulinus-Hds. lassen je einem Briefe
des Ausonius einen des Paulinus folgen. Auf keiner Seite ist die
Anordnung den thatsächlichen Verhältnissen entsprechend.
Die Ansichten von Vinetus, Soaliger, Tollius (zu XXTV 41 p. 687),
A. Ebert, Gesch. d. chrisüich-lateinischeu Literatur. Leipzig 1874.
S. 287 gehen hier weit auseinander. Meine eigenen Besultate
kommen auf das von Letzterem Beigebrachte hinaus. Es scheint näm-
lich durch die Stellen, in denen sich Paulinus auf bestimmte Aeusse-
rungen des Ausonius zurückbezieht, ausser Frage gestellt, dass
derselbe
mit ep. I* und I^ des Aus. ep. XXV beantwortet: schon der An-
fang des Gedichtes enthält eine Anspielung auf y. 1 des
Ausonius-Briefes ;
mit ep. V einen verloren gegangenen (vgl. v. 103), sowie zwei der
uns erhaltenen, ep. XXHI und nochmals XXV.
Diese drei also sind es, welche Paulinus I* v. 7 andeutet:
Trina etenim uario florebat epistola textu,
nicht aber ep. XXEI— XXV.
Paulinus ep. II dagegen hat es ausschliesslich mit Ausonius
ep. XXTV zu thun. Wenn nun ep. XXV der vierte Elagebrief des
Aus. war, dann müssen der verlorene und ep. XXHI der zweite
und dritte in der Reihe gewesen sein. Wunderlich die Ueberein-
stimmung der beiderseitigen Sammlungen in Auslassung dieses
Schreibens ! vielleicht deutet das aber nur auf Geringfügigknit eines
in Prosa abgefassten Billets hin. Beiden war lange vorausgegangen
ep. XXIV (auf welchen Paulinus auch später in I* noch einmal Be-
zug zu nehmen scheint, vgl. Paul. v. 232 f. mit Aus. v. 88 f.*^®)), der
durch eine ausweichende und ungenügende Antwort des Paulinus
provocirt war. Das sagt uns der Titel im Voss., der nicht so inept
ist, wie Toll annimmt:
Incpt alia ad eundem cum iUe ad alia magis respo&dere[t]
neque so benturum polHceretur.
Noch nachdrücklicher sagt*s der Inhalt: wer würde einen so lieben
Freund, wie Paulinus dem Ausonius gewesen, mit so scharfen Vor-
''*) Di^ Zweitkeilung des Briefes, nur durch neue Am'ode im Voss,
bezeichnet, hindert nicht, ihn als einen einzigen aufzufassen, die Becb-
nung des Ausonius zwingt aber zu letzterem. — ''^) Der Titel von XXV
ist dagegen durch ein Missverständnisa von v. 1 erzeugt: Com Pontius
Paulinus iunior quartis iam litteris non respondisset sie ad eum scnp^tom est
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Die handsehxiftl. Ueberliefenmg des AoBonios. 327
wUrfen, olme durch ihn tief verletzt zu sein, anfallen, wie es hier
durch das ^Discutimus' geschieht?
und auf die vorausgegangene ep. XXIY nimmt offenbar auch
Aüsonius zu Anfang der ep. XXTTT mit ^blanda obiurgatio' Bezug.
Die Ueberschrift des Letzteren lautet darum nicht ohne Grund im
Yossianus :
Item ad eundem Pontium Paulinum epistola subinde scripta.
Diese üeberschriften hätten offenbar keinen Sinn, wenn der
Archetypus die Briefe nicht in entsprechender Ordnung aufgeführt
hätte. Spuren wenigstens der rechten Ordnung fehlen aber nicht,
insofern XXIV vor XXLLl, 11 vor I im Voss, erscheint. Wir dürften also
wohl berechtigt sein, die gefundene Ordnung wieder zurückzuführen.
In obigen Resultaten treffe ich also mit Ebert zusammen; in
der Schätzung des poetischen Werthes der Paulinusbriefe um so
weniger. Er rühmt den eingelegten Hymnus auf Christus ungemein,
S. 290; ingleichen die Jamben, betreffs deren er freilich das ürtheil
Scaligers nicht unterdrückt, der sie bei allem Lobe doch gar zu
überschwänglich findet. Ich kann mich in meinem Urtheil nur an-
schliessen an den Sammler von P, der den Hynmus ganz verschmäht
hat. Die Theile, wo Paulinus seines Verhältnisses zu Aüsonius ge-
denkt, sind unzweifelhaft schön; der poetische Schwung, die Wärme,
auch die feine Urbanität, die Ebert rühmt, sind mir entgegengetreten,
die Wortfügung ist leicht, die Verse entbehren nicht des Wortklanges:
dagegen schwerfällig und gesucht, abstossend wirkend in Inhalt und
Ton, in Sprache und Bythmus, sind jene Stellen, die von seiner
Hingebung an Christus handeln; aller Natürlichkeit hat er Abschied
gegeben, in das neue Element sich noch nicht so hineingefunden,
um der Stelzen entbehren zu können. Dass nach solchen Expositionen
Aüsonius den Freund den eigenen Weg gehen Hess, ohne ihn fürder
zu belästigen, ist doch gewiss klar. Ep. I hat gewiss von seiner
Seite keine Erwiederung erfahren.
Wir müssen zunächst eine etwaige Vermuthung abweisen, der
Briefwechsel könne in die Paulinus-Sammlung erst später aus der
Ausonius-Sammlung zugesetzt sein. Nicht darum etwa, dass wir
dann auch die vier Ausonius-Briefe XIX — XXH, die der Tilianus
gibt, mit demselben Becht darin finden müssten — sondern aus einem
wirklich triftigen Grunde: die Briefe des Aüsonius liegen in
den beiden Sammlungen zum Theil in durchaus verschie-
denen, durchaus mit der Annahme eines und desselben Archetypus
nnvereinbarten Texten vor. Auf einige hervorragende Fälle wird
noch weiterhin die Aufmerksamkeit gelenkt werden; hier will ich
auf Aüsonius ep. XXIV hinweisen, welche im Puteanus folgende
kürzere Fassung hat:
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328 B. Peiper:
Ep. xxniL
Item Atisoni ad Paulinum.
Discutimus Pauline ingum, quod certa fouebat
Temperies: leue quod positu et tolerabile ixmctis
Tractabat paribus concordia mitis habenis:
Quod per tarn longam seriem redeuntibus annis
5 Fabula non umquam, numquam querimonia mouit.
20. 21 Discutimus, sed tu tantum reus; ast ego semper
22 Contenta ceruice feram. consorte laborum
Destituor: nee tarn promptum gestata duobus
Deficiente alio solum perferre iugalem.
26 Non animus uiresque labant, sed iniqua ferendo
Condicio est oneri, cum munus utrumque relicto
Ingrnit acceduntque alienae pondera librae.
Sic pars aegra hominis trabit ad contagia sanum
Corpus et exigui quamuis discrimine membri
30 Tota per innumeros artus conpago uacillat.
Obruar usque tamen, ueteris ne desit amici
Me durante fides: memorique ut fiza sub aeuo
Bestituant profugum solatia cassa sodalem.
Impie, Pirithoo diiungere Thesea posses
36 EurjaJumque suo socium secemere Niso;
Te suadente fngam Pjlades liquisset Oresten
37 Nee custodisset Siculus uadimonia Dämon.
123 En erit ut nostras hie nuntius excitet aures:
^Ecce tuus Paulinus adest! iam ningoida linquit
126 Oppida Hiberorum, Terbellica iam tenet arua,
Y ^ YosaianuB 111 f. 31^ ool. 2 P — Parisinus 8600 f. 23' F »
PariBinus 7668 (erst von y. 123 an) S a Puteanus Paulini (Paria. 2122)
f. 91' b BruxellensiB Panlini ■* Gandayensis nach Poelmanns Angaben.
Incpfc alia ad eundem cum ille ad alia magis respondere neque se
benturnm polliceretur V Alia^ epistola eiusdem ad eundem P 1 Paline
y I certa Sb nota YP 2 positu et tolerabile S positum et uene-
rabile YP (uenerabile b?) | uinctis S 4 redeuntibus S uolnentibus YP
(nolbentibus Y) | armis P 6 deest YP 6—19 desunt S 20 + ^1
sie Sb at: Discutitur Pauline tamen nee culpa duorum
Ista sed (set Y) unius tantum tua namque ego semper YP
22 cerbice Y 23 Distituor P | promtum Y | gestata Y ffesta P te-
stata S 24 ünum deficiente pari perferre sodalem YP (deficienti p)
26 lauant S 26 Condicio Y Condictio P Conditio S | oneris P | com-
mxmis S cum munus Heinsins cum pondus YP (quum Y) | relito Y
28 homines P | trait Y | saxum S 29 membri] uerbi S 31-— 37
desunt YP 33 cassa S casta uulgo 34 piritho odiiungere S | possis
S poases Graeyius 36 Orestem uulgo 38 — 122 desunt S
123 sie Sb, at: Et quando iste meas inpeUet nuntius aures YPF
(Et quand<> Y Ecquando Heinsins, Brand es | impleuit F
implebit Brandes coli. Yergil. XI 896) 124 linqnid F 125
iberorum Y' | terbellica SY t'bellica P Tarbellica F? Accursius
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Die bandschriftl Ueberlieferung des Aosoniiu. 329
Ebromagi iam tecta subit, iam praedia fratris
Yicina ingreditur, iam labitnr amne secondo,
lamqae in conspectn est, iam prora adaerütnr amoi
Ingressusque sui celebrata per ostia portus
130 Praeuertit conctos, ut te amplectatur, amicos,
Et sua praeteriens iam iam tna limina pulsat!'
Credimns? an qni amant ipsi sibi somnia fingunt?
VALE FELIX OPTATISSIME.
126 Hebromagi Pb hebr/omagi (e eras. et infra pr. m. add. q*
ebromagi) V Ebromagi SF j fratris V 127 inreditmr F y. 128 deest
P, non deest VSF | conspecnta Y \ adnertitar S obuertltnr VF? | afini Y
o
129 caelebrata S celebrata VF colebrat P | ostia SF hostia VP | partes
S portur F 129 sie Sb at: Totum occnrsantis popnli praeuertdtar
agmen YP (occursantes P) 181 Et saam praeteriens o Et sapra eteriens
P recte Y iam semel S 132 an] a et n ss. al. Y 132 somnia VF
"omnia S omia P | Finit epFa P.
Ich bin hier leider fOr die Sammlung des Paulinus auf den
PuteanuB beschränkt gewesen, und gebe nicht blos zu, sondern
spreche es als sicher aus, dass die Abwesenheit des ganzen Theils
V. 38 — 122 nur auf einem Missgeschick beruht, welches glücklicher-
weise die Brüsseler Hds. nicht mit betroffen zu haben scheint.^'^) In
dem vorausgehenden wie folgenden Theile aber zeigt der Text eine so
verschiedene Fassung, dass wenn irgendwo hier die Annahme einer
zweifachen Bearbeitung durch denselben Yerfasser, das
eine Mal^ da Ausonius das Schreiben dem Freunde übersandte, in
welcher Gestalt es in des Freundes Werken Aufnahme fand — das
andre Mal, da Ausonius vergeblich der Antwort des Freundes har-
rend in tiefer Oemüthsbewegung diesen Herzenserguss erneuter
Durchsicht würdigte, gegründet erscheint ***)
Dass auch die Briefe des Paulinus an Ausonius einer
späteren Bearbeitung seitens des Yerfsiissers unterzogen worden sind,
darauf führt in unseren Hss. keine Spur.
Nach ihrer Aufnahme in die beiderseitigen Sammlungen sind
sie aber verschiedene Wege gegangen, haben verschiedene Schick-
sale gehabt, sind verschiedenen Yerderbnissen ausgesetzt gewesen.
*») Der Uebergang von v. 37 zu 123 wäre gar zu schroff. Die An-
Sben PoelmannB aus seinem Yetas Gandavensis lassen anch erkennen,
SB hier (d. h. im heutigen Bruxellensis) mit v. 103 ein neuer Brief oder
eine neu anhebende Fortisetzung wenigstens des Briefes XXIV mit neuer
Anrede beginnt wie im Yossianus. — *'*) XXIY v. 5 Fabula etc. wird
nur durch Zufall in der Yorlage von YP aus^e&Uen, nicht von Anso-
niu8 später getilgt sein. Paunnus II 46 bezieht sich übrigens darauf.
Die übrigen Beziehungen des Paulinus auf diesen Brief in seinem zweiten
Briefe werden sämmtlich in der Fassung des Pnteanus wiedergefunden
(XXIY 1 — II 30; 28 — 31; 31 — 8 und 42). Zugefügt ist später v.
6—19, weggelassen 81 — 87; bedeutende Zeichen der Umänderung liegen
in 20 f., 123, ISO.
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880 B. Peiper:
Dass solche Yerderbnigse schon in den alten Exemplaren dieser
beiden Ausgaben durch Zuziehung von Hdss. der anderen Sammlung
corrigirt worden sind, dafür findet sich kein sicherer Anhalt; die
Möglichkeit war da: denn beide Ausgaben werden wir beim
Schreiber von F in einer Hand finden s. S. 335 f. Aber auch er
scheint an eine Besserung durch Yergleichung nicht gedacht zu haben.
Daraus folgt, dass wenn wir Uebereinstimmung zwischen
beiden Ausgaben finden, diese bei Constituirong des Textes fCLr
uns massgebend sein muss. Dieser Consensus wird da anzunehmen
sein, wo S mit einem Vertreter der anderen Ausgabe, sei es P oder
V + P dieselbe Lesart gibt.**')
Es gibt aber gewisse Dinge, in denen dieser Consensus freilich
ohne Bedeutung sein kann, das sind selbstverständlich
1) Orthographica. Wer würde dem Paulinus die Form
mallis Schuld geben, die wir P 241 in allen Hdss. finden? Wer
würde meinen, Ausonius selbst habe Boetia für Boeotia ge-
schrieben (XXV 73) oder rethor P 37 u. a.? Diese Formen sind
Gemeingut geworden aus der vulgaren Aussprache für Alle. So
würde Paulin. 11 7 melle, selbst wenn auch V dafür eintreten
sollte (ich habe aus ihm keine Abweichung von melli angemerkt),
dennoch gegen den Dativ mit i ohne Weiteres zu vertauschen sein^
wenn nicht admiscere so häufig mit dem Ablativ verbunden würde.
So wird P 113 reducis SVF als reduces gelten müssen, selbst
wenn P nicht letzteres gäbe.
2) Es dürfte schwerlich dem Schreiber oder den Schreibern,
welche Paulinus mit den Abschriften aus seinem Concept oder mit
dem Nachschreiben seines Dictats betraute, gelungen sein, dies Werk
ohne Flüchtigkeitsfehler zu vollführen. Jn einer so langen Epistel,
deren Verständniss theilweis recht schwierig, mag mancher kleine
Irrthum, der uns durch beide Becensionen überliefert wird, darauf
zurückzuführen sein. Warum nicht z. B. P 264 parentem für pa-
rentum in SP durch das vorangehende decet veranlasst, oder 239
der Ausfall von si zwischen illustris und seribere in SP, 258 Mate--
*'•) P ist trotz der Nachlässigkeit, mit der er Lesarten cormmpirt
und nicht selten Verse auslässt, dennoch ein Hauptvertreter dieser Aus-
gabe. Aus uncialer Vorlage ist er sicher abgeschrieben, wie schon
r<^ 12 et flandis statt et e blandis darthnn kann. In vielen Stellen be-
zeugt er seine Verwandtschaft mit der älteren Vorlage von V und F
P 54 induendo P induendos F induendus VS 66 inter PF in S inter
oder in fehlt V 69 pigrii PV ^28 petere fönte PVF. Die letzte Stelle
zeugt von dem in P nicht seltenen Versuch, den fehlerhaften Text les-
bar zu machen; denn das unmetrische nemoribns hat P in nemore um-
gewandelt. Verwandt damit sind Textändernngen, wie P 38 nnbilant]
nubilent wegen des falsch verstandenen Quamuis. Jene Stelle P 28 ist
zugleich ein beweis, dass sich im Archetypus doppelte Lesarten oder Glossen
vor&ndea. So findet sich P 249 uiret] uiueret m F, wo P ueret liest, der
Archetypus also wohl ueret hatte. An einigen Stellen hat uns P allein das
richtige erhalten, P 77 Sine P Ne V Sic SF.
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Die handschrifU. Uabierlieferong des AusoninB. 881
ria praebente loco für Maieriam pr. L, P 29 aliam mentem (Itbr alia)
gpSM^^ 273 mutatus fttr rnntatur, PaoL 11 89 Snstmeat ftlr Su&ti-
neant in YS? Die Yoraassetzang, dass jene Abschriften^ selbst
wenn Paulinns sie eigenhändig gefertigt, ohne solche kleine Fehler
aus seiner Hand gekonnnen, widerspricht jedenfalls aller practischen
Er&hmng. Indessen lassen sich solche Fehler, zu denen ein augen-
blickliches MissyerstSndniss der Worte den nnr auf das Nächste ge-
richteten Sinn veranlasst, auch selbständig von einer Reihe von ein-
ander unabhängiger Schreiber begehen.
8) Jeder mit Hdss. Yertraute weiss, dass dieselben Yersehen
ewig und ewig in ihnen wiederkehren, dass dieselben nicht blos
Schreibern möglich, sondern allen geläufig waren, gerade wie die
Orthographie ihrer Zeit. Die stehend gewordenen Yertauschnngen
von num mit non, quid mit quod, Nonumquam mit Nonnum*
quam gehören hierher (wie auch Paulin. 11 10 Non numquam SP).
Die Kritik hat mit ihnen zu rechnen,
non statt num I® 248
an statt anne P 239 von Heinsius gebessert. Möglich dass hier
P wie in einigen Fällen aus eigener Initiative denYers ver-
vollständigt hat, indem er mi domine statt o domine schrieb.
Aehnliche Yersuohe in P, eine leiohtere Lesart zu gewinnen,
werden wir zu P 129, 193, 11 21 besprechen
quod enim för quid enim PauL P 43 (S YF)
est für eiit besonders am Yerssohluase: PauL P 100. Ygl. femer
P 27 Fandi] Fundi Y' S P 77 Sine] Sic SP.
Solche Kleinigkeiten abgerechnet werden wir schwerer wie-
gende Fehler selbst in geringer Anzahl in dem Consensus der bei-
den Ausgaben nicht finden dürfen. ''^)
Auf der einen Seite tritt nun fOr die Paulinus-Ausgabe zu-
n&(di8t nnr S ein, auf der andern Seite für die Ausonius- Ausgabe
habe« wir PYF. Der Werth von F wird sich weiterhin als ver-
hältnissmässig unbedeutend herausstellen; der von P ist nach dem,
was in früheren Theilen der Abhandlung mitgetheilt worden ist, ein
riel höherer, und selbst Y muss ihm oft weichen. Wir können hier
feststellen, dass schon wo P allein mit S geht, der Consensus,
dessen wir bedürfen^ vorhanden ist, und dass an solch^i Stellen Y
alle Autorität einbüsst. Beispiele:
**^ Wozu die Erinnerung an die bekamite Stelle, die dem Paulinus
▼ondiwebte, gefttirt hat, (Von Yinet angefflbit); in Terenz Andria
sagt Bimo: Konc hie dies aliam oiiam offert, ahos mores postulat. —
''^ Kämen sie in grösserer Zahl vor, so würde nicht einmal der Aus-
weg ofien stehen, eine Contamination beider Ausgaben durch Eintragen
von Lesarten der anderen Ausgabe anzunehmen; denn welcher Schreiber
hätte den Text dnioik schwierige Lesartea sich gern verdwben.
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332 B. Peiper:
P 269 Condatmo SP Conlatino VF
P 178 haec Ulis aedisse sententia gibt hier S falsch
h' . . . Ulis sententia P
P also Iftsst ein Wort ans yor iUis, nnd man darf nicht zweifeln,
dass dies das durch S angedeutete Sedisse gewesen ist, dem nun die
rechte Stellung angewiesen wird« haec illis aedi sententia geben VF.
P 201 durch den Yossianus hat man sich hier gewaltig düpiren
aut quid in istis
improbitas aliena nocet.
So ist mit SP zu lesen: in istis d. h. in istis studiis. honestis VF
gibt einen kläglichen Sinn.
Wir sind verpflichtet, wenigstens die Hauptstellen, wo der
Consensus beider Ausgaben klar ist und die eingeführten Aende-
rungen als unzulässig erweist, anzuführen.
Paulin. P 54 induendus induit SV (induendos F und induendo P
gehen auf denselben, im Archetypus der Ausonius- Ausgabe
vorhandenen Fehler zurück)
Paulin. P 114, 115 alle Hdss.:
Surda uocas et nulla rogas (leuis hoc feret aura,
qubd datur in nihilum) sine numine nomina Musas.
Paulin. P 138 istic alle Hdss.
Paulin. P 143
Mens noua mi, fateor, mens non mea; non mea quondam^
Sed mea nunc auctore deo.
(me vielleicht in P, non mea einmal in PF.)
Das mag ja nicht gerade schön und geschmackvoll ausgedrückt
sein: dem guten Geschmack aber hat Paulinus wahrlich in diesem
Product seiner Muse nicht gehuldigt.
Paulin. P 129 quid me accusas? si displicet actus
quem gero agente deo, prius est si fas reus auctor.
So scheint S zu geben: trotzdem wage ich die Stelle hier auf-
zunehmen ^ ich sehe vorläufig dies si fas als eine Interpolation des
bez. Exemplars der Paulinus-Ausgabe an. prius est fiat deus auctor
bietet dafOr die andre Ausgabe VFP und zwar der letztere dem Sinne
nach ganz richtig: prius est ut fiat. prius est ut ist formelhaft^ vgl.
Aulularia p. 20, 27 (prius est ut hae pateant ipsaque sese tellus
aperiat, quam ut tu exdudas uel submoueas quod mutari non potest,
sagt der Lar zum Querulus). Paulinus verlangt, dass wie bei einer
Rechtssache vorgegangen werde: Mu müsstest zunächst Gott die
Schuld geben'; er will meines Bedünkens nicht sagen: Gott ist der
Angeklagte.
V. 193 lautet jetzt:
Nee mihi nunc patrii est ut uis obliuio caeli.
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Die handsohrifiil. Ueberlieferong des Ausonius. 333
Das ist die Lesart von P, aber VF nnd S geben übereinstimmend
Nee mihi ntmc patrii est uisa obliuio caeli,
nnr dass S patri giebt und V, der von erster Hand den Vers am
unteren Rande hat, est hinter uisa wiederholt; hier hat P das ut
wenigstens conservirt, das uisa (sc. est) in uis geändert. Paulinus
aber schrieb:
Nee piihi nunc patrii est, ut uisa, obliuio caeli.
Paulin. n 21 Quo rumore pium facilis tibi fama per aures
Inrupit pepulitque animum.
So VF wie auch S (P scheint pias zu haben), d. h. fama tibi
inrupit pium animum eumque pepulit.
Paulin. P 202 quid] quod VPFS; das ist hier ganz richtig (vgl.
Auson. XXV 51 f.). Hinter 207 ist statt Fragezeichen Colon
zu setzen und kein Alinea: selbst in Wiederholung einzelner
Worte und Begrifife zeigt sich die Erwiderung auf jenen Vor-
wurf (Vascone saltu 212, hospite 215). Der sicherste Be-
weis bleibt die erst durch Avantius Aenderunff (Num in Non)
getilgte Frageform v. 209 f., womit man quod — an v. 221,
226 vergleiche.
Paulia. P 221 in euersis . . . Hiberis VPFS (nicht in auersis):
Paulinus bezieht sich auf Auson. XXV 58 f.
Aut quae deiectis iuga per scruposa ruinis
arida torrentem Sicorim despectat Hilerda.
Paulinus nennt gleich darauf coUem iacentis Hilerdae. Was
Ausonius durch arida bezeichnete (v. 59), gibt Paulinus 222 durch
deserta wieder, wozu Ausonius XXV 69 veranlasst haben kann.
P 232. Die Hdss. geben cui nur einmal: Paulinus hatte hier
die Form Barcinus mit langem i gebraucht, vielleicht geradezu
Barcinnus, wie P gibt***), geschrieben. In S wurde die gewöhn-
lichere, noch von Ausonius ep. XXV angewendete Form Barcino (zu
der ep. XX, 1 Barcinonensis gehört) eingesetzt und der Fehler war da.
Durchaus überflüssige Aenderungen wurden in P 250, 251 (heu
deuenisse und fano in huc deuexisse und panno), femer 314 (aere
in agmine) vorgenommen.
Femer wird die Schreibung des StSdtenamens Birbilis P 231
XXV 57 nach diesem Consensus festzusetzen sein, ebenso I^ 260
Baraunum, und etwas Wesentliches wird sich selbst P 248 gegen
die arenosas Vasatas nicht einwenden lassen, zumal ein blosser
Schreibfehler in S sicher nicht vorliegt, wo has harenosas steht
^') Bosweyde gibt hier durch die Schreibung Barcinnus zu erkennen,
daas er bereits P gekannt und benutzt hat. — Dass in geographischen
Namen PauHnns ein Abgehen vom gebränchlichsten nicht scheut, zeigt
ja auch Betis P 236. Denn man wird doch wohl dem Aenderongs-Vor-
Bchlag Muratoris 'Qua Baeti 0. T. que a. Hibero' nicht beistimmen.
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384 B. Peipert
Ob P 127 uotis . . noBtri statt uotis • . uostris zu halten?
Y. 235 f. finde ich eher Schwierigkeit, wenn beide Verse mit Qua
beginnen, als wenn im ersten
urbes
quas geminum felix Hispania tendit in aequor,
geschrieben wird.
Ernstlichen Schwierigkeiten begegne ich nur
Communique deo uentura in saecula rebus
Expectare trucem securo pectore mortem;
Man kanns^ weder dem Yinetus noch irgend wem verdenken, der
gesteht *hoc equidem quid sibi uelit non intelligo'. Jenes Communi
gibt S Communes VF: die ersten beiden Silben also wSfen durch
den Consensus gesichert und gegen C. Barths sich sonst empfeh-
lende Conjectur Gommissisque geschützt. Kann der^ welcher sich
in den Willen Gottes fügt, sich in Gott versenkt, Communis deo
genannt werden ? Schwerlich ! r e b u s (der geschafPenen Welt) könnte
man ja allenfalls von uentura abhängig machen. Ich glaube, es
wtlrde füglich erlaubt sein zu schreiben:
Commune mque adeo, uentura in saecula, rebus
Expectare trucem securo pectore mortem.
Ciceros Wort (de sen. c. 18) ^omni aetati mors est communis^ könnte
wohl Communem rebus mortem nicht uneben erscheinen lassen,
obiit . . . morte communi bei Eutropius 7, 8 kommt schliesslich auf
dasselbe hinaus.
Dazu kommt 213
si (oder sie) Vascone saltu
Quisquis agit purus sceleris uitam, integer aequo
NuUa ab inhumane morum contagia ducit.
integer wie purus sceleris sind dem Horaz C. I 22, 1 entlehnt. Viel-
leicht liegt hier nur ein kleiner Fehler aequo statt aeque vor, der
sich ja wohl mit dem oben Gesagten irgendwie entschuldigen Hesse:
^gerade wie in Bordigala und anderen cultivirten 6egenden^
Endlich I® 268. Paulinus geht oft scharf gegen Ausonius los,
aber so vergisst er nirgend alle Achtung, dass man ihn das dürfte
sagen lassen, was jetzt in den Ausgaben steht: hoc . . mens patris
. . haerescere cordi Non sinat ut utügus scaeuo rumore malignum.
Hüft: scheint doch durch den Consensus Aushilfe geboten, welche e t
statt ut gibt. Man setze also Punkt nach sinat und tilge mit
Heinsius den Punct hinter malignum. Man hat offenbar sich
beeinflussen lassen durch eine falsche Deutung des Ausdrucks cri-
men habet, welchen man in dem Sinne wie er bei Tibull I 6, 41
vorkommt (ne possit crimen habere) fasste, statt das Synonym von
crimini dat darin zu erkennen. Vgl. Cicero de nat. deor. HI 22, 56
Mercurius . . • quartus Kilo patre quem Aegyptii neias habent no-
minare.
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Die handfichriftl. Ueberliefenmg des AuBonius. 335
Der Schreiber Yon F hat, um hier den oben S. 330 bereits ange-
deuteten Ptmct zn erledigen, seine Anordnung sicherlich der Yossianos-
Becension entlehnt ^ die Texte aber nicht in gleicher Weise.
1) F geht mit V gegen den Pateanus (S) in Brief XXIV
(er enthält nnr ¥.103^132), in Panlinus I B (vgL die Inscriptio,
ferner v. 28, 101 u. a.), Panlinus P (vgl v. 129 n. a.) und IL
Und zwar ergibt sich^ besonders aus dem letzten Briefe ganz schla-
gend, engste Verwandtschaft nicht blos mit der Becen-
sion, sondern mit dem vorhandenen Exemplar Voss. 111;
wenn man die Abwesenheit der Verse 49 — 68 anders erklftren
dürfte (was ich nicht glaube), so weist doch üebereinstimmung
zwischen diesen beiden Exemplaren allein in orthographicis wie in
irrthOmüchen Lesarten deutlich darauf hin; 24 magis fdr natis, 31
ne für nee, 37 uiuuma für uiburna, 44 resoluet für resoluii Und
wo die erste Hand von V verdunkelt ist, Iftsst F sie uns genau er-
kennen: 36 aedona parrae, 45 nostra fUr longa, was gleichÜEdls nur
diesen beiden Exemplaren eignet.
Ich lasse ein vollständigeres Verzeichniss der Stellen folgen, woV
imd F zusammen stinmien der Lesart von S P gegenüber. (In I* fehlt S.)
1* 5 cum] quam (in der Lesart comxmi P liegt offenbar cum)
9 multa modis 9 querellis V querillis F 13 regenda V^F (v. 13
s. fehlt in P) 15 praecurret
I^ [Inscriptio:] Ausonio Panlinus 28 petere fönte nemoribus
(petere fönte nemore P petere e nemoribus S) 62 uitae V^F
77 auta 95 auctus 101 amens
n 5 iaces V^F 7 absintia V^ absentia F 24 natis] magis
31 nee] ne 36 cicnis V*P 37 uiuuma V^P 39 iungor 44 re-
soluet 45 nostra 49—68 fehlen
P 103 trietheride 106 querellis V quaerillis F 123 omnia
125 qni — qui 127 nostris 150 credes 156 Non enim V^F
156 sed] est (sed fehlt P, S ISsst mehrere Worte 'aus) 170 di-
sperantibus 178 illis edi sententia (aedi V*) 124 scopolis V*F
233 dispectans V^F 247 altae 259 co^latino V« (V* vielleicht
cölatino) conlatino F 278 Ad 285 sancsit V^F (285-- 331
fehlt P) 293 Et nisi 311 leuis V*P 316 acris 322 obscurae
trisüa (tristitia irrthtbnlich F) 330 diuitae V^ (wie es scheint) F.
Jedoch kann F nicht aus V^ direct abgeleitet sein, denn oft
genug sehen wir letzteren in Lesarten (die wir, wenn wir vorar-
tlieilsfrei an die Kritik gehen, aber doch diesen Verhältnissen Bech-
nung tragen, als interpolirte erkennen werden) von der Gruppe
SPP sich sondern; so z. B. P 124 f. in einer besonders hervor-
stechenden Stelle.
119 8i tibi cura mei reditus, illum aspice et ora,
Qni tonitru summi quatit ignea culmina caeli,
Qui trifido igne micat nee inania murmura misoet,
Quique saiis caelo soles largitnr et imbres, —
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336 B* Peiper:
vom alliuftclitigen Gott ist die Bede, wie doch wohl Niemand be-
zweifeln wird; die Fortsetzung aber lautet in der Vulgata:
123 Qui super omne quod est nel in omnia totus ubique
124 Omnibus infusus rebus regit omnia Christus.
125 Qui mentes tenet atque mouet^ qui tempora nostra
Et loca disponit
Damach hätten wir uns also gewaltig getäuscht Oder viel>
mehr der Dichter hätte mit uns seinen Scherz getrieben. Schätzen
wir aber die üeberlieferung nach den bisher gesanunelten Er-
fahrungen ab, so ergibt sich eine stufenweis fortschreitende Inter-
polation, infiisus XP^ üt Lesart des einzigen V: infuso christo geben
SPP: sie lassen also den Dichter von Gott reden.**') Wie kam
V zur Aenderung? sie war mit dem folgenden Qui — qui — ge-
geben (VF), wofür noch SP richtig Quo -— quo — haben. In
omnia (v. 123) ist nun gleichfidls eine Textverschlechterung, die
VF verdankt wird; dem omnia des folgenden Verses verdankt sie
ihren Ursprung; SP geben in onmi. Diese Verse lauten also:
Qui super omne quod est, uel in omni totus ubique,
Omnibus infuso rebus regit omnia Christo,
Quo mentes tenet atque mouet, quo tempora nostra
Et loca disponit
2) F schliesst sich an den Puteanus an im Gegensatz zu
V in ep. XXIII (vgl. v. 3, 22, 27 f., 34, subscriptio) in ep. XXV
(inscr. 12, 14, 16, 4 9, 69, 70, 72 u. a.).
Dem Gründer dieser Excerptensammlung haben also offenbar
beide Becensionen vorgelegen: die Veranlassungen, aus der
Paulinus -Sammlung den einen, den andeiii Theil aus der Ausonius-
Sammlung zu entnehmen, mögen ganz zufällige gewesen sein. Wenn
F gerade mit den Stücken, die er aus der Paulinus-Becension ent-
lehnt, die Sammlung eröfhet: so hängt das vielleicht mit dem Aus-
fall von XXIV* zusammen: seiner Vorlage fehlte XXV und XXIV*,
die in V diese Correspondenz eröffnen. Indessen hier sich den Kopf
zu zerbrechen ist in der That unfruchtbar.
Aus der Au sonius- Sammlung sind nun auch die beiden Ora-
tiones entlehnt, die des Ausonius so gut wie die des Paulinus, von
denen die eine durch die andre hervorgerufen ward: darum
dürfte eine Sammlung, die das Verhältniss dieser beiden Männer
betraf, keine von beiden missen.
Offenbar ist es, dass der Sammler vom Nachlasse des Ausonius
keine Ahnung hatte; er würde uns sonst die von diesem überliefer-
ten Briefe des Ausonius schwerlich vorenthalten haben.
In F aber stehen noch einige andre Gedichte des Paulinus, die
mit Ausonius nichts zu thun haben, gleicherweise hinter den Frag-
''^ Vgl. V* 46 f. deum quem nemo nifti in Christo nidet.
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Die bandschriftl. UeberliefernDg des Ansonias. 337
menten des Technopaegnion in ood. Paria. 2772 (p) und zwar hier
grade das Nicetaa-Gedicht nebst den beiden Psalmen 1 u. 136 (Paulini
c. XVII, YII, IX). Hat ein und derselbe Sammler aas derselben Quelle
sie zusammengetragen? oder haben dieselben sich hier nur zuföllig
zu jenen gesellt? Wenn eine Vergleichung der Texte dieser Stücke
in F, p und S, die ich leider nicht habe anstellen können, bedeu-
tendere Abweichungen ergebe, könnte man vermuthen, dass die
andern ebenso wie die auf Nicetas und Oestidius bezüglichen Ge-
dichte in dem Archetypus des Yossianus gestanden haben, dass also,
wie gelegentlich der yom Auetor de dubiis nominibus erhaltenen
Fragmente angenommen wurde, der Vorfahr des Vossianus einst
mehr enthalten als wir heut in V finden.
Von den Episteln an Gestidius möge die Ab]¥eichung des Vos-
sianus Yom Migneschen Texte ^^), von dem an Nicetas der ganze
Vossianische Text zu nftherer Vergleichung mit den Paalinus-Hdss.
mitgetheilt werden. Für das letztere Gedicht ist mir die yoUstftn-
dige üeberlieferung bisher unbekannt geblieben: dieselbe wird doch
wohl auch auf den Archetypus des Vossianus zurückzuführen sein.
Die beiden Episteln des Paulinus werden ins Jahr 393 gesetzt;
das Gedicht an Nicetas in den Sommer 398. Die Grundlagen dieser
Berechnung bin ich jetzt nicht in der Lage zu prüfen. Immerhin
wird darauf zu achten sein, ob daraus für die Lebensdauer des Auso-
niuSy oder wenn das nicht, für den Abschluss der im Archetypus
des Vossianus enthaltenen Sammlung ein Moment zu gewinnen ist.
_ p. 437 Migne Voss. 111 f. 36B coL 2 iNcipnjNT bopistolab
6CI PAUUNI I DNÖ MERITO SUSPICIENDO OESTIDIO | PAULINUS | Iniuria
u. 8. w. 4 habundanti | pra^bere 5 aput 6 conloq. | aliqui^
8 hcedulaf a ss., d in a al. c. (facetulas)
438, 4 uidea//tur n eras. 6 pra^dam 6 riire unklar | dum.
insume und dann m mre m. s. XVI marg. 7 fihcif
439, 7 tabella^ 8 pra^lata sagina^ 9 iubat
Es folgt: Item alia ad quem super 2 quaf 4 lituf 6
mirof und direptof 7 ffondiluf 9 »= f. 36 ß^ a^quoreo 10
prafdulce.
f. 36B^ coL 1 It epistola sei paulini ad nicetam BPiöic
1 lamne — abis et nos properans relinquis
See niceta neque nos relinquis
Semper adnexa sine fine tecujm
4 Mente futuros.
18 Omnis et terra et populi beati
Quos modo a nobis remeans sulibis
*^ Patrologiae cmnuB i LXI p. 487 ff.
Jahrb. 1 oImm. PhiloL SnppL Bd. XI. 22
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338 R. Peiper:
Quos tuo accedens pede uisitabit
Christus et höre
Ibis auctoVes proctil usque Dacos
Tbis Epiro gemina uidendas
Et per egeos penetrauis a^stus
20 Tessalonicen
Apulis sed nimc uia prima terris
Te uehet longo spatiosa piano
Qua uenusino medicata flagrant
Vellera fuco
26 Ast ubi paulum uia proferetur
Deprecor mites tibi Christus a^stus
Et leues pire sine nube siccis
Aura calabris
29 Sicut antiqui manibus profeta^
Per sacramentum crucis unda misso
Deleuit ligno posuitque tristes
Mirra licores
33 Sic tibi ca^lum modo temperetur
Et leue Sudans tenuatus a§r
Flatibus puris placide salubres
fpiret in auras
col. 2 87 Qui seiet flatu grabis exque lustris
Anguium tetros referens odores
Soluere in moruos tumefacta crassö
40 Corpora uentre
4t — 66 deBont
57 Perge nicaeta bene qua recursus
Prosperos aristo oomitante ducis
Ponec optato patriam ueharis '
Lotus ad urbem
61 — 68 desunt
69 Et quia spes iam rapitur tenendi,
Yrguet affectus placitis fauere
Iam uias illas licet oderimus
Quae rapiunt te.
»
78 Odimus quamuis sed easdem ammus
Odimus quod te retrahunt amamus
Quod tuum nobis procul attulerunt
Cemere uultum.
16 h eras 19 penetrabis al. m. 28 ^canusino C m. b. XVI mg.
26 'Det precor C 27 'leuifl C 34 Tudet C 86 £ al. m. in ras. Ex eraso ?
89 a in b al. c. 67 nicaeta] a aL deL 78 a pr. uf
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Die handBcfarifti. Ueberlieferang des Aasonias. 339
77 Qnas per ad^tricti superante amore
Nunc tibi stemi faciles prafcamur
Pra^nio ferris pelagoque summi
Nomine xpi
81 Qui tibi factis iter omne campis
Arduos montes deprimat causasque
Impleat ualles salebras ada^quet
iungat iatus
86 Te per id//rontam lepiasque uectam
Innube fratrum simol et sororom
Ambient uno dominum canentes
ore caterua^
89—100 deeimt
101 Ante iam terris subennte ponto
Stratus adria^ sinns obsequetar.
Vnda proctimbet zefiroque leni
Yela tmnescent.
f. 37' 106 Ibis inlabens pelago iacenti
Et rate armata titulo salntis
Victor antemna cmciB ibis undis
TutuB et anstris
T
109 Nauitag la§ti solitum celeoma
Concinent nersis modnlis et hTniT
Et piis ducent comites in aeqnor
Yocibus anras
113 Precinet cnnctiB tuba ceu resultans
Lingna nicaetae modnlata xpo
Psallet a^temuB citharista toto
Aequore damt
117 Audienf tarnen tremefacta coete
Tä sacerdotem domino canentem
Leta lascino procnladmeh abunt
Monstra natato.
121 Yndique adlndent patulo uerentes
Ore delfines, sine uoce quamquam
A^mula humanis tarnen eloquentur
Caudia Unguis
126 Nam deo qui non sapit atque uiuit
Cuius et uerbo sata cuncta crescunt
Hie dei laudem maris hima noscunt
128 Mutaque clamant
77 X pr. gs. 78 a eraa. 86 ro eras? 110 *>- himniB 114 nicaetae]
a al del. 116 dauit aL c. ex tauit 119 h aL del 127 h al. deL
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340 R. Peiper:
129—136 desnnt
137 Qualiuet pergas licet et per undas
Perque tellurem licet et per a^quor
Ibis armatus galea salutis
140 Vertice XPO
141—192 deflont
193 Tu filippeos macedum per agros
Per tominatam gradieris nrbem
Ibis et scopos patriae propinquos
col. 2 dardanus bospes.
0. quibiis iam tunc resonauit iUa
Gaudiis tellus ubi tu rigentes
Edoces Xfiofervk colla miti
Subdere gentes
201 Qaaque ripheis boreas in oris
Alligat densis fluni us pruinis
Hie gelu mentis rigidas supemo
Igne resoluis.
206—216 desunt
217 0 lices rerum bene uarsa forma
Inuii montes prius et ementi
h
Nunc tegunt uersos monaci latrones
Pacis alumnos.
T
221 Sanguinis qondam modo terra uita^ est
Vertitur ca^lo pia uis latronum
Et fauet xpf super occupantes
Regna rapinis
226 Monf ubi condam fuerat ferarum
Nunc ibi ritus man et angelorum
Et latet iustus quibus ipse latro
Vizit in antris.
Pra^da fit sanctis uetus ille pra^do
Et gemit uersis homicida damnis
Dum renudatus spoliante Xpo
Criminis armis
288 Interit casu satanae uicissim
Inuidus Cain rediuiuus Abel
Pascit effusi pretio redemtos
sanguinis agnos
187 Qua libet al. corr. 197 u in b al. c. 203 tif in tef pr. c 817
mg. al. litterifl langobardicis 'üarsa' 219 h al bb. 221 qon al. ex con
226 'uiget C 236 of pr. ex üb ni f. corr.
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Die handscluriftl. Ueberliefenmg des AusomuB. 341
Enge Niceta bone serae XPt
Qui tibi donat lapides in astra
Vertere et uinis eacra templa saxis
f. 37^ 240 Aedificare.
241—244 desimt
246 Te patrem didt plaga tota bora^
Ad tuos fatas schita mitigatnr
Et Btii discors fera te magistro
Pectora ponit.
Et Oete currnnt et uterque datus
Qni eolit terrae media uel ille
Dinitis multo boue palleatos
262 'Accola ripa^
268—264 deannt
266 Sic tuo miti lupns est ouili
Pascitur consors oitulns leoni
Pamus extracto trucibus cauemis
Aspide ludit
Callidos auri legulos in anrum
Vertis inque ipsis imitaris ipsos
E quibus uiuum fodiente uerbo
Eruis aurum.
Has o/pes condis domino perenni
His Bacrum lucris cumulas talentum
Audi intra domini perennis
276 G^tidia lagtus
277—284 desimt
286 ünde conplexi sine fine canun
Pectus heremus laqueo fideli
Quaque contendas comites herimus
///////////
289 Caritas XQi bene fasa ca^lo
290—293 desunt
294 Orbis aut alter neque mors reuellet
Corporis uita moriente nita
296 Yiuet amoris
297-386 desimt
337 lam uale nobis et in omne nostri
Diligens a^axun bonus nsque finem
Duo bonum cursmn positamque iustis
Sume coronam.
fmit (al. add.)
Seqnitar Anthol. lat. Biesii o. 648.
246 schita, h al. del. 249 daoctis, al. c. daccua, tertia m. dacus
261 1 post a al. del. 266 'concors C 273 feras.? 287 h al. del.
288 'Mente sequad C ; erasa codicis scriptora Mt: aeochenf aroe.
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342 R. Peiperr
Zuerst hat H. Avantius in seiner zweiten im J. 1507 erschie-
nenen Ausgabe des Ausonius epp. XXIH bis XXV nebst den Briefen
des Paulinus publicirt, nachdem ügoletus allerdings bereits ep. XXV
mitgetheUt hatte. In seiner dritten Ausgabe, der Aldina Ton 1517,
erscheint der Text von Avantius gründlich darchgearbeitei Welcher
Abstand zwischen diesen beiden Ausgaben! wie nachlSssig noch die
erstere, wie sorgfältig und sauber die letztere! Wenn das Verdienst
des Herausgebers nicht zu unterschätzen, so gebührt dennoch das
bei weitem grössere dem Streben und Drängen des Aldus, etwas
Vollkommenes zu liefern; die hohen Verdienste dieses Mannes er-
kennt man erst genau durch Vergleichung zweier derartiger Aus-
gaben im Innern und Aeussem. Der Text des Avantius lag den
Correcturen des Accursius zu Oronde und fernerhin, nur wenig mo-
dificirt durch Au&ahme von Lesarten des Lugdunensis (■» Vossia-
nuslll) von Seiten der Herausgeber der Tomaesiana 1558, auch
Scaligers Bemühungen; er ist im Ganzen bis heut die Vulgata ge-
blieben.*»»)
Der Veroneser Kritiker fusste auf einer Abschrift von Paris.
8500 B» P, wie früher angegeben; hier und da hat er durch Con-
jectur die Fehler in P oder in seiner Abschrift geändert***^); in-
dessen müssen ihm noch andre Hülfsmittel zu Gebote gestanden
haben zur Ausfüllung einiger in P vorhandenen Lücken. Eine Aus-
gabe des Paulinus war noch nicht erschienen *^^): also muss es eine
uns unbekannte Handschrift sein, aus der er Fehlendes er-
gänzt, z. B.:
Aus. XXIV 5 und 31—37 fehlen bei Avantius; aber 57, 91. 92.
128 hat er ergänzt, ebenso ausgelassene Worte wie 79
Aginnum, 89 et ostrifero, 90 trino me,
Paulinus I 136 und 173 fehlt, ebenso 285—231, aber ergänzt
ist V. 13. 14, femer 103 tota trieteride terris, 195 caeU
(213 lässt er mit P iniqua aus),
Paulinus IE 13 fehlt, aber v. 56. 57 sind ergänzt.
Auch einzelne Lesarten muss Avantius aus dieser Quelle be-
richtigt haben, aber hier ist er offenbar noch weniger als bei den
Ergänzimgen consequent verfahren. So z. B. Paul. I 260 iocis fOr
satis P, I 178 gibt Voss.: Attomen haec illis aedi sententia uisa est,
Puteanus: A. haec illis aedisse sententia u. e. P: A. haeo . • . illis sen-
''*) So findet sich noch heute I 5 die Coxgectur cum für quam, 1 12
Sederit et blandis ftlr Sedit et e blandis, I 54 nos induendo se ezuit fOr
noB indaendus indnit. — '*°) Z. B. Paolin. 1 123 et für das ausgelassene,
auch im Voss, nur von anderer Hd. fibergesetzte uel. 132 enim ffir eo P
(eum Voss.). 200 cnlta statt inoulta, um experientia, wie P fflr expertia
gibt, zu haJten. 1 62 uirtutuum statt uirtutum P (uirtutium VSF^ etc.
— ■**^ lod. Bad. AscensiuB kündigt den Druck der opera Paulini Nolani
dem Michael Hummelberg an in einem Briefe vom 23. Oct. 1515 (A.
Horawitz in S.-B. der Wiener Akad. Bd. 86, 1877, S. 268). Diese erste
Ausgabe erschien im J. 1516.
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Gpogle
Die handsohriftl. Ueberlieferung des AusoniaB. 343
tentia u. e. Offenbar erg&nzt At. diese Lücke ans andrer Quelle
zugleich conjicirend, wenn er schreibt: A. haec illis saeclis senten-
tia u. e.
In dem schon von seinem Vorgänger herausgegebenen Briefe
XXV ist Ayantius nicht seiner Hds. gefolgt, sondern hat sich ge-
treulich an den Text des ügoletus gehalten^*) bis auf wenige
Stellen, die er theils aus Conjectur (wie v. 1 direxit), theils aus P
geändert (73 nomina); meist sind es nur ganz offenbare Fehler, die
er auf diese Art tilgt.***) ügolets Text ist ein ganz andrer
als P, in dem ja z. B. die Verse 21. 42 fehlen; aber auch mit
Tilianus, in welchem später dies Gedicht von jüngerer Hand hin-
zugefügt ist, stimmt üg. nicht: in T fehlt 71, v. 4 liest er re-
scribens, wo ügoL et scribens mit F, P aber asscribens mit Voss,
(adscribens) gibt. V. 10 scheint UgoL das ausgefallene redit et
durch Conjectur mit reboat ersetzt zu haben: hier hatte die Vor-
lage von T offenbar dieselbe Lücke, und durch Zufügung von resul-
tat hinter imago wurde in T der Vers vervollständigt. Die letztere
Stelle aber weist doch auf Verwandtschaft von T mit ügolets
Exemplar hin; fOr die denn auch andre Stellen sprechen, z. B.
V. 14:
Atque argnta suis loquitur coma pinea uentis.
Voss, und P geben hier:
Cumque suis loquitur tremulum coma pinea uentis.
Diese Abweichung wird erklärt durch S (Puteanus), in welchem
weder arguta noch tremulum erscheint:
Atque suis loquitur coma pinea uentis.
arguta ergibt sich als Interpolation behufs Ausfüllung des Verses,
und erscheint zuerst in F:
Atque argutu (so!) suis loquitur coma pinea uentis.
Der Zusammenhang beider Exemplare mit der Vorlage
von F bez. dem Puteanus S ist ersichtlich; weiter wird derselbe
bestätigt durch v. 12, der in diesen vier Exemplaren lautet:
Sonmiferumque canit sepis depasta susurrum,
während die üeberarbeitung des Ausonius in VP dem Verse fol-
gende Gestalt gegeben:
Hyblaeis apibus saepes depasta susurrat.
Femer durch v. 16, wo SFTVgoL
Dindymaque idaeo respondent cantica luco
***) Selbst an Stellen, wie v. 14, oder 49 deponere, wo P postponere,
b% senatus wo P aenati. — '*^) Damm sind zur Ermittelung der von ihm
benutzten Quellen nur die Stücke, die er zuerst herausgegeben, zu be-
finEigen.
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344 K. Feiper:
durch Ausonius, wie VP zeigen, umgeftndert worden ist in:
Dindyma gargarico r. c. L
Ein für die Mediceer geschriebener Laurentianus der Werke
des Paulinus (pl. XXTTT c, 20 mbr. s. XV) enthält als n. XXXIV
einen Brief des Ausonius ad Paulinum: vielleicht ist dies das von
Ugolet benutzte Exemplar,***)
Die Berner Hds. 330 s. X enthält f. 38^ col. 2 folgende Verse:
ANSONius (sie) Pauuno [ep. XXTTT 28 s.]
Innumeras possum celandae ostendere formas
Et clandestinas ueterum reserare loquelas.
Dirimit paulinus quartae [II 45]
Fabula non terris absentia nostra dirimit
Lucanus tertiae protulit in IIII ^ pm 33]
Qui mediis castris tutam dirimebat üerdam
uirgV praeteritum eins [A V 467]
Caede deo dixit q; et praelia uoce diremit
Von andrer Hand folgt:
Fabian^ abaside (sie) inbula obecie deportat^
DYSTICON DB EA
Argiua primo sum transportata carina
Ante mihi notum Nil nisi fasis erat.
Die zweite Hälfto der Columne ist leer.
Aus welcher üeberlieferung sind jene Verse geflossen? Im
Ausonius -Briefe fehlen v. 27. 28, in F, in S sind die Verse am
unteren Bande nachgetragen. Der Vossianus gibt loquellas, die
anderen Hdss. loquelas. In dem des Paulinus geben nostra Voss,
und F, ob P und S wirklich longa haben, wie Avantius, kann ich
nicht sicher behaupten, dirimit liest auch SF; P gibt subsentia.
Zunächst scheint also die Entlehnung aus einer mit F verwandten
Hds. das Wahrscheinlichste, — Das Distichon vermag ich nicht
nachzuweisen.
X
Sannazars Excerpte, Accursii copiae.*)
Die ersteren sind enthalten im Cod. Vindob. 306 Endl. «s
3261/q) 336, chart. s. XVI (vgl. Schenkl, Z. f. österr. Gymn. XXn^
1871. S. 127 Anm. 3) und beginnen f. 3':
*^*) Aus einem vetns liber Baptistae Pii führt Poelmann eine durch-
aus unbekamite Lesart zu v. 27 unseres Briefes an ^Bapt. Pins in Amph.
Plauti ex ueteri lib. le^t: Vestraque Sigalion Aegytius ora reaignat'.
Das dürfte doch wohl eme Conjector sein. Aber da ügolet und B. Pius
in Verbindosg standen, mag darauf hinffewiesen werden.
*) S. 213 Z. 4 lies Accursius statt Ascensiiuk
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PHILOLOGISCHE STUDIEN
ZU
GRIECHISCHEN MATHEMATIKERN.
i. n.
J. L. HEIBXBG
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346 R. Feiper:
304, 6. 12. 14 (Cleobolus),
308, 15 (Periander),
303, 8. 10. 12. 14 (Clulon), SPAR|TANVS an Bande von v. 8,
ANDER zu beiden Seiten von v. 14«
304, 9. 13. 16 (Cleobolus).
F. 20^ z. 7 beginnt ein zweiter Theil:
Quo ordine Ansonii carmina disposita sint in codice uetusto
Lngdunensi qui ab Actio Sincero inuentus est in Araris insula.
Das ist kein vollständiges Yerzeichniss der Werke, wie sie im
Vossianus stehen — und soll es auch nicht sein. Die Titel der
excerpirten Gedichte werden nebst den Anfangswoi-ten mitgetheilt,
nur sind auch die Titel und Anfüge einiger längstbekannten Ge-
dichte in die Reihe aufgenonunen, z. B. hinter dem Pythagoricon
die Trias: De uiro bono, Nau xai ou, Hesiodion, hinter den Urbes
sämmtliche Titel des Technopaegnion, hinter dem Paulinasbriefe die
von drei Epigrammen (10. 72. 75). Wunderlicherweise sind mitten
zwischen die Sapientes-Stücke eingeklenmit ^Fragmentum ex epigram-
mate in Othonem* (268, v. 3. 4).
Ein dritter Theil f. 22', 25 med. ist überschrieben:
Quae aut emendanda aut aliter scripta inueniantur quam in
expressis.
Er enthält Yergleichung und Ergänzung des Technopaegnion. Auf
f. 24^ ist mitten drin eine Abweichung in Epigr. 72 mitgetheilt.
Anordnung, Ueberschriften, Lesarten der mitgetheilten Stücke
deuten klärlich auf den Vossianus als Quelle der Auszüge,^*)
Die Ordnung Y ist nur an drei Stellen verlassen: Einmal ist die Oratio
zu dem Briefwechsel zvrischen Ausonius und dem sich entwickelnden
Heiligen gezogen. (Der Titel Oratio Paulini episcopi ist nur eine
Folge des Irrthums in YP, welche Sancti Ausonii geben. Ob schon
Sannazarius aus inneren Gründen dem Ausonius dies Gedicht ab-
gesprochen haben sollte, wie viele bis in neuste Zeit?) Zweitens
ist Epigr. 72 vor 75 gestellt, drittens sind einige Stücke der
Sapientes auf f. 21^ erst nachträglich excerpirt und an den Schluss
gestellt
Aber eine durchaus accurate Abschrift zu nehmen, dazu waren
die Gelehrten jener Zeit so wenig beföhigt, wie gewillt. Die Ortho-
graphie ist zeitgemäss gestaltet: Paul. II 37 coiylos, uibuma; sie
ist in die bei Avantius übliche übertragen: chrystus. Der Text ist
durch manchfache Correcturen und Conjecturen umgeändert
(z. B. Paul, n 21 quorum ex ore, I 101 Ignosce amice), die freilich
auch als solche keinen Werth beanspruchen dürfen. Yermuthlich
hat Sannazarius selbst beim raschen Uebertragen der ungewöhnten
Charaktere vieles falsch gelesen (so Paul. I 72 Sed ui magis curas
'^^ Die Lesarten sind ofb die in Y eingetragenen Aendenmgen
späterer Hand, z. B. PauL 11 36 lollia fiurre.
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Die handschrifU. Ueberliefenmg des AnsoniaB. 347
monet statt Sed ut m. caras monet PanL 11 46 abstruar statt
ab8tra(h)ar; Grammaticomastix 18: endoruum statt endo su am)
und selbst schon einzelne Verse ausgelassen (z, B. ep. XXV 9, 47;
Panl. n 3, 24). In dieser Hds. aber haben wir es , was schon M.
Haupt^^ erkannte, nicht mit seinem Aatograph zu thun. Ein
sicheres Zeugniss dafür ist die wnndesliche Fassung der Sapientes-
Verse, die dem Leser in der obigen Aufführung nicht entgangen sein
kann. Bei Solon war Alles in Ordnung: die Unordnung im übrigen
stammt aus falscher üebertragung des Sannazarschen Autographs,
wo je zwei Verse in einer Zeile standen :
303:
304:
308:
üngef&hr so mochte Sannazar abgetheilt haben: wie die Ver-
schiebung des Namens (PEBI)AND£B zeigt^ müssen andere Irr-
thümer untergelaufen, vielleicht Verse weggelassen sein. Was den
Sannazar bewog, gerade diese Verse, die in der Ausgabe des Avan-
tius theilweise gerade so lauten, auszuheben, lässt sich ja nicht con-
statiren. Dass er selbst Chilon y. 15 weggelassen und den Satz nicht
einmal abjgeschlossen haben sollte, ist nicht glaublich.
Wir begegnen mehrfach übergesetzten Besserungen in einigen
Theilen des Technopaegnion, sonst nicht. Es sind folgende:
CHILON
SPABTANVS
7
8
9
10
11
12
io CLEO
^'^ BOLVS
14
6
9
12
13
14
15
(PERI)
(PKBT)
^° ANDEE
'ANDER
340 A, 3 polut
poisent Vt
o
12 mutaum
mutao ▼
340 B, 3 mea congrua
842, 12 dira
nee alle Ausgaben
Clara alle Hdss.
«1
343, 9 genitus
t 1
gern vf V" gen.uf v*
1
344, 10 quinquagenis
quinq;gemr y qainquetenis V
iDditUi ut perlt
346,1 12 Ibiour nt periit
Pugn»
15 picna
Indituf nt periit y
pugna V
'*^ Oyidii Halieutica etc. p« XXV sqq.
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348 K. Peiper:
a
26 celedoniifl caledoniis Vv
deooa triz
26 fceluB Btryx decns Vv
niret
846, 2 nitet nitet fehlt V 846 fehlt t
Vergleichen wir die zur Seite angeführten Lesarten der Hdss.,
so finden wir eine handschriftliche Quelle, aus der sie s&mmtlich
bis auf die beiden letzten (trix und nitet) geflossen sind : v = Lei-
densis Q 33, dessen Herkunft aus St Gallen ersichtlich. Einige Male
sind es Fehler aus flüchtiger Lesung von V entstanden^ oder aus dem
alten Druck beibehaltene Lesarten'^), die durch diese Vergleichung
beseitigt werden.
Ob Accursius von diesen Lesarten Kunde gehabt, kann man
nicht ersehen. Er citirt 345, 12 und 15 ohne dieser widersinnigen
"^ Lesungen zu gedenken.
Wenn wir im letzten Verse des Grammaticomastix Baum aus-
gespart finden für das im Vossianus ganz deutlich lesbare Wort
crinis, das dem Sannazar schwerlich entgangen ist, wenn wir dort
' atiphile für antiphile in den Excerpten lesen, wenn Accursius Technop.
Xn 3, auf die Mittheilungen dieser Excerpte gestützt, latiar e gibt,
wie der Vossianus, in den Wiener Hds. aber latus e erscheint, wenn
im folgenden Verse qu6d fiatium angefahrt wird, wo offenbar eine
Verbesserung der Vossianischen Lesart (quod latium) mitgetheilt
werden sollte: so spricht dies alles wohl stark genug gegen die Echt-
heit dieser Handschrift
So ist diese Hds. also für die fijitik der Ausonianischen Gedichte
völlig werthlos**^); immerhin aber ist sie, wenn wir die Hand-
schriften-Geschichte verfolgen, nicht ohne Literesse.^
**^ In 840 A hat Sannazarius selbst die Worte hiulcola—haberent,
die doch weder in V noch v stehen, als unentbehrlich nicht weggelassen.
*^p Für f. 18 des Voss. Profess. 16 — 22 (Aemilius Magnus Arborias—
Victorinus), welches verloren gegangen, verdanken wir unsere Eenntniss
nur der Ausgabe des Charpinas, wo vieles überflüssig geändert ist. Da
ist freilich auch der Brocken, den uns diese Excerpte geben, nicht ra
verachten. Dort steht 20 (Stafilus) v. 7—14, v. 12 lautet bei Charpin:
Nee cunctator eras nee properante sono.
Sannasar gibt: Nee cunctator erat nee properator erat,
woran kein Buchstabe 2n ändern ist. Im folgenden Verse:
procul iia dolusque
lässt die Wiener Abschrift die Schlusssilben usque weg; das scheint
nicht irrthümlich geschehen zu sein, wenngleich die Buchstaben dol am
Seit^nschluss (f. 8^) stehen: man muss doch wohl ira dolorque erwarten.
Im letzten Verse stimmt Sannazar mit Charpin in dem aumllligeD, von
Graevius nnd Heinsius verbesserten Fehler:
Et placidae finis congrua meta fuit;
f£lr fait gibt Accursius fehlerhaft tibi. Grammatic§ haben die Excerpte
wie Charpin, ausserdem rethor und sescentis. — **^) f. 26' wird aus
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Die handschriftl. Ueberliefernng des AasoniaB. 349
Das Wiener Exemplar war, wie auf f. O' gesagt ist, einst Eigen-
thnm ^Martirani et doctorom amicomm', also des im J. 1557 ver-
storbenen Bischof von San Marco, Coriolano Martirano, der als Tra-
giker nnd Epistolograph in lateinischer Sprache sich einen Namen
gemacht hat (vgl. GrÄsse HI 1 p. 331, 337, 700; Biogr. univ.
XXVn 333).
Es hat geraume Zeit gedauert, ehe dieser Fund, den nebst den
anderen Sannazarius im J. 1501, spätestens 1502 in Frankreich
machte^^), der OeffenÜichkeit übergeben wurde. Selbst von anderen
Abschriften, die doch von Ovid und Gratius bekannt geworden isind,
wissen wir betreff der Ausonius-Ezcerpte nichts. Weder der Heraus-
geber der Ascensiana 1511 und 1513 noch Avantius für die
einem anderen Codex derselben Bibliothek das epigr. 76 (Languentem
Gaiom) nebst dem Gedichte des Eugenius über die Erfinder der Schrift
(386 Meyer, Kiese 11 p. XXXVI, auch in B. Eagenii opuscula ed. Sir-
mond) mitgetheilt; vielleTcht aus derselben Hds. Ausonii de XII signis
(Auson. 382, Anthol. Biese 640). Anderer Hds., derselben Bibliothek je-
doch zweifelsohne, entstammen die auf f. 25' verzeichneten Stücke:
1) Eine Stelle aus Donati uita Yergilii über den An&ng der Aeneide
nach Nisus [Scholia Bemensia ed. H. Hagen p. 739 § 42 (60): Nisus—
gratnm opus agricolis &c. Die Worte uarium — correxisse sind ausge-
»
lassen; statt aiebat steht dicebat, in v. 1 qui siluis inter modulatus,
V. 2 Carmen].
2) Epitaphium Archeli, Incerto Authore:
0
Meam Amice ne doleas sortem, moriendum fuit,
Sic sunt hominum fata, sicut in arbore poma,
Immatnra cadunt, et matura leguntur
Hie legar, hie uinam, nee nomen inane relinquar.
0 domuB, 0 Muse, darate, manete, Yalete.
Diese Inschrift findet sich im Cod. Paris. 2832 s. IX (mit Florus Diaco-
nus* Dichtungen, f. 121^, in welchem auch unter anderen Gedichten des
Eugenius das oben genannte erscheint) vgl. Antiiol. lat. 1564 Meyer, IH
96 Burm. Dahinter 3) Avienus Theodosio — (die Vorrede zum Avienus).
f. 27""— 42^ sind leer gelassen, f. 43'— 46"^ kommen YEESVS OVIDII de
piscibuB et feris, f. 47 leer, t 48'— 66« M. AVRELIJ NEMESIANI 1
CARTHAGINENSIS | CYNEGETICON, f. 67« Apud Nasonem in Vltima
elegia de ponto [XVI 33 s.] leguntur hi duo uersus:
Til^rus antiquas et erat qui pasceret herbas
Aptaque uenanti Grattius arma daret.
f. 58'— 72^ ITEM GBATTI CYNE|GETICON LIBEB .1. Dahinter neun
leere Bl&tter. Auf dem hintern Deckel innerhalb unten rechts von einer
Hand s. XVI die Zahl: 4444, von der Hand des Schreibers aber auf dem
VoTsatzblatte oben: 236. f. 1' enthält den Brief des Potanus an Sincerus,
welchen M. Haupt p. XXUI mitgetheilt hat. — '^^) Nicht erst als er
den unglücklichen König Friedrich von Neapel (f 1604) dahia ins Eni
begleitete (W. Boscoe Leo X, Leipzig 1806 III 821), denn Pontanus, der
im August 1608 starb, sah wie viele andere auch diese Erwerbungen noch
bei Sannazar in Neapel, wie L. Gyraldus (Haupt p. XXII) versichert.
Der bezügliche Brief des Pontanus an Syncems ist zu Neapel im Februar
1608 geschrieben (Pontani opp. UI 299, Haupt p. XXUI).
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350 R. Peiper:
Ausgaben von 1507 tuid 1517 haben von ihnen Eenntniss
gehabt Offenbar hat Petrus Sammontius, dem Sannazarius alle
jene Funde zur Herausgabe überlassen hatte ^^'), erst spät An-
deren ausführlichere Mittheilungen zukommen lassen: den Gratius,
Nemesianus, Butilius beabsichtigte und versprach er sogleich
nach Vollendung seiner Ausgabe der Werke seines Freundes Pon-
tanus (Venedig bei Aldus 1518, 1519 in 3 Bänden) vom Stapel
zu lassen^^^); die Ausonius-Excerpte mag er selbst um dieselbe Zeit
dem bewährten Kenner und Herausgeber des Dichters, Hierony-
mus Aleander^^), der im J. 1516 ins Vaterland zurückkehrte, um
1517 den Acoiajoli als Bibliothekar der Vaticanischeu Sammlung zu
ersetzen — ein Amt, das er nur bis ins Jahr 1519 verwaltete*^)
— mitgetheilt haben, wenn nicht vielmehr der umstand, dass Sanna-
zars Name femer nicht dabei gexiannt wird, dahin zu deuten, dass
erst nach dem Tode des Summoutius, der ihn 1520 überrascht zu
haben scheint (s. Wemsdorf P. m. V 1 p. 48^, Aleander in den Besitz
der Excerpte gekommen ist. Dieser selbst scheint in ihnen eine Spur
hinterlassen zu haben, in den ihm vielleicht durch Hummelberg zu-
gekommenen St. Galler Varianten zum Technopaegnion. Eine be-
deutungsvollere Thätrgkeit zog aber Aleander von diesen Studien
ab; Mariangelus Accursius war es, dem jene übergeben wurden,
und sie bilden den besten Theü der handschriftlichen Mittheilungen
zu Ausonius, die seinem Werke Diatribae in Ouidium Ausonium et
Solinum Bomae 1524 FoL zu Grunde liegen. Er selbst gibt dar-
über nur gelegentliche Aeusserungen , am vollständigsten zu den
drei Gedichten de Aetatibus^ de uiro bono, Est et Non: ^haec
Ausonii esse lusus, non Virgilii^ fragmenta quaedam Longobar-
dorum quandoque characteribus fidem fadunt, quorum inspiciendi
sed et euulgandi publicandique mihi facultatem fedt Hieronymüs
idem Aleander'. Vorher zum Technopaegnion: *in perueteri codicis
fragmento qui penes Hieronymum Aleandrum est', zur Precatio
matutina: ^In partioula manuscripti exemplaris quam penes Hiero-
nymum Aleandrum esse testati sumus', zu den ürbes (Arelate)
^Nuper in parte codicis non aspemandae uetustatis haec ipsa ita
legimus'.
»>) Auch Werke des Sannazar selbst, z. B. dessen Aroadia, gab er
in Druck. S. ausser Jöcher: Roscoe Leo X I 82 f. — ■*•) Petrus Sum-
montiuB Francisco Poderico Patricio Neapolitaao: vor Pontanos Dialog
Actius opp. II f. 101 — 103 siehe die Stelle l 102«; Haupt p. XXI^
Gratius, Nemesian, Ovidii HaUeutica wurden nebet Oalphumius erst im
J. 1534 durch Georg von Logau herausgegeben. — '^) Ueber Aleander
s. ausser P. Jovius die neueren Mittheilungen bei Boscoe Leo X IE
315—824, Ersch u. Gruber s. v., Gasa in Allg. deutsche Biographie I
392 ff. u. a. Sehr lückenhaft sind die Nachrichten in Budinszkys Buch
'Die Universität Paris' Berlin 1876 s. 190. — ^^) Erst als Cardinal 1538
soll er es wirklich niedergelegt haben. Seine Bücher kamen nach seinem
1542 erfolgten Tode durch Verm&chtniss an das Kloster 8. Maria del Orte
in Venedig und von da in die Marensbibliothek; vgL Boscoe a. 0. S. 384.
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Die handschriftL üeberlieferong des Ansonins. 351
Wenn wir seine Mittheilungen ins Einzelne verfolgen, finden
wir jene Ezcerpte nicht erschöpft. Im Pythagoricum (id. XY) , so-
wie im epigr. 54^ dessen Verse 3 — 6 wegen ihrer völligen Ab-
weichxmg von ügolets Ausgabe doch Interesse erregen mussten,
werden sie nicht herangezogen. Er hat sie also nicht in der Yoll-
stftndigkeit überkommen, in der das Wiener Exemplar sie über-
liefert. Wenn aber die Einweisung auf Alter und Schrifteharakter
der Hds.y der die Ezcerpte entlehnt waren, mehr Kenntniss ver-
rathen, als aus der Wiener Abschrift zu gewinnen ist, und darauf
hinweisen, dass Aleander die echten Papiere Sannazars selbst besass,
können wir bei dem guten Willen, den wir bei diesem zu voll-
ständiger Mittheilung voraussetzen dürfen, nur vermuthen, dass bereits
in Aleanders Hause der Verlust stattgefunden, aber erst nachdem
bei ihm vollständige Abschriften genommen worden waren. Wir können
aber genau ermessen, wie viel fehlte: die Ezcerpte des S., denen
offenbar die Wiener Abschrift genau folgt in der Einrichtung, hatten
zwei Lücken im ersten Theile: es waren ausgefallen l) 248, 53,
54, 362 (id. XV), welche hintereinander folgen im Vindobonensis
f. 4^ bis 6' »s cbrei Seiten, wahrscheinlich 1 Blatt des Originals;
2) Paulini ep. H V 302 — 304, ebendort f. 15^^, Z. 8 bis f. 20^
Z. 7 "= neun Seiten, drei Blatt des Originals, welches also 16 Blätter
umfasst haben mag. Die Verbesserung zu 75 kannte Aoc, aus dem
zweiten Theile oder dem Anhang. Dass ihm fOr den Brief des Pauli-
nns und Ludus handschriftliche Mittel fehlten, sagt er selbst aus-
drücklich. Auf die Authentidtät deuten auch die Angaben des Ac-
cursius, durch welche hin und wieder die Wiener Lesarten ihre Be-
richtigung finden.^^ Er gibt übrigens, wie er selbst gesteht, die
längeren Mittheilungen mit seinen eigenen Verbesserungen, nicht
diplomatisch getreue Copien.
Für den Nachlass des Ausonius muss Accursius mehrere voU-
Accursius richtig:
Hta
quod
latiar
E latinm
negat
et y
coDspicior
Betae (beate Voss.)
addit
Adque
pro se
tltulo
Cappa
pene ultima
Oefters noch allerdings findet sich die Lesart durch Accursius verändert
»»«) Im Technopaegnio
Vind. f^sch:
8 Hita
quodam
latus
4 flacium
6 egat
eoy
10 oompenor
13 beta
20 addita
22 Atqs
>er se
itulum
26 Eappa
27 penultima
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352 B. Peiper:
ständige Hdss. eingesehen liaben. Ws. aliquot', ^rnsta exemplaria',
^uetusta ezemplaria% erwlUint er zu dem epigr. 57, Bissula praef.
(326, 327), ep. XVI (406), Fast. 1 (147), Griphus (335, 336).
Seine Angaben sind aber hdchst dürftig; die Bezeichnung uetus
und uetustuB wendet er sowohl (bei epigr. 107) auf ein Exemplar
^quod potuerit post Ausonii quoque tempora scriptum uideri' als auf
unzweifelhafte Erzeugnisse des 16. Jahrhunderts an. Quellen von
recht fragwürdiger Natur citirt er an folgenden Stellen: zu 2, 6
(fehlt in den ältesten Ausgaben) bemerkt er: in uetustioribus quibus.
dam hunc in modum haberi sunt qui nobis indicauerint: Queritur
et fallit lumina plaga recens. 9, 1 bringt er zuerst den Yers Est
iocuB — libellis (dass die Lesart Nostra simul certant etc. von Avan-
tius erfunden ist, ahnt er nicht), beide Verse, deren die ed. pr. so
gut wie Laur. I (pL 33 c. 19) entbehrt, werden wir als neuere Er-
findungen betrachten müssen.
Mehrere Lesarten, die er unter der Firma uetus lectio, uetus
codex, uetustum exemplar beibringt, finde ich in keiner der mir zu-
gänglichen Hdss.:
ep. XIX: Chalcidicas ad arces für ad arctos yulg. c£ Vergil.
A VI 16 f ;
Grat, actio p. 285 ed. Bip.: Ipsa autem sedes honoris für Ista;
Griphus praef: peruenit fOr perueniet;
condemnationis für emendationis ;
Protrept. praef.: adiudicationem * codex nost^ mstus' für iudica-
tionem;
— V. 22 balbus für blandus;
— Y. 42 cupias ^codex idem' für capias.
Ein Theil davon hat mit Recht Beifall gefunden und Au&ahme
in dem Texte; die unbekannte Hds., die sie bietet, wird aber darum
keinen höheren Werth beanspruchen dürfen als die eben bezeich-
neten. Die zuletzt angeführte Lesart steht möglicherweise im Lau-
rentianus I auch andere Anführungen weisen auf Benutzung dieser
Hds. hin:
ep. XI praef. comoedis ^uetustus codex' statt comoedüs;
ep. XXI praef. hoc für haec;
(ep. XVI Lalli „msti codd." für Lilli (ed. pr.) Tilianus gibt Lali);
Griphus v. 31 solls ^uetustus codex' statt solas;
Cento (p. 208 Bip. Z. 4 y. u.) qualisque uideri ^mstus. codex
duntaxat unus' (fehlt sonst);
Cupido Y. 18 fulminis ^codd. msti.' statt fulguris.
Im Cento verrftth sich Bekanntschaft mit einer den Guelpher-
bytani verwandten Hds.: p. 205 Z. 3 y. u. turturis ^exemplar mstum.'
statt turris.
Den Laurentianus des Verazzanus hat er vielleicht nicht ge-
kannt, denn ihm fehlte nach eigner Aussage handsdirifüiches Material
für Mosella und Symmachus-Brief.
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Die handschrifbl. üeberlieferang des Aasonius. 353
Besseres Material lag dem Accursius vor für die Pseudo-Aaso-
niana: epigr. 107, Sapientum sententiae (seine Fragmente geben die
Thales-Yerse dem Anacharsis, wie Wölfflins PBM), Priscians Gedicht,
und das Juvencus-Fragment, das Acc. seinem Verfasser zurückgibt.
Für die Periochae freilicb muss ich Alter und Güte seiner
Hds. bestreiten. Dieser ^uetus codex' ist weder Paris. 8500 noch
die Abschrift desselben, die ügolet benutzt hat. Einige beliebig
herausgegriffene Beispiele genügen, dies darzuthun. Accursius gibt
Ilias XV fratre conterrito, Paris, fratrem conterrita, Ug. conterrita
fratrem. Dias I ex. affectans, Paris, und Ug. affectantL IL XVn
Cum in diuersa, Par. u. Ug. Cum diuersi. Od. XV diuerso, Par. und
Ug. aduerso. Auf Ugolets Ausgabe jedoch stützt sich seine Hds.
nicht; sie geht in einer Anzahl Stellen mit Parisinus und meidet
Ugolets Fehler. Ugolet gibt D. Xu Paris dubiae, Acc. mit Par. Res
dubiae, ebenda Ug. statui, jene statu. H. VIII Ug. alterii^s, jene
alteros. Od. VULl ex. lassen Acc. und Par. cuncta und omnia weg,
was Ugolets Text hat Eine zweite, yiel&ch geänderte Abschrift
des Parisinus also mag in Accursius* HSnde gekommen sein.
Jalirb. 1 olMi. Philol. SappL Bd. XI. 23
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PHILOLOGISCHE STUDIEN
GRIECHISCHEN MATHEMATIKERN.
I. n.
J. L. HEIBXBa
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I.
üeber Eutokios.
Unter den späteren griechischen Mathematikern aus derjenigen
Zeit, wo die griechische Litteratur auch auf diesem Felde aufgehört
hatte Selbständiges zu produciren, nimmt Eutokios aus Askalon
einen ehrenwerthen Platz ein. Es dürfte daher nicht ohne Interesse
sein, das wenige, was wir ttber seine Person wissen, zusammen-
zustellen und seine Arbeiten im Allgemeinen zu charakterisiren.
Ausserdem sollen einige Beiträge zur Textkritik beigefügt werden;
denn die Zeit kann doch wohl nicht fern sein, wo man die Werke
der grossen griechischen Mathematiker einer kritischen, auch dem
Philologen genügenden Herausgabe würdigen wird; dann wird die
Reihe auch an Eutokios kommen, dessen Commentare ein schätz-
bares Supplement zu den grössten unter ihnen, Archimedes und
Apollonios, liefern und ausserdem so manches für die Geschichte der
Mathematik wichtige enthalten.
Eutokios ist aus Askalon gebürtig, wie wir aus dem ihm in
den Handschriften des Archimedes und Apollonios constant bei-
gelegten Namen: 6 *AcKaXu)viTT|C ersehen. Sein Lehrer war der
Mechaniker Isidoros aus Milet (rip MtXriciifi )iT)xaviK(|) 'lcib({)p(f),
Tui fifxeT^pi}! btbaCKäXifi, sagt er selbst Comment in Archimed. p. 130,
143, 201, 216), und hieraus lässt sich seine Lebenszeit mit Sicher-
heit bestimmen. Isidoros aus Milet war nämlich unter Jnstinianus
als Architekt thätig.^) Als die Sophiakirche in dem grossen Auf-
stand zu Constantinopel im Jahre 532 abgebrannt war, beauftragte
Justinianus ihn und den noch berühmteren Anthemius aus Tralles mit
der Wiederaufführung (Prokopios De aedific. lustiniani III p. 174 ed.
Bonn.: *Av6^|liioc hk TpaXXiavoc, dm coqpiqi rq KaXoujii^vij jniixaviK^
XoTiunraToc ou Tuiv Kax' auröv jliövov dirdvTwv, dXXa xal tOüv
auToö TrpoT€T€Vii|Li^vuiV iToXXifi, T^ ßaciX^UK üiroüpTei ciroub^
KOI MTlX^vcmoidc cOv oöriö Srepoc *lc{bu)poc dvo|ia, MiXrjcioc t^voc,
l^q>puiv T€ fiXXu>c Ktti 7Tp^iru>v loucTiviAvifi u7ToupT€iv ßaciXei);
auch aaiderswo finden wir diese beiden Männer in Vereinigung wirkend.
') Er ift Erfinder eines btaßfiTiic, wodurch eine Parabel sich zeich-
nen liess; die Beschreibung dieses Instruments hatte er in seinem Com-
mentar zu Herons KUfiapiKd mitgetheilt; s. Eutokios zu Archim. p. 143.
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358 J. L. Heiberg:
wie bei der Eindämmung und Ableituog des Flusses Dara (Prokop. ibid.
p. 217). Freilich wird auch ein jüngerer leidoros aus Milet erwähnt,
der Neffe des Yorhergenannten und ebenfalls ein tüchtiger Baumeister,
dessen Hülfe Justinianus in Zenobia benutzte (Prokop. a. a. 0. p. 234:
'Iciöwpcc MiXrjcioc f^voc, 'Iciöuipou döeXqpiöoOc, ouTtep ^juirpocOev
dTTe|ivric6Tiv); auf ihn bezieht sich sicher ebenfalls Agathias p. 295,
welche Stelle ich in meinen Quaestiones Archimedeae p. 29 irrig vom
ersteren verstanden habe; Agathias erzählt nämlich, dass Justinianus
die Sophiakirche, die von einem Erdbeben im J. 557 beschädigt war,
restauriren liess, und fügt hinzu: KaiTOt 'AvO^Mioc pikv dx irXeCcTOU
dTe0VTiK€i, 'lclbu)poc bk 6 v^oc Ktti o\ fiXXoi jLiiixavoTroioi ktX.
Dass aber nicht dieser Isidoros, sondern der ältere der Lehrer des
Eutokios gewesen, geht daraus hervor, dass Eutokios den Anthemios,
den Zeitgenossen des älteren Isidoros, der aber, wie wir eben aus Aga-
thias gesehen haben, als der jüngere Isidoros auftrat, bereits ge-
storben, als seinen Freund erwähnt; denn dass der Anthemios, den er
Commeni in Apollon. p. 8 und 218: (Jj qpiXe draipe *AvO^|ii€ und
ebendas. p. 107, 158: di qpiXraTe )lioi 'AvO^jiie anredet, kein anderer
sei, als eben der genannte, als Architekt und kunstfertiger Mecha-
niker bekannte (über ihn s. Gibbon: Hist, of the fall etc. VII, p. 103 ff.),
von dessen Schrift irepl irapaböSuJV ^iixotvii|idTU)V wir Bruchstücke
(Westermann: Paradoxographi, p. 149 — 158), kann kaum zweifel-
haft sein. Er scheint nach der Anrede des Eutokios mit ihm gleich-
altrig gewesen zu sein, also etwas jünger als sein College Isidoros
der Aeltere. Hiernach dürfte das Leben des Eutokios um 550 zu
setzen sein. Der Ammonios, dem er den Commentar zu Archimedes'
zwei Büchern über Kugel und Cylinder dedicirt mit den Worten:
KpdTiCT€ (piXocöqpuiV 'Amiiwvie (p. 66), ist daher wohl der Ammo-
nios Hermeias' Sohn, Schüler des Proklos. Der Petros dagegen,
dem der Commentar zu Archimedes' Büchern irept icoppoTTiÜJV ge-
widmet ist (p. 2: (i Y€UvaiÖTaT€ TT^rpe), ist kaum mit einiger Wahr-
scheinlichkeit zu identificiren.
Wir besitzen von Eutokios bekanntlich Commentare zu den
vier ersten Büchern der Conica des Apollonios und zu folgenden
Werken des Archimedes: irepi iniTT^buJV IcoppOTTiuJV I — 11, irepi
cqpaipac Kai KuXivbpou I — ^11 und kukXou jn^rpricic. Unter ihnen
ist der älteste der Commentar zu den zwei Büchern über Kugel
und Cylinder, ausdrücklich vom Verfasser als Jugendarbeit bezeichnet
(p. 65 eitr.: e! Ti Kai Tiapd ji^Xoc h\ä veÖTiiTa (pBiyioiiax)] denn
in dem Commentar zu den Büchern 7T€pi icoppoiridiv heisst es zum
I Buch p. 3: Tivac KaXei xdc iiii xd aurd KOiXac TpciMMdc, cTpiixai
f)^iv caq)iX>c iv toTc irpooiiüiioic (so die Hds.) toO irepi cqpaipac
Kai KuXivöpou (d. h. p. 66), und zu ü, 10 p. 58: cuTKeixai bk Kai
6 Toö diTÖ AZ Kiißou irpöc xdv dirö AH KÜßov Xö^oc ^k xüjv
7 AZ' AZ\
auxwv h: ^^ und ^1, ujc b^beiKxai dv xoTc cxoXioic xoO irepi
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Philologische Studien zu griechischen Mathematikern. 359
ccpatpac Kai KuXivbpou (nämlich zu II, 9 p. 195, 30 ff.). Aber auch
der Conunentar zu kukXou )Li^Tpr)cic ist später als der zu den Büchern
über Kugel und Cjlinder verfasst^ wie es aus folgenden Stellen in
jenem Commentar hervorgeht: p. 204: toTc irpÖTcpov u(p* i\\i6JV
iv Tip (vielleicht eic tö) irepi C9aipac xai KuXivbpou TCTpa^M^voic;
und p. 206: Sil dtiXÄc Tiepi töv boG^vxa kukXov öuvaiöv eu9ü-
YpajLijiiOV 7T€piYP<iM'Cti, u»ct€ toi T|irj^aTa rd ^eraHu tüjv toO kükXou
Trepi9€p€iwv Kai toiv TrXeupiöv toö irepitpacpo^^vou eu9uTpd|Li^ou
iXarrova elvai toO öoG^vtoc xiwpiou, caqpOuc eXprytax iv toTc elc
TÖ TTpurrov Tujv Ttepi cqpaipac Kai KuXivbpou TCTpaw^voic fmiv
(d. h. p. 76). Aus der angeführten Stelle p. 204 scheint geschlossen
werden zu müssen, dass der Commentar zur kukXou fix^Tpricic un-
mittelbar nach dem zu den Büchern TT€pi cq)aipac Kai KuXivbpou
geschrieben ist (eXr] ö' äv, ibc Tipöc tö iTpOK6i|i€VOV, i(peif\c tö
T€Tpa|ui]Li€VOV *Apxi|iiilÖ€i ßißXibiov kukXou juiTpriciv Tfjv ^iriTpacp^iv
Ixov). Wir erhalten daher folgende Beihenfolge der Commentare
zu Archimedes; 1) zu nepl cq)aipac Kai KuXivbpou I — II, 2) zu
kukXou ^iriTpricic, 3) zu Trepi dTiiiT^buiv icoppoinOuv I -II. Nun ent-
halten die Handschriften des Archimedes seine Werke in folgender Ord-
nung (Quaest. Archimed. p. 10): irepi cqpaipac Kai KuXivbpou I — II,
kukXou la^Tpricic, Trepi kwvociWujv, irepi ^Xikujv, Tiepi ^iriTr^biüv
icoppoTTiOuv I— II, ipa|Li|LiiTnc, TeTpaTWVicjiiöc iTapaßoXfic. Dass
Eutokios das Buch über die Quadratur der Parabel nicht gekannt
hat, wissen wir mit Sicherheit; ebenÜEdls ist es wahrscheinlich, dass
er irepi dXiKWV nicht gelesen (s. hierüber Quaest. Archim. p. 29).
Die Vermuthung liegt daher sehr nahe, dass die von Eutokios be-
nutzte Ausgabe des Archimedes nur diejenigen Werke enthalten
hat, die er commentirt Wirklich finden sich hin und wieder die
Bücher irepi KUivoeib^ujv, irepi ^Xikujv und TeTpaTWVicjLiöc irapa-
ßoXfic in Handschriften besonders, wie in cod. Scorial. R. 1 7 (s. Miller:
Catid. p. 3), worin sonderbar genug die Commentare des Eutokios
mit enthalten sind. Die Ausgabe, welche dem Eutokios vorlag, war
von seinem Lehrer, dem oben erwähnten Isidoros, besorgt. Am
Schluss der Commentare zu irepi C9aipac Kai KuXivbpou I und II
und zu kukXou jH^Tpricic lesen wir nämlich (die Stellen s. oben p. 3):
^KböcetüC irapavaYVWcGeicTic 'Icibuipip ktX. Die Bedeutung des
Wortes irapavaYiTVu»CKeiv kann zwar zweifelhaft sein; in der eigent-
lichen Bedeutung: nebenbei lesen, d. h. conferiren, gebraucht es
Longinus in einem Briefe, mitgetheilt von Porphyrios uita Plotini
I p. XXXin, KirchhofF; hiervon ist aber kein weiter Schritt zu der
Bedeutung: eine Ausgabe mit andern vergleichen, eine Textrecension
besorgen; so wird es wohl hier zu verstehen sein; denn die ^KÖocic
ist jedenfalls eine Ausgabe des Archimedes, nicht des Commentars
des Eutokios; sonst würde der Artikel T^c nicht fehlen dürfen.
Der Commentar zu ApoUonios zeugt schon durch seinen Ton
von grösserer Einsicht und Se^bstiindigkeit des Verfassers und be-
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360 J. L. Heibeig:
urkundet sich dadurch als eine Arbeit des reiferen Alters. Aus-
drücklich als später geschrieben als die Conunentare zu Archimedes
erweist sich dieser Commentar durch das Citat zu I, 11 p. 32: T^-
Tpairrai dv toTc ^Kbeboiidvoic f^Tv clc tö T^xopTOV Ocufprijuia toö
bcuT^pou ßißXiou ToO 'ApxiMn^ouc Trepl cq>aipoc xal xuXivbpou; es
handelt sich um zusammengesetzte Proportionen (irepi cuvOdcewc
XÖTWv), wovon Eutokios zu trepl C9aipac xai kuX. n, ö p. 160ff.
ed. Torelli ausführlich spricht. Aus diesem Citat geht übrigens her-
vor, dass Torelli mit unrecht die Zahl der Sstze im Buch n irepi
C9aipac xal KuXivbpou um eins vermehrt hat, dadurch dass er als
prop. I aussonderte, was ed. Basil. p. 33, die lateinische üebersetzung
des Jaoobus Gremonensis ebend. p. 41 und ohne Zweifel alle unsere
Handschriften richtig zur Vorrede des Archimedes geschlagen. Aber
hierauf werden wir weiter unten zurückkommen. — Der Commentar
umfasste wohl nur die vier ersten Bücher der Conica, welche die
Elemente der Lehre von den Kegelschnitten vollständig enthalte^
wie Apollonios selbst sagt p. 8: ätrö bi rwv öktuj ßißXiuiv tq
irpurra T^ccapa nimwKe irpöc elcaTUlirtv CTOix€iu)br| (cfr. Eutokios
p. 218: bid Kai aurdc 6 *AiToXXu>vioc iv dpxQ toö ßißXiou <pnd
TO T^ccapa ßißXia dpKcTv irpöc Tf|V ÄTUiirtv Ti\y cTOiX€ii&bn); jeden-
falls ist der Commentar zu diesen Büchern besonders ausgegeben
worden, wie es aus Eutokios' Worten im Anfang des Commentars
zu Buch lY erhellt (p. 218: ävdrvu^Gi odv ainä ^irijüieXuic, xat €i
CGI KttTä eujiov T^VTiTai, Kai to Xonrä Kaxd toOtov töv tuitov im'
i\iO\} dKTedfivai (dKTt9f]vai unrichtig ed. Hallej), Kai toOto OeoO
flTOUjüi^vou T^VT)C€Tai. "'Cppuico). In wie fem Eutokios auch die
vier noch übrigen Bücher commentirt hat, ist uns nicht überliefert^
aber durchaus nicht wahrscheinlich. Denn, wie es scheint, sind diese
vier Bücher, die bekanntlich nicht mehr griechisch vorhanden sind,
eben dadurch verloren gegangen, dass wir nur die von Eutokios be-
sorgte Ausgabe der Conica haben, welche also einer allgemeinen
Verbreitung sich erfreut hat; hStte er daher die vier letzten Bücher
in entsprechender Weise herausgegeben, würden sich gewiss grie-
chische Exemplare erhalten haben. Auch findet sich in der arabischen
üebersetzung der Bücher V — VII keine Spur von einem griechi-
schen Commentar. Während Eutokios bei Archimedes die Ausgabe
des Isidoros benutzte, hat er hier selbst den Text des Apollonios
redigirt (p. 218: IcTi bi Ti xap»^v Kai caqpic to?c dvTUirx<ivouci,
Kai fLidXicca dirö rfic fmeT^pac ^KÖöceuic). Worin seine ThStig-
keit in dieser Bücksicht (die wir wohl eben mit dem Wort irapccva-
YiTV(ibCK€iv benennen dürfen) bestand, giebt er selbst an p. 10:
irXeiövuiv bk oOcaiv dKÖöcewv, uic Kai auröc (nftml. Apollonios)
qpiiciv iv Tfl ^TTiCToXTi (Vorrede zu Buch I p. 8: Kai inex cuMß^ßf)K€
Kai fiXXouc Tivdc tu»v cu)Li)Lie)iixÖTUiv [ed. Hallej falsch cO}X}i^ii\xB&'
TU>V] flJLiTv ji€T€lXTl<P^Vai TÖ TtpOITOV Kai TÖ b€UT€pOV ßlßXlOV TTpiV
f\ biopeu>eflvai, jif| eaujidojc, iav TrepmiTrrgc auroic ir^puic ixov-
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Philologische Stadien zn griechischen Mathematikern. 361
civ) äfi€ivov f|YT|cdMiiv cuvaYOTCiv auroc ^k t&v ^^irnTTÖVTWV xä
co<p^CT€pa irapa-no^iicvoc ^v t^ t^VJ^^) öi& Tf|v tiäv cicato^^vujv
€u^df>€tav (€d|i€p€iav unrichtig ed. Hallej), £Su)6€V bk iSf toTc
cuvT€TaT|i^voic qcoXioic d7ncii|üiaiv€c9ai touc l)ia9opouc, die €Ik6c,
Tpoirouc TWY dirobciSeuiv. Er entfernt daher zum Beispiel aus dem
Texte diejenigen Sätze, welche nur specielle Fälle (7rruiC€ic) der be-
reits aufgeführten sind, und daher keinen besonderen Platz verdienen,
sammelt sie aber sorgfältig in seinen Anmerkungen^ wie zu II, 14
p. 116: cöp^öncav bi ?v Tia kqI raOra xd GeujpriiuiaTa dtT^Tpoiüi-
jüi^va, äir€p d)c irepirrä dqpijpdOii u(p' fmuiv . . . o\)bk dirobciEetc
^Xouci Tivac, dXXd biaq)opdc KaraTpacpuiv tva bk toic ivxuxx^i"
voua Tf|V f|ji€T^pav yy[b\ir\v bf{\r\v TTon^cwiLiev, ^wceiceu) ^vraöOa
Td d)C iT€ptTTd dqpijprm^va; auf diese Stelle weist er zu III, 16
p. 172 hin: ?v Tici TÜuv dvTiTpdcpuJv toOto tö GeiapTjM« ^<^ iZ'
TTap^K€iTO' Icrx bk Kax' dXTjGciav ttxiIicic xoO i^' ^Cv cxoXioic
ouv ?b€i xoOxo KcTcöai, djcirep iyp6.\\Kx^e\ elc xd \b' xoO beux^pou
ßißXiou; cfr. p. 174: Kai xoöxo 6|üioiu)c x<ö npö auxoO Ikcixo Oeiö-
pif^a (stand als eigenes Theorem aufgeführt)' öirep fmeic u)c irriuciv
dq)€Xövx€C ivxaOOa ^yP^^kx^cv; ebenso p. 181: xö Oeiupima xoOxo
TToXXdc ?xei nxübceic, d&CTrep Kai xd fiXXa. 'Cnel bk (so ist zu lesen
für: iiT€ib#|) Iv xiciv dvxitpdcpoic dvxi Gewprmdxujv trxObccic cöpi-
CKovxat KaTaT€Tpa)Lifi^vai Kai dXXai xiv^c dirobeiSeic, ^boKl^dca)Lt€v
(d: ^Eiu)ca|ui€v) auxdc irepieXeiv Vva bk o\ ivxurxdvovxec ditö xf]c
biaqiöpou irapaO^ceuic (Darstellung) Tteipuivxai xf)c f^ex^pac dm-
voioc, iEeBi}X€Qa xauxac iv xoTc cxoXioic Ebenftdls erwähnt er
öfters, dass der Beweis in andern Handschriften abweichend dar-
gestellt sei; er habe den zweckmässigsten ausgesucht, die übrigen
in die Anmerkungen aufgenommen; so zum Beispiel p. 20: . . xoOxo
xd Getiipiiiia eOpicKCxai Iv xiciv dvxiypdcpoic öXov bid xf\c elc dbu-
vorrov diraruirfic bebeiTM^vov; p. 45: Iv xiciv dvxixpdqpoic xö
0€(6pTma xoOxo km }x6vr\c [xf\c] irapaßoXfic Kai öirepßoXfic Icxr
KdXXiov bk KaGoXiKUixepov Ix^iv xf|V itpöxaciv; cfr. p. 68; p. 62:
fv xiciv dvxiTpdqpoic xoO ekocxoö Gcwpriiüiaxoc 9^p€xai xoiaüxii
diröbcigic; cfr. p. 76, 113, 116, 176, 176; p. 114: eöp^Gn ?v xiciv
dvnTpd90ic xoöxo xd Gciiipima bevKVUjLicvov bid büo irapaXXi^XuiV
KxX/ £7t€X€£d)L(eGa bk xauxnv xf|v KaxacK€uf|v die xd aöxd beiKvGcav
dirXoucx^puic; cfr. p. 161, auch p. 190: buvaxöv ^cxi xoOxo xö Geüu-
pima 5€iiai ö)io(u)c v^ irpö ainov kxX.* dXX' ^Tteibfj irdvxij xauxöv
icTi Tfj^ ItA xfjc lüiiäc uirepßoXfjc npobcbeiTM^vi}!, aöxri f^ diröbci^ic
dTTcX^X^^ ^^d p. 158: Icxi bk Kai dXXr) diröbetStc beziehen sich
wohl auf eine Verschiedenheit der üeberüeferung. Wenn Eutokios
von m, 34 an nicht mehr verschiedene Handschriften erwähnt, aber
öfters andere Beweise mit einem dXXiuc anführt, kann es wohl nicht
*) D. h. ^im Text'; s. zu Archi^. p. 6; p. 93; zu Apollon. p. 76, 1;
153, 18; 166, 32; 168 extr.; 162, 30; 163, 46; 168, 43.
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362 J. L. Heiberg:
zweifelhaft sein, dass dieses fiXXu)C eben dasselbe bedeutet^ was
früher: Iv Ticiv dvTiTpAqpoic 9^p€Tai diröbciEic xoiauTTi hiess, und
dass die so aufgeführten Beweise nicht Eutokios' eigne Erfindung,
sondern abweichende üeberlieferung sind; dasselbe wird wohl von
p. 177 gelten, wo wir dXXuiC zum ersten Male treffen; Ton III, 37
an wird es häufig: p. 193, 194, 196, 196, 229, 230, 239. An
einer einzigen Stelle scheint Eutokios selbst ohne die Stütze der
üeberliefeining den Beweis des Apollonios geändert und simplificirt
zu haben; wenn nämlich p. 59 so gelesen wird: ircXurpöiruic bebeiT-
^€VOu TOÜTOu Toö 9€U)p^|iaT0C dv öia9Öpoic ^Kböceciv f|M€Tc Tf|V
dTrXoucT^pav Kai caqpecr^pav ^TTOirjcaiüiev, scheint die Stelle kaum
anders restituirt werden zu können, als durch die Supplirung eines
vor aTrXoucT^pav ausgefallen dTTÖbeiEiV; denn der Sinn: ^so haben
wir den einfachsten (Beweis) ausgewählt', kann nicht ohne ge-
waltsame Aenderungen (jedenfalls würden die Comparative zu ent-
fernen sein) hineingebracht werden. Ueber die verschiedenen Aus-
gaben, besonders des merkwürdigen und von Apollonios selbst (p. 8)
als sehr interessant bezeichneten dritten Buchs der Conica s. Eutokios
p 168: TÖ TpiTOV TOIV KWVIKÜÜV TTOXXfiC ji€V (ppOVribOC UTlÖ TUJV
TiaXaiujv i^EioOrai, ibc a\ iroXuTpoTTOi auroO ^Kböceic br^Xcöciv,
woraus geschlossen werden kann, dass die einzelnen Bücher be-
sonders ausgegeben waren, was auch Apollonios selbst andeutet p. 8
(s. oben). Bei dieser Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Aus-
gaben darf es nicht befremden, dass die Zahlen der in dem Commen-
tare zu Archimedes citirten Sätze aus Apollonios nicht mit der uns
überlieferten Zählung der Conica selbst übereinstimmen; es erklärt
sich einfach daraus, dass Eutokios damals noch nicht seine eigene
Ausgabe veranstaltet hatte, sondern nach einer der gewöhnlichen
citirt Im Commentar zu trepi ccpaipac Kai KuXivbpou II , 5 wird
nämlich Con. 11, 12 durchweg als H, 8 citirt (p. 164, 39; 166, 6;
170, 18; 174, 35); dagegen p. 167, 12, wie in unsel'en Handschriften
der Conica, 11, 3; auch in dem ersten Buche der Conica waren die
Sätze anders geordnet: p. 166, 42 wird I, 27 citirt für I, 26, ebenso
p. 166, 49 I, 34 für I, 33; dagegen p. 174, 2 und 41 wird I, 20
citirt, wo wir I, 21 erwarten. Man darf sich in den hier angeführten
Stellen nicht dadurch irren lassen, dass Torelli nach seiner Weise
(cfr. Quaest. Archim. p. 154) stillschweigend die üebereinstimmimg
mit unsem Ausgaben der Conica wiederhergestellt hat; die Üeber-
lieferung steht hinlänglich fest durch die Lesart der ed. Basil., durch
die üebersetzung des Jacobus Cremonensis und durch das Schweigen
der nach der Baseler Ausgabe angefertigten Handschriftcollationen der
Torellischen Ausgabe. Bei der Consequenz der Abweichungen ist an
Schreibfehler gar nicht zu denken. Eben so wenig darf es ange-
nommen werden, dass etwa die Zählung der Sätze iu unseren Hand-
schriften der Conica irrig sei. Denn für das erste Buch ist die
Folgereihe der propp. 1 — 10 durch Eutokios' Recapitulatiou p. 30,
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Philologische Stadien zu griechischen Mathematikern. 363
propp. 11 — 14 durch p. 39 (Eutok. ad prop. 14: (pavcpöc bi kiiv
6 CKÖTTOC oivcx^c uiv Toic TTpö oinov Tpidv), propp. 15—16 durch
p. 42 und 43; endlich werden propp. 17 — 56 (ausserdem noch An-
deutungen über prop. 1 — 16) von Eutokios p. 99 — 100 summarisch
referirt, wozu noch hie und da übereinstimmende Citate hinzukonmien
(I, 8 citirt mit dieser Nummerr p. 43; I, 11 —p. 53 [iv Tiu cxoXtip
Tou dvöCKOTOU Getupri^aTOc); I, 15— p. 49; I, 30— p. 77; I, 37 —
p. 77; L 41 — p. 76 (ÖVTOC Xafou toO ^a 0€Ujpl^jLiaTOc); I, 43 —
p. 78 (a\ iTTU)C6ic aÖToO iß' €lci, KaGdirep im Tf\c ÖTT€pßoXf\c Iv
TU» ^T' iX^XÖT], d. ^' p. 75: ix^i imÄceic im }ikv tiic öiTcpßoXfic
?v5€Ka, öcac cTxe kqi tö irpö auroO inx Tf\c irapaßoXfic Ka\ Sk\r\v
fiiav). Fflr das zweite Buch mag p. 172: djCTtep dTpdipa|i€v elc tö
ib' ToO beuT^pou ßißXiou — p. 116 genügen (p. 161: die cTprirai
^v TW Ö€UT^p(}i ßtßXiiu = II, 32 p. 129). Es ist daher kaum etwas
anderes übrig, als diese Abweichungen deijenigen Ausgabe des
ApoUonios zuzuschreiben, die Eutokios früher benutzte^ wodurch
wir in die Veränderungen, die er in seiner eigenen Ausgabe yor-
nahm, jedoch gewiss auf andere Handschriften gestützt, einen Blick
gewinnen.
Ausser den erhaltenen zwei Commentaren hatte Eutokios noch
die cuvToSic des Ptolemaeus erläutert. Dieser Commentar war vor
dem Commentar zu Apollonios abgefasst; denn zu Con. 1,11 p. 32
heisst es: dZr)T/|ca^€V ainö (die Lehre von zusammengesezten Pro-
portionen) Kai fifpamax iv toic dKbebo|i^voic fijiiiv de tö T^Tap-
Tov Geuiprma toO öevr^pou ßißXiou toO 'ApxiMH^ouc trepi cqpaipac
Ktti KuXivbpou Kai 4v toTc cxoXioic toO itpiÄTOu ßißXiou ttJc TlToXe-
Mttiou cuvTd£€iüC' ouK ävicov bk koi dvraöOa toOto Tptt<pnvai biä
TÖ }xi\ Trdvrac touc dvaTivuiCKOVTac K<jiK€ivoic ivTUYX^veiv. Wahr-
scheinlich war er aber später als die Commentare zu Archimedes
verfasst; sonst würde Eutokios zu kükXou ji^Tp. in p. 208, wo er
Ton Theon und Pappos *Ka\ dT^poic nXeiociv ^Etiyoum^voic Tf|V |ui€-
TaXiiv cüvTofiv ToO KXaubiou TTToXeiuaiou ' spricht, gewiss auch
seine eigene Arbeit angeführt haben. Die Auseinandersetzung der
zusammengetzten Proportionien, ein Lieblingsthema des Eutokios, wie
es scheint, hatte er ohne Zweifel zu Ptolem. cuvr. I, 12 gegeben,
wo PtolemäOB sich ihrer bedient; daselbst hat T)ieon in seinem
Commentar p. 61 — 62 einiges über sie mitgetheilt, was aber dem
Eutokios ungenügend schien (p. 32: direi bi ^iraKTiKWTepov jiäXXov
(durch Induction) Kai oO^ KaTa töv dvoTKaiov Tpöitov uttö tujv
uTTO^vimaTiCTUiv ^X^T^TO; cfr. zu irepl C9aipac Kai KuXivbpou.
II, 5 p. 160: ibc &TIV eupeiv dvTurx^vovTac TTdirTTi}) Te Kai 6^ lu vi
Kai 'ApKobiiu dv iToXXoTc cuvrdTMOciv oök diroöciKTiKÄc (so die
besseren Hdschr.), dXX' dnaTiWTTl "^^ Xcf ö^evov irapicrwciv).
Eutokios erweist sich durchgehende als ein sehr fleissiger Samm-
ler von weit ausgedehnter Belesenheit; es soll hier ein Yerzeichniss
der von ihm angeführten Schiiften gegeben werden, woraus wir zu-
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364 J. L. Heiberg:
gleich einige Aufklftrung darüber erhalten werden, welche mathe-
matischen Schriften den Griechen des sechsten Jahrhunderts nodi
zugänglich waren.
Den ersten Platz nimmt natürlich Euklid ein; die Elemente
werden öfters mit Angabe des Buches und Satzes citirt, welche An-
gaben in der Regel mit unseren Handschriften der Elemente über-
einkommen, wie z. B. Eukl. Elem. ü, 1 zu ircpi cq[>aipac Kat kuXiv-
bpou I, 17 p. 94 und zu II, 10 p. 199; Eukl. V, 25 zu ApoUon.
II, 48 p. 139; Eukl. VI, 3 zu icükXou M^Tp. III p. 209; Eukl. VI, 23
zu Apollon. I, 11 p. 32; endlich: iv rfji äpx^ toO bcKdrou Ti]C
CTOiX€tu)C€WC eÖKXeibou (= X, 1) zu ittm. Icopp. I, 7 p. 7; cfr. zo
II, 4 p. 41: £v Ti]^ bcKÖiTip Tf)C CTOiX€iaiC€UJC (■» X, l); so findet
sich auch: dv Tip irpiÖTip Kai bexATip ttjc GÖKXelbou ctoix€iu)C€ijc
(= XI, 18) zu Apollon. I, 5 p. 23; ungenauer blos: iv tQ CTOixeiiii-
C€i zu TT€pt cqmpac Kai KuXivbpou I, 11 p. 82 (»* Eukl. XII, 2
p. 200 August) und zu I, 14 p. 90 (— Eukl. XU, l); zu Apollon.
p. 12, 48 (= Eukl. m, 8); dv TOic CTOixeioic zu Apollon. I, 27
p. 63 (= Eukl. VI, 26); zu I, 32 p. 59 (-« EuU. HI, 16). Ausser-
dem wird Euklid an unzähligen Stellen stillschweigend benutzt. Be-
sonders zu bemerken sind zwei Stellen, wo Euklidische Sfttse wört-
lich angeführt werden, nfimlich zu ircpl cq[>aipac Kai KuXivbpou n, 5
p. 160: ibc Yop iv Tfl CTOixeiiücei (Xötoc ^k Xötiwv cuipceicOoi Xc-
T€Tai), ÖTav al tiIiv X6tu>v miXiKÖTriTec 4<p* laurac iroXXairXocio-
c6€icai iTOiuJCiv Tiva (rivi unrichtig TorelH, Tiva ed. Basil. p. 28,
die Codices und Jacobus Cremonensis p. 30: ^quandam quantitatem'),
genau wie EukL VI def. 5; dagegen wird zu Apollon. Con. II, 48,
Eukl. V, 25 etwas abweichend angeftlhrt p. 139: läv rdccopa M^T^^
dvdXoTOV fi, TÖ Ttporrov Kai tö T^TapTOV (tö jh^tictov koI t6 dXd-
XiCTOV Eukl.) biJO TUiv Xomuiv (tujv büo Xoiirüjv einige codd. und
edd. des Eukl.) lieilovoi Icrax (dcTiv Eukl.). Eine Abweichung in
der Zfthlung der Sätze kommt nur zweimal vor; zu irepl cqxxipac
Kai KuX. III, 10 p. 199 wird Eukl. U, 3 als TÖ b€UT€pov dt\bprpa
ToO beuT^pou ßißXiou Tf)c ctoix€Iiuc€u>c (Torelli hat den Hand-
sohriften, ed. Basil. und der alten üebersetzung zuwider rpiTOV cor-
rigirt) angeführt, und zu Apollon. I, 17 p. 44 steht EukL m, 15
für m, 16.
Ausser den Elementen finden die Data Euklids vielfEusbe Be-
rücksichtigung; so beziehen sich die Worte: i&v bebo^i^vov ^iy^doc
TTpöc Ti ^opiov ^auToö Xdxov ixv beboji^vov, Kai npdc tö Xotiröv
XÖTOV £E€i bebojLi^vov, bei Eutokios zu irept cqiaipoc xal kuX. II, 8
p. 184 auf Eukl. Dat. prop. 5: dov ^^T^Ooc irpöc iaoüToQ ti |Li€poc
XÖTOV ixQ b€bo|idvov, Kai npdc tö Xoiirdv Xöyov äiex b€bofi€vov;
zu demselben Werke II, 4 p. 156 wird Dat. 7 angeftkhrt; zu II, 5
p. 160, 35 und U, 8 p. 184 Dat. 8; zu U, 6 p. 180, 22 Dat. 30;
ebend. lin. 19 Dat 40; ebend. p. 179—180 Dat. 57. Mit Namen
werden die Euklidischen Data citirt zu irept opoipac Ka\ kuX. II, 6
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Philologische Stadien zu griechischen Mathematikern. 365
p. 180, 13 ff.: tva bk KoA toGto dKoXouOuic t^ ctoix€1((>c€i tuiv
Aebofi^vuiv boicQ cuvdT€c6ai, Xexd^erai; darauf wird die ävri-
CTpo(pifj von Dat 88 benutzt Dagegen waren die 2 Bücher Euklids
über die TÖiTOt npdc imq)av€{(m die Pappos noch hatte (VII, 3 p. 636
Holtsch; Hilfsfttze zu ihnen VII, 312 ff. p. 1004ff.), schon damals yer-
loren; s. Eutokios zu ApoUon. p. 12: ibc €otK€V, £v Iripui ßißXi({i irepl
TÖ1TUIV ^efpaiiiiiyw tijj EÖKXeibi] ^mau&irrei (d. h. er spottet über
das, was Euklid in einem andern Buche irept TÖiruiv geschrieben),
incp de fljüiäc ou (päpexai. Diese Stelle des Eutokios bietet
übrigens grosse Schwierigkeiten. Apollonios sagt nämlich p. 8:
TÖ b^ TpiTOV (das dritte Buch der Conica) noAXä xal napäboia
9€Ujp<^jui«Ta XPn<^iM<x ^p6c t€ tAc cuvO^ceic töv crepcüiv töttujv
KaiTouc biopicjüiouc, dbv rä irXeicra xaXä xal liva Karavcf^avTec^
cuv£i&o|üi€V (if| cuvTie^|üi€VOV tiiTÖ GöicXcibou TÖv ixA TpeTc Kai
Tkcapac fpaixiiäc töitov, dXXä jüiopiov tö tuxöv oötoO, koI toOto
OUX 6ÖTUXWC* OÖ T^ bUVQTÖV äv€U TUPV 1TpOC€Upim^VUIV f^tV T€-
X€iw6f)vai Tf|V cuvOcciv. Hierüber sagt Eutokios p. 12: M^Mcperai
bi Öfjc ri^ €öicX€{bi], oux, liic oTeTai ndrntoc Ka\ £t€po{ nvec, bid
t6 ^f| cöpHK^vai buo fui^cac &vdXoTov' 6 t€ yctp CöicXeibiic ört^i^c
cupibv*) tf|V lüiiav ^^ciiv dväXoTOV, dXX* oöx, Jbc ainöc «pnav, otihc
cuTuxöc (BuM. Eiern. VI, 13), ircpi t«Sv büo \iicwfv oflb* öXiuc im-
X€ip€iTai ZYirficai dv tQ ctoix€u(»C6i, aördc 8 T€ 'AiToXXanaoc oubfev
TTCpl Tuiv buo ^^cuiv dvdXoTOV 9a{v€Tai ZT|Tf|cai iv v3^ rpiti})
ßtßXiif}' dXX' die foiK€V ktX. (s. oben). Der Sinn kann kein anderer
sein füs dieser: Pappos habe irgendwo gesagt, dass Apollonios den
Euklid darum getadelt, weil er in seinen Elementen nur die eine
mittlere Proportionallinie, nicht aber die doppelte gefunden habe.
DuB dies gar nicht der Sinn der angeführten Worte des Apollonios
ist, geht hinlänglich aus der Widerlegung des Eutokios hervor, der
sehr richtig die wahre Meinung des Apollonios angiebt; aber auch
Pappos Vn, 33 ff. p. 676 ff., wo er die Stelle aus Apollonios tadelnd
anführt, weiss sehr wohl, dass Apollonios von einer Arbeit Euklids
über die Kegelschnitte redet, nicht von den Elementen; er sagt
nämlich: 8v bi qtr\ciy 4v Tiji rplrip töitov dm y' Kai b' TpoWidc
;rf| TeT€X€tuJ€6ai öirö EÖKXeibou, oub* öv aöröc t^feuWieiri oöb'
äXXoc oöbclc dXX* oubfe^) iniKpöv ti TrpocBcivai toTc und eöxXcibou
Tpaipctav, bid t€ ^övujv tiöv Ttpobebciy^^vuiv fjbT] xuivt-
Kuiv dxpi '^^ koet' GtincXeibiiv; Euklid habe, heisst es in den folgen-
den Worten, die zu verdächtigen ich auch keinen genttgenden Orund
finde, nur ^e Conica des Aristaios benutzen wollen. Es ist nicht zu
bezweifeln, dass Pi^pos an Euklids Bücher ttber TÖirot irp6c im-
*) So richtig Pappos VII 88 p. 676; im Apollonios steht: E^va, &
Kai KOTcrvoyicavrec, durch Dittographie von — a Kar—. — *) Im ApoUo-
nios steht eüpc, das die Construotion stört. — ^) Ich halte diese Worte
gegen Hultsch fdr echt: Venn auch nur'.
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366 J. L. Heiberg!
q>av€(<ji dachte; wenigstens spricht er nirgends von dem, was Eutoldos
ihm zuschreibt. Das Bftthsel scheint nur dadurch zu lösen, dass wir
annehmen, dass Pappos anderswo (vielleicht in dem Commentar zu
den Elementen, worüber s. unten), bevor er noch Euklids Bücher
iTCpl TÖTTUiv kannte, den Sinn der apoUonischen Stelle missverstanden
und falsch erklärt hatte auf die von Eutokios angegebene Weise.
Sonderbar bleibt es aber dennoch, dass Eutokios die Stelle aus den
cuvaTUJTCtic nicht berücksichtigt.
Ich fahre nach dieser Digression in der Au&fthlung der von
Eutokios erwähnten Werke fort
Von frühem Geometern hatte er den Eudoxos noch gelesen,
dessen Lösung des Problems von der doppelten mittleren Proportional-
linie er zu TTcpt cqpaipac xat kuX. ü, 2 p. 135 etwas höhnisch ver-
wirft (gewiss mit Unrecht, s. Bretschneider: Die Geometrie u. d.
Geometer vor Euklid p. 166 f.): ttoWoiv hi xXeivöv dvöpuiv Tpa-
q>aic dvTCTuxnKa^ev (so die codd.) tö irpößXima toOto iiraTTtXXo-
M^vaic, div -rfjv eöböEou toO Kviöiou (Kvibeiou Torelli) irapijTncä-
^€6a Tpa<Pnv (so cod. Flor. u. a.), ^Treibi^ fpr]Ci juifev dv [toTc] TTpooijiioic
bid KttinTTuXuiv YpainiLiiüV aörfiv T]vpn«<^vai, ^v bi Tr| dmobeÜex rrpöc
(so cod. Flor.) tuj (tö vulg.) jutf) K€XPncOai Ka^iniXaic TP^MMaic*),
dXXd Ktti^ biqpnii^VTiv dvaXotiav eöpdiv d)c cuvexeT XP^^ai (mit
cod. Flor.)* önep f\y ätottov ÜTrovoiicai, ti \if\u Tiepl GöböHou,
dXXd Ttepi Toiv xal )i€Tpiuic irepl T^uj^erplav dvecrpa^^^vujv. Die
letzten Worte sind vielleicht, trotz der wunderlichen Construction,
dennoch richtig und so zu übersetzen: was ein ungereimter Einfsdl
war, nicht nur von Eudoxos (von dem Eudoxos will ich gar nicht
reden), sondern selbst von den auch nur wenig der Geometrie Kun>
digen (quod ineptum erat non modo Eudoxo in meutern venisse, sed
iis, qui parum in geometria versati sunt). Wenn Eutokios p. 135
darauf hinzufügt: Kva bi\ f| Tiöv elc fmäc dXnXuGÖTWV dvöpujv
fvvoia ^jLiq)aW|C T^vtirai, 6 dKdcTOu ttic cöp^cewc rpöiroc Kai iv-
xaOGa Tpaq>ific€Tai, und weiter unten p. 143 nur bei der Lösung
des Archytas ausdrücklich angiebt: f| 'ApxuTOU eSpecic, die Göbii-
)iOC IcTopei, möchte man schllessen, er habe die übrigen Lösungen
aus den eigenen Schriften der Erfinder geschöpft, während nur die
Schrift des Archytas verloren gegangen war. Das ist aber wenig-
stens bei Piaton, dessen Methode er p. 135 mittheilt, unmöglich,
weü Piaton gewiss keine eigenen Schriften über Mathematik hinter-
liess. Dadurch wird es auch in der Folge zweifelhaft, in wie fem
er wirklich die Arbeit des Menaichmos, des Freundes Piatons
und Begründers der Lehre von den Kegelschnitten, vor sich hatte.
^) Man vgl. doch Eratostheues bei Eutokios selbst p. 144: €öboSoc
bi biä Tiöv KoXoufi^vuiv KajjiiruXiuv tpctM^^» iMid p. 146; iir\h* €t ti
6€ou6^oc €06ö£oio KÖfiTruXov tv, "xpapipia^c ctboc dvatpdipeTat. — *) AU ob
vorher geschrieben wäre: oO juiövov oi) k^xP^I'^^^^*
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Philologische Stadien zu griechischen Mathematikern. 367
oder ob er yielleicht seine beiden Lösungen^) (p. 141 — 143), wie
die des Piaton, anderswoher (jedoch wohl nicht aus Eudengios)
kannte. Von den übrigen Mathematikern^ die er in dieser Sache an-
führt, darf es wohl behauptet werden, dass er ihre Schriften noch
hatte. So Dioldes nepi irupiujv p. 138 (nochmals citirt p. 171 — 176;
cfr. p. 163) und Nikomedes nepi KOTXO€ibwv TPOiMM*JLiv p. 146—149
(cfr. Pappos m, 24 p. 58—72; IV, 42 sq. p. 246—260). Weiter
kennt er die Lösungen von Sporos p. 141 (über ihn cfr. Pappos IV, 46
p. 252 sq. Schol. ad Arat. p. 99, 24; 152, 10 ed. Bekker; es ist
kein genügender Grund da, ihn mit Porös ö NiKaieuc zu identificiren,
dessen Kfipia Eutokios p. 216 erwähnt) xmd von Eratostheues
p. 144 — 146, dessen Brief an König Ptolemaios über seine Lösung
er ganz mittheilt; eben diesen Brief scheint Pappos m, 21 p. 54: iv
m '€paTOc0^vouc ^ecoXdß^l zu meinen; denn wenn auch die von
ihm in, 23 p. 56 — 58 aus diesem Buche mitgetheilte Lösung des
Eratosthenes beträchtlich von der des Eutokios abweicht, sind die
Abweichungen, die den Gang des Beweises und der Construction
nicht berühren, doch der Art, dass sie sehr wohl von Pappos selbst
herrühren können. Wo ApoUonios die p. 137 — 138 aufgeführte
Lösung mitgetheilt hatte, wissen wir nicht; aus Pappos in, 21 p. 56:
Tf|v KaTacK€uf|V aÖToO (des delischen Problems) jnövov 6pTaviKdic
TTCTToiiivTai cu|ii9a»vu)c 'AiroXXuivliji tcö TTepTaiifi, 6c xai Tf|v dvd-
Xuciv auToG iT€7roiT|Tai bid twv tou kiIivou toihüjv geht hervor, dass
er das Problem irgendwo analytisch durch Hülfe der Kegelschnitte
behandelt hatte; dazu hatte er wohl die mehr praktische Lösung,
die sich bei Eutokios findet, gefügt; aber eine Anspielung auf diese
praktische Lösimg, die man bei Pappos hat finden wollen, liegt
nicht notbwendig in seinen Worten; die bezüglichen Worte: öc Kai
Tf)V dvdXuciv bedeuten kaum mehr als: der (auch) wirklich u. s. w.
Die Lösung des Philon aus Byzanz p, 136—137 befand sich im
ersten Buche seiner ßeXoTrouKd, wovon wir Buch IV und V besitzen
(Mathematici vett. p. 49 — 104); in der Vorrede zu IV p. 51 sq.
sagt er: ictx bfe xdc Xomdc cuvlcracGai biaju^xpouc dp-
TaVlKÄC KQTd TÖV TOO KUßOU blTlXaClOCHÖV, d)C iv TljJ npiüTUI
ßißXiip &€bTiXiuKa|Li€V Kai vOv bk ouk dKvrjcoiuiev ÜTiOTpdijiai, und
giebt darauf einen gedrängten Auszug seiner von Eutokios be-
schriebenen Methode. Herons Lösung p. 136 fand £)utokios sowohl
in seinen ^nX^viKOi elcaTWTCii (gewöhnlich jiniXttViKd genannt, siehe
H. Martin: Eecherches sur H6ron p. 29—31) als in den ßeXoTioiiKd
(oder KaTa-rreXTiKd, s. Martin p. 36 — 37); wirklich finden wir in
der heronischen Schrift ßeXoTTOUKd in den Mathemat vett. p. 143 —
144 die Originalstelle, die Eutokios fast wörtlich, nur mit mehreren
erklärenden Erweiterungen des Beweises und mit Vertauschung
") Jedenfalls sind sie nicht mit den eigenen Worten des Ver&ssers
angef&hrt; denn die Namen CitTcpßoX/) (p. 142, 3; 17) und TrapaßoX/|
(p. Utull; 142, 19; 42; 48; 143 mehrmalB) kannte MenaichmoB noch nicht.
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368 J. L. Heiberg:
zweier Buchstaben iu der Figur wiedergegeben hat Pappos dagegen,
der III, 25 — 26 p. 62 ff. ebenfiedls den beronisclien Beweis in wesent-
lich gleicher Fassung giebt, hat aus den |u»ixotviKd geschöpft (siehe
m, 21 p. 56); davon rührt die üebereinstiimmung in Einzelheiten
zwischen ihm und Eutokios her. Endlich führt Eutokios noch
p. 139 — 140 die Methode des Pappos an ^iv iit]xay\KaiQ €tcaTUiT<3(tc';
in den cuvatuitctl des Pappos findet sich die Lösung zweimal: 111, 27
p. 64 ff. und YIU, 26 p. 1070 ff.; die erstere Stelle weicht weit
mehr von Eutokios ab, als die letztere, die nur ganz unbedeutende
Verschiedenheiten darbietet, so dass Eutokios sie sehr wohl als xard
X^£tv (p. 139, 38) abgeschrieben bezeichnen darf; unter dem Namen
jiilXCXViKal elcatUJTai ist daher das achte Buch der cuvat(MT<iti
welches die Mechanik behandelt, zu verstehen (cfr. Beimer: Gubi
dupL p. 193). Von Pappos besass Eutokios noch ausserdem die
beiden Commentare, zu Euklids Elementen p. 90, 6: €Tpr]Tai b^ xai
TTdirrr^i elc (?) tö uTTÖ^vriiiia t(Dv CTOixciu^v, hin und wieder von
Proklos benutzt (Comment zu Eukl. p. 189, 197, 249 ff., 429), und
zu der cuVToEic des Ptolemaios, s. zu Archimed. p. 160 n. p. 208;
cfr. Suidas s. v. TTöiiTTroc: de t& b' ßißXia Tf^c TTToX€^a(ou liCTÖtXnc
cuvrdSeuJC önÖMVima. Von Herons Schriften dtirt er noch die |yi€'
TpiKd, Comm. zu Arohim. p. 208, und kennt auch die von seinem
Lehrer Isidoros commentirten KafnopiKd p. 143. Ausser den KUivtKd
des ApoUonios hatte er von ihm noch : 6 dvaXudfüievoc TÖtroq woraus
er ein Fragment mittheilt zu Apollon. p. 11 — 12; es ist ohne Zweifel
mit den 2 Büchern TÖiruiv ^mir^buiv identisch, worüber Pi4>po6 VH,
21-- 26; denn Eutokios führt die SteUe an als Beispiel eines TÖiTOC
^iriireboc; auch kann diese Schrift mit keiner 'anderen der von
PappoB Vn, 3 aufgeführten apollonischen Schriften indentificiH wer-
den, und es würde sehr auffaUend sein, wenn sie an dieser Stelle,
wo Pappos eben vom töttoc dvoXuö^cvoc (Vn, 1) handelt, von ihm
übergangen wäre. Im Comment. zu kukXou )i^Tpi]Cic p. 216 nennt er
die bekannte Schrift des ApoUonios: djKurÖKiov, wo dieser ir mit
grösserer Genauigkeit als Archimedes berechnet hatte; der Name ist
schon von anderen wieder hergestellt (s.Hultsch: Pappo8lUp.l212);
Torelli hat aus ed. Basil. ty if^ uiKUToßöqi aufgenommen; im Codex
Venetus und den von ihm abhängigen Pariser Handschriften AD
steht d)KUTOß(ip, und dasselbe soll nach Bandini bei Torelli p. 405
auch Codex Fbrentinus, die einzige selbständige Quelle für den
Archimedischen Text, haben; das ist mir aber durchaus unglaublich;
Codex Florent. hat ohne Zweifel wie seine Abschriften, Paris. BC,
diKUTOKiqi, worauf auch die Lesart der alten üebersetsung p. 67:
*Mocyntocio' führt.*)
*) Bandini hat ohne Zweifel die in einigen Handschriften sehr ähn-
lichen Buchstaben ß und k verwechselt, wie dies bei altem Herausgebern
nicht selten ist (s. Bast : Epist crit. p. 92). üebrigens ist die Verbesse-
rung schon von Halley in der Vorrede zu ApoUonios vorgeschlagen worden.
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Philologiflche Stadien za grieefaiachen Mathematikern. 369
unter den übrigen von Eutokios angeftlhrten Schrifbstellem sind
uns gftnzlich anbekannt: Arkadios (zu Arcbimed. p. 160, über, zu-
sammengesetzte Proportionen), Magnes (XoTicriKd, ibid. p. 216) und
Heronas (und^vrma eic Tf|V äpiO^T]TiKf|V eicaTUJTilv des Nikomacbos,
ilnd. p. 160), den Martin (Beeh. s. H^ron p. 240 ff.) willkttrlich mit
Heron aus Eonstantinopel, dem Lehrer des Proklos, identificirt.
Nicht Yiel mehr wissen wir von Dionysodorns (p. 163, 169, cfr. Bret-
Schneider: Oeom. vor Enkl. p. 181, Not 2) und dem VerfAsser einer
Lebensbeschreibung des Archimedes, Herakleides (zu Arcbimed.
p. 204; zu AppoUon. p. 8; cfr. meine Quaest Arcbimed. p. 4 — 6).
Nach Comm. zu Arcbim. p. 160 besass Eutokios noch die ftlr uns
rerloren gegangene Schrift des Nikomachos 7T€pl ^ouciicf^c, von
Boethius benutzt. Ausser der cuvToEic des Ptolemaios (zu Archim.
p. 216) hatte er dessen Buch TTcpl ßoiTWV (zu Arcbimed. p. 2),
auch von Simplikios zu Aristoteles Trepi oupdvou p. 517 ed. Berol.
dtirt; cfr. p. 348. Dass er Theons Commentar zu der cuvToEic
mehr&ch erwähnt (zu Archim. p. 160 «s Theon p. 61 ff., zu Archim.
p. 208 as Theon p. 44 ff.), haben wir schon oben gesehen.
Im Comm. zu Archim. imrc. Icopp. 17: xal dqnjpi^cOui dird
ToO AB £Xaccov töc öirepoxfic, ^ fiiciCöv icjx tö AB toö T [f{]
&CT€ IcoppoircTv, uicT€ TÖ Xcindv tö A cO)ii|ii€Tpov ctuev j^ f
bemerkt Eutokios p. 7: bei, (piiciv, dqpcXciv dirö ToO AB ji^Y^eöc
Ti Td B, 8 iroici Xoiiröv tö A ti?» F cümucTpov Ka\ ^icKov tö A
TOÖ r t^ KOTd Tf|v koppoiT(av. toOto bi buvardv iroicTv bid tOjv
iv tQ dpx^ ToO bcxdrrou Tfjc croixetiiiccuic CÖKXelbou (X 1)
€ipTi>i^vuiv Ka\ dv jCj» TpiTip Tuiv Gcobocicu ccpaipiKuiv;
dieses bezieht sich auf Theodos. cqnxip. m 9 p. 73 Nizze: xai
Tpiüjv oöcujv irepicpcpeiurv 6poT€vd»v dvicuiv . . elXt^cpGuj Tic ircpi-
q>^p€ia f\ 8P, ^6i2;uJV pfev oöca Tflc 611, dXdccuiv bi Tflc GK,
cujujJieTpoc bfe t(| H6 (cfr. III 10 p. 76), aber der Ausdruck des
£utokios ist etwas ungenau; denn Theodosios giebt weiter nicht an,
wie sich dieses thun lasse; der von ihm angewandte Satz ist von
den Herausgebern hinzugefügt und durch Eukl. X 1 bewiesen worden
(Kizze p. 151; Hunt H p. 81). Dass Eutokios den Eudemos be-
nutzte (p. 143: ibc €ubrmoc lcTOp€i), haben wir schon oben gesehen;
auch zu Archim. p. 204 citirt er dessen T€Ui)ieTpticf| icTopia: ßoOXe-
Tai ydp b€iiax, Tivi x^p^^^ €66utpd|iimp fcoc öv dr\ kukXoc,
TTpoTiüia irdXai npdc tu>v npö auToO kXciviüv <piXocöq>uiv itryn]'
M^vov. bf)Xov f&Pj ÖTi tout' dv eTri tö £riTOU|iievov, öirep Iittto-
Kpdn)c Tc 6 Xioc xai 'AvTiqMÖv lr\vi\ca}nec iiripcXtüc ^k€(vouc
f)fiiv Touc TrapaXoTiC)iouc eupifJKaciv, oOc dKpißuic eib^vai voiniZiu
TOüC T€ T#|V eöbilMOU T€UJ|l€Tpilrf|V ICTOplaV d7reCK€|LA|lX^V0UC Kttl
Tujv *ApiCTOT€XiKÜüv jutCTacxövTac Kiipiiüv. Gemeint ist offenbar
die von Simplikios aufbewahrte Stelle aus Eudemos (Spengel: Eudem.
p. 120 ff.; Bretschneider p. 100 ff); unter die Kif)pia des Aristoteles
sind TTcpl co<piCT. dXexX* H zu verstehen.
Jahrb. 1 cUm. Philo!. SappL Bd. XI. ^?4 . C^OOqIc
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370 J. L. Heiberg:
Auch den andern mathematischen Geschichtsforscher der
Griechen, den Geminos, nennt er mehrfoch (zu Archim. p. 2; zu
Apollon. p. 9). Schliesslich mag noch erwähnt werden, dass er zu
Archim. p. 2 Aristoteles (de caelo IV 1, 2 nach Schneider: Eclog.
phys. n p. 150) und Piatons Timaios (aber wo?) citirt. Was aber
unter TÖ CuJKpaTiKÖv* ToC OcoO cuXXajißdvovTOC irdvu cIköc m
im rikovc (tAoc?) fmfic iflc ciroubfic dXGeiv zu verstehen ist,
ist mir unbekannt (zu Archim. p. 65). — Schon durch diese Ueber-
sieht ist Eutokios als der fleissige, yielbelesene Mann bezeichnet, dem
die ganze damalige mathematische Litteratur zu Gebote steht. Nicht
nur für seine Ausgabe des ApoUonios, wie auch bei Archimedes
(s. p. 163, 26: iv oö5€vl bk TUiv dvTiTpä(pu)v), sondern auch bei den
übrigen von ihm benutzten Schriftstellern ist er bemüht, verschiedene
Handschriften zu vergleichen und zu verbessern (so bei der Stelle
aus DionTSodorus im Gomm. zu Archim. p. 169: dJi^OT]M€V bciv xal
auTÖv TouTOic ^mcuvd^iai &iop6u)cd^€voi xara 5uva^lv. Kai t^P
auTÖc Ik iroXXfjc diicXcTiiciac tujv dvOpuiirwv Td iroXXd tüuy
dTTobeiEcuiv t^ riXifjOci tujv TTraiCjndTUiv i^cpövicji^va (so cod. Flor.)
fxwv iy Tidciv, olc fiiicic ivTeTÜxajüiev^®), dvriTpdcpoic iq>^p€To),
und er scheute keine Mühe, um verlorene Schriften au&uspüren, wie
er zum Beispiel ein vermeintliches Fragment Archimedes* nach vielem
Suchen in einer sehr verdorbenen Abschrift fluid (zu Archim. p. 163:
fv Tivi füi^VTOi iraXaiiJ» ßißXiip (oöbfe xdp ttJc elc iroXXd Ztitttccuic
dTT^CTTmev) dvT€TÖxaji€V eeuipi^juiaci T^TPaMM^voic oök öXIttiv Tf|v
Ik tujv ^^TalC^dTUlv fxouciv dcdq)€iav irepi T€ Tdc KcrraTPCtqpdc
TToXuTpÖTTUJC f||iiapTT||ii^voic). Nur bei Eudoxos scheint er sich dieser
Mühe überhoben zu haben; denn es ist sehr wahrscheinlich, dass
die von Eutokios dem Eudoxos vorgeworfenen Fehler nur Y erderbniss
der von ihm benutzten Handschrift sind (Bretschneider a. 0.).
Selbstst&ndiges von Bedeutung ist von Eutokios nicht zu er-
warten; auf seine Vervollständigung der Theorie der zusammen-
gesetzten Proportionen scheint er selbst grosses Gewicht gelegt zu
haben (s. oben). Zu Apollon p. 23 — 24 hat er einen neuen Satz
über den Diameter der uTrevavTia, wie es scheint, selbst erfunden.
Sonst ist er nur darum bemüht, die Sprünge in der Beweisführung
seines Autors möglichst genau auszufüllen; die Sfttze und Beweise,
welche er in dieser Absicht aufstellt, rühren wohl sSmmtlich von
ihm selbst her, betreffen aber der Natur der Sache nach nur unter-
geordnete Puncto. Sie sind mit den Lemmata, welchen Namen Ento-
kios ihnen auch beilegt (s. Quaest. Arch. p. 71), des Pappos zu
ApoUonios u. a. vergleichbar, mit denen sie auch sachlich hin und
wieder übereinstimmen (so z. B. die Note zu ApoUon. p. 62, 8, wieder-
^°) Diese Form, die bei altem Verfassern zweifelhaft ist (Lobeck ad
Phryn. p. 896), darf bei einem Spätling wie Eutokios nicht verworfen
werden; sie findet sich auch bei ApoUonios p. 218, 8; 6.
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Philologische Stadien zu griechischen Mathematikern. 371
holt zu Archinu p. 190, 16 ff. «« Pappos YII 59 p. 696; vgl zu
Archim. p. 189, 36 ff. mit Pappos YII 58 p. 696; zu ApoUon. II
p. 124 = Pappos YII 250 p. 936). Die Bemerkungen und Er-
gfinzungen des Eutokios sind meistens sowohl nützlich als zutreffend;
nur selten wird Oeringitlgiges (wie zu Archim. p. 129) oder gar Un-
richtiges (wie zu Archim. p. 80; p. 127; zu ApoUon. p. 46) ge-
fanden. Yon ^iriTTeb. Icopp. des Archimedes 11 9 giebt er eine ganze
Paraphrase (p. 50: TÖ ^waTOV O€0üpT]|iia irdvu öv dcaqpk ^KOfico-
MeOa Tiapaq>pd£ovT€C ca<piüc Korä tö öuvaröv). Im Comment. zu
ApoUonios giebt er besonders genau die verschiedenen Fälle (TTTibceic)
der i^ollonischen Sstze an (s. p. 18: trept Twv biacpöpuiv Karatpa-
cpuiv i{Toi irruiceuiv tuiv OeuipimAruiv tocoOtov Ict^ov, 6ti tttäcic
M^v icriv, 6t€ Td iv t^ TrpoTdcei beboji^va t^ O^cei § boe^vra.
f) top bidqpopoc aÖTUiV peTdXiiipic, toO atJToO cu)i1T€päc^aToc^^)
ÖVToc, iioiei Tf|v irruiciv. ö^oiuic bk xal dirö xflc KoracKcuflc jie-
TaTiOe^i^VTic TivcTtti tttuicic TToXXdc bk irrijüceic dx<ivTuiv tuiv
Oeuipiipdruiv, irdcaic f| aCrrfi dnöbciEic dpiiöCci xai iiiX tuiv adT(£iv
CToixeiwv^) 7rXf|v ßpax^uiv, «bc Üx\c elcöjueea; vgl. p. 19,47, 72,
73, 75, 76, 78, 79, 80, 82, 86 u. s. w.); übrigens ist dieser Gom-
mentar an historischen Notizen im Yergleich mit dem Commentar
zu Archimedes arm. Der Umfang der Commentare zu den einzelnen
Büchern ist sehr verschieden; besonders kurz sind die Commentare
zu Archimedes' iiim^b. icopp. I (von dem doch Eutokios selbst p.
36 das Wort dxpißwc braucht) und zu ApoUonios 11 und lY (von
diesem bemerkt er es selbst p. 218).
Hieran sollen einige Emendationen und anderweitige Be-
merkungen angeknüpft werden. Für den Commentar zu ApoUonios
entbehren wir jede Grundlage der Eüritik; wie Hallej seine Hand-
schrift benutzt habe, wissen wir gar nicht; man wird aber ängstlich,
wenn man p. 241 Uest: ^hano propositionem foede depravatam inte-
gritati suae restituimus'. Gewiss ist er auch nach der Weise der
älteren, besonders nicht -phüologischen Herausgeber, nicht allzu-
gewisseoihaft mit der üeberlieferung umgegangen. Wenn einmal die
ApoUonios-Handschriften genauer untersucht werden, wird sich ohne
Zweifel manches anders gestalten und manche nur oberflächlich ge-
heilte Fehler an den Tag kommen. Aber auch so ist hier und da
einiges mit genügender Sicherheit zu verbessern.
P. 9, 3 ist TToXaiuiT^pac ttic ctoix€iiüC€UJC zu schreiben, und
Lin. 33 in xal TÖTe bid tt]C AZ diiinebov das T€ zu streichen als
Dittographie von TÖ.
P. 10, 46: ö biopicjidc ÖTi biTiXoöc dcTi iravTi nou bf^Xov, 6
ph fi€Td Ti|v JkOcciv ^cpiCTdvTwv, Ti dcTi TÖ Ctitoujuicvov] man muss
") Cfr. KU ApoUon. p. 204. — ^*) Buchstaben auf der Figur, wie zu
ApoUon. p. 162.
24*
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372 J. L. Heiberg:
^q[>iCTdvuiv lesen (^überlegend, unterBnchend'; dr. p. 20, 13; 162,
36); denn es folgt: ö bi — oü cuTXU'puiVy Xiv^ bi ktX. üeber die
zwiefache Bedeatnng des blOplC^öc TgL Proklos zu EokL p. 202:
Kai toOto ^äXicra iv toic btoptqioTc ÜeväLovca tö bia toOto
ZTlT(ni^€vov i^ buvotTÖv, KQi \iixpi Ttvoc £tXu>P€i Kai TTOcaxuic (cfr.
Pappos Vn 2 p. 636: biopiCMÖc bi icTiv irpobiacToXJ| toO iroT6
Kai mk. Kai irocoxwc btivcrrdv £cTai koI t6 irpößXii^a) ond p. 203:
ö bi btoplC^öc X^^c '^^ ZfiTOUfiievov, 5, n (Friedlein hat nnrichtig
ön) iTOT^ den, biacaq>€t (ygL p. 208: Tpöirov tiv& npoccxciac odfTioc
6 blOptCpöC . 1TpOC€X€CT€pOUC J^P ^M^c ItOtCt TTpÖC Tr|V dlfÖb€l£lV
dvaqMUVuiv t6 Irjfvov^eyoy). Lin. 68 steht für jcuip^patc frisch
T€ui^dTpoic.
F. 10, 69: olov iv imräfei, Tf|C eöSeiac bo6€iciic ircirepa-
cpdvnc €up€tv ktX.] ist zu schreiben: olov fjv (im) £inTd£T| Tic,
eöOeiac ktX- Vgl p. 11, 3—4, wo zu lesen: idv nc ^TnrdSi) (ffir
dniTÖici).
P. 11, 8: ddtv Top Tf|v boOcicav €Ö6€iav bixa repdiv koI &7To
Ti]c bixoTOMiac TTpic 6p6&c dTÄT^Ic» olov dir* a\nt\c Xäßqc ciimciov,
Troirjcei tö dtrrraxOdv] das koI ist zu streichen oder t^mqc zu lesen;
weiter mnss oTov dv geles^i werden. Ueber die Weglassnng des
Wortes €Ö6€iav Tgl. p. 46, 34 (wo zn lesen äir* airvirv fttr dir'
aÖTUiv); zu Archim. irepi cqnxtp. xal kuX. I 31 p. 109, 36; so auch
bei Archimedes selbst T€TpaT. itapaß. 14 p. 25, 16; 15 p. 27, 9;
ircpl C9. Kai kuX. I 34 p. 110, 41; 48 p. 126, 28; irepl KU)V0€ib.4
p. 265, 40 und 43; 9 p. 271, 10; 28 p. 297, 15. AixoTOfyiia ist
wie Lin. 7: Mittelpunkt; cfr. p. 75, 46; 93, 2; 3; zu Archim. p. 15,
41 u. 45; wie auch Archimedes selbst dmir. icopp. I 6 p. 6, 46;
9 p. 8, 29 u. 32; 15 p. 14, 30 u. 32. Ebenso wird cu^irrwcic in
der Bedeutung: Tunct des Zusammenfallens' gebraucht, wie Apollon.
II 24 p. 124, wozu Eutokios p. 125: bei onneiuicacOai, ÖTi cuMimOccic
KaXei rä crmeia, koO' & cu^ßäXXoucl al AB, TA euOetai r^ Toyi^;
cfr. Eutok. p. 127, 16, wo omcCou nicht zu rf\c cu^imucewc zu
ziehen, wie die Auslassung des Artikels vor crmeiou zeigt; ttJc
cu^1^^tüC6U)C ist Apposition zu toO £ CT]fi€iou; so auch Archimedes
iT€pl (Tcp. Kai KuX. I 11 p. 80. Verwandt ist biaipecic ^Theilungs-
punct' Archim. Trepl ku)V. 21 p. 284, 15; TO^f) ^Schneidungslmie'
Archim. kuiv. 18 p. 281, 34; 'Schneidungspunct' diriir. kopp. I 13
p. 11, 36; 14 p. 25, 13 und das sehr häufige dq)rj ^Berührongs-
punct' KUiV. 18 p. 281 u. s. w.
P. 12, 33 ist zu lesen o\ bk XcTÖ^evoi. Ad ist ebenso ausge-
gefeUen Lin. 42: irepl bd Torv bOo jndcuiy; p. 127, 27: Kai dirö tujv
dcpaiTTOjidvujv bfe buvaTÖv; p. 181, 11: direibfi bi.
P. 14, 20: dXX' oö tö ti den biopic^oO napabdbuiKev] man
schreibe: dXX' ou TÖv Ti dcTi biopiC|iöv ir. Der Sinn: Apoll, be-
schreibt nur die Entstehung der Eegelflfiche, giebt aber keine directe
Definition ihres Wesens.
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Philologische Studien zu griechisehen Mathematikern. 373
P. 15, 46 ist für dXXd hl zu schreiben: dXXd bf), wie p. 16,
38 richtig steht (^at rursus'); auch p. 79, 18 ist zu schreiben: £äv
P. 17, 34: ddv vo|iilcu>|i€V rdc A*, B Tpawidc] fOr vo|lllCUl^€V
ist vor)CUJ|Li€V wieder herzustellen.
P. 19, 4 ist zu schreiben: ^m Ttic Kaxd Kopü9f|V auiQ (für
ainfic) d7riK€i|Li^VTic.
P. 30, 64 steht oux die ix^i für oöx outujc ixex.
P, 33, 21 ff.: Ol T€ Tdp TtaXaioi K^xP^VTai xaTc TOiauraic
diTobeiSeci, juaGcjuariKaTc (d. h. ^a9Ti)iaTiKaic) ^aXXov oucaic f[
dpiGjLiTiTiKaic bid tdc dvaXotiac, kqi 8ti tö ZriTOiijLievov dpiGjbiTiTi-
KÖv icjx] das zu o\' T€ TtaXaioi entsprechende Glied ist offenbar: Kai
ÖTi; man wird daher lesen müssen: Kai aÖTÖ tö jT]T0\i)i€VOV. Bei
o\ TraXaiol ist wohl namentlich an die arithmetischen Darstellung
der Proportionslehre von Euklides zu denken. Auch die Worte bid
rdc dvaXofiac sind mir verdächtig; steckt darin kein Fehler, müssen
sie zum Vorhergehenden gezogen werden: die Beweise sind wegen
der Proportionen mehr allgemein mathematische als eigentlich arith-
metische zu nennen. Auch die Lin. 28 folgenden Worte sind ver-
dorben. Um zu begründen, dass tö 2;r)TOU|ii6VOV arithmetisch sei,
sagt Eutokios, dass XÖTOi und 7niXiKÖT»iT€C und TroXXaTrXaciacjioi
ursprünglich auf Zahlen sich beziehen und nur durch diese auch auf
Grössen im Allgemeinen: Katd TÖv einövra* ^raöra f dp rd inaOriiiaTa
boKoOvrai elvai db€X9d'. Ich möchte lesen: toiv )ia9ii)idTU)v boK.
eivai b€CjLid und den Ausspruch auf Eratosthenes beziehen, der nach
Proklos zum Eukl. p. 43, 22 die Proportion als cüvbec)iOC der Mathe-
matik angab.
P. 44, 36 ist zu schreiben: 6 bk ^AttoXXiüvioc ^v toutiü KaGoXi-
Kov Ti beiKVuci buvd)ievov ^q>ap|iöcai laTc Te rpici toO kuüvou
TOjuiaTc Kai rtu KÜKXqj.
P. 45, 23: €1 Kai ÖTi ist sinnlos; vielleicht: d jiir) ÖTi (nisi
quod).
P. 46, 34 ist, wie ich glaube, cuvexn vor CT]|U€Ta zu streichen;
es ist ans Lin. 30 u. 32 hineingekommen; dort ist es an seinem
Platze, wo von einer Parabel die Bede ist; aber an unserer Stelle,
bei einer Geraden, kat es keinen Sinn.
P. 47, 34 muss Tpdq>OM€V in Tpdipojuiev und Lin. 36 irpoc-
€M߀ßXr|c6u) in TrpoccKßeßXrjcGuj corrigirt werden.
P. 61, 30 ist zu lesen: Tfic ToO kOkXou TrepKpepetac; ebenso
ist der Artikel ausgefallen p. 73, 20: Kai ai 7rapdXXT]Xoi; p. 99
extr.: Kevrpov Tf]C UTT€pßoXf]C; p. 107, 35: Kai al aurai; p. 139, 3:
TÖ irpdiTOV Toö beuT^pou; p. 159, 24: toutou toö OewprjiiaToc;
p. 168, 12: Ixovra rdc Ttpoc xoTc 6, B t^vioc.
P. 71, 1 ff.: el be . . XiiqpöeiTi . . Kai . . necij] es kann zweifel-
haft sein, ob man tt^coi corrigireu darf; vgl. p. 127^ 22: el }xiy ydp
eiTi . . ei b€ . . Ixq. Wegen des Optativs vgl p. 46, 86: ßouXn-
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374 J. L. Hdberg:
eeinv; p. 133, 40; 134, 40; 136, 14; 168, 33; p. 80, 43 steht: däv
niiTTOtTO. Aber p. 76, 6 und 39 n. 48 scheint doch TriTirei nach
^dv in iriTTTT) geändert werden zu müssen. Lin.'^ö ist zu lesen: Kai
äXXuic hk TaÖT|d (ftb: Taurac) öuvaxöv beiEai. Lin. 27 bemerke man
den Ausdruck: 6vT0C Xö^ou »= nftmlich.
P. 80, 11: fcn T&P öca iv xijj TrpoXaßövri OeuipfJMaTi Xncpöq]
man lese: £X/j(pOT]; wegen TtpoXaßiiiv (Vorhergehend') ygL p. 158;
18; zu Archimedes p. 40, 15; 43, 8; 192, 18; 193, 12.
P. 84, 23: Kai f| diTÖbeiHic f| auTTJ. dp|Li6c€i xpnci^uic bi
toCto cic rd ^c] die Interpunction ist verkehrt; man schreibe: xai
f) dnöb. f\ auTTi dpjiiöcei. Xp^cijucv bk ktX.
P. 93, 4: JcTUi vuv (nicht vOv) x^uic KOTiüT^piü] T^uic, dem
kein entsprechendes ^TTCixa o. dgl. folgt, scheint fast: ^zum Beispiel'
zu bedeuten (eigentlich wohl: 'vorläufig'). P. 99, 30 ff.: €ipT|Tai fiiv
iV TOiC |i€Td TÖ l' CXOXioiC Ö CKÖTIOC TUIV It' TtpiWTWV 6€U)pl^^dTUIV
Ktti ^v ToTc €lc TÖ ^KKaib^KaTOV 6 TWY Öfic Tpituv] die erst citirte
Stelle ist p. 30; aber zu prop. 16 p. 42 wird nur von propp. 15 u.
16 gesprochen; über das Ziel des 14. Satzes s. p. 39. Lin. 34 ist
entweder fi (ftlr f|) TrapdXXfiXoc . . äxcTai (wie p. 12, 38 oi, nicht
Ol zu schreiben) oder besser, wie sonst gewöhnlich: f) TropoXX. ...
dt 0 in ^ VT] zu lesen, Lin. 40 ist statt KaÖ* ?v Ti TO|nf| cu^irnrroucnc
zu schreiben: KaO" Sv Tq TO^^ cu)iTr.
P. 107, 31: ÖTi Tocaura inöva elc auiö YP<i<pw), d)c fiv fiv
öuvttTÖv bid TUJV dv Tif» npiüTqi ßißXiqj V0T|öf|vai] diese Worte geben,
wenn überhaupt einen, den verkehrten Sinn, dass Eutokios nur das-
jenige zum n. Buche schreiben werde, was schon aus dem Commen-
tar zum L Buche klar ist; ich schlage vor: TOcäura juiöva . . . Tp6<P*J^>
äca |Lif| f\v buvaTÖv ktX. Lin. 35 steht falsch dcu^irruiToi eiciv
iv liji TOji^; iv ist zu streichen mit ApoUon. 11 2 p. 108, 23; p.
115, 43 u. s. w.
P. 114, 33 ist TUIV fdp li eöOeiuüV dxOeicOjv verdorben; es ist
nur von vier Linien die Bede (die Asymptoten können nicht mit-
gerechnet werden); ob ^li aus dem vorhergehenden (Trruaceic S) ent-
standen ist, oder ob etwas anderes darin zu suchen, wage ich nicht
zu entscheiden.
P. 127, 13 musö et bfe (für yop) jirj, ou gelesen werden.
P. 158, 38 ist jedenfalls für Kai dKßaXXojH^vaic zu lesen: ii
^Kß., dem folgenden f\ iui rd ^repa jiiepr] entsprechend, wodurch wir
erst die zwei TTTUiceic bei der Ellipse erhalten ; aber auch Ka6' d TÖ
€ scheint verdorben; vielleicht KaO* & tö H.
P. 160, 31 steht d7ria(f)vai statt dmcK^^iacOat, cfr. p. 127.
P. 161, 28: dXX' ^9' ^Kax^pac auruiv jiiac (sie) cunrnnroucac
dXXrjXatc] man schreibe )iiav im Gegensatz zu Lin. 27: rdc büo
itpanro^xivac Im ttic pidc.
P. 175 war nach OeuiprjjüUXTOC Lin. 32 ein Punct za setzen, und
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Philologische Studien zu griechiflchen Mathematikern. 375
die folgenden Worte mit grösserer Schrift zu drucken; denn mit ddv
beginnt der neue Satz.
P. 205, 8: oÖTU)c Top ^ T^vriceTai, 6ti] ich schlage vor:
outuk: Top öeixÖTJceTai, 6ti.
P. 218, 30: Ktti ouöfe cxoXiqj henai "i6 fOLQ ivbiov a\ napaYpa-
qMxi TrXiipoöci] fftr cxoXiifi muss cxoXiuüV gelesen werden. Wegen
ovbi Xgsa) nicht' vgl. p. 44, 39: oitbk yäp. Aber was sind napatpa-
(pai? Ich yermuthe, dass KaTatpacpai zu schreiben ist (^Figuren',
wie p. 14; zu Archim. p. 93 tu s. w.).
Für den Commentar zu Archimedes, wie ftir den Text des Archi-
medes selbst, ist, wie ich in meinen Quaestiones Archimedeae cap. VI
zu erweisen versucht, auf den Codex Florentinus (F) als einzige oder
doch einzig zuverlässige Quelle zurückzugehen. Von ihm besitzen
wir nur die gewiss ungenaue Collation von Bandini in der Ausgabe
Torellis.
P. 2, 33 ist statt dTrecKcmu^voic aus F dTTiacenTOinevoic aufeu-
nehmen. Lin. 40 muss dneZieuxOujcav gelesen werden (c&. Quaest.
Archim. p. 144). P. 3, 7 ist mit F TTpocijuioic zu lesen st. Tipocipn-
^€VOic; ^in prooemiis' hat die alte Uebersetzung des J. Cremonensis
(Gr.). P. 7, 31—32 hat F richtig tö fXaTTOV juieTeeoc toO MeiZovoc.
Gewiss fehlt auch aiCT€ Lin. 33, wie in allen übrigen Handschriften
[dr, Archim. p. 7, 19). P. 13, 5 aurd td Tpitujva hat F richtig.
Lin. 19 muss für ^Keivip gelesen werden: dKCivo. P. 16, 7 hat F
richtig ßdpouc fOr die dorische Form ßdpeoc, die im Eutokios un-
gehörig ist
P. 37, 8: öid ToO TCTdpTou GewpriiiaTOC toö TtpuiTou toOtujv
TWY ßißXiuJv] der vierte (oder bei Torelli sechste) Satz kommt in
dem Beweis des Archimedes nicht zur Anwendung; für T€TdpTOU
(b') ist wohl beKdrou zu schreiben; I, 10 wird p. 36, 10 ange-
wandt. Hieraus würde dann folgen, dass ToreUi die Satzeintheilung
der ed. Basil. und der Handschriften mit Becht geändert hat. Lin.
43 hat Torelli mit ed. Basil. tui tfjV AB; jeden^iJls ist zu schreiben:
im Tf|V Ar, und vielleicht ist dies eben die Lesart des F; wenigstens
hat Gr. richtig *ac'. Dass ebendaselbst mit F zu lesen ou T^ irdvrujc,
habe ich Qnaest. Archim. p. 138 schon gezeigt (^denn nicht in allen
Fällen').
P. 39, 11 ist mit F zu schreiben: €ic Touc ÄTtd )iOvdboc i,&\c
K€l^^vouc dpiOinouc; T^jUVOVTai ist von Torelli richtig zugefügt.
P. 40, 12 hat F richtig TTpöc xaic Kopu9aic.
P. 44, 31 muss &tuj, ei xüxoi gelesen werden.
P. 45, 31 ist zu schreiben: etvai (so alle Quellen) xaTc toO.
P. 51, 19: TÖv auTÖv XÖTOV und p. 52, 51: jixeT^eeav
f|TOÜ|ii€Vov f| cufKCiM^VTi mit F. Ebenso p. 58, 41: TipiüTOV pev
und Lin. 43: xai beurepov; p. 59, 6: uqioc bi] Lin. 7: outwc f|
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376 J. L. Heiberg:
cuTKCi^^vr). P. 59, 20 ist zu schreiben f| ZH Tipöc ZE. Lül 51
bat F ^£€1 statt ix€\,
P. 60, 5: Ka\ icvx tö P K^vrpov] 6ir€p tö P K^vrpov F; man
lese: ujct€ tö P Kcvrp. Ueber die Yertauschung von öirep und
djCTe s. Quaest. Archim. p. 149.
P. 65, 36: die IcTc] man beachte den Plural in der Anrede
eines Einzelnen; c&. u^^T6poc p. 66, 7. Ebendaselbst haben ed.
Basil. und die Hdschr. €U€irißoXou, was ToreUi ohne Noth in
eueTtT^ßöXou geändert hat. Lin. 38 ist das sinnlose irpaxOeic nur
durch Unkenntniss der alterthümlichen Druckweise der ed. BasiL
hineingekommen; sie hat^ wie ohne Zweifel auch die Hdschr. richtig
TrpoaxBcic. Lin. 41 ist IxBeciv wieder eine unglückliche Conjectnr
ToreUi's; weder kann JKdectc ganz allgemein ^Auseinandersetsung'
bedeuten noch dtU'fte der Artikel fehlen« Ed. BasiL und die Hds.
haben Ik Tpiuiv; ich vermuthe, dass zu lesen ist: Ik rpiTUiv (d. h.
^drittens', s. Jacobs zu Aelian ü p. 337); Eutokios giebt drei Grfinde
an, aus welchen er den Archimedes zu commentiren trotz seiner
Jugend gewagt hat, erstens weil es Niemand vor ihm gethan,
zweitens weil er das sokratisohe Wort: OeoO cuXXapßdvovToc ktX.
bedenkt, drittens weil er seine Arbeit dem Ammonios zu Berichtigung
und Beurtheüung vorlegt
P. 66, 4 ist cuvdpacOai (^helfen') mit ed. Basil. und den Hdss.
beizubehalten. Ebenso Lin. 5 )xr\bi (^gar nicht') statt \xr\. Auf die
von ToreUi nicht bezeichnete Lücke p. 66, 23 habe ich Quaest. Arch.
p. 123 aufmerksam gemacht; cfr. Lin. 25: die Kai dvuiT^pui
eipiiTai. Lin. 39 ist für rdbe aurd zu schreiben: rä bk aurd. Lin.
47 hat F richtig Twv aiTTijLidTU)V. Lin. 55: ^m raic AFB tP«^-
^aic] im rdc AFB TpaMMHC F; man lese: dm rflc AFB Tpa^J^fl^
P. 67, 9 ist zu schreiben: diruCeuSui^ev und Lin. 11 cöpi^coyiev,
wie p. 66, 18 TVtucd^eOa (mit ed. Basil. und den Hdss.). Lin. 21
ist TipoXa^ßdveiv und Lin. 28 xaTdbiiXov aus F aufimnehmen.
P. 68, 22 war 6ti (statt In) beizubehalten mit ed. Basil. und
den Hdss. Lin. 25 TrpocdOiiK€ die Hds. richtig. Lin. 35 dKardpov
statt dxdpav F richtig; ebenso Lin. 40 tö b€?v statt tauTÖ b€iv;
Lin. 50 caqp^c statt caqxxk:.
P. 68, 48: oöb* dv 7r€piXa|iipdvoiVTO ünö dXXfjXwv oibi oStwc
dvicol elcr dXX' dvioie tcai ktX.] für oubfe oötu)c soll F ttuic haben,
d. h. ^ (s. p. (ni) bei Torelli); man wird lesen müssen: ovb' av
TT€piXa|ißdvoiVTO uirö dXXrjXiwv, TrdvTUic dvicoi ktX. Auch Cr. las
TTUüC; er übersetzt: ^quomodo igitur inaquales erunt' und fttgt will-
kürlich hinzu: ^nisi casu'.
P. 71, 28 ist 6 ToO dvacTp^iiKXVTi Xötoc, was die Hdss. haben,
das allein richtige. Ebenso p. 72, 27: iTpoc6KßXTi6€icY)C (über die
Verwechslung von irpöc und Kai s. Quaest. Arch. p. 136).
P. 73, 33: rf\c npoc tö K Tü)viac] F hat gewiss nicht, wie ge-
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Philologische Studien zq griecfaiBchen Mathematikeni. 377
sagt wird^ Tf^c irpdc T(p KT T^uviac, aber nur tt\c irpdc rdfi K P, ein
Compendiom des Wortes Y^viac; denn in VAD etdit: k t • • • •; der
Sdireiber vom V verstand also das Compendinm nicht (AD sind nur
Abschriften von V, s. Quaest. Arch. p. 136); auch Lin. 11 fehlt das
Wort TW'viac in VAD, Lin. 36: ö}X0t6v dcnv. ficre f|] &ct€ ist
Conjector von Torelli ftbr das (bc der ed. BasiL; man muss mit F:
öfiotöv icTiv Kat^CTivibcfi lesen; wegen des wiederholten dcTiv
sind die zwei Worte in ed. BasiL ausgeMlen.
P. 78, 46, hat F richtig: xal al im. P. 79, 1 haben ed. BasiL
und Hds. i^xivavTO. Ebend. Lin. 2 ist irpodOiiKCV zu schreiben.
P. 90, 6 ist nach F t«£i £v ^T^pifi zu schreiben. Lin. 28 ist die
Lücke der ed. Basil. nicht ^xouci, sondern cici mit F zu suppliren,
wie Lin. 25 und 30, wo ed. Basil. eb^n&lls das Compendium dieses
Wortes weggelassen hat P. 93, 2 vcvofjcOu) und Lin. 9 f^Tic yi'
vexai F, welche Lesarten au&unehmen sind; Aber {|Tic vgL zu
Apollon. p. 20, 37. Lin. 26 haben ed. Basil. und F öi|ioc, wofür
u^ouc, nicht ui|ieoc gelesen werden muss. P. 94, 35 hat F richtig
UTTÖ TvE>v B A, AZ; Lin. 39 ist irpocKeicOui zuschreiben. P.109,27ff.
steht in ed. BasiL und Cr. im Text durchweg ^ für c (die Figur
hat c). Vielleicht ist wegen des folgenden TJ|V XK zu lesen: vooi}-
M€V0V t6 M Tf|v XM. Lin. 29 ict| äpa] Tai T<^ ^ BasiL und die
Hds.; man lese IcTi yivCTat (Quaest Arch. p. 136); Cr. hat ^nam-
que'. Ebendaselbst war &XXa ^fjv mit ed. Basil. und den Hds. bei-
zabehalten. P. 112, 15: 6p6uiv tujvi&v Tiiiv Trp6c TOtc K, A] dpOui
Tivofievov TÄv TT. T. KA F; man lese: 6p0iüv Tivojiivuiv tüjv
npöc TOic K, A; über das Compendium ftlr Y^via s. zu p. 73, 33.
Lin. 16 steht in F richtig yx ^'- T^veTai für äpa, wie oben; *enim'
Cr. Lin. 41 iK ToO K^vrpoü F.
P. 115, 47: Trot€tT€ bk toOto oötuic] F hat ttoiii., was mit
cod. Paris. C iroiriT^ov zu lesen^ oder vielleicht iroieu P. 126, 6
ist die Lücke der ed. Baül. mit F so zu ergSnzen: tout^ctiv f) €K
Tipöc AA, f| diTÖ ToO K^vrpou ^ttI Tf|V &ipi\v iniZeuxöeica
(-COV F) TOUT^CTiv f| dx ToO K^VTpou Tf)c ^Xoccovoc ktX. In
ed. Basil. ist vom ersten K^VTpou zum zweiten gesprungen worden.
Cr. hat richtig: ^sic quae ex centro ad oontactum ducta, hoc est quae
ex centro minoris sphaerae'.
Dass p. 130, 3 die von F weggelassenen Worte: dXäccova Xöyov
€X€i entbehrlich sind, habe ich Quaest Arch. p. 159 nachgewiesen;
^minorem habet' Cr.
P. 133, 24 ist TOtc Toö beuT^pou zu lesen. Lin. 25 q>Tici brj
mit F. Eb^d. haben alle Quellen iv ti^ d' Oeuipripari, was bei-
zubehalten war (Quaest. Arch. p. 156). Lin. 27 steht in F richtig
iToieiv für ciTteiv; ^fieri' Cr. Lin. 31 sind die Worte kuivou f\ ku-
Xivbpou, die Yon Torelli herrühren, auszuwerfen; dagegen Lin. 43
TOÖ Ar Kiiivou mit F aufisunehmen. P. 134, 16 ist T^TpcupOu) für
TTCpitctpcKpOttJ aus F wiederherzustellen; Lin. 21 ist nach la bei
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378 J. L. Heiberg:
Torelli avird und Lin. 23 nach auToO der Artikel Tf\v ausgeMen.
Lin. 23 fehlt i&y in ed. BasiL und den Hds.; es ist auch unnöthig.
P. 135, 5 dürfte satt a^rroO zu lesen sein: aÖTtli. Lin. 30
hat ed. BasiL: cu)Xrjvi c6€tcu)v; ebenso die Hds.; man darf keines-
wegs mit Torelli: cu)Xif)Vi cxicOeicuiV corrigiren, sondern emfu^h:
cuiXiivicGeicuJv lesen, von einem auch bei Heron (Mathemat vett
p. 115, 11) und Oribasios vorkommenden cu)XT)viZ€iv, ^aushöhlen'
oder Wt einer Furche (cuiXt]v) versehen'. Cr. hat hier eine Lücke»
wie überall, wo das von ihm nicht gekannte Wojt ctliX^v vor-
kommt. Li derselben Linie zeigt SvuiOev (Cr. ^superioribus'), dass
die Figur in ed. Basil. und bei Torelli unrichtig ist. Lin. 40
ist äxpic &v TÖ (ohne ou) mit F zu lesen, wie p. 136, uli;
137, 32; 35. P. 137, 9 ist picht Trpdc tö 6, sondern Tipöc tu) 9
sprachgemäss. Lin. 28 hat Torelli wiederum eine offenbare Lücke
der ed. BasiL willkürlich ergänzt, trotzdem dass schon der von ihm
benutzte Codex Yenetus das richtige bot. Es ist nämlich mit den
Hdss. und Cr. so zu schreiben: tt| uttö "Hpu)VOC. Tö Top Bö irop-
aXXriXÖTPcimiiov tö auTÖ ictx tuj Xt]<p6€Vti ^tti Tf)c "Hpuivoc Kora-
CKCuiic Kai al 7rpoc€KßaXX6)Li€vai; in ed. BasiL sind die Worte tö
Täp . . . "Hpuivoc wegen der Wiederholung dieses Namens aus-
gefallen. Lin. 34 lese ich irpocmiTTOucai (euOeiai wird, wie nicht
selten geschieht, zugedacht). Lin. 39 kann die Lesart des F: ttoXü
T€ euKoXiÜTepov (^autem* Cr.) beibehalten werden, wenn man die
Interpunction ändert. Lin. 45 ist xai vor Tr6piq>^peia wohl nur durch
Versehen (cfr. Lin. 44 u) in den Text gekommen; es fehlt in ed.
Basil. und den Hdss.; ebenfalls ist ^1x9^ tocoOtov Lin. 32 wohl
nur Druckfehler, statt in. tocoutou (so ed. BasiL und die Hds.).
P. 138, 15 steht OiXovoc st. 0(Xu)VOC und Lin. 16 äp|iiu»C€i st
dp|uiöc€i, wie p. 140, 2 Troirjcwinev st TTOificoiLiev und p. 143, 29
irepiatOT^ st. iiepiaTWiiTi u. s. w. Auf p. 138 sind folgende Les-
arten aus F wiederherzustellen: Lin. 28: biä tö tI^c; Lin. 41: icm
al MB; Lin. 47: im ja T€vd|Li€va (tevöineva?) CTipeia (*ad puncto
facta' Cr.); Lin. 48: 6|iioiU)V; Lin. 50: die zu ßtreichen; Lin. 63:
icjai f) (kqi f| ed. BasU.; cfr. Quaest. Arch. p. 135). Femer mu»s
Lin. 40 fttr Trapä kaTepa (irap* ^KaT^pa ed. BasiL) ^9* ^KaTtpa
geschrieben werden (cfr. Lin. 19); Lin. 51 hat F TrapaO^ccic, Torelli
mit ed. Basil. TtapaOecei, was mir nicht ganz passend scheint; ich
kann aber eine zutreffende Emendation nicht finden (^regula i^pli-
cata' Cr.).
F. 139, 6 soUte TTpoKaT€CK€uac)i€VWV stehen. Lin. 32 hat F
richtig TTpöOeciv (cfr. Lin. 31 : irpo^OcTo) und Lin. 33 lässt derselbe
ebenso richtig ättö weg. Lin. 35 muss mit F dav Tuiv öq>€iXoucwv
— f\ beuT^pa gelesen werden, wie p. 140, 27. Lin. 45: awiciov*
TÖ hk XoiTTÖv] aijicTov &tui- tö bfe X. F; aus Pappos voL I p. 66, 4
geht hervor, dass zu lesen ist omeTov dcTUJTr TÖ hk X. Aus dem-
selben ebend. Lin. 5 ersehen wir, dass im Eutokios Lin* 46 die nepi
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Philologische Stadien £n griechischen Mathematikern. 379
K^VTpov 16 TuXäpiov mit ed. Basil. und den Hdss. zu schreiben und
die Conjectur Torelli's dbc irepi k. irepi TÖ tuX. zu verwerfen ist.
Lin. 48 ist ebenfalls mit Pappos a. 0. Lin. 6: toutu)v bf) Karc-
CK6uac)i^vwv zu schreiben. P. 140, 8 fehlen die Worte tQ AH in F
wie bei Pappos selbst a. 0. Lin. 20; man muss dann mit Pappos
T^ B A lesen; auch Cr. hat unrichtig: ^cui est aequedistans ipsa bd'.
Lin. 38 ist nach constantem Sprachgebrauch: ^KßXn^ioic ttjc MH
itri (fnr KttTÖ) TÖ N zu lesen; cfr. z. B. p. 139, 53; 140, 7. Lin. 46
sollte f| aÖTTJ stehen. P. 141, 41 war fCTpaMiu^vir) auf F aafzuuehmen
(cfr. p. 138, 15); ed. Basil. hat ypa^^xrjiy wofür Torelli nach Conjectur
eipr\}iivrj geschrieben hat, ungeachtet dass auch Codex Yenetus das
Richtige hat. Auch Cr. hat: ^illi, qu» — dicta fuit'.
Im ersten Beweise des Menaichmos hat F auf der zugehörenden
Figur (abgedruckt bei Torelli p. 394) die Buchstaben A und A um-
getauscht, woraus dieselbe Abweichung durch den ganzen Beweis
folgt (p. 141, 43; 44;, 45 [AE statt AH]; 46; 47 zweimal; gewiss
auch Lin. 48 und p. 142, wenn gleich hier nichts darüber gesagt
wird). Auch Cr. hat 'durchgängig a für d und umgekehrt in dem
Text; die Figur ist aber dieselbe, die der griechische Text der Baseler-
ausgabe hat. Es ist nichts dagegen auch hier dem F zu folgen.
P. 142, 20 steht in F richtig: kov icrl toi utrd AAZ, d. h. A,
fiiZj nicht, wie sonst AA, AZ; so hat Cr. es irrig gedeutet (^con-
tento sub da, af'). Lin. 30 euOciai ai Tipöc F. Lin. 35 hat Torelli
sachlich richtig diie Lücke der ed. Basil. so ergftnzt: tbcf^rBTipöc
BA, o6TU)cf)AB(&o auch Cr.); aber ouruic fehlt in den Hdss.
und wird öfters so weggelassen (wie z. B. p. 149, 16; 27); hieraus
wird die Entstehung der Lücke erklSrbar.^^) Lin. 50, wo Torelli
aus Cod. Yenet. richtig dpa aufgenommen (so auch F); wttre Kai vor
boe^vra mit den Hdss. zu streichen gewesen (^puncta igitur' Cr).
Lin. 53 ist BA, AE ebenfalls als erkl&rende Interpolation der ed.
BasiL zu entfernen mit F (und Cr.); man setze vor Ka\ dKßeßXrjcOui-
cav ein Komma. P. 143, 4 dXX^iXac F, Lin. 27 T€|iX€i F, Lin. 42
TÖ fiiv KlVOu^€VOV F, was alles aü£sunehmen ist Lin. 45 muss
dvTiTT€piaT<S|ievov in einem Wort gelesen werden (^in entgegen-
gesetzter Richtung gedreht'). P. 144, 6 hat F die richtige Wort-
stellung: öjnoiov dpa dcTi, wie öfters, bewahrt
Der Brief des Eratosthenes ist neuestens von Bernhard j: Era-
tosthenica p. 175 — 185 behandelt worden, wo einige der gröbsten
Fehler berichtigt sind; jedoch ist, meistens aus F, nicht weniges
nachzutragen. Erstens mag es angemerkt sein, dass das im Anfang
dtirte Fragment eines unbekannten Tragikers von Nauck: Euripidis
Fragm. p. I richtig mit einem Verse vermehrt worden durch eine
leichte Emendation, die auch mir von ihm unabhängig eingefallen
^') Ebenso ist oötuüc p. 179, 28 mit F wegzulassen^ wie auch p.
183, 6 und p. 189, 44.
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380 J. L. Heiberg:
war. Aus F sind femer folgende Lesarten anfznnelmien: P. 144, 27:
iTpiiJTOC; Lin. 36: Wo Turv öoecicuiv; Lin. 42: öptaviK^ Xnipic
^abia; Lin. 46: jueTacxnMaTiJeiv; p. 145, 49: fx^JC- P* 144, 82 ff.:
^eT& xP<^ov bk Ttvd cpaciv At]Xiouc ^mßoXopidvric v6cou Korä
Xprjcjuidv bmXacicicai riva tuiv ßu)|uiu»v diriTaxÖ^vrac i^treceiv clc
TÖ ainö dTTÖpinna] vöcou und diriTaxd^vrac fehlen in den Hds., f&r
TivA hat F Tivdc; für imßaXojüi^vnc hat Cod. Paris. C: ImßaXXo-
M^vouc, und es ist wahrscheinlich, dass auch F dasselbe bietet; denn
auch Cr. hatte offenbar dieselbe Lesart, wenn er auch falsch über-
setzt: ^tempore autem quodam post ferunt Delios iussos per oia-
culum duplare' u. s. w. Man wird schreiben müssen: ^€Td xpövov
bk Tiväc 9aci AriXiquc iTTtßaXXo^^vouc (sich daran machend) Korä
XPncMÖv bmXacidcal riva tuiv ßuj)iuiv ^jUTreccTv ktX. Lin. 48 muss
b^ nach buvr)C<S^€Oa gestrichen werden. Lin. 49 ist st. )i€TpTiTf)V
^ebijLivuiv (ed. BasiL und die Hds.) nicht ^€TpTiTJ|V )üi^bi)ivov (Torelli),
sondern p€TpT]Tf)v f^ jndbi^vov zu lesen. P. 145, 43 ist dcxicta
zu schreiben st dcxacra (ed. BasiL, die Hds.) oder dcxecra (Torelli).
Lin. 45 ist npoc|üi€)ioXußboxoT])üi^vov in einem Wort zu schreiben;
^adnexum plumbo' Cr.
P. 146, 41 & in dem Auszuge aus Nikomedes liest man: xm
T€ui|i€TpiKf)c ^Eeuic^*) dcTepfiji^voic, toötc dveXXemoOc. Tüjv to(-
vuv irepi To TipößXnna TreiroviiKÖTiüv Tf|c t€ Trpdc 'eparoce^vn
cuipcpiceujc £v€Ka ktX. Die Stelle ist, wie sie dasteht, völlig sinn-
los. F hat Toivuv tujv st tuiv Toivuv; man darf daher nur die
Buchstaben richtig abtheilen und die Literpunction ändern: . . . iae-
pn/i^voic ToO Te dveXXcinoöc toCvuv twv . . . if\c re . . ?v€Ka ktX.
Denn toO T€ entspricht Tiic T€, beides von £v€Ka abhängig. Etwas
ähnliches mag auch Cr. gewollt haben: ^privata sint. Hanc vero
partim quod explete quae circa hoc problema elaborata sunt, tradi-
dit (!), partim ut eins ad £. comparatio haberi possit etc.'. Lin. 44
scheint buvd^ei zu bedeuten: ^dem Sinne oder dem Inhalt nach', im
Gegensatz zu KQTd X^EiV; es bezieht sich nur auf den ersten Theil
bis zu p. 149; denn die eigentliche Lösung des delischen Problems
ist wörtlich aufgeführt, ¥rie wir ans Pappos III 24 und IV 42
wissen.
P. 147, 3 ist X€XiüViov zu schreiben; cfr. Lin. 13: x^Xuivapiu).
Lin. 5 möchte ich st. Kai \xicr\v Tf)v biatpoOcav lesen: Kai rrjv
\xicov biaipoOcav oder wenigstens \xicoy, Lin. 12 ist Ti dSöviov
aus F aufzunehmen; ebenso Lin. 41 Tfic AB (sc: euOeiac) und
p. 148, 1: f) XeinoCca, wie Lin. 26: biaTateiv und p. 149, 1:
cu^ßdXXei. P. 149, 18 möchte ich nach inü ein tdp einschalten
mit Pappos vol. I p. 60, 20, wenn auch Pappos p. 248, 15 es weg-
^*) So wohl richtig Torelli aus Venetüs; aber ed. Basil. hat nicht
hiUxxK, wie er anhiebt, sondern lUceiuc. Sollte ile\uc nicht auch in den
übrigen Hds. stehen, oder ist etwas anderes in dE^ceuic zu sachen?
'doetrina' Cr.
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Phüolc^sche Stadien sa griechiachen Mathematikern. 381
iSsflt Lin. 36 hat Torelli lächerlich genug ckuO^vti mit ecL BaaiL
beibehalten für cuvB^VTi (E). Lin. 42—43 fehlen die Worte: Tcov
dpa TÖ öiTÖ BMA |i€Td toO dird AA Tiji lirrd BKF iicrd toO äixö
rZ in F; sie sind abeiflttssig nild also zu streichen; sie feUan auch
bei Cr. und Pappos I p. 62, 7; 250, 18. Ebenfidls ist Lin. 47 oÖTUic
mit F und Pappos I p. 62, 11 w^gsolassen; dr. Lin. 48 u. 49.
P. 154 ist mit F zu schreiben: Lin. 6: Sri bk Kai TÖ; Lin. 13:
vocicOuj (ö ist zu streichen); Lin. 16: ö dpa € KuhfOC; Lüi. 18:
oijirep Kat f|; Lin. 23: ö dpa Z Kiiivoc; Lin. 36: dXXt^Xouc.
P. 155, 19 hat F: ofiruic tö dirö Af; ich mOchte daher schreiban:
wcTC Kai d)c TÖ dTrd KA . . . oötujc tö dirö Af. Im folgenden
sind noch diese Berichtigungen aus F au£sunehmen: p. 160, 5:
fiiravTa Td; Lin. 20: y&p icTiv die; Lin. 31: &Tai bo6€(c;
Lin. 41:. dbiapBpdiTUK iTWC (^indearticulate quodammodo' Gr.);
Lin. 42: dTTOtrXTipuJcai; Lin. 44: dTTobcucTiKUiC; Lin. 45: ivbia*
TpiifiavTac; Lin. 55: irpuiTiii Trepi (ohne Tifi); p. 161, 13: odca {|
Movdc; Lin. 21 ist statt: 6 dpa E töv A TroXXairXaadcoc (iroXXa-
TTÄaciac ist wohl nur Druckfehler bei Torelli; ed. Basil. hat iroXXa-
nXactdcac) töv Z iroieiTU) mit F (und Cr.) so zu schreiben: ö dpa
r töv A iroXXaTrXacidcac töv A irout, 6 b^ B töv £ iroXXa-
irXacidcac töv F* 6 bf| A töv € TuoXXairXacidcac töv 2
Troi€iTui. P. 162, 5 hat ed. Basil. und ohne Zweifel auch die Hds.
jiovdc A d: fiovdc pia, wie Meibom las; derselbe hat auch Lin. 17
richtig K€ijLi€VOi dpot, wie jetzt F. Lin. 13 ist mit F trdvTUiv bi
zu lesen; ebenso Lin. 18: buo yäp dvTUiV dpuiv; Lin. 27: dv
Ix^i 6 A; Lin. 40: oÖTUK ?CTai bf)Xov (st ofirui bidbtiXov);
auch p. 163, 4 ff. ist st 6 aÖTÖc bk Ttp Tf)c BZ Tupöc 26 dcri xal
6 cuTK€t|ii€voc Ik toO Tf)c BZ Trpöc 2K xal toO tt^c 2X irpöc 26
XoTou nach F aufzunehmen: Xf^ bk aÖTilD, Tip Tfrc B2 trpöc 26,
6 auTÖc tcTi Kttl ö cuTKcijLicvoc £k toO TTic 62 irpöc 2K xal
r^c X2 Trpöc 26. P. 163, 26: TÖbc dirdrrcXpa] bk tö itrarf.
ed. Basil.; man wird wohl mit cod. Paris. B bk streidien müssen.
Lin. 28: ^irißaXeTv F. Lin. 34: 7rpoßXeXT)fip^va (siel)] irpoXeXr)^*
H€va ed. BasiL, dpa XeXrijLip^va F; ich möehte irapoXeXetpjLi^va
lesen. Lin. 35 sollte KaTacKCudZov stehen, und Lin. 38 mit F ÖXiT^v
pdv. Lin. 48 ist zu lesen: dirocuXrjcavT€C (mit ed. Basil. und den
Hds.) KOivoT^pqi Kai cax^ectipq. kojcl tö buvoröv \4ia. P. 16&, 45
ist o(jTUic Yor f| rZ mit F zu streichen; cfr. zu p. 142, 35. Ferner
ist aus F au£Bunehmen: p. 166, 2: £cTU) die f); Lin. 25: &n bk
bmX. Lin. 27: im ttic BA; Lin. 20: r2N tcov TÖ; Lin. 87:
TrdvTuivTubv; p. 167, 29: Icovriverai (für dpa; *fit'Cr.); Lin. 49:
cufißaXX^TUi. P. 168, 15 hat ed. Basü. nach eiser Lücke c dmcT^-
coi; was sich in c verbirgt, ist noch nicht zu ermittehi, weU wir
nicht wissen, was in F steht Lin. 44 ist vielleicht st f) b^ äc ToO
K^vrpou f| B2 zu lesen: t^ bk Ik to€ K^VTpou Xcx\ i\ B2. Auf
p. 169 ist aus F Folgendes wieder herzustellen: Lin. 6: tlxtv;
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382 J. L. Heiberg:
Lin. 18: u<p' fmufv; Lin. 38: oöbafioG; Lin. 41: cuvexp^M^aTO
TpÖTTOV. Lin. 14 hat F: TTpoßaivei st irpdKeiTai; ich Yermuthe,
dass zu lesen sei: oijiT€p öirdpxovTOC, die dbeiSaficv, buvordv Ictai
(für Kai; cfr. Quaest. Arch. p. 135^ ömuc irpoßaivq. Lin. 15 ist
mir Karavoeiv mit Dativ verdftchtig, aber eine leichte Emendation
finde ich nicht Lin.. 37 ist wohl dL'noyefQa\X}ieBa zu schreiben.
Lin. 39 steht in ed. BasiL nnd den Hds. richtig dTOvrjcac, was aber
in uicir€p liegt, kann ich nicht ausfindig machen. P. 170^ 14: ai
ABK, richtig F; Lin. 22: ^criv To] F; Lin. 25 schreibe ich: bia t6
TÖ; Lin. 33: outujc f| MA mit F; Lin.45: kOjvoc ö ßdctv; p.171,3:
im xdp; Lin. 6: TÖv kukXov, wie sonst; Lin. 25: Ti^ T^fjfiaTi;
Lin. 28 ist vielleicht st outujc zn schreiben: TOurecTi; denn Lb. 29
fehlt Kai vor outuic in F; p. 172, 16: oö ßdcic icrX 6; Lin. 17:
Kai TÄp Kai toOto; Lin. 18: In* Tcuiv (ohne tujv); Lin. 29: boOei-
cav €uO€tav, alles ans F; ausserdem ist noch Lin. 17: äTTCbeixOr],
ÖTi o\ und Lin. 57: al KA€ zu lesen. P. 173, 18: Kord xd T,
Y und Lin. 19: b€bo|i^vov F. Lin. 29ff: hat F: irpdc OYZ oötwc
f| C€ irpöc €P, OUTUJC rö xmö TOY; etwas ähnliches hat auch
Gr. gewollt: ^ad 07 et se ad er, ita contentum sub toy'; ich möchte
lesen: irpdc OY, tout^ctiv i\ G€ ktX.; cfr. zu p. 171, 28.
P. 175, 3: fmicti F, wie auch p. 200, 26. Lin. 4 fehlen die Worte:
Kai TÖ dirö Tf)c €H in ed. BasiL und den Hdss.; ausserdem fehlen in
diesen: Tai T^ (P^ ed. Basil.) f| HO; offenbar ist wegen des wieder-
holten £0 in F eine Lücke entstanden, die von dem Herausgeber
der ed. Basil. nur halb ei^ftnzt ist; ich möchte sie so suppHren: lö
dird =0 [tout^ctiv tö dirö Tflc €H- Ten TÄp f| HO] t^ €H.
P. 176, 15 ist TtSli A zu schreiben. Lin. 40 würde Tij f|MiC€i(|f
ainf\c To]V Tf| v ZB sachgemässer sein. Lin. 55 ist ylvCTai (st T<ip)
dKÖXouOoc zu lesen. P. 180, 6 hat F: irpoc <i>H* Kai b^boTUi i\
<t>H* b^boTat dpa; in ed. BasiL ist f) <i>H* bdbOTat ausgeMen;
Torelli hat darauf nach dem Sinn richtig ergänzt: bo9€ica f| <t>H.
Lin. 7 haben ed. BasiL und die Hds. richtig: dXXd jLufjv; Lin. 11:
fcTai für dcTi F; cfr. Lin. 18; 20 u. s. w. P. 182, 32 findet sich
wieder ein Beispiel des Compendiums f für iftuviai; F hat nfimlich
TOtc BAr st Toic BA TUiVtai; ebenso hat p. 173, 46 ed. BasiL
Tiv€Tai st Tujvlqu P. 183, 8: al irpöc P; p. 189, 45: cTirep F.
P. 190, 9: dq)&TTiK€V F. Lin. 46 ist mit F zu lesen: Tounfcriv i\
OB [irpöc BK- TOUT^CTiv f| 9 B] irpdc B€; cfr. p. 186, 21. P. 191, 18
bietet F das richtige Supplement der Lücke der ed. BasiL: Xötov
lX€x ToO, 8v Ix^i ^ r TTpöc A' (&CT€ f| AB irpöc A fietZovafi
fmtöXiov XoTOV ^x^^ 'foC Tf|C r irpöc A. Lin. 37 hat ed. BasiL
richtig: dir€i 6 dirö; so gewiss auch die Hds. Lin. 33 F richtig
ö dpa; es wird öpoc zugedacht oder dptöjLiöc P. 192, 2: Kui
ioTX TÖ F. Lin. 19 ti ^^cov mit F, wie auch Lin. 21: ÖMOtuic bi\;
Lin. 27: irpöc kujvov ohne TÖv; auch das folgende T/jv ist wohl zu
strichen.
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PhilologiBChe Stadien sa griechischen Mathematikem. 383
P. 193, 1 ist zu lesen: xal T^p toGto. Lin. 5: öiirXaciova F,
wie p. 191, 10 biirXdctov (so ed. BasiL) d. h. btirXaciuiv. Lin. 26:
jLteiZuiv dcTtv F. P. 194, 2 schreibe ich: dmcpaveiufv Tiu. Lin. 32
hat P: jdp für dcTi; man lese jxv€ra\.
P. 196, 24flf. steht in F so: im Tf|v GH, oötujc tö dtrö AG
Tipöc TÖ UTTÖ TG iiti Tf|v GZ |Li€ttova XÖTOV ?X€i fJTrep tö dnö
A6 irpöc TÖ U1TÖ FGB. ^0 bi. Es soll ohne Zweifel gelesen wer-
den: im Tf|v GH [die U tö dirö AG dm Tf|V GH npöc tö uttö
res im Tf|v GH] ouTiüc tö dirö AG Ttpöc tö öttö FGB. tö dpa
dTTÖ AG im Tf|v GH irpöc tö dirö TG dm Tf|v GZ \i€ilow
XÖTOV ?X€i <iiT€p TÖ dirö AG irpöc tö uitö FGB. '0 bi] wegen
des gleichen Ausgangs fielen die eingeklammerten Worte weg, und
von TGB verirrte sich das Auge des Schreibers zu TG Lin. 22.
P. 199, 8 fcTUi Ktti t^ F; c£r, p. 198, 7. Lin. 33 ist st. dpa zu
lesen fcTai (cfr. Quaest Arch. p. 135). Lin. 41 hat F richtig: Tip
fi^v UITÖ APT; Lin. 42 und 44 hat F falsch: j&Q dcTt st. TiV€Tat,
wie p. 200, 17. P. 200, 4: Icov dcTi tiu F.
Die Vorrede zum Comm. zu kukXou ^eTpT]ClC p. 204 ist mir un-
klar; vielleicht ist nur dvTUTXdvoVTi Lin. 25 in dvTUXÖVTi zu an-
dern, und die ganze Stelle so zu übersetzen: ^es dürfte mir, indem
ich mein Ziel erfülle, das nfichste sein, weil ich das deutlichere
and nur kürzeres Einhaltens bedürftige der Archimedischen Schriften
schon behandelt habe, auch alles , was in ihnen (den Schriften des
Archimedes) der Erläuterung bedarf, in einer mit einem Commentar zu
den Büchern über Kugel und Cylinder übereinstimmenden Weise zu
bearbeiten, weil es wahrhaft wünschenswerth ist auch über das
grössere und eines tieferen Studiums bedürftige nachzudenken'. Doch
gestehe ich, dass mich die Stelle noch nicht befriedigt. P. 204, 38
ist mit F ÖTi toutI dv wiederherzustellen. P. 205, 1 hat F richtig:
boK6i hi Tivt; Cr. hat dasselbe gelesen, übersetzt es aber falsch
dnrch ^videtur autem quadam re'. Lin. 5 schreibe ich: bebeiT^^vov
dv ein. Lin. 8: Ti juit^^oc F richtig, üebrigens ist so zu inter-
pungiren: iravri iiou bf^Xov, oT^ai, kui toOto (*und zwar*) täv.
Lin. 10 ist für xdv wohl xai zu schreibea Lin. 13: tö TpiTUiVOV F.
Lin. 16 mu88 Oau/yiacTÖc gelesen werden, und Lin. 15: oubeinidc
bei ZriT^ceuiC. P. 208, 40: fcrai f| F (kui ed. Basil.), wie p. 209, 16:
übe f| Z€. Lin, 36 kann IrficroL nach <psa' r\' sehr wohl mit F
beibehalten werden ('691 et % proxime' Cr.). P. 212, 18: iroX'Xa-
TTXacioZöjiievoc F. P. 213, 9 ist uttö mit F zu streichen, und Lin. 25:
Tf^c dicpißcCc zu lesen. P. 214, 2 ist xal Tf|V öjüOiÖTTiTa und xal
Tf}v dvaXoTiav zu schreiben; cfr. Lin. 22 ff. Lia 6: dcriv fXaccov
F. Lin. 35 ist die Lücke der ed. Basil. in F so ergänzt: t&nep^x^t
Top TÖ dir' aÖTfic toO dxpißoOc M iß' t' X^'; Torelli tat die-
selben Worte restituiut, aber in verkehrter Ordnung.
Aus dieser Zusanmienstellung wird die Vorzüglichkeit des Codex
Florentinus den Ausgaben gegenüber noch deutlicher hervorgehen;
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384 J. L. Heiberg:
in den meisten Fsllen genügt ein einfoches Zorttckgehen auf seine
Lesarten zur Wiederherstellung eines genauen und richtigen Textes.
Oewiss wird aber eine neue, sorgfUtige Collation noch manche Be-
richtigung hinzufügen.
n.
lieber die Restitution der zwei Bücher des Archimedes
irepi cqpatpac Kai KuXivbpou.
In meiner Dissertation: Quaestiones Archimedae p. 69 — 77
habe ich zu zeigen versucht, dass die Bftcher ir€pl c<patpac m
KuXivöpou imd die Abhandlung kukXou ji^Tpiicic Ton Archimedes
nicht in ihrer ursprflnglichtti Form, sondern in einer sp&ten, wenig-
stens nach Eutokios Torgenommenen Umarbeitung überliefert sini
Ich habe dort nur einige der aufBaUendsten Belege kurz angedeutet;
hier soll die ganze Frage etwas eingehender erläutert und neues
Material hinzugefügt werden.
Bekanntlich sind diese Bücher ihrer dorischen Form entklei-
det**), und Torelli hatte (s. p. XV seiner Vorrede) die Absicht sie
wiederherzustellen, unterliess es aber auf den Bath einiger seiner
Freunde. Ich möchte es auch nicht für rathsam halten, bei einer
künftigen Ausgabe des Archimedes diesen Versuch zu machen.
Denn der Tranescriptor hat sich offenbar nicht damit begnügt, etwa
Tl für a zu substituiren oder die dorischen Endungen zu Sndem
u. dgl.; er hat vielfach die zu seiner Zeit gebräuchliche mathema-
tische Bedeweise, die von der archimedischen nicht unbedeutend
abweicht, hineingebracht, was die Bestitution sehr zweifelhaft macht
(einige Beispiele s. Quaest. Arch. p.69 — 70), imd, was noch schlim-
mer ist und eine einigermEissen sichere Wiederherstellung nahesu
unmöglich macht, er ist öfters ohne besonderen Orund ganz will-
kürlich von der archimedischen Darstellungsweise im Einzelnen ab-
gewichen. Den Beweis hierfür liefern die Lemmata des Eutokios,
die der Transseriptor wohl ebenÜEdls des dorischen Dialekts entldei-
det, nicht aber (wenigstens nicht überall) mit seiner Bearbeitung
des Textes in Einklang gebracht hai Von solchen willkürlicheu
Abweichungen, gegen welche man sich niemals sicher wissen kann,
seien hier die folgenden angeführt:
Im Text: Eutokios:
P. 76, 11: 6i& toOto 6f| «Xaccov P. 76, 16: bxä bi\ toOto Äacc6v
tooi tö ircpiTpoup^ cuvofuupot^pou. icxi t6 nepiTpcupdiülcvov toO ort-
") Gelegentlioh bemerke ich, dass eine solche Transscription ans
einem entlegenen Dialekt in die icotvyi nichts unerhörtes irt; fSr Hippo-
krates wird dasselbe beseogt von Galen XVIII' p. 778 ed. Kühn.
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PhilologiBche Studien zu griechiBclien Mathematikern. 885
P. 78, 8: fcovrai dpa xal ai dir6
rf\c icopuq>f)c toO kuüvou krci täc
äqpÄc ImicuYviIiiLicvai xdOcTOi ^irt
Tdc A€, Ze, ZA.
P. 79,21: toai 6i?i xd ABf, BAf
Tpixwva fA€ti:ova toO AAP xpiTtiü-
vou.
P. 82, 8: d€l 6f| ir€piTpd(povT€C
iroXi&yuivo ir€pl xd x|bifi)biaxa (un-
richtig; es ist nur Ton einem Tnf\\xa
die oede).
P. 82, 11: dTTOX)Lif|jbiaxa, fit Icrai
^Xdccova xoO 6 xuipiou.
P. 87, 80: vocicOw 6f| ir€piT€TP<»|A-
fiivov Kttl ^CTpafAjuugvov.
P. 88, 14: xöv a(rr6v Kei Xötov
xd €(»OOYpaji)Lia, ßvircp. Torelli will
mit Eutokios xd €(»80Tpa|üi|üia strei-
chen.
P. 111, 16: (&cx€ Kai al xiliv M, N
&td^€xpoi xöv a{ixöv l%qva Xdfov
TCt!c xÄrv iroXuf il»vwv irXcupalc.
P. 118, 46: x6 hk (mö xfjc €0
KxX. . . . x({» Oirö vSjv €A, K6 irepi-
P. 166, 1: Xöyoc dpa xflc AP irp6c
TB boedc
P. 168, 4: dXX' liic M^ V) PA
irpdc AA, x6 dirö BA.
P. 182, 9: xd kitX xijjv KM, AP
eöOctijjv xiliv kOkXujv x^fjibiaxa.
P. 183, 28: XÖTOC dpa cuva^cpo-
T^pou xf)c €A, ZA irpdc ZA 6o-
Ocic.
P. 197,28: 6flXov, öxi /j BA Ikdc-
cuiv ^cxl H ftiirXadujv 6uvd^€i xfjc
AK, xflc bi tK xoO K^vxpou neilwv
fi öiirXaduiv öuvdfxci (buvdfiet streicht
ToreUi).
An diesen Stellen darf man gewiss die von Eutokios gebotenen
Lesarten, die meistens sowohl sinn- als sprachgemftsser sind, als
echt archimedisch in den Text au&ehmen. Weil aber unzählige
solche kleine Modificationen des Ausdrucks filr uns yerborgen sein
können, würd es verlorene Mühe sein, die dorische Dialekt wieder-
herstellen zu wollen; man wird doch nicht die Hand des Archimedes
erreichen. Ebenfalls scheint es mir zu gewagt^, die archimedische
Terminologie wieder einzuführen, wenn wir auch zuweilen den
Transscriptor gleichsam auf frischer That ertappen können; so z.B.
p. 151, 50: irpöc Tf|v K66eTov toO Xomqö i\ir\}xaioc, während
Eutokios p. 192, 36 mit dem Spraohgebrauche des Archimedes
übereinstimmend: Trpöc tö övpoc toG XoiitoC TMfjjiaTOC citirt; cfr.
Quaest. Arch. p. 71; ebenso p. 158, 46: TTCiroirjcdu) yop die (i&v
P. 78, 88: al dpa dir6 xf)c KOpu-
q)f^c ^irl xd A, B, f ^TnZ!euTvO|bi£vai
Kd6€Xo( clciv ^ir* aöxdc (c: xdc iqp-
oirro)Li6^ac Lin. 8).
P. 80, 23: |yic(2:ova dpa icr\ xd
ABA, BAT xpiywva xoO AAP xpi-
Yiirvou.
P. 82, 46: TTCpiYpd^ovxcc b9\ izo-
XuTuiva TTcpl xö x|Lifi|bia (was To-
relli mi6 unrecht ändern will).
P. 82, 48: dirox|jif)jbiaxa ^dccova
xoO 0 xwpiov.
P. 90, 2: vocicOuu bk clc x6v B
kOkXov ircpiteTpafifji^vov xal ^tT^-
Ypa^^^ov.
P. 90, 13: xöv auxöv Sei XdYov,
ÖVTTCp.
P. 112, 14: £x€t bk Kai /j btdfi€-
xpoc xoO M kOkXou irpdc Tf\v bid-
^€xpov xoO N XÖTOV, öv €x€t /j €A
irpdc AK.
P. 119, 7: dXXd x6 tnrö €0 . . .
r<p <mö vSjy €A, K0.
P. 166, 39: boOclc bk \6^oc xf|c
Ar irpdc TB.
P. 162, 80: du* Oic M^^ Vi PA
irpdc AA, iödxOn x6 dird BA.
P. ,182, 47: xd iizl xC&v KM, AT
x|jifmaxa kOkXuüv.
P. 184, 19: XÖTOC dpa bcöo^^^oc
cuvaiLupox^pou xf)c €A, AZ irpdc
AZ.
P. 198, 39: bfjXov 6^, öxi i»| BA
xfjc fi^ AK ^dcciwv ^cxl f\ bnrXa-
c(a 6uvd^€t, xf)c bk kx. xoO K^vxpou
l^eiZuiv f\ 6itrXada.
Jahrb. f. olMi. PhiloL Suppl. Bd. XI.
2ö
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386 J. L. Heiberg:
cuva^qpÖTCpoc f| KB, BX yerglichen xnitEntokios p. 176, 44: q>na,
öir T€TOV^TUi die cuvapcpÖTCpoc f) KAX; cfr. Quaest Arch. p. 70.
In den meisten Fällen aber können wir nur sagen, dass Archimedes
so nicht geschrieben habe, wohl auch annShemd die nrsprOngliche
Form angeben, die eigenen Worte des Archimedes aber nicht mit
Sicherheit restituiren. Dasselbe gilt von den Stellen, wo der Trans-
scriptor aus Nachlässigkeit die wohl berechnete und nothwendige
Ausführlichkeit des Archimedes verkürzt hat und dadurch die Ge-
nauigkeit und Verständlichkeit beeinträchtigt (Quaest. Arch. p. 72
und 73). Hin und wieder lässt sich auch hier das Richtige aus
Eutokios ersehen, wie z. B. p. 72, 2: icoXuTUiVOU tcxi xrXeupd ico-
itXeupou; aber Eutokios p. 72, 36: ttoXutuivou iczi IcoirXeupou
Kai äpTtoirXeupou irXeupd; cur. p. 73, 4 u. Quaest Arch. p. 76.
Ebenso steht p. 89, 2 kurz: xat IvaXXdS' Sirep ä^uvarov; aber
Eutokios p. 90, 49 hat: ^vaXXdf äpa ^Xdccova Xötov £x^i tö
7rp(c)ia irpdc töv KÜXivbpov f^ircp tö dTT^TpaiiM^vov clc töv B
kukXov TToXuTunfOV trpöc töv B kökXov ötrep firoTTov. Am häufig-
sten können wir aber nur die Nachlässigkeiten anzeigen, ohne genau
sagen zu können, wie sich Archimedes ausgedrückt hatte.
Es ist daher nur eines übrig, das wir fOr die Reinheit des
Textes thun können: die zahlreichen Einschiebsel zu entfernen.
Daran soll hier ein Versuch gemacht werden im Anschluss an das
Quaest Arch. p. 74 — 76 gesagte.
I 4 p. 71, 61 sind die Worte: buvarAv T&p toOro ans Euto-
kios p. 72 in den Text gedrungen. Seine Anmerkung ist nämlich
so anzuordnen: xal dirö toO K Tf| 6 Tct] Kari^x^ f) KM] buvaTÖv
TÄp toOtö, trpoc€KßXri9€icT]C (so cod. Flor.) .., Kcd teOeicTic .., bwt-
cn^luaTt bk . . TP<3tq>^VT0C. Sonst würden die QenitLvi absolnti ohne
Verbindung stehen; auch beginnt Eutokios regelmässig seine An-
merkungen mit T<ip*
P. 72, 2 flf. sind die Worte: direiirep i\ iird NHP fuivfa fierpei
Tf|v uiTÖ AHr dp6J)v oficav, Ka\ f) NT äpa ircpup^peta Mcrpci
-rtjv TA, T^TopTov oijcav kukXou. &ct€ xal töv kükXov juieTpc?.
iroXuT^vou dpa dcrl itX€up& kotiXcOpou. <pav€pdv t^ Icn toOto
als unecht schon durch die Form bezeichnet; sioher wird dies da-
durch, dass sie eben den Inhalt der Anmerkung des Eutokios p. 73,
36 — 73, 4 in etwas trivialisierter Gestalt wiedergeben. Aneh p. 72,
12 sind die schon durch die mangelhafte grammatische Verbindung
verdächtigen Worte: qxxvcpöv, örr Ka\ 6|üU>iov xC^ ixTPOB^o^ivw^
oS irXeupd f) NT nur ein Besum6e von der Bemerkung des Euto-
kios p. 73, 24 £, die seine eigene Zuthat ist. Die Yorhergehenden
Worte p. 72, 10—11 hatten nach Eutokios p. 73, 6 diese Form:
I&CT6 Kai f| OTT troXuT^iC'VOu icrlv IconXcupou irXeupd, nioht wie
im Text etwas unlogisch steht: &CT€ Ka\ f) TTO iroXuri&vou icA
trXeupd toO nepiTpacpoM^vou nepl töv kukXov Ka\ UonXeupou.
P. 72, 19 sollten die Worte: Tour^cnv f| TTO npdc NF tot tildc-
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Philologische Studien sa griechischen Mathematikern. 387
cova XÖTOV €x€i stehe«. — I 5 p. 74^ 1 und 3 sind: buvOTÖv yop
TOÖTo and buvordv top toöto, ^neitrep ^€t2:ttlv icrX fi H rflc OK
wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Einschiebseln p. 71, 51 und 72,
2 als nnacht anzneehen.
I 6 p. 75, 2 schrieb Archimedes gewiss nicht: KOtOwc ijLiddo«
^€V mit Bezug auf I, 4; auch ö^oia t^ Lin. 5 ist wohl unecht
Ueber I 7 s. Quaesi. Aroh. p. 74; Archimedea hatte gewiss
nitr einen Beweis ftr einen so einfachen Satz Yorgetragen; das
echte scheint aber hier in ungewöhnlich hohem Orade verwischt.
I 8 ist ebenfaUa der zweite Beweis p. 77 entschieden unecht;
er ist, wie auch die Ueberschrift angiebt (caq»^CT€pov (!) dXXuiC f|
5€iEic), nur eine Verdeutlichung des ersteren. Es würde ja doch
seltsam sein, denselben Beweis erst in einer gedrängteren Fassung,
dann gedehnter und „deutlicher^' zu geben.
I 9 ist es wahrscheinlich, dass der echte Beweis, der wie der
Beweis I 8 p. 76 geführt gewesen sein mag, ganz von einem dem I 8
p. 77 unterschobenen ähnlicben yerdrftngt worden. Jedenfalls sind
die Worte p. 78, 1 ff.: 6 d£u)v toC kJjvox) öpOöc dcri irpöc Tf|v
pdctv, TOUT^cri irpdc töv ASr kukXov, icai unecht; denn sonst
würde der Beweis des Eutokios überflüssig sein; s. namenüich p. 78,
39. Das üebrige von dem Anfang des Beweises mag dagegen echt
sein; wenigstens fanden sich in dem echten Beweis die Worte Lin.
8: im Tctc £<poirro^^vac; denn auf sie bezieht sich aördc im Lenuna
des Etttokios p. 78, 34 (s. oben).
I 14 p. 88 ist ausser den Quaest Aroh. p. 74 bezeichneten
Worten noch Lin. 3: £iT€ibf| ß(iciv fikv fx^t t^ nept^^Tpi)) Tcnv,
vi|ioc bi fcov Tfl ^K ToO K^VTpou ToO A-KUKXofif, Lin. 7: ine\br\
n^i}iX€rai öttö xfic TrXeupac toO KvXivbpou Ka\ -rtjc Tciic tQ nepi-
M^Tpip Tf)c ßdc€uic ToC 1Tp(c^aT0C, Lin. 17: a\ t&P TA, H tcai eld
TaTc £k tu)V K^vrpuiv (so Florent.) und Lin. 35: iireib/nrcp Tcai
eldv a\ KA, AZ etwas müssige Zasätze; Archimedes lässt duroh-
gehends solche einfache Begründungen weg. Auch p. 89, 3 ff.: f|
M^v T^ ^ni^ävcict Toö irptc^aroc toO ireptifCTpaHM^vou nepi t6v
KuXivbpov ^€i2ulv odca b^bciKTat Tf)c iiiispaveiac toO KvXivbpou,
t6 bk [dt-JT^TpaMM^vov €Ö9uTP<xmiU)V ty tif» B k6k\\^ IXaccöv kri
ToO B kukXov mnss unecht sein; denn p. 90, 61 giebt Eutokios
eine andere Begründung des dronov, was er ohne Zweifel nicht
gethan bfttte, wenn Archimedes selbst das Nähere zugefügt.
I 15 p. 91, 40 ff. halte ich die Worte: f) M^v t&P T to] lci\
T$ ditd TOÖ K^vrpou KOd^rtfi iiA ^iov irXcup&v toO ttoXut^vou, f|
bi A T^ irXcup^ ToO w^w. Koivöv bk fiipoc f| ircpi^crpoc toO wo-
Xurutvou irpöc td fmicn Twv intcpaveturv für eingeschoben; denn
ausserdem dass sie überflüssig sind, sind sie, namentlich die letzten
Worte, sehr unklar; der Beweis ergiebt sich leicht aus p. 88, 2 ff.,
I 9 und EnkL VI 1 nnd war gewiss von Archimedes als selbst-
verstfindlich weggelassen. Noch ein Orund gegen die Echtheit die*
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388 J. L. Heiberg:
ser Worte liegt darin, dass die ganz entsprechenden p. 92, 26 ff.:
f| ydp Ik toO K^vTpou toO A kukXou trpdc Tf|V TiXeupav toö
Kiivou jiettova Xötov Ix^i fjirep i\ dnö toO K^vrpou dto^^vr) ko6-
exoc im )iiav irXeupdv xoO ttoXutoivou irpöc Tf|v iiA -rtjv itXcu-
pdv ToO TroXuyilivou xdOeTOV dTO^^VTjV dtrd rflc Kopuqpfic toö
Kidvou echt nicht sein können; denn eben diese Begründung, zum
Theil mit eben denselben Worten, giebt Eutokios p. 92 — 93. Auch
die Worte p. 92, 4 ff.: f| jiifev ydp dTTicpdveia xfjc TTupajiiboc ficiZwv
oöca b^beiKxai xfJc dTnq)av€iac xoO kiIivou, xd b^ dTT€TP«MM^vov
€u6uTpa|Li^ov iv xip B xuKXqj ^Xaccöv icrX xoO B kukXou werden
durch die Aehnlichkeit des beweislichen Einschiebsels p. 89, 3 £
verdächtig.
I 16 p. 93, 48 möchte ich xoOxo ydp IbetxOii tv xijj irpo
xouxou auswerfen; ebend. sind gewiss nicht nur die Qnaest. Arcb.
p. 74 angezeigten Worte, sondern auch die zunächst vorausgeben-
den p. 93, 62: ^Kdxcpoc ydp 6 aöxöc dcxi xijji xflc € npdc B öuvd-
|üi€i bid xö xouc kükXouc Ttpöc dXXrjXouc ctvai, die xd dTrö xwv
bia/i^xpujv xexpdyiüva trpöc fiXXnXa, ö/ioiujc bi kqi xd dnd xwv
^K xujv K€vxpujv xujv kukXuiv uud die folgenden p. 94, 3: xatc bi
Ik xiüv K^vxpuiv Icai elciv a\ B, € zu streichen; cfr. p. 91, 34 ff.
U. 8. W.
I 18 p. 96 möchte ich Lin. 31: xd bk Tca trpöc x6 aux6 xöv
auxöv ix^x XÖTOV streichen; ebenso halte ich die Wiederholung von
I 16 mit den daran gereihten Folgerungen (Lin. 38 ff.: dbcixOr]
Tdp xoOxo, 8x1 travxöc kiüvou icocKeXoCc f| imq>av€ia irpöc xf|v
ßdciv xöv auxöv Xöyov ?X€i, 8v f| TuXeupd xoO kuivou irpöc xf|v ^k
xoö K^vxpou xfic ßdceujc, xoux^cxi f| A€ irpöc €9. 'Qc bi f| €A
irpöc 06, ouxuic f| AG irpöc GK* IcoTiivia f&p icvi xd xpifuiva*
Ten bi kxiv fi GK xq AH) für unecht.
I 19 p. 97 sind vielleicht Lin. 33 die Worte: ö\io\a yäp xd
xpiyujva und Lin. 36: utr^Keixo ydp derselben Sucht auch das
Selbstverständlichste ausdrücklich angeben zu wollen entsprungen.
I 22 p. 100—101 sind die Worte: Kttl inex buo irapdXXiiXoi
elciv a\ €A, KZ, Kai bOo buiTM^vai eiciv a\ €K, AO ganz über-
flüssig und rühren schwerlich von Archimedes her. Dasselbe gilt
von I 23 p. 101, 46: Kai d)c dpa irdvxa irpöc rrdvxa, de xtöv
Xöyuiv irpöc iva, die überdem eine üngenauigkeit enthalten; denn
es müsste entweder: ouxuic elc xwv Xöyujv heissen oder: ouxuic tv
TTpöc Sv; cfr. Eutokios p. 162^ 42 u. s. w.
I 31 p. 109, 18 kann Eutokios nicht die Worte: biirXada
rdp ^cxi xfic XC, oöcr|C ^k xoO K^vxpou xoO AB TA kOkXou gelesen
haben; denn seine Anmerkung p. 109 geht eben darauf aus zu be-
weisen, dass GK das Doppelte von XC sei; auch dürfte in dem
Text eine Angabe über den Pimkt C nicht fehlen. Aus Eutokios'
Worten geht deutlich hervor, dass er den Punkt C auf der archi-
medischen Figur nicht angegeben vorfand.
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Philologische Stndien zu griechischen Mathematikern. 389
I 33 p. 110 sind jedenfalls die letzten Worte Lin. 17: ßdciv T€
Top jigiZova f\ TCxpaTrXaciav ?X€i kqi öipoc Tcov unecht; Archi-
medes stützte sich gewiss stillschweigend auf p. 96 Lemma 1; viel-
leicht beginnt aber das erklärende Einschiebsel mit ^ireibrj Lin. 16.
I 34 p. 111, 16 stand nicht: ulict€ Kai a\ toiv M,N bidperpoi
TÖv ainöy Ixouci Xötov rate toiv iroXuTiivuiv TrXeupaic, sondern,
wie Eutokios hat p. 112, 13: ^x^ ^^ ^ai f) bidpeTpoc toC M kukXou
irpdc Tf|v bid^eipov xoO N Xötov, 6v fx^i ^ €A irpöc AK. Sowohl
diese unzweifelhaft echte Fassung dieser Worte als namentlich auch
der Umstand, dass Eutokios p. 112 sorgf<ig beweist, dass die
beiden Diameter sich wie die Polygonseiten €A und AK verhalten,
zeigt, dass Archimedes diese Folgerung ohne alle Begründung als
eine von dem kundigen Leser leicht zu ermittelnde hingestellt
hatte. Daher sind die Worte p. 111, 9 ff.: Kai dirci öpoid den xd
TTcXurw^va, ö|Lioia Sv eXx] Kai xd 7T6pi€XÖji€va xiwp'ci öttö täv eipn-
ji^vuiv TpajijiÄv, TOUT^CTi Tuiv dm xdc yi^vCac Kai xäv TrXeupujv
Tiöv TToXuTwvuiV. "Qcxe xdv auxöv Xötov Ix^iv irpöc äXXiiXa, 8v
^Xouciv al xuiv troXuTiwvujv nXeopai buvdjxei. 'AXXd Kai 6v ix^i
XÄTOV xd Tr€pi€XÖ^€va utrö xuiv elpimdvuiv TPCtmiÄv, xoOxov ^xov)-
civ a\ Ik xujv Kdvxpujv xi&v M,N kukXujv Ttpöc dXXrjXac buvdjuei,
die eine, jedoch nicht sehr exaote, Begründung eben jener Propor-
tion enthalten, als spttteres'Einschiebsel zu streichen. Auch die fol-
genden Worte: ol bk kukXoi irpöc dXXrjXouc biirXaciova Xötov
Ixouci xaiv biapdxpuiv, oKxivec !coi elci xak dTriq)av€iaic xoö 7T€pi-
T€Tpolfi^dvou Kai dTT^TpctM^dvou Lin. 18 ff. sind zu streichen;
Archimedes hatte ohne Zweifel die Folgerung: bf)Xov oOv kxX. un-
mittelbar angereiht
I 36 p. 116, |6 ff.: biöxi 6 iikv 5 k&voc xexpaTiXdciöc dcxi
xoO Kiiivou xoO ßdciv \ikv ?xovxoc Icriv xifi AB TA KUKXtp, övpoc
bfe Icov x^ dK xoö Kdvxpou xf}c cq)aipac* xd bt dTTCTPCiMMdvov
cxnMa fXaccov xoO clpi^^vou kuivou f\ xexpaxrXdciov halte ich für
unecht; das gesagte scMoss Archimedes stillschweigend aus I 28.
I 39 p. 118, 21 fil: x6 Tdp auxö irdpac auxwv dcxiv dv dm-
irdbi}! xoO X6 x|Liri|iaxoc Kai xoö cxTiMCfroc f| TtepKpdpeia xoö kukXou,
oö bid)i€xpoc f) AB* Kai dm xd auxd KOiXai dpcpöxepat eiciv a\
diTi<pdv€iai, Kai irepiXa^ßdvexai f) dxdpa uttö xf)c dxepdc sind,
ausserdem dass der Anfang verworren und unklar ist, yöllig über-
flüssig. Denn die in ihnen gegebene Erläuterung ist schon in den
eigenen Worten des Archimedes: Kai £cxai xö T^viiO^v cxfiMa exe-
peöv imö kuivikujv diTiqpavcnöv ircpiexöjievov, ßdciv pfev fxov
kükXov, o\} bld^€xpoc f| AB, KopuqpfjV bi, xö f Lin. 15 ff. ent-
halten, wie ja auch die erläuterten Worte: ö^oiuiC bf| xoic irpö-
xepov xf|v dmcpdveiav dXdccova Öei xfjc xoö T\xf\\iaTOC dmqpaveiac
xoö 1T€plXa^ßdvovxoc durch die Partikel brj als in dem Vorher-
gehenden begründet bezeichnet werden. Auch hat Archimedes
durch die HinzufÜgung Ton xoö nepiXafißdvovxoc dem Leser die
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390 J. L. Heiberg:
Anwendung Yon Lemma 4 p. 65 so nahe gebracht, dass es einer
ausführlichen Anwendu;^ desselben nicht bedurfte. Ich «rkenne
daher in den bezeichneten Schlussworten ein Olossem.
I 40 p. 118—119 sind die Worte: Ka\ T^P toO uttö AG, GK,
Tcou dvTOC Ti$> dtrö 9A dem Eutokios entnommen, dessen Anmer-
kung p. 119, 11 ff. ich so gestalten möchte: tö bk t&nd €A, K6
Aaccöv dcTi ToO dird GA] Kai T^p toO öttö AG, GK, Tcou dvroc
r^ dtrö GA, &c icn bfJXov ktX. Denn nur mit den Worten: xai
Y^lp ToO imö ktX. erhKlt sie einen passenden und mit der Gewohn-
heit des Eutokios übereinstimmenden Anfang. Cfr. zu I, 4.
I 42 p. 111, 27 ff. möchte ich die auch sprachlich bedenk-
lichen Worte: ir^pac T^p ^v ^vl dmiTebiji Tf^ auTiiSj (t6 aörd?)
^ouciv TÖv nepl bid)i€Tpov Tf|v AB kukXov, kqü iT€piXa|Lißdv€Tm
TÖ Tfif^^a imö ToO q(i^)iaTOC wegen der üebereinstimmung mit der
Interpolation I 39 streichen. Auch Lin. 32 ist: (m6 tdp öp9f|v
iitroTelvei gewiss unecht.
I 43 p. 122, 18 enthalten die Worte: toOto bk ^f)Xov bid tö
npOTCTpcimi^vov eine Ungenauigkeit; denn toOto bezieht sieh nicht
auf das zunSchst Vorhergehende, sondern auf den ganzen Satz. Da
an einen Schreibfehler kaum zu denken ist, sind diese Worte ohne
Zweifel späterer Zusatz. Dann werden auch die ähnlichen I 45
p. 123, 38: bfjXov oöv TÖ X€TÖ)i€VÖv Icriv ^k toO trpoT€Tpaw*€-
VOU in Verdacht gezogen.
I, 48 p. 127, 14 fohlt offenbar etwas in dem Beweis, nämlich
die Begründung, warum Z auch nicht grösser sein kann ^s die
OberÜächo des eingeschri^>enen Polygons.
I 49 p. 127—128: direibfiiTep iKoripa T6TpanXacta dcri toö
rrept bid^erpov Tf|V Bf kijkXov ist überflüssig und gewiss inter-
polirt; über ^Tr€tb/|iT€p cfr. die Interpolation p. 88, 35. Aber auch
p. 128, 3: b^beiKTai ydp toOto ^m toö iXdcccvoc fmic^aipiou
sind vielleicht zu streichen.
I 50 p. 129, 9 sind jedenfalls die Worte: tout^cti toö h^'
Toc ßdciv jLifev kOkXov, oö i] iK ToO K^VTpou \cr\ tcr\ Tfji Anö tnc
Kopu<pf)c ToO TfinfLiaroc iiA ri\y neptcp^peiav £irt£€UTVUfi^vq cdGetqi
TOÖ kukXou, öc icTi ßdac toO T|uiri|üiaTOC, äjioc bfe tf|V Ik toö kcv-
Tpou Tfjc cqKxipac. oötoc b^ ^ctiv 6 elprunkvoc kO&voc 6 G' ^av
Tf| Tdp ix^i kOkXov kov tQ £in(pav€{(|t toö TjiTJiiaToc, Tourtoi Tiji
cipriM^vq) KÜKXqj kqI äipoc tcov t^ Ik toö K^vrpou Tf)C ccpaipoc,
die nichts als eine alberne und wortreiche Umschreibung der hin-
länglich deutlichen Worte: TOÖ ttiXikoutou KUivau Lin. 9 enthalten»
als Einschiebsel zu betrachten.
n 2 p. 132, 21 sind die Worte: toiv bi Icuiv KuXtvbpuiv
dvnnEiTÖvOaciv cd ßdccic rote utjicav vielleicht unecht; denn eis
Satz von dieser Form kommt bei Archimedes nicht vor; er hat sich
wohl stillschweigend auf Lemma 3 und 4 p. 96 bezogen. Auch die
Worte Lin. 25 ff.: 6 ydp fmiöXioc xOXivbpoc Tf^c cqpaipac fcov i%^^
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Philologische Stmdien zu griechischen Mathematikern. 391
t6v ä£ovo Tq biofi^Tpifi Ti^c c<paipac, xai 6 K kukXoc ^^t»ct6c
i<x\ Tuiv iv Tf\ ccpaipcf geben sich durch ihre nicht eben glücklich
gewählte Form als Interpolation kund. Es müsste heissen: denn
weil der Cylinder «» --- Kugel, und die Axe «» dem Diameter der
Kugel, muss die Basis dem grössten Kreise gleich sein, also ihr
Diameter «> der Axe (I 37). üebrigens finden wir hier wieder
ein Beispiel der oben erwfihnten willkürlichen Aenderungen des
Interpolators; denn erstens stand nach p. 218 im Schluss des Satzes:
tCT]V (tcav) TIJJ KWVlü fj T(fl KuXlVbpi}!, nicht TUJ KUIVlü fj TUJ KUXlV-
bpijj Tcr^v, wie p. 132, 14 steht; zweitens ersehen wir aus Eutokios
p. 133, 26, dass die echte Form der Worte: xai K€tc6uj toC A K(Ii-
vou f\ KuXivbpou f)pi6Xioc KuXivbpoc 6 fZA p. 132, 16 diese war:
€lXr|q)eu) ToO bo9^vTOC kwvou fj KuXivbpou fiJLiiöXioc KuXivbpoc;
auch fällt in der überlieferten Form die ungewöhnliche und unpas-
sende Bezeichnung des Cjlinders durch fZA auf. Auch p. 133, 3
hat Archimedes nicht eiXfjqpGu; (in unrichtigem Numerus), sondern
eupncOuJcav geschrieben nach Eutokios p. 135, 8. Der Beweis der
Synthesis p. 133, 10 ff. ist im Anfang sehr ungenau und nachlässig
redigirt, aber die echte Gestalt festzustellen traue ich mir nicht zu.
II 3 p. 152, 11: dTTci xai f| ßdcic Tf]C ßdceujc xai f| dTTiqpä-
veia Tf)C cqpaipac toC fieTtCTOu kukXou itSjv iv aurQ ist ganz sinn-
los; denn die beiden Grundflächen sind eben die Oberfläche der
Kugel und der grösste Kreis; vielleicht sind auch die vorhergehen-
den Worte Lin. 8 ff.: f| fäp cqpaipa b^betxTai TerpaTrXada toO
KlüVOU TOO ßdciV fifeV f XOVTOC TÖV ^^T^CTOV XUkXoV xai ÖvpOC Tf|V
Ik toO x^vTpou Tfjc cqpaipac. *AXXä |Lif|v xm 6 N xOjvoc toO avroO
^CTi TCTpairXacia zu streichen. Archimedes durfte sehr wohl dem
Leser zumuthen den Beweis aus I 36, I 35 und Lemma I p. 96
seibat zu suppliren. üebrigens ist der Anfang dieses zweiten Be-
weises der letzten Hälfte von Satz 3 p. 152 corrumpirt (Quaest
Arch. p. 73), und das echte schwerlich mit genügender Sicherheit
wiederherzustellen, üeber die unechten Stellen p. 151, 4 — 14 und
p. 153, 3 — 11 8. Quaest. Arch. p. 75. Ich habe nüch dort irrig
für die Unechtheit derselben auf Eutokios p. 154 berufen; es findet
sich bei ihm nichts, das ihnen widerspräche. Dennoch steht ihre
Unechtheit fest, schon wegen des sinnlosen Anfangs: f\ outuic^ was
nur dann passend wäre, wenn ein anderer Beweis vorausginge; das
ist aber nicht der Fall, Archimedes stellt die Behauptung (die sich
sehr leicht durch Lemma 1 und 4 p. 96 begründen lässt; cfr. Euto-
kios p. 154, 35 ff.) als selbsteinleuchtend hin. Die Worte p. 151,
4: TOÖTO T&p iv TOic X/j)üi|Liaci ToC TrpüJTOu ßißXiou b^bciKTai könnte
man vielleicht vertheidigen wollen; aber die aufgestellte Behaup-
tung ist keineswegs, wie sie besagen, ^in den Lemmata des ersten
Buchs bewiesen', sondern muss durch Combinaüon zweier von ihnen
ermittelt werden. Für die Stelle p. 151^ 31: Icoc dpa icix tCu
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392 J. L. Heiberg: •
B6ZA CT€p€ib To^ei* toOto t^P iv t^ irpü&rqj b^beiKiai könnte
man aus Euiokios p. 153, 39: 9ficiv, ÖTt ö N kwvoc tcoc den r^
ZAB6 CTcpeuj tojicT, dbc bdbeiKTai dv t<\) irpufTt)) ßißXitfJ auf eine
andere Gestaltung schliessen wollen, aber Eutolsios citirt hier nicht
wörtlich, wie schon das Fehlen von einem Spa zeigt, das jedenfalls
im Text gestanden haben mnss; vielleicht sind jedoch die Worte:
d)c b^bciKTai dv Tip irpuiTUJ ßißXiijJ, auf welche es hier dem Euto-
Mos hauptsächlich ankommt, in dieser Form aufzunehmen.
II 4 p. 155 finden wir in der ursprünglichen Fassung p. 218,
woraus sich ergiebt^ dass der Transscriptor ausser einigen mindern
Veränderungen sich die Einführung des nicht-archimedischen 5ituuc
fttr djCT€ (Quaest. Arch. p. 70) erlaubte.
P. 166: P. 218:
Tf)v öoO^cav ccpotipav ^tnirdbip Täiv 6o0dcav cqpatpav ^imr^&qi
T€|Li€tv, Öiriwc al TtSjv T)Lin|bidTiuv km- t€|uiöv, löcre tA T^dfbiaTa töc tm-
q>dv€iai irpöc dXX/|Xac Xötov ^x^^^ qpavciac t6v xaxö^a Xöyov Ixew
t6v aÖTÖv Tiji 6o6^vTi. ttot' dXXoXa.
Es ist auffallend, dass Archimedes p. 218 ^ wo er eine üeber-
sicht der dem Eonon zugeschickten Probleme giebt, die meistens
im zweiten Buch über Kugel und Cylinder gelöst sind^^), II, 5 vor
II 4 stellt. Wahrscheinlich sind diese beiden Sätze von dem Inter-
polator, ungewiss warum, verwechselt worden; denn in seiner Note
zu II 5 sagt Eutokios p. 159, 29: tv yäp Tf^ trpö toutou cuv-
riT€TO oÖTUic, was nicht füglich anders als: *im vorhergehenden Satz'
aufgefasst werden kann. Die angeführte Schlussreihe findet sich
aber nicht in II 4, wohl aber in EL 3 p. 150, 27 ff.*^) Demnach
folgte in der dem Eutokios vorliegenden Bedaction II 5 unmittel-
bar auf n 3. Auch in der Abhandlung über Kreismessung hat der
Interpolator vielleicht zwei Sätze vertauscht (Quaest. Arch. p. 77).
II 5 p. 157, 20 sind die Worte: inemep TfjV auTfjV ßdciv
fxouci TÖv irepi SidjLieTpov xfjv AT kukXov sicher \mecht; ^TTeiirep
gebraucht der Fälscher auch p. 74, 3. Der Satz selbst ist wie der
vorhergehende verunstaltet worden; die echte Form, wodurch das
schwerfällige ty]C C9aipac p. 157, 3 vermieden wird, finden wir
p. 218:
P. 167: P. 218:
Tf]v 6o6€icav c(paipav t€|u€!v üjct€ TAv 6o6^cav cqpotlpav ^mir^bqj
T& T)Li/maTa Tfjc cq>a(pac irpöc dX- reiidv üjctc tä TpLAytara aÖTÖc itor '
XnXa XÖTOV ^€iv t6v oOtöv t«J> dXXaXa töv TaxO^vra Xöyov ^xeiv.
boQivn.
^^) Nur II 3 fehlt, wie auch sein Anfang von II 1, II 2 und II 4
abweicht; dieser Satz diont nur zur LöBong der folgenden Probleme;
daraus erklärt sich, daee er dem Eonon nicht zugesandt werden dnrfte.
— ") Das Citat des Eutokios ist offenbar nicht als wörtlich zu fassen;
daher darf man daraus keinen Schluss auf die Form von II 3 p. 150, 27
zieheu wollen.
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Philologische Studien su griechifichen Mathematikern. 393
üeber die unechten Worte p. 159, 9 s. Quaest. Arch. p. 75.
Auch die ganze Stelle p. 158, 23 — 33 könnte man versucht sein
streichen zu wollen, als aus dem Commentar des Eutokios ent-
nommen. Denn bei ihm p. 163, 12 — 24 findet sie sich wörtlich
wiederholt; nur ist Lin. 14 vor Tf|V Z6 und ebenso Yor TÖ diTÖ B A
daa Wort tout^cti hinzugefügt. Im Ganzen muss aber diese Er-
örterung über den biopic^öc echt sein, wie aus Eutokios p. 163, 49:
KaeöXou bi, TrpujTOV tö 9€u)pTi|ia TpacpriceTai, Iva tö Xctömc-
vov UTT* auToO caq)iivic9^ irepi tu»v biopic/iOav hervorgeht.
Auch sagt er p. 169, 20 ff.: q)nciv, bo9€icav Tf|v AZ Tcpeiv bei
KttTtt TÖ X Kttl TTOieiV, U)C Tf|V XZ TipÖC bo9€TcaV, OUTUIC TÖ
boGtv Tipdc TÖ &nö Tf|C AX. ctra diruiv, vbc Ka96Xou ^kv lö Xe-
T6^€V0V ix^X blOpiCjiÖV, 'rTpOCT€9^VTU)V b^ TOIV ^TT* aÖToO €up€9^v-
Twv TTpoßXimdTUJV, ToO T€ cTvai bmXadav tfjv AB Tf\c BZ xal
ficKova xfiv BZ ttic ZG, |if| ^x^w bloplc^6v, pcpiKuiiepov iirava-
Xa^ßav6l TÖ TTpößXima Kai qpnciv, ÖTi' xai ?CTai tö rcpößXiiiia
TejieTv Tf|V AB KaTä tö X. Cfr. p. 168, 45 — 169, 1 und p. 169,
6—9. Aber eben aus diesen Worten des Eutokios geht hervor, dass
Tftv Z6 p. 158, 22 und tö &nö BA p. 158, 23 unecht sind (siehe
p. 168, 47; p. 169, 22), dass also p. 163: tout^cti Tf|V ZG und
TOUT^CTi TÖ diTÖ BA erläuternde ZusStze des Eutokios sind. Ich
bin überzeugt, dass auch tout^cti toC T€ biirXaciav civai Tf)V AB
Tfic BZ Kttl Toö jieülova Tf|v BZ ttic ZG, ibc xaTä Tf|v dvdXuciv
p. 158, 26 ff. von dem Interpolator aus Eutokios p. 163, 17 ff., wo
er diese Worte zur Erläuterung von TtJV TTpoßXii|idTUJV Toiv dvOdbe
UTrapxövTUJV hinzufügt, herübergenommen sind. Eutokios hat sie
noch zweimal mit kleinen Abweichungen: p. 169, 8: tout^cti toO
T€ biTiXaciav elvai Tfjv AB Tf]c ZB Kai toO jxeKova elvai Tf|v
BZ Tf]C Z6 (ohne die folgenden Worte) und ebend. Lin. 24: toG
Te elvai biTiXaciav Tf|v AB Tflc BZ xai \xe\loya Tf|v BZ Tfjc
ZO'y wenn es nicht seine eigenen, sondern Worte des Archimedes ge-
wesen wären, hätte er sie gewiss, wie das übrige, an beiden Stellen
wörtlich und übereinstimmend citirt.
n 6 p. 177, 50: TU)V bk Icuiv Kütivujv dvTiTTetrövöaciv a\
ßdc€ic TOtc ui|i€Civ ist wiederum eine Interpolation gewöhnlichsten
Schlags, um die Anwendung von Lemma 4 p. 96 näher zu legen.
Auch p. 178, 19: bid tö !cov eTvai tö dnö GK Tiji üxrö tAv AB, c
ist überflüssig und vielleicht unecht
n 7 p. 181, 24 ff. ist ohne Zweifel die Wiederholung von I
48 — 49 unecht: a\ ydp dmqpdveiat Tuiv elpiiiidvujv TjurmdTUJV Tcat
ibeixBr\cav kukXoic, liv al Ik tujv K^VTpujv Tcai elciv TaTc dxrö
TOIV Kopuqp&v Tujv T|Lir||LidTUJV im Tdc ßdccic dTTiZeuTVuoücaic; auch
musB ^TTiieuTVuoucaic statt ^mZeuTVup^vaic befremden. Ein
ganz ähnliches Einschiebsel findet sich p. 197; s. Quaest. Arch. p. 75.
Auch: ö^oia ipdp Td TpiTUJVa p. 181, 33 halte ich für einen Zusatz.
Der Satz selbst findet sich etwas abweichend ausgedi*ückt p. 218:
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394 J. L, Heiberg:
P. IW: P. 218:
Auo boB^vrwv apaipac T^t^fi^buiv Ai^o boO^vrwv T^a^idnuv cqKiipac
€Tt€ rf\c aOrf^c cTtc ^f|, c^pdv cTtc tAc aördc eTtc AXXac, eöpctv
T)bii))üux cqmfpac, 6 Scrai ^l fi^ rd^v n T^A^a cqMtipac, 6 ^cc^tron ctörö
6o6^vTUiv ö^otov, Tf|v 5^ imtp&vtWY ^ öfiotov t<|» ^räptfi tOjv t|Uifid-
S€t foiv tig ToO iripw) T^fifiOTOc tuiv, rdv h^ toi<pdveiav Icav hci
^mqpavcif . T(Ji £in<pav€iqi toO ^^pou Tiidfioroc
n 8 Bteht ebenfalls richtiger und yoUstSndiger p. 218; nament-
lich hat die Angabe über die Möglichkeitsbedingong kaum in dem
Satz selbst gefehlt:
P. 188: P. 218:
'Airö Tf^c boBdcnc apafpoc TpLfi}xa 'A-nö rdc bo6€(cac cqpMiipac tiifipa
TC^dv ^imr^^i, Uicrc t6 Tfiftga irp6c dirorcM^lv hnitdftqi, «Kkre t6 r^ä^ui
t6v kOEivov tt?|v ßtov ^x^vra t^v irorl t^ ioSivov Tf|v [töv?] f&av
aÖTf|v nji TfiAM<ni Koi ö^oc icov f xovra t4v aördv t«|i T|Ad^an xai
t6v 5o6^a Xötov Ixew, öyoc Tcov t6v Tax6dvTO X^yov ^ov
[^f|] iLicÜCova ToO, 8v ^x^i rä Tpia
hotI t4 ß'.
P. 183, 29 müssen wenigstens die Worte: ficT€ Kai Tflc €A
irpoc AZ' bo9€tca äpa koM\ AZ unecht sein, wie aus der Anmer-
kung deä Eutokios p. 184 hervorgeht. Dem von ihm dort vorange-
stellten Lemma aus dem Text sind die Worte: i&CTe Kai f| Af bei-
zufügen; denn die Note geht darauf hinaus zu zeigen, dass AP
gegeben sei, was auf eine zwei&che Weise geschieht (Lin. 30: xai
fiXXuic bk X^YOic äv, ön f| AF boOeicd dcTiv). Die beiden oben
bezeichneten Mittelglieder kann er nicht im Texte gelesen haben;
denn er führt sie selbst (Lin. 26: b^boxat äpa ö Tf)c €A irpdc AZ
XÖTOC und Lin. 27: ö^borai dpa Kai f) AZ) als Glieder seines Be-
weises auf.
n 9 p. 18Ö, 19 ff.: bciKTtov, 8ti tö lüieiZov T)üi{))ia xf\c c<po{-
pac trpdc xi £Xaccov, ^Xdccova Xötov ix^x t\ btairXdciov ijircp f|
£7ri<päv€ia ToC juciZovoc T^f||üuxTOC irpöc Ti\v dmqxiveiav toC £Xic-
covoc T^rj^aroc wird man streichen müssen; denn diese Worte sind
nur eine unnütze Wiederholung von Lin. 4 — 8; auch ist ihre Form
anstössig; es müsste wenigstens heissen: ^Trei bcirr^ov ^cri.
Lin. 28 sind die Worte: uic bk cuva^<pÖT€poc f| €0, BZ icp6c
BZ, OÖTUic f| ZH irpöc ZA gar nicht an ihrem Platz; denn es
wird weiter kerne Anwendung von ihnen gemacht Ertlich ist auch
diese Proportion vorher (p. 150, 26 ff.) mit bewiesen worden; aber
hier soll nur ermittelt werden, daes BZ : ZA «» OB : B€, was aas
der zuerst aogeftthrten Proportion: €A -f- AZ : AZ «* 6Z : ZB
imd der Oleichung B€ ««» €A sogleich erhellt, und auch p. 151,
24 ff. bewiesen ist. Wenn die angeführten Worte geBtriohen wer-
den, muss auch ^^v Lin. 27 dem Transscriptor angerechnet werden.
Nach dem hier Oesagten sind die Lin. 30 — 31 folgenden Worte:
toOto t&p iv Toic iirdvw cuvairob^beiKrai sachlich wahr; dennoch
können sie schwerlich echt sein; denn erstens würde Archimedes
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FhilologiBche Studien wa griediiachen Maihematikem. 395
kaum für jeine so einÜMhe Saehe (die Proportion ergiebt sick so-
gleich bieXövTt KQi dvaXXdf) auf einen früheren Beweis verwiesen
haben, und ausserdem giebt die Anknüpfung durch y^P i^^^ den
anmittelbar Torhergehenden Worten: Ter] T^P ^ 6C '^ £^ Anstoss;
denn nicht diese Worte begründet jenes TOUTO yop, sondern die zu-
nächst vorangehenden, die auch durch teil Ydp ktX. begründet
werden.
P. 186, 3 sind die Worte: tout^ctiv f) Z6 icpöc ZH unecht;
denn sie f^en im Lemma des Eutokios p. 189 extr., und es geht
aus seiner Note (die fäp i\ &Z irpdc ZH, outujc t6 uttö 6ZH
irp6c TÖ diTÖ ZH p. 189 — 190) deutlich hervor, dass sie ihm nicht
vorlagen. Uebrigens sehen wir aus demselben Lemma, dass Archi-
medes p. 186, 3 nicht: toO Sv ^x^i t6 drrrö Tf]C KZ schrieb, son-
dern einf^her: r^irep t6 diiö KZ. Die Worte p. 186, 4 ff.: tö hk
diTÖ KZ irpdc id dtrd ZH bmXaciova Xöyov fx^i fii^tp fi KZ irpdc
ZH möchte ich eher dem Interpolator als Archimedes zuchreiben.
Lin. 8 ff. hat die Baseler Ausgabe, Codex Florentinus und zwei
Pariser Handschriften (BC) so: f| KZ Trpöc ZH dXdccova XÖTOV
^X^i fj biirXaciova toö &v kyiei i\BZ irpöc ZA (die übrigen Worte:
UK b€ und f) BZ npöc ZA. 'H eZ äpa irpöc ZH hat ToreUi
selbst willkürlich hinzugefügt); die Baseler Ausgabe hat die Worte
in Parenthese und in der üeberseteung des Jacob Cremonensis fehlen
sie gftnzlich; wahrscheinlich stehen sie im Florentinus nicht im
Text, sondern als Scholion am Rande; sie sind jedenfalls unecht
Lin. 19 fF.: Ka\ tö dnd ÖZ äpa irpöc tö dnö ZK Mcttova
XÖTOV Ix^x fJTtep f| 0B irpöc BK' tout^ctiv f| ©B irpöc B€- tout-
^CTiv f| KZ TTpöc ZH rühren nicht von Archimedes her; denn
Eutokios kannte sie nicht, was daraus hervorgeht, dass er sie (zum
Tbeil mit aadem Worten) als seine eigene anfahrt p. 190 extr.
(über diese Stelle s. oben p. 382).
Besonders übel ist der zweite Beweis p. 187 — 188 mitgenom-
men worden. Bei unserer üeberlieferung muss man annehmen, dass
Eutokios p. 192 — 195 eine Paraphrase des ganzen Beweises gab, die
meistens in einer fast wörtlichen Wiederholung desselben besteht, mit
wenigen^ kurzen eingemischten Erläuterungen. Die Möglichkeit hier-
von kann nicht geleugnet werden (cfr. p. 393); doch kann ich mich
der Yermuthung nicht wehren, der echte Beweis sei viel kürzer und
gedrängter gewesen, so dass der uns überlieferte durch Einmischung
Yon den Aimierkungen des Eutokios entstellt worden sei; wenn
dies sich so verhält, sind echte und unechte Bettandtheile dergestalt
vermengt und in einander verschlungen, dass eine Trennung uamiög-
lioh ist Auch die Sprachform hat viel nidit-archimedisches, wie
das wiederholt vorkommende ÖTi (Quaest. Ai^eh. p. 76) in der Be-
deutung: beiKT^v, ÖTi (cfr. Eutokios p.l93, 16; 195, 42; 45), das
den Oommentatoren geläufig ist^ so leitet z. B. Pappoe «eine Lemmata
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396 J. L. Heiberg:
zu Apollonios ein. üeber p. 187,' 32; p. 188, 22 und 27 s. Quaefii
Archim. p. 75; die beiden Stellen p. 188 finden sich jedoch auch
bei Eutokios p. 195. Ich wage es nicht eine durchgängige Besti-
tution zu versuchen und halte eine solche hier überhaupt für un-
möglich; ich knüpfe daher nur noch einige wenige Bemerkungen an.
P. 187, 26 ff. steht in der Baseler Ausgabe und allen Hdss.:
npöc TÖ &nö 0r inx xfiv 0H, nicht 0Z, wie Torelli liest, und die
folgenden Worte, Lin. 27: 6 aÖTÖc kri ... Lin. 80: im Tf|V GH
fehlen ganz und gar, wie auch bei Cremonensis. Wir haben es hier
wieder mit 'einem zwar sachlich richtigen, aber der echten Form
verfehlenden Supplement Torellis zu thun. Nach dem von Eutokios
p. 192—193 aufbewahrten Lemma: 6 bk toö tSirö HGA im Tf|V
0 A 6 auTÖc icTx Tiö dirö A0 im TfjV 0H (denn auch hier hat
Torelli aus eigener Erfindung die Worte: irpöc tö dirö ©f im Tfiv
eZ p. 192 extr. und: np6c tö dirö 0r ircX ttjv 02 p. 193, 1
hinzugefügt; sie fehlen in edii Basil. und allen Hdss.; gegen dieses
hat es kein Gewicht, dass auch Cremonensis p. 48 zu&llig auf das-
selbe Supplement gekommen) ist die Stelle so zu restituiren: 6 b^
ToO tjirö Tujv H0, 0A im T#|V 0A [6 aöröc icriv Tt|» dirö A0
d7r\ T#|V 0H- 6 bk TOÖ öirö täv H0, A0 im Tf\v A0] irpöc t6
dird 0r im t#|v 0H, 6 toO inö Tfjc 0A ktX. Doch ist wahr-
scheinlich 6 aÖTÖc icTW Tip TG 0 dirö A0, und der Ausdruck ist
etwas ungewöhnlich; man hStte eher erwartet: tö b^ öirö tujv
H0, 0A im T#|V 0A TÖ auTÖ icTiv tuj dirö; aber diese Besserung,
die noch dazu zweimal vorzunehmen wSre, ist allzu gewaltsam, und
die Ueberlieferung lässt sich zur Noth erklären; es wird hinzugedacht,
dass die Nachglieder der Proportion gleich sind. Die Lacune er-
klart sich leicht aus der Wiederholung von im Tf|V 0A.
P. 188, 3 scheint Eutokios die Worte: tö dnö Tfjc AB Kußoc
TTpöc TÖv dirö, Tflc BF Kußov TOUT^CTi nicht gehabt zu haben;
denn p. 194, 28 führt er die Stelle an ohne sie, nachdem er p. 194,
16 ff. die in denselben enthaltene Proportion mit seinen eigenen
Worten und als seinen eigenen erklärenden Zusatz auseinander gesetzt
hat. Oanz ebenso verhält es sich mit der Stelle p. 188, 13: TÖ
dnö A0 TTpöc TÖ UTTÖ 80, 0r- TOUT^CTi, die Eutokios p. 195, 9
übergeht, nachdem er p. 195, 4 ff. ihren Inhalt als ein von Arebi-
medes übergangenes Mittelglied der Schlussfolgerung selbst hinzu-
gefügt hat
Der Wortlaut des Satzes selbst würde nach p. 218, 42 ff. fest-
gestellt werden können, wenn nicht dort die Schreibung sehr zwei-
felhaft wäre. Was jetzt dasteht, enthält eine positive Unrichtigkeit;
denn die Theile der |Eugel verhalten sich nicht wie die der Dia-
meter. Nizze, der zuerst die Stelle richtig verstanden hat und gegen
die Missverständnisse Torellis (als ob Archimedes drei fidsche
Sätze aufgeführt hätte) und des Beoensenten seiner Ausgabe in der
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Philologische Stadien za griechiBchen Mafliematikeni. 397
Jenaer Litterataizeitiuig (als ob die falschen Sfttze von Eonon her-
rührten) vertheidigt, will in seiner Uebersetznng p. 282 die Worte
Lin. 44—46: ttoti tö fllaccov töv aöröv ?E€i Xdyov, 8v tö T^fi^a
Td |U€iZov TÖc öia^^Tpou ttoti tö Aaccov. Tö Top ^icffov Tjuaiiia
streichen. Dadurch wird freilich die Unrichtigkeit beseitigt, aber
wie sind die Worte in den Text gekommen? Vielleicht wird eine
genaue Collation des Florentinns über diese, wie hoffentlich über
viele andere, für jetzt unlösbare Schwierigkeiten Licht verbreiten.
Denn eben hier ist das, was die Collationen Torellis über die Hds.
bieten, ganz unbegreiflich und ohne Zweifel von irgend einem Fehler
entstellt; im Florentinus soll die Stelle wie bei Torelli stehen, nur
statt €Xaccov: ^Xdccova p^v Lin. 47, wie auch im Yenetus: ^accov
a^€v; Parisinus A soll ganz wie Torelli haben; in G sollen die
Worte Lin. 46—47: TÖ fäp jiieKov T|Lifi|üia räc cq>a(pac ttotI tö
fXaccov fehlen und statt ihrer d jn^v f^ stehen, was D statt Tfic
cqKxipac ttoti tö IXaccov hat; Parisinus B endlich soll Folgendes
bieten Lin. 46—48: TÖ fäp |üi€iZov Tjnä^a & ixiv f| biTfXaciova
Xöjov ktX. Sollten aber die von Nizze verworfenen Worte, wenig-
stens ohne bedeutende Abweichung im Florentinus stehen, was da-
durch wahrscheinlich wird, dass Gremonensis ganz wie Torelli ge-
lesen haben muss, möchte ich vorschlagen Lin. 44 nach dv t^ cq>aip<]i
ein zum folgenden tö fieiZIov Tfiäjüia gehörendes Tf\c jii^v dmqpaveiac
einzuschalten und Lin. 46 statt y&p, dem fi^v entsprechend, b4. zu
schreiben, eine nicht eben seltene Verwechslung. Dass die beiden
Theile der Kugelüberflttche sich wie die der Diameter verhalten,
wird wirklich TL 9 p. 185, 16 ff. und Lin. 25 gesagt Aus der
ganzen Form des Beweises für 11 9 geht freilich hervor, dass diese
Angabe über das Verhältniss der Theile der Oberfläche im Satze
selbst nicht mit aufgeführt war, und dass sie überhaupt nicht als
selbständiges Theorem, sondern nur als eine Stufe des Beweises
behandelt worden. Dennoch kann Archimedes sehr wohl p. 218
diese Angabe besonders hervorheben, weil er im falschen Satz dieses
Verhältniss als dem der Kugelabschnitte gleich angegeben hatte,
und daher besonders darauf aufmerksam machen wollte, dass nicht
das Verhältniss der Abschnitte, sondern das der Diameterstücke
jenem Verhältnisse der Theile der Eugeloberfläche gleich sei. Wenn
die hierauf bezüglichen Worte weggeworfen werden, dürfen wir in
den übrigen den Woi-tlaut des neunten Satzes erblicken, der jedoch
bei der Transscription bedeutend gelitten hat.
P. 184: P. 218:
'ۊv cqpdlpa dmirdbqi t^t^OQ ^i^ Af ko cqpcdpa diriir^bq) T^aOf) eic
hiä ToO K^vTpou TÖ ^^ov T^f^^a dvica 1T0T* Öp6dc bta^^Tpqi nvi tCliv
irp6c TÖ {Xaccov ^dccova \xtv Xötov ^v t^ ccpdpqi . . . tö ^€!2:ov T^d^a
fX« *) biirXdciov ToO, 8v ix'^i if\ toO täc c<pa(pac wotI tö CXoccov ^dc-
ficiZovoc T^iPmaTOC ^iri9dvcia irpöc covo \xiy ^ öiirXdciov Xötov ix€\ toO,
Tf|v ToO ^dccovoc ^in9dv€iav, ^ei- 8v ^x^t & ^€ÜIu>v 4in<pdv€ia iroTi Tdv
Zova bk, fi /jfitöXiov. ^Xdccova, ^€(Zova bi f\ /j)üitöXiov.
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998 J. L. Heiberg: Philolog. Stadien za grieeh. MatlieiBatikem.
n 10 p. 197 ist ebeofeUs der WorÜaut des Satzes beträcht-
lich TeruBstaltet worden, wie sehoii das unriohtige ^liov Lin. 3
andeutet, und das von Arohimedes nicht angewandte c<paipiKUJv:
P. 197: P. 21»:
TSrv tI^ Io} ^inq)av€i<)i 1vepl€Xo^d- (A^betinrai tdp, fln) t6 ^^ictpai-
vvjv cqMXtpiioXrv T}xr)^&r\uv i^dCüy icn piov |yi^icröv icn vSjv irepicxofji^-
TÖ 1?i^lcq>a(plov. vwv imö tcac ^qpoveiac C9a(pac
T|uia^dTUiv.
üeber p* 197, 23 flf. s. Quaest Arch. p. 76. F. 198, 17 aind
die Worte: xd fipa Trepiexöjiievov önd tujv TA, AP ixe\l6y dcri toO
U1TÖ TU>v £K, KA sicher unecht; denn sonst wlirde Eutokios p. 199,
37 an sie und nicht an die vorhergehenden Worte seine Be>
merkung angeknüpft haben. Den in den bezeicbneten Worten lie-
genden Schluss, ein von Archimedes weggelassenes Kittelglied des
Beweises, &lgt Eutokios selbst p. 199, 44 ff. hinzu. Ebenfalls sind
die Lin. 19 folgenden Worte: dicTC ineTIöv den tA tänd twv TA,
AP Toö ätrd TUJV MK, KP zu streichen aus ganz denselben Orün-
den; Eutokios hat selbst p. 200, 5 ff. dieses übersprungene Glied
des Beweises nachgeholt, kann es demnach nicht schon im Text
gelesen haben, oder er würde wenigstens in seinem Lemma diese
Worte mitgenommen haben.
Hiermit bin ich mit diesen Untersuchungen zu Ende. Dass ich
bei einer so schwierigen Sache nicht manchmal fehlgegriffen, oder
dass ich gar mit einem Mal die ganze Frage erschöpfend belumdelt
haben sollte, bin ich sehr weit entfernt zu glauben. Ich habe naeb
reiflicher üeberlegung yi^es, dessen Echtheit mir zweifelhaft war
(wie z. B. die häufigen Verweise auf frühere Sätze), ohne dass ich
doch die ünechtheit zu beweisen mir getraute, unberührt gelassen,
um lieber hie und da auch unechtes durchschlüpfen zu lassen, was
leicht nachgeholt werden kann, als echtes anzugreifen. Auch halte
ich es für unzweifelhaft, dass viele etwas besser gedeckte und durch
Veränderung der Ausdruoksweise übertünchte Literpolationen uns
für immer verborgen bleiben werden, besonders wo wir der Anlei-
tung des Eutokios entbehren; denn wie viele der hier bezeichneten
würden nicht unentdeckt geblieben sein» wenn nicht die Lemmata
des Eutokios uns auf das echte führten?
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Inhalt.
S«ito
1. Die Fiagmente des L. Coelius Antipater. Von
Wilbdm Sieglin 1—92
2. Ueber den gallischen Brand. Von Georg Thouret 93—188
3. Die handschriftliche Ueberliefenmg des Ausonius.
Von B. Päper 189—363
4. Philologische Stadien zn griech. Mathematikern.
1. n. Von J. L. Heiberg 355—398
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»/ ^ "
i I
3EP271880
JAHRBÜCHER
FÜR
CLASSISCHE PHILOLOGIE.
Herausgegeben
Dr. Alfred Fleckeisen,
Professor iu Dresden.
Elfter Snpplementband.
Zweites Heft.
ISchlnss des XI. Bandes.)
' Leipzig,
Druck und Verlag von B. (i. Teubner.
1880.
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DE
SÜIDAE BIOGRAPHIC ORUM
ORIGINE ET FIDE.
SCBIPSIT
A. DAUB
BADSN8I8.
Jahrb. f. olau. PhUol. SoppL Bd. XI. 26
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Litterarum Graecaram yeram historiam nonprius posse perscribi
quam de fontinm et testiinomorum, a quibns omnis fere et profici-
scator opera nostra notitiaque et ad quae usquequaqae revertatar
oportet, forma condicione fontibus fide diligentissime sit quaesitum,
non iam potest snbterfdgere peritos iudices, quamyis harmn rerum
parnm babnerint rationem, qni artem ipsam susceperunt enarrandam.
Emmyero quae yeteres anctores de re litteraria Graecorum prodidere
plenunque non ipsa aetatem tulerunt, sed per maltos flayios riyolos^
qne propagata continnata dilatata, mox etiam deformata et obscorata
recentioris et infimae aetatis scriptorum seu conpilatorum industria
nobis seryata sunt. Pemecessarinm igitar est ut omnia testimonia
quam adcnratissüne examinentur, eaque quae e priscis limpidisque
fontibüs manaront per singnlos gradns ad säum auctorem referantar.
Quo qnidem in genere quam multa adbuc yel incerta yacillent yel
delitescant obscura, nemo nescit qui has litteras paululum adtigerit.
In Suidae yero biographids, quae largissimam ac saepe fere unicam
litterarum Graecarum notitiam suppeditant, nuper extiterunt qui lauda-
bile ac bonae frugis plenissimum conlocareut Studium; tamen sicut
res ferebat minime omnia cum pulyisculo ut aiunt exbauserunt multa-
que aliis emendanda supplenda enucleanda reliquerunt. Quae cum ita
ßint operae pretium futurum iudicayi, si in Suidae yitas scriptorum
Graecorum denuo inquirere conarer. Sed noH opinari totam me quae-
stionem absolyere yoluisse: quod ne possem quidem pro innumeris
quibus hoc opus inpeditum est difficultatibus. Ego equidem satis
habeo hominum doctorum opinionibus subtiliter et circumspecte exa-
minatis huius disquisitionis eam potissimum partem quae in librorum
tabularum Suidianarum origine fideque indaganda yersatur pertractasse,
ac cetera quae de singularum notationum indole fontibüs auctoritate
recte auimadyertisse mihi yidear, apte disposita protulisse. Qua in
re dici nequit quantum adiutus sim C. Wachsmuthii praeceptoris
optumi insigni opera consilio exemplo: quod aequare licet yiribns
meis denegatum fuerit, suayissimum tamen fuit pro yirili parte imitari.
Verum antequam ad propositum ipsum adgrediamur pauca prae-
fariplacet. Suidas quibus ex fontibüs in ßioic scriptorum Graecorum
hauserit, post Bemhardyum (Conmentat. de Suid. lexic. C. II. § 9,
p. Lni sq.) primum dedita opera rimari conatus est Did. Volkmann
(dissert. ^de Suidae biographicis quaestt. selectae', Bonn. 1861);
dein hanc quaestionem tractarunt Otto Schneider (disputatioue
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404 A. Danb:
Me Callimachi opermn tab. qnae extat ap. Suidam' «= Callimach. 11
Ta. 1873), p. 23 sq.); tum eodem fere tempore et C. Wachsmath
(*de fontibus ex quibus Suid. in vit. Graec. script haus/, Symb.
Phil. Bonn. I, 137 sq.) et iterum D. Volkmann (Me Suid. biograph.
quaestt. alterae', ibidem II, 717 sq.); denique etiam Fr. Nietzsche
(cap. V de Laertii Diog. fontibus disputationis : Me Laertio et He-
sychio' = Mus. Bhen. n. XXIV, 210 sq.), cuius sententiam novis
argumentis firmare idem Yolkmannus (*de Suid. biogr. quaestt novae',^)
Progr. schol. Portens. a. 1873) studuit. Possumns autem duplicem
in modum instituere hanc quaestionem, aut ita ut a primis fontibus
aliuiide inTCstigatis proficiscamur, deinde singulos flayios riyolosqne
permetiamur usque dum in mare Suidianum perrenerimus, aut ita
ut a Suida ipso exorsi ad singulos fontes vlam persequamur, quoad
his cursibus iteratis ad summos montes ascenderimus. Ac priorem
quidem viam ita ingressus est Yolkmannus, ut inter diversissimas
Suidae notationes seorsum quasdam consideraret artiore oognatione
inter se conexas earumque originem argumentis aliunde petitis erueret
atque sie primos fontes indagaret, nihil curans quibus itineribue in
„Oceanum^* Suidianum inmigrassent: ceteri yero, in primis Wachs-
muthius^ alteram amplexi sunt rationem longe sane difficillimam.
Quarum duarum rationum per se satis probabilium eam esse cum
maxime commendabilem, quae alteram teneat semitam salebrosam
priore tanquam certissimo duce nunquam derelicta, verissime monuit
WachsmuthiuB (1. 1. p. 137): quam nos quoque in hac disputatione
sequemur.
Caput I.
De Hesjchlo Hilesio elosque Onomatologi epltoma nnico
fere Snidae fönte.
Hesychium Milesium in litteris Graecis praecipuum Suidae ducem
fuisse ex huius ipsius verbis quae extant s. *Hcuxioc (ftpo^^v
övojLioToXdTOV f{ TftvaKa tOuv dv TTmbeCiji övo^acrujv, oö dTriTOji!^
icTX TOÖTO TÖ ßißXiov) post M. Schmidtium TDidym. Pragm.
p. 17,*), G. Bemhardyum (1. 1. p. LV), V. Boseum (de Aristot. libr.
ord. et auct. p. 49) conclusit certaque') argumentatione demonstravit
') Has tres Volkmanni commentationes numeris I II UI breviter de-
signabimuB. — ^ Tarnen Schneideram in una re fallaci opinione deceptum
esse WachsmutbiuB (1. L p. 188) ezposuit, qui in ceteris illi adsentitur. Nam
post Lehrsii luculentam disputationem (7. supr. p. 405) iam dubium esae
nequit (cfr. etiam Wachsmathium Nietzschiamque 1. 1.), quin libellus iste
qui Bub Hesychii Milesii nomine hodie circumfertur („wcpl xiirv tv iraibd<^
öiaXafüMiidvTUiv C09d[iv**) recentiBflima demum aetate ex froBtulis Suidianis
et Laertianifl misere conflatus sit: quamquam id ne nunc qnidem Sehnei-
deruB (1. 1. 24, n. 1) concedit. [Ceterum hac de re nunc prorsns aliter
ittdicat H. Flachias (vide eins disputatiunculam Iq Teubneri Nunt. a. 1879,
no. 5, 85 sq. Hesychii Milesii libeili editioni praemiBsam), cuiuB rationea
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De Snidae biographicomm origine et fide. 405
0. Schneider (Callim. II, 23 sq.). Neqne vero conprobo sententiam
quam de yerbis ^oi dTTiTO^rj den toOto tö ßißXiov' proposnit: quae
cum hominibus doctis satis negotii facessiverint, iam paulo enacleatiiis
erunt examinanda. Nee enim cum Schneidere interpolatori cuidam
tribuo, sed unice Snidae ipsi, ita tarnen nt non cum Wachsmuthio
(1, 1. p. 138), Lehrsio (Mus. Ehen. n. XVII, 463, n. 2 -= 'die Pindar-
scholien' p. 159, n. 2), Schmidtio (1. 1,), Bernhardyo (1. 1.), Boseo (L 1.)
illud toOto tö ßißXiov ad Suidae lexicon referam, sed cum Naekio
(Choer. p. 35), C. MueUero (F. H.G.IV, 144), Volkmanno (n,729 noi),
Nietzschio (Mus. Bh. n. XXII, 193 not. 17), Bergkio (Eist. litt. Graec. I,
293, n. 50), L. Mendelssohnio (Act. soc. phiL Lips. II, 181, n. l),
H. Flachio (Eudoc. et Said. p. 37, 96, n. 2) his yerbis epitomen
aliquam operis Hesychiani nunc oblitteratam significari censeam. At
Volkmanno quem Nietssechius sequitur id unum non concedo, quod
huic ipsi epitomae Hesychii vitam quae apud Suidam legitur olim
praefixam fuisse statuit, sed multo simplicius existumo Suidam verba
illa ex epitoma ipsa in qua Hesychii quoque yita enarrabatar parom
cogitate descripsisse.') Namque eorum opinio qui yerba toOto tö
ßißXiov ad Suidae libram ipsum reyocant propterea displicet, quod
tum prorsus singulariter et inooncinne dicta essent, utpote quae non
toti lexico Suidiano quod in glossis seu X^geciv inlustrandis magnam
partem yersatur ac plane diyersis nititur fundamentis, sed articalis
ad litterarum tantum historiam pertinentibus conyeniant: nee secus
inepte, eüamsi interpolatori nescio cui inputaremus, immo multo
ineptiuB quam a Suida ipso essent adposita. Sed nuUam omnino
idoneam causam yideo, qua yerba illa Suidae abiudicare cogamur:
quippe in tali condicione quali nunc* leguntor ab omni dubitatione
exemta sunt.
Duo igituropera litteraria olim extitisse yidemus, ambonunc de-
perdita, et plenius Hesyehü, i. e. övojiiaToXÖTOV f| mvaica tiüv iy
Tiaibüq, övojuaCTijav, et breyius, huius scüicet libri epitomen ab
alio factam. Quae cum ita sint, id yel maxime quaeritur, qualis tandem
ratio inter utramque scriptionem intercesserit. Ac de indole quidem et
ordine Onomatologi, quo omnium Graecorum qui inde ab antiquis tem-
poribus usque ad lustiniani aetatem^) litteris floruerunt ecclesiae pa-
quoniam non integras habeo perspeetae, sab examen yooare in praesens
non placuit] Sed ut cetera argumenta omittam, yel illud grayem moyet
suspicionem, quod hoius libelli ratio et consiHum toto caelo distat ab eo
quod in genuine 'Onomatologo' obtinuisse perspeotam habemus (cf.
Schneider. 1. 1. 26 sq.). Enimvero in illo mhil msi exües quaedam de yita
singuloram fabellae et philosophorum qaaedam pladta constipata snnt.
— ') Similiter hac de re nunc yideo iudloare Bergkium (1. 1.) neque aliter
Flachiam (1. c. 96,'). — Ceterum ne id quidem a Suidae ingenio idienum
fore opinor, si quis Suidam ipsum yerba illa adiecisse iisque hanc ipsam
epitomen quam perpetuo in lexico auo contexendo manibus triyit oscitanter
significasse oontenderit — *) Ceterum cf. nunc Bohdium Mas. Bh. n,
XXXr7, 663, n. 1.
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406 A. Danb:
tribüs seclnsis (cfr. Suid. s. ^Hcüx^o^) ^li&s enarravit Hesychius, post
Schneidenun (L L 26 sq.) Wachsmuthius snbtilins ita dispatafit
(1. L p. 139), nt bomines littoris insignes non mia serie conprebensos,
sed in diyersa litteranun genera diyisos xarä XP^^^^ dispositos
fciisse ex indiciis qnibnsdam ennclearet. Beyocat autem illud qaod
yerba xai auTÖc in Suidae vitis aliqnotiens reperinntnr plane soper-
yacanea ad indicem aliqaem eamque Hesjcbii Onomatologom. Velut
qnod illa 8. TToXeMiuv ö vedirepoc et b. "Yirepibiic ita asorpantur, ab
eo ordine quo apud HesycMum glossae secutae sint iure repetiit (sed
cf. Bohdinm Mus. Bb. n. XXXIV, 620); nee secns relicua exempla
bnic cansae conyeninnt, si ab indice s. Curräbiic bnc yix reyocando
discesseris. Praeterea antem alia in promptn sunt sane quam gra-
yissima, quibus Wacbsmutbii opinio potest stabiliii.^) Veluti qoae
leguntur 8. TTiTTaKÖc . . elc xai aÖTÖc Turv t coqM&v du»v, et s.
CöXuiv . . fcTi hk Kai ouToc cTc TUfV t 6vo^aZo]Ll^vurv c(Kpuyv(ubi
id quoque yelim adtendas, prope ad finem posita esse baec yerba,
unde Hesjcbii ^epitomatorem' ea ipsum adiecisse illius ordinis raü<me
babita demonstratur) , si conparayeris cum glossis s. KXeößouXoc
(. . elc TWY t övojüialoMevuiv coqpuiv, ^ibpi) xai xäXXci biaq>^pwv
TÄv xttT* auTÖv) et s. TTeptavbpoc (. . tujv t cocpdiv, cf. etiam
gl. 8. Aäcoc, MijüivepMOC, Tupraioc), in Onomatologo ipso Septem
sapientes seorsum ex tcmporis ordine digestos fnisse facile perspicies.
Quod item cadere yidetur in Septem illos tragicos, oinvcc divo^äc^ncav
TTXeidc; modo considera glossas s. 'AX^Eavbpoc, AItuiXöc, Aiovu*
ctäbnC; Auxdq)piuv, "OjiniPoc, Coq>OKXf\c, CuKiOcoc, Cuiciqxivnc,
<t>iXiCKOc; nee dissimilem ad causam redire yidentur quae in yitis
poetarum comicornm Aristopbanis et Menandri aequalium leguntur
(cf. 8. 0€6iro|Liiroc, NixoxöipTic, NiKoq)iüv, TTXdrruiv; s. OiXn^uiv..
ßpaxu Mevövbpou irpÖTcpoc, s. 'AiroXXöbuipoc fcXiDoc . . cuxxpovoc
ToO KUi^iKoO Mevdvbpou, s. TToceibimroc . . Tpirip ?T€i ^ctä rd
T€X€UTficai TÖv Mevavbpov . .), pariterque alia multa. Sed praeterea
ad ordinem cbronologicum in Hesjcbii libro seryatum rettulerim quae
reperiuntur s. CijüiuJvibTic Kpiveu) . . x^TOVe b^ xai atJToc jucrd iv€-
' VTjKOvra xai Tpidxovra ?tti täv TpuiixAv, sc. ut 'ApxiXoxoc, cuius vitam
ab Hesjchio sine dubio enarratam Suidas describere omisit (cf. Volk-
mannum ÜI, p. IV, atque post eum Bohdium Mus. Bb. n. x^xili,
193 sq. et de yerbis istis et de re ipsa multo snbtilius ac proba-
bilius disputantem); s. Moucaioc '€q)^cioc, si qnidem yera est Wacbs-
mutbii coniectura yerba sie refingentis: M. ^€. xai auTÖc ^ttoitoiöc
(sc. ut M. *€X€UCivioc poeta yetustior) tOjv elc touc TTcpTajLiiivouc
kukXouc; 8. TTeicavbpoc N^CTopoc toö ttohitoO u\öc . . ^ttottoiöc
xai auTÖc, 85- ut N^CTuip Aapavbeuc . . diTOTroiöc (cf. Suid. s.h.y.),
s. NiKÖXaoc . . äb€Xq)öc Aiocxopibou TpotMM^^'^^KoO . . coq)iCT€Ücac
*) In quibuB non desunt quae ipse mihi comiter rappeditayit Wachs-
Tnntbius.
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De Snidae biographiconun origine et fide. 407
Kai aÖTÖc iv KujvcTavTivouTTÖXei (ceterum glossam quae prae-
cedit, 8. NiKÖXaoc ^rj'^ujp, cum hac ipsa conectendam esse vidit
Boissonadas [in Marin. Vit Procl. p. 87j), sc. ut frater qui antea apud
Snidam nominatnr AiocKÖpioc, Mupaioc, . . 6 öibdgac rdc GuTar^pac
A^ovToc.dv BuCavTiijj (cf. Bemh. ad b. gl.); s. 'Opq)€uc KiKOvaToc.
T^TOve bk Kai outoc npö 'O^ripou, öuo x^veaTc npecßuTepoc tujv
TpuiiKUJV, sc. ut *Opq)€uc Thrax, quem T^TOvevai irpö la' T€V€UJV
TÜJV TpiuiKUJV Suidas s. b. y. ait (cf. Lobeck. Aglaopb. 356), quocum
conparare licet quod dicitur €ö^oXnoc . . dTTOTTOiöc tOüv irpö 'O^f^pou
(cf. etiam gl. Köpiwoc). Porro glossa s. *€|üi7r€boKXf|c, OuTaTpiöoOc
ToO rrpoT^pou (sc. Empedoclis pbilosopbi), TpaxiKÖc . . nunc ap.
Snidam ante y. '€)üiiT€boKXfic . . <piXöcoq)oc conlocata in Onomatologo
banun glossamm inyersum olim ordinem regnasse luculenter evincit,
quem quidem cbronologicum 'epitomator' eumque secutus Suidas ita
inmutayerint, ut primo loco Empedoclis (tanquam poetae), secundo
E. pbilosopbi (tanquam pedestris scriptoris) notationem po-
nerent.^
Itemque totius sententiae yeritatem firmius conroborare yidentur
yerba quae leguntur ingl. Eucdßioc 'Apdßioc, propterea satis nota-
büia quod Eusebii istius aetas ad Hesjchianam propius quam ceterorum
quos adbuc enumerayimus scriptorum accedit: coq)iCTrjc, dvTicoq)i-
cT€Ucac KaiauTÖc DöXmavif», nullius Eusebii yel alius cuiusdam qui
fuerit ülpiani aemnlus mentione antea facta, unde suspicari licet apud
Hesycbinm praecessisse memoriam nesdo cuius sopbistae, qui con-
parem in modum atque Eusebius illius aemulus extiterit: quäl es
quidem cogitari possunt Constantini aequales bice: fu^vacioc, 6^ujv
Ciöiüvioc, 'IdjüißXixoc q)iX6coq)oc, 'OvdciMOC, TTaXXdbioc, TTaOXoc
AItuittioc.
Denique unum suppetit exemplum, quo nescio an idem ordo
stabillatur, s. TTpÖKXoc ö AuKioc, )üia9iiTf)C Cupiavoö, dK0ucTf|c bk
TTXourdpxou toO Nccxopiou, Kai auTÖc q)iX6coq)oc TIXariüviKÖc,
pariter ac Cupiavöc . . q)iX6coq)oc, f^Tncd/üievoc Tf|c iv *A9rivaic
cxoXfjc T€ Kai biarpißf^c (i. e. scholae quae nuncupatur neoplatonicae),
') Nam in Soidae lezico (nee aliter fmt in Hesycbii epitoma) sin-
gulos öfiuuvii^ouc Bcriptores in nniyersum ita yidemus dispositos, ut
prima m poetae, dein prosae orationis aactores recenseantur, id quod
cadit in gl. s. 'AiroXX6bu)poc, 'AiroXXiiivioc, *ApiCToq>dvr)c, *Appiav6c, Aio-
T^viic, *'€pmTnToc, 0€o6diCTTjc, 9€Ötro)Liiroc, *'linropxoc, M^vavbpoc, MevcKpdnic,
Mupuü, "O^iipoc, TToXaCqpOTOC, TTroXciLicrtoc, CTpdmc, CxpcÄTiüv, CcüTdbtic,
Tinö6€0C, 0!XkKOc, 0iX6S€voc, 0pOvixoc. At pauca ezempla quae huic
legi repugnant plerumque sie possunt ezpediri, ut Suidas ipse ex aliis
fontibuB gloBsam ö^divu^ov ceteria inseruerit siye adposuent, cf. gU s-
'Apicropxoc, Aiöbuupoc, NiKÖcxpOTOC, CidiraTpoc, 0(Xnnroc, quarum omnes
prima excepta Suidas ex Atbenaeo conpilavit. — Ceterum parum iuvat
quod Bernbardyus lectorem ad Laertii 1. VIII, 68 relegavit, ubi boc unum
legimus: 'HpaKX€t6r)c bk . . ^T^pou <pT)clv cTvai rdc TpaT(})6(ac (sc. quae
Empedocli philosopho yolgo adscribebantur) nuUa altenus Empedoclis
mentione antea iniecta.
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408 A. Dftnb:
bibdcKaXoc T€VÖM€VOC TTpöicXou, 6c Kai buiboxoc auroG It^vcto . .
lam yero eidem fere libri, qui snb Syriani nomine hio recenseatoii
illic Proclo tribnimtar, qna^qtudem in caass a Syriani discipiilo
„eosdem titnlos retentos et in paribas argomentis esse oonsun^W^
Bernhardjns reete negayit, eidemqne plane adstipolor, qnod omnia
scripta inde a yerbis, ^£tP<xU'€V cic ''OMiipov 6Xov ur^ö^v^|yia' nsqae
ad ^ßißXia b^xa' a Sjriano abindicavit (cfL etiam Lobeck. Aglaoph.
p. 344). Qni tarnen noUem addidisset per „fraudem^ opers lila
Syriano snpposita indeqne, qnod bomo male sedulus similitndine tam '
studiorom quam libromm ntrinsqne pbilosopbi comnotns ante libnun !
Vepi Twv irap' *0\if\pvj Oeuiv' yerba ek tq TTpöicXou adpikudsset, |
factum esse, nt e gL TTpöxXoc traducerentur verba ncpi tüjv icop* {
'Ojüit^pip — ßtßXia iiKa (cetenim idem censet Flachias, L L p. 42 sq.)* j
Nam si quid video res ita se babet, nt ^epitomator', qni in *Ono-
matologo' Syriani et Procli glossas inxta conlocatas reppererit, ea-
dem fere opera utriqne temere adscripserit '
Cum plennm opus Hesychiannm ex temporis ratione ad- I
omatom füisse nunc pro oerto adfirmari possit, ^epitomatorem' |
qui in breviorem formam illnd red^t singnlos articalos rorsus ad ^
litteranim ordinem in Soidae lexico qoalem nunc animadvertimus
digessisse ex duabus potissimum rebus licet conligere. Ac primum '
quidem me docoit Wacbsmutbius verba Kai adröc aliquotiens ita I
esse adhibita, ut non solnm ad ö)yiuJVU)yiouc auctores qui antecedont |
relegent {cL Volkm. HI, p. YI sq.), sed etiam ad tales qualinm no-
mina ex ordine alphabetico proxima sint. Yelat legitar s. CuKi-
qxiviic . . TpatiKÖc . . Ion bi xai auTÖc ^k twv V TpatiKuiv . .,
pariter atque Cu)ciO€oc, cuins nomen in ^epitoma' praeiit; item s.
Tt^OKp^wv . . KUJ^iKOC Kai auTÖc rfic dpxaiac KU)^(pbiac, sc. ut
Ti^okXtic; s. OiXhmujv CupaKÖcioc, xal auTÖc kui^ik6c t{)c veac
KUi^qibiac, sc. ut <t>iX^Taipoc; s. OiXimribnc 'AOnvaioc, kuimiköc
Kai auTÖc Tflc viac Kuijüiqibiac (et Volkm. III, p. Vn,^), sc ut
0iXT)MOVec dno.^) Dein ad eundem ordinem rettiüerim qnod legitar
s. 'EmviKOC, Kai auTÖc kuijliiköc, ubi yerba Kai auröc ad glossam
s. '€tt(Xukoc, ku)^iköc itoitittjc, paulo ante positam, quanqoam vita
Epimenidis interiaoet, respicere videntur. Porro ni fidlit opinio verba
in calce glossae s. C^XeuKOC '€)üiictivöc exbibita ^xai äXXov bi. Ttva
Ot 6
C^XcuKOV €\jpov dMirapd8€Tov (dv Trapa A, ^jüinapa *V)*, quae
mirum quantas difQcultates bominibus dootis praebuerint, buc item
possunt adsdrL Neque enim probabiliter Bemhardyns vocis djUTropd-
8€T0C interpretationem ex verbis gl. NiKÖcrparoc . . raOra iy irapa6i)Kr)
eöpov K€i)i€va nondum satis explicatis petiit traditamqne seripturam
€i)pov tv napaOi^Kg conrexit, i. e. ^va alio scrinio quam qno litterae
grammaticorum continebantur, sive in coroUario quodam vel anctario
*) Dubitanter addo gl. Aiöbuipoc, Kai ainöc kui^ucöc, pariter atqne
cuins nomen Bubsequitur AtoicXf^c kui^iköc.
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De Snidae biographieorntn origiiie. et fide. 409
narrationis de yariis Selencis' . ., nisi forte MfüinapäGeTOv' ^inter alios
citatum' quispiam explicayerit.^) Sed vox illa i^napdOeTOV tolerari
sane potest: quam usitatam fuisse Suidae ipsius glossa d^7TapdOeTOC
doeei Ergo Suidas ait se alinin quendam Seleucum in Seleucorum
namero proxime ceteros conlocatum repp^sse. Noli tarnen com
Volkmanno (lY, p. XI, n. 19) de Demetrii Magnetis indioe scriptoram
cogitare, sed unke de Hesychii epitoma, in qua Seleuci litteris in-
signes una serie conprehensi erant
Aliis deinde argumentis alphabeticus ordo ^epitomae' probatur.
Enimvero glossa s. KdcTUJp 'Pöbioc ^rJTUjp apud Suidam duobus locis
invenitur, primum post v. Kapvedbr^c . . q>iXöcoq)OC et ante v. Kap-
vciuivoc, dein post y. KacTUüXöc et ante v. KacTpeucavrec. lam yero
cum inter glossam Kapvedbric ?T€poc et v. KacTOjXöc nulla alia inter-
cedat, bac ipsa causa me quidem iudice luculenter eyincitur Suidam
in fönte quo utebatur articulum illum post gl. Kapvedbric q)i\öcoq)OC
repperisse litterarumque ordine neglecto huic ipsi adnexuisse, infra
tarnen yolgaris ordinis habita ratione suo loco iter^se. Hinc duae
res necessaho consectariae sunt, et Epitomen xard CTOiX€Tov ad-
omatam (cf. etiam Nietzschium Mus. Bh. n. XXII, 196, et Bergkium,
1. 1. p. 292, n. 47, qui tamen Epitomen a pleniore Qnomatologo non
distinxerunt), nee secundum litterar um genera dispositam fuisse, cum
phijosopbum rhetor subsequatur. Idem abunde docent testimonia
qualia leguntur s. M^Xtitoc . . i>r\TiX)p, ubi verba Kai f\v im täv
Zrjvuivoc K. T. X. ad nomen M^Xiccoc haud dubie referenda apud
Suidam Eudociamque (p. 301) cum bac glossa male coaluerunt (cf.
Laert IX, 24, vid. Menag. ad h. L, et Clint F. H. II, p. 69, L);
s. ''Ittuc yerba extrema ouTOC nparroc ifpa\\^e . . Kai äXXa ad gL
'lTnrü&va£ pertinent (vid. Bemh. ad v. "Ittuc); s. Ciju^iac quae verba
(fiv bk ^Hapxfic Cd^ioc — ti&v Caiiiujv) alieno loco leguntur, ad
Cimjjvibriv *AmoptTvov referenda sunt (cf. Ions, de Sor. Hist. Phil. 26,
Clint P. H. I, 179, HI, 487, Welcker. Mus. Rh. a. 1835, p. 364) ;
nee Bernhardyo adsentior ex hac quoque glossa intellegi dicenti,
quantum dedecoris Suidas per Ubrariorum an lectorum neglegentiam
iadoctamque temeritatem inmeritus subierit. Adde quod post gl.
'6q|)iTrTroc nomen ''€q)mTroc turpi errore iteratum est, cuius in locum
''€q)opoc erat substituendum (cf. Clint. F. H. Append. c. 21, p. 374,
et Bernhard, ad h. L): unde liquide adparet ambas glossas in Epi-
toma iuxta positas Suidae culpa esse confusas. Denique Bergkius
^ Aliter sed vix probabiliter bis de duabus glossis BohdiuB (Mas.
Rh. n. XXXIH 182/) iudicavit, qui 8. Q\€ukoc proposoit scriptaram : €Öpo-
>i€v irap' 'Aenvaiiy (XV, 697, d?) et b. NiKÖCTparoc . . Taöra m^(?) itap'
'AOfivaiqf eOpov Kciimcva, ubi quidem tradita verba nimlB andacter mutavit:
ceteram quantopere snae ipsius coniecturae diffidat scriptura \iitv probat
— Praeterea Bemhardyos huc relegare non debebat verba s. Aa)ui6<ptXoc*
^S div TaOrd |uioi cöpirrat tv Tottc tiIiv ßißXüuv ^xaic ab Hesychio profecta
planeqne diversa significatione adhibita.
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410 A. Daub:
(1. 8. c.) inde quod verba extrema öi^teive bfe — irdvu iroWd ad
Aristopbanem Byzantium pertinentia cum gl. *ApiCTUivu^oc male
conglutinata sint (cf. Meinek. F. C. G. I 198), oonligere non deboit
Onomatologum (vel ut nunc rectiuß loquamur *Epitomen') dispositum
fuisse ex litterarum ordine: nee enim Suidas Eudociave priorum
errores secure ropeiderunt, neque 'Epitomator* tali errore inplicatus
est, sed Suidas ipse memoriam 'ApiCTUüVUiiOU ex Aihenaeo in mediam
glossara 'ApiCToqwivTic temere inculcavit^)
Caput n.
De Dionysio Halicarnassensi primario Hesychii in viüB
poetarum et musicorum auctore.
Quoniam satia exploratum est Suidam omnes fere notitias ona
cum librorum tabulis ex Onomatologi Hesychiani ^Epitoma' desum-
psisse, grayissima oritur quaestio, quos fontes HesycbiuB ipse in vitis
pertexendis adhibuerii Ac prae ceteris quidem hie nominandi sunt
Dionysii Halicarnassensis minoris libri XXXYI juiouciKfic
IcTOpiac (cf. Suid. 8. h. V.), quod opus amplissimum in vitis poe-
tarum et musicorum primarium fuisse Hesychii fontem post
Meinekium (P. C. G. I, 16 sq., 608 sq., V, 1) Schneiderus evidenter
demonstravit*®) (1. 1. p. 29 sq.), Wachsmuthius novis argumentis con-
^) In fine huiue disputationculae conmemorare lubet Üsenerum
(Mufl. Rh. n. XXVIU, 404) Theonis et Pappi cutxpovic|liöv qualem exhibet
Suidas reiecisse (cl. Leid. Mscr. n. 78. Fast Theon.) Pappumque tertio
Baeculo exennti adsignasse. Opinatur nimirum Hesychii ^epitomatorem'
ea ratione qua Pappum et Theonem apud Hesychium consociatos in-
venerit inductum ease, ut aequalem utrumque foisse diceret Theonisque
aetatem ad Pappum revocaret. Sed talis Hesychii erroris explicatio
parum adridet. Theonis utique aetatem sub Theodosio M. certo constitiBse
tenendnm est. lam vero non solum iancti hie illic conmemorantnr
Pappus et Theon interpretes Ptolomaei syntaxcos, sed in codicibus etiam-
num operam ita videmus conciliatam, ut rä O^wvoc €lc t6 Xctirov toO
TTdinrou exhibeantnr (cf, Fabric. bibl. VIII, p. 208); Pappi autem aetas in-
certa fuit: ergo hunc ipsum cum Theone ab Hesychio ad idem tempus relatam
fidsse credo. — ^^) Qui tarnen in dispntatione de memorabili testimonio s.
'Hpwöiavöc (p. 31 sq.) id mihi non persuasit, Dionysium in opere suo
addidisse memoriam eorum grammaticorum qui poetarum scripta con-
mentarÜH inlastraverint Nempe laudat Sehn, glossas s. TfaiLupUii et s.
CujTTipiöac, ubi Dionysii musica historia in testimonium vocetur: nam
cum neque Pamphilam nee Soteridam carmina panxisse constet, permirum
esse quod libros Pamphilae volgo adscriptos Soteridae patris esse Dio-
nysius in musica historia narrasse dicatur; unde facile posse conici,
praesertim cum Soteridas (cf. Suid. s. h. v.) de Homero Euripide Menandro
disseruerit^ Dionysium eorum quoque grammaticorum qm in poetarum
opera conmentarios conscripsennt vitam pertractasse. Qua in re vir
sagacissimus falsa opinatione deceptus est; nam inde quod D. in vita
Pamphilae testis excitatnr minime sequitur, ut idem Soteridae vitam
peculiari notatione descripserit. Deinde vero quod Sehn. s. v. CuiTnp(6ac
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De Soidae biogpraphicorum origine et fide. 411
firmaYÜ (1. L p. 146 sq.). Idem musicae historiae indolem atque
argumentum egregie adnmbravit, cum Schneiderus amplissimum opus
a Rufo quodam in brevem summam contractum esse acute evicisset.
Bufianae autem epitomae imaginem quandam nobis informare possu-
mns opera Sopatri, cuius magnam eclogarum partem ex Bufiano
libro excerptam esse docet Fhotius (Bibl. Cod. 161, 16 sq.). Cuius
ex verbis simul intellegitur in opere suo Dionjsium de poetis 1 jricis
tragicis comicis disputasse nee non epicos^^) tractasse (cf. Schnei-
der. 1. L et Wachsmuth. p. 146, n. 26). Praeterea luculenter exposuit
Wachsmuthius in poetarum musicorumque notationibus Suidianis ratio-
nem plane earundem rerum babitam esse quas praecipue respexisse
in pertexenda musica histoiia Dionysium ex Photii testimonio ad-
pareat (cetei-um cf. quae de Dionjsii in harum rerum enarratione
fontibns speciosa coniectura iudicavit E. Bohdius, in commentat. de
lul. PoUuc. in appar. scaen. enarrand. fontt. Lips. 1870, p. 79 sq.,
praeterea inspicias Fr. Scboellium, de loc. nonn. ad AeschjL vit. etc.
pertinent., len. 1876, p. 48).
Ad banc igitur Dionjsii scriptionem optima quaeque notationum
Hesychianarum, prae ceteris librorum tabulas, recedere sine
scrupulo contendere possumus: cui quidem opinioni inde potissimum
adfertnr auxilium, quod operum indices ex litterarum ordine digesti,
quem in poetarum maxime scriptis recensendis animadvertimus, *pe-
culiarem sibi et proprium' auctorem vindicant, in poetarum autem
yitis permulta Dionysii copiarum vestigia inesse perspectum est.
Dehinc grarior oritur quaestio, quis tandem poetarum libro-
rum tabulas Dionysio suppeditaverit. Atque indices quidem Kard
CTOixCiov dispositos ex bibliotbecarum catalogis esse petitos
optimämque habere auctoritatem dudum intellectum est (cf. Yolk-
in testimoniom vocari illnm contendit a vero maltum recedit. Neqne
enim dnbium est quin glossa II s. Curnip(&ac (*€in&aupioc^ iraxfip Tfa^-
lcTop(ac, ßißXia y (?) pretii nullius sit utpote ex verbie s. UaiKpiKr] misere
confonnata (cf. qaae dixi Mus. Rh. n. XXXY, 58 sq.). Denique Schneiderus
non amplins mirabitur qaod anetor musicae historiae de Pamphilae
librorum anctoritate disseruisse dicitnr, si Photii (Bibl. Cod. 175, 33 sq.)
de hnius studiis testimonium adtente considerayerit. Ibi legitar: XP^'
ci^ov hl iö ßtßXiov (sc. icTopiKCjv (nrofjivii|uuiTU)v) clc iroXu|ia6iav • eifpoi
ToOv dv TIC Kai tCöv IcTopiÄv oÖK öXifa dvaipcalo xal bi\ Kai diro96€TMdTUJV
Kai ^T]ToptKf)c biarpißf^c €via Kai 91X0C690U 6€ujp(ac Kai iToiriTiKf\c Ib^ac
Kai €tTt toioOtov iiinicou Qaibns ex yerbis elncet Dionysium satis
haboisse causae quod in opere suo mentionem Pamphilae faceret Ergo
conroit Schneideri suspicio Dionysium eorum grammaticoram vitas tractasse
qoi illorum carmina conmentati essent opinantis. — ") Dubito huiusne
Dionysii opus a Suida laudetur s. 'OpcpcOc 'ObpOcnc . . AiovOctoc bi toü-
Tov oijhi yerov^vai X^€i (cf. etiam Lobeck. Aglaoph. I, 352, et E. Maass.
de Sibyll. indic. (1879), p. 54, n. 173), immo Dionysium Phaseliten quem
ircpl irourrdw (cf. Vit. Nicandr. in Westerm. Biogr. p. 61, 20) scripsisse
constat hio sigoificari credo. Contra s. *AvTi(pdvT]C quin D. Halicamas-
sensii teftimonium proferatnr nullus dubito.
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412 A. Daab:
mann. I, 28 sq., 11, 724, Waohsmuth. PhiloL XVI, 662 sq., Symb.
p. 148, U. de Wilamowitzium, Anal. Eurip, 131 sq.). In Soidae
tarnen tabulis id praecipue nobis agendum est, ut ordinem pertar-
batum qnoad eins fied possit restituamns et recentiora additamenta
reseoemus. Qua via procedendo genuinas Trivoucuiv tabnlas ipaas
redintegrabimns , quanun haeo singularis yirtns est, qnod ea dum-
tazat quae in certis bibliotbecis sive Alexandrina sive Pergameiia
sive aliis conlecta erant volumina respici solent (cf. üsener. Anal
Theophr. 24).
Ac tragoediarum quidem tabulas si perlustramus, ordinem alpha-
beticum integrum seryatum habemus, id quod iam Volkmaonns per-
spexit (ly 29 sq.), s. v. Aioy^viic f\ Oivöjüiaoc (cuiua de fabnlis nuBc
vide disputantem Bohdium Mus. Bh. n. XXXIV, 620), KXcoqmiv,
AuKÖq)piUV, 4>iXoKXfic, quibus Waohsmatbios (1. L p. 150) yerisaime
addidit indicem qui extat s. CnivGopoc a Volkmanno (I^ 34) per-
peram explicatnm. In Ljcopbronis vero tabula id velim adtendas
tragoedias tantum litterarum ordinem teuere (cf. Welcker. Trag.
Or. ni, 12 sq.), cum Carmen quod Alexandra inscribitor seorsum
exhibitum sit. Que re optimae notae esse tragoediarum indicem
probatur. Dein Philoelis fabularom plenum catalogum exoerpsisse
tantum Suidam docemur verbis ^(I)v icii xa i rauTa' (qua de loquendi
ratione infra agetur), cum ab H demum littera iniüum faoeret, in
calce titulos manifeste omitteret, velut Pandionidem (cf. Eajser,
Hisi er. trag. Gr. 54 = SchoL Ar. Av. 282).
Porro tragoediarnm ordinem alpbabeticum obscuratum Volk-
mannus (I, 30 sq.) in integrom restituit s. v. 'AiToX.Xöbuipoc, Niko-
jüiaxoc, TifüiiiciOeoc, etiamsi de multis rebus ambigi potest; tabnlam
denique s. 4>püvixoc eandem prae se ferre indolem Wachsmuthios
(L 1. 150, 151) sagaciter perspexit.
Quae tabulae cum fide dignissimae sint, Thespidis tragoediarum
indicem ne flocci quidem fadendum esse ^^) iam Bentlei (Phaland. 271,
interpr. Bibb.) acumen intellexit (cf. Volkmann. I, 34). Hoc tamen
diiudicari nequit, utrum Dionysius Hesycbio tabulam suppeditarit an
hie vel Suidas aliunde delibaverint. ünum certissimum est fabulas
a Suida enumeratas ()iVimov€U€Tai bk tOjv ^po^jlaTUlV . .) in iri-
vaKac nunquam fuisse relatas, quod quidem Tel usus verbi |livt]^o-
veu€iv a catalogorum sermone remotissimi liquide indicat.
Dein oamoediartMn tabulae quales nunc reperiuntur apud Suidam
partim ex priscis ac limpidis fontibus fluxerunt partim ex Athemiei
libris conlectae sant. Quo de altero indicum genere haud dubio
Suidae ipsius manu confectorum peculiariter infra disputabitnr;
"*) Goiua tragoediarum et titulos et fragmenta Heraclidis Pontici
(cf. Laert. Y, 92) fraodi deberi idem BentleinB subtiliter oetendit De
hnius vero opere quod cuvaturrt xCöv ^v t^ jliovcikQ (6iaXa|LU|»dvtviv) ia-
scrifoitur docte nuper diaserait Bergkius (Bist, litt Gr. I, 404 sq.), cf.
Plut. de mas. III, p. 1182 d, et Ric. Volkmanni adnoi p. 59.
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De Suidae biograpliieonim origine et fide. 413
priores yero Heeychio Dtonysium ex bibliothecarum oatalogis haustos
praebnisee idem probat ordo alphabetions^^^) seu integer servatus
Ben redintegrandas. Ac prinram quidem fabtdae s. v. Xitüvibric,
Kp&nic *A6itvcÄoc, 6öitoXic, TTXörrwv, AcOkujv, Kiicpictoujpoc, 0öp)ioc
ennmeratae litterarnm seriem etiamnum stricte tenent, qnod iam per-
spexere cum Volkmannus (I^ 34 sq.) tom maxime Wachsmuthius
(L L 151 sq.). Praeterea iidem orduiem obscnratum iUum sed in
integram sna enra resütatum detexemnt in tabnlis s. v. 0puvixoc,
KaXXiac, CTpdrTic, NtKOX&pYlc, NiKoqxtiv, (tnXiüvi&iic, 4>tXuXXioc,
Cawup{u)V (crnns de fabulis vide quae dixi Mas. Bh. n. XXXV,
64 sq.), 4>iXicK0C. Quamm in ntunero titiQos s; v. KaXXiac (. . oO
bpd^aTa Aipjimoc — oeterum nescio an buins inscriptio faerit
potina AiTvnnot eisd^ai Antipbanis et Timoclis conlatis — , !^Ta-
Xdvn], JTvKXuJTrec, i7€bf)Tat, Bdrpaxot, 2^oX(i2;ovr6c) praeter untun
Bdrpaxoi Karä CTOixeTov procedere omnes Volkmannus (I, 36) vidit
Iam si argumentum perpenderis fabulae TTcbfiTai — quae Calliae
sine dul»o Tindicanda est, cf« Meinek. F. 0. Gr. I, 214 — TTcbf^rat
fj Bdrpoxot germanam fuisse inscriptionem &eile mihi concedes.
Qaibus tabulis dubitanter addo eüam catalogos s. M€TaT^VT]C,
ÄfOKX^c, *AiroXXo<pdviic, 'Apapdic, ^tX^raipoc, 'Qq)€Xiu)v, 'Hvioxoc,
CuKpiXoc, Tt)tiö0€oc, 'ATCoXXöbtJjpoc feXAoc, tarnen hi omnes uberio-
rem atque explicatiorem flagitant enarration^n, quam in aliud tempus
difierre praestat.
Caput in.
De epiconun eanninum tabiiis e bibliotkeeamm eatalegis
petitis.
Iam cum et tragicorum et comioorum indieibus examinatis Calli-
machi TrivaKac omninoque bibliothecarum catalogos tanquam prima-
rios Dionysii Halicamassensis fontes inyeetigaverimus, ad epicorum
poetamm tabulas recte aestimandas ac pemoscendas via planier facta
est et expeditior.
13 1») NoH tarnen huc refeire indicem s. *ApicT09dvnc exhibitum.
Sabstitoit nimirom Saidas ex eodem Amtophanis comoediarum exemplo
ex quo Bcbolia excerpsit nomina XI fabularum a plerisqne tum lectitatarum
— et, dir€p Wir€irpdxo|üi€v 'A. Öpdinara . ., et de usu vocis irpdTTCiv etc.
Tid. G. fiuenger. de Arist. Equ. Lys. etc. ap. Suid. reliqu. Dies. Argent.
1878, p. 9, 10 — in locom pleni indicis quem Hesychii epitome ei
praebebat (cf. Wilamowitz. Herrn, y. XIV, 464 sq.^ et iam Anal. Eurip. 135,
not. 3). Verum hanc plenam tabulam aliimde nuper recaperayimas: nam
Fr. Noyati ex cod. Ambros. L. 39 Bup. edidit (Herrn. 1. 1. 461 sq.) xaTd-
XoTov Tüthr 'Aptcrocpdvovc iroir^fidTWv, Quorum numeras {\ib') cum Snidiano
{bpdpLora b* ai)roü \xh') mire concinit. Bectissime igitur — convenit
enim etiam 'Aptcr. t^voc in Ambros. enarratum cum breyi yita Suidae —
Hoyati coniecit et Suidae testimonium et indicem Ambrosiantim ex eodem
iimpido fönte, i. e. irivaii, promanasse.
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414 A. Daub:
Enimvero in bis item ad litterarum ordinem dispositae
reperiuntur tabulae, quarom luculenta ezempla 8. NiKavbpoc
et 8. Cuqpopiuiv extore iam Scbneideras (CalL 11 , 32) perspexit.
quibus V. 'Hcioboc nee non y. TTavOacic et Gö^oXiroc Wachst
mathiii8 (1. 1. p. 149, et not. 38) addidit. Qua in re nnum gravissi-
mum e8t. Nam, quod nemodmn diserti8 verbi8 monuit, ordinem
alpbabeticum non 8ervatam eernimne nisi in libris eins-
dem generie indolisye recensendi8, i. e. plerumqne poeticis,
nusquam tarnen in scriptis generis diyersi, ita ut Troiifj-
^ara et pedestris 8ernioni8 8criptione8 comunäim Karä
CTOiX€iov non procedant. Idqne yel mazime eadit in Alezan-
drinomm poetarum indices ex litterarum ordine dige8to8, quos prosa
quoqne oratione libros conpo8ui8se nemo ignorat. Velut s. £uq>o-
piiüv epica tantum carmina enumerantnr, id quod ipsa Suidae yerba
liquide conmonstrant (ßißXia b* auroO ^ttikoi raOra* 'Hcloboc^ Mo-
i|ioiTia f\ ''AraKTtt . . XiXtdbcc . .), neque in tabula ulla fit mentio
Ubrorum pede8tri sermone per8criptorum , yelut eiusdem IcTOpiKorv
uiTO|LiVTi)LidTU)V, 7T€pi ^cXoTTOiuiv, Tiepi 'lc6|iiu)V K. T. X. SocuntuT vero
ex litterarum ordine (cf. Wacbsmutb. 1. 1. 150 et inprimis not 39)
Euphorionis opera a Suida conmemorata, de quibus optime disseroit
Meinekius (AnaL Alex. p. 12 — 15), eiusque iudicium fere oonprobo,
cum mira narrayerit Bembardyus (ad Suid. 8. b. y.). Ferro opinari
licebit banc tabulam in fronte (Hcloboc), in medio, in calce (^iXiäbec
qui quidem titulus eorum qui innotuere seeundum litterarum ordinem
est noyissimus, cf. Meinek. 1. 1. p. 75) a Suida delibatam esse.^')
Dein de indice s. 'Hcioboc seryato iam nil fere babeo quod
addam; yidemus autem tribus titulis xard CTOiX€tov ordinatis ea
He8iodi carmina quae aetatem tulere praemissa, cuiu8 rei qualis ratio
sit Volkmannus (II, 728) exposuit. Atque eandem normam in indice
s. NiKavbpoc exbibito regnasse in propatulo est: N ^Tpc^VC
OripiaKd, 'AX€£iq)dp^aKa, r€UipTiKd,'£h'epoiou|i^vuiv ßißXiae', 'Jdceujv
cuvaTUiT/jv, /ZpOTVujCTiKd bi inCjv (|i€Ta7T^(ppacTai b* Ik toiv 'Imro-
Kpdrouc npoTVUiCTiKUJv), Tiepl ÄjpncTripiuiv Trdvrujv (iTavTOiuiv con-
iecit Volkmannus, nescio an recte, cf. simillimam Pbilemonis libri
Trepi iravTobaTTÜJV xP^lCTTipiuiV inscriptionem, quacum E. Bobdius [de
Jul. Foll. fontt. p. 12, n. 3] apte conposuit Nicandreum libellum, de
quo prorsus aliter sensit 0. Scbneider. Nicandr. p. 27) ßißXfa t kqI
dXXa TrXcTcTa ^itikujc. Sed de bac tabula paulo explicatius dicendum
est. Nam contra 0. Scbneiderum, qui (Nicandr. edit. praef. p. 19 sq.)
peculiarem de Nicandri scriptis quaestionem instituit, omnia s. b. y.
recensita scnpta inx] fuisse arbitror. Hie tarnen ita ratiocinatus est
'") De titnlo 'Hdoboc a Bembardyo iniuria temptato yide Bergkium
Anal. Alex. Marb. 1846, p. 19, Nietzscbium Mus. Bli. XXV, 538, et
XXVIII, 236. — In hnins glossae fine cur WeBtermannus cum Bembardyo
verba imypdtpexai — dirorcXoCvrai deleyerit non adsequor: sunt enim
yerba dumtaxat 'ü)c bm xiXiwy ^iruiv diroTeXoOvT<xi' remoyenda.
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De Soidae biographicomm origine et fide. 415
(p. 26, 27): in titalo 7Tpotvu)CTtKd bi* inwv verba eztrema aut
solum ad TrpoTViucTiKd aut — quod veri ducit similius — ad omnes
qni antecedunt titulos posse referri: iam si hoc stataeremas, librum
nepi xpn^^'nipiujv pedestri sermone conpositum, sin illud, Tf)V Idcewv
cuvaTuiTrjV ^fortasse' non item epos^ sed prosa oratione conscriptam
fuisse indicare volnisse Soidam. Sed neutrom ef&ci potest. Verba
enim bi' iirdiv ideo, opinor, adposita sunt, ut Hippocratei operis
pedestri sermone perscripti metaphrasis Nicandrea non item prosa
sed versibus esse conposita significetur. ünde consequens est verba
bi* infjjy ad npoTVUiCTiKd unice pertinere; possumus igitur atque
debemus ex novissimis verbis (nai SXXa TrXeTcra dTiiKUic) concludere
scripta antea enumerata ^ttti fuisse, cum AlTUiXiKd (cf. Schneider.
1. 1. p. 19 sq.), KoXoq)U)viaKd (L 1. p. 25 sq.), irepi tXtDCCiöv (p. 26 sq.),
Tr€pi Tronyrüjv (p. 27 sq.), pedestria opera omnia, in Suidiana tabula
omissa sint. Quae opinio firmius potest conroborari, modo pinaco-
graphorum consuetudinis supra (p. 1 6) nobis adumbratae reminiscamur.
Praeter has tabulas egregia fide praeditas non desunt aliae
notationeS; quas si acrius perpenderis eisdem ex limpidis fontibus
promanasse vix diffiteberis. Ac litterarum ordini non adversari
titulos s. TTavuacic iam Wachsmuthius (p. 149, n. 38) animad-
yertit, quorum indolem bonam (cf. etiam Bemhardyum, Gr. Litt.
Hisi II, l', p. 341) vel illud evincit, quod et versuum numerus
sedulo denotator et Iujviküjv argumentum paucis deUneatur. Nee
non yerba s. "Hpivva (. . ?TPttM^€V 'HXaKdtriv iroiriiia b* dctlv
AtoXiicQ Kat Au)pibt biaX^KTiiJ dnütiv t') eandem resipiunt auctorita-
tem, cum ea quae hisce adnexa sunt (diTOiriC€ bk Kai £iTiTpdjLi)iaTa)
recentiorem prodant originem. Fariterque verba reXeuTqi . . dvvea-
KaibcK^Tic — icoi TOic *Ofif^pou ex epigrammate in Erinnam oon-
posito (cf. Anthol. I, p. 135: ol bfe TpiriKÖcioi tauTTic CTixoi Icoi
'O^rjpiji II THC Ka\ Trap6evi)ct]C ^vveaKaibcKdreoc) efficta esse adparet.
Aiexandrinis vero grammaticis Erinnae epigrammata aut non in-
notuisse aut suspecta fuisse reor: quanquam omnino nondum habeo
exploratum poetriam revera conscripsisse epigrammata, quantumvis
adfirmarint Bergkius (P. L. G.^ p. 926) et Bemhardyus (Gr. Litt
Hist n, 1^ 554). Porro Choerili scriptorum notitiam ex prisco
fönte baustam esse suspicor, etiamsi Suidas Choerilum Samium ab
altero Alexandri aequali non satis distinxit: ?TpOM^e hl raöra* Tf|V
'AÖTivaiuJV viKriv xard H^pEou, iq>* oö 7roiifi|LiaToc Kard ctixov
CTaTflpa XP^coOv ^Xaße (quod praemium unice recentiori Choerüo
convenire subtiliter ostendit Naekius, Choeril. [Lips. 1817], p. 81 — 86)
Koi CUV ToTc 'Ofiiipou dvaTiTVWCKecGoi dv|;Tiq)iceTi (quae verba ad
Choerilum Samium verissime idem rettulit p. 89 sq.). Aa^iaxd, Kai
dXXa Tivd iTOi/i)biaTa auroO q)dpeTai. Sed de inscriptione quam
priori carmini celeberrimo Choerüus praefixerit parum constat (cf.
Naekium Choer. p. 79): quippe exhibent nomen TTepCTitc Stobaeus
(Sermon. XXVII, 1), TTcpciKd Herodianus (ircpi jLioviip. X. p. 13).
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416 A. Danb:
At inscriptionem Saidianam ab aliquo Alexandrmorom grammatieo-
rum profectam esse crediderim. Dubitant etiam de altera scriptioiiey
utrum AafüiiaKd revera audierit tum ad seqniorem certe Choeriltun
referenda an CajiiaKd conrigendam sit (cf. Naek. p. lOl), quam qid-
dem sententiam equidem duco probabiliorem.
Debinc progredimur ad uberrimam tabulam s. 'Opq)€uc (Bpq£)
exbibitam^ qnade prndentissime Lobeckius (Aglaoph. I, 356 sq.) iadi-
cavit, cum hac ipsa cum indice ap. Clem. Alex. Strom. I, p. 244 —
^quem e pinace antiqui cuiusdam critici excerpsisse videtur' (p. 353 sq.)
— conlata decem titulos apud dementem omissos ^in grammatieorum
Alexandrinorum ävaTpaq)aTc non conprebensos fttisse' statuit Ita-
que Saidae catalogum pristina niti auetoritate (cf. etiam Bergk. Or.
Litt. Hist. I^ 396 et adn. 237), sed recentioribus additamentis de-
formatum esse censeo. Quod ne Bergkius quidem negavit, tarnen
ad Callimacbum indicem revocare dubitavit. Sed nescio an inmerito :
etenim si, quod ipse fatetur, Orpbei opera in Alexandrinorum biblio>
tbeca extiterunt, baec Callimachi curis in irfvaKac esse relata credere
par est. Nee Bergkio adsentior dicenti Alexandrinos in Epigenis —
quem ante Callimacbum trepl rflc elc 'Opq)^a [<ivaq)€po^^VT]c] rcovf\-
C6U)C scripsisse ex Clem. AL Strom. I, p. 244 conpertum babemus
— de Orpbei scriptis iudicio adquievisse (p. 395 sq.; not. 235),
quam opinionem conparatio Epigenis fragmenti (1. 1.) cum Suidae
1»bula instituta confestim infringet:
Epigenes.
'CiTifdvric bk hf Tolc ircpl
rf\c €lc *Op(p^a iroi/|C€U)c
K^pKUJiroc (cf. Lobeck.
Agl. I, 364) €lvai toO TTu-
Oaropciou Tfjv elc "Aibou
Kard ßaavxai t6v 'kpöv Xö-
Tov, TÖv bi TTdirXov xal tA
0uciKd Bpovrivou . .
Suidas.
. . €lc *Ai6ou Kardßaciv. raOra 'HpobfKou
[TTpoWKOU 0. Mueller. Orcbom. 118, et Wel-
cker, Ep. Cycl. 266] toO TTcpiveiou . .
'kpoOc XÖTOuc . . X^TOvrai h* etvai G€otv#|-
Tou ToO OeccaXoO, ol bk K^picumoc toO
TTueaTopcCou . . TT^irXou Kai Adcruov xal
ToOra Zujinipou toO 'HpaKXet^TOu, et
bi Bpovrivou . . Ouaxd, & Bpovrivou qKidv.
ünde probabili coniectura possumus efi&cere Alexandrinos gramma-
ticos Epigenis studia aliorumque fortasse in usum suum convertisse,
ipsos tamen in fidem librorum Orpbeo adscriptorum inquirere minime
supersedisse.
lam duae epicorum tabulae reUcuae sunt^ quas item ex biblio-
tbecae alicuius catalogo fluxisse veri simillimum est. Sic legitur s.
*Appiavöc dTTonoiöc . . fi€Tdq)paciv tijüv tcuiptiküöv toO BepxiXXiou
^TTiKUJC TTOirjcac, 'A\eiavbpi&ha (fcTi bk xd kotä täv Maxe^öva
^v ^atjitjibiaic KÖ'), elc ^^TxaXov xöv TTcprajLHivöv Troi^^fiara:
qua in tabula yides eundem non posse dici auctorem et metaphrasis
Vergilii georgicon et carminis in Attali honorem conpositi. Quam
temporum dissidentiam Meinekius (Anal. Alex 371) ita fecillime
sustulit^ ut duos cognomines Suidae inscitia confusos esse statueret.
— Praeterea indiculum s. MoucaToc *eq)^cioc servatum a irCvoJi
repeto: ^TiOTroiöc xiöv elc xoüc TTepTCt^Tivouc Kai aöxöc kökAouc.
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De Snidae biographicorum origine et fide. 417
^TPOiH/e TTepcTitboc ßißXia i^Kai [u^vouc intercidisse suspicaturWachs-
muthins] eic 6ujli^vti Ka\ ''ATTaXov. Qaae verba dici nequit quant-
opere homines doctos torserint, quorum opiniones congessit Volkmannus
(m, p. Vm et not. 8, vid. etiam C. Maellerum, Fr. H. Gr. IV, 618 cum
adnot.); yemin huius ipsius conamen rei enodandae velmaxime displicet.
Ac primnm quidem Eustero et Bei*nhardjo adstipulor ^kukXouc' de
conlegio vel docta hominum Pergamenorom societate interpretantibns:
qaam rationem si amplectimnr una cum Wachsmuthio verbis Kä\
auTÖc post diTOiTOiöc transpositis — ita nt Masaeos Epbesius com
Eleusinio conferretur, vid. p. 406 —, hinc talis fere sententia elicitur:
^MusaeuB . . et ipse poeta epicus, unns ex iis qoi in conlegia Perga-
mena adlecta erant'. Qua cum notatione haud scio an apte queant
conparari quae 8. v. Aecxi^nc leguntur: 8c cuvecTpdreucev Cufi^vei
TU» ßaciXei' fjv diTiq)av^CTaTOC tijüv (sc. TTepTajunivaiv) iroiriTUJV.
cuvfiv bi TouTip Kai TTuO^ac 6 cuTTpaq)€Üc Kai M^vavbpoc 6 larpöc.
Unum Buperest exemplum, quod unde originem trazerlt pro
certo dici nequit, tabula videlicet ß. 'ApiCT^ac. . xd *Api)LidciTdia
KoXoüiLieva i-nx] (fcri b' Icxopla tiöv Tirepßopdujv 'Api^acirÄv)
ßißXia t' . . ^TPa^e b' ouTOC Kai KaraXoTdÖTiv (nam sie distin-
guendum est; notitiam vero de opere ^GeoTOvia' plane mendacem
esse constat, cf. E. Hillerum Mus. Eh. n. XXXTTT, 522) OeOTOVtav
eic lwr\ ^a, in qua carminis epici ad argumentum numerumque libro-
nun descripti notitiam non sine veri specie irivaEi vindicare possu-
mus (cf. etiam E. Bohdium ibid. p. 181, n. 2). Quanquam Dionysius
Halicamassensis (it. t. 6oukuö. x<^P* <^* ^^i P* ^^^ ^q.) et Cadmi
Milesii et Aristeae scripta inter ea rettulit, quae licet aetatem tulis-
sent non uno consensu pro genuinis baberentur. Sed Callimacbus,
opinor, fidem illius carminis suspectam sedulo notare supersedit —
Nil certi denique enucleare potui de Homer i operum tabula, quam
ex diversis particulis conflatam esse liquet, nee facile est singularum
originem expiscari, cum permulti scriptores in Homeri yita et poesi
enarranda desudaverint (cf. Tatian. ap. Euseb. Pr. Ev. X, 11 «s
0. Scbneider. Call, ü, fr. 390). Tarnen singulos titulos quoniam in-
conposite ac plane temere procedunt, Callimachi — quamvis Homeri
quoque carminibus hunc operam navasse (cf. ibid, fr. 74*) probe
cognitum habeam — niti auctoritate vix crediderim (cf. C. Diltheyum
de CalL Cjdipp. 10, H. Flach, Eud. et Suid. 66).
Hactenus de epicorum poetarum tabulis. Ceterarum auctores
rimari in praesens mitto. Sed de Sibjllarum indicibus nonnuUa
adiciam. Etenim E. Maass (de Sibyll. indic, dissert. Gryph. 1879,
p. 51 sq.) verissime perspexit duos in Suidae lexicon inmigrasse indices
Sibyllarum, alterum 'Varronianum* [öti CißuXXai — ßißXia y' (pro ß'),
cf. p. 32 sq., 37 sq.], alterum Hesychianum Sibyllas quae carmina re-
liqnerunt recensentem — [CißuXXa A€Xq)ic — öwpiujc XPnCMOtic],
inter quos glossam de Sambetha ludaea yilissimam esse insertam
[C XaXöaia — o\ XPil^Mol aürf^c]. Hesychiana vero tabula, in qua
Jmhxb. t oUsi. FhüoL Snppl. Bd. XI. 27
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418 A. Danb:
non nihil probi insit, unde originem traxerit nescit (p. 54), aed ad
auctorem Hadrianeae aetatis redire eam opinatur. Sed quid obstat
ne Dionjsinm (musicum) auctorem esee credamus, praesertim cmn
Photius (Bibl. C. 103, b. B) in Sopatri (i. e. Rufi, cf. p. 411) libro
Sibyllas invenerit recensitas? Cetenim band negaiim Dionjsianam
doctrinam recentioribns additamentis sensim auctam esse. ^^*) Fraeterea
autem non pauci librorum indices occumint, qnonun fidem vel ad-
modnm snspectam yel omninö nnllam esse post Bergkinm E. Hilierne
(Mus. Rb. n. XXXIII, 522 sq., cf. p. 518 sq.) sagaciter perspezit In-
spiee qnaeso Palaepbati openim tabulam: nbi sat miram yersanm
descriptionem a TrivoSi repetere nolim, cnm omnes titoli mere efficü
sint (cf. Bergkinm, 1. 1. I, 405, et n. 270; Hillerum, L 1. p. 522).
Ac plane eiusdem generis sunt yerba s. 'Apicr^ac Md. snpr.
p. 417^ extrema, s, eöfioXtroc . . im\ t& Trdvra xpicxiXia (cf. Hiller.
p. 523). Nee minorem dubitationis causam babent indices s. *AvTi-
füiaxoc £t€POC, s. 'Eirificvibiic (cuius de scriptis recte sensisse yidetur
Hillerus, p. 525 sq.; praeterea cf. Bohrenum de Sept. Sap., Bomt
1867, p. 9, n. 8), s. Gdfiupic ((plperai bk aöroO eeoXoTla €lc lm\
TpicxlXia, cf. Bergk. p. 404 sq., Hiller. p. 522), s. "\ba\oc 'Pöbioc
(. . ?Tpatpe Ktti fiXXa *PobiaKä elc im\ ,t), s. Köpivvoc (irpurroc
TpAvpoc Tf|V *IXidba, cf. Bergk. 406), s. MoucaToc *€X€ucivioc
(fTpa^ev OToGriKac Gu^öXirifi xq) uliD iiir\ ,b, Kai dXXa), s. *Opq[>€uc
KiKOVaToc, s. *0. KporuiTidTTic, s. '0. 'Obpucric, quorum de libris iam
Lobeckius (Aglaopb. I, 355 sq.) sanissimum tulit iudicium cum
diceret: ^multo magis (quae in altera pagina secuntur) Bjzantinorom
pergulas redolent'. In quibus vel maidme suspecti sxmt qui Orpbeo
Ciconeo tribuuntur (cf. etiam Lobeck. p. 378): et multa id genus
scripta Neoplatonicorum demum aetate (altero p. Cbr. saeculo) orta
esse subtiliter monuit Bergkius (1. 1. p. 400, 401). Plurimos yero
titulos Hesycbio non Dionjsium suppeditasse, sed Hesjcbiom
Suidamye ipsum nescio quibus e latebris inscite congessisse mibi
persuasum est.
Caput IV.
De lyrieornm carminiiiii tabnlis a Dionyslo e CalUmacU
potissimnm catalogifi Hesychio snppeditetis.
Dionjsium musicum in lyricorum vita rebus scriptis enarran-
dis praecipuam conlocasse operam cum buius operis indoles ipsa
abnnde doceat^ tum ex Sopatri eclogarum descriptione Pbotiana de
qua supra yidimus optime intellegitur. Prae ceteris igitur buic ipsi
Dionysianae scriptionis parti egregiam fidem tribuere possumus, qua
^*^) Tarnen boo loco non possum non casügare leyitatem qua
Maassios de Heeycbii fontibuB iudicayit: quippe ne Fbilonem quidem
Byblimn inter praecipuos iUius auctores disertim conmemorayit, nee
pbiloBophomm yitas unquam extremis tantum digitis adtigiise ylaetor.
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De Süidae biographicoram origine et fide. 419
tarnen in re id velim adtendas, in Suidae notationum mole pristinam
Dion^sii copianim spedem saepiuscule deformatam et recentioribas
snpplementis adauctam esse. Dionjsii yero ipsius testimonia a loca-
pleti quodam auctore orimida esse signa nonnnlla probant eaque
grayissima. Etenim in lyriconim poetarum tabnlis yel librorum seu
yersaom numemm adcurate definitnm vel libros ex argnmento
dispositos Tel eosdem ex litterarum ordine digestos vel singolorum
poematom dialectum metrumve diligenter enotatum deprehendimus.
Nee non in poetartun ipsoram aetate enarranda distinctam temporom
notitiam cum spectamus^ ad emditissima Alexandrinorum chrono-
graphomm stndia nitro deferimnr. Omnino autem qui barum yita-
mm indolem considerarit^ artiore nexn paene omnes contineri facile
intelleget. Qnippe videmus uninscniusque fere poetae nomen patriam
parentes poeseos genns aetatem carmina concisa eademque dicendi
ratione ita delineata^ ut talia ad conmunem peculiaremqne fontem
non redire neqneant. Sed anctorem ipsnm quem tandem fuisse cen-
sebimns ? Ac Mauritius quidem Scbmidtius (Didjrm. Fragm. p. 394 sq.)
Ijricomm et Septem sapientium yitas ex libro n€p\ XupiKÜJV itoititu)v
deriyatas esse statuit, cuius auctorem Didjrmum non illum Cbalcen-
temm sed musicum^***) fuisse autumat — : quam totam opinionem
paene nnllis argumentis fultam Fr. Nietzsche (Mus. Eh. n. XXJI^ 200)
iure refutayit unaque demonstravit lyticorum notationes cum pinaoo-
graphorum curis multo magis quam yolgo opinantur cohaerere. Tamen
hie paolulum subsistere et rem ipsam sedulo pervestigare placei
Atque nt statim quod sentio pronuntiem, iUarum vitarum eam con-
dicionem esse yideo; ut harum fundamentum iecerint Callimaohi
irivaK€C, dein quae huius generis a Callimacho paucis enotata erant
ceteri Alexandrini grammatici yel successores quos ille in bibliotheca
administianda habuit auxerint et amplificayerint. Quam sententiam
nt confirmemuSy id praecipue ratione ac yia probandum yidetur,
CallimachTmi in nfvaSi non solum nuda scriptorum operumque no-
mina enumerasse, sed de yita quoque auctorum pauca adnotasse. Ac
dno potissimum testimonia hane opinionem conmendare yidentur: 1)
Athen. VI, 262, c (cf. Wachsmuth. Philol. XVI, 659, et 0. Schneider.
Call, n, 318): 'Att(4Xou bk toO ßaciXeuJc 4t^v€to köXoE xal öi-
ödcKaXoc Aucifiaxoc, 6v KaXXifiaxoc ^ifev ©eobOüpeiov dvaTpÄ9€i,
"'Cpmutroc bi. iv ToTc 0€6q)pdcTou lüiaGriTaic KataX^T^i. 2) Laeri
fDiog.) Vin, 8, 1 (yid. eosdem): €0öoEoc . . rä ^fcv T€Ui^€TpiKA
*ApxuTa birJKOuce, rd bk lorpiKd ct>iXicT(u)voc toö CikcXiiAtoU; Kaöd
KaXXijuaxoc dv toic irivoEi qprici, quocum cf. Eudociae — quae
Liaertium conpilayit — Violar. p. 193: '6 . . dKOUCxric . . die KaXXi-
liaxoc iv ToTc TTivoEiv, 'Apxuta Kai 0iXiCTiu)voc. Extat et tertium
141») Hanc ipsam deDidymo musico sententiam rectissime inprobaxont
O. Schneider (Diar. antiqn. a. 1B55 (no. 81), p. 241 sq.) et E. de Lentaeh
(Phil. XIj 20, not. 60), qui tuaien eis quae de Pindari carminum disposi-
tione (ibid. p. 17 sq.) dissemit, iuitam rei rationem nentiquam perspexit.
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420 A. Daub:
testimonium (Procl. in Parm. Plat. Cous. 5 = Wachsm. 1. 1. p. 659
= Schneid. 1. 1. p. 305 sq.: bibdcKttXoc jLifev 6 TTapjLievibric, |Lia9r|-
Tf|C bk Zt^viuv, "eXcarai b* ä^qpui, Kai ou touto jliövov, dXXd xai
ToO TTuOaTopiKoO biöacKaXeiou )Li€TaXaßövT€^ KaOdirep irou Kai
KaXXl^axoc [CD: NiKÖjuiaxoc] icxöpricev), sed hoc propterea ad-
scisci nequit, quod ex irivaSi manasse non exploratum est (cf. C.
Diltheyum de Call. Cydipp..l8, n, l). lam vero Wachsmnthius
(1. 1. 661) singulis auctoribus Callimacbum breves de vita et studiis
notnlas subiecisse haudquaquam certum esse dixit: nam priorem
illum locum (Ath. YI^ 252, c) ita explicari posse, ut Ljsimachus
pleno nomine 6eobiüp€ioc adpellatus sit ne cum cognominibus con-
fnnderetur, alterum (Laert VIII; 8, l) sie nt similium reminiscere-
mur inscriptionum, velut <l>iXobrijLiou irepi xfjc täv Geiöv €uctoxou-
^^vrjc biaTUJTTic xatd Zr|VU)va (in voL Hercul. VI), OiXobrijLiou toiv
Kar' dTTiTO|Lif|v dEeipTacjLi^viwv irepi i^Goiv Kai ßiujv ^k tüjv Zrjvuivoc
cxoXdiv (vid. Wacbsm.). ütramque vero explicationem incertam esse
quamvis non diffiteatur, respecta tarnen tota iTivdKWV indole singulis
scriptoribus de praeceptoribus potissimum pauca addita foisse arbitra-
tur. Hactenus Wachsmuthius. Sed priohs testimonii explicatio Wachs-
muthiana mihi equidem parum adridet: etenim cum Lysimachi iUius
nomen minus fuerit celebratum quam ut istius modi opus esset di-
stinctionO; tum Hermippi Callimachei verba liquido monstrare videntur
ilUc revera agi de Ljsimachi praeceptore investigandO; non de illo
a cognominibus secemendo. Alterum autem exemplum quo res
dirimatur aptissimum est: enimvero TTivaKCC ipsi in testimonium
Yocantur, nee Wachsmutbii ratio interpretandi ut nimis artificiosa
mihi probatur. Quare ne hie quidem infitias ire possumus CaJli-
machum de Eudoxi magistro quaedam adnotasse. Quid? quod Trivd-
KU)V indoles ipsa prohibere videtur, ne auctorum nomina et scripta
nude posita fuisse opinemur. ^^) Cave tarnen hoc munus latius patuisse
^^) De inmortalibuB Callimachi cnris pinacographicis sat notum eet
doctiBsime disputasse C. Wachsmnthium (Philol. XVI, 653 sq.), deinde
Fr. Nietzschium (Mus. Rh. n. XXIY, 189 sq.) hanc rem in transcursn
tetigisse, sed parum probabiliter [sie huius de nnmero CXX librorum
irtvdKwv coniectura iam a Schneidere (Call. II, 304 sq.) merito explosa
ab omni veritate abhorret^ nee secua iÜud displicet, quod Callimacham
catalogo tOl^v KarA xP<^vouc Kai dir' dpxf)c f€voixtv\uv bi6acKdXurv ad certam
mvdxwv partem carmina omnis generis conpleotentem 'sese praeparaeae'
Btatait; rectisBime vero meo quidem iudicio de ordine catalo^ Tiiiv
irovrobaiTiIiv cuTTP^^MI^dTUiv dissemit, p. 190, n. 2], tum 0. Schneidermn
(Call. II, 297 sq.) totam quaestionem retractasse et WachBmuthio ad-
sentientem et refragantem. Verum singula plenius enarrare vel i>er-
censere ab hoc loco aliennm est, sed pauca delibare plaouit. Ac primum
quidem Schneidero (p. 300, 301, 302) nequeo non obloqui ex yerbis
Tzetzae conmentarii in sec. Ambrosiano conprehensi (cf. Bitachelü opnsc.
phil. I, 200, liD. 2): KaXX{|üioxoc — öcr^puic |ui€Tä Tf|v dvöpOuiav xoiic wi-
vaKOc oOtiIiv direrpdM/aTO (c1. etiam verba Ambros. primi: div ßfßXuiv
To{ic TtlvaKOC K. äir€Tpd\|iaTo) id eKoienti, Callimachum libromm tabnlas
a primis bibliothecae ordinatoribus conpoaitas in buos idvaKac postea
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De Saidae biographicorum origine et fide. 421
suspicere, quasi Callimachus in scriptorum vitam dedita opera in-
qnisivisset: fundamentum tantum iecit, quo posteriores vere bio-
graphi (in primis Hermippus) sua supersiiuxerunt aedificia,
Aperuimus igitnr interiorem Snidae notationum et Callimachi
TTivdi^iuv cognationem: qua enucleata pemecessarium est pristinam
germanamqne singularum vitarum formam recuperare.
Quae praefatus iam lyricorum carminum tabulas ipsas examini
snbiciam. Ac primum quidem indices ex argumento digestos percensere
lubet, quem quidem ordinem lyricae poeseos generi utpote maxime
conyenientem (cf. Wachsmuth. Symb. 149) et Callimachus secutus
videtur (cf. eundem Phil. XVI, 661 sq.).*®) Prae ceteris vero
transtolisse in snumque usum convertisse. Cui interpretationi obstrepit
sane usus loquendi (vid. Herod. III, 136, Plut. reg. apophth. p. 143), at-
que ex yocabulo öcr^pwc bis adhibito (in Ambros. sec. et in gramm.
Paris.) , qood Schneideras consulto neglexit, necessano efficitur iictä tV|v
ötöpOuiav demum operam institutam esse pinacographicam. Praeterea
Bcholii Plautioi yerba (p. 6, 3: 'Callimachus — etiam singulis volumi-
nibus titulos inscripsit', quae equidem yersionem parum adcuratam non
tarn yerborum gramm. Paris, [p. 6, 16 Cram.], 'div toOc irCvaKac öcTcpov
K. dir€Tpd\(iaTo" [sie enim scrioendum esse ducopro ^ireTpdMiaxo, Meinek.
Praef. ad Call. edit. XV: cuv€Tpdi)ioTo] quam Ambrosiani sec. (<JDv ßißXuiv
Tovfc IT. K. dircTpdHiaTo esse censeo) adratim docent singula yolumiua ante
Callimachi operam ad irfvaKac npndum relata sed disposita tantum f uisse :
eis yero quae infra exposuit Schneiderus (p. 307 sq.), tota eins opinio
labefactatur. Qua re inmerito Tzetzae eam yindicayit sententiam (p. 302),
ut bibliothecae Alexandrinae catalogos diyersoB foisse existumarit a
Callimachi TrCvaEiv, in quibus conscribendis illos adhibuerit. Nee ceteris
quidem argumentis id mihi persuasit Schneiderus (p. 303 sq.), cum Calli-
machum litterarnm historiam condere voluisse probatum iret. Num tandem
inde quod idvaS TiXn/ &t6acKdXu>v Kurd xp<^vouc dispositus fuisse perhibetur
pro certo licet conligere in relicuis scriptoribus adomandis eandem in-
yaloisse rationem chronologicam ? Immo ni omnia fallunt ex peculiari
illo testimonio contrarium effici potest. Sed omnino nondum perspectum
est qualis fuerit indoles huius &i&acKdXujv catalogi a Suida seorsum re-
censiti; tamen non inepte suspicari possumus hoc ipsum opus a ceteris
catalogis seiunctum foisse, quo quidem Callimachus didascsJicis curis
Aristotelis locupletissimis adiutus peculiarem scaenicorum poetarum histo-
riam conprehendisse videtnr. Atque hoc ipsum fuit quo huius irivQKoc
ratio a ceteris longo differebat. Herum autem indolem a nostrorum
catalogorum ieiunitate multo a^sse sciendum est. Inde etiam illud ex-
plicatur quod Callimachus singulorum auctorum nominibus breyes de
vita subiecit notationes. Tamen hoc mxmus artissimis limitibus coer-
citum erat nee tam late patuisse yidetur quam Schneidere yisum est,
quo suam opinionem stabiliri putayit. Certe quae ille de Homeri genere
atque aetate disputasse narratnr (cf. Call. fr. 890), num ad idvaKoic per-
tinuerint nescitur, neque etiam in cpiXocöcpujv dvaxpacpfji monuit ircpl
tXujccuiv Democriti (fr. 29 = Schneid, p. 322), sed proprio opere de
ns egit, quod pluribus explanare huc non adtinet. De ceteris rebus
quae huc faciunt adi subtilem Wachsmuthii (1. 1. 661 sq., Symb. 148 sq.)
enarrationem. Denique confer quae bis de rebus prudenter exposuit
Q. Steffen de canon. qui die. Aristoph. et Aristarchi, Lips. 1876, p. 3 sq.
et not. 3, quem deinde secutus est 0. Hampe (Ueber d. sog. Kanon der
Alexandriner, Progr. Gymn. Jauer. 1877, p. 5 sq.) in eandem sententiam
atque Schneiderus inclinans, auctore tamen non nominato. — ^^ Quae
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422 A. Daab:
enitet tabula ditissima s. TT(v^apoc . . ifQax^e b' dv ßißXioic il'
Au)pibt biaX^KTqi raOra' (quae nunc ennmerantur): quade quan-
quam docte et sagaciter ut adsolet nuper disputaTit Bergkius (Poet
Lyr. Gr. I^^ 367 sq.), tarnen omnia nondum ad liquidum perducta
videntur. Sed totam tabulam singillatim examinare nolo, immo satis
babeo Bergkii sententiam bic illic vel emendasse vel supplevisse.
Extant vero duae carminum Pindaricorum recensiones^ quarum unam
exbibet Suidas (vel ut rectius dicam eins fontes), alteram vitae
Pindari (in cod. VratisL, et Westerm. Biogr. p. 98, 43 sq.) auctor
atque Eustatbius (vid. Westerm. L 1. p. 96, 70 sq., Bergk. 1. 1. p. 367 sq.).
Quae cum ita sint quaestio oritur gravissima, utra barum recensio-
num vetustiorem babeat originem. Ac Boeckbius quidem (Pind. Opp.
II, 2, 553 sq.) Suidianum indicem recentiorem eumque ab Aristarebo
profectum esse censet, Aristopbani autem Byzantio alterum vindicat,
quem Pindari carmina primum in ordinem redegisse statuit At
Scbneidewinus (Pind. Carm. ed. Dissen-Scbneidewin. I, p. XCVI) pro
Aristarcbi nomine Callimacbum substituit, ceterum in medio reliquit,
utram confecerit tabulam. Cuius opinionem ad yeritatem malte
propius accedere negari nequit Sed Bergkius primus (1. 1. 396 sq.)
mutuam inter utramque recensionem rationem acrius perspexit, cum
alteram Aristopbani adtribueret, vetustiorem esse priorem contenderet.
Hanc tamen non a Callimacbo alienam esse sibi persuasit, quippe
qui cum ita disposita repperisset poetae carmina etiam in. tabulas
suas recepisset: Suidae vero auctorem ex boc TTivdKUDV opere Pinda-
ricorum carminum tabulam delibasse. Nee recte Scbneidewinum
coniecisse a Callimacbo talem in Pindari carminibus operam positam
esse, quae buius studiis minime conveniret^ ut qui non carminum
editiones Aristopbanis Aristarcbi aliorumque instar paravisset sed
librorum indices confecisset; neque omnino fuisse consentaneum nova
cum moliri, verum res a maioribus traditas sedulo recolere, denique
hac recensione ante Callimacbum usos esse Aristoxenum Tbeopbrastum
Cbamaeleontem. Haec quidem Bergkius. Cui statim obiciendum est
de Callimacbi editionibus bic non agi; is enim libros in bibliotbeca
servatos et antea ordinatos in TiivaKac suos rettulit, qua in re con-
siderandum est multa opera quavis inscriptione caruisse, quam eruere
demum et constituere debuit Callimacbus. Ergo buius catalogo
tabulam iure adsignabimus. Beceusionem autem illam iam Pen-
pateticis innotuisse veri dissimillimum est neque ullo nomine Bergkii
explanatione probatum (p. 371 sq.): baudquaquam enim exploratom
est fragmentum 123 (Bergk.) ex Chamaeleonte, vel fr. 126 ex Ari-
WilamowitiiuB (Anal. Eurip. p. 182) de lyricornm et ceteromm scripto-
rum disponeDdorum ratione m medium protulit, parnm dilncide ant
diatincte expoeita sunt nee omnioo probabUiter. Quid enim illud
valet: 'bcIo {joid in Suidae fidem infnngendam non sine quadam veri
specie obverti possit,' vel similia quae pro exploiatis venditavit vir in-
genioBus?
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De Saidae biogpraphicoram origine et fide. 423
stozeno, yel etiam fr. 128 ex Theopfarasto promanasse — id certe
faUum est, quod yerba Athenaei X, 427 d: X^t^ ^' olov Kai TTtv-
bapoc TrenoitiKC k. t. X. evidenter arguunt. Sed omnino Feripatetici
de Pindari carminom recensione pamm solliciti fnisse videntur.
Yenun nt ad Saidae tabulam praevertamur, generalem eius
divisionein talem esse animadvertimus, ut primo loco carmina enu-
merentur — in fine enim scribendom videtur invxQ&pL^aTOy irdvTa
dTTiKO, cum volgo legatur L ^kiko, quam yocem mendosam esse nullo
iure BergkiuB (L 1. 367^ not. 4) contendit in ^iixiKa' versuum nume-
nun latitare opinatus; immo est Versibus conposita', quo de usu
Tocabuli Tide e. g. Nietzscbium Mus. Bh. n. XXII, 197; cf. etiam
Suid. s. NiKOvbpoc, XpiCTÖbiupoc, alibi; respicit autem ad omnes qui
antecedunt titulos — , secundo liber pedestri sermone conscriptus
(kqi KttTaXoTÄbTiv TTttpaiv^ceic toic "€XXiici Kai fiXXa TiXeicro, quae
verba extrema haud scio an Suidas ipse suo arbitratu adposuerit).
Qnoniam yero verbis ßißXia iL' sine dubio carmina dumtaxat con-
prehenduntur, Snidae autem sen librariorum socordia titulos Ne^eo-
viKttC et IcO^ioviKac omissos esse Eusterus perspexit; poemata re-
censita numerum illum uno excedere patet: quare scribendum esse
dnco CKoXtd f[ ifK\b\ixa^ quorum iam Boeckhius et Bergkius (). L
p. 373) bis illa adnumerarunt. Idem denique carmina ipsa secundum
argumentum disposita esse luculenter evicit (p. 370).
Inter ceteras lyricorum poetarum tabulas Theognidea vel
digniseima est quae paulo enucleatius excutiatur: G^OTVic Meya-
p€uc . . ?TPCtv|i€v dXeTeiav elc touc cwO^vrac täv CupaKOuciiüv dv
xq TToXiopKicm TViüMac bi* dXetelac elc ^ttti ,ßuj, Kai 7rp6c Kupvov
TÖv auToO dpu>|Li€Vov, Yvui|ioXotiav bi' dXeteiuiv Kai dt^pac utto-
GrJKac TTopaivcTiKdc, td ndvra iniKUiC. Quo de indice plenissime
ac doctissime disputavit Fr. Nietzsche (Mus. Bhen. n. XXII, in-
primis p. 188 sq.), tamen huius iudicium in multis üsque gra-
yiseimis rebus conprobare nequeo. Praecipue autem id demonstrare
conatas est, Alexandrinis grammaticis carminum Theognideorum Vo-
lumen non iam integrum praesto fnisse, unde yvu)]liujv conlectionem
ad tempora quae inter Flatonem ac Ptolemaeum Fbiladelphum inter-
iacent redire condusit. Suidae vero notationem ipsam a doctis Ale-
xandrinomm studiis repetiit (ceterum cf. quae iam Welckerus ex-
posnit Proleg. in Theognid. edit. p. LXIII sq.); dein rectissime
yerba in fine glossae adiecta (8t i fiev irapaiv^ceic k. t. X.) Suidae
ipsi tribuit (cf. H. Schneidewin. de sjllogis Theognideis, Diss. Ar-
gentor. 1878, p. 40 sq.), relicua ab Hesychio Milesio derivayit.
Tamen in bis biTT0Ypaq)iav latere coniecit, cum titulus Yva»Mai bi*
dX€T€lac elc im] ,ßuj idem esset qui YVW^ioXoTia 7rp6c Kiipvov . .
Kai Irepai uiro8f)Kai TrapaivcTiKai. Ergo Suidam duas Hesjchii
notaüones in unam conglutinasse, quam observationem eo confirmari
arbitratur, quod in Eudociae yiolario duae de Theognide glossae
oocurrerent. Dehinc illud probare studuit (p. 191 — 193), Eudociam
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424 A. Danb:
usam esse non Suidae sed Hesychii opere. Sed hie paulnlum sab-
sistamus. Enimvero Nietzschius nequaquam probavit revera conflasse
Suidam duos Hesychii articalos (idem sumpsit BemhardjnB, Hist.
Litt. Gr. n, 1^ 629); immo res aliter potest expediri. Nam ut ilico
profitear, Suidas vel anctor eius totnm opus (TVUi|Liai) versuum na-
mero adiecto in fronte tabulae laudavit, deinde singulas eius partes
subiunxit: l) fviwMoXoTiav TTpdc Kupvov. 2) irlpac uiroBi^Kac
TiapaiveTiKdc, in quibus nomina eorum quos poeta adpellaverit olim
eodem modo enotata fuisse suspicari licebit.
Deinde vero mihi nondum exploratum est Eudociam ab Hesy-
chio Milesio totam pendere; immo rem sie sese habere credo, ut docta
mulier et Hesychii et Suidae thensauros despoliaverit ^^ Praeterea
^^ Quod uberiore argumentatione probari yetant conmentationis an-
guBtiae ; quare pauca delibasse Bufficiat. De fontibus quos Eudocia con-
sulaerit hominum doctoram opiniones in duas partes abeunt, cum alü
yelut Bernhardyus (Gonm. de Suid. lex. p. XXVIII, XXXI), Rio. NitESchius.
(p. 28 sq.), UseneruB (Mus. Rh. n. XXVIII, 417) e Suidae lexico Eudo-
ciam pleraque deprompsisse, alü iique plnrimi, ut M. Schmidtius (Didym.
892, et Annal. phil. t. 71 (a. 1855), p. 474), Roseus (De Ar. libr. o. et a.
p. 50), H. WeberuB (PhiloL Suppl. III (1864), p. 469, n. 35), prae ceteris
autem Fr. Nietzschius (1. 1. 189 sq.) et nuperrime H. Flachius (Untersuch,
üb. Eudok. u. Suid. Lips. 1879, p. 37 sq.) onomatologum Hesychianum
conmunem Suidae Eudociaeque fontem fiiisse autument. Qaibus omuibus
posBum neque adsentiri neque obloqui. Totam vero quaestionem qui
nunc retractandam suscepit Flachius praeiudicata opinione plane abreptna
ad eandem omuia normam eadem fere putida sedulitate exegit nee in
re ipsa enucleanda multum pofecit, quantumvis chartae fuerit prodigus.
Flachii tarnen librum expbeatius enarrare ac percensere mox alibi
conabor. Maiore contra cautione ac prudentia R. Nitssche (Quaestt.
Eudoe. capp. IV, Lips. 1868) rem adaressus est, cuius disputationis ordini
quae nunc proponam adconmodaie liceat. Ac primum quidem tenendum
est excerpta Eudociana praeeipue in adferendis singulorum Bcriptorum
operibuB interdum esse auctiora (p. 80, 31): quae partim ipsam addere
potuisse NitzBchio lar^or, plurima non item (p. 32, 33). Quorum addita-
mentorum indolem bi considerayeris, non pauca ueminem suppeditare
potuisse nisi Hesychium facile diepicieB. Recte porro N. (p. 84—35)
de Eudociae narrationibus ad fabularem historiam pertinentibus seosisse
yidetur; id tamen probare haud contigit (p. 86—40) Eudociam mtdtas
narrationes Suidianis manifesto yetustiores e propriae doctriDae dotibus
adiecisse, quae omnes fere unice Heeyehio debentur. At non desnnt
indicia saue quam grayissima, quibus illam Suidae thensaurum in usum
SQum conyertiBse lucul enter eyincitur. In Wiolario' nimirum antiatoichici
quem nuncupant ordinis tot yestigia N. detexit (p. 41—43), ut ampIiuB
dubitari nequeat quiu plurimas yitas hauBerit ex lexico ratione anti>
stoichica adornato, quod aliud fuisse arbitrabimur nisi Suidianum?
Sed haud mediocriter demiror quod Flacbius huius rei singularis param
habuit rationem. Huc adprime conyenit quod Eudocianae scripturae cum
deterioribus libris Suidae multifariam concinunt, neque etiam ab erroribus
in qvLöB Suidas incurrit illa cavit (p. 48 sq., sed s. AioTCV€iavöc iusto sim-
plicius N. rem expedire conatus est; cf. Rohdium Mus. Rh. XXXIII, 180),
qua iu re id N. potuit urgere, quod Eudocia una cum Suida in glossa
M^Xr^TOC describenda eodem modo turpiter errayit. Quibus ponderatis
Eudocia Suidae lexicon usarpasse mihi yidetur, ita tamen ut Hesychii
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De Suidae biographicomm origine et fide. 425
Nietzschins ingens tnrpium errorum onus pamm caute Hesychio ipsi
ioposuit, quonim plurimos nemo nisi Snidas Eudociaye conmisisse
mihi videntur. Sed plane praepostere de dnabns Eudociae glossis
cogitavit. übi tandem Theognidis bis memoriam iniecit erudita mulier?
Nimimm hunc primum recensuit in grege eorum hominum, qnos doctrina
non insignes ceteris praemisit: posteaquam enim de Theognide Athe-
niensinm tjranno egit, statim Theognidis poetae memoriam adnexuit
(ceterom cf. Flach. 1. 1. p. 83). Quae glossa in brevius contracta cum
Suidiana convenit remoto quidem in fine cum Nietzschio (p. 194) errore
(Ifpai^fe b^ Kai TVWjLiac irapatveriKdc). Adparet autem illam utpote
ex Suida conflatam (nescio an ipsa Eudociae manu) quavis auctoritate
esse inmunem. Nee minus in aperto est Eudociam ex eodem alteram
glossam s. Ö^OTVic (ttohtttjc) p. 232 deprompsisse, nisi quod paulo
aliter eam excerpsit. Qnare temere ille opinatur huius yerba ^tvuj-
jiac bi' ^XeT€iac eic im] ,ßu}* ex priore articulo adglutinata esse.
ütramque igitur glossam Eudocianam cum Suida conspirare patet.
Unde consequitur Nietzschü molimen quo duas glossas Hesychio
reddidit plane cassum esse, nee non ceteras eins ratiocinationes omni
carere fundamento. ^®) Sic conruit etiam ista opinio quam priore
glossa perpensa mente concepit: cuius auctori et yvujjliOjv sjllogam
et unam elegiam, non carmina integra omnia innotuisse existumat.
Nee vero conpertam habemus quot elegias Theognis conscripserit
(p. 198, vid. Welcker. Proll. in Theogn. XV sq.), perinde atque
incertum est elegiam in Syracusanos conpositam genuinorum car-
minum fuisse particulam vel TVvi^^MOtc ex bis ipsis esse excerptas.
Horum omnium argumentorum nervum admodum laxum esse per se
ipsum intellegitur. Nee Leutschium (Philol. XXX, 232) quidem
Nietzschü disputationem conprobasse video, quanquam argumenta
addere supersedit (oeterum cf. etiam F. Bamorino Bivist. di filo-
log. IV, 1 — 49, 238 — 249). Hie tarnen ipse suam de singulis
Theognidis carminibus sententiam parum perspicue neque ad per-
suadendum adposite in chartam coniecit. Namque tria maiora car-
mina Yoluit distingui (p. 207), primum elegiam in Syracusanos, qua-
onomatolognm et conrigendi et locupletandi causa consuluerit. —
*«) Sic nt uno exemplo evincat (p. 196) in irivoKac Theognidem biß
esse relatum, ad gl. 'EirixapMoc nos relegat, ut cuius bis fecerit mentio-
nem Eudocia. Quo nil probatar, cum priorem ex Suida (s. ex Hesychio),
alteram ex Laertio VIII, 78 ipsa deprompserit. Ergo perperam conlegit
Theognidis memoriam et in dvaTpa<Ptl Ttiuv TroirjTdiv et in d. Tiiiv <piXo-
c6<puiv illam repperisse. Nee minus prave coniecit in q)iXoc6q>u)v dva-
Tpocp^ Phocylidem subsecntum esse Theognidem, propterea quod ille
q)iX6coq>oc et cOxxpovoc Suidae adpellaretur, ac plane incredibile est
alterum quem posuit (p. 194) Hesychii articulum^propter aetatis defini-
üonem suppressam ex tali dvaTpaq)^ fluxisse. Quid? quod Diltheyi (Mus.
Bh. XVIII, 160 sq.) coniecturam /iGiKtfic pro ^ttikuic in ordinem recepit:
sed Yocabulum illud 'in versibus* est, quo omnes (moöf^Kai versibus
conpositae fuisse diserÜm notantar, cf. s. N(Kav&poc, TTivbapoc, sim. (cf.
supra p. 428).
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426 A. Daub:
cum conposiüt uirodrJKac a Suida in fine conmemoratas, deinde elegias
(p. 522), quibus omnia quae non ad Cjmum pertinent conprehendit,
tum TVUJjLioXoTiav npöc Kupvov, quam olim unoGiiKac (irpöc Kupvov)
inscriptam fuisse sütuit. Qua in enarratione paria dispaiibas ad-
mizta esBe liquet, sed singula refeilere nunc displicet.
Attamen nt huius rei summam conplectar: Si verum expiscari
YolumuSy Suidae notationem totam considerare debemns neque in
duas particulas discerpere. Quam ob causam sagacissimo homini hoc
minime probare contigit, Alezandrinis grammaticis non iam cannina
integra sed sjllogam dumtaxat fVUJiLidiv innotuisse. Itaque ne id
quidem quo praecipue intendit demonstravit, poematum conlectionem
quam bodie manibus terimus inter Piatonis Ptolemaeique aetatem
conpositam esse (cf. etiam H. Sohneidewinum L 1. 32 sq.).
ToUm vero Suidae glossam, non unam tantum partem — coius
pristinam ohginem Nietzschius (p. 200) perspexit, qui etiam ex
Fiat Legg. I, p. 630 A iure conlegit Suidae de Theognidis patria
testimonium non Didymo (quod parum recte Scbmidtius [Didjm. p. 394]
sumpserat), sed grammatico vetustiori, i. e. Alexandrinorum aequali,
posse adscribi — ex Alexandrinorum catalogis oriundam esse nemo
diffitebitur. His denique pauca subiungere placet. Welckerus ^^* (ProlL
in Theogn. p. LXUI) quidem tres titulos a Suida adlatos (TVUf^ac,
YVUJ)üioXotiav, irapaiv^ceic) unum eundemque librum foisse oon-
tendit; sed aliter equidem sentio, cum universam operis Theognidei
inscriptionem fViuiiac b\* ^X€Y€iac fuisse arbitrer, quarum partes
fuerint et YVUijioXoTia irpöc Kupvov (xal^^^) npöc Kupvov . . Tvuifio-
XoT(av) et ceterae Suidae manu coartatae uiroGnKai (Kai ^T^pac u.).'^)
'**) Gai nuperrime adstipulatus est J. Sitzlems rTheogoidis Reliqo.
Heidelb. 1880, p. 61). — "*>) Nam particulae koI — xai divisionem efficinnt,
cf. B. TTavöXßioc, s. Köptvva, al. — *^) Quibns dubitanter addo tabnlam
8. dcÖKpiToc exhibitam, quam ad yetafitiores fontes redire inde elucet,
quod Theocriti carminom tertia eaque novissima Bylloga, cnios auctorem
AhrenBius (Philol. XXXIII, 400 sq., 679 sq.) EratoBthenem qnendam (ca.
a. 400 p. Chr.) sagaciter exploravit (sed vide nunc Vahlenum Ind.
aest. lectt Berol. 1876, p. 6), aliquot a Suida enumerata poemata non
conpleotitur diversamqne etiam prodit ordinandi rationem (p. 682 sq.)-
Idem AhrensiuB Suidae indicem satis Yetastnm esse disertis yerbis mo-
nuit (p. 686, ubi de mutua inter metaphrasin Marianam Theocriteaqne
carmina ratione longo probabiliora quam Haulerus J[de Theoer. yü et
carm. Friburg. 1866, p. 31 sq.] proposuit). Atqne ipse Buspicor hanc
tabulam niti Alexandrinorum catalogis, quoram quidem aetate nondnm
conlecta illa vel in nnum corpus consociata erant (cf. Ahrens. 391 sq.,
Haul. 31 8q.). In tabnla vero ipsa hunc fere ordinem animadvertiwe
mihi yideor, ut primo loco ponereDtnr carmina bucolica, secundo dno
peculiares ^tcCujv titnli, tertio üjuivoi, 'HpiUlvat, ^inic/|&eta, cum argumenta
flimilitudine omnia int^ Bemet conexa tum maxime epico generi adfinia,
ultimo \xiXr), ikef^ai, ta|ißoi, imypiß^aTa inter lyrica poemata refermda
(cf. Theoer. carm. ed. Fritzsche, p. 6 adn., Bergk. Mos. Bh. VI (1838),
28 8q.), id quod hie pluribus explicare longam est. Sed prodere ▼idettu'
haec tabula ordinem argumento carminum adpositum, licet medioeriter
dilucidum Saidaeque describentiB socordia conturbatum.
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De ßuidae biogn^hicorain origine et fide. 427
Qmbus ezpositia ceteromm Ijricomm tabulae iam brevins possunt
percenseri. Ordinem nimiram ex argumento libroram inBÜtatam
pariter deprehendimus in indice s. CifiU)v(biic 'louXirJTTic* . . Ka\
Y^TpcwTTtti auTip Avwpibi biaXe'KTijj f^ Ka^ßiicou Kai Aapeiou ßaci-
Xeia Ktti H^plou vaujaaxia* Kai f^ dir' 'ApTe|Liicii|i vaujuaxia bi*
^Xeyeiac, f| b' dv CaXajiTvi ^eXiKUK, Gpfivoi, dT«CiJ[>|Aia, dTriTpdjLijiaTa,
Tiaiävcc, Kai TpaYijibtai Ka\ dXXa Tarnen non satis iustam causam
dispicio, cur Bergkius (P. L. G. ' p. 1145) una oom Bemhardjo ele-
giae f\ Ka^ßucou — ßaciXeia nomen errore Suidae natum esse opine-
tur, cum Simonidis aetate Cambyses et Dareos regnaTerint. Verba
deinde xal f) in^ 'ApTejuiciifi vaujuaxia ex Eudociae violeto volgo
supplent (cf. Bergk. L 1.), sed nescio an magis oonmendetur Wachs-
muthii coniectura locum sie reconcinnantis ^Z^pEou vaujuaxiat, f)
in* 'ApT. jieXiKUK, i\ b* iv CaX. bi' iXcTciac': reete enim Bergkius
Yocum ^eXiKWC et bi' iXcT^iac sedem hunc in modum permutandam
esse yidit, com Bernhai'dyi (vid. ad Said.) sententia prorsus reicula sit
At idem iure titulum TpaT4>i>iat in suspitionem vocavit tanquam mero
conmento enatum.
Sed ad litterarum ordinem recensentur scripta s. TTapO^vioc . ,
dX€T€ioTTOiöc Kai ji^Tpuiv bia<pöpiuv iTOitiTTJc . . ^TP^M^c bT ^creiac*
(sie optime emendavit Sohneideras Call. II, 32, cf. Wachsm. Sjmb. 152,
et not. 44, cum volgo exhibeant d' dX€'f€iac) '^(ppobiTtiv, *j^pr\vi\c
dTTiKrjbeiov, '^prJTTic ^yi^uü^igv (de quibus cf. Meinek. Anal. Alex,
p. 259 sq.), Kai äXXa noXXd, quibus plenioris tabulae ex bibliothecalb
catalogo petitae initium servatum est. Videtur autem qui tabulam
confecit singulas elegias primum enumerasse Kard CTOixciov dispo-
sitas, dein cetera poetae carmina (velut '€pU)TiKd), quae Suidas de-
scribere noluit, Accedimus ad glossam s. Mi]Livep]ioc, quae indice
sane orbata haec verba in calce praebet: ^TP^M^^ ßißXta raCra
TToXXd: quae quamvis difücillima plerisque visa sint, res tarnen ipsa
perspicua est (cf. Westerm. BiOTpaq). p. 110, qui varias opiniones
congessit). Nimirum largam tabulam liquide indicant^ quam Sui-
das sive librarü eins describere noluerint. Dionysium vero, credo
etiam Hesycbium, plenum indicem exhibuisse nee non verba ßißXia
raöra (iroXXd) dedisse mihi equidem persuasum est: quae cum tabula
non adiecta haud satis apta viderenttir, in Eudociae violario Suidae-
que aliquot libris vox TßOra prudenter omissa est Sed displicet
utique Yolkmanni (U, 727 sq.) explicatio ex vita Mimnermi carmi-
nibus praefixa talia fluxisse censentis; quae si vera esset, dici oerte
debuit: ifpax^fe ßißXta raOra Kai dXXa iroXXd. Nee felicius Bergkio
res cessit verba iÜa Suidae aÖTOCxebiacjLia esse simplidter statuenti;
ceterorum autem opiniones iam a Yolkmanno confutatas silentio pre-
mere praestat. Nuper denique 6uil. Meyerus (Mus. Rh. n. XXIII, 691)
TOiaGra suasit eamque vocem ad djiijLieX^c Kai Xif u referri iussit, quam
coniecturam ideo reprobo, quod duo enuntiata tali nexu copulare non
adsolet Suidas (at paulo aliter res se habet in gl. GuboEoc . •
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428 A. Daub:
Kttl &X€ TTpdc dcTpoXotiav . . iypa^ii t€ TrXeTcTa toO etbouc
TOUTOU).
Progredimur ad tabulam quae eztat 8. CaTrqpd)^^) . . ä'xpa\\fe
jueXOüV XupiKWV ßißXia 9'. xai irpOüTii irXfiKTpov eupev. ?TP0V€
bk Kai ^iriTpdinjLiaTa xai AeTcTa Kai Mjuißouc Kai fiovifibtac, ubi
verba jieXüüV XupiKUüV ßißXia 6', quibus qnot libfis constiterint jicXri
disertum profertar testimonium, irivogiv adsignare nemo dubitabit.
Qoaeritar autem nom relicua mentione plectri a Sapphone inventi
intetiecta ex eodem limpido fönte promanaverint (cf. A. Schoeninm
Symb. Phil. Bonn. p. 760). Nego, quam vis litterarum seriem teneant,
eidemque illa auctori adtribuo, cni verba Kai updiTTi TTXf]KTpov eöpev
debentur. Volkmannas contra (II, 728) utrinsque testimonii eam esse
rationem statuit, nt primo loco nobilissimnm Sapphonis opns, secundo
cetera minus celebrata vel citius oblitterata (^Tpotil^e bi. Kai . .) ex-
hibeantur. Quod fieri sane potuit, nee strenue Yolkmanni rationi per-
belle excogitatae obloquor; tarnen si utrumque eodem ex fönte fluxisse
verum est, cur tandem ab Hesychio verba Kai irpdrrov k. t. X. inter-
posita esse censebimus? — Sed Yolkmanno (1. L) prorsus refragor
eadem ratione explicanti, quods. OiXöEevoc primum conmemorentur
biGupajLißot KÖ', dein de vita eins paucis enarratis ad operis alicuius
mentionem iterum deflectat oratio idque bis verbis : ^Tpaq/e bk jicXi-
k6jc Tfjv TeveaXoTiav tu)v AlaKib&v. Satis enim dilucidum est totam
glossam duabus particulis contineri, quarum alteram (usque ad
dÖTOC dvbpaTTobicO^VTUJv) auctori pinacographico, uberiorem alteram
Hermippo Berytio (cf. Wachsmuth. 1. 1. 142) vindico. Sequilur tabula
8. Ti]i66€OC^^^) exbibita, quae quamvis truncata pristinae tarnen
*') Qua in glosBa diversorum auctorum testimonia in unum con-
glutinata sont. Sapphonis autem vitae enarrandae solidum fundamentum
grammatici Alexandrini iecerunt, a quibus nomen patris matria patriae,
aetas, opera denotata fuisse videntur (cf. Schoen. 1. 1. 741). Eis accedunt
quae ab aliorum Btudiis sive inventia repetenda sunt, velut quae de
nominibus patria fratruxn familiarium diacipulorum , vita, rebus poetriae
proferuntur, offeDaionis illa haud inmunia (cf. Schoen. 759, qui quidem
originem verborum ^TOji/iOr] — £i)vtiKa ad mediam revocat comoediam);
cetera referenda videntur ad Ghamaeleoutem (ircpl CaTrq)oOc Ath. VIII,
569 c), aive ad Calliam (ö ti^v Cair9dj kuI *AXKa1ov 4EiiTTlcd|bievoc Strab.
XIII, p. 618). — *^^) Hie de Tunothei temporibus paucis exponendum
esse videtift". Haec enim apud Suidam leguntur: Ti)üiö9€oc : . t^v 6* ixd
tCöv €OpiiT(&^u xp^vuiv, Ka9' oöc xal <t)(Xiinroc ö MuKC&djv ^ßad-
Xcuev: mirum profecto cuTXPOvic^öv inter Euripidem et Philippum posuit
Suidaa, nee- difficile erat cum Beineaio vooem <l>{XiinTOC m *Apx^aoc
conrigere. Quod tamen cum Rohdio (Mus. Rh. n. XXXIII 192, n. 1) in-
probo, cum talo erratum librariorum oscitantiae inputari nequeat. Sed
verborum illorum patrocinium Rohdius (p. 191 aq.) suacepit eaque sie
explicavit, ut in vacno temporum interatitio, quod inter extremam ^trox^iv
Tuüv TTeXoirowiiciaKiöv et Philippi regnum inteivenit, huiua regnum lumiiiis
instar fuisse sumpserit, quod Suidae vel rectiua eius auctoribus in tempo-
ribus definiendis praefulserit, conl. s. Kapk!voc . . f|K|Lia2^€ kutu Tf)v p'
öXufimd&a (cf. Meinek. F. C. G. I, 507) irp6 Tf^c 4>iX(inT0U ßaciXcCac; b.
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De Saidae biographicoram origine et fide. 429
originis etiamnum prae se fert yesiigia: . . Ypdifiac^öi' ^nuiv vöjiouc
MOuciKOÜc 10', npooCjiio W (ex Stephano Bjzantio s. MiXtitoc',^ q^i
Philone Bjblio auctore Timotheo \r\ ßißXia vö^wv KiGaptubiKOiv et
Trpovoma äXXuiv (?) x^^ia adscripsit, nihil lucramur), "Apieiiiv,
biacK€udc r\\ dTKi&Mia, TTepcac f\ NauirXiov, Oivcibac, Aa^priiv,
biGupäfißouc IT]', UMVOUC kq , xai äXXa rivä, in quibus et generales
et peculiares titulos una sehe conprehensos esse Bergkias|^(P/^L.
G.' p. 1268) recte perspexit, cum "ApTejuic bymnus fnerit (vide
Alex. Aetol. ap. Macrob. Sat V, 22), Persae vöjnoc (Paus. VIII,
50, 3), Laertes et Phinidae vel ad vö^ouc vel ad biOupäjiißouc
'6(popoc . . ibc Kai Trp6 tt^c 4>iX(inT0u ßaciX€(ac cTvai: unde conlegisse videtur
tum quoqne com certa ^irox^i indicari potuit Pbilippi aetatem termini
yicibus functam esse. £a vero exempla num ad pravam istam chrono-
logiam tuendam. quicquam yalent? Minime, opinor. Nee mihi qnidem
ratio illa satis fecit, qua Bohdiua intellezit Ephori cuYXPOvic^öv. Voca-
bulo f\v (h* itd Tf\c QT 6Xu^ir.) nil aliud nisi annus natalis significatur;
ac quamTis locutio i^v pro f^ovc (^t^cto) yolgo non adhibita sit, Suidae
tarnen inscitiae ;i eiusmodi usum tribui posse Rohdio (p. 191) largior:
Ephori enim 'historiam' nsque ad yicesimum Pbilippi r^rni annum (340)
quo Perinthum oppugnavit fpertinuisse ex jDiodoro (Xvr, 76) adparet.
Ergo Ephori dx^f) in oljmp. 93. poni neqnit. Sed quid sibi volunt verba
^dic Kol irpö T^c <l)iX(inrou ßaaXe(ac cTvai'? Non dubium est quin de
Ephori aetate duo testimonia praesto fuerint Hesychio: 1) annus natalis,
2) dK^f) sive omnino aetas eins ad tempora Pbilippi relata, quoniam £.
res sub imperio eins per yiginti annos gestas descripsit. Quibus testi-
moniis usus Suidas ait: 'natus est Olymp. 93, ita ut etiam ante Pbi-
lippi regnum fuerit' (i. e. floruerit), non solum igitur sub regno Pbilippi
ipso. Quare in promptu fuit talem Ephori cuTXpovlc^6v constituere. —
Sed in altera notatione s. v. Kopkivoc Bohdianam rationem conprobo,
etiamsi ne hoc quidem exemplo Suidae istae ineptiae defendi queant.
Quid enim? In utraque vita per Philippi imperium terminus denotatur,
ante quem scriptores illi fuerunt. Num hoc convenit locutioni: 'floruit
Th. Euripidis temporibus, quibus (yel ^circa quae') etiam Philippua
regnavit?' Si Suidas scripsisset '\bc irp6 Tffc O. ß. eTvm', sive etiam
^KaO' oOc oÖnuj 0(XiinToc ^ßac(X€U€v', haec verba forsitan patererour.
— Sed nunc Bobdius ipse hanc totam opinionem abiecisse "ddetur
(cf. Mus. Rh. n. XXXIV, 673, n. 2): inde nimirum quod Timothens sub
Philippi imperio vixisse dicatur cum Bembardyo conlegit Suidam
(s. Hesychium) hie plane aiium Timotheum — quem auletam fuisse
et Philippi Alexan<bique aetate floruisse autnmat — perperam in-
miscuisse. Quae coniectura quamvis acutissime excogitata ab omni
tarnen probabilitate abhorret (cf. n. 22, b). Omnia nimirum apte
proeedent, si leni transpositione cum Wacbsmuthio 'jcal Ka6' oOc
<t>{XtTnTOc' restituerimns; fuit Euripidis aequalis T., sed vixit etiam regnante
Philippe — id quod verum est: adtigpsse eum certe testatur marmor
Parium epoch. 76. Tim. nonagenarium (septem etiam plus annos tribuit
ei Suidas); cumque in Macedonia mortem obierit (teste Philone Byblio
ap. Steph. Byz. s. M<Xt)toc), extrema aetate in aula regia Pellaea vixisse
eum veri simile est. Quae coniectura multo sane probabilior est quam
quod ego olim suspicabar, Suidam ipsum verba illa dormitanter adiecisse,
ita quidem ut mutuae inter Euripidem regesque Macedonum necessitu-
dinis haud inmemor nobilissimum ante Alexandmm regem Philippum
pro Toro Archeiao substituerit.
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430 A. Danb:
(cf. Arist. Poet 2) pertmuerint. Idem porro cam Bipparto (conL
Athen« Vlll, 338 a) NaurAov ^ NauTiXiov redintegravit, denique
plennm titalnm C€M^Xt)c uibic (Dio Cliiys. 77, 768) fuisse ooniedt.
Qua re pensitata in Alexandiinomm catalogis Timothei cannina
secundum argumentum dieposita^ singulorum autem librorum in-
scriptiones ex litterarum ordine — onius vestigia in Suidae tabula
non latitant — recensitas fnisBe credo, quas Suidas eiusre auctor
non integras (xai äXXa nvd) neque sedulo descripeerint^^)
Ceteri Ijricorum carminum indices partim eandem atque quoe
supra percensuimus prae se ferunt indolem, partim inter semet ipsos
id conmune habent, quod librorum seu yersuum numerus bis illia
de metro dialectove notulis adnexis distincte indicatur, quo fides
borum testimoniorum non nihil firmatur**), Yelut s. 'AXx^dv . .
^TPCttpe ßißXJa g' \il\r] . . K^pxnrai bi Auipibi öioX^ktui . ., s. *Ava-
Kp^uiv, qua in glossa vetustiorem et sequiorem auctorem dignoscere
possumus; verba enim ßioc b' fjv — 'AvaKpeövTcia manifesto re-
centioris hominis sunt (cf. Welcker. Praef. Theogn. LXXIV), com
anteriora fypaiiicv dXeteTa kqi id^ßouc Idbi irävra biaX^icru)
priscam redoleant originem; s. "IßuKOC . . iccx b' aÖToG rä ßißXia t
tQ Aujp(bi biaX^KTqi; 8, Köpivva (de Corinnarum quae feruntor
nominibus adi Welckerum in Creuzer. Melet crit. 11, 16) . . lyf^\\^
ßißXia e', (hie nimirum yelim interpungas) xai imfpA}iiiaTa xal
vöjiouc XupiKOuc; s. Crticlxopoc . . Icnv aörif) rä iroiVJMaTa Aui-
pibi biaX^KTtp dv ßißXioic Kff'; s. TupTaioc . . ifpa\\f€ TroXiTciav
AaKcbaijLiovioic xai örroGriKac bi' dXeTeiac xai ^i\r] YroXcincTrjpia,
ßißXta €^
Haec de lyricorum notationibus satis sunto; quae praeterea in
eo genere conlegi, in praesens mittere placuit
**^) Sagadanme nuper hac de tabula Stephani Bjrs. (s. MCXirroc)
indiculo nmul adhibito diBputavit Bohdins (1. 1. 573, n. 8), qni Timotiiei
vöfiouc (una cum titulis peculiaribus) et ^i6upd|Aßouc, itemque npoofHia
et dMvouc eadem carmina fuisse ratos Suidam duo Timothei irfvaKoc
conflasse coniedt, titnloa autem öiaoccuai f\ et irnJ^^ui Timodi aoletae
(vid. not. 38, a) adsignarit. Quae omnia quam ineerta sint ipse fatetui;
sed omnino non ansim Stephani tabula nixns — quam mutüam esse
credo — emendare Suidianam; neque enim hi duo indices artius oo-
haerere mihi videntnr. — *") Sed noii titulo confidere quem Suidas ■.
*Ap{uiv ezhibet, irpoo{|Lita de inr\ ,fL, quem numenmi mere efßctom esse
HilleruB (Mus. Bh. 1. 1. 682) penpeadt. Praeterea Periaadri canainis
notitia ((nroef)Kat de t6v dvepUmciov ßiov ^n) ,ß, cf. Laert I, 97) ob
Bingnlarem Tenuum numerum admodum suspecta ex Lobonis Argivi
opere (irepi ironrnSiv) fimdsse Tidetur (cf. Hiller. 1. L p. 620, 624 sq.). Kec
minus in tabula s. TTtrraicöc titolus iXefCIa ficT) x' in gravissimam cadit
ofEuksionem.
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De Soidae biographicomm oiigine et fide. 431
Caput V.
De PMlonis Byblii auctoritate.
Postqti&m Dionjsii Halicaniassensis tanquam primarii Hesjchii
in Yitis poetarum et musicorum ducis anctoritatem fidemque ex-
plorayimus^ nova nunc existit eaqne subdifficilis quaestio, quibus ex
fontibas Hesychins oratornm et sopbi stamm, grammatico-
rum, historicorum, pbilosophorum notationes, in bis cum
maxime librorum tabalas bauserit. Ac primam quidem eorum
hominnm inlnstrinm qni inde a primo a. Gbr. saecnlo ex-
eunte nsqne ad Hadriani aetatem floruerunt vitas tempo-
ram nota distinctas intentius considerare in animo est.
In recensendo grammaticorum grege Hesycbinm luculento
auctore sive anctoribus Hadriani aetatis usum esse iam Wacbsmntbius
(Symb. 144 sq.) probabili ratiocinatione eflfecit: inter qnos Phüonem
Byblium prae ceteris enitere perspexit, tamen adcuratiorem buins
anctoritatis investigationem aliis relinquere maluit. Nee vero eun-
dem id fagit (p. 145J, observationem illam non solum intra gramma-
ticorum fines contineri, sed multo latius patere. Quod ut palam fiat;
gravissima quaeque exempla quorum communis fere indoles singula-
rem sibi yindicat anctorem in uno conspectu ponam. Qua in re
quatenus licebit sequar ordinem cbronologicum.
B. Ti^aT^VTic . . 'AXeHavbpeöc, ßrJTiwp . . 8c im TToilitttiiou
ToO |i€T<iXou aiXMÄXujToc dxOcic ^v *Pibjir| und toö Taßmou ^Huj-
vrjen • -Ktti £coq)icT€uc€v dv *Pu>|biij InX t' auToö TTo)iTniiou xal
|ui€T* airröv, ini T€ Kaicapoc toO Aötouctou kqI incTdireiTa &|Lia
KcKtXiuu . . (cf. 8. TTiüXCiuv 5 'Acivioc).
s. Tupavviiüv 6 veuirepoc . . fiaOtitfic Tupawiuivoc toO
TTp€cßirrepou . . dx^AXurroc hk T€vdia€Voc Ka\ auröc inX toO tto-
X^liou *AvTu>v(ou Kttl Kaicapoc . . {bYf\Br\ . . ^XeuOepuiGek . . dco-
<p{cT€UC€V iv *Piw|Liij . ., conl. ctiam s. TupawCiuv ^Ajuicnvöc.
8. AiocKopibric . . larpöc, cuvflv bk KXeoTtdrpqt dtr* 'Avtuj-
viou (cl B. KdcTiup 'Pöbioc et s. 'lößac).
8. AiöbiJüpoc CiKeXiiÖTHC, icropiKÖc . . t^tovc 6' inx tiBv
Xpövuiv AtLTfoucTOu Kaicapoc Ka\ ^trdvuj.
B. 9du)v *AX€Havbp€uc, (piXöco<poc, reTOVuic dir' Autouctou
fiex' "Apciov.
(Of. etiam s. OX^x^v TpaXXiavöc, dTrcXeuOcpoc toO CcßacxoO
Kaicapoc, o\ b' *AbpiavoO q)aciv, kropiKÖc.)
8. Aiovucioc . . 'AXiKapvacceOc, ^Tujp Kai Travroiuic
XÖTioc. T^TOve b* dirl Kaicapoc toO CeßacroO, npÖTOvoc toO dir*
'Abptavoö T^TOVÖTOC 'AttikictoO.
s. *€p|LiaTÖpac Tfiiiivou . . dtralbeuce b* oötoc ^erd Kcki-
Xiou dv 'PiwMTj dir! Kaicapoc Aötoüctou Kai TeXeurql tröppuj tf^c
flXtxiac
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432 A. Danb:
8. KeKiXioc . . ^riTiüp, coqpiCTCucac dv Taiinq ivX toO
CeßacToC Kaicapoc xai ^U)C 'AöpiavoC (hoc fidem excedit. Locum
non magis integrum quam emendatum esse ait Bemhardjus. Quare
nescio an verba sie reconcinnanda sint: Kai etc tuiv Sujc 'AbpiavoO,
cl. 8. Aiovucioc 6 rXouKOu et s. *Apxißioc, cf. praeterea Eohdium
Mus. Eh. n. XXXin, 175 med.), Kai dirö boiiXuiV, die Tivec icxopriKaciv.
8. TToTd)iU)v 'AXeEavbpeüc, cpiX6coq)oc, t€tovuic npd Au-
TOUCTOU Kai ]i€T' auTÖv (quae verba extrema alii aliter conrexerunt,
yid. Bemh. ad Suid. et Bohdium Mus. Bh. n. XXXIII, 166, not. 1) nuper
coniecit Kar' auTÖv. Sed iila non tam absona sunt ut mutatione
indigeant, Nam si Potamon et ante Augustum et post eum floruit,
hunc etiam sub Augusti imperio vixisse sua sponte intellegitur) ;
cf. ß. AecßoivaH . . 9iXöco<poc, t^TOvujc in' Autoüctou (?), ira-rfip
TToTdjLiiJüVGC ToC 9iXocö<pou (qua de glossa vide egregie disputantem
Bohdium d. griech. Boman. p. 342, not.).
8. NiKÖXaoc AaMacKTivöc, TvuipiMOC 'Hpuibou . . koI M-
toücTOU Kaicapoc (ceterum cf. Mus, Bh. n. XXXV, 63 sq.).
6. Aiovücioc 5 irepiriYTiTric . . fifove ö' dm tujv TojjLia'i-
Kuiv xpovuiv ji€T' AÖTOucTov Kalcapa, f\ Itc' auroO, o\ bi Korä
Ndpwva TÖv 'Pujjuaiwv ßaciXda qpaci T€vdc0ai.
s. Crpdßwv 'AjLiaceuc, q)iXöcoq)oc, YCTOvev im Tißepiou
Kaicapoc.
s. 6e6bujpoc rabapeOc, cocpicn^c, dirö bouXuiv, bibdcKaXoc
Y€Tovdic Tißepiou Kaicapoc. dTriToO bi (sie enim conrigendum est
pro inü bi, vid. Mus. Bh. 1. 1. 66) cuvcKpiGf] irepi cocpicxiKfic dTUü-
vicdjLievoc TToTd)iuJVi Kai 'AvTiTrdipij; dv aui^ t^ 'Pi^Mq. dir*
*AbpiavoO Kaicapoc 6 ulöc aöroö 'Avtüüvioc cutkXtitiköc dTdvero.
s. TToTdjiUiv MuTiXrivaToc . . ^rJTUjp . . dcocpicxeucev
dv Taijuri dm Kaicapoc Tißepiou k. t. X.
s. *ATriujv 6 TTXeicToviKOu . . AItutttioc, Kaxd b* '€XiKdiviov
Kprjc, YPttMMCtxiKÖc, jnaOrix^jc 'ATToXXujviou xoö 'Apxißiou . . dirai-
beuce b' dirl Tißepiou Kaicapoc Kai KXaubiou dv 'Püüjlhj. fjv bk
bidboxoc edujvoc xoö TpOMMaxiKOÖ Kai cuYXPOVoc Aio-
vuciou xoö *AXiK.
8. CaXoucxioc . . laxpdc, dm Tißepiou Kaicapoc.
s. TToXuaivoc Capbiavöc, cocpicxric, t€TOVujc dm xoö
Trpibxou Kaicapoc Tatou (sed cf. nunc Bohdium Mus. Bh. n.
XXXIV, 620).
8. 'Avxdpuic 6 Kai 'AttoXXiuvioc, TpamnaxiKÖc, iraibeucac
dv Tiwjüiij dxrl KXaubiou xoö jLiexd fdiov ßaciXeucavxoc,
i(p* oÖTiep Kai 'HpaKXeibric 6 TTovxiköc fdTOvev, dK0ucxf|c
b' flv 'AttIuüvoc xoö MöxOou.
B. 'HpaKXeibric TTovxiköc .. tpaWiaxiKÖc . . elc ^Pd}\xr\y
bk Koiiicac Kai xoö ''Arrepoc Kaxacpavelc (fortasse KaxeKq>aveic
sive KaxeKcpavTic, cf. s. AounepKoc* . . . KaxeubOKijuei 'Hpujbiavoö)
Kaxdjieive cxoXapxujv dv auxQ dm KXaubiou Kai Ndpuivoc
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De Süidae biographiconnn origine et fide. 433
s, 'AttoXXoivioc TuaveiJc, (piX6coq)oc . . iJKjüKxZc \ikv in\
KXauöiou Ka\ fatou Kai Ndpujvoc xal ji^xp^ N^pßcc; £<p' oS xal
M€TriXXa£€V (cf. etiam s. *ATTTriav6c et s. Aiiauc).
8. AibuMoc ö TOO "HpaKXetbou, TP<XMMttTiK6c, 8c bi^rpiifie
rrapd N^puivi . .
8. Aiovucioc *AX€Havbp6uc, 6 fXauKOU uWc, YPöMMaTiKÖc,
8CTIC dirö N^piüVOC cwnv xal rolq fiixQ*' Tqaiavw (Rohdm8
1. L 165, n. 1 ante cuvf\v addidit j\v xai (cl. s. ^ApiCTÖSevoc), ipse
olim insemi i&v. Sed utraque scriptura multo probabilior e8t
Wachsmathii emendatio *8c TOic dtird N. cuvf^v*, praesertim cum
in his ^biographicis' nomini hominis litterati plenaeque eins signi-
ficationi relicua memoria soleat adnecti pronomine Sc neqae ScTic'^)),
Kai Tupv ßißXio6TiKU)V npoCcTr) . . ?jv b^ Kai bibdcKaXoc TTap0€viou
TOü TpaWiaTiKoO, |ia8TiTf|c hk XaipTJMOVOC toO q)iXocÖ90u,
8v Kttl biebtf aro . .
8. *€Traq)pdbiToc Xaipuüveuc, YpO|Li|LiaTiKÖc, *Apxlou . . 9p€-
irröc.Kal iraibcucac. . dv Ti{)|Lir| bidripeMicv ^Tti N^puivoc
Kai \xi\p\ N^pßa, KaO* 8v xpövov xal IlroXefiatoq o"H<pai'
Czia^Toq 1JV xal äXXoi avxvol r<ov 6vofMMöx^v iv xaidei^ K. T. X.
8. 'AX^gavbpoc AlTaToc, (piX6coq)oc . . bibdcKaXoc Ndpuivoc
ToO ßactX^uic, ä^a Xatprjiiovi . .
8. KopvoOTOC AcTTTdiic, q)iX6co(poc, f ^Tovdic iv 'Puijuij
iiA N^puivoc Kai Ttpoc auroO ävaip66eic cuv tCD Moucujviqj.
8. Moucubvioc.. Tupprivöc . . biaXcKiiKÖc q)iXöcocpoc Kai
cnutKÖC, Y^TOvdic irA N^puivoc, yviOQifw^ 6* *AxoXla>viov rov
Tvaviütq xal aXXtov xoXXdiv • •
8. 'AKOuciXaoc *AeiivaToc öiv • • oötoc t^pdcOn Xötuiv tv
'Aefivaic Kai dX0d)v elc 'Puijunv im TdXßa bi^rpiMiev (an b\i-
7rp€l|l€V?) £V XÖYOIC ^T^TOpiKOlC
8. CKOTTeXtavöc KXaZo)i^vioc, cocpiCT/jc, y^YOVujc in\
N^pßa . . cuYXPovujv *A7roXXuivii}i tiD TuaveT.
8. TTXouTapxoc Xaipuiveuc . . y€Y0vuic im tdiv TpaiavoO
ToO Kaicapoc xpövuiv Kai in irpöcOev (cf. etiam s. 'Idcuiv 'ApYeioc).
8. 'ApiCTOKXiic . . coq)icTric, y^YOVujc ini T€ TpaiavoO Kai
'AbpiavoO.
s. Aiuiv 6 TTaciKpdTOuc . . bi^Tp€i|i6 tö ttXcictov wapd
Tpaiavifi . .
8. 'Apxißioc TTxoXeiLiaiou . . yQafAfiavixdq xmv Smq ToaXa-
*^) Novit tarnen ezempla contraria haece: s. ^Avncd^c . . q>tX6coq)oc
CtuKpoTiKÖc, ÖCTic ir6piiraTT|TiK6c ^KXf|6r]; a. *ApiCTOY€(TWv . . piyrwp . .
öcTtc lircKoX^TO KOuiv; bis in talibus öcircp adhibitnm est: s. 'Ap{-
cntnroc . . <ptX6coq>oc . . d<p' oOircp fj Kupiiva'iKi^ . . aYpcctc fJpSaTO; s.
Kapv€d&T)€ . . 91XÖC090C, d(p* o{)iT€p Vj v^a dKa&nM^cx f|pEaTO. Opinatur
yero talibus fortasse interdnm fontem reddi pariter ac viz casu factum sit,
qaod quater 'otTiv€c' usurpetur ad significandos VII tragicos, cf. s. Au-
ic6<ppuiv, CoqiOKXf)c 'A6r)vottoc, CuiaqM&vy)c, <t>tXicKOC.
jAhrb. t dass. Phllol Snppl. Ed. XI. 28 ^ j
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484 A. Danb:
8. TTroXe^aioc . . YPctmiaTiKÖc, 5 toO 'Hcpmcriuivoc, t€TO-
vibc diri Te TpaiavoO Kai 'AbpiavoO tujv auroxpaTÖpuiv.
s. *ApxiT^VTic . . in\ TpaiavoO larpeücac iv 'Pw^ij.
ß. *Poö(poc 'Gqp^cioc, larpöc • . T €TOVibc dirl TpaiavoO cuv
KpiiiüVi (vid. Rohdium 1. 1. 180, n. 4).
s. Cuipavöc . . *e<p^cioc, laxpöc . . Kai dv Tuiinq b* iorpcu-
cac im TpaiavoO Kai 'AbpiavoO xdiv ßaciX^uJV, ßißXia t€ cuvrdiac
irXeTcTa Kai KdXXicia.
ß.M€CO|i/ibnc KprjC, XupiKÖc, fCTOVoic dm xuiv 'AbpiavoO xpo-
vuJVjdTTeXeüGepoc aöroO Kai dvxoTc juiXicia qpiXoc (velrectius cpiXoic).
8. KeqpaXiuuv f\ KecpdXuiv . . ^/JTuip Kai kropiKÖc, y^TOvibc
dir' *AbpiavoO.
8. Zrivößioc C09iCTyic, iraibcucac £v Tifi^iq in* *Abpia-
voO Kaicapoc.
8. AoXXiavöc '€cp^cioc, cocpictfjc . . yctovuic dir' 'AbpiavoC
ToO Katcapoc.
8. TTaOXoc Tupioc, ^rJTUip, y^TOVwc xaxd ^IXetva xov
BvßXiov, og ix* 'A^ifiavov tav ßaCiXia^q xf^ößcvöa^ M^no*
xoXiv T^ TvQov ixol'^aevm
8. AiOTevciavöc 'HpaKXeiac Tf\c TTövrou, TpaMM^triKÖc,
Y6T0VÜÜC du' 'AbpiövoO ToO ßaciXduic.
8. Aioteveiavdc 'HpaKXeiac drdpac, ou xf^c TTövrou, t^-
Tovujc Kai aÖTÖc dir' 'AbpiavoO toO ßaciXduiC Cetenun Suidas
perperam res uiiiu8 Diogeniani in duas glossas dissecuit, vide Roh-
dium 1. 1. 180, n. 3, Flachinm Suid. et Endoc. p. 66, n. 1 (cf. etiam
Mu8. Rh. n. XXXV, 62).
8. Aiovücioc *AXiKapvacc€uc, T^TOvdic dir' *AbpiavoO
KaicapoC; coq)iCTf|C Kai iliouciköc KXn^ic.
- 8. NiKdvuip . . Ypa)i)iaTiKÖc, t€TOVuic dir' *AbpiavoO toO Kai-
capoc, 8t€ Kai "CpiiiTnroc 6 BripuTioc.
8. TTuiXliüv *AX€Havbp€uc . . q)iX6co<poc . . y^Tovuic dir'
'AbpiavoO (cetenun cf. nunc H. Petenun de variis eiusdem nominis
8criptoriba8 disserentem in Fleckeiseni Annal. phil. t. CXX [1879],
420 sq., de coins placitis mox alibi indicium faciam).
8. Aiöbujpoc 6 OuaXdpioc dmKXriGeic, cpiXöcocpoc, f cjovibc
iiA ToO Kaicapoc 'AbpiavoO.
Haec omnia teetimonia qni adcurate consideraverit singolarem
eorum naturam &cile intelleget. Ac prae ceteris enitent notationes
optima auctoritate praeditae, quae snnt de vita servornm liber-
tornmve qni litteris inclaruere (s. '€Traq)pöbiTOC, 6eöbuipoc, Kcki-
Xioc, M€CO|LiribT]C, Ti^aTdvTic, Tupavviujv). In relicuis vero ezemplis
diligenter enotatam yidemus, quo imperatore siye quibus impera-
toribus (cf. s. 'Anluiv, 'ApiCTOKX^c, 'Apxtßioc, 'AiroXXdivioc Tuaveüc,
Aiovucioc 'AXeE., 'GtraqppöbiTOc, ^HpaiAeibric, KckiXioc, TTroXefiaToc
ö 'Hq)aiCTiuivoc, Cuipavöc, aL) singuli flomerint, quäle studium idque
Romae potissimum exercuerint (coq)iCTeucac vel naibeucac dv 'PiÄjiij
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De Suidae biographicomm origine et fide. 435
simüiave, velut s. KeKiXioc, TTord^uiv MuTiXnvaToc, TTuiXiuJV 6 *Acivioc,
*AvTdpiüc, 'Atticdv, *epjiaTÖpac, TTToXepaioc 5 'AacaXiJüviTTic, aL),
quibuscnm hominibus inlustaibus una ^erint quosque praeceptores
sive disdpulos habuerint (s. *AX^Havbpoc AiTaioc, *AvTdpuic, 'Arriuiv,
Aiovucioc *AX€£., 'eiracppöbiTOC, 'GpinaTÖpac, Geöbuipoc, Kopvoöroc,
Mouciuvioc, NiKdvuip, flaöXoc Tüpioc, 'PoOq)oc, CKOireXiavöc, al.).
Qoibus adprime convenit qnod bomm scriptonun yita copiosissime
saepe ne minutiis quidem contemptis narratar (s. 'AiroXXuivioc
Tuaveuc, Aioyucioc 'AXeE., AioT€veiavöc, Aiiwv 6 TTaciKpaiouc,
'6Tra<ppöbiT0C, 'HpaicXeibric TTovtiköc, Mouciuvioc, TTXourapxoc,
TToTdjiiJüv Mut., Tupawiujv 6 veuiTcpoc).
Haec omnia indicia ealutaria sibi invicem liquide produnt spien-
didom Hadriani aetatis auctorem. Sed rem paulo intentius per-
quiramas. Inspice modo exempla s. 'Apx^ß^oc, Aiovucioc 'AXeS.,
Mouctuvioc, *eTTaq)pöbiToc (bi^irp€ipev dirl Nepuivoc xai jn^xP*
N^pßa, Ka9' 8v xpovov kqi TTioXeiiaToc 6 *H<paiCTiiuvoc
fjv Kai dXXoi cuxvoi tüjv övojLiacTOjv iv Traibeiqi, conl. s.
TTToXe^aToc 6 tou 'HcpaicTiuivoc, TCTOvd^c ini xe Tpa'iavou
Ka\*Abpiavou rdiv auTOKparöpuiv), TTaOXocTüpioc, quibus accedit
gravissimum testimonium s. 'Hpiubiavöc T^TOve Kard töv Kaicapa
*AvTUJVivov TÖV Ktti MdpKOV, die veüüTepov elvai Km Aiovuciou tou
T#iv ^ouciKf|V IcTopiav fp&x^tavroc Kai ^iXiovoq rov BvßXiav (cf.
p. 410; Wachem. 1. 1. p, 145; Rohdium Mus. Rh. n. XXXIV, 561 sq.,
quode vide infra).
Herum universa condicio nonne firmiter conroborat opinionem
sapra propositam vel imperiose flagitat luculentum Hadriani aequa-
lem auctorem, qui oratorum sophistarum grammaticorum medicorum
nee non historicorum philosophorum quotquot inde ab Augusto usque
ad Hadriani tempora Romae potissimum floruere memoriam quam
diligenüssime tradiderit? Nee vero ille incertos nos reliquit, qua
ratione opus suum adomaverit. Adparet nimirum hunc singulos
aactores ad imperatorum Romanorum imperium direxisse, ac videre
etiamnum licet Augusti Neronis Traiani Hadriani inprimis aetatem
termini vel limitis instar fuisse. Nee minus in propatulo est certas
epochas maiores distingui, tempora scilicet ab Augusto usque ad
Neronis imperium, dein a Nerone usque ad'Traianum, tum Hadriani
aeyum ipsum.
Quibus rebus delineatis si anquirimus, quis tale opus bonae
frugis plenissimum couposuerit^ non diu anceps erit iudicium, dum
modo ex testimonio satis memorabili quod extat s. 'Hpuibiavöc
conligere aliquid yelimus. Accedit quod s. TTaGXoc Tupioc Paulus
Philonis aequalis fuisse dicitur: nam videtur Philo legationis suae
in libris suis mentionem fecisse, atque cum de T jro metropoli narravit
etiam clarissimum qui tum fuit civem Paulum conmemorasse (praeterea
cf. Suid. s. <DiXu)V BußXioc, et Rohdium 1. 1. 661, n. 1). Phüonem
igUur ByhUum praecipuum harum notationum auctorem esse iam
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436 A. Danb:
citra opinandi yicissitadines positum erit. Quanquam — ut hoc
statim conmoneam — Hadriani temporibns non defaere qui eandem
pertractarent materiam qniqae omnino res biograpbicas in snmmis
haberent deliciis. Nee male coniecit Yolkmamms (lU, p. XVll,
not. 31) Lncianum in dialogo qui ßiuiv TTpdctc inscribitnr talia po-
tissimum stndia cayillatam esse.
Itaqne non abs re esse videtur, antequam ad Philonem ipsnm
dispntalio accedat, panca prae&ri Inter illos anctores Hermippns
Berytius praecipua lande nominandus est, quem librum Trepi Tuiv
bmTtpcipdvTUiv dv iraibeiqi bouXiuv scripsisse Suidas (s. ''Icrpoc) ipse
testatnr, euiusque auctoritatem Wachsmnthins (1. 1. p. 140 sq.) snb-
tiliter adumbravit.*^) Hnius vero Hermippi stndia fructnosissima
panlo latins patuisse nescio an conligi liceat ex verbis mnltifaiie
adhibitis qnae reperiuntnr in Etymol. M. p. 118, v. 22 ß. v. 'And-
rem * TTÖXic BiGuviac, Trpdrepov MupX^a KaXou^dvri, f^v Xaßu)v bfSbpa
Trapd OiXiTnrou toO Ar\iir\Tp{ov 6 Zii\\ac |bi€Tuivdiiac€V 'A1Tä^€lav
ÄTTÖ Tf^c dauToO f^vaiKÖc *ATr(i|biac, ibc (add. V"*) *'ep^iTrtroc iv
Tip Trepl TUIV dv 7T0ib€i<jt XajiipdvTiJüV Xötiu. Quem qnidem
Hermippnm non Callimacbeum sed Berytinm'^ esse verissime
monuit Wachsmutbins (1. L p. 143, not. 16)*^: qnod si verum est
resuBcitavimus libri alicuius Berytii generalem inscriptionem irepi
Toiv £v iraibeiif Xa|ii|idvTU)V Callimachi TTivdKUiv titulo simillimam,
quam adtrectare interim non ausim. lam duae res cogitari quennt:
aut huiusce operis partem faisse librum nobilissimum *ir£p\ ti&v £v
*^) Inter testimonia Wachsmuthii cnra plene congesta nondum per-
Banata sunt yerba illa qnae eztant s. 4>X^Tun^ TpoXX. . . direXeOeepoc toO
CcßacToO Kakapoc (Wachsm. p. 142, n. 18); conri^endum esse opinor
'toO OOcciractavoO K.' — '•) Cf. Lozynskinm Hermippi Smym. Peiipat.
Fra^. (Bonn. 1882) p. 24 sq., et Prellemm in Jahn. AnnaL phil. XVII, 160
gl lUiuB Hbelli nimis acri censnra), qui veritatem non adsecuii snnt,
ermippi enim Callimachei libri amplissimi intcriptio utique ßioi tait;
non ßiot TtXrv iy naxb^iq. btaXaji^idvTuiv (cf. Nietsechinm Mus. Bh,
n. XXIV, 190, n. 2) nee ßiot ij ircpl vSrv . . Xa|yit)fdvTwv (cf. Loi^iiBk.),
ut proxsus taceam de Prellero (p. 167) titulum ircpi tiXiv . . XofiHidvTuiv
certam 'ß(urv' partem effecisse opinante. Nanckina vero erravit com
(Philol. V (1850), 693 sq.) CaUimacheum Berytiumque eundem fdiase
contendit (vid. Kieteschium Mus. Rh. 1. 1. 192). Denique MueUems,
aliquid veri cum subodoratus esset (F. H. G. III, 86, 86), tarnen yeiis
faloBk permiscuit: confndit nempe librum ircpl t<£iv . . ^tairpei|idvTuiv boO-
Xuiv disertim contestatum cum opere irepl £v66Euiv dv&pOtiv (larpdiv). —
*') Cf. etiam A. üppenkampium Princip. disp. de orig. conscrib. hiai.
litt. ap. Gr., Monast. 1847, p. 28. Neque tarnen Wachsmuthio adaoitior
cum Hematerhusio pro insolito Xötm« vocem öot^Xuiv restituenti, qua
yerba yolgari operia Hermippei insoriptioni adconmodentur; band dnbie
enim X^ei emendandum est. — De Bexytio autem Mo unice posse cogi-
tari Tel illud iLicTurvö^ace demonstrat, quo ad Philonem Byblinm necessario
deferimur: quem in opere ircpl iröXcu^v k. t. X. metonomasias respexisse eon-
pertum habemus (cf. B. Nieaium de Steph. B^z. auct. p. 87), ouiasqne
yeatigiia Hermippua diacipulus hie inatitiase yidetur, o£ Wachsm. 1. 1.,
praeterea Steph. Byz. a. MOpXcia, NiKOMfjöcio, Pdßcwo (iröXic 'iToXiac
tpminroc ö BfipOrtoc 'Poücwav aM\y xoXd).
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De Smdae biogr^phiconim origine et fide. 437
TiaibeiqibtaTrpeiiidvTUiv bouXuJv' aut peonliaremHermippi sGriptionem.
Sed alind accedit quod respici debet: in scholio nimirnm Oribasii
(in Mai Clasa. Anctor. IV (Rom. 1831) p. H = Daremberg IH, 687)
talia legnntnr: 6 <t>iXuiv dv t(^ Q' rrepi ßißXioOiiKiic KTf)C€U)C Kai
*'ep|üiTiTroc (L e. "ep/AiTriroc) dv rd^ e' trepi tujv dvböHiuv dvbpÄv
laxpdiv Kai 6 Ciupavöc dv laTc tujv larpoiv biaboxaic (cf. etiam
Y. Bosenm de Arist. libr. ord. et anct. p. 32). Praeterire praestat Bern-
hardyi (ad Suid. s. <l>iXu>v) opinionem plane incredibilem meritoqne
a Wachsmuthio (1. 1.) explosam, qui quidem in libro Trep\ dvböSuiV
dvbpujv iarpoiv magistri vestigia calcasse Hermippum snspicatar.
Verom dubito nnm sana illa inscriptio sit: censeo enim vocem
iarpujv utpote emblema esse delendam, nnde evadet titulus generalis
iT€pi dvböguiv dvbpujv^ cnius particala irepi larpuiv quintum librum
effedsse yidetur. Quae cum ita sint, - credere par est Hoc ipsum opus
idem fnisse quod Etymologici anctor laudavit. Ac qüis ab Hermippo
quem Suidas (cf. s. "Ep^iiTTTOc) cqpöbpa Xötiov fuisse multaque con-
posnisse testatur eiusmodi scriptionem profectam esse infitiabitur?
Sed quoniam haec omnia coniecturae tantum probabilitate evicimus,
inde longius evebi non ausim.
Praeterea autem alii einsdem vel sequioris aetatis scriptores
reperiuntnr in eodem genere ac Fbilo versati, quorum opera Hesj-
chinm pariter ad usum adlexisse Y&n simile est, in quibus praeter
Telephi Hadriani aequalis (cf. Capitol. Ver. c. 2, et in eum
Salmasium p. 101) ßißXiaKf\c djuireiptac ßißXia f' (dv oTc bibdcKCi
xä KTriceiuc dEia ßißXia — Suid. s. TrjXeqpoc — , quibus ex verbis
operis argumentum reddentibus nescio an effici queat ipsum Hesy-
cfaiumilludnoTisse nee non consuluisse, cf. Bohdium Mus. Bh. n.XXXTn,
182 not. 1) inscriptionePbiloneorum nepi KTrjceuJC Kai dKXoTfic ßißXiuiv
simillima — Damophilum conmemorasse satis habeo. De hoc ni-
mirum, quem ab luliano Marci Antonini aetate consule (a. 175 p. Chr.,
yid. Bergkium Hist. Or. litt I, 276, n. 24) educatom fuisse Suidas
testis est (s. AajUÖqpiXoc), idem narrat: Tpdipac irdjiTroXXa, i.i (Lv
TaOrd ^01 eöpriTaUTri laic tujv ßißXiuJV WJKaic cpiXoßißXoc t\ (?libri
praebent Trparroc) irepl dHiOKTrJTUJV ßißXiujv Trpöc AdXXiov MdHijiOV,
quae verba Hesjchio ipsi deberi Bergkio (L 1. p. 293, n« 50) credo.
Ädparet igitur Hesychium bibliothecarum forulos armariaque per-
Yestigasse, ut Damophili libros nancisceretor. Sed quid causae erat
cor talia nuntiaret Hesychius? Ni egregie fallor Ms liquide ille in-
dicat se Damophili scripta dedita opera conquisivisse ac revera in-
venisse. Ergo dubitari nequit quin hoius (piXößißXov in suum usum
converterit Hesychius. Eins tamen auctoritatiis vestigia ipsa eruere
yix ccntinget: quocirca eum nunc mittamus.
Hinc ad Philonem Byblium^^) revertamur, cuius de studiis
doctrina auctoritate iam paulo explicatius disputandum est.
s^ In Philonis ' aetate indaganda naper elaborarunt B. Niese (1. 1.
p. 27 sq), J. Wackernagel (Mus. Bh. n. XXXI, 489), qui quidem illum
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438 A. Danb:
Scripsit autem ipso teste Suida duo opera ad Hesjchii usnm
prorsus adconmodata: 7T€pl ktVjc€ujc Kai dKXoxfic ßißXiuiv
libros duodecim, et irepi iTÖXeuüv xai oOc ^KdcTT] aÖTiöv iv-
böEouc fiveTKCV libros trigint*. Quorum prius Hesycbio cum
maxime conmodum fuisse et habile statim elucet. Cuius memoria
quanquam fere oblitterata est, ex scholio tamen Oribasii (vid. supra)
cum Stephane Byzantio conparato potest conclud) nonum ^bibliothecae'
librum conprehendisse vitas iaipiDv (cf. Wachsmuthium 1. l.p. 145,
Bergkium Eist. Litt Gr. I, 276, n. 24). lam vero B. Niese (de
Steph. Byz. auctt. I, 41) istud ideo parum valere contendit, quod
1. c. praeter Philonem et Hermippus et Soranus laudarentur, quos
inter et illum quae ratio intercederet nesciremus. Quam mira argu-
mentatio! Oribasii verba adfatim docent nonum bibliothecae librum
in medicis enarrandis versatum' esse , nee quicquam refert scire quo
nexu singuli cöntineantur. *^ Prorsus autem displicet Niesii ipsius
ratio medicos libro rrepl TröXeiuv k. t. X. sie fortasse conprehensos
fuisse censentis, ut suum de üs libellum scriptor in testimonium vo-
caret.'^) Quid tandem inpedit quominus utraque scriptione Stepha-
num usum esse sumamus et libro irepl tOjv rröXeuiv . . et Trepl la-
Tpwv, i. e. ßißXioOrJKTic libro nono?'^)
Itaque si verum est quod supra cum Wachsmuthio posuimns,
duodecim rrepi KTrjceuüC Ka\ ^kXot^c ßißXiiuv libros ita digestos
fuisse iudicabimus, ut in singulis de singulis litterarum generibus
eorumque auctoribus praecipuis ageretur. Qua quidem in re etiam-
num videmus (cf. Steph. Byz. s. Auppdxiov, ubi Philonis de Philonide
medico verba ipsa citantur: OiXtüv iv toTc larpiKOic Auppaxnvöv
dvaTpAcpei OiXujvibiiv oötuüc **AcKXriTTidbTic dKOucidc Ic^e Titov
Auq)ibiov CiKcXöv Kai OiXujvibiiv A. Kai NiKiwva ^AKpaTavrivov'.
Kai irdXiv ^OiXiJüvibTic bfe 6 Auppaxnvöc f^Kouce \iky/ 'AcKXirmdbou.
laipeOcac bk iv t^ Trarpibi ^vböEuüc* cuveTdEaro ßißXia jue") singu-
lorum auctorum patriam — cuius quidem notitiam Philoni ex opere
Trepl TTÖXeujv . . petitam esse credere licebit — praeceptores disci-
pulos adcurate enotatos. Porro sponte patet singula scripta ea-
sequitur, sagacissime vero Bohdius (1.1. p. 176 sq.); tamen hanc quaestio-
nem valde spinosam vix unqnam ad liquidum perductum iri arbitror. —
Cetemm addere placet verba quae apud Suid. s. <t>(Xuiv leguntur irap^civev €lc
fiaxpöv (pro quibus Westermannus de MdpKov temptavit) sana esse, cf.
8. *€p)üiOTÄy]c . . dXX' oök €lc \xaKp6v TaOTT]C dir^Xaucc. — **) Wacbs-
muthiuB (1. 1. p. 143, n. 16) autem Hermippum Philonis praeceptoris vestigia
legisse hie suspicatur. — ^^) Geternm pecuiiare ircpl iarpilyv opus a
Philone conscriptum esse minime ezploratam neque ex Stephano Byz.
B. Auppdxiov et 8. KOpTOC, ubi citatur iy Totc larpotc (sie Behdig) et
^v T(|i ircpl iarpuiv, consectarium est, quam vis praefracte negari nequeat
(cf. nunc etiam Rohdium Mus. Rh. n. XXXIV, 562, n. 8). — '*) Nee magis
Niesio adstipulor quod Philonis Phoenicica a Stephano (s. N(aßic) lau-
data ab hoc ipso inepecta esse ne^vit. Num id ^ipsum opus spretum
esse arbitrabimur, cum generale ircpl iröXcun/ diligentissime Stephanos
adierit?
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De Saidae biographicomm origine et fide. 439
qua lectu dignissima faisse recensita. Ergo anctorem egregiae fidei
depreh^idimns in libromm indidbas conficiendis: quae fides nescio
an 60 angeatar quod Philoni tanquam optima adminicnla Hadrianeae
aetatis bibliothecae amplissimae suppetebant (cf. Paus. I, 18, 6;
ffieronym. Cbron, Ol. 227; Bemliardjum Hist. Litt. Gr. I*, 607).
Ad Philonem igitnr revocabimus hasce tabnlas partim ditissimas: s.
TTuiXiuiv 6 'Acivioc, Tupawiuiv 6 veuirepoc, *ep^cr^öpac, KcKiXioc,
NucöXaoc Aa^acKV)v6c, deöbuipoc Tabapeuc, TToTd^ulv MutiXti-
vaToc**), noXuaivoc**), ^Avr^puic, 'HpaKXeibric TTovtiköc, 'Apicxo-
kX^c, Aiuiv 6 TTaciKpdTOuc, TTToXeMaioc 6 toO 'Hqpaicriuüvoc, Ke-
(paXiuiv, ZrivößiQC, TTaOXoc Tupioc, AioTeveiavöc**), Aiovucioc
'AXiKOpv.; NiKävuip^), al. Nee dubito eodem referre largissimos
indioes eomm soriptorum, quos quanquam siipra non consignavimus
oerte ob temporum rationes Philoni yindicare poBSumns: s. TTdjiiqpiXoc,
CumipibaC; ApdKuiv*^), Nou^Tivloc, 'AttoXXuivioc AuckoXoc, Out]-
cxivoc, TToKaTOc.**)
Sed prae ceteris medicornm vitas — quatenns per tempora
licebit — nna cum librorom tabnlis ad Philonem Bjblium redire
mihi persnasum est: quanquam Hesjchius Philonem non ipsum sed
Sorani ianioris*'^^) opas ßioi laTpüJV Kai atp^ccic xai cuvror^aTa
(Snid. 8. Cujpavöc) adhibuisse, is vero ex Philone hausisse videtnr.
Philoni autem indices libromm e bibliotheeis potissimum sappeditatos
esse epigramma docet in Marcellom medicom conpositum (cf. Anthol.
PaL Vn, 158; Bernhard, ad Said. s. MdpxeXXoc), unde einest Hadria-
nom et post eum Antoninum Marcelli opera in publica Bomae urbis
bibUotheca reposuisse. Dein Saidae tabularum partim satis largarum
tota indoles — videmus nimirum singulorum librorum numerum ad-
curatissime denotatum — optimum resipit auctorem. Philonisque
operis irepi KTrjceuJC kqi dicXoTtfc ßißXiuJV naturae haud scio an et
illud conveniat, quod s.'lTTTroKpdTTic'*) (Tiparroc) et s.*ApiCTOT^VTic*^)
**) Hoios Bcriptoram cogmtio oni fere Saidae debetar, unde propria
eonmi*origo confirmator. — ") Habemas tabalam ad argamentam dispo-
sitam qaantumTis non integram (ceterum cf. Mus. Bh. n. XXXV, 62). —
**) Hoias scripta ex argumento apte disposita esse facile intellegitur. —
^ Singali libri secandum qaaedam genera digesti esse videntor. Porro
in tabula librorum nonne scribendum est: ircpl vSiv Cairq>oOc fxcXuiv (v.
M€Tp<Xiv)? — ••) De singulis scriptis adi Berohardyum ad Suid. s. €lpii-
vcAcc et 8. TTdicaTOc. Facile est perspectu initium tabulae xard croix^ov
ordinatae esse serratum. — ®^ Qui certe post Hadriam tempora yixit,
cam Soranus maior (yid. Suid. s. h. v.) Traiauo et Hadriano re^nantibus
Bomae floruerit. Neque ulla subest causa, cur unum tantum Sorauum
extitisse statuamus (cf. Paulyi Eucycl. BeaL IV, p. 1700, ubi hie ad Galeni
aetatem relatas est). — *^ Sine dubio huius yitae fandamentum iecit
Philo Byblius (qui ipse Arei — cf. Vit. Hippocr. Soran. init ap. Westerm.
BtoTp. 449, 6 — et Andreae opus (ircpi Tf^c (arpiKf^c T€V€aXoT(ac, cf.
ibid. 450, 17) adhiboisse videtur), sed aliunde illa locupletata est. —
**) Cuius opera kutA ctoix^ov ita äisposita sunt: irepi dia{TT)c, ir. ^uvd^€U)c,
IT. daKirwv, IT. <r)r^p|üiaToc, vt»€IvoO, toTO|uif|v ^uoicdtv ßoiiOimdruiv, quibus
adneetontar iiricToXiKA irpöc *Avt(tovov (sie in fine scribas).
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440 A. Daub:
Gäcioc (fYPCtipe ßißX(a xb'* dKplGn ^ irepl biairnc a . .) nobi-
lissimorom librorum delectus tantum recensetur. Horunce igitur
medicorum vitas nna cum tabulia librorum Philoni adtribuo: 8.
iTTTTOKpdTnc (septem omnes), "'AKpiuv, *ApiCTOT^VTic , 'ApxiT^vnc,
BdiXoc Mevöi^cioc (?), A^Hittttoc Küüoc, AiocKopibiic, ApdKiuv, 'Cpa-
cicxapoc, 6eccaXoc, NiKÖjuiaxoc, 'PoOqpoc*^), CoXoucxioc, Cwpavöc
Mevdvbpou (?).")
Venim luculenta specimina studiorum a Philone Byblio in Tita
hominam inlustrium describenda positorum nondum onmia conlustra-
vimus. Nam praeterea ille amplissimum opus conscripsit Ttepi
TTÖXetuv KOI oöc ^KdcTTi outOüv ^vböHouc flv€TK€, quod
multum lectitatum et ad conmodiorem usum ab Aelio Sereno in
breviorem formam redactom (cf. Snid. s. Cepf)voc) Hesychio non
minus eximiae utilitatis fuisse patet Quo in opere hominum daro-
rum vitae, i. e. patriae et originis, praecipuam habitam esse rationem
vel inscriptio abunde docet. Nee vestigia huius libri celeberrimi
prorsus evanuerunt. Stephanum nimirum Bjzantium, quem in
hac quaestione magno cum ftnictu adhiberi posse primus intellexit
Wachsmuthius (1. 1. p. 145), in ^ethnicis' Philonis senptione ipsum
usum esse contra A, Lentzium**) praeclare exposuit Ed. Hillerus
(in Fleckeis. Annal. pbil. t. CHI, 527 sq.), cuius sententiam B. Nieaius
(de Stepb. Byz. auctor. conment L, Eil. 1873, p. 26 sq.) amplexus
uberius confirmavit (cf. etiam Boysen. de Harpocrat. lex. fontt«.
Eil. 1876, p. 12).^) Qui quidem in ^ethnicis' plus centum extare
^^ Librorum tabulam ad ^nera quaedam diffestam esse liquei. —
*^) Glossam s. M€veKpdTT)c Suidas ex Athen. Yll, 289 delibavit; dein
vitas 8. raXr)vöc et s. MdpK€XXoc Soranus Hesychio suppeditasse yidetnr.
— Cetemm Philonis in medicoram vitis auctoritas clariore in luce infra
ponetar, ubi demonstrabitnr qualis intercedat necessitudo inter Stephan!
Byzantii copias Philoneas Suidaeque notationes. — ^') Qui quidem in
opere celeberrimo (Herodian. Techn. Beliqu. Praef. p. CXXXVII sq.)
contenderat Stephanum totnm fere librum ex Herodiani fruatolia conflasse
ac Philonis testimonia indidem transecripsisse. — *^) lam in eo erat ut
has Bchedas typis describendis traderem, cum in manus meae yenit
E. Eohdii subtilis de Philone Byblio Hesychioque Milesio
disputatio (Mus. Rh. n. XXXI V, 561 aq), qua id praeoipue probatum
it Hesychium Philonis opus irepl itöX€u;v k. t. X. nuequam ut primarinm,
sed unice ut secundarium adhibuisse fontem (p. 567. 564). Quaerere
igitur soperBcdit quatenas ille alteram Philonis scriptionem irepl ict/|C€U>c
Kai ^icXoTf^c ßißX(ujv in usum suum converterit, quam quidem inter pri-
marios eins in yitia oratorum sophistarum grammaticorum medicorum
fontes faisse supra evicisse videmur. Sed prius illud opus (irepl iröXeuiv . .)
Hesychium praeter primarios auctor es — inter quos non modo Dionysii
)LiouaKf|v icTop(av (Bohd. p. 573. 74), sed etiam Philoneos libros irepl
icTr)C€U)C K. T. X. fuisse opinor — locnpletandi potius supplendive causa
consuluisse Eohdio generatim concedo, quanquam hanc sententiam ali-
quante cautias pronuntiandam esse nostra ipsorum de Philonis opere
explanatio inlustrabit. — Ceterum iam non pauca Rohdiana disquisitione
egregia mihi occupata esse vix est quod moneam. Sed meam ipsius
non ab una parte esse paulo uberiorem neminem fugiet. Qua de caasa
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De Snidae biographicornm origine et fide.
441
oppida alt, quorum cives inlufitres ex opere Philoneo petitos esse
certnm sit, panier ac nomina scriptomm qoi de iis rettulisse a
Stephano dicantur ex eodem fönte manaverint (p. 30 sq.).^) Tale
autem snbsidium cum praesto sit, Philonis anctoritaüs yestigia per
Stephanum dissipata si in nnum oonponemus, non modo* Philonei
operis imaginem resuscitare textnramque qnodammodo restituere pote*
rimuS; sed etiam nna Buidae narrationibns conparatls aut certo de-
finire ant diyinando conioere, quatenus Philoni dnci Hesychins sese
addixerit Quae cum ita sint non frugtra elaborasse mihi videor^ nt
omnia Ethniconun testimonia qualia ex Philonis libris derivata esse
videntur pleno congererem ac sicubi cum Suidianis concinont sedulo
notarem. Nee enim omnes reliqoias coacerrare voluit Niesins nee
potuit Muellerus (Fr. Hisi Or. IQ, 660 sq.). Hamm igitur amplisi-
mum ecce conspectom:
Stephanns Bjzantins.
8. V. "'Aßbripa, TTÖXeic Wo. f| jnfev 9p(|i-
KTic . . dK Tavrnic bi Kai ArmÖKpiTÖc ecriv
ö q)iX6co<poc. f) hk beuT^pa ttöXic tt^c
'Ißnptoc . . irXeTcroi b* *AßbiipiTai öirö täv
mvaKOTpäqMUV dvaTpäqpovrai (qui quidem
hie significantnr, quod Abdera prima est
nrbs, coius ciyes inlnstres conmemorantur),
NtKatvcTOc ^iroiroiöcKaiTTpiWTaTÖpac,
8v EöboSoc (cf. Niesium p. 31) Icropei töv
IJccui Kttl Kpetccui XÖTOV treTTOiTiK^vai Ka\
Touc MttÖTvrdc bebibox^vai töv auröv ly^-
T€tv Ka\ iiraivetv (cf. nunc de hac Stephani
notatione disputant^m O. Boeperum, ^üeber
einige Schriftsteller mit Namen Hekataeos',
n, Danzig. Progr. 1878, p. 4 sq.).
'AßiXTi . . &Ti bt Ka\ äXXri ttöXic
<|)<AviKTic "AßiXa, ii f)c fjv Aiot^vtic 6
blacT]^6TaT0C coqpicTric.
AledXri . . dq)* fjc fjv 6 rXauKOc, etc
TUJV Tf|V KÖXXnClV Clbl^pOU €Up6vTU)V buO
Yop fjcav. ouToc fitv Cd^loc, öctic Kai fp-
Tov doibiMiOraTOV dvd9nK€V 4v A€Xq)oic,
die *HpöboToc, 6 b* STepoc Afiinvioc, dv-
bpiavTOTTOiöc bidcimoc (?).
Snidas (Hesychins).
s. At]|li6kpitoc ..
'AßbripiTHC iK 6p<jiKTic
(cf.Rohd.l.l.ö65,n.l).
TTpiDxaTÖpctc'Aß-
bTipixTic . . Tivtc b* aö-
TÖv KalTi^iov aviypa-
lyav (v. ^Tpo^ov) —
vid. infra Steph. s. T^-
uic — , de quorum ver-
borum fönte mira nar-
rat Boeperus 1. L p. 3 in.
hanc totam- disputationis particulam intactam esse relinquendam duzi,
sie tarnen ut Bohdii qnaestionum nusquam non habuerim rationem. —
**) Niesii totios disquisitionis rationem eammaüm conprobo, quamvis non
deaint quae mihi quidem parum adriserint, veluti quae (p. 81) de Piatone
com Didymo a Philone (Steph. p. 806, 1) laudato, de yerbis b. Zkuppdxtov
(p. 33), de pagis Atticis (p. 84 sq.), de Nicanoris metonomasiis earumque
anctore (p. 88 sq., cf. WackemageL Mus. Uh. n. XXXIII, 488) proposnit.
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442
A. Danb:
Steph. Byz.
AIvoc, TTÖXic 6p<jiiciic . . e' fcri Ka\
vf^coc TTapaK€ijLi^VTi Tfji eübaipLovi 'Apaßiqi.
TÖ dOviKÖv AIvioc vbc Tiivioc oÖTUJ xdp
dvaTpdrq)eTai iv TOic irivaHi (post haec
verba lacunam stataere nolim, sed vid. Roh-
dium L 1. 665, n. 2).
'AXdßavba . . 6 ttoXittic *AXaßav-
betic oÖTU)c dvaTpd9€Tai — , ubi *epi-
tomatorem' nomina a Stephano conmemo-
rata neglexisse Bohdius (1. l. 565, n. 2)
vidit.
'AXeSdvbpetai . . bcuT^pa kxl ttö-
Xic Tpoiac, dv fj ^t^vcto 'HTnMtüv irco-
iroiöc, 8c fTpo^c töv AeuKTpiKÖv iröXe^ov
TUJV 6r|ßaiiuv Kai AaKcbai^oviuüv.
'A^dc€la, iröXic TTovriKri, dqp* f)c
CTpdßiüv 6 CTiuiKÖc q>iXöcoq>oc
*Amoptöc . . fxowca ttöXcic rpeic, *Ap-
KCcivTiv, Mivwav, AiTidXriv . . dirö rfic Mi-
VUÜUC fjvClJLllDVibTlC 6 lajLlßOTTOlÖC, *AjLiop-
TTvOC X€TÖ|Ll€VOC.
'AvdJapßa, ttöXic KiXiKiac . . dcp' f)c
fjv AiocKOpibnc (sie A, AiocKOUpibn^
RV) 6 biacrmÖTttTOC lorpöc, xQr\^aTxlwy
'AvaCap߀uc, Kai 'AcKXriTridbTic 6 *Ava-
Zapßeuc, 6 iroXXd re Kai dXXa Kai irepi
iroTajLidiv TP<ivctc ßißXiov.
*Avaia . . dvxeOGev fjv MevAaoc 6
irepmaiHTiKÖc cpiXöcocpoc, Kai M ^ Xac Icto-
piKÖc 'Avaioc (de quibus verbiß pamm
probabiliter dissemit Hansenius ^Beitr. zu
alt. Geogr/ Progr. Sonderßh. 1879, p. 6,
cf. etiam Borsian. in Annal. phil. 99, 630
noi).
'AvGn^wv . . AciDvibric Cu)Tpdq)OC,
6iKppdvopoc MaGnTTic, 'AvGnbövioc.
*AvTiKupai iröXeic büo . . f| bk iy
MaXieOciv . . 'AvTiKupaToc, d)cMdpK€XXoc
iarpöc (adnotat Meinekius: ^hoc ad patriam
Marcelli spectat, non ut exemplum huius
formae ex Marcello affertar'; aliter sane
Bohdius iudicat, l. 1. 564 noi 3).
*AvTiöx€ia . . Tplxn MecoTTOTajLiiac . .
HTic TTpöc TUJV diTixujpiuüv Ndcißic KaXeTxai,
öGev 'AiroXXoq>dviic6 ctuüiköc (piXöcoqpoc
Suid.
Crpdßujv *A|Lia-
ceijc, (piXöcoqpoc (cf.
Rohd. 665 n. l).
Ci^u)vibT)c . .
'AinopTivoc lajLißoTpd-
<poc.
AiocKopibric
'AvaZapßeuc, iarpöc
(ceterum cf. Rohd. L 1.
565 n. 1).
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De Soidae biograpbiooram origine et fide.
443
Steph. Byz.
NacißTivöc Ka\ <|)apvoöxoc 6 TTepciKdc
IcTopiac cupr€Tpa<pu)C.
''AvTicca, TTÖXic Adcßou . . dqp* f)c
T^pTTQvbpoc 6 *AvTiccaioc, biacrijuö-
TttTOC KlGapiJjbÖC . . Kttl TpiTTl *lvblKflC, flV
dvaTpÄqpei OiXwv. TCf. Niesium 1.1. 60.)
'AiroXXujvia . . kt Kp/JTiic . ., ^k rau-
TTIC 6 (pUClKÖC AlOT^VTlC
'AcKdXiüv . . TToXXol bt ti ainr\c
KexpnMOTiKaci, cpiXöcoqpoi jiitv *Av-
TIOXOC 6 KUKVOC Kttl Cuücoc Kai 'AVTl-
ßioc Ka\ Gdßtoc CTU)iKo\ dm9av€Tc,
TpamnaxiKol hk TTToXeiuiaioc *ApiCTdp-
Xou fVULipiiLioc Kai AuüpöGeoc, IcTopiKol
'AiroXXübvtoc Kai 'ApT€Mibu)poc 6 rd
Tiepl BiGuviac T€TPC"PiA)c Kai fiXXoi (cf.
Rohd. 1. 1. Ö65, n. 2).
"AcKpTi, iTÖXic Boiorriac . . tö dGviKÖv
'AcKpaToc (insere: ibc) *Hcioboc.
''Axvai, iröXic GeccaXiac, dvxeOGcv fjv
KXcobdjuac ö trepl \ir7nKf]c Kai iruiXoba-
^acTiKf]C Tpdijiac.
BaXav^ai . . elc fiv ttöXiv *6iriKpdTTi c
^TKiÖMiov ^TPo^cv 6 BaXaveiÖTTic.
BaTTJ, öi^jLioc Tf\c AiTn'^oc <puXf|c, öGev
fjv "Aßpuüv 6 KaXXiou, dEnTni^Ci wepl
dopTOJV Kai Guciujv T€Tpa9uic.
B^poia, iröXic MaKcbovlac . . &ti Kai
TTÖXic Cupiac, dqp* f)C Kactavöc Spicxoc
^ilTiüp.
Bi^vn, TTÖXic KprjTTic . . Tiavdc ydp
6 TTOiirrflc Brivaioc fjv f| KepcdTtic f| Kpf^jc
(adi Meinekii notam huic glossae adpositiun).
BiGuviov . . dq)* o\5 TTCvutoc iff.-
v€TO TifijLiiic TPaMMaTiKÖc, ^GiracppobiTOu
ToON^puivoc uiv dEeXeüGcpoc. (*Dicere
videtur Pinytum Epaphroditi, Epaphroditum
Neronis libertum fiüsse.' ItaMeinekius; sed
nolim cum Bohdio (1. 1. 570) verba sie con-
rigere: *6ira(ppobiTOu toO im N^piüvoc fliv
K. T. X. (cl. Snid. 8. 'GiraqppöbiTOc); tnm enim
did certe debuit ToC liA N. dvTOC juv L
Snid.
T^ptravbpoc *Ap-
vatoc f\ A^cßioc
dTT* ^AvTiccnc . .
TTToXeinaioc 6
*AcKaXu)viTTic, TPO^-
^ariKÖc
'Hcioboc KuMaToc
. . jLiTiTpdc TTuKifit^bnc
dv ''ACKplJ Tfjc Boiuj-
riac.
'Piavöc, 6 Kai
Kpt^c, uiv BnvaToc(Bri-
VT] bk TTÖXic KprjTTic)'
Tivfec bt KepatTTiv, dX-
Xoi b'lGiiiMnc.aÖTÖv
IcTÖpricav.
cf. 8. *e7T(KTTlT0C . .
boOXoc 'enacppobl-
Tou, Twv ciüjuaTOcpu-
XdKUüv ToO ßaciX^uüc
Ndpu)voc.
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444
A. Daub:
Steph. Byz.
Verum recto talo sta^e Stephan! verba
docet glossa s. '€iriKTTiTOc).
BicdvOn, TTÖXic MaKcboviac . . dqp*
fjc 0 a i b i ji 0 c iX€T€lu)v TTOiirrfic Bicav9r|vöc.
Bop^(cKoc, x^piov MaKeboviac, dv
CD KuvocirdpaKTOC t^tov€V €vipnTibTic . .
BoCpa, TTÖXic 'Axatac . . Ik TauTr\c fjv
TTuG^ac CcuTpdqpoc, oö iccxy fpyov 6 iv
TTepTdinifJ dX^qpac, dirö TOixoTpaqpiac lüv,
ujc ÖiXuiv.
Tabdpa, ttöXic koiXtic Cupiac, ..4vt€u-
6€V fjv M^VITTITOC 6 CTTOüboTeXoToc.
rdb€ipa..6 TToXiTTic Tabeipcuc- outu)
ydp Td ir^vxe ßißXia dTriT^Tpa^rrai t&v
TTuGaTopiKoiv cxoXujv MobcpdTou fa-
beip^ujc.
TapTTlTTÖC, TTÖXlC Kai bfi^oc TTIC Al-
ipitboc cpuXf^c . . 'ETTiKOupoc NcokX^ouc
rapTrJTTioc.
r^paca, TTÖXic THC KOtXTic Cupiac.
ii aÖTflc 'ApicTiüv ^f^Twp dcT€Töc dcxiv,
vbc 0iXuiv, Kai KVjpuKOC coqpicrfic Kai
TTXdxuiv voMiKÖc ^riTiüp, Trdcav naibeuciv
vbc ^iav dTrocTO|LiaTi2!uiv Kai dv cuv^TOptaic
Kai irapebpeuTaTc Kai Gpövoic t^v öp8ÖTT)Ta
TUJV vöjLiuiv diriTTib€uu)v (ßohd. 1. 1. 666 n. 2).
r^pTic, iröXic Tpoiac, tö OtiXuköv
TepTiOla . . dqp' oö fepTieia i\ xpncMoXÖTOC
CißuXXa, f^Tic Kai ireTuiruiTo iv jCb vo-
^lc^aTl TUJV r€pTi6iu)v auxri t€ Kai C(p(tH,
übe 0X^TUJV dv 'OXujLiiTidbaJV a' (of. doctis-
simam adnotatiuncnlam Meinekii). iv Tf^
Upcji ToO FepTiöiou 'AttöXXuüvoc CißuXXr|c
q)aclv elvai iniTdqpiov.
[AiKaidpxeia, ttöXic 'liaXiac. lauTiiv
hi (pacx KCKXfJcGai TToxiöXouc, iv fj tö
cu^TTÖciov 6 'Hpiubiavdc ^TPaV^v,]
Auppdxtov . . Kai 'Gp^wioc 0(Xu)v
iv Toic iarptKOtc (epitoma Behdigerana iv
ToTc laipoic exhibet, quod Niesius p. 41
recepit) Auppaxnvöv dvaypdcpci 0iXu)-
vibT)V oÖTiüC' **AcKXr|TridbT]C dKOucrdc
2cx€ TiTov Au(pibiov CiKeXöv Kai 0i-
Xuüvibnv Auppaxnvöv Kai NiKiuva
*AKpaTavTivov/ Kai TtdXiv *0iXu)vibTic bt
Suid.
'eniKOupoc Neo-
KX^ouc'AGTivaioc, fap-
T^ITTIOC TUJV b/jjiUJV . . .
(Eohd. L 1. 665 n. 1).
ClßuXXa 'AttöX-
Xujvoc . . 'epuGpaia . .
..Tivkb' airrt|vCiK€-
Xrjv, dXXoi Capbiavifjv,
öXXoi fepTiGiav . .
^böEacav (Bohd. 565
n. 1), cf. Nies. p. 30 ; sed
aliter sensit Maassius
(deSibyll.ind.p.25,n.
63), quamvisnonrecte:
nam et Stephaniana et
haec Hesjchiana (of.
MaasB. 53) glossa ab
eodem anctore (Phi-
lone) repetenda est
(aliter tarnen res se
habet s. tAefi}xr\cc6c).
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De Snidae biograpbicomm origine et fide.
445
Steph. Byz.
öAuppaxnvöc i^KOuc€ jiifev ^AocXnindbou,
iarpeiicac bi dv tQ Traxpibi dvböEuK:' cuve-
T<i£aTO ßißMa ine".
AucTTÖVTiov, TTÖXic TTicttiac . . dtro
TauTTic *AvT{|Liaxoc 1\y ^Xu^nlOVlKl^c, vi-
Ki^cac d V '0 X u u TT i d b i (quae verba cancellis
saepsit Meinekius; sed post iy numerum ß'
intercidisse vidit Wachsmuthius) crdbiov.
<|)X^YWV iv öXuMTTidbi ß' *'AvT(^axoc
*HX€ioc Ik AucTTOvriou cxdbiov'. xal iv
Kl' 'AdiiTTTOc KpoTUJVidTTic TTuE, 'HXeiuiv
^K AucTTOVxiou T^OpiTTTTOV*. (Ceterum cf.
Bohdium 1. L 564 n. 1.)
'6iTi(pdv€ia, TTÖXic Cupiac . . dq)* f^c
6ö(ppdTr|C 6 CTuiiKÖc (piXöcoq)oc.
"Epecoc, nöXic A^cßou . .li f\c Seö-
q)pacTOC /ApiCTOT^Xouc Tvübpijiioc kuI bid-
boxoc ödTTicpavdcTaToc, 8c TvprapLoc t\i,feTo
Kttl b\ä TÖ Tf\c qppdceuic Gecndciov ecöcppa-
CTOC £kXt)Gii (quae verba non Straboni XIII,
615, sedPhiloni deberi recte monuit Niesius
P. 29).
*6pu 9p ai . . iröXic Iiövidv . . ^xP^M^tiCc
bt Ka\ NauKpdrnc *6puepaToc, 6 *'Ofnipov
unojLivniLiaTlcac.
*6pxid, bf^jLioc Ti^c*ATTiKf]C (cf.NieBimn
p. 34), Tflc AiTTl^boc q)uXf\c . . 6 ötiM^ttic
*epxi€uc. Kai McoKpdrnc *6pxi€uc fjv. (Cf.
Pseud. Plut. Vit. Isocr. ap. Westerm. BtOTp.
p. 246, 1 et Westermanni adnotationem.)
ZeÖTlLia, TTÖXic Cupiac . . tö döviKÖv . .
ZeuTMOTiTTic ibc *AcKaXu)vlTTic, ibc Kai
TTpiwT^ac 6 TpamnaxiKÖc ZcuTMariTTic.
'HpaKXeouTToXic, ttöXic AlTUTrriac,
ii fjc 6eoq)dvT]c 6 cpuciKÖc.
6^CTic, TTÖXic *Apdßu)v, Kai dXXn Ai-
ßÖTic, 6 TToXfiTic ^Kax^pac öecitTiic. [iK
bi Tflc AißuKf\c KopvoOxoc q)iX6co<poc
GecTiTTic xpni^OTiCiuv], quae verba extrema
codice B servata sunt. Adnotat vero Meine-
kiuB: ^Bes ipsa plus quam dubia, cum reliqui
omnes, atque ipse adeo Stephanus s. f^pyic
(ttöXic iv Aißuij . . TÖ deviKÖv TcpTiTTic, übe
Tflc A^TTTic A€tttIttic. [oötu)C Kai 6 91XÖ-
coq)oc KopvoOxoc ixpr\pi6LT\le AeTTxixiic,
Suid.
6eöq>pacxoc . . .
dTT* 'GpecoO, dKOucxfjc
*Apicxox^Xouc Kai bid-
boxoc xfic cxoXfic . .
oflxoc TTpöxcpov dKa-
Xctxo TöpxajLioc, bid
b^ xö 9€iujc q>pd2;€iv . .
^kX/jOti eöq)pacxoc . .
elxa 6€Öq)pacxoc
(Bohd. 565 n. 1).
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446
A. Daub:
Steph. Bjz.
quae verba Meinekius Beclnsit utpote ab hoc
locoaliena]) Cornutum Leptitanum per-
hibeant. Non dubium igitur quin haec aut ab
imperito glossatore illata sint, ant scriptor
in yitiosam codicem inciderit, in quo 6 ^ CT t c
scriptum erat pro A^irric'. Quarom yicissi-
tudinum altera evenisse mihi videtnr.
6(cßTi, TTÖXic Botuiriac . . Ic^riviac
bk 6 aöXnTfic 6ic߀uc txpr\\x6LT\le Kai 6
'6p€Tpi^u)v aöXiTrf|c 6ic߀iic.
eudicipa, TTÖXic Aubiac.TÖ dGviKÖv
9uaT€ipTivdc . . dq)* o\5 NiKavbpoc TpoM-
^aTlK6c
"lacoc, TTÖXic Kapiac . . 6 ttoXittic aö-
Tf\c 'laceuc, dq)' oß XoipiXoc fjv (sie scri-
bendum est pro dUJv; an forte dniKXiiv?)
laceuc.
'kpdiroXic . . TÖ iGviKÖv IcpaTroXirai,
d(p* oö NiKdviüp 6 v^oc "Omtipoc Ka\
TTöttXioc Kai Capatriuüv ctiwikoI Kai
dXXoi TrXeicToi 'UpairoXiTat (cf. Nie-
sium p. 29, 30; Bohdimn L 1. p. 562, n. 2).
C'IkOC, Vf\COC TtüV KuKXdbuiv, 7Tpoc€xf|c
tQ eußoiqL, 6 VTiciuüTiic "Ikioc kfpa\\fe hk
<|)avöbTi|Lioc iKiaKd. Cf.etiamgLr€Tla.)
''loc, vf\coc Tujv KuKXdbiüv, ÖOev fjv
'Om^ipou jniiTTip.
*lTtJKTl, TTÖXic AlßUTlC . . TÖ dOviKÖV
*lTUKaToc, dqp' oö Aiovucioc ö IxuKaioc
fiiZoTOfiiiKUiv irpdiTifi (tamen BY exhibent
^iZoTO|iiKÖc a'; hnc adnotat Meinekius: „an
^iZoTOjuiiKd [Tpdijiac]?*', id quod parum
duco probabile. Idem Dionysius laudator
ab Athen. XTV, p. 648, Schol. Nicandr.
Theriao. 620, Plin. H. N. 20, 3, 9).
KdXXaTic, TToXCxviov iv rfl TtapaXlcf
ToO TTövTou , . dcp' oö "Icxpoc KaXXa-
Tiavöc irepl TpaTH*bCac TP<iM^ttc KaXöv ßi-
ßXiov.
Kd^lpoc, TTÖXic dv Töbqi . • TTeicav-
bpoc 6 biacrmÖTaxoc TTOiriific Ka^i-
peöc fjv.
KaTTpCri, vflcoc IxaXiac . . X^TOvrai Kai
KaTTpiai . . dvreOeev fjv BXaicoc cttoüöo-
teXoiujv TTOinx^ic KaTTpidxric.
Suid.
XoipiXoc Cdjuiioc*
Tivfec (i e. Philon)
b* lac^a . . IcTO-
poOciv. (Cf. Naekü
Choer. p. 40 sq. , ßoh-
dium 1. 1. 569.)
(?q>acav "Oii^pov) *l^-
TT]V (tcv^cOai).
TTelcavbpoc TTci-
cuivoc . . Ka^eipaioc
dTTÖ *Pöbou, Kd^lpoc
ydp fjv TTÖXic Töbou
(Rohd. 665 n. l).
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De Snidae biograpbiooram origine et fide.
447
Steph. Byz.
Kapxn^^v, ^TlTpÖ7^oXlc Aißutic, bia-
CTlMOldTTl TTÖXlC . . fCTl bt Kai *ApMC-
viac Kapxri'><öv, die Eörpöiriöc q>Ticiv. 6
TToXiTTic ^Kapxribövioc cocpöc MdTWv'. xai
^KXciTÖjLiaxoc 6 Aiotvtjtou, 8c ^KaXeiTo
*Acbpoußac, 9tX6co<poc ÄKabimaiKÖc, bid-
boxoc Kapvcdboü tflc Kuprivaiou cxoXf|c,
8c KT] trwy dXGdbv 'AGrivare ÄMOipoc ^v
Ttüv TTpuiTuiv CToixeiuiv Kttl TttuTa ^avGdvttiv
i^Kpodcaro Kapvcdbou'.
Kacdvbpeia (^ant haec loco suomota
sunt; aatKaccdvbpciascripsit.' Meinekius),
TTÖXic Monceboviac . . TToccibiiriroc hk
KUi^^lbiac iroiiiTf|c utöc f)v Kuvickou Ka-
cavbp^uic.
K€TXP€a{, TTÖXic Tptijdboc, iv fj bi^-
Tptipev "Omtipoc fiavOdvuiv xd Kaid touc
Tpü&ac.
KoTideiov, TTÖXic ti^c dTriKxi^TOu <|)pu-
Tiac . * ?vGa fjv *AX^£avbpoc 6 'AckXh-
TTidbou TPOMMOTiKÖc, 7roXu|LiaG^cTaTOC xpn-
^ariZiuv, 8c trcpl iravTobaTrf]c öXtic Kb'
?TPOiip€ ßißXouc.
KoOpiov, iröXic Kuirpou . . xal 'Api-
CTOKXfJc Koupieuc fjv.
KpacTÖc, TTÖXic CiKcXiac Td»v Cixa-
vöv . . iK Tttunr^c fjv 'eTTlxap^oc 6 kw^i-
KÖc Kai Aatc f| draipo, die NcdvGtic iv Tilfi
TTcpl dvböHuiv dvbpOüv. ixei bfe f\ ttöXic
cötTpcTTCcrdrac T^vaiKac, die 0lX/j^ulv
(pro qno Niesiufi p. 31 nomen 0iXuiv pro-
posnit, haud sane probabiliter).
KubaGrivaiov, bf^jioc Tf\c TTavbiovi-
boc qpuXfJc . . ivT€uG€v fjv NiKOxdpric 6
KUI^lKÖC
KuGvoc vflcocKal KuGvioc.Kublac
(sie conrigas ex Eustathio ad Dion. 525,
KuGioc RV, KuGvioc A) 6 &UTpd9oc
K u M Ti y TTÖXic AioXiboc TTpÖ Tf\c A^cßou . .
Suid.
TT 0 C € { b l TT TT 0 C
Kaccavbpeuc, ulöc Ku-
viCKOU . . KUI^lKÖC.
*O^T]pOC . . Ol
}ikv . . fcpacav t^v^-
cGai CMupvaTov, ol
bk Xiov . . Ol b' U
Tpolac, dTTÖ xwpiou
K€TXP€*JL>v. In sin-
gulis Homeri vitis nnl-
lum hninsce rei vesti-
gium indagare potni.
Quo certius mihi vide-
tnr ex Philonis opere
illud fluxisse. Ceterum
Hesyohius Cenchreas
temere voeavit pa-
triam Homeri^ qua de
re cf. Rohdium 1. L
p. Ö69.
'GTTixapjLioc.
CupaKOUClOC f{ iK TTÖ-
Xeuic KpdcTou twv Ci-
KavOuv.
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448
A. Dftab:
Stepk Byz.
dvxeOGev fjv "Eqpopoc 6 IcxoptKÖc xal
'Hcioboc KuMOioi. £z Strabone (XTTT,
622) potius haec petita esse Niesio (p. 29,
not) yidentar.
Kuvöc Keq)aXai, X6q>oi (sie Meinek.
pro XÖ90C) Tfic 6eccaXiac . . . . f|v bt kqI
XU)piov Orißujv, &(p* oi TTivbapoc Aa\'-
(pdvTou Tiaic, BoidiTioc £k Kuvöc K€(pa-
XUÜV, ^eX(&V TTOlTlTi^C
Kupifjvn, TTÖXic Aißuiic . . ivreOGev fjv
*ep aro c6 ^ VTi c 'AtctKXtouc iraTc 6\cTopiKÖc.
KupToc, TTÖXic Alipiirrou . . ^k raOrric
Aiovucioc fjv bidcHMOC laTpöc, dirö Tf]C
TTttTpibOC, OÖK dlTÖ TOO ClÖjiaTOC KupTÖc
övo^aI6^€VOC, oi5 ^^^VT^Tal *€p^vvioc
<|)iXu)v iv tCD Trepl iaipÄv.
KlüC, TTÖXic Kai vf^coc Tf\C K^UI. TÖ
ieviKÖv K60C Ktti iicrdcei K^ioc, "üic xf^c
Tiijj T60C Ka\ T/iioc, Ka\ Ketoc bid bi-
cpOÖTTOu. Tflc bt Kw ^lovocuXXdßou Ki|ioc
Ka\ Kübioc, die Miv&oc. oötujc bk ^XPI"
^driZevlmroKpdTric Kai^EpaciCTpaToc
lorpoi. fjV bfe 'iTTTTOKpdTTlC TOIV KaXouji^-
vujv Neßpiböv N^ßpoc ydp ^T^vexo 6
biacrmöraToc töv *AcKXri7riabOuv, & kxxX f|
TTuOta dMapröpTicev, ou fviDcCbiKOC, fvuici-
biKOu bt 1inroKpdTr|C, Ka\ Alvcioc xai TTo-
baXeiptoc, 'iTTTTOicpdTouc 'HpaicXetbric, oi5
*lTnroKpdTTic 6 ^irKpav^craroc, 6 xal 6au-
Madac cuvrdEeic KaTaXeXomiOc.
AiiTri, iröXic MaKcboviac . . tö dGviKÖv
Anxaioc- oÖTuic ydp icTOpeirai N^apxoc
AnraToc, täv ^AXeEdvbptu tä ineYdXtfi cucrpa-
T€Uca]Li^vujv ö biacrifLiÖTaTOC, nbi dnas
Snid
"Ccpopoc (▼.
''Ccpiinroc) Kupaioc, et
s.'^CqpopocKuiyiatoc
Kai G€ÖIro^1roc (Bohd.
565 n. 1).
'Hcioboc Ku-
^aloc . .
TTivbapoc Gn-
ßaioc, CkottcXivou vX-
6cy Kard bi rivac Aal-
q>dvTOu, 8 Kat pdXXov
dXnWc (cf. Vit Find
a^ ap. Weaterm. p. 90,
1 sqq., et Vit Find. ß^.
ap. Westerm. p. 96,
82 sq., et Vit Find. t'.
ap. Westerm. p.98, 52).
'Eparocöcviic
*ATXaoO, Kupf)vatoc
'iTTTTOKpdTIlC
KuKK, iarpöc, 'Hpa-
KXeibou uWc . .
'iTTITOKpdTHC
rvuicibiKOu ulöc Kiw-
oc, TTorfip 'HpaKXctöa
ToO irarpöc liriTOKpd-
Touc, lorpöc Koi au-
t6c, toO t^vouc Ttiiv
'AcKXiimaburv. iorpt-
Kd (adi etiamHippocra-
tis vitam Soraneam).
8. '€pacicTpaToc
louXit^Tiic, dir' 'louXi-
boc TTÖXeuic K^U» TTIC
Yf\cov, xprwxariLei oöv
Kfjioc (Bohd. 566 11.1).
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De Snidae biographicomm origine et fide.
449
Steph. Byz.
glossas in unam coaluisse probabiliter sta-
tuit Meinekias.
AiiToOc, tröXic AItwtttou . . tö dOviKÖv
ATTTOTfoXiTiic- oCtujc fop TToXucTpOTOC
Kai ^AttoXXuüvioc 6 dpxotq>^u)c (sie libri;
Holstenius coni. äpxi€p€uc, quod Bohdio [1. 1.
p. 566*] merito diepKcuit) Xetö^evoc dva-
Tpd(p€Tai (nee MeineMo adsentior äva-
Tpä(pei conrigenti, quod Apollonins faerit
Aphrodisiensis — obstat enim vel ipse oon-
stans Btephani asus, cl p: 463, 21 ; 449, 18;
450, 6; 52, 9, qnod Wachsmnthiiis rectissi-
me monrnt — neque credo hnnc Apollonium
eundem esse quem Suidas s. 'A. 'Aq>pobicieuc
comnemorat. Praeterea cf. Gutschmidium
ad Sharpii histor. Aegjpi interpr. Qerm. ü,
p. 164 adnot. 1. Ac plane idem nanc censet
Rohdius 1. 1.).
[MavTUTi Ktti] MdvTua iröXic *Puj-
jLiaiuiv . . Tpdtpetai Kd Mdvxoua . . Ü
aurf^c fjv BepTiXioc 6 noiirrfic Mavrou-
TTic XPnMaTiZuJV.
Mdxaupoc, TTÖXic CiKcXiac. Cttici-
Xopoc, ۟q)l^^ou Traic, MataupTvoc t^-
voc, 6 Tuiv ^€XÄv Tioxryrfic
MeydXri ttöXic, ttöXic *ApKab(ac . .
dq>* f\c KepKibac fipicToc voinoe^Tiic, Ka\
^€Xld^ßuJv TTOinTTic, Kttl AlvTicCac trcpi-
TraTTynKÖc 6 ©ecKppdcTOu ^a6T|T/|C, Kai 'Ak€ -
cTÖbuipoc Tr€p\ nöXeiwv cuTT€Tpo<P^c, Kai
TToXvißioc T€ccapdKOVTa ßißXia Icroptac
(quod ipse adieci) TpdM^ac.
M^T<xpa, TTÖXic irepl töv IcOmöv . .
d«p* i&v Ö^OTVic 6 Tdc 7Tapaiv^C€ic Tpd-
i|iac.
Jahrb. f. oUis. FhUol. Snppl. Bd. XL
Suid.
Cxncixopoc €ö-
(pöpßouf|6u9f)|Liou..
TröX€UJC *ljLi^pac xf^c Ci-
KcXiac KttXeiTai toOv
'IjLiepaioc ol b* änö
Marauplac tf^c Iv
'iTaXiqi . . (Stepbanus
ait CiKcXiac, verum re-
cordandom est Siciliam
de Campania et inferio-
re parte Italiae aliquo-
tiens ab eodem nsur-
pari, cf . Meinekii notanl
ad Steph. s. Civöecca.)
TToXiißioc . . .
dTfö MeydXiic TTÖXeuic
Tflc *ApKabiac . . ou-
Toc ifpa\\ff, -rfiv iia-
Kpdv kiopiav 'PiüjLiai-
Kf|v iv ßißXiotc M .
(Rohd. 566 not. 1.)
(S^OTViG Mcya-
p€iic Tiöv iv CtKCXiCjl
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450
A. Daab:
Sieph. Byz.
M^b|LiTi, TTÖXic IxaXiac . . Ö9€V fjv Oi-
Xittttoc dEiöXoTOC dvf|p 6 Tiepl dv^iniDV
T€Tpct<pu»c
[MepMnccöc, TTÖXic Tpuüiiofi, dcp^f^c f\
'6pu6paia CißuXXa, cf. Niesium p.dO, sed
Tide nimo Maassinm 1. 1. 26, n. 63.
MeTaTTÖVTiov, ttöXic ItaXlacö iro-
XitiicMctottovtTvoc, dq)*oö0jXujv öauXri-
"rtic Ka\ iroiTiiYic.
MfiGü^va, nöXic iv A^cßqi Tfl vrjciji..
6 TToXiTTic MnOuMvaToc oÖTUic fdp dva-
TpdcpcTai '€x€KpaT{bTic irepiiraTTiTiKÖc,
*ApiCTOT^Xouc cuvf^Gric, Kai MupciXoc cuy-
Tpacpctjc Kttl *Ap{aJV xal dXXoi ttoXXoI
MriGujLivaioi.
MtiKÜßepva, TTÖXic TTaXXifiviic rf^c tv
6p<jiKij XepowTicou . . 6 ttoXCttic MriKußcp-
vaTocoÖTUJCTdpdvaTpd<p€Tai'HTilcnr.*
7T0C 6 Td TTaXXriviaKd cuvreraxwc Ka\
0iXuJvibr)C Kai ol dXXoi.
. MfjXoc, vf\coc jLiia twv KuKXdbuiv . .
6 TToXiTTic Aiayöpac 6 MifjXioc Kai [qpi-
Xöcoqpoc Kai (jicjudriuv, quibns verbis sat
probabiliter lacunamobBtnmtMeinekius Sni-
dam ducem secutus] irotr|Trjc, Kai CiUKpd-
TTic KaT* *ApiCTO<pdvTiv (sie vere idem emen-
davit quod volgo legitar Kai 'A.).
MicZa, TTÖXic MaKeboviac. . tö ^Gviköv
MieCeuc Kai MieCaToc oötwc ydp XPIM^t"
Tilei NiKdvuip, KaOd AoOkioc (cfr. tarnen
Niesium p. 29).
MiXtitoc, TTÖXic dm(pavf|c Iw Kaptf
Tiöv *laivu)v . . 6 TToXiTTic MiXiictoc. oönuc
Kai 6aXf]C (of, Niesiam p. 80) 'Öamiou
Traxpöc MiXrjcioc ixP^lMdriZe wxi OuikuXi-
bnc Kai TijLiöGeoc KiGapi|i56c, 8c dnoirice
vö|iU)v KiGapuibiKUJV ßißXouc ÖKTOüKaibeKa
elc i-rzvjv ÖKxaKicxiXiujv töv dpiGjiiöv, Kai
irpovö|Liia dXXuiv x{^i«(«*) — in Kbris P'RV
est *(f', quod in 'q' conrigendum esse
Buspicatur Wachsmathius — GvifjcKei b'
iv MaKCbovicji (quibns adnexum est epi-
gramma).
Möipou dcTia, [ttöXic] KiXiKiac . . 6
Suid.
McTopiüV, cf. Bern
hardynm ad Suid. 8.
h. Y., NietzscMum Mus.
Bh. n. XXn, 189 sq.,
Harpocr. s. etoifvic,
SchoL Fiat Legg. I,
p. 448.)
*A p ( u) V Mt|Gu-
^vaioc XupiKÖc (Bohd.
566 not 1).
Aiayöpac . . MVj-
Xioc, <piXöco(poc Kai
dc^dTUJV TTOiiTrt^c.
eaXf^c^SaMviou..
MiXl^cioc(Bohd.6660.
0UJKUX(bT]C MiX^-
cioc, q)iX6coq>oc(Bohd.
666^).— TiMÖGeoc.
MiXi^cioc XupiKÖc . .
iTeXeuTTicev ixdiv W,
Tpdvac bi*i7tüjv v6-
^0üc ^ouclKoOc iG',
irpooiMia X^ (irpovö-
fita ex Stephani verbis
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De Suidae biographicorum oiigine et fide.
451
Steph. Byz.
iroXiTiic Moi|I€6tt]C, . . dcp* oö 6 TP^MMa-
TiKÖc 'HpaKXetbric 6 MoipeäTnc.
[MuXaca, ttöXic Kapiac . . tö 49viköv
MuXac€uc ouTUiCYop dvaTp<S((pouci iroX-
Xoi, d)C M^vavbpoc KaTai|i€ubofi^vqj, —
quodqaidem testimoniam hnc vix referendum
esse videtor^ etiamsi Bohdius (L L 565, n. 2)
ceieris itain8erait,iitdvaTpä90VTat coni-
eeret et post vocem troXXoi lacunam sta-
taeret.]
Muvboc, iröXic Kaptac . . fjc tö dGvi-
KÖv Muvbioc Ka\ Muvbio. 'AiroXXuivioc
Kai Zrjvuiv Müvbioi tp^^MMO^tikoL
MupXeia, ttöXic BiGuviac, f| vOvXcto-
^^vr| *Air<i|Li€ia . . 6 TroXirTic MupXcavöc,
u)c *AcKXTiiridbTic MupXcavöc dvatpd-
<p€Tat.
NiKttia, TTÖXic BiGuvlac . . 6yb6r\ Qpcji-
Kr\c. €lc\ hk Kai dXXai f\ Txapä 6€pMOTn3Xac
Kai öpcjiKTiv . . ii ainf\c 1c(tovoc Kai
'A c K X T] TT i d 5 T] c Kai TT a p e ^ V i o c Kai
'AttoXXuivCötic Kai '6Tri9^pcTic TpajiMa-
TiKÖc, Tpdniac TTCpl X^Hcuiv drriKuiv Kai
Kiu)iiK<£)V Kai TpaTiKuiv (cf. Bohdinm 1. 1. 565
not. 2).
NiKOM/jbeta, iröXtc BiOuviac . . d£ fjc
'Apptav6c (cf. tarnen Niesium p. 29).
'OÖTICCÖC, TTÖXlC dV Tljl TTÖVTlfi . . 6
TToXinic 'ObncciTTic Kai ^Obricceuc. ixm-
\i6mloy bt *HpaKX€ibriclcTopiOTpd<pocKal
AfiMnTptoc 6 7T€pl Tflc Traxpiboc ipdipac.
OixaXia.. A1VOC..6 IcTopiKÖc Olxa-
Xturnic fjv (adi doctissimam Meinekii ad-
notationem).
'OXöqpuEoc, TTÖXic iv Qp4^ . . 6 ttoXi-
TT]C **HpöboToc 'OXo9u£ioc irepl vujiqpaiv
Kai 8€UiV Tpdi|iac' (cf. Meinekium ad h. gl.).
CTdTcipa, TTÖXic [MaKcboviac] . .
*ApiCTOTdXTlC CTaT€ip(Tiic.
Snid.
8. MiXiiTOC pamm pro-
babiliter Beinesius re-
stitoit, sed cf.Bobdioin
L 1.572 et not. 2; et
supra noB p. 429 et
n. 22,b).
*AcKXTiiridbTic . .
MupXeavöc (ttöXic b*
icTl Bi9uviac, f| vOv
*ATTd|i€ia KaXou^dvT^),
tö b' fivui9€V T^voc
fiv NiKa€uc . .
TTap9<vioc . . Ni-
Kacuc f{ MupXeavöc.
Cf. Meinekium Anal.
Alex. 256, Bohdinm
1. 1. 569, n. 2.
'Appiavöc NiKO-
inribeüc (Bohd. 565^).
*ApiCTOTdXTlC . •
Ik Cxcrreiptüv ttöXciwc
Tf)C dp^KHC, cf. tarnen
Vit. Axiflt. Ammon.
(BiOTp. p. 398): 'A.
T«j) pAv T^vei JJv Ma-
29*
d by
Google
452
A. Daub:
Steph. Byz.
Tdpac, TTÖXic 'ItaXiac . . 6 TroX{TT]c
TapavTivoc . . xai dv€TPÄ<pilcav oötui
TToXXol xpr\)xar\lovz€C, ^dXlCTa TT u Gay 6-
peioi xal 'ApicTÖSevoc ^ouciköc, 'Apt-
CTOTttouc TvÄpiMOC. Kai 'Pivöuiv Tapav-
Tivoc, 9Xua£, Tot TpoTiKd ^€Tappu6^iZu)v
de TÖ T€XoTov (p^povrai b' aJrroO bpd-
ILiaTa Xti'. Kai "Ikkoc 6 Tapavrivoc larpöc
im jfic ot öXujiiridboc. \kiyopi\ia\ toutou
Kai TTXdxuJV iv TTpuiTaTÖpcji (p. 285), cf.
Niesium p. 31.
Tdppa, TTÖXic Aubiac [dcp' fjc fjv Aeii-
Kioc 6 TP<KMMceTiK6c, quae verba seclusit
Meinekius]. ^T€pa KpiiTr|C.. AoOkioc V fjv
dtrö Tdppac xflc KpririKf^c ttöXcujc. qp^perai
bi TOUTOU Td irepi irapoi^iuiv xpia ßißXia
fipicTa Kai irepl TpoMfidTOJv Kai Texvmd
tXacpupuiTaTa — quam glossam Philoni ad-
signare cum Niesio (p. 29) non dubito.
T ^ u) c , TTÖXic 'luiviac . . tö dOviKÖv Tifjioc.
&Ti Tdp Tipurrov T^ioc koi Tcioc Kai iuivi-
Kuic Triioc. d<p* oö ^TTpiuTayöpac 6
T^ioc'. Kai CkuGTvoc id^ßuiv nonTtfic
Triioc.
Tfivoc, vficoc KuKXdc . . Ictx Kai tröXic
AaKiüviKTi, )xia toiv ^KaTÖv Tfjvoc Xcto-
|yi^VT|. 6 TTOXlTTlC TfjVlOC, Kai Td Gn^vKÖv
Tnvia, d<p* oö Kal^HpivvaTrivia iroiifJTpta.
Tißcpidc, irdXic Tf)c loubaiac . . ^k
TauTTic fjv loucTOC 6 Tdv loubaiKÖv irö-
X€^ov TÖv KaTd OuecrraciavoG Icropficac
Tpayia, vi^coc npöc tcTc KuKXdciv,
öGev fjv 9€0T€lTU)v 6 ircpiironiTiKÖc,
'ApiCTOT^Xouc Tvu^pi^oc.
TpdyiXoc, TTÖXic ^ia tiöv ^ttI ©piji-
KnC . . ^K TaUTTlC JjV *AcKXTlTTldbTlC 6 Xd
TpaT4ibou^€va Tpdiiiac bi ^ ßißXioic.
Tpqidc, f| x^wpa toO IXfou . . dvTcGGcv
ijv Kai 'HtncidvaE TPOMMaTiKÖc, ypdiiiac
TT€pl Ti^c ArmoKpiTou \ilt\xK ßißXiov Sv
Kai TTCpl TTOHlTlKdlV X^{€UIV.
Suid.
Kebidv, TTÖXeuic bt Cia-
tetpiüv.
Cf. 8. 'AplCTÖEC-
voc et 8. 'Apxwxac,
q>iXöcoq>oc TTuGoro-
piKÖc
*ApiCTÖH€V0C . .
dTTÖ TdpavTOC Tf|c
IxaXiac. .dKOüCTf|c..
T^XOC *ApiCTOTÄ0UC
(Rohd. 565 not l).
*PivGuiv TapQVTi-
VOC, KW)llKÖC,äpXTlT^
Tflc KaXou^^VT)c iXa-
pOTpaytubiac, 8 icn
q)XuaKOTpa<pia. bpd-
ysna V auTou xuifiiKd
xpaxiKd Xti'.
TTpuiTaTÖpac
*AßbTiplTT|c . . Tivic (i.
e. Philo) b* aÖTÖv Kcn
T/jiov avi-x^io^av (cf.
Eudoc.).
''HpivvaT€to(for-
tasse Stepbano dnce
Tr)Vta conrigendnm
OBt) f[ Accßia, iK b'
dXXoi TT^xia
(Olossa Soidiana s.
'loOcToc Tiß. ex So-
phronio petita est, cf.
RobdiumL1.564,n.2.)
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De Saidae biographieomm origine et fide.
453
Steph. Byz.
Tbp^a, vfjcoc Trpdc t^ TpoiZi^vi . . tö
dOviKÖv Tbpedrric* oötu) top ^XP^^aötiZcv
€udTnc Tbpcdnic KuijüHfibiac ttoitit/ic, übe
A i o V u c 1 0 c (cf.Niesium p.3 1, 0.Schneiderum
Callun. n 31, Meinekium Eist. crit. com.
Gr. p. 16, 608) €lKOcn|> rpiTiji iflc ^ouci-
Krjc kToptac. ?iv b' 6 6u<iTTic Tio\}if\v Tic
ärp^MpaTOC biiXabfl xai Tf\c Sk\r\Q iraibetac
fiireipoc, TtoiTiific b* ÄTaGöc Kwmpbid&v.
'YXXdpiMtt, TToXixviov Kapiac . . öGev
fjv 'iepoKXf)c 6 dnö deXriceiuv iiA cpiXo-
cocpiav dxOeiCy quanquam dubium est haeci-
ne glossa e Fhilonis opere proflaxerit, cf.
Niesium p. 28, 29.
<t>dXavva. .&Ti xal Ir^pct (ttöXic) KpVj-
TTic, d<p' f)cfiv0avidbr|c ö TrepmaniTiKdc.
4)dciiXic, TTÖXic TTa|Liq)uXiac . . 6€0-
bcKTric fjv T^voc OacriXiTTic, ulöc 'Api-
crdvbpou, xdXXci biaqp^puiv,* 8c inoi^ce
TpaTi})biac v' Kai ^nTopiKdc rexvac Km Xö-
Touc ^TiTOpiKOuc ÄTrarv Kai (in qua vocula
cod. IL servata yerstinni numerum latere
(k) Meinekios saspicatur; aliter sensit Bnbn-
kemus [Bist, crit orat Gr. p. 83] in dTTiöv
orationam nnmerum inesse existamans.
Nnperrime vero Bohdins (1. L p. 567) in *Kai'
numerum ß,ai' latere et vocem ^irri (i.e.CTixoi
— BecU hanc significationem propter numeri
ß,ai' naturam hac yiz quadrare ex Wachs-
muthii disputatione [Mus. Rh. n. XXXIY,
481 sq.] elucet — ) Fhilonea ab Hesychio
perperam intellecta in *fi^Tpov' (et Suid.
^v jui^Tpifi) mutatam esse coniecii Quae
opinio quamyis subtiliter excogitata displicet;
nam Terba Suidiana dv fi^Tpu) sana esse
vel oppositio (fiXXa Tivd KaraXoYdbTiv)
planissime ostendit, neque cum Maerckero
(de Theodect 66) in Tiepl fi^TpuiV conrigenda
sunt. Verum m fallor Stephani emendatio a
Suidae yerbis repetenda est: removeamus
ante omnia ^KaP uno codice serratum,
utpote illud ex prioribus falso repetitum,
deinde inseramus bi^ante^iTUüv(bi* dTicbv);
iam omnia apte procedunt (cf. e. g. Suid. s.
TTapiievibTic). dn^eave b' 'Aeiivrici, Ka\ ^tti-
Suid.
eeob^KTTic 'Api-
cidvbpou OacnXiTTic
iK AuKiac, ^HTUip,
. . bpdjLiata b' dbibaEe
V. TeXcutqlb'dv'AGri-
vaic . . ^TPav« bk Kttl
T^XVTiv ^r|TopiKf|v iy
jLi^Tpif) Ka\ dXXa Tivd
KaTaXoTdbT]v.
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Snid.
Ti^ujv <l>Xidcioc..
6 TP<ScM'Oic Touc KoXou-
fi^vouc dXXouc fjToi
qiÖTOUc TÄv q>tXoc6-
<puiv ßißXia t'.
454 A. Daub:
Steph. Bjz.
T^TPCtTrrai bi (add. R.) auT(p dXcTeiov (quod
iam sequitur).
0iXiKiroi, iröXic MaKcboviac . . fvOcv
i^v^AbpacToc 6 irepwraTTiTiKÖc q)iXöco<poc,
'ApiCTOT^Xouc fiaeiiTfic.
0XioOc, TtöXic TTeXoTtowricou . . xai
Ti^uiv ö TTcpi ciXXwv TCTP0tq>uic 0Xidcioc
Bern in medio relinquo de glossa s. y.
Xrjv, quam ex Platon. Protag. p. 343 Ste-
phanum ipsom delibasse perprobabile est.
Ex homm iestimonioinim numero ea exemi, quae yel propter
tempomm rationes Philoni vindicari Deqneant (s. f^a, *£v€Toi,
Tapcoc, Tacic, 0€V^ß?ieic, cf. Niesiam 1. 1. p. 28, 29) , vel alinnde
(s. 'Accöc,***) 1ouX(c, Kapüavba, B^pTn ex Starabone Xm p. 610,
X p. 486, XIV p. 658, II p. 102, 104, cf. Niedom p. 29; sire ex
Piatone (Protag, 343) b. *Htic et Xi^v — aliter saue Niesius indicavit)
petita, yel fabnlanun caligine obducta a Philonis opere aliena simt
(cf. Niesixim p. 30, s. ''69upc^ KuTii, NdpuH).
Cetera yero exempla magnopere adangerentur, nisi Stepbaoi
opus miBemm in modum laceratum excerptumqne aetatem tolisset
Einsdemque culpa excerptoris factum est, ut Philonis scriptionis
reliquiae tarn mutila condicione ad nos peryenerint. At tarnen
omnia yestigia non prorsus eyanuere: quae si sedulo conlegerimus,
imaginem quandam operis illius mente informare poterimus. Qoan-
quam Niesius (p. 30) qualem rationem in hominum inlustrium re-
censu Philo ingressus sit sese ignorare confessus est. «
Ad litterarum autem ordinem recensentnr homines hice —
plurima exempla iam Niesius (p. 30) conposuit — :
s. "Aßbiipa* 7rX€iCT0i b* 'Aßbiipixai vrcö rarv 7nvaK0Tp<iq>tJV
dvaTpd90VTai, iViKaiveTOC . . xai JIpurraTÖpac, ubi illius ordinis
pinacographorum auctoritate confirmati (cf. Niesiam p. 31 fin. 32) ye-
stigia seryata sunt; sed noluit ille excerptor omnia nomina describere
(cf. G. Boeperum 1. s. c. p. 5).
s. *AvTiöx€ia (!^7roXXo<pdviic — *apvoOxoc), s. T^paca
(!^p(cTUiV, ÜTripuKOC, nXdruiv, qui omnes ad rhetorum pertinent genus,
cf. etiam Bohdium 1. L 565'), s. "UpdiroXic (iViKdvuip, iZÖTiXtoc,
UafKimiJjy, quorum primus grammaticus, ceteri philosophi eique
stoici sunt), s. KpacTÖc (Emxap^ioCj AdÜc^ nisi forte casu hicordo
prodiit, yid. Niesium p. 21), s. Ku^t] (""fkpopoc — 'ifdoboc), s. Mn*
Ku߀pva (Iffr\cmrcoc kqi ©iXujvibiic Kai oi fiXXoi), s. Muvboc
^**) Quod non adtendit Bohdius (1. 1. 570), qui ne id quidem mihi
persuant Heiychinm in gl KXcdvOnc yerba fioOT)Tf|C -— CcX^uic ex Philooe
hauuue.
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De Snidae biographiconun origiDe et fide. 455
('^TToXXaivioc Kai Zrivwv TPCtMMCtTiKoi), s. Tdiwc (JJpuDraTÖpac —
ZkuOTvoc, quorum alter coq)iCTric, alter Idjüißujv noxr]Ti\c erat).
Tarnen aliis locis hnnc ordinem esse relictum Niesins monuit
(p. 30), ut Ulis rix quicquam tribui posset. Sed panlulom circum-
spiciamus. Snb y. 'AcKdXiDV primum recensentur q)iXöco90i (inter
qnoB stoici), dein grammatici, tum historici, e quibus '^TToXXtiivioc,
ldfpTefii5u)poc Ka\ fiXXoi nominantur. lam si quid video hoc exem-
plam divisionem ex litteramm generibns ac singolornm historicorum
recensionem xaxä croixcTov adomatam evidenter prodit. Porro s.
Mct^XtittöXic primnm poetam, deinde philosophnm peripateticum,
tum duos bistoricos ('^KeCTÖbuipoc, iJoXOßioc) ex litteramm serie
digestos cemimns. Tum s. MrjOuMVa primo loco enumerantur
q)iX6coq)oc TrepiTraTr)TiKÖc et cuTTpoi<peuc, secundo poetae ('^piwv
Kat etXXoi TToXXol Mii6u^vaToi, quae yerba ordinem indicant alpha-
beticum); s. MiXriToc primum 6aXtic et 0uiKuXibr)C (9iXöcoq)oi),
dein Tt^öOeoc ItiOapqiböc; s. Tdpac denique primum philosophi
Pjthagorici et Aristoxenus musicus, post eum Bhinthon q>\vai, At
8. NiKaia certum disponendi consilium desideravi.^^)
Ex quibus indiciis id saltem effici posse yidetur, ut Philo claro-
mm hominum nomina in Universum secundum gener a litteramm
recensuerit, singulorum autem generum homines ipsos ex alpha-
betico fere ordine enumeraverit, quamvis non ubique hanc con-
suetudinem anxie secutus esse nee omnino bis in rebus certam sibi
legem inposuisse videatur. Porro etiam id cogitare licebit Philonem
ordinem in fontibus^^^) suis servatum modo retinuisse modo proprium
instaurasse. Sed haeo omnia ne penitus cognoscamus lacera ^ethni-
comm' condicione inpedimur.
Adcurate deinde significatur, generi cui quibusve generibus littera-
ram singuli homines dediti fnerint, ac saepius etiam de vita eorum ipsa,
de praeceptoribus discipulisque paulo uberius agitur (cf. s. y. fdpaca,
RpTic, Auppdxiov, "epecoc, Kapxn^^v, Kacdvbpeia, Korideiov,
Kiivöc Keq)aXai, (Kup/jvn), Kuproc, Kwc, Mi^eu^va, Tbp^ct, OdcnXic
(ubi copiosissima de Theodecte memcnia profunditur), 0iXiTnrot);
45 b^ Nee Bohdiam disponendi raüo latnit in gl. 'AacdXwv, lepdiroXtc,
M€T<&Xti iTÖXtc (1. 1. 666, n. 2); pamm tarnen credibile intra divisionem
ex litteraram generibus institutam interdum regnasse ordinem chrono-
logicnm, velut s. 'AacdXuüv in grammaticormn et philosophomm recensn,
quem ad tempora digerere difficillimum est. Cetemm idem recte animad-
yertisae videtar epitomatorem aliquotiens unam tantnm classem auctormn
a Stephano enumeratorom transscripsisse. — *^^) De quibus enucleatius
dispntare huc non adtinet: quare pauca delibaase sufficiat. Praeter
Neanthem (irepl ^N^Eurv dvbpuL)v, cf. s. Kpacröc), Demetrium Msbgnetem,
Hermippum Callimacheum (in philoaophorum vitis panlo lar^ioribus),
pinacographorum potissimum opera ad suum usum prorsus adposita Philo
dili^nter consulmsse videtnr, qua re perpensa notationum eins aucto-
ritns fideaqne band mediocriter augetur, cf. b. "Aßbiipa, Mf)Ou|üiva, al.
(vid. ITiesium p. 31 fin. 32).
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456 A. Dftub: /
denique — id quod non praetereondum est — multis hominibus breyes
plerumque tabulas librorum numero saepius adposito subiunctas
videmus*^^) (s. 'AXeHAvbpeia, ^AvdZapßa, 'Avriöxem, 'AcxdXujv,
"Axvai, Batri, Auppäxiov, KdXXaTic, KoTideiov, MetaXi] iröXic,
M^TCipo» M^b^n» M?iKu߀pva, MiXtitoc, NiKaia, 'OXöcpuHoc, Tdpac,
Tdppa, Ti߀pidCy TpdxiXoc, Tp({)dc (de scriptiB Hegesianactis),
OdCTiXic (de Theodecteis), 0Xioöc).
Haec de Phüonis operis indole ac ratione saus dicta sunto.
Illud yero quatenus Hesychius in sunm usum converterit, testimonio-
mm 8upra conlectorum docet conspectus, quanquam, at ingenae
fatear, hinc ad rem ipsam confirmandam multom fructns percipi
nequit (cf. inprimis Bohdium 1. L 564 sq.). Sed largiorem doctrinae
Philoneae copiam in Suidae biographicis ineese certissimum est.
Yelut in singulorum hominum clarorum patriae nominibus, de qui-
bus iudicium persaepe erat ambiguum^ ab Hesychio Philonis libri
plerumque adbibiti esse videntur. Qua quidem via etiam has illas
de vita scriptisque auctorum notitias in ^Onomatologum' inmigrasse
credere par est (cf. s. 'Piv6uiv, Oeob^KTTic, Tijmuiv). Nee dubito ad
eandem Philonis scriptionem referre quae de patria distincte pro-
feruntur s. Cijiiwvibtic ^A^opT., 'Piavöc, '6mKOupoc, TTeicavbpoc,
'epadcTpaToc, 'iKTroKpdTiic fviucibiKOu, *AcKXrimdbiic; itemque inter
diversa de patria testimonia ex Philone utique hauserit Hesychius
ea quae Phüonea esse ex Stephane Byzauüo supra adparuit^^*^), s.
TTpuiTaTÖpac (rivfec b' aöröv dvetpa^iav . .), T^piravbpoc, 'Hcioboc,
'Piavöc, CißuXXa, XoipiXoc (tivfec b' lac^a . . icTopoOcivl "Omtipoc,
^enixcipMOC, TTivbapoc, Ctncixopoc (o\ b* diiö Mataupiac;, 6^otvic,
SaXf^c, TTapG^vioc, 'ApiCTOT^Xric, "Hpivva Praeterea autem indidem
promanasse notationes geographicas patriae nomini aliquotiens ad-
nexas cum veri simillimum sit (cf. Bohdium 1. L 571), tum luculenter
oonprobatur testimonio quod extat s. 'AcKXr)Tndbiic MupXeavöc,
(ttöXic b*dcTi BiGuviaq f| vvv 'Aird^eia KaXou|i^VT}), quae quidem
verba mire concinunt cum Stephane s. MupXeia, ttöXic BiOuviac,
f| vvv XcTOM^vii 'A7rdjui€ia. Etenim illud vOv*®) ab utroque pariter
adhibitum priscum auctorem nempe Philonem manifeste arguit.
Exempla autem consignavi haece : s. "Hpivva (Tf]Xoc b* icix VTicibiov
^fid) Multa eiuB generis exempla Bohdiuf quoqne conlegit (L 1. 572),
minime vero omnia. — ^^®) Pleraqae, non omnia exempla eonmeravit
etiam Bohdius (L 1. 668, 669). — ^") Cf. de hoias vocnlae usu Volk-
xnannnm (I, 7; lH, p. lY), qoi addere debebat gl. b. OpacO|iiaxoc . . 6c
irpdrroc . . t6v vvv xf^c l>r]Top\Kf\c xp^ov €lcTiTif|caTO, quae verba Aristo-
telis vel Theophraati auctoritatem redolent (cf. Blasaium Att. Bereds. 1, 246
et n. 4 ; III, 1. p. 2, not. 1). Nee praetereundum videtar, quod s. CißuXXa
'AiröXXwvoc dicitur: . . 'EpuOpala irapd t6 T6x6»^vai 4v xu'P^H' tuiv *€pu6purv,
Ö TTpocTiTopcOtTo BdTot, vOv b* aÖTÖ t6 xuipiov. . irpocaTopct^erai '€pu6pa{,
et 8. 'Apicxelfeiic 'Afepioveüc* . . *A5piavol bä ttöXic MucCac, xf^c vvv BiOu-
viac, utrumque nescio an a Philone repetendnm: qua tamen in re nil
adfert auxilii Stephanus.
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De Suidae biographiconim origine et fide. 457
dTTuc Kvibou), *Opq)€uc Aeißnepiuv twv iv 9p<jiKij (iröXic h' iciiv
\mö rfji TTiepiqi), ac ßimiliter s. TTeicavbpoc TTeiciwvoc, 'Piavöc, "Apa-
Toc CoXeuc, BttKXuXibric (KeToc, ättö K^u) rflc vricou, ttöXciuc b*
*louXiboc' fx^i Tctp iTÖXeic b\ '/ouXiba, JJTapGaiav, JTopecciav,
Jloiifieccav, cf. Steph. s. louXic), G^tvic, Aäcoc, Cijutuivibnc *Amopt.,
CiMU)vibiic 'louXirJTTic, Ctncixopoc, T^piravbpoc; *AXäavbpoc Alxui-
Xöc, G^cmc, CuiciOeoc; MdTvnc, 'eirixopfioc ; ^AxouciXaoc, 'Avri-
narpoc, AafidcTTic, Kpixwv TTiepuJ&Tiic, CkuXoE; 'Avricpwv, *ApiCT€i-
biic, ZujtXoc (of. Rohdium 571, n.2), Gpacujuaxoc, KeKiXioc, TToX^fiiDV,
TTpöbiKOC, 'AcKXTiTtidbiic MupX., 'HpaKX^wv, 'AXKibdfiac, Ar\\xf\Tp\oc
0aXrip€uc, AiKQiapxoc, 'CmKOupoc, EÖKXeibTic, Zi^vuiv . . Kmeiic,
KopvoOroc, 0ep€Kubr|<^, '6pac(cTpaT0C. Denique ut unum adiciain
in singnlis de patria aUcuius opinionibus saepe diversissimis ne Philo-
neam quidem deesse credo, quam tarnen ipsam eruere raro continget,
velut s. OiXicTiujv TTpoucaeuc, f\ ibc OiXuJv Capbiavöc, ubi Philo
ipse laudatnr (of. praeterea Bohdinm 1. 1. 568, 1; at J. Hilbergii de
hac Suidae notatione disputatiunculam in ^Epist. crit. ad J. Vahleuum
. . de nonnulL loc. Script. Graec/ . . Vindob. 1877 adire mihi non
licuit), Nixavbpoc, 'ÖXriv (ubi haec Philoni debentur: fiäXXov bfe
AuKioc d7r6 Edveou, d)c bnXoi KaXXijüiaxoc xai 6 TToXuicTWp iv
ToTc 7r€pi AuKiac), ATcuiTioc, MijiivepMOC, *AvTi(pdvT]C, *ApicToq)dviic,
AeivöXoxoc, eeÖKpiTOC, ''IcTpoc, <t)uXapxoc, Kdcruip, TifiaT^vric,
"Aßpwv, TToceibuivioc, XpücnriToc.
Caput VI.
De Aselepiadis Hyrleani in vitis graiimiaticoriim auctoritate
adieetis quaestiuncnlis de oratomm et historieonim
libronim tabulis.
Primarium igitur ac splendidum Hesychii auctorem in vitis ora-
torum sophistarum grammaticorum medicorum nee non historieonim
philosophorum, eorum potissimum qui a primo a. Chr. saeculo ex-*
eunte usque ad imperium Hadriani inclaruerunt ratione et via in-
vestigasse nobis videmur. Sed ni fallit opinio, grammcfHcarum qui
ante AugtJksti aetatem ftoruere notationes achter examinanti non minus
indagare fontem continget. Sic hasce vitas intentius considerare
lubet: s. 'Apicrapxoc, 'ApiCToq)dviic BuZdvTioc, *epoTO-
cO^VTic, ZnvöboToc *6q)^cioc, KaXXijiaxoc, TTToXc^aioc 6
'eTTiGeTTic, TTToXejüiaToc TTivbapCwv, Kpdrric MaXXi(iTr)c,
quibus eiemplis adlego haece: s. 'AX^Eavbpoc 6 MiX/jcioc, 'A^-
^u)Vtoc, 'AnoXXöbuipoc xpaMMOTiKÖc, *AcKXiiTridb?ic Mup-
X€av6c*^) (t^tovc b' kvX toO *ATTdXou Ka\ 6u|ndvouc . .), 'AX^-
Eavbpoc AItwXöc (. . tPöMMOITIKöc, sed quae insecuntur oötoc
^^) Suidae socordia dnas glossas in unam temere conflatas esse pridem
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458 A. Danb:
Kai TpaTipbiac ^TpotMiev . . aliimde certe deprompta sunt), Aaq)(-
öac, AriMnTpioc IgCwv (cf. Rohdium 1, 1. 168, n. 6), Aibujioc
XaXK^VT€poc (cf. eimdem p. 218, n. 2), Aixafapxoc AaKebai-
^övioc, Aiovucioc 6pqiH, 'EKaTaioc 'AßbriptTr^c (9iX6co<poc:,
8c iTr€KXi^0Ti Ktti KpiTiKÖc TpOMjuiaTiKdc), eöcpopiiüv, ZnvöbOTOC
'AXeEavSpeuc, Autkcuc Cdjuioc, MapcOac (pvroq b' fjv Tipö-
Tcpov Tpct|Li|iaTobibäcKaXoc — ^TPOM^O» Möcxoc (TpawuctTiKÖc,
'Apicxdpxou Yvdipi|Lioc), NiKavöpoc (fijuia Tpo|bi|naTiK6c T€ xai
Troi?Trf|c Kai larpöc), 'Piavöc (ovroq b' fjv . . boOXoc, öcrepov bk
. . ^T^veTo TPCt|Li)LiaTiKÖc, cuTXPOVoc 'CpaTocG^vouc), Cwcißioc Ad-
KUiV, Tpuq)U)v**), Tupavviwv (6 Trpecßurepoc — ceterum cf.nimc
Dielsiom Doxogr. Gr. BeroL 1879, p. 216, n. 3), quae qnidem
notationes (inde ab 'AX^Havöpoc 6 MiX.) pristinam Tibertatem par-
tim abmisisse Suidaeque culpa in brevius contractae esse videntnr.
Tarnen in ceteris fere omnibus sedulo denotatur, quem patrem scriptor
aliquis habuerit (quin etiam quo munere pater functus sit, yid. s.
'ApiCT09dvnc), ubi natus atque versatus sit, cuius filiam in matri-
monium duxerit (yid. s. KaXXijLiaxoc), quorum discipulus qucHjue
tempore fuerit, quibuscum una floruerit, quo sub regö sive regibus
yixerit (qui si Ptolemaei sunt, quotus Ptolemaeorum regum faerit
significatur), saepius etiam quando vixerit, qua oljmpiade natus sit,
qua mortem obierit, quäle munus gesserit, quem in hoc munere suc-
cessorem habuerit (qua in re inprimis bibliothecae praefectorum
intellectum est, cf. Lehrsium Herodiani scripta tria emend. 429 sq., G. Wacfas-
muthium de Gratet. Mall. 6, Bohdiom Mas. Eh. n. XXXIII, 173, n. 4, qui
qnidem duoB Asclepiadis nomine gremmaticOB ambo Myrleanos eztitisBe,
secundo altemm, alterum primo a. Ghr. saeculo, quamvia sa^aoiter tarnen
panim probabiliter coniecit. At nnperrime ipse hac opimone non iam
prorsuB conprobata (Mas. Rh. n. XXXI V, 571, n. 1) Asclepiadem Myrlea-
num ('AckX. MupX. . . KaXou)i^vii, et ^ira{5€UC€ . . ficrdXou) et Nicaennm
(cf. TÖ b* dvuiOev T^oc f\y NiKaeiüc, cui ceteras glossae particnlas ad-
tribuit) ab Heaychio confuBos esse statait. Sed nefas esBe Tidetor a
^eterifl verbis divellere notitiam tö y dvuüOev t^voc f^v NixaeOc, TPC^MM-
(fia6. 'AiroXX.), atpote quae cum illis artisBime cohaereat (cf. etiam b.
TTap64vtoc, NixacOc f\ MupXeavöc, et nos Bupra p. 451). Duos certe öjiu)-
vOfiouc HeBychiuB confudit, quorum alter qniB faerit ezpiscari vix unquam
continget. Myrleano autem haec yindico: 'AckX. — "AiroXXwvCou. ivai-
5€UC€ ök xai (quibuB verbiB Hes. alteriuB memoria interposita ad priorem
redit, cf. infra p. 478 Bq.) — jucrdXou. ?TPOM'€ iroXXd; rehcua — de quibuB
RohdiuB acute diBputayit — conyeniunt alter! ABclepiadi eique ignoto. —
*•) TCTOVüic KOTÄ ToOc ACrfoiicTou xp^vouc Kol irpÖTCpov. Bed multo
ante Augustum floruit Tryphon, vid. A. de VelBcn Ttyphon. AI. Fragm.
(Ber. 1853), p. 1. 2, Bohdium 1. 1. 168, n. 6. Geterum nescio an hoc
indicio (ct. etiam b. *A|ui|uiiijvioc . . up6 toO jnovapxi^cat t6v AÖtouctov,
et B. AC.bufioc XoXk. . . Y€TOvd)C Itz* "AvtujvCou koI KtK^purvoc xai €uic
Aöyoiicrou, cf. Rohdium p. 218, n. 2) eyidenter oonprobetur in tali auctore
DOB yersari qui opuB Buum ad Augusti tempora nee ultra perduxerit.
Nihil aliud vero de Mb grammaticis enarrarat niBi Bui ipsiuB obbc ae-
qualcB ; floruerant igitur ante AuguBti imperium, quo UBque illiuB auctoris
opus pertinuit
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De Suidae biographieomm origine et fide. 459
rationem habiiam esse patet), qui fOii ei faerint, quae {lata siiigulonmi
yita perpessa sit, similiave. Nonne igitur hormn plerumqae ditissi-
moram testimoniomm ratio et indoles — nee deniqne id obliviscen-
dum est in bis omnibus regnare sermonis continuitatem ac genus
dicendi mire concinnum — imperiose tanquam flagitat, ut a conmnni
et proprio repetantur anctore? Qois vero hie faerit si anqnirimus,
etiamsi non prorsus certo extrave omnem dnbitationem evincere
poterimns, attamen summa cum probabilitate aactorem indagare,
opinor, continget. Scripsit nimirum Äsclqnades Myrleanus^ quem
primo a. Cbr. saeculo floruisse et certe ante annum septuagesimum
natum esse Lehrsii acumine perspectum est (Herodiani scripta tria em.^
a. 1848, p. 428 sq.), amplissimum opus xeQl yQafifiarixdiv , cuius
memoriam Suidas ipse serravit bis locis: s. TToX^^uiV.. \cto-
piKÖc . • Kord b* 'AcKXriTTidbiiv töv MupXeavöv cuvexpövicev 'Api-
CToq)dvei t(^ fpaixiiaJxwSjt^^); dein sextus *grammaticorum' über ipse
citatur s. *0p9€Öc KpOTuividTiic , . 8v TTcicicTpdxi}) cuvetvai rq)
Tupdtwtj; 'AcKXiiTridbiic q)?ic\v tv rtp ^ ßißXiui täv TpctUMa-
TiKUUV; videtur enim et illos quomm opera in disponendis Homeri
carminibus Pisistratus utebatur inter grammaticos rettulisse (cf. Lehr-
sium dissert. de voc. q>iX6XoTOC, TPOC^MOiTtKÖc, KpiTiKÖc, in Herod. scr.
tr. p. 398)'^); denique ^grammaticorum' undecimum librum laudavit
vitae Arateae enarrator (Westerm. BiOTp. p. 52, 5): *AcKXiiTrid-
biic bi 6 MupXeavöc iv Ttfi la' trcpi TPanjiaTiKwv Tapda
q)T]ctv auTÖv T^TOV^vai, dXX' ou CoX^a KaXXi)üidxou . . CoX^a X^-
TOVTOC (ceterum Hesychius in patria Arati denotanda alium aucto-
rem [Philonem Bjblium?] secutus esse videtur).
lam yero hanc meam de Asclepiade opinionem haud mediocriter
folsit Wachsmuthius bis tribus nixus argumentis: primum nimirum
apud Suidam Crates ^iTreKX/jön 'O^npixöc Ka\ KpiTiKÖc bid Tf|v ..
TTcpi Touc Tpo)Li|biaTiKOuc . . Xötouc aÖTOÖ imczac\y\ idemque
nancupatur 6 KpiTiKÖC apud Asclepiadem Mjrleanum (Athen. XI,
490 e); dein Dionysius Thrax Bhodi artem professus esse narratur
apud Suidam s. AiovOcioc et s. Tupawiwv, paritefque apud Ascle-
piadem (Athen. XI, 489 a). Quo accedit tertium, quod praeter Ascle-
piadis scriptionem nuUam novimus singularem grammaticorum histo-
riam: nee minus sententiae nostrae favet quod Asclepiadem in
significanda hominis litterati aetate aequalium rationem habuisse
^*) Hoo testimonium ab eodem opere repetere non dubito (cf. Lehraium 1. 1.
436); quaeritur tamen nam Asclepiades de Polemone historico iUic seorsum
egerit (id quod censet Prellems Polem. Fragm. p. 7. 8). Quod parnm veri
gimile est; opinor potius illum in Aristophanis Tita enarranda Polemonis
tanquam huias aequalis mentionem fecisse. — Sed plane me fiigit unde
Prelienu noTerit Asolepiadis opus^prammaticonim et poetamm memoriam
esse conplexnm? An tale quid effeoit ex yerbis 8. *Op(p€i!ic (ap. Suid.)?
Qua in re absque dubio erravit. — *°) Eodem iuA id cogitare licebii,
Asclepiadem cum de Pisistrati curia Homericis dissereret Orphei (in trans-
carsu) iniecisse memoriam.
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460 A. Danb:
cemimus. Ad huiüs igitur libnuu Tr€pi TPOtMMC^'^^KUJV notationes
supra exhibitas omnes redire haad ita temere statuere nobis videmur;
id unum certe non conpertum habemus, ipsene Hesychius opoB illud
adhibuerit an per aliam auctorem singalas narrationes acoeperit.
Ab eodem porro auctore tabulae librorum repetendae videntur,
quippe cui bibliothecaruxa usam et irivaxac integros vel catalogos
operum ab ipsis soriptoribus confectoB — nam tales extitisse Ori
Milesii docet exemplum, cf. Said. s. ^Qpoc 'AXeSavbpeuc . . £tP<xM'€ . .
KtvaKa Twv ^auToC; praeterea vide sis Bitschelium Opusc. phil.
I, 592 sq., üeenerum Anal. Theophr. 24 — patuisse veri sunillimum
sit. Quanqnam vero Saidas in librorum numero ingenti enotando
totiens adquievit, dubitari nequit quin fontes eins plenissimas ex-
hibuerint tabulas (cf. s. *ApicTapxoc . . X^T^xai bi TP<iM'<3(i öirtp
ui' ßißXia utro^\nmdTU)V fiövwv; s. 'Apicroqxiviic . . cuTTP<iM^ctTa
aÖToO Tidvu TtoXXd; s. 'AXeHavbpoc . . ßißXia dpiOMOÖ Kpeirrui;
s. Aibufioc . . q)adv auröv cuTT€Tpa<ptvai unfep id ,f(p' ßißXia;
cf. etiam s. KaXXifLiaxoc et s. Aiovucioc Qpql). At tabulae qnae
servatae sunt quantumvis non plenae (s. '€paToc6^VTic, Ziivöboxoc
*AX€Eavbp€uc, AimrJTpioc IJiiuv, KoXXijuiaxoc, Tpuqjwv, TTToXefiaToc
TTivbapiuJV, aJ.), talem produnt indolem ut ex limpidis fontibus non
fluxisse nequeant. Yelut Eratosthenis operum tabulam Suidae
pigritia magnopere decurtatam ^ ad singula litterarum genera ali-
qnando fuisse dispositam etiamnum dispicere mihi videor: ^Tpa\|i€
bi 9iX6coq)a Kai TTOirijLiaTa xal Icropiac (cf. s. 'ApiCTÖSevoc), | acrpo-
vo|biiav f{ KaTacrepic^ouc, || irepi tOjv xard q)iXoco<ptav alp^ceuiv,
7T€pi aXuTtiac, diaXÖTOUC ttoXXouc, || kui TPOMMOTiKd cuxvd: qni
index si quid video priores dumtaxat titulos librorum singulorum
generum ex litterarum ordine recensitos ita exhibet, ut poetica pri-
mum, dein pbilosopha, tum grammatica scripta enumerentur (quorum
de nonnullis mirum ex parte tulit iudicium Bemhardyus in Erato-
sthenicifi p. 195). Praeterea tabulae ex argumento digestae pro-
cedunt s. ZnvöboTOC 'AXeEavbpeuc et s. Tpu9UiV, modo in hac
altera sedem mutari iusseris titulorum irept 6vo|bidTU)V cirfKpiTiKdiv
a , TTcpl TTic iv jHovocuXXdßoic dvaXoTtac. Pervenimus tandem ad
CaUknacihi operum guae extat apud Suidam tabulam celebevrimam ac
fere dignissimam, quae religiöse examinetur et adumbretur. Dispu-
tavit yero de ea doctissime 0. Schneiderus (de Callim. opp. tab.
quae extat ap. Suid. Goth. 1862 »^ Callim. ü» 2 — 33), cuius qui-
dem iudioio suffragati sunt Lehrsius (Mus. Bh. XVII, 453) potissi-
mum et C. DUtheyus (de Callim. Cjdipp. 100, n. 1, Jen. Litt. Diar.
a. 1874, p. 576). Sed nihilo setius in hanc rem denuo inquirere
necessarium duxi, idque eo magis quod Schneiderus suam de siogulis
CaUimachi operibus sententiam tabulae Suidianae auctoritate totam
inniti volnit.
Tabulam nimirum ab homine Suida vetustiore conpositam sed
a Suida neglegenter descriptam seu potius excerptam esse contendit
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De Suidae biographicorum origine et fide. 461
(CalL n, 3, 7). Quod qtiidem sine dubio recte Schneiderus perspezit:
atque id yel mazime conprobo, qnod illam non tarn descriptam quam
excerptam esse statuit. Hac tarnen in re a Schneidero Volkmannus
(II, 725) dissentit, qui illud quod in Suidae indice hjmni elegiae
Aetia Hecale, celeberrima Callimachi cärmina, omissa sint ita ezplicat,
ut Suidae KaXXi^dxou ß{ov una cum operum tabula praefationis
instar codici vel editioni nesdo cui olim praefizam fuisse sumat, ubi
cannina illa coniunctim fuerint exhibita, ut vere dici potuerit: TiBv
hk aÖToO ßtßX(u}V £ctI Ka\ raOTO. Hanc opinionem postmodum
Volkmannus (III, p. lY) iterayit, sed ita circumscripsit, ut ad eos
tantum scriptores qui ab Alexandrina inde aetate multum lectitati
essent referrel Verum ista Volkmanni ' obsenratio quam artissimis
finibus coercenda est; ae fortasse iuyabit hoc ipso loco rem ad um-
bilicum deducere.
lam supra aliquotiens yidimus Volkmanni animadversionem —
si indices s. 'Hcioöoc et s. NtKoevbpoc (II, p. 728) exemeris — neuti-
quam quadrare in tabulas s. Mijivep^oc (p. 727), s. CairqM^, s.
0tXöE€voc (p. 728), nee magis valet de titnUs qui s. Aiovucidbiic
et 8. CuiciOeoc (p. 726) reperiuntur, in quibus omnibus explicatio
multo expeditior in promptu est pariter atque in tabula Callimachea.
Etenim omnia illius locutionis (tujv 5i auToO ßtßXiwv ict\ Ka\
TaGra vel sim.) exempla si conparaveris, nil aliud Suidam indicare
Yolnisse nisi plenam tabulam sese excerpsisse flEU^ile perspicies. En
igitor amplum horum conspectum:
8. 0iXoKXfjc . . fTPCtV« TpaTHÄiac p', iLv icTi Ka\ raOra
(iam enumerantur Septem dramatam tituli, quorum primus ab H
Httera, extremus a 0 incipit, unde cognoscimus Suidam in tabula
exoerpenda ab H demum littera initium fecisse).
8. XiujvibT)c . . TU)V öpajidTUJV auToO dcri Kai raOra (tria
secuntur).
8. NiKoq)wv . . Tuiv bpafidrujv aÖToO iczi xai raöTo (quin-
que secuntur).
6. 0tX^Taipoc . . bpdjuara aöroö kq', iLv den Ka\ raOra
(adferuntur decem fabulae partim ex peculiari indice partim ex
Athenaeo delibatae).
8. Tupavviuiv 6 veüdrepoc . . Itp^mic ßißXia r( Ttpdc toöc i\
&v xal TaCra; (laudantur opera septem ex plenissima tabula haud
ditbie descripta).
8. 0€Öq)pacTOc . . ßißXia b'aöroO TrdiiTrXciCTa, d&v xai raOra
(seenntur novem tituli ex tabula item excerpti; ceterum cf. Use-
neram AnaL Theophr. 16, Scfaneiderum CaU. 11, 11).
8. He vocpwv . . ?tpav€ ßißXia TrXefova t&v ^ , drv xai raOra
(enumerantur scripta quattuor, in fine legitur Ka\ fiXXa TroXXd).
s. 0aßuipivoc . . T^Tpairrai oöv aÖTu> q)iX6coq>d T€ Kai Icro-
ptKd, iBv TfcXüc dpiOjLiöc. ^crl bt Ka\ tuiv ßißXiurv adroO raöra
(quattuor libri secuntur).
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462 A. Daab:
8. 0iXuiv loubaioc . . T^Ypairrai auri^ ßißXCa fiireipa, iE
(LvKaiTauTa.. (sequitor libronun tabula ex Sophronio deprompta).
8. PoOcpoc *e<p^cioc . . (p^perai aÜToO ßißXia TrXeTcra, iE
(LvKaiTauTa.. (enumerantur novem scripta ex tabula Philonea
petita).
Quibu8 accedere arbitrc»: indicem s. NtKÖ|biaxoc 'AXeS. . .
Tpdipac TpaT4)biac ia\ iliv xal atbe (quae iam enumerantor);
praeterea confer gl. 8. MdpxeXXoc . . ßißXia laTpixd, £v olc Kai
(i. e. praeter alia) ircpi XuKavOpuiirou; Laert V, 58: q)^p€Tai b'
auTOu (CTpdruivoc) xal ßißXia töOto, denique Vit. Isoer. UI (Bioxp.
p. 256, 77): CKtüTTTouci b* auTÖv , . ol KUijiiiKoC, iLv elc ^cti Kai
CTpdmc (L e. praeter ceteros poetas comicos).
Itaque haec exempla liquide ostendere mihi videntur Suidam
loeutione xai raOra tum usum esse, cum se indicem non plene de-
scripsisse sed temere excerpsisse significare vellet. Atque idem in
Callimachi operum tabulam cadere mihi persuasi, quamvis nobi-
lissima poetae scripta omissa sint: quod tarnen Suidae neglegentiae
sive inprudentiaä deberi liquet. Ceterum illorum exemplorum ratio
non ea est ut tabulas ex Mta' aliqua petitas esse credideris.
Ergo mittamus Yolkmanni istam sententiam et Schneiderianam
examinare pergamus. Qui nimirum Suidae indicem Callimacheam
excerptum esse opinatur ex integra tabula, quae seoundutn liäerarum
ardmem fuerU digesta, *non ita tamen ut omnium snbsequentium
Yocum elementorum, sed unius primae litterae ratio habita sit' (p. 9).
Idem cum in ceteris plurimis tabulis transscribendis Suidam pro-
vinciam snam rdigioie administrasse largiatur (p. 8. 9), in CaUi-
machea excerpenda summae incmriaa et pigritiae illum incusat.
Nihilo setius in tabula pristini ordinis yestigia conspicere sibi yisus
est: *loOc Sq^i^ic, '^pTouc oiKiCfioi, '^pKabta, FXauKOC^ caru-
piKd dpd^axa, Vßic, jifouceiov, ilivaKCC tdiv Iv Tidcij iratbe^
biaXa^iidvTUJV Kai iLv cuv^Tpaipav iv ßißXioic k Kai p', arivaj Kai
dvaYpa9f| tiöv Kard xP<^vouc Kai dn* dpxflc tcvo^^viuv bibacKdXuiv,
Ttxvai Töv ATmoKpiTou T^w^ccüjv Kai cuvraT^dTiwv, fitivwv arpoc-
HTopiai . . kt(c€ic vrjcujv Kai «öXeujv Kai ^eTovoiiiaciai, trcpi tiüv tv
eüpiüTHj jtoTamüv, irepl tujv dv TTeXoTrow/ictjj Kai IraXlqi Oau^a-
ciuiv Kai ^apaböSuJV. In qua Schneiden ratione aliquid veri inesse
infra patebit, tamen rei veritatem ipsam perspexisse eum nego.
Nam si quis vel hanc tabulae partem quam modo exhibuimus per-
Yolayerit difficultates haud sane leyes existere animadvertet. Etsi non
in eo haesito quod initio in^y^pjouc oiKiCfioi ordinem pendere iussit e
prima voce, ex altera in 'loCc aq)iSic, id tamen non satis possum
mirari quod de titulis carupiKd dpd^aTa, \ir\v6jv srpocnTOpiai, ircpi
Ta»v 6au^aciujv Kai srapabögujv sive adeo de Kxiceic v/jciuv Kai x6-
Xcujv Kai ^€T0V0|biaciai idem statuit. Nee talem ordinem ita tueri
debuit, ut veteres pinacographos a tanta subtilitate alienos fuisse
diceret. Theophrasti enim indicis (Laert Y, 42 sq., AnaL
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De Saidae biographicomm origine et fide. 463
Theophr. ed. üsener. p. 3 sq.) quem citat Schneideras ea indoles est,
ut in iUo non arbitrinm — qnae Schneiden &Uax opinio est — sed
rationem inyaluisse nemo non facile sentiat (et Usenerum p. 14).
Id nnnm monoisse snfficiat — nam singula qnaeque percensere dis-
plicet — per totam tabolam Laertianam eam regnare normam, ut
anctor eins in digerendis titulis primae vocis constanter rationem
habuerit.^^) Nee magis relicua exempla ad insolitum ordinem de-
*^) Theophrasteornm operum tabulae natoram et connlinm
egregie adombravit H. Usener (AnaL Theophr. Lips. 1858, p. 13 sq.).
Cnios dispatationi paaoa adicere in animo est. Ao primam qoidem in tabula
ipsa, quam UsenenxB Laertii librornm Italicornm (p. 2) scriptura adhibita
lectorum oculis subiecit (p. 4—12), haec conrigeiida nota^i: p. 9, 2 pro
mendoso titnlo trepi vSiv döticrmdrun/, qui probum ordinem contnrbat, pro-
pono: ir€pi Tiliv 6tiiYr)|idTUiv (conl. p. 10, 9); p. 9, 4 über ircpi nliv
aCno^&Twy tibwv ä post iT€pi €Öpii|iidTU)v (9, 6), itemque p. 9, 12 titulus
irepi li^Tpuüv d post irepi ^ouaKf)c (10, 1) transponendus, et p. 11, 12 pro
Tä öiroiivfifiara a (üsenems cum E. Eoepkio de hypomn. gr. p. 11 tcTO-
piKd ö. coniecit) ;coXtTticA ;rpoßXf||iuiTa redintegrandus esse yidetur
(conl. 10, 6). Qua in tabula tertia quam^is Usenems (p. 15) ullum ordi-
nem esse negarit, nescio anpristinae dispositioDis alphabeticae vestigia
etiamnum in aperto sint. — Porro si totius tabulae auctorem quaerimus,
Andronicum eam confecisse U. merito negayit (p. 22, cf. Heituum, die
▼erlor. Sehr. d. Aristot p. 50), sed notiurum iüarum ad Theophrasti
phjsicorum^ librum VII, et ad metaphyaicorum initium totiusque tobulae
indolis ratione habita sat probabüiter coniecit Laertium Hermippi Calli-
machei — quem de Theophrasto Bcripsisse Laertius II, 55. V, 41 et Athe-
naaua I, 21a testantur — indicem e bibliothecae Alexandrinae catalogis
oriondum in suum usum convertisse (cf. etiam Wachsmuthium PhiL XVI,
662, Heitzium 1. 1. p. 50, quem tamen sollicitare non debuit tabula iUa
ex litteramm ordine disposita tanquam a ceteris philosophorum tabulis
remotissima: quippe horum ipsorum scripta yarium in modum digesta
fnisse ex Laerüo n, 57 [cuv^poMic (d =€vo<puiv) bä ßißXia irp6c tA Tcrra-
pdKovra dXXuiv dXXuic btaipoOvruiv] et III, 61 (ubi de varia Piatonis
iibrorum diyisione sermo est) elucet). Nee vero cum Usenero consentio
quod Hermippum de philosophorum non modo vitis sed etiam libris
maltis Toluminibus exposuisse contendit: itemque Nietzschius (Mus. Rh.
n. XXIT, 188 sq.) Hermippum ^yitis' suis indices inseruisse probare studuit.
Quod fecisse eum nego: nam ex Laertio VlII, 85 et 88 (cf. 1. 1. p. 189)
id unom effid potest, ut obiter ille fortuitoque de singulis libris
quaedam adnotaverit, minime vero omnibus auctoribus Iibrorum tabulas
data opera adnexuerit, quod ne convenit quidem Hermippeae scriptionis
▼estigüs nee studiis in Tita phUosophorum enarranda ab eo conlocatis
(cf. eiiam V. Boseum Aristot. Pseudepigr. p. 9). Nildl deinde probatur
Plinü (N. H. XXX, 1, 4: Hermippus qui de ea fmagica arte] düigeniissme
scripsit — indicibus quoque voluminum etus positis) testimonio, postquam
libnun trcpi ^dYUJv ab Hermippo Prellerus (in Jahn. Annal. phil. XVil, 175)
rectissime abindicavit (cf. nunc etiam Dielsium Doxogr. Gr. p. 151). Ergo
restant testunonia subscriptionum ircpl q)UT<I»v Icropiac libri VII et fiagmenti
metaphysid (cf. Usenerum p. 23)^ quae Hermippum una cum Andronico Theo-
phrasteornm Iibrorum indicis auctorem nominant : ubi Hermini nomen Boseus
(de Arist. libr. ord. et auct. 81 sq.) perpeiam restituit (cf. Usenerum p. 24,
Heitüum 1. 1. p. 48), nee felidns rem absolvit, cum de libris dubiae auctori-
taÜB in Theophrasti yita Hermippum egisse inde conduderet (Arist. Pseud.
p. 9); immo res ita conparata est ut ^i dvorrpaqii^ tu»v Ococppdcrou ßißXCuiv
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464 A. Daub:
fendendom uUo modo adposita sunt. Verum enimvero si ceteri
quoque tituli in Suidae tabula eodem ordine quo illi prooederont,
hos ipsos quos supra enumeravimus quantumvis inconpositos forsitan
pateremur. Hinc yero Schneiderus summis difficultatibus inretitur,
e quibus omnibua machinis semet expedire conatus est Ipse enim
ait (p. 10) Suidam ordinem conturbasse Mderi', cum et titalos
C€fi^XT)V, 'EXiribac^ \xikr\ alieno loco enumeraret et post librum irepi
TUüV . . Oau^aciuiv xal ^apaböSuiv — dum modo hie ipse recto talo
staret — aliquot titulos ^extra ordinem vagari yellet'. lam i^ in-
spiee ordinem ipsum: irepi )Li€Tovo)iac(ac ^x^i}u)V, irept av^jLUuv, irepi
opv^wv, 7r€pl Toiv dv T^ oIkou^^vtj ÄOTa|iwv, #au|idTUiv täv eic
fiTiacav Tfjv "HIV Kaxa töttouc Ävtujv cuvaifUiTi^ — litterarum serie
prorsus relicta! Sed Schneiderus (p. 11 8q.)*horum titulorum dispo-
sitionem ita tueri studuit, ut Suidae in tabulis delibandis talem con-
suetudinem fuisse moneret, ut nonnunquam indicem denuo percurreret
et extra ordinem quae in novo transcursu invenisset memorabilia
priori tabulae adnecteret. Quem Suidae morem librorum indiculo s.
9€69pacT0C senrato egregie inlustrari existumat: sed hinc nihü
possumus lucrari, cum Suidas eis quae ex fronte huius tabulae petiit
de sua ipsius memoria nonnuUa adiecerit (cfl Usenerum LI. 16 sq.).
Nee non relicuorum quae ad dramatum indices pertinent exemplorom
ratio ea est^ ut et ordinis mutatio probe plerumque explicari queat
neque ea ipsa ad dispositionem Callimachi librorum plane singula-
rem excusandam quicquam valeant. Quid denique de ceteris titulis
iudicabimus, quos cum cuivis ordini repugnarent ad certum ordinem
artifioiosissime redigere molitus est (p. 12 sq.)? Haec omnia cona-
mina per se satis inprobabilia singillatim redarguere nolo. Sed ante-
quam meam de huius tabulae conpositione sententiam proponam» id
quaerendum est quis tandem Hesjchio illam suppeditaverit: quem
auctorem siinyestigayerimus Schneiden aedificium funditus destmetur.
Is nimirum contendit (p. 32) librorum tabulas alphabeticas a nullo
alio Hesychium accepisse nisi a Dionysio HaUcamassensi minore.
Etenim cum operum indices xaTd CTOtX6iov digesti nunc
apud Suidam paueis philosophorum exemplis exceptis — - id
quod non prorsus verum est — fere non legerentur nisi in
tragicorum eomicorum epicorum vitis, has quidem tabulas
suum sibi yindicare ait auctorem: atqui inter poetas CaUimachum
esse referendum; ergo cui veri esse similius tabulam illam deberi
quam Dionysio — quem primarium Hesychii in poetarum vitis ducem
fuisse Schneiderus ipse rectissime evicit?
At meam ratiodnationem paueis conprehendam:
Hermippi peouliare opus faerit. Qni plane eandem in Aristotelis
scripta curam contulisse videtur, si quidem reote ad Hermippmn Ari-
stotelis indicem Laertianum rettalenmt Heitsius (1. 1. 46 tq.), NietssehiaB
(1. 1. 185, n. 1), Bergkius (Hist. Litt. Gr. I, 278), cf. etiam nunc Roaeum
Arist. Pseud. p. 5, 9. — Ceteram aUbi his de rebus adcuratins disseram.
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De Suidae biogn^bicorom oiigine et fide. 465
1) In tragicorum comicorum epiconun tabolis alpbabeticis non
scripta nisi eiusdem generis, L e. TTOifjfiaTa, nequaquam poemata
cum libris sermoms pedestris coninncta ad litteraroxn ordinem pro-
cedere cemirnns. Qaod vel maxime eadit in Alexandrinomm poeta-
rum indices, qnos pedestri quoque oratione opera conpodtdsse notam
est (cf. 8. 6ö<pop(iJüv, NiKavbpoc, et supra p. 414).
2) Qnodsi et Callimacbtun a Suida YpajLi^aTiKÖv adpellari, non
(liTUJv) iTOiT]Tifjv, et totam notationem vitarum eeterorum qni proprio
andinnt tP<xmm<X'^iko( indolem prodere tecnm repntaveris, hane iina
cum librornm tabola non ex Dionysii mnsica historia — quamris
ille etiam de Gallimacbo tanqnam poeta diBpataverit — sed ex
Aselepiadis opere Trcpl TP<XMM<XTiKUiV petitam esse lubenter mibi
concedes. Gni plennm Gallimacbi librorum mdicem et prudenter con-
positmn praesto fdisse credere Hcebit.
Sed qua ratione illnm digestom foisse censebimus? Gerte non
ea qnam Scbneiderus perspexisse sibi visns est, qnamyis aliquid veri
angnratus sit. Nam illins opinio radicitus evellenda est omnes titulos
conionctim litteramm ordinem servasse adfirmantis, quippe quod
rationi pinacographorom adrerso fronte repugnei Id vero recte'
animadvertisse mihi videor — Suidaeque ipsius yerba liquido indicant
die TP^^M^ai M^v TTOi/jinaTa . . cvivräEai bk xai KaraXoTÄbriv —
primum enumerata fuisse poemata, dein opera pedestria.
Garmina autem ipsa secundum argumentum yel ad jii^Tpa
btd90pa (cf. Suid, s. k v. et s. TTap6<vioc) disposita (elegiae,
dramata), singttlorum generum tituli ex litterarum ordine
seeuti esse yidentur: atque buius ordinis aperta vestigia etiam-
nom deprehenduntur — qua in re Schneiderum opinio non fefellit — ,
81 quidem recte coniecit WacbsmuthiuB in prisci catalogi fronte posi-
tum fuisse titulimt ^Tia (quorum singulae partes singulariter erant
enumeratae — pariter atque factum esse infra patebit in scriptis
pedeatribus — : 'loOc aipiEic, Äfi^Xri, quas unice selegerit Suidas),
''L^pTOUC olKic|ioi,*^pKabia, rXaOKOC, 'EXmbec (ceterum adi Bergkium
Praef. Anth. 11, p. Xm, Rauchium Aet. Fragm. p. 8, Schneiderum
Gall. n, 17. 112). Dein dramata enumerantur eorumque genera,
sed singulos titulos Suidas describere noluit; tum secuntur ixi\r\ titulis
non additis, denique *l ß t c Carmen quod certo generi adsignari nequibat
Hinc ut ad opera pedestria sermo transeat, pro certo adfirmari
nequit utrum a titulo Mouceiov an a TrivoSt sumant initium, quo-
niam de illius libelli argumento hominu^ doctorum opiniones in diver-
sissimas partes abeunt (cf. Schneiderum L 1. 285 sq.). Sed huius
tabulae partis singuli libri neutiquam inconpositi decurrunt. Primum
enim irivaKec celeberrimum Gallimacbi opus recensentur, quibus
sabiungitur aliqua mvaKWV particula — ceteras quas Suidas omisit
praeter KivaKtt twv vo|HOTpdq)UJV Scbneiderus recte supplevisse
(p. 20 sq., 297 sq.) videtur — , praeterea peculiaris a ceteris TrtvaEiv
band dubio diyersus (cf. M. Schmidtium Quaestt. Hesjch. p. GLXYII)
Jahrb. f. cUm. Phüol. Suppl. Bd. XL 30^^ ^ CjOOQIc
466
A. Daab:
KivaH Tu&v AimoKpdou t^wccujv kui cuvraTMÄToiv, quem prorsns
infeliciter Schneiderus — ut de conaminibns Bernhardyi (ad Said.),
Meinekii (Praefl ad Callim. XY), Heckeri (Conment Call. I, 3) süeam
— ita redintegravit: irivctH [xai dvaTpa9f| tüjv (piXocö(puiv, iv oTc
Kai Tiepi] Tüöv AiijuiOKpiTou tX*Jliccüjv Ktti cuvTaTMäTUiV. Neque etiam
causam idoneam yideo cur hunc ütulum ex daobus cosglutinatum esse
cum Wachsmuthio (Phil. XVI, 659) ponamus, immo pristinam inscriptio-
nem hanc fuisse opiuor: TrivoE tuüv A. cuvTaTM<iTUiv Kai tXuiccwv.
Dein titulorum qui inde usque ad calcem tabulae enomeraatar
indolem si inteutius considerabimus, eos non temere sed sana ratioDe
dispositos esse patebit. Tamen antea vitium toUendum est^'): etenim
trepi ft^rovo^aciac ixOuuiv Callimachum singulares libellos sciipsisse
prorsus incredibile; scripsit haud dubie nepl KaTOVO|iadac (quod
proptet praecedens )Li6T6vo^ac(ac iacile depravari potuit). Urbes
quidem f&crovo^aciac aliquotiens expertae sunt; venu yarias xaro-
vo^aciac apud diversas geutes paiilem in modum ac menses varias
TTpocTiTopiac. Poteris etiam simpliciter emendare övofiaciac (ef.
Athen. VII, p. 329 a: dv dOviKaic dvo|Liaciaic Tpa<P€i, et KaraX^TWiv ix*
Ouuiv övojLiaciac), sed illud veri simUius est. Porro non temere agere
videbimur si integres titulos fuisse putabimus Trepl KaTOVOfiadac ix-
8üu)v, K€pi KaTOVO^aciac dv^^wv (cf. Schneiderum p. 16), irepi Kaxo-
vo^aciac öpv^ujv. Quibus rebus perpensitatis adparet in ^Tatalogo ipso
primum ethnicas glo ssas conmemoratasessepostlibmmdeDemocriti
scriptis et glo 8 s i s , illarum vero singulas partes adcuratius significatas,
deinde Y€u;Ypaq)iKd tria (seeundum et tertium uberius enarratom),
Suidam vero primum ex bis omnibus quae ipsi maxime placuere deli-
hasse, dein iterum percurrendo alia praecipue generalia subiunxisse
(TtcpiTUJV ^v T^ olKOu^^vq TTOTajuiuiv, 6au|idTuiv Ttöv elc äiracav
Tf|V ff\y Kaxd töttouc övtu)V cuvaTiuxtiv). Itaque haec fere imago
ultimae catalogi partis evadet, quam stemmatis auxiüo delineabo:
I. *69viKal övofiadai.
(scripta glossematica).
a) Miivujv iTpocT)Top(ai Kar'
£6voc Kai iTÖXcic.
b) TTepl KaTOVOfiadac Ix*
eOu)V, IT. K. dv^|UlU)V, IT. K.
öpvdwv. quae opera arto ne-
cesBituainis vinculo conexa
item Kard £9voc discripta
fuere, cf. Athen. VII, p.329a:
. . KaraX^TUDv IxOOwv övo^a-
dac 9iidv • 'Olawa, öcjiOXtov *
6 O 0 p l O t . tUDTTCC , 4p(TlflOl *
*A8Tivatoi.
II. r€urrpa<piKd.
1) Kxiccic vfi- 2») TTcpi Tdiv 8*) TTcpl tuiv
cwv Kol tröXcuiv tv E^^pUimg iro- tv TTcXonowif)-
Kai jLi€TOvo|uia- rajuCtiv. c(p Kai iToXiq
ciat. Oao^adujv xal
irapaböEwv.
2) TTcpl Til^v tv 3) Gou^dturv
oIkou|üi^vxi TiSrv eic ditacav
iroraimdiv. (Cf. t^v t*W xotd
Strab. IX, p. xöirouc övrunr
397.) cuvoTurrt.
"') Quae nunc de Callimacheae tabnlae dispositione enarrantor, omnia
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N.
De Suidae biograpbicoram origine et fide. 467
Htüc disputatioiii nonnulla per Battiram addere placet, quae in
totius disqnisitionis nexn et tenore idoneum locum non inyenerunt.
Asdepiadem Mjrleannm in libris V€pi Tpa^^ariKWv' iiivaKac ad-
bibnisse snpra demonstraTirnns. Sed borum ipsorum auctori-
tatis band scio an luculenta yestigia in tabnlis bistoricoram
et oratorum qni ante Alexandrinornm aetatem floruere
lateant. Qnae qnidem boc loco breviter perlustrare lubet: nee enim
mibi perspectom est nnde Hesycbius ipse desumpserit. Id unum
teneo e bibliotbecanun catalogis illas fluzisse. Porro ne quis miretur
de bistoricorum tabulis generatim bucusque non disputavirnus,
cum mnltarom origo onmino explorari nequeat. Qua in re ne id
qnidem obliviscendum est Hesycbinm nonnnllas yel de sua ipsius
notitia vel bibliotbecis Byzantinifi perquisitis adiecisse videri, qnippe
qni bistorids scriptis sine dubio operam inpenderit (cf. Said. s.
'Hcux^oc). At pinacograpbicos fontes redolent tabulae, qnae sive
litterarnm ordinem strictim tenent sive nnllo negotio ad talem exigi
qneunt: s. v. AttjudcTiic.. T^TPCwp^ Ttepl TÄv iv 'Qik&h\ yevo-
liiviJJV (Mueller. F. H. G. 11, 64), irepl yov^iüv xal TrpoTÖvwv . .
ßißXia ß' (qaos dnos titnlos in nnam coagmentare aptius mibi visum
est Muß. Bb. n. XXXV, 66 sq.: Ttepl toiv ^v *€. T€VO|li^vu)V
Tov^tüv Kttl irpoTÖvuiv . .), iQyG)v KaTdXoTOv Kai nöXeuiv, ircpi
xoxryi&v m\ tfoq)iCTuiv Kai äXXa cuxvd; s. Aiovucioc MiX/jcioc
. . T& n€Td z/apeTov Iv ßißXioic €', Äepirj-mciv olKOU|i^vnc, ilepciKd,
idbi biaX^KTi}), TpuitKUiv ßißXiay, qua in tabula extremilibri ^uOmd
et kukXoc kropiKÖc gravissimam dubitationem excitant (of. etiam
Bembardytim de tota re disputantem Dionys. Perieg. p. 490 sq.);
8. "litTTuc . . jcrtciv IxaXlac, äkcXikäv ßißXia €', xPOViKd iv ßißXi-
oic e\ '^pToXiKd, qnem titulnm olim in fronte conlocatum Suidas
cum tabnlam itemm pervolaret in fine snbiecit; s. OuXapxoc, cuius
in tabula primarium opus initio conparet, cetera Kard CTOiX€iov pro-
cednnt; denique eiusdem ordinis yestigia non eyanuerunt in indice
8, Xdpuiv AaiLii|iaKT]VÖc quantumyis obturbato. Pariterque peculia-
rem auctorem arguunt tabulae in quibus librorum numerus sedulo
notatur^ s. ''€q)opoc (displicet autem Marzü [Epbor. Frg. p. 32]
opinio, cf. Muellerum F. H. 0. 1, p. LXI, et yide nos Mus. Bb. L s. c.
62 sqOi 8- KTT]ciac, s. Hdv6oc, s. XdpuiV AajLiiii., al. Praeterea
ad irivaKac referre non dubito amplissimas tabulas s. 0iXöxopoc
et 8. TToXi^wv, quae ex argumento dispositae fuisse yidentur (adi
1. L 63). Nee desunt alii indices qui eandem indolem prodant, tarnen
has singillatim examinare ab boc loco alienum est.
Denique de oratorum Atticorum tabulis pauca proponam.
In quibus Suidas orationum numerum significasse plerumque satis
babebat, quanquam ne id qnidem ubique curabat Testimonia yero
fere Wacbsmutbii doctissimae liberalitati debentur: cuius quidem ratio
adeo mibi adriiit ut meam bac de re opinionem abiecerim.
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468 A. Daub:
de üTimero orationum, qnae a ceteris diyersa Smdas Endoeiaque
unice servarunt (cf. s. Aeivapxoc, Auctac) ad proprium fontem redire
facile pro se qnisque concedet (cf. Alfr. Schoenium annaL phiL i.
cm (1871), p. 787; Blasaium Oratt. Att Eist. I, 364). Neque
alphabeticae quid^a dispositionis desideratur exemplam: 8. AuKoOp-
Toc . . XÖTOi b' auToO elci Tvricioi ol cujZ6|li€Voi Kax* ^^^croTeirovoc,
Kar' -^vToXuKOu, xard ^euncpdTOiic, Kata ^tric6q)povoc ß', Kard
-^vcikX^ouc, Kard MevecatXjLiOu, || xatd z/nfiobow, anokofia irpöc
TÖv auTÖv, öirfep täv e^Ouvwv, Trpöc 'fcxupiav, irpdc xdc fMtv-
Tciac, II Tiepl Tf\c dioiKt^ceuic, ircpl rflc fepeiac, 7T€pl rflc fcpun
cuviic(?)* II iiiiCToXal Ktti äXXa nvd. Atqueeundem ordinem anixnad-
vertifflos in tabulis horunce scriptoram lioet noa ad illam ipaam ae-
tatemrevocandorum: s. 'ApiCTOTelTWV Kubi^dxou, Occkö^kttic
0acTiXiTTic, eipnvaioc Tpa|i|üiaTiKÖc, NiKdvuip, TTaXai-
q>aroc AItütttioc, Cf]|iOC, 'Qpiuiv ^AXcHavbpeöc.
Caput vn.
De fontibns ex qnibus HesyeMus in yiüs
eomm seriptarnm qui post Hadriani aetajteoL floraennt
hanserit quaestiones selectae.
Sequitor ut illud etiam ezploretor, unde narrationes de ora-
toribuB sophistis grammaticis medicis nee non de histo-
ricis philosophis, qui post Hadrianum yixerant, Hesychins
deprompBerit Qua in re consentaneum est eorom hominum memo-
riam, qui a sua ipsius aetate prope aberant, propria notitia illum de-
scripsisBe. Quod in grammaticorum vitas inprimis cadere yidetur, ntpote
quibuB homines Byzanidni operam inpensiuB naYaverint Verum quae de
ceterifi quorum aetaB ab'HeBytsbiana pauIo longius recedit pro certo
ezplorasse nobijs yidemur, iam breviter exponamias. Ac primum qui-
dem peouliarem aibi vindicant auctorem notationes magna ex parte
uberrimae de oratoribuB et rhetoribns qui Marci Antonini tem-
poribuB floruerunt: s. 'ApicreiÖTic 'Abpiaveiic, s. *Abpiavöc
(dvTicxoXacTf|c 'Apicreibou toO ^i^Topoc iv 'AWjvaic T€v6nevoc),
B- *Ac7rdcioc BußXioc (curxpovoiv 'ApiCTcibi) Kai *Aöpictvip), s.
'Hplibiic (cuTXPOvoc fjv 'Apicreibij coq)icTf|), s. NiKÖCTparoc
(diaxOn b' iv Toic KpiGekiv.^) imbeur^poic i' jii^Topci (cf. 0, Cruaiam
Leipz. Stud. II, 228), cÜTXPOVOC *ApiCT€ibou xai Aiuivoc toö Xpw-
cocTÖfiOu), quibus adnumero glossam & TToX^fiUiV (btödcKaXoc
'ApicTeibou ToO firiTopoc . . ?iv b' im xe Tpaiavoö koI ^€t' adröv).
Has omnes yitas conmnni Tinculo continßri inde patet, quod siagii-
"^.De Yooabulifl Kp(vcc0at et ^T^pivecOai ef. Ruhnkenimn Hitt er.
erat Graec. p. XCVII.
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De Snidae biographioomm origine et fide. 469
lomm hommtun aetas ad relicuoram tempora dirigitur. Accedit quod
Nicostratus iv toTc xpiGeTciv ^TiibeuT^potc i' ^/JTOpci faisse dicitar:
huc adpiime oonTeniunt quae in Aristidis vita (BiOTp. 327, 7) de
teitia ^lyröpujv (popqi quae nancnpator narrantnr: rpiniv oikav dm-
CTTIMTIV, fic iCTl TToX^jliUJV, *Hpi«önC, *ApiCT€lbl1C Ktti Ol xard
Totrrov$ vov^ XQOvovg yeyovtufi ^^iTOpec. Haecomnia vestigia
non permittunt soltun sed cogunt paene, ut credas vitas illas ditissi-
mas ex pecnliari opere quod dmöeur^pouc ^i^TOpac Kard xP<^vouc
conprehenderit promanasse; eidemque fonü libromm tabulae quae s.
'Abpiavöc, 'AcTidcioc, NiKÖcrporoc reperiuntur deberi videntur.
Dehinc ad paulo reoentiora tempora descendere placet, (7on-
siantml nimrum et lüliani imperatarum, Huius vero aetatis scripto-
rum yitas perquirenti a testhnonio proficiscendum est quod extat s.
'Oväcijüioc KÜTTptoc . . IcTOpiKÖC Ka\ C0<piCTf|C ttiv ixl Kmvövav^
Tivav yevof^ivmv. Ad eadem tempora referantnr fujüiväctoc,
6^uüv Ctbiuvtoc, 'IdjiißXixoc (piX6coq>oc, OuXTrtavöc (de
duabus ülpiani notationibus cf. Bohdium Gr. Boman, p. 467, n. 3),
TTaOXoc AItütttioc, TTaXXdbtoc. Praeterea testimonium satis
memorabile invenitar s. €uc^ßioc 'Apdßioc, coq>iCTrjc, dvvi»
cotpiCTcvCctq Tuxl ai%6^ MXmav^i, quae verba nulla Eusebii tan-
quam ülpiani aemuli memoria antea iniecta ad tale opus, quo Gon-
stantinae aetatis sophistae (cf. s. OuXmavöc, TTpoatp^cioc) una serie
füerint conprefaensi, necessario relegant (cf. etiam quae supra ex-
posnimns p. 407). Ac pariter vitas scriptorum qui luliano regnante
inclamerunt faorunce yelim consideree: s. I^^pioc* co<ptCTf|C tuüv
Iwi louXiavoO ToO ßactX^uJC, dvTmaibeucac TTpoaipeciqi iv 'AOi^vaic;
8. TTpoatp^cioc, 8. Atßdvtoc . . *AvtioX€uc, elq (q^od ego addidi)
ra»r ini (sie dedi libros AVE fortasseque B secutus) 'lovXiav<^
xav ßaaiXimq xP<^vuiv xal M^XP^ Geobodou toO trpecßuT^pou;
8. Ge^iicTiGC, *AKdKioc, XpucdvOtoc, 'AtroXivdpioc . . t€-
Tovibc dv fijiidpaic KujvcTavTivou kqI louXtavoC toO Tiapa-
ßdTOU xal a»$ T^ 0^x4$ 0eodo4riov rov fteydXav, cuTXPOVOC
BaciX€lou Kai fpnTOpiou . . l^iv^ro bt, TVwpiMOC d^(poTdpu)v kqI
Aißaviou TOu coqptcToO xal dXXuJV Ttvuiv. Haec indicia nonne
tonquam digitum intendunt ad auctorem, qui illius aetatis sopbistas
ad Constantini lulianique imperium i^te disposuerit? Is vero quis
faerit pro certo enncleari nequit, sed coniectura me quidem iudioe
haud inprobabilis in promptu est. Beminiscere modo generalia quae-
dam encbiridia Hesychio conmodissimum fuisse adminiculum. lam
autem cum inter eos sopbistas, quos luliano imperatore fioruisse
supra yidimusy Libanius et Apolinarius usque ad Tbeodosii Magni
regnum vitam perduxisse dicantur, nescio an hinc consectarium sit
Theodosianae aetatis auctorem Hesycbio adcuratas illas notationes
Bubministrasse. Qualem librum conposuit Heliconms xQovixiiv ixt'
vofin^ (dxd vav *A6dfM, §iexQi 0eodociav ToC ^eTdXou, cf. Suid.
8. '6X1KUIVIOC €0<p.) cum insoriptum; ipse a Suida bis laudatus,
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470 A. Daub:
B. *Amu)v . . AiTüTTTioc, Kaxd b* *€Xiku>viov Kpi^jc (verba continna
num ad eundem pertineant non liquet)^ et s. 'Appiavöc NtKOVtiibeuc . .
rjv b* dv Tiüjiiij dir' 'AbpiavoO xal MdpKou Kai 'Avtuüvivou^) tuiv
ßaciX^uJv xal dEitü^dTiuv nexaXaßuiv xal ju^xP^c auroO toO utto-
TcOcai, xaOd qpriciv 'GXixüüvioc, bid -rfiv t?[C traibefac be&ötiiTa
(cf. etiam Bohdium Mus. Rh. n. XXXIII, 182, n. 1, praeierea Endoc.
p. 63 et 165)^^). Quae testiinonia ab Heliconii epitoma repetere
non dubito; ex altero yero, si quidem recte Heliconio totom ad-
signavimus, id certe efficere licebit, singalorum hominum aetatem
singalorum imperatorum regno adfixam foisse: ac plane eandem
rationem in significanda scriptorum Constantini Inlianiqne aeqnaliam
aetate supra animadTertünus. Quid igitur probabilius statui potest
quam plerasque istas notationes ab Hesycbio faaustas esse ex eo-
dem opere Heliconii? Nee solum in scriptorum illius aetatis Titis,
yerum etiam per totam litterarum historiam Hesycbio illud con-
modissimo usui faisse coniecerim.
Caput VIII.
De Demetrio Hagnete ^regl &ii4dvvhwv scriptore.
Quibus rebus investigatis possit quispiam expectare, ut iam
dedita opera de pfailosopborum notationibus Suidianis quaerere
instituam. Sed eiusmodi disquisitio, ut ingenue fatear, opus in-
numeris difficultatibus inpeditom est: enimvero pbilosopborum rebus
ac scriptis inde a Peripateticorum aetate prae ceteris strenuam
operam inpensam esse vitarumque narrationes, cum per multos riyolos
diversissimis saepe cursibus fluxerint, a pristina forma sensim de*
generasse constat. Petes profecto hanc quaestionem non minus
spinosam nominare quam de Laertii Biogenis fontibus cognatam:
cognatam dixi, nam in Laertii opere notissimo pedem figere de-
bemus, si quid certi eruere yolumus, atque id potissimum quaeritur,
qualis ratio inter Suidam Hesjcbiumye et Laertium intercedat. Quae
ut indagetur, Fr. Nietzscbius (Mus. Bb. n. XXIV, 211 sqq.)
contentis yiribus studuit, sed ut yerum loquar plane infelici successiL
Cuius disputationis yel totum consilium yalde displicet; nee enim id
egit ut fundamento certis argumentis stabilito suum aedificinm super-
strueret, sed ex opinionibus parum firmatis siye omnino non probatis
conclusiones qualescunque repetiit atque pro exploratis yenditayit^^)
^) Verba xal Mdpxou Bembardyus inmerito in suspitionem vocant,
qoamyis ne ego quidem sana esse concedam. Sed omnia apte prooeduni,
modo Phoido duce — qni in Bibl. Cod. 68, 11 de Arriano eadem oanrayit
— verba sie transponamus: ^it"A 6p lavoO xal *Avtu)v(vou xal Mdpicou
T&v ßactX^ujv, quoram illom Antoninum Pium, hunc Marcum Aureliom
Antoninum esse existumo. — ^^) Bobdius etiam in verbis glossae *6iri-
xapiioc . , \bc hi AOxuiv. . Heliconii nomen (ibc b* *€XikUivioc «» A€-
AIKQN) reconditmn esse suspicatar (vide Flachium Eudoc. et Snid. p. J^,
n. 1), quae coniectora mihi non adrisit. — ^^) Panter nunc indicat
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De Smdae biogiaphicomm origine et fide. 471
Existuinat vero Nietzscbitis Laertium Hesychiumque ex eodem
fönte — quem Demetrii Magnetis 7T€p\ öjiiujvu^ujv ttoititOjv T€
Kai cuTTP<*9^w^ librum esse ait — sed *ctim discrimine' bau-
sisBe.^**)
Hiüic Nietzschii opinionein qtiamTis Hillerus (Mus. Rh. n. XXXIII,
620, n. 1), Wachsmuthius (1. L XXXIV, 41, n. 1), Machius (1. 1.
50 sq.) addnbitaverint, conprobanmt Schneideras (Call. 11, 28, n. 1),
Rohdius (Mus. Eh. XXXTTT, 203, n. l), G. Kernius (*Bemerk. zum
10. B. des Laeri D./ Progr. Oymii. F^enzlav. 1878, p. 2), denique
ambabus manibus adripuit D. Yolkmannus, quippe qui ilHus argu-
menta novis fnlcire studuerit ac multo latius patere iusserit (con-
mentat. *de Suid. biogr. quaestt. nov.' 1873). Sed ne is quidem,
licet plane diyersa via eundem ad finem tetenderit, veritatem ad-
secutus, quin etiam eo audaciae progressus est, ut omnia a semet
investigata exempla ad vitas cuiusve generis rettulerit ^^) Quam
Volkmanni argumentationem iam paulo adcuratius examinare lubet.
Inde scilicet proficiscitur ille, quod in Suidae vitis verba Kai aÖTÖc,
Kai ouToc similiave aliquotiens ita posita sint, ut in glossa ipsa nil
reperiatur quo apte pertineant (p. IV): qua re ni conruptelam statuere
praestet quaerendum esse, num forte coniectura pristinus verborum
ordo reconcinnaii possii In singulis vero locis explicandis alii aliter
elaboranmt, qaorum rationes Volkmannus (p. V. VI) prudenter sane
ezaminavit, quantumTris minime omnia probabiliter expedierii Quae
cum ita essent, in hanc rem denuo ita inquirebat, ut omnia istius
locutionis exempla (p. VI. VH) ceteraque eiusdem cognominum
Bcriptorum coniungendorum rationis indicia conligeret (p. VILL — X),
quibus pensitatis glossas illas ex libro iT€pi öjüujvu^uiv — cuius
Demetrium Magnetem auctorem fuisse autumat — fluxisse contendit.
Nee potest negari talia inveniri exempla, quae ad tabulam homony-
morum recedere videantur. Sed qui singula intentius consideraverit
hinc multa non deriyata esse mox intelleget. Ac primum quidem
propter temporis rationes ex priore indice has glossas Volkmannus
ipse exemit: s. AtOT€V€iavöc, Atovucioc, TTpÖKXoc, ex altero autem
gL 8. 'AttoXXiwvioc Tuavetic, Aibu^oc, Cwpavöc, Mapcuac; dein
parum constat de glossis s. Käb^oc V€iUT€poc et s. 'AYTi^axoc ^repoc
(cf. p. XI). Has tamen posteriori ö^uivu^ujv scriptori yelut Agre-
sphonti (sive Argesiphonti) vindicandas esse non ooncedo. Deinde
yero alias ob causas haec testimonia remoyenda yidentur:
H. Dielsius (Doxograph. Gr., Ber. 1879, p. 161 sq.), qui Kietzschii temerariam
de Diocle Magnete opinionem plane labe&ctavit. — ^^^) Nietzschiana
wrgwaieni& uberius rerellere ab hoc loco alienum est; debebat certe
multo adcuratiorem et circmnapectiorem institnere conparationem inter
ambomm scriptorom yitas ac tabulas. Sed omnino alia fortasse ratione
et yia totam quaeationem expedire iayabit, id quod dedita opera alibi
periclitabor. — *^ Huio VolkmaDni sententiae refragatus est H. Dielsius
(Mus. Rh. n. XX XI, 30, not.), fortasse etiam alii, subsoripsit tamen
A. Eberhardiua (Bors. Diar. amiiy. 1878, II, 1826 sq.).
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472 A. Daub:
s. Aiöbujpoc, quam glossam Suidas ex Athenaeo X, 431c
conpilavit: A. b' ö Ctvuiireuc iy AuXirrpibt , ., ita ut verba xal
auTÖc KUJ^tKÖc ad poetas comicos aniea conmemoratos respiciaat;
porro quattuor exempla s. MiTTTOKpdTiic ex medicorum indioe quem
Philonis Bjblii esse credo maaifesto petita sunt; nee etiam tres de
Sibyllis notationes Demetrio tribuerim^ sed multo probabiliojs
Dionjsii musicae historiae (cf. supra p. 418); verba denique s. Tu-
pavviwv 6 v€u»T€poc . . dx^wiXuJToc bk tcvöjicvoc xai auTÖc ab
Hermippo Berytio (cf. Wachsmuthium 1. 1. 142) profecta esse liquet.
Tum inter relicua exempla talia sunt in quibus illud Kai auröc iatra
ipsam glassam suam nanciscitur interpretationem, ut de homonjmorum
tabula cogitari nequeat^ yeluti s. 'AcTubdjiiac ö veoc, qui et ipse,
scilicet ut pater, tragoedias scripsit; s. Aiovucioc, qui ipse quoque
tyramius nomiuatur pariter ac pater eius; s. MeXaviirTtibric, qui
item atque avuuculus ^c^ora Xupucd panxisse dicitur (ceterum cf.
Bohdium Mus. Bh. d. XXXTTT, 213); similiterque res se habet s.
Cairq)dj Aecßia.
Tali igitur censura adhibita illorum exemplorum numerus
valde inminuitur. Quid? quod in altera quoque tabula permulta
testimonia reperiuntur a Demetrio Magnete plane aliena. Ea nimi-
rum segreganda sunt, quae mens Suidae aliorumve conmentis de-
bentur; sed nihilo setius talia Yolkmannus (p. IX, n. 9 et X, n. 15) in
ordinem recepit; enimvero id minime exploratum habet, quando
errores id genus orti sint. Num Demetrium talibus erroribus inpH-
catum esse revera existumat? Apage tandem glossas conmenticias
s. 'AXKjidv (cf. Bemhardyum ad Suid.), s. ''e9opoc 6 veiuiepoc
(c£ Marxium Ephor. Fragm. p. 7, Meinekium Anal. Alex. 27), s.
Köpivva (cf. Welckerum in Creozeri Melet crit. U, 16), Map-
cuac (cf. Bitschelium opusc. phil. I, 460 sq.), M^vavbpoc 'A9ii-
vaToc, KUifiiKÖc dpxaioc (cfl Meinekium Hist. crit com, Gr. I, 270;
perperam autem Yolkmannus LI. p. ^ de iuniore M. quaedam ad-
notabat); nee secus velim removeantur exempla admodum suspecta
haece: s. 'AvTiq>dviic (cf. Bernhardyi adnoi et Bohdium Mus. Bh.
n. XXXIV, 620), KapKtvoc, Atvoc; dein nota s. 6uptiTibiic . .
ToO TipoT^pou öbeXqpiboCc Dionysio^) peculiari auctori debetur,
quamvis hunc ipsum Yolkmannus (p. XYI. XYII) Demetrii aucto-
^^ Dici fere nequit quantaa tnrbas yerba (iic AtovOcioc iv toIc xpo-
viKOtc hominibua doctis dederint, yid. Muellerom F. H. G. IV, S96 sq.
Frgm. Chronogr. 147, Bohdium 1. L 19i. 195 S Th. Mommsenium Chronol.
Bom. (1858), p. 11, Volkmannum III, p. XVII et d. 27, qui Bcribendum
propoBuit: Uic A. ^v toU KpiTiKoU, ol. Laert I, 38 oC ^vr)^ov€0€l
AiovOcioc iy KpiTiKotc; tarnen haec sio conrigenda sunt: A. o KpiriKog
(cl. Vit laaei in Biotp- p. 261, 5). Dionysii vero HalicarnaasensiB rhetoris
librum citari nego; versamnr nimirum in opere auctoris nobia ignoti, —
an verba illa forsitan depravata atque in haue fere speciem redinte-
granda sunt: die AtovOcioc (i. e. musicae historiae auctor) [xal *€pa-
TocBivr\c] iy toU xpoviKOtc?
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De Sidclae biographicprnm origine et fide. 473
nun numero adlegarit; notationes porro s. G^oifVic Tpairipboiroir)TT|C
ex scholio ad Aristoph. Acharn. 11, s. Xatp^jüiiüv ex Athen. XIII,
562 f, 8. 0€p€KubTic 'AOnvaToc, irpecßuTepoc toO Cupiou ex Poor-
phyrio (cf. Bohdium 1. L 171, n. 1 et 203, n. l) ductae sunt; prae-
terea glossa s. 'Axaiöc, TpatiKÖc veuiTepoc* iTPCtM^ Tpatqibiac i'
yel propt-er certam tragoediamm numeri significationem Dionysii
mosicae historiae adsignauda videtar; denique testimonio s. 6€a-
Yevouc xPni^Ta nil probari planum est; Demetrimnque notae s.
Kai ^Tcpoc Xatpyjjiiuuv anctorem esse veri duco disBimillimnm. Quid?
qnod ne aliud praetereaoi Saidas (sive Heejchius) ipse duos 6|uiu)-
vu^ouc scriptores in diversis fontibus inventos Yoeibus Kai Srepoc
sünilibusve conpluries copulavisse videtar (cf, s. 'AXKi^^vr|C, O^OTVic,
9€ÖKpiToc, Xaiprifiuiv).
Qoibas testbnoniis remotis non multa restant quae Demetrio
possunt adacribi, quam vis ne in bis quidem desint quae dubita-
tionem iniciant. At tarnen novis argumentis suam Volkmaimas
opinionem fulcire studuit (p. XIII sq.): prae oeteris «nim gravissi-
mum Demetrianae auctoritatis argumentum in eo positum esse c9n-
tendit, quod ab ipso Suida Demetrius testis dtetur s. Icatoc, 'A0T]~
vatoc TÖ T^voc AimnTpioc bk XaXKiö^a q)Ticiv auTÖv elvai,
cL Harpoor. s. IcaToc. Huie tarnen rei multum tribuere ideo nolim,
quod Hesjchius non ipse quidem. sed auctor qui glossam suppedi-
tavit Demetrii in causa ambigua testimonium Hermippi CaUimachei
(cf. Dionys. H. vit. Isaei in BiOTp. 260, 11 sq.) auctoritati opposuit
Alterum vero documentum in glossa s. Aeivapxoc cum Dio-
nysii Halicamassei (Vit. Dinarch. in Biotp. 316, 19 sq.) verbis con-
lata cemi adfirmat. Suidae nimimm cum Demetrio id prorsus con-
venire ait, quod ipse nee de vita Dinarchi — ceterum hoc non verum
esse ex verbis extremis intellegitur — quicquam proferat et quo
patre natus fuerit traditum esse disertim neget, unde ex illius aucto-
ritate pendere Suidam adpareat. Sed tale argumentum ad persua-
dendnm neutiquam adpositum est. Nam inde quod duo de orationum
numero testimonia a Suida proferuntur, in rebus certe pinacogra-
phicis alias praeter Demetrium scriptoris conspicitur auctoritas; uec
Yolkmannum (p. XIII) id ipsum latuit Sed talem inter illos ratio-
nem interesse dispicio, ut alter Demetrii parcas de Dinarcho nota-
tiones novis quibusdam locupletatas Hesychio suppeditaverit. Ipsum
vero Deme^um adisse Hesychium diffido.
Nee magis cetera argumenta ad Yolkmanni sententiam sta-
biliendam quicquam conferunt. Is nimirum Diogenis et Pseudo«
Plutarchi aliquot locis cum Suida conparatis alias quoque noUtias ex
ipgo Demetrio in ^Onomatologum' inmigrasse evincere conatus est.
Sed fipem elusit eventus. Nonne alias scriptor Hesychio Demetrii
narrationes tradere potuit? An inde revera consequitur ut De-
metrium ipsum Hesychius inspexerit? Postremo in exemplis Volk-
naanni cura conlectis nonne sat dilucidum est Suidam s. ATmoc8^VT]C
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474 A. Daab:
ipsa PBendo-Plutarchi verba (cf. BiOTp. 281. 287) nna cum elegia
descripsisse atque s. AiOT^vnc, KpdT!]C, 'HpaKXeibnc Laeitiiim (VI,
79, 88; V, 89) conpilasse?
Itaqae non recte Volkmannus onmium fere scriptonmi Titas
Hesychianas ab eodem Demetrio auctore repetüt neqn« etiam in
fine totius disputaüonis explanavit, quonam itinere Demetrianae
copiae in ^Onomatologum' fluzisse videantur, quamvis merito reie-
oerit praeposteram Nietzscbii (1. L 227) opinionem Demetrii hidices
ö|üiuivu|üiiuv ab Agresphonte (seu rectins Argesipbonte, cf. Volkmannnm
p. XI, n. 18; Tel Agesiphonte, cf. Bobdinm Mns. Rh. n. XXXIY,
621, n. 2) contmuatos esse ariolantis. Yenun tarnen com Hesy-
obius in graviores errores inddisset a Demetrio fere alienos, plus
semel opus Demetrianum quasi rescriptum esse coniecit, praesertim
cum post iUius aetatem in eodem scribendi genere multi elaboras-
seni Neutiquam igitur adparet, qualis intersit ratio inter Deme-
trium eosque auctores ex quibos hausisse Hesycbium ezploratum
est, Hermippum scilicet Berytium, Dionysium Halicamassensem,
Philonem Byblium, alios. 8ed ut tota quaestio ad umbilicum de-
ducatur rem ita conparatam esse censeo, ut bi ipsi auctores praeter
ceteros primarios fontes Demetrii quoque Magnetis opus adhibuerint.
Quod nemo, opinor, diffitebitur; verum Demetrium inter Hesycbii
auctores principem obtinuisse locum vix ac ne viz quidem credo.
Caput IX.
De ovtog Tocabuli similinmqne apad Snidam asa et eonsilio.
Postquam uberrimam de Hesycbii Milesii fontibos disputatio-
nem absolvimus, aliam viam significare placet eamque plane singu-
larem, quae ad Suidae fontes aperiendos non sine fructu quodam
iniri posse videtur. Suidae nimirum ipsius sive etiam Hesycbii usum
dicendi qui acriter consideraverit, is ad subtiliorem investigationem
ac planiorem cogniüonem raüonie qua Suidas (Hesycbiusve) diversas
diversorum auctorum notationes in unam glossam conglutinaverit
multum, opinor, fructus percipiet. Sic ut unum, quod Wachsmutbins
primus me docuit, iam paulo enucleatius ezponam, in bis biogra-
pbicis saepenumero vocabulum o(Stoc initio enuntiati ita posi-
tum videmus, ut in banc rem inquirere operae pretium esse duzerim.
Neque elusit operam eventus: etenim ut ilico profitear, Suidas (sive
etiam Hesycbius, id quod conpluries nequit discemi) ista voce
tum uti videtur, cum ab uno ad alterum fontem defiectit. Quod
si aliquot saltem ezemplis iisque gravissimis probatum eztraque
omnem dubitationem positum erit, in ceteris locis eandem vocem
eidem causae significandae inservire baud temere conicere pote-
rimus praesertim si alia accesserit suspitionis nota. Sed iam ante
omnia ea ezempla conquirenda sunt, in quibus vocabulum 0\i-
Toc boc eonsilio usurpari pro certo ezploratum est. Qualia repe-
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De Suidae biographiconim origine et fide. 475
riuntur s. n€p(avJ>poc . . ftpöM^cv uiroGifiKac . . iwf\ ß. oötöc
dcTi TTepiavbpoc . . . diroGavuiv, quam glossam totam e Laertio con-
pilatam esse M. Schmidtins (Didym. p. 393) parum recte iadicavit;
immo sie res se habet, ut Suidas a yerbis ipsis oOtöc teil . . . Laer-
tiuiu (I, 97) descripserii Ac pariter in gl. TTiTTaKÖc altera par-
ticola qaae a verbis toutou äTr6q>8€TMa incipit una com poematom
tabula (de qua vide siipra p. 430, n. 23) e Laertio (I, 74, 79) ipso
petita est. Cetenun hanc notationem duabus partibns contmeri vel
inde elucet quod vö^oi bis memorantur, nee feliciter Nietzschius
(Mus. Rh. n. XXIV, 223) vö^ouc et ötrip vöfiuiv scripta diversa
fuisse contendit. Porro in glossis s. Zifjviüv . . 'CXednic et s. Zf\-
viuv . . KiTteuc idem vocabulum occnrrit, eo nimimm* loco quo ipsa
Laertii verba proferuntor (I. toötöv qpactv ktX. ^» Laert. IX, 27;
n. oÖTOC fdiQ ktX. Laeri VII, 27); in gl. s. A^UJV . . BuZdvTioc
(cuius de scriptis vide quae ezposuimus Mus. Rh. xl XXXV^ 61 sq.)
verba oÖTOC fjv cq)6bpa traxuc usque ad Kaipijj ktX. ex Philo-
strati Vit. Soph. I, 2 p. 485 desumpta sunt Tarn yero satis me-
morabile illud est, quod Suidas cum hinc ad priorem vel itemm ad
noYum fontem transilit eadem voce (ouTOC ö A^uiv . .) denuo utitur,
qua re usus ille luculenter firmatur. Quae animadversio etiam in
glossam OiXujv louöatoc quadrare videtur, ubi Suidas Philonis
operibus ex Sophronio enumeratis (cf. Eusterum ad Suid.) ad fontem
antea adhibitum recurrit verbis X^TO^ci toOtov . . KivbuveOcat.
Deinde vero in v. *6pac{cTpaT0C verba ovItoc — Cdjüiou
Suidas aliunde ac relicua hausisse videtur , cum eandem historiam
prolixius narrent Plutarchus (Demetr. p. 907), Appianus (de bell.
Sjr. p. 204), Valerius Maximus (V, c. 7), alii. Tum in v. TTp6-
kXoc ö AuKioc scriptis recensiüs sie pergit Suidas: oiÜTÖc icTi
TTpÖKXoc . . . quibus verbis Proclum qui adversns christianos scri-
pserit acriter invehitur, quae quin unice Suidas adiecerit nemo eins
consuetudinis gnarus dubitabit. Denique in v. 0lXri^UlV comoediis
enumeratis quae verba secuntur oötoc 6 OtX/JMUiv ämipoc fjv
teste Snida ipso ex Aeliani libro trepl Trpovo(ac derivata sunt. In
his igitur glossis similiter ac supra in gl. TTepiavbpoc et TTirraKÖc
anctorum operibus conmemoratis nonnulla adiecta cerni-
mus, quae alii auctori sive Suidae ipsi deberi ut per se
ipsum veri simillimum est sie hisce exemplis in clara Ince conloca-
bitor, quae deinceps proferam haec illa pauds verbis inlustrans:
8. Baßpiac (cf. de hac nominis forma 0. Crusium Leipz. Stud.
II, 189, n. 4) f| Bdßpioc . . oötoc ^- )i€T^ßaX€V, in quibus vel
oratio sat horrida alienum arguit auctorem.
8. 9ouKubibTic . . OÖTOC — 'HpobÖTOU, quac verba alio ex
fönte manasse apertum est (cf. Marcellini Vit. Thuc. 54), non secus
atque quae infra secuntur oÖTOC ö OouK. Marcellino (1. L 1) de-
bentur. Itaque ex tribus diversis particulis Suidae de Thucydide
narratio conposita est
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476 A. Daub:
8. Ae(vapXoc..dT€X€UTTiC€b'oi)TOC..^ quaeverbaadaliumDi-
narohum Westermannus (BiOTp. p. 3 2 2) iure revocayit, cl. Flui Phoc. 3 3.
8. Aimdbric 'A6nvatoc . ., oOtoc xar^Xuce . . . Haec mani-
festo diverso ex fönte fluxerunt. Nee praetereundum in glo&sa oon-
tinna AT)jiidbr)c Aax. yerba toOtov ekcTTOiyjcev . . alionde fauc in-
volasse, quae merito delevit PluygerBius (de Demad. p. 5 sq.).
8. '€p|üiaTÖpac TrJMVOu . . ^iraibeuce V outoc ^€Tä KcKiXiou,
ex Philone fortasse deprompta.
8. 'Id^ßXixoc . . OUTOC Xi'xei nepl Zwßapa, cf. Phoi p. 248;
B. Aißdvioc . . OUTOC KttUm Tujv xpövuiv f|v BaciXeiou . . Ka\ rpiiTO-
piou Tou GeoXÖTOU, quorum verborom vel indoles Hesychium Suidamye
prodit auctorem; s. TTpoaip^cioc . . outoc — ^GaujuaZev alienam
prae se ferunt personam; s. Atxaiapxoc Oeiblou . . oötoc ^TpaH'C
Tf)V TToXiTeiav CTrapTiaTÜüv, quae yerba una cum sequentibus a pro-
prio auctore profecta sunt, qui legem illam a Lacedaemoniis condi-
tam enarraverit. Neo polest dubitari, quin Hesychius sive Suidas
si huno librujn in eodem fönte ac relicuos repperissent in priorem
tabulam rettulissent, idemque cadit in verba quae in fine v. Oaßu)-
p'ivoc leguntur: outoc — TVuijLioXoirMcd,
8. AtOKXf]C . . KUjjiitKÖc . . toutov b4, q>actv eüpeiv, cf. Ca-
saubon. ad Athen. V, c. 4, Suid. s. '0£ußaq>oy.
8. "YTiaTia . . auTn biecTrdcGn . . cf. Socrat. Hist. Eccl. Vn, 16,
et nunc St, Wolfium *Hypatia . .' Progr. Czemow. 1879, p. 40.
Tre8 glossas nunc proponam, in quibus scripta quae yocabulo
OUTOC ceteris adnectuntur propter id ipsum grayissimam habent
dubitationis causam: s. 'ApiCT^ac . . ^TP^M^^ ^' outoc kqI KüTa-
XoTdbnv* GeoTOviav de lm\ fl (et Hillerum 1. L 522), s. TTapG^-
vioc XToc . . ouTöc firp<ÄV€ xai Tiepi |Li€Ta)xopq)U)C€U)v, quae yerba
iam a Fabricio (BibL Gr. IH, 309) in suspitionem yocata Bemhardyus
uncis saepsit utpote ex y. NecTUip huc inyecta (cf. Meinek. AnaL
Alex. 270), 8. 'Idcu)v MevexpdTOuc . . änö bk jütitpöc 'Pöbioc . .
oÖTOC ?TpaMi€ Kttl trepl 'Pöbou.
Quibus expositis ulterius progredi audeo nee dubito omnes fere
notitias quae Hbrorum tabulis adnectuntur, quamyis non ubique yo-
cabulum ojjtoc adhibitum sit, noyo yindicare auctori, quem saepius
ipsum eruere possumus. Sed iam omnia exempla conponam: quae
si quis cum praecedentibus yerbis contenderit, non tam indole et
condicione quam argumento ipso a ceteris longe recedere facUe per-
spiciet: s. 'Hcioboc . . ^TeXeücTicc d' ^TriHevweeic . .; s. 'OTTtriavöc
KiXiE . . dyaTVU)C0^VTU)v bk, tujv TroiT^dTiüV . .; s. *'Hpivva (cf.
supra p. 415), b. Köp i vvoc , . ftpoMie bi Ka\ töv Aapbdvou . . iröXe-
HOV; 8. 'AXKjLidv.. irpuiToc b' €icriT«T€.. — ceterum de iis testi-
moniis, quae yocabulo npuiTOC similibusye subiunguntur, infra seor-
sum agetur; 'Avaxp^ujv (cf. p. 430); s. *Aplu)V . . X^T€Tai xai . .
€upeTf|C T€V^c0ai; s. 'Ißuxoc . . cuXXti<p6€ic d' uttö Xqcraiv, cuiua
narratiunculae yel tota indoles a prioribus satis diyersa alienam ar-
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De Snidae biogrsphicomm origine et fide. 477
gtdt originem (cf. eüam Welckemm Mus. Rh. I, 401 sq., a qno
dissennt Bitschelins, yid. 0. Bibbeckium, 'Fr. W. Bitschi' I, 810);
8. 'lirwÄvaE ("iTmuc), e£. p.409; s. CaTrq>ui, cf.p.428; s. CöXwv..
Kat <p^p€Tca auToO diröq)6€TMa, qoae yerba ex Laerüo (I, 6B) de*
libata esse Tidentur; st totam glosfiam ex frostaliB Laertittus eoa-
flatam esse M. Schmidtii (Didym. 393) q>inio est pamm probabüia; a.
Crrfcixopoc . . qnid ö' adrdv — 'nxpXuiOfivai, quam fabeUam
aliunde promanasse sponte elnoet; s. Alcx^Xoc . . outoc irpiuTOC
eiipe . ., qnae peealiari aaetori deberi inte patebit. Sed Aesdiyli
in tragica arte inventa nbi eDanavit Hesyehius ad priorem reTertit
fontem, deinde a verbis q>irrdiv b* cic CtKcXiav tertiiUD describare
incepit; s. AuKÖq>puiv . . lypw\^ Kai Tf|V . . "AXcSdvbpctv, tö cko-
T€tvöv troiima, quam notitiam Suidas- e sua ipsius memoria aub-
iecisse yidetnr; s. 6eob^KTTic . . ^tP<xM'^ ^ Kai T^xviiv ^opuofjv
. . KaTaXoT<i&nv, quae nomrecte Theodecti tragico Suidas adseripserit
contra Meinekium dubito; s. Coq>OKXfic 'Aptcruivoc . . ^tP^M^^ xai
iXexeiaCj quarum memoria eerte non indidem ac tragoediarom ex
pinacographicia fontibua haustarum Hesychio innotnit; a. 0iXokXi)c
. . AicxuXou bk — db€Xq>tboOc, quae verba ad librum rerocanda
videntar, qui Aeachyli progeniem tragicae arid pariter deditam per-
tractayerit; a. TTXdTuiv KUl^lK6c . . ^cn bi . . xopcixriipa; s. Au*
ciTTTTOC . . xai ET€pa oÖTOö bpäfiora, 6upcoKÖ|uuK (cf. Yolkmannnm
I, 37); ß. 'AvaEavbpibiic . . xai irpoiToc outoc — cidirarcv;
s. Tl^60€oc . . Kai Kuvdpiov Tt^oB^ou bpo^a, luc q»nciv *A6r)-
vaioc ^v Totc adroC; a. 06pjüioc . . ^xp^coto bk trpOjToc — q)oi-
viKUiV, quibua fabula ex Athenaeo petita adnectitur; a. 'Avrfira-
Tpoc . . Kai dir€Tpötr€UC€ . .; a. AIktuc . . odroc iypa\\ße . . (quae
verba fortaaae ad alium acriptorem referenda auat; aed de tota
gloasa mox alio loeo adcuratius diaputabimus); a. TToc€tbuivioc
'AX€Havbp€U€ . . Kai oI^al raura — 'OXpionoXirou, qnae verba
qtiin ipae Hesydiiua acripaerit dubitari nequit; a. Auciac .. TÜi bt
KaOapit» — irpöc ^€tpdKla; a. Alcuiiroc, MtGpibdrou . . lypaM'c xai
dTKlUMiov, ubi verba Ifpaa^ Trcpl '£Xeviic . . ex libro Aeaopi de He-
lena dncta aunt (id quod iam Euatertia perapexit), oonL Phot. Cod.
GXC fin., cum quae inaecuntur (ly^^a^e xai) genendem redoleant
fontem; a. 'Hpuibiic . . <p^povTai S* auroO xai — TEXeurqi; a. At)-
^11TplOC . . 0oXT)p€tJC . . oStui b' f^ cq>ööpa eönpeinic, ex Laertio
(V, 76) fortaaae petita; a. AimÖKpiTOC..^pai|i€ bk xai diriCTO-
Xdc, quarum fidea per se admodum aaapecta alienam prodit originem.
Dehinc ad uaum vocabuli odroc latiua investigandum praever-
tamor. Ac primum quidem aliquot teatimonia projteram, quae
licet non omnia voce illa diatincta aint ad peculiarem tarnen aucto-
rem redire alinnde oonpertum eat, Hermippum dico Berytium
(cf. Wachamuthium 1. 1. 140 aq.):
8. *AvTi^axoc . . Tivfec bk xai olxdTnv auröv dv^irp<)tV<xv —
CrnciMßpÖTOu; a. *Piav6c . . oötoc b* fjv . . *€paToce^youc; a. AT-
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478 A. Baub:
cu)7T0C . . ^fiXXov bi Ttv^c 9aci — jiiövov (hinc enim Hermippum
descripsisse videtur Hesycbins, Wachsmuthius antem yerba oix^-
Tiiv — T€vv^ illi vindicat) — T^w^; s. TTapO^vioc . . outoc
iX/jq>0ii — Tißepiou; s. 0tX6£€VOC . . oötoc — XupiKoO (quae
post libronun recensum enarrantur); 8. 'ApiCT09dvnc .. Tiv4c 6^
aÖTÖv Ka\ dnöbouXov \cTopr)Kaciv; s. "Icipoc .. "epjiiiiriroc b*
axnöy . . öouXiuv; s. Alcxiviic . . Tivic bi Ka\ — T€TPot<priKactv;
8. ClßÜpTlOC . . oIk^THC, 8c dppT]T6p€UC€V oIkCTUPV TTpUJTOC; S.
Oaibujv *HX€ioc..toOtov — iv 'Aerjvaic; s. *AX^£avbpoc 6 MiXt^-
ctoc . . 8c TToXuTcTuip — outoc cvviypw^e; sola enim baec verba
Hennippi auctoritate niti videntur, cum Wacbsmutbius verba usque ad
i^X€i;8€pdi6ii illi adscripserit Nee non totam fere glossam s. '6Tra-
qppöbiTOC (*Apxiou — cxrrxp&piiiaTa) Hermippo tribaerim, cum de
Epaphroditi vita uberrime ne minutiis quidem spretis agatur.
lam igitur cum eae narrationes, quae a proprio auctore sine
dubio repetendae Bunt, eodem yocabulo outoc sive etiam yoeibus
Ka( et bi Kttf prioribuB soleant adnecti, hac ipaa re usus verborum
illorum denuo firmiter munitur. Ac nunc credere profecto licebit
Suidam Hesycbiumve cum illis vocibus iituntur plurima
ex parte ab uno ad alterum fontem defloctere. Sed oonligam
onmia exempla quae aliunde fluxisse videntur: neque adeo raro
aocidit ut diversa eorum origo argumentis ex aliis rebus petitis pro-
bari possit. Praeterea scito me omnia id genus testimonia conquisi-
visse sen oiSroc vocabulo seu alio quod eidem usui inservit distincta.
Quae quidem si paulo intentius inspexeris a praecedentibus verbis
toto babitu et indole satis diversa esse Inbenter mibi concedes:
s. *AptCTdac . . TOÜTou <pacl — elc Ijü\ p^ quae post librorum
recensum posita esse velim consideres, cf. etiam Max. Tjr. XYI
(p. 288) et XXXVm (p. 222); -s. '6iriM€vibnc . . oö Xötoc —
KardcTiKTOV (cf. Hesyob. Mil. ed. Orelli p. 20), et outoc ttncev . .
dTToG^TUJv; s. EöfioXtroc . . oötoc iirp«V€ — ßißXiov a', quibus
de verbis Bembardjum (ad Suid.) ausculta disputantem, omnem hanc
nanrationem ex carmine Eumolpio deflexam videri, quod ad Musaeum
a quibusdam esse relatum Pausanias (X, 5) doceat (ceterum cf.
supra p. 418); s. TTiTPHC . » 8c — iXcreTov . . iifpovc xai — Ba-
TpaxojüiuoMaxtav, ubi priora verba aliunde petita esse vel inde eluoet,
quod vocula Kai ad primarium fontem manifeste recurritur; s. TTto-
Xe^aioc Ku0T)ptoc . . oötoc fTpöM'e — ^x^uco, quae verba Suidam
ex alio fönte bausisse id ipsum docet, quod non ad Ptolemaeom
epicum sed ad P. grammaticum unice pertinent (cf. Pbot. BibL p. 150 A;
Meinet F. C. G. III, 219); s. 'AvTiT€v(bnc . . oötoc . . irp&TOC
^XP^cüTo; s. Aöcoc . . rrpiüTOC b' oiSroc — Xötouc; s. Cifiuivi-
bllC AeUJTTpeTT. . . KQI Tf|V JlVrmOVlKfjV bk T^XVIIV €Up€V OÖTOC —
q)6ÖTT0V; s. Cuirdbric . . ixpi^caro bfe Tij) etbci toutui . . E^vap*
Xoc, quae nescio an ex Athenaeo (XIV, p. 620 e) deprompta sint;
s. AicxuXoc . , oÖToc — xpflcOai; s. Coq)OKXf)c . . oötoc irpui-
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De Soidae biograpilicornm origine et fide. 479
Toc — ibiboHe; s. 'AX^Eavöpoc AItiüXöc . . f(m\i^aj\K6c .. o5-
Toc KQi Tpattv^iac ^Tpaipev — f| TTXeidc, cmus notationis partem
priorem ad Asdepiadem supra revocavirnus (p. 458), altera yero
diversam originem prodit; s. 6€ob^KTTic . . oStoc Ka\ — lä Ttpui-
rem, qnornm verbomm condicio ad Hermippum Gallimachenm
relegat, quem 7T€p\ tOüv 'IcoKpäTouc jüiadiiTaiv peculiarem scriptionem
oonposaisse constat (cf. Athen. X, 451 e); inspice etiam v. 6e6iro^*
TTOC et praecipue v. 'IcoKpdriic 'A^ÜKXa (praeterea conferas has
glossas: b, 'AvbpOTiiwv, *AcTubd^ac, Anfioc0^VT]c, ''690p oc (s.
''€9mTroc), GeöxpiToc Xioc, 6pacu|iiaxoc, *lcaToc, Kökkoc, Tirepei-
bi]C, OtXtCKOC MiX.); B. ''luivXioc..ouTOC ?TPCtV€ — q)iTCi, qui-
bus in yerbis conscribiUandis manifestum Suidae mendacium Bentlei
(Episi ad. MiU. p. 66) acmnine pridem deprefaensum est (c£ Scbol.
Arist Pac. 836); s. G^ctric . . Kai TipdlTOC — dbiboSe; s. TTpa-
Tivac — tmbeiKVUjii^vou bt toutou — *A6iivaioic (cf. s. Alcxu-
Xoc); 8. 0p\5vixoc TToXuqpp. . . outoc hk irpdrroc — 4t^v€to; b.
€ÖTroXic .. Kai dir^Gave — iroX^jyiijj. Kai ^k toutou — iroir|-
Trjv; 8. '€7rixctpM0C . . Tivtc b' aÖTÖv — dv CtKeXtqi; s. Möcxoc
. . OUTOC — Troi^T/iv; s. 'AtttOictc — OUTOC — cuW}Kfiac€;
verba quae antecedunt ö TP^M^ac — Bu2[avT((|i ex alio fönte flaxisse
planissimum est; s. 'ItiiciiTroc, ubi verba priora usque ad ö yp^M/ac
— dv ßißXiotc K Suidae ipBius esse adparet, deinde yerba oiSTOC
— i^SiuiOr) nescio unde ducta sint, a verbis denique ^Tpctipc bi Kai
Snidas vel rectias Hesycbius eum delibare fontem incepit, qui cete-
rorum quoqne rerum scriptorum memoriam suppeditavit; s. Map-
cuac TTcptdvbpou — oötoc b* fjv rrpÖTepov tpoMM^^TobibäcKaXoc
— ßaaX^uiC, quae ab Asciepiade probabiliter repetiisse nobis vide-
mur (cf. p. 458); s. IcaToc .. oÖTOC dtraivciTai — iTpoaTaTi(»v
(cf- Plut Demosth. p. 848); b. Atcxlv^c . . oiiTOC — ibrijiOCtwOii,
quae diverse auctori deberi inde consectarium est, quod talia ab
Aeschine oratore plane abhorrent (cf. Westerm. Btotp. p. 270); verba
dein extrema trpiXiToc bk irdvTUiv . . dvGouctuJV ex Philostrati Vit.
Soph. I, 18, 3 parum venuste conpilata sunt; s. fopttac . . ouTOC
Trpurroc -^ dxpi^caTo; s. Armdbric AaKidbiic . . toutov clceTToiiicev
— TCxWvTa, quae verba aliunde huc pertracta rectisBime delevit
Plujgersius (de Demad. p. 11); s. AT)|LidbTic Arm^ou . . outoc —
irpdc auTÖv; s. G^wv, co<picTf|c Xötuiv ^riTopiKUJV . . fjv b' outoc
— ireptßaXXö^evoc (cf. Phot. Bibl. p. 339b); b. IcoKpdTiic
'A^uxXa . . OÖTOC b* 6 *lc. — Xdroi e' (cf. supra); s. KdcTwp
'Pöbioc .. TnMttC b' OÖTOC — bidßaXev (cf. Strab. XU, p. 568);
8. AouKtavöc . . f)v b' OÖTOC — 6 iramiiiapoc, quae Suidae ipsius
esse liquet; s. TToTdjiiUJV MuTiX. . . Kai ttotc aÖTOu — ttoXcmcTv;
s. TTpuiTaTÖpac . . Kai dTrcKXrjOii irpuJTOc oötoc coqpiCTfjc irpuj-
Toc b* OÖTOC — 'IcoKpdTouc. bicTX^ T€ TrdvTa XÖlfOV irpiÖTOC
oiJtoc clc b' , .; 8. CiütraTpoc . . Tivtc bk Kai — qMXciv; s.
'AX^Eavbpoc 6 MiX. .. oötoc cuv^tPöV« — ßtßXia e', quibus
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480 A. Daab:
verbia Hei^chius paucis ex Hermippo Berjtio prolatis ad primariam
fontem revertitar; s. Aaqpibac . . fjv b' oCtoc . . Oeurv. Kai ^«MFir
(quod ipse adieci, cf, Mns. Rh. n. XXXV, 67) "AxxaXov . • (cf. Strab.
XIV, p. 647; Val. Max. I, 8, ext 8); s. •AX^£avbpoc Alf. . . ou-
Toc — ir€<pup^^vov, quae yerba in gl. N^puuv iterum leguntor; s.
*A)i^(Jbvtoc . . ouTOC — die ipr\c\ TTopq>upioc, quae Hesychioa ex
Porphjrio ipso delibavit, pariter atque ingL'AvbpoKXeibiic yerba
OÖTOC b* inX TTop<pupiou . . ^bibaacev, £iT€ibf| ^lijüv^rai — tcxvo-
XÖTUJV (cf. Rohdium 1. 1. 171, n. 2); s. 'Avdxapcic.eupc b* ou-
Toc — xpöxov (cf. Laert II, 106); s. 'Avtic9^vt]C . . oötoc oüv
— AiOT<vouc; 8. "AtroXivdpioc — oötoc ou jüiövov — d^qpi-
b^Eioc, quibus emrratis ad priorem defiectit Hesychius fontem Ter-
bis usus outoc ftpav^ . .; s. *AiroXXdivioc Tuaveiic . . elc
TOUTov £tP<xm^€ OtXöcrpaTOC — ßtov, yerba Snidae ipsius manu
adposita; s. 'Apx^xac . . oötoc TTXdTUJva — Tupdwou, quibue-
cum Laertiana Vni, 79 conferas; dein yerba quae infra secuntur
emendayi Mus. Rh. 1. 1. 67: toOtöv q>aciv q)av€pujc TcWcOat;
8. *A9piKav6c . . KttTÄ toutou ifpai^ev *Qp\fi)n\c — €lc töv
AocvifjX a Suida ipso adiecta; s. '6)iTreboKXf)c . . oötoc 6 *€. . .
T^TOV€ bh. TOUTOU, quae ex Laerüo VIQ, 69, 73 hausta sunt; s.
'HpdxXeiToc .. oötoc öbpuimdcac . . tiv^c b* aÖTÖv £qMicav..
(cf. Laert. IX, 3 sq.); s. Geöbiupoc . . oötoc eine — q>^pouca
(c£ Laert VII, 98); s. 6€6q>pacTOC . . oötoc npÖTcpov — *Api-
CTOxXfjc (cf. Laert V, 38); s. KdXXiirTTOC . . iroviipöc oötoc krö-
priTai — irpob6TT]C, quae Suidae ipsius sunt; s. KpdTTic 'Aoctlivbou
. . 8c ^SapTupkac . . — oötoc KaToXiTruiv . . ex Laertio VI, 87. 88
conpilata, dein alius auctoris yerba proferuntur, tum yerbis ÖTt Kpd-
TTic €ltr€V ad Laertium (VI, 86) Suidas recurrit, in fine denique
(oötoc . . KOTCirövTUKe) exseripsit Philostratum; s. TTudatöpac
. . 4T€X€UTa b^ . . irpöc toöc ^' (cf. Laert Vin, 39 sq.); s. Öepe-
Kubiic . . Cupioc . . irpiiiTOV bfe cuTTPO<P^v tt€V6TK€iv . . Tivtc
iCTopoOciv — elcTH'rtcoceat, quae Rohdius (cf. LI. 171, n. 1, et 203, n. 1) ^
ad Porphyrium yerissime rettulit; s. ^liriroKpdTTic . . oötoc l^fpw^e
iroXXd — al ^^v oöv irpcKP^Tcai, quae yerba aliunde certe fluxeront
atque librorum tabula; s. "AxpuiV, qua in glossa tria testimonia
discemere licet: l) ueque ad £cTt bk kqi oötoc . .; 2) usque ad clc
TOUTOV . .; 3) cetera quae secuntur ex Laertio VIII, 65 descripta sunt
Denique de peculiari notationum Suidianamm genere breyiter
exponere placet, quas ut certo auctori yindicemus cum yel yerborum
suadeat aequabilitas tum requirit ipsa remm similitudo: teslamonia
dioo quae de diyersomm poeeis aliarumque artium generum pri-
mordiis et incrementis hie ülic reperiutitnr. Quorum iam supra
aliquot exhibui yocabulo oötoc similibusye adnexa prioribus yerbis,
unde talia aliis fontibus ac cetera deberi adparuit Sed nunc onmia
quotquot eins generis apud Suidam occurrunt exempla sedulo con-
ponam: quorum cum iam Volkmannus (I, 2 sq.) quaecunque ad tra-
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De Suidae biographicornm origine et fide. 481
gicae comicae Ijrricae poeeis historiam pertinent reliquias conlegisset
easque Aristoteli (trepl ttoititujv) sive discipulis eins tribuisset (p. 20 sq.),
vel plurima vocis OUTOC vel similinm Suidae usitatamm ratione ha-
bita singulari quisquis fuit auctori iure adsignare poterimus. Hunc
vero primituB fuisse Aristotelem Yolkmannus, quamvis non ab omni
parte iudidum eins conprobem, non male coniectasse videtur; qua
tamen via singula fragmenta tot per saecula propagata in Suidae
notitiam perrenerint delineare noluit. Quod rimari ne mihi qui-
dem nunc in animo est; id vero suspicari licebit, neo Suidam neque
Hesychium ipsos testimonia illa ex peculiari iT€p\ ciipTifidTUiv
opere delibasse, sed iam Dionysio in musica historia pertexenda nee
non Philoni Byblio inter ceteros unum auctorem praesto fuisse, qui
omnes de rebus inventis notitias uno volumine conprehenderit. Hie
vero quis fuerit dif&cile enucleatu est; id solum tenemus, has omnes
haud volgaris doctrinae narrationes peculiarem sibi et Optimum yin-
dicare auctorem. Mitto autem, ne huius libelli moles nimis adcrescat,
testimonia ipsa exscribere. Age iam consideremus glossas s. A(voc,
'A|Liq)iu}v ( OUTOC . . eupeiric), Mapciiac, "OXu^ttoc, Ci^uivibTic
Kpiveuj (f^poiUie xard Tivac . .), liririuvaE (oötoc Trpdnroc . .),
Tepiravbpoc (6c irpüüTOC . .), 'AXKiudv, *Aplu)V (post librorum re-
censum), Aäcoc (rrpiuTOC bk outoc . .), Ca7rq)U), CTTidxopoc, "Ißu-
Koc, MeXaviTTTTibric (8c . . irXeTcTa), OpOvic (8c dbÖKei), Ci^wvibTic
AewTrp. (ouTOC . .), Ti^öGeoc (8c . .), CißuXXa *AvTiT€v(bTic (ouroc
irpujToc), G^CTTic (fiXXoi bt..), Opüvixoc TToXu9p. (oötoc bk irpo»-
Toc . .), XoipiXoc (outoc KttTd Tivac . .), AicxuXoc (oötoc . .), Coq)o-
KXf]c (oötoc . .), TTpaTlvac, *ApicTapxoc (8 c irpiuTOC . .), Neöq)piuv
(8c TTpüjToc . .), *eTrixap|Lioc (8c €Öp€ . .), OöpjLioc, Xiiüvibric, 'Api-
CTO(pävT]C, 'AvaHavbpibric, AiOKXf]C (toOtov be q)aciv . .), 'Gkq-
TttToc, "Ittttuc, Kdbjuioc üavb. (8c rrpuiToc KaTÖt Tivac), OiXicroc
(8c irpoiTOC . .), fopTiac (oötoc rrpoiTOC . .), AiiMdbric 'AGtiv. (oötoc
KQT^Xuce . .), 0pacu|uiaxoc (8c irpuiToc . .), K^q)aXoc, TTpurraTÖpac
(irpuiToc b* OÖTOC . .), 'ATToXXöbwpoc, 'AvoEi^avbpoc, *Avdxapcic
(eöpe b' OÖTOC . .), ^ApIctittttoc, 'Apx^Xaoc, GuKXeibric (8c kqi . .),
GeaiTTiTOc, Geöbiüpoc, Hevoqpuiv fpiiXou (8c irpdiToc . .), TTuGa-
TÖpac, OepeKubric. In bis narrationibus non desunt quae ad singu-
larem fontem redire argumentis aliunde petitis conpertum habemus:
velut quod aliquotiens vocabula oÖTOC vel öc adhibita videmus, hoc
per se ipsum alienum arguit auctorem, cf. s. *A|ui(piu)v, iTTTTuJvaE,
T^piravbpoc, Aäcoc, MeXavmTribnc, OpOvic, Ci|uiu)vibric A., TiMÖGeoc,
*AvTiY€VibTic, Opuvixoc, XoipiXoc, AlcxöXoc, CocpoKXfic, 'ApicTapxoc,
Neöqppiuv, *e7rixap|Lioc, Xiujvibnc, *AvaHavbpibric, AioxXfjc, OiXicToc,
fopTioc, Armdbiic, öpacujuaxoc, K^qpaXoc, TTpujTaTÖpac, 'Avdxapcic,
*Apx^Xaoc, €uKXeibr]C, E6V091UV. Porro ab uno ad alterum fontem
fieri transitum ipse Suidas indicat in glossis s. Ci|üiu)vibT]C Kpiv.,
CißuXXa, 6^c7Tic, XoipiXoc, AioxXfJc, Kdb^oc, Oepcxöbnc; tum talia
etiam post librorum recensunl vel in calce glossae addita sunt, cf.
Jahrb. f. cUst. PhUoL Suppl. Bd. XI. 81 ^ j
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482 A. Danb:
8. 'AXxjidv, 'Apiiuv, Cairqpid, Cnicixopoc, ClßuXXo, 0öpfyioc, *Avagav-
bpibnc, AiOKXfjc, Ari|Li(ibTiC; atqoe in v. Kdb^oc et v. Eevocpwv pro-
pria verborum origo vel inde cognoscitur quod iUio scripta seorBiim,
non in eadem tabula ac cetera exbibita sunt; deniqne in y. ^'Ittituc
verba kqi Trpurroc non ad enndem anctorem referenda esse hoc
abnnde conmonstrat, quod opus al CtKcXiKai "npAieic inscriptum a
CtK€XtKiuv ßißXtotc €' librorum tabulae insertis non diTersum est
(cf. Muellenun F. H. O. ü, 33; Scfaaeferum Qnellenk. z. gr. Gesch.
p. 14).
Caput X.
Suidas quid in Titis eontexendis ipse praestitisse Yideatnr.
Quibus rebus expositis quivis fere opinetur me iam explicatias
esse enarraturum, quam in singulis vitis conscribendis rationem
Hesychius Milesius ipse ingressus sit, quas glossas de sna notitia
conposuerit — multas ab hoc ipso confectas iam Schneidems (CaUim.
n, 27) congessit — , quae aliorum denique testimonüs subiecerii
Tamen mitto nunc quaestionem, quae est de tota operis Hesjchiani
conpositione , cum obserrationes quaslibet selegisse satis habeam,
quae ad Suidae ipsius operam adumbrandam haud sane levis sint
momentL
Itaque primo loco examinemus, quem ad modum iUe Hesjchii
copias, in quibus cum maxime quae ad poetarum comicorum
notitiam pertinent, exAthenaei Meipnosophistis' suppleverit loeu-
pletaveritque. Harunce nimirum glossarum, in quibus omnibns fere
Athenaeus ipse dtatur, indoles ea est, ut praeter nomen poetae nil
nisi tituli aliquot exhibeantur. Qua in re nullam idoneam causam
dispicio, cur cum Bemhardjo (Conment. de Suid. lex^ I, 5; IT, 9;
in, 4) hoc totum genus notationum posteriore demum aetate in
Snidam transmigrasse credamus: cuius quidem opinio hoc nno nititor
fundamento, quod eas Eudocia in suum nsum non conTcrterit (yide
etiam Yolkmannum I, 36).
Suidas vero in comoediarum titulis delibandis haud rare ita
versatus est^ ut hos eodem ordine enumeraret quo fortuito Athenaeus
diversorum comicorum frustulas conmemoravit. Quae quidem exempla
a me conlecta — nam omnia noluit enumerare Yolkmannus L L —
in uno conspectu ponam. s. TiiXeKXetbiic* 'A^q)iKTuov€C IX, 399a,
TTpuTdveic XIV, 639a, 648 e, Creppoi 656 e; s. NiKÖCTpaTOC*
TTdvbapoc (?)**), ^AvtuXXoc HI, 108 c, 118e, 'lepo^dYnc m, 110a,
*•) Libri praebent TTdvbapoc 6c kqI (d Kai) 'AvtvXXoc, in quihos Mei-
nekins (F. C. G. I, 348) iure delevit 8c Kai, sed idem pamm probabi-
liter redintegrayit TTdvbapoc vel TTdvbpococ (Ath. XllI, 687 d) xal
'AvTuXXoc Sic igitar Saidas solitam ezcerpendi ordinem dereliquisset,
quod vix est credibile; sed non inepte opinari licebit Athenaeom in
Übro 1 sive 11 titolum TTdvöapoc conmemorasse.
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De Soidae biographicornm origine et fide. 483
KXivn m, 111c, XI, 499c, "Aßpa IV, 135c, XIV, 664b, 'Hdoboc
Vn, 301c, AidßoXoc XI, 474 b, *AvT€pd»ca XI, 487 b, ^eKdxTi XI,
499b, c, MotTeipoc XH, 517 a, XIV, 664a, TTaTpittirm*») XV, 700b,
TTXoOtoc vi, 247 e, Cupoc XIV, 615 f, *ATreXauv6jii€V0C XIV, 664b,
VeubocTiTMariac XV, 685 d, TokictVic XV, 685 e. Nicostrati comoe-
dias apttd Athenaemn conmemoratas non omnes Saidas descripsit
(cf. Ath. VI, 230 d; XV, 700b; XIII, 587 d); in ceteris vero deli-
bandis — id quod nemodum animadvertit — bis Athenaemn per-
volavit, primum scilicet a TTdvbapoc (in libro I vel 11) usque ad
TTaTpidrrai (XV, 700 b), dein a TTXoOtoc (VI, 247 e) usque ad Vcu-
bocTiiTMaTiac (XV, 686 d); — s. OiX^xaipoc, ubi tituli praeter
unum K^<paXoc omnes apud Athenaeum occurrunt: 'AxiXXeöc XI,
474 d (qui deest in indice Athenaei Scbweighaeuseriano, sed cf. eun-
dem p. 232, Meinekium F. C. G. I, 1160), KopivGiaciric XIH, 569 a,
KüVTiTic Xni, 570 f; (cf. VH, 280 c, alibi), <DiXauXoc XIV, 633 e,
K^q)aXoc (in I vel II?), Tnpeiic III, 106 f, X, 430 d, OlvoTriuiv IV,
169 e, vn, 280 d, ''AvtuXXoc HI, 108 c, 118 e, 'ATaXdvrn X, 416 f,
Aa}iT[abr{<p6po\ X, 418 c. Qua in tabula excerpenda Suidam ita ver-
eatum esse existumo, ut primum libros XI — XIV, dein 1. III — IV,
tum 1. X evolveret, titulum autem 'AcKXnTriöc (VII, 342 a, XI, 487 a)
neglegenter omitteret.
s. 'ejtifivr\c' *Hpu)ivn XI, 469c; MvnMaTiov XI, 472 f, BaK-
XeCa XI, 498 e (sie recte Meinekius dedit, cum volgo legatur BdKxat).
s. "Gpi^oc- AtoXoc rv, 134 c, TTcXTacxyic IV, 137 d, McXißoia
vn, 302 e, XV, 693c.«>)
8. Mvnc()Liaxoc- lTnT0Tpöq)0C Vn, 301 d, 322 e, 329 d; IX,
402 f, 403d, Boucipic X, 417e, OiXnnroc X, 418b, 421b, c (et
iam antea), omisit tamen Suidas titulum AOckoXoc (Vin, 369 c).
s. TijiokXt^c, cuius tabulam expressit Volkmannus (I p. 35 sq.).
Sed prave Suidas duos eiusdem nominis poetas distinxit, id quod satis
explicabitur si illum Athenaeum bis perlustrasse meminerimus (pri-
mum nimirum libros IV et VI, dein iterum 1. VI, tum 1. Vni — X et Xni
inspexisse videtur, cf. etiam Bergkium Eist. Graec. Litt. I, 294, n. 54).
s. E^vapxoc BoirraXiwv (sie dedi e Eeinesii coniectura) II,
63 f, TTop<p\5pa VI, 225c, CKÜOai IX, 367b, X, 418 d, Aibu^oi X,
426 b, XV, 693 b, TT^VTaGXoc X, 440 e, 444 e, XIH, 569 a, TTpiaTioc
XI, 473 f, Tttvoc Xin, 559 a, CrpaTwiTnc XV, 679 e.
s. 0€Öq)iXoc, cuius indicem Volkmannus (I p. 36) descripsit.
s. 'Apx^biKOC* Öticaupöc VH, 292 e, 294b, Aia|LiapT(ivu)V
XI, 467 e.
••) Id quod cum Gaisfordio praeter omnem dnbitationem restituen-
dum eBt pro conrnpto iUo "Qt^c vel *Qr\c (cf. Ath. XV, 700 b), cum Mei-
nekius mihi non persuaserit scribendo OiXdtTic. — •") Legitur volgo apud
Suidam ific «piiav *A8/|vaioc iv tiJi d' tiIiv ö., sed libri tdr numerum exhibent.
Nonne sie emend&ndnm est: iv TCb te', quo teetimonio extremam solam
fabnlam (XV, 693 c), id quod conpluries nt, respexisse ille censendus est?
81*
484 A. Danb:
8. €ö<ppu)V Atcxpa Vn, 307e (cf. Meinekium 1. L 477), MoO-
cai Vin, 343 b, Cuv^qpnßoi IX, 377 d, Geiwpoi IX, 399b; titulum
autem TTapabibofJi^vii (in, 100 d) Soidas neglexit.
8. OoiviKibnc* 4>\3Xapxoc X, 415 e, Micoujii^vii XIY, 662 d.
8. AajLiöHevoc- Cuvrpocpoilll, lOlf, *eairrdvTT€veövH,468f.
8. Cuüirarpoc' ^iTHröXin-oc III, 101a, <I>ucioXötoc ibid., CiXq>ai
m, 101b, KviöCa m, 109 e, NexuCa IV, 160c, TTuXai IV, 176 b,
XIV, 649 a, 'Op^CTnc VI, 230 e, Oaicfi IV, 168 d, VI, 230 e, XV,
702 b (ceterum cf. Mu8. Rh. n. XXXV, 64).
8. TeX^CTiic- 'ApTU) XIV, 616 f, 'AcKXiim6c XIV, 617b.
8. Xaipi^^ujv, cuius tabulam cum Athenaeo Wachsmuthius
(1. 1. 160, n. 40) conparayit.
Praeter ea ezempla in quibii8 Athenaei ordinem 8e-
cutu8 est ex eodem Suid%8 titnlos petiit 8. *AptCTU)Vu^oCy
'HTnMWJV, AuciTTTTOC (sed cf. Volkmaniram I, 37), €övikoc, ^CTiiXu-
Koc, €u0UKXflc (tujv bpa^diiwv adroO dcriv "Acuiroi i^ *€mcToX4 ubi
duas fabulas distinguere malim), 0(XiinTOC, 'EmKpdTiic, Aiöbwpoc,^^)
Cxpdxiwv, Bdiiüv, 'eiriviKOC, Gcötvtitoc,^) AcSiKpdnic, eudiprcXoc,
NauciKpdrnc, Ccbqppwv. Denique tabolis aliunde desmnptis ex
Athenaeo hos titalos Suidas adnexnit: s. AioxXf^c, NiKOxdpric, NiKO-
<pÄv (cf. Wachsmuthium 1. 1. 148, n. 36), Cavvupiuiv (ibid. 162),
Cii)q>iXoc, Ti^ö9€0C (de cuius müyersa tabula perperam iudicarit
Volkmannus I, 37).
lam Tero si anquirimus, quae fides his omnibus ex Athenaeo
conpilatis titulis habenda sit, hanc optimam esse Ubere fatendum est.
Etenün omnia congessi exempla in quibus aliquod bpä^a ab illo citatur :
unde adparuit et duplicis comoediae inscriptionis et sicubi iudiciam
de auctohtate aliouius ambiguum erat singulorum auctonun habitam
esse rationem. Quae quidem res egregiam indicant originem. Sed
ipsum Athenaeum ausculta loquentem VIII, 336 e: ifd) yäp irXeiova
Tfic \xicr\c KaXou|i^VT]C KWjiiujbiac dvaTVOuc bpd^axa twv w'^)
Kol Toiirwv dxXoTdc 7roir)cd)Li€Voc oö TrepUruxov iifi 'AciüTobiba-
CKdXuj 'AX^Eiboc, dXX' oub' dvatpacpf^c diiuiO^VTi cuvoibo. o&re
Tdp 6 KaXXifiaxoc oöie *ApiCToq)dvQC aörö dv^TPö^av, dXX* oöbfe
•^) Ubi legitar yolgo ky hk t«J» ip^ q»T)clv ('AOfivaioc), ön xal *€ir(-
kXtipoc kqI TTavTiTupicrai, qui numeros perinde non quadrat atqoe iUe
quem reetitaenint S'. Qaare nescio an reponi praestet ^ . . ti|i |3', quo
in libro utrnmqne titulum laadatum fnisse suspicor. — '*) Titulum Kdv-
Tuupoc qui saepius nsu yenit addidisse yidetur Suidas; desideratnr carte
apnd Athenaeum. — *') Hie numerus fidem ezcedit. Nam Anonymus de
comoed. p. XXX (Mein. 1. 1. 1, 637) fabularum mediae comoediae nu-
merum x\t (617) fuisse prodit, quem Meinekiua (p. 271) cum Athenaei
yerbis sie conciliare stnduit, ut wit (817) conrigeret. Sed numemm
illum temptare non ausim, cum reputo mecum illud \u maiori numero
'lotnnde' significando aiiquotiens inseryire, yelut s. 'ApCcrapxoc (X^c-
rat hi TpdMfui imip \u ßißXia), et s. KoXXCfiUXoc (rd t^TPCifAfA^u ßißXia
imip rä \u).
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De Soidae biographicorum origine et fide. 485
o\ TQC £v TTepT(iM(p dvairpaqpdc iroiticdfievoi. Itaque tres auctores
eosque gravisBimos consuluit Athenaeus, Callimachi Aristophanis
Pergamenorum grammaticomm TrivaKac Ac multa praeterea exem-
pla luculenter evincunt Callimaclii dramatum insoriptiones ab illo
esse inspectas (cf. XI, 496 f). Pariterque indices scriptorum dXieu-
TiKWV (I, 13b), rei cnlinariae (XII, 516 c), beinviav dvaxpaqpwv
(I, 5 a), carminum cinaedioornm (XIV, 620. e) — quos praeter rei
culinariae scriptores Suidas descripsit s. KiKiXioc^ s. Ti/iaxibac, s.
CoüTdbric — alionun ex limpidis fontibus mvaKOYpdqpujv fluxisse
YolkmannuB (II, 717 sq.) subtiliter exposoit.
His igitur in rebus Suidas provindam suam band male administra-
vit. Sed in multis aliis qnam turpiter saepe peccaverit nemini pro-
fecto ignotom, atque uberius hie enarrare longum est quam multas
notationes sua ipsius culpa yel perturbayerit vel conglutinaverit vel
dissecuerii
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Indices.
I. Disputationis Summarium.
Prooemii loco qnaeationifl historia breyiter enarrator . . . 403 »q.
Caput I. Disputatur de Hesychio Mileno einaqne Onomato-
logi epitoma nmco fere Suidae fönte 404—410.
Cap. U. De Dionysio HalicamassenBi primaiio Heajchii in
yitiB poetamm et mnsicomm anctore 410—413.
Cap. III. De epicorum canninnm tabnlis e blbliothecanun
catalogis petitis 413 — 418.
Cap. IV. De lyricorum carminnm tabnlis a Dionjmo e CaUi-
machi potusimnm catalogia Hesjchio rappeditatis . . . 418 — 430.
Cap. Y. De Philonis Bjblii anctoiitate 431 — 457.
Cap. VL De AsclepiacUs Myrleani in yitis grammaticomm
anctoiitate adiectis quaestinncnUs de oratomm et histori-
comm librorom tabnlis 457—468.
'Cap. Vn. De fontibns ex qnibna Hesychins in vitis eomm
scriptoTum qni poat Hadriani aetafcem flomemnt haoBerit
qnaestiones selectae 468—470.
Cap. YÜI. De Demetrio Magnete ircpi ö^urv0flulv acriptore . 470 — 474.
Cap. IX. De oOroc yocabnü similinmqae apnd Snidam nan
et consilio 474—482.
Cap. X. Snidas qnid in vitis contexendis ipse praestitisse
videatnr 488—486.
n. Index glossanim tractatanmi.
'ÄTttOiac 479.
*A6piav6c 468.
AlcxCvnc 478. 479.
AtcxOXoc 477. 478.
A!cuiiroc 477. 478.
'Axdiaoc 469.
'AxoudXaoc rhet. 433.
'AKpuiv 480.
'AX^Eovöpoc Alrctioc 433.
436. 480.
— AItwX6c 457-. 479.
— MiXfjaoc 457. 478.
479.
'AXKMdv 430. 472. 476.
'Afifiilrvtoc gramm. 467.
— phiios. 480.
'Avaicp^uiv 430.
'AvoSonföpC&Tic 477.
'Avdxapac 480.
'AvT^puK 432. 433. 436.
'AvTiT€v£ftric 478.
'Avt(|üuxxoc 418. 477.
'AvriiraTpoc 477.
'AvTiqjdvi^c 411 not. 11.
'Aniuiv 432. 435. 470.
'AiToXivdpioc 469. 480.
*AiroXXöbu)poc gramm.
457.
*AiroAXöbu)po€ trag. 412.
'AiroAXUrvtoc AOacoXoc
439.
— TucEvcöc 433. 434.
435. 480.
'Apicrapxoc gramm. 457.
'Apicr^ac 417. 418. 476.
478.
'Apicrcibiic 468.
'ApiCTOTcixuiv 468.
'ApicroT^c 439 n. 39.
'ApiCTOKXv^c 433. 434.
'AptcröScvoc 452.
'ApiCTOT^TJC 451.
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A. Danb; Indices.
487
*ApiCT(KpdvTic com. 413
n. 12 b. 478.
— gramm. 410. 457.
•Apicnfrvuiioc 410.
*Apiu)V 430 n. 23. 450.
476.
*Appiav5c ep. 416.
— pbiL 451. 470.
'Apx^biKOC 483.
*Apxißi0C 433. 434. 435
et n. 54.
*ApxiT^v?ic 434.
'Apxtixac 480.
*AcKXr)indbric 451. 456.
457 et n. 47.
•Acitdcioc 468.
'Acn)5d^ac d v^oc 472.
*Aq>piKavöc 480.
'Axaiöc 473.
Baßpiac 475.
roprCac 479.
ru|iivdcioc 469.
Aai^dcTTic 467.
AafAÖH€voc 484.
Aa^6(ptXo€409n.8. 437.
Aatpihac 458. 480.
Aetvapxoc 468. 473. 475.
^r\\xdbr]c 476. 479.
A?m/|Tpioc MSiiwv 468.
— <t>aXr|p€Oc 477.
Afm^KpiTOC 444. 477.
AimocSdviic 473 sq.
AiQTÖpac 450.
Aibufüioc XaXK^VT€poc458.
— MouciKÖc 433.
AiKoiapxoc AaK€&at^ö-
vioc 458.
— CiKcXiiIfTiic 476.
Aiicnic 477.
AiOT€V€iavöc 434. 435.
439 n. 33.
AtoT^nc trag. 412.
— pbü. 474.
Aiö5uipoc com. 408 n. 7.
472. 480 et n. 61.
— bist. 431.
— pbü. 434.
AtOKXfjc 476. 484.
Aiovucid&i)c 461.
AiovOctoc 'AXcHavbp€Oc
433.
— 'AXiKapvacceiüc 431.
iun. 434. 435.
— ep^E 458,
AtovOaoc MiXfiaoc 467.
— TTepiUpiTfic 432.
— TÖpawoc phil. 472.
AiocKOpi&nc 431. 442.
Aiuiv XpucöcTO^oc 433.
435.
ApdKUJvgrainm.439ii.35.
Elpnvctloc (ndKaTOc)468.
'EicaTOtfoc *Aß5r)p(TT)c458.
'€XiKu(n/ioc sopb. 469.
*€^1T€5oKXf)c phil. 407.
480.
— trag. 407.
*€iTa(ppö&tTOC 433. 434.
436. 478.
*€inT^c com. 483.
'SniKoupoc 444.
*6TriKTiTroc 443.
*6it(Xukoc 408.
'en^cviönc 418. 478.
*€ir(viK0C 408.
'Eirixap^oc 447.470n.56.
479.
*€pac(crpaTOC 448. 475.
*€paT0c6dvnc 448. 457.
460.
"Cpicpoc 483 et n. 60.
'EpiüUXTÖpoc rbet.431.434.
435. 476.
"Cp^iTTiToc Bripi^Tioc 437.
eHboloc 427 sq.
CÖMoXiroc 414. 418. 478.
€öiroXic 418. 479.
€öptir(5nc(ve(iiT€poc) 472
et n. 58.
Eöc^ßtoc 407. 469.
€<kpop(u)vep. 414 et n. 13.
458.
€ö<ppu)v 487.
"E^iinroc 409.
"Ecpopoc 409.448.467.479.
— 6 veUiTcpoc 472.
Znvößioc 434.
ZnvöboToc 'AX€Eav6pei3c
458. 460.
— *6q>^aoc 467.
Z/|VU)v '€X€dTiic 476.
— KiTicOc pbü. 476.
'HpaicXeCbnc gramm. 432.
434. 435.
— pbil. 474.
*HpdKX€iT0C 480.
"Hpiwa 416. 472.
'Hpybbr)c 468. 477.
'Hpuibttxvöc 410 n. 10.
436 sq.
'Hdoboc 414. 443. 448.
476.
'Hcöxioc 404 sq.
eaXflc 450.
6d^upic 418.
de^icnoc 469.
GcÖTV^TOc 484 et n. 62.
G^otvtc lyr.423sqq. 449.
— trag. 473.
6€ob^icTiic trag. 453. 479.
— rbet. 468. 477.
Gcöbuupoc fabapcüc 432.
— pbil. 480.
GcÖKptTOC büc. 426 n. 20.
G€Öq>iXoc 488.
G€Ö(ppacT0C 445.461. 480.
G^cmc 412 et n. 12 a.
479.
Gduuv *AX€£avbp€Oc 431.
— Cibiimoc 469.
— co<piCT/|c 479.
GouKubibTic 476.
Gpacöfiaxoc 456 n. 46.
MdMßXixoc pbil. 469.
— sopb, 476.
Mdcujv pbil. 476.
'IßuKOC 430. 476.
Mbcttoc 418.
'iM^pioc 469.
'iTnroKpdTTic (I) 489 n. 38.
480.
*linroKpdT€ic 440. 448.
472.
"Ittituc 409. 467. 482.
*linnIrvaE 409.
'köloc 473. 479.
'IC0KpdTT)C 479.
"ICTpoc 436. 478.
'Iiwv 479.
'lii;ciTrroc 479.
Kdbiüioc 482.
KoXXCac 413.
KaXXi^axoc 457 sq. 460
sqq.
KapitlvDC 428 n. 22 a. 472.
Kdcrujp 409. 479.
KcKiXioc 482. 434.
K€(paX(u)v 434.
Kii<ptc6bujpoc 413.
KXeößouXoc 406.
KX€0(pa»v 412.
Köpiwa 430. 472.
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488
A. Daab:
Köpiwoc 418. 476.
KopvoOTOC 433. 485.
KpdTTic com. 413.
— gramm. 457.
— phil. 474. 480.
Kxndac 467.
Adcoc 478.
Acqti^nc 417.
AcOkuiv 413.
Aiiuv BuZdvTioc 475.
Atßdvioc 469.
Aivoc 472.
AoXXiavöc 434.
AouKiovöc 479.
AüifKCvic 458.
AüKoOpYOC 468.
AuKÖqppuJv 412. 477.
Audac 468. 477.
AOaimoc 477.
MdpK€XXoc 462.
MapcOac 458. 472.
McXaviinriftiic 472.
tAiXr\TOC 409.
M^iccoc 409.
M^vavbpoc com. 472.
MccofAf)&iic 434.
Mi^vcp^oc 427.
MvT|d|üiaxoc 483.
Möcxoc 458. 479.
MoucGt!oc*€X€udvtoc 418.
— '6(p^cioc 406. 416 sq.
Moucüdvioc 438. 485.
Nixavbpoc 414 sq. 458.
NiKdvwp 434. 435. 489
/ s. 84. 468.
NiKÖXaoc AaiiacKiivöc
432.
— rhet 406. 407.
NiKÖ^axoc trag. 412. 462.
NiKÖcrparoc com. 408 Bq.
409 n. 8. 482 et n.
58. 59.
— rhet. 468. 469.
NiK0(p(I»v 413. 461. 484.
NiKOxdpnc 413. 484.
Nou^if)Vioc 439.
HdvOoc 467.
E^vapxoc 488.
Ecvocpuiv 461. 482.
"Omtipgc 417. 446. 447
•OvdciMOC 469.
'Oirmavöc 476.
*Op<p€0c ep^S 416.
— KiKOVcrtoc 407. 418.
— KpoTUividTT]C 418.450
et n. 50.
— 'OöpOoic 411 n. 11.
418.
Oöncrtvoc 489.
OöXmavöc 469.
TTdKaxoc (€lpnvd!oc) 489
n. 36.
TTaXa((paToc Altiiirrioc
468.
HoXXdbtoc 469.
TTaM(p(XTi 410 n. 10.
TTd|yiq>iXoc gramm. 439.
TTavOactc 415.
TTdmroc 410 n. 9.
TTapO^vioc ep. 476.
— lyr. 427. 451. 478.
TTaOXoc AlifOimoc 469.
— TOpioc 484. 435.
TTcicavbpoc Ka^etpottoc
446.
— AapovbeOc 406.
TTcpiovbpoc 406. 480 n.25.
475.
TTCTPnc 478.
TTiv5apoc 422 sq. 448.
TTirraKÖc 406. 430 n. 23.
475.
TTXdTUiv com. 418. 477.
TTXoÜTapxoc hüt. 488.
435.
TToX^liUfv hist. 459 et n.
49. 467.
— rhet 467.
— rhet. (v€i(>T€poc) 406.
TToXOaivoc 482. 489 n. 32.
TToXußioc 449.
TTocciötinroc 447.
TTocciftiiivioc'AXe^avdpcOc
477.
TToTdfiuiv 'AXۣav6p۟C
432.
— MuTiXnvoaoc 482. 484
sq. 489 n. 32. 479.
TTpaxivac 479.
TTpoaip^cioc 469. 476.
TTpÖKXoc 407 sq. 475.
TTpu)TaT6pac 441. 452.
479.
TTToX€|yiatoc *AX€Sav5pc0c
(sie 1. c. conrigas) 434.
485.
— *AcKaXuJv(Tric 448.
— '€me^Tiic 457.
TTtoXc^oAoc Ku6i^pioc478.
— TTivftapCuiv 457.
TTuSaTÖpac 480.
TTu)X(uiv 'AXcHavbpe!tc
434.
Piavöc 443. 458. 477.
PivOuiv 452.
'P0O90C 484 sq. 440 11.40.
462.
CoXoOcTioc med. 482.
CawupCuJv 413. 484.
CaiKpU) 428 et n. 21.
C^€UK0c *6^iciivöc4088q.
409 n. 8.
Cftiüioc 468.
CißuXXm 417 sq. 444.
CtßOpTioc 478.
CtfAfitac 409.
Ct|biujv{5nc 'Ajbioptlvoc
406. 419. 442.
— Kdoc 427. 478.
CxoncXiavöc 433. 435.
CöXuiv 406. 477.
CocpoKXfic 477. 478.
CirCvOapoc 412.
CrncCxopoc 480. 449. 477.
CTpdßwv 432. 442.
Crpdrnc com. 413.
Cupiav6c 407 sq.
CtlmaTpoc com. 479.
— soph. 484.
Cujpav6c(I)434.439n.87.
440 n. 41.
Cuidßtoc 458.
CuidOeoc 461.
Cujo^dvric 408.
Cuirdbric 478.
Cumipibac 410 n. 10. 489.
TcX^crnc 484.
T^piravbpoc 448.
TTiXcicXcibric 482.
T/|X€<poc 437.
Ttjüiair^c 431. 434.
Tiiüiildecoc 412.
Ti|yi6e€0c lyr. 428 sq. et
D. 22 a.
— com. 477. 484.
Tt|üiOKXf)c 488.
TljLAOKpdUJV 408.
TCfbiujv 454.
Tp0(pujv458 et n. 48. 460.
Tupawiuiv *A|üiia)vöc458.
— <t>o(vi£ 481. 484 sq.
461. 472.
TupTcßoc 430.
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Indices.
489
TiraTia 476.
Tirepdftnc *06.
<t>aßuiptvo€ 461. 476.
<t>a(buiv 478.
<t>€p€ic06iic *A0r)vcAoc473.
— COpioc 480.
OiX^raipoc 461. 483.
0a/))Liuiv 408. 476.
OiXmidÖTic 408.
0iXicKoc com. 413.
0iXiCTiu)v 457.
OiXoKXffc 412. 461. 477.
0iX6£€voc \jT. 428. 478.
4hX6xopoc 407.
<t>iXOXXioc 413.
<t>{Xujv BOßXioc 438 et
n. 28.
— 'loubotloc 462. 475.
<t>iXun^i6ilc 413.
<t>X^TUfv 431. 436 n. 25.
0oiviic{&iic 484.
<t>6p|üioc 413.
0pOvixoc trag. 412. 479.
0pOvtxoc com. 418.
<l>OXapxoc 467.
Xaipifi^ujv 473. 484.
Xdpu)v Aa^Miaicnvöc 446.
467.
Xiuivi&nc 413. 461.
XoipiXoc ep. 415 iq.
XpucdvOioc 469.
mi^v 457.
'Qpiufv 468.
*Öpoc 460.
in. Index scriptorum et rerom.
Alexandrini grammatici, yide s. Gallimachus.
Asclepiadis Myrleani irepl TP^^m^TiKuiv opus 457 sqq.
Athenaei Deipnos. VI, 252c tractatnr 419; VIII, 336 e item 484 sq.
— in fabulis citandis aactoritas 484 sq.
Gallias de Sapphone et Alcaeo egit 428 n. 21.
Callimachi cmae pinacographicae 420 n. 15 sq. Gallimachi invaKCC libro-
mm tabnlas xard croix^ov ordinatas condidere 411 sq. 414 sq. 460.
463 sq. 467 sq., iidemqne lyricamm inprimis notationam ieoenmt
fondamentam 419. Callimachns in catidogis istis de vita qnoqne
scriptorum pauca adnotasse videtur 419 sq.
— operom tabola 460 sqq., ex Asclepiadis o^ere ircpl TpaMM<XTiKCtiv petita
465, singnli ütali qua ratione adomati faerint 462 sq., opera ipsa
enarrata 465 sq.
Chamaeleon ircpi Cair<poOc 428 n. 21.
Comoediae qnae nnncnpatnr mediae fabolae qnot foisse yideankur 484 n. 63.
Damopkili qitXößißXoc 437.
Demetrins Magnes ircpl öfüiujvO^urv scripsit 470 sqq. Volkmanni de huios
anctoritate opinio redargnitor 471 sq.
Didymns qni dicitnr mnsicos viz est anctor notationam apnd Hesychinm
lyricarom 419 et n. 14 b.
Dionysii Halic. rhetoris de Gadmi Aristeaeqne scriptis indicinm 417.
Dionysius Iv toIc xpoviKolc? 472 n. 58.
Dionysii Halic. innioris mnsica historia ab Hesychio adhibita 410 sqq.
Qiios fontes Dionysius adierit 411 sq., is de grammaticis yiz egit 410 n. 10.
Dionysins Phaselita 411 n. 11.
Ephori aetas 429 n. 22 a.
Epigenis stadia Orphica 416.
Endociae Violarii fontes 424 et n. 17.
Endocia s. 6^otvic 425, s. *6iTixap^oc 425 n. 18.
TTcpl ebpvwidrwv notationes 480 sq.
Etym. Magn. s. 'And^eia 436 et n. 27.
Hadriani aeyi biographi 435 sq.
Heliconii XPOviicf| ^mrofi/i 468 sq.
Heraclidis Pontici in Thespidis tragoediis frans 412 n. 12 a.
Hermippi Berytii anctoritas 428. 434. 436 sqq. et n. 25—27. 477 sq.
Hermippns Philonis Byblii assecla 436 n. 27. 438 n. 29.
Hermippns Berytins et Gallimacheus inter semet düthigaendi 436 n..26.
Hermippi Gallimachei stadia 463 n. 51.
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490 A. Danb: Indices.
Herodianus et Philo BybliuB 440 n. 42.
Hesychii Mileiii OnomatologaB 404 sq., eins epitoma ab alio confecta
408 sq.
Pfendo-Hesychiaaus libellus 414 n. 2.
Laert.Diog.yin, 8,1 p.419Bq. NietsschiideLaertüfontibiuiiidiciiiin 470 eq.
Lobonis Argivi enspecta fides 430 n. 28.
Lndani 'ßUuv irpdac' 436.
LynmachQs OcoöiOpetoc 420.
Ordo alphabeticns non serratos niri in scriptis einsdem generia recen-
Bendis 414.
Onbasii schol. m 687 Daremb. tractatur 437.
Pergamenomm hominmn docta sodetas 417.
Peripatetici nom Pindaro operam navarint 422 sq.
Phüipp imperium lirox^tc vicibuB fongitor 428 n. 22 a.
Phi^^is Bjblii auctoritag 431 sqq., qua ratione is singiilos acriptores
disposuerit 436, eins aetas 437 n. 28, opera 438 et n. 30—31, libri
irepi icr/|C€UJC k. t. X. 438 sq., in medicoram vitis Hesycliio adhibiti
439 sq., opns ircpl iröXcurv k. t. X. 440 sqq., cnios fragmenta in Stephani
Byz. Ethnicis extant 441 — 454, praeterea in Suidae biographicis
466 sq. Philo nom ircpl iaTpiDv seorsnm egerit 438 n. 30, ßohdii de
Philone Hesjchioqne opinio adnmbrata 440 n. 43, qaem ad modam
Bcriptores apud Stephanom Bya. conmemorati ordinaü fnine yide-
antor 464 sq., de Philonia fontibos 466 n. 46 c.
Photii de Pamphila testimonium 411 n. 10.
PindaroB Tide s. Peripatetiei.
Prod. in Pannen. Cons. 5 p. 420.
Rofds Dionysii mosicae historiae confecit epitomen 411. 418.
Sorani duo 439 et n. 37.
Stephanas Byzantias nnde pendeat 440, de Nieaü disputatione Stephaniana
fertnr indieium 441 n. 44. Steph. Bya. s. MiXnroc 429 sq. n. 22 b,
dein nonnollae aliae einadem glosaae tractantnr 464 — 466.
Apnd Snidam qua ratione 6fMi»vu^ol scriptores diepositi sint 407 n. 6.
Nonnullarum yocum usus Snidianus in fontibus eruendia nonnnn-
quam respiciendua (xal aöröc vel xal oOroc simil. 406 sq. 408. 471 sq.,
Kai TaOra 461 sq., ^^irapdOcroc 408 sq., imK& 423, aive ^mxuic 425
n. 18, aeu bf fi^pip 453, xal — Kai 426 n. 19, |ivTi|jioveu€iv 412, vOv
466 n. 46, 5c, 5ciTep, 5cnc 433 et n. 24, oOtoc nee non xal, bi woi
fontem indicant 474 sqq., tipdrrctv sim. 413 n. 12 b). Glosaae ali-
quot Suidae culpa conmsae 409 sq. Glossae ab ipso Suida ex
Athenaeo excerptae enumerantur 482 sqq.
Tabulae übrorum alphabeticae e bibliothecarum catalogia petitae 411 a^ .
464. 467. 485^ eaeque tragoediarum 412, comoediarum 412 aq., epi-
corum carminum 414 aqq. (tabula Nicandri 414 sq., Enphorionis 414),
in his quae suspectae videntur 418, lyricorum 418 sqq., in quibua ex
argumento dispoaitae 421 sqq. (tabula Pindari 422 b<}. Theognidea
423 sqq.), ad litterarum ordinem recensitae 427 sq., aUus disponendi
rationis exempla 428 sq. 466, historicorum oratorumque librorum
indices 467 sq., tabulae a Philone Byblio repetendae 439 sq., ab ipsia
auctoribua conpositae 460.
Theophraati operam tabnla Laerüana 463 n. 61. 464.
Theognidia carminum conlectionia aetaa 426.
Theonis (Pappique) aetaa 410 n. 9.
Timothei lyrici aetaa 428 n. 22 a.
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DAS VERHÄLTNIS S
DER
GRIECfflSCHEN VASENBILDER
zu DEM
ÖEDICHTEN DES EPISCHEN KYKLOS
VON
BL LUCKENBACH.
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Folgende Arbeit ging aus einer Preiaanfgabe der philoBophisehen
Facolt&t der EaiBer-WilhelmB-Uniyergit&t zu Strassbnrg hervor. Später
habe ich dieselbe nach Rücksprache mit meinem hochverehrten Lehrer,
Herrn Professor Dr. Adolf Michaelis, einer theil weisen üeberarbeitong
nnterzogen; und kann ich nicht unterlassen, demselben fSr die stete An-
reguig und Unterstützung meinen aufrichtigen Dank anszusprechen. —
Die fragmentarische Form, in der die Arbeit erscheint, liegt theils in
der Natnr der Aufgabe, theils hat sie ihren 6nmd in dem Bestreben«
kurz zu sein nnd die Wiederholung von bereits anderweitig Gesagtem
zu vermeiden.
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Seitdem mit dem An&nge tuiBeres Jahrhunderts und besonders
seit den grossen Yolcenter Funden das Studium der bemalten grie-
chischen Vasen einen neuen Aufschwung nahm, tauchte mit der
Deutung der Gemälde und ihrer Erklärung nach poetischen Quellen
die Frage auf; ob dieselben uns nicht hie und da Handhaben zur
Ergänzung vieler lückenhafter liierarischer Quellen bieten könnten.
Besonders waren es die Oedichte des epischen EjkloSi für welche
man in den Yasenbildem einen Ersatz zu finden glaubte; und in
nicht geringem Masse hat Welcker in seinem Buche über den epi-
schen Ejklos und anderweitig mit Hülfe der Yasenbilder die verloren
gegangenen Epen zu reconstruiren versucht. Andere Gelehrte sind
ihm gefolgt, und bis auf den heutigen Tag werden ähnliche Ver-
suche vielfach angestellt; nicht immer mit Glück. Denn die Vor-
arbeit^ auf die eine solche Benutzung sich gründen sollte, d. h. eine
Untersuchung über das Verhältniss der Vasenbilder zu den Gedichten
des epischen Ejklos ist bisher im Zusammenhange noch nicht unter-
nonunen worden. Und doch kann ein Schluss von Bildern aufs Epos
erst dann gemacht werden, wenn dieses Verhältniss ins klare Licht
gestellt ist. Daher kommt es denn, dass Welcker und andere zwar
oft das Richtige erkennend, aber auch vielfach irrend in der Be-
nutzung dieser bildlichen Quellen nur theil weise begründete Ansichten
vorbrachten. Der angedeutete Mangel hat die folgende Untersuchung
hervorgerufen. Es soll in methodischer Weise imtersucht werden,
wie weit sich eine Abhängigkeit vom Epos für die Vasenbilder er-
weisen lässt, wie weit anderweitige Quellen anzunehmen sind, wie
weit endlich selbständige Erfindung oder Willkür der Maler mit-
gewirkt haben mag. Von den Gedichten des epischen Ejklos sind
uns etwas genauer nur diejenigen bekannt, welche den troischen
Sagenkreis behandelten, also ausser den beiden homerischen Ge-
dichten die Eyprien, die Aithiopis, die kleine Ilias mit der Iliupersis
des Lesches, die Iliupersis des Arktinos, die Nosten und endlich die
Telegonie. Aber nicht aUe diese Gedichte werden gleichen Raum
zu beanspruchen haben. Vor der Ilias und den Eyprien werden die
übrigen Epen mehr oder weniger zurücktreten; die Nosten und die
Telegonie werden vollends gar keine Berücksichtigung finden, da
auf diese beiden Epen kein einziges Vasenbild mit Sicherheit zurück-
geführt werden kann.
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494 H. Lnckenbacb:
Fttr eioe solche Untersachung wie die vorliegende kann es aber
nur eine richtige Methode geben. Aus denjenigen Yasenbildem, zu
denen uns die Quellen noch vorliegen, müssen die Grundsätze f&r
das YerÜEihren der Maler eruirt werden. Die Gedichte des Homer,
die Dias und Odyssee, und ihre Benutzung seitens der Yasenmaler
müssen uns also den Massstab an die Hand geben, nach dem die
Vasenbilder mit Scenen der übrigen Epen zu beurtheilen sind, und
nach den dort erkannten GrundsStzen wird man mit Sicherheit auch
diese, soweit es aus den Yasenbildem möglich ist, ergSnzen können.
Zwei Gesichtspunkte sind es nun, die sich oftmals kreuzen
werden. Wir fragen erstens, welches die Quellen der Yasenmaler
waren und zweitens, wie weit sich dieselben an diese ihre Quellen
banden, wie weit sie ihrer eigenen Schaffenslust freien Lauf gestatteten.
Es wird dabei zweckmässig sein, die Perioden der Yasenmalerei
zu sondern und für jede die gleichen Fragen zu stellen. Drei Pe-
rioden aber können für unseren Zweck nur in Betracht kommen,
die archaische, die rothfigurige attische und die unteritalische oder
malerische. Die Bildwerke dieser wenn auch noch so verschiedenen
Epochen werden im Wesentlichen das gleiche Resultat ergeben.
Bei einem üeberblick nttmlich über die gesammten Bildwerke ergibt
sich als Beantwortung der Frage nach der Art der Abhängigkeit
der Yasenbilder, dass nicht allein Malerei und Poesie sich oft in
ihrem innersten Wesen unterscheiden, sondern auch dass die Malerei
sich viel freier zu den Epen stellt, als bisher gewöhnlich angenommen
wurde, dass die Poesie dem Künstler nur den Stoff bietet, den jener
bisweilen in engem Anschluss an die Poesie, meist aber vollständig
frei zu seiner Darstellung benutzte. Es lag meistens gar nicht in
seiner Absicht, die Poesie möglichst getreu wiederzugeben; er wollte
keine Illustrationen zu den Klassikern liefern, und ganz fem lag
ihm darum auch jedes darauf gerichtete Studium. Was in seinem
Geiste lebte und webte, was er den Rhapsoden hatte vortragen
hören y was er im Theater erblickt hatte, das zeichnete er hin, im
Stoffe sich an die Poesie anlehnend, sonst aber nach seinem Belieben
die Scene ausstattend. Er wählte den Moment und wählte die Art
der Darstellung, hier auslassend, dort hinzufügend, wie es eben die
Malerei verlangen mochte. Daneben steht der andere Gesichtspunkt,
welches denn die Quellen des Yasenmalers waren, und darauf ergibt
sich die kurze Antwort, dass in Bezug auf den troischen Sagenkreis
Epos und Tragödie allein auf die Bildwerke der Vasen von Einfluss
gewesen sind: das Epos für alle drei Perioden, die Tragödie erst seit
dem Beginne der rothfigurigen Technik. Die Lyrik und die ale:aai-
drinische Poesie sind ohne Einfluss auf die Mythengestaltung, soweit
sie in den Yasenbildem vorliegt, geblieben ; Lokalsagen treten nirgends
hervor. Zur Begründung und näheren Fixirung der aufgestellten
Behauptungen ist eine Rundschau wenigstens über die wichtigsten
der in Frage stehenden DenkmiQer unerlässlich.
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Verb. d. gr. Vasenbilder z. d. 6ed. d. ep. EykloB. 495
I. Yasenbilder, deren epische Qnellen erhalten sind.
A. 8 1. Archaische Vasen.
Von fundamentaler Bedeutung für die Frage, wie weit die
Yasenmaler sich dem Epos angeschlossen haben, sind die
Leichenspiele des Patroklos
auf der Fran^oisvase. ^)
Wir schicken den Inhalt derselben nach der Ilias yorans und
werden dann den Vergleich zwischen der Vase ond Homer ziehen.
Zu Ehren des Patroklos veranstaltet Achilleus ein Wagenrennen
(W 258). Von den Schiffen Ittsst er die Preise holen, die in den
verschiedensten Gegenst&nden bestehen (259 ff.): vriurv b* JKcpep'
&€6Xa X^ßrjTdc t€ Tpinobäc T€ | timouc 6' fmiövouc t6 ßowv t*
Tq>6ijiAa Kdprjva | i^b^ T^vaiKac tijl^byovc iroXiöv T€ dbripov. Fünf
Preise setzt er aus; worin jeder bestand, wird in den folgenden
Versen erw&hnt (262 — 270). Fünf Achfter betheiligen sich am
Kampfe. Diomedes erringt den ersten Preis; ihm folgen Antilochus,
Menelaos, Meriones und endlich Eumelos (499 ff.). Nicht in wenigen
Worten wird das Bennen geschildert, sondern ausftlhrlich beschrieben.
Wie Meriones stürzt, Antilochos den Menelaos in jugendlichem üeber-
muthe zu überholen weiss, wie der zürnende Menelaos sich mit ihm
aussöhnt, das wird alles lebendig und mit reichen, individuellen
Zügen, die sich leicht einprägen, vor Augen geführt.
Gänzlich abweichend ist die Darstellung auf der Vase. Vor .
dem Pfeiler, der im Wettlaufe um&hren werden musste, sprengt
Hippo[med?]on*) als letzter der fünf Helden, die sich am Wett-
kampfe betheiligen, auf dem Viergespanne einher neben einem Kessel
vorbei, der als Siegespreis am Boden steht. Ihm voraus Damasippus;
auch unter seinen Bossen ein Siegespreis, ein Dreifuss. Beide hat
Diomedes überholt; diesem voran Automedon, dessen Wagen und
Rosse jetzt gänzlich zerstört sind. Ebenso sind von des Odjssens
Wagen nur die Pferdeköpfe erhalten. Ob unter den Gespannen der
drei vordersten Helden Preise gemalt waren, lässt sich wegen der
Zerstörung der Vase zwar nicht mehr erkennen, darf indessen an-
genommen werden. Achilleus empfängt den Sieger, einen Stab in
der Linken haltend; hinter ihm steht ein Dreifuss.
Wie in der Ilias sind es auch hier fünf Wettfahrer; Dreifüsse
und Kessel werden auch dort als Preise angegeben QV 259. 264.
267); ebenso finden wir den Diomedes im Epos wie im Vasenbilde.
Dagegen zeigt sich in den übrigen Namen die grösste Abweichung.
Automedon und Odjsseus, beide sonst aus dem Epos rühmlichst
^ Zuletzt ausführlich besprochen von Weizsäcker Rhein. Mus. 1877,
p. 32—67; 1878. p. 364—399. Abgebildet tncn. IV, 54—58. Arch. Zeit.
18ßO, Taf. 23. 24. Conze, Vorlegebl. II, 1—6. — ■) So ergänzt Heyde-
maim, Mittheil, aus ital. Antikens. p. 84.
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496 H. Lackenbftcli:
bekannt, nehmen hier theil; Damasippos und Hippomedon sind dem
Epos ganz fremde Namen. Woher diese Abweichungen? folgte der
Künstler hier einer anderen Quelle oder hat er aus reiner Willkür
die Sache absichtlich entstellt? Eeins von beiden trifft zu. Einzig
und allein ist die Verschiedenheit durch die mangelhafte Erinnerung
an die Einzelheiten der Ilias hervorgerufen. Dass Achilleus Leichen-
spiele veranstaltete, wusste der Künstler sehr wohl ; die Namen der
einzelnen Personen, die am Wettrennen theilnahmen, waren ihm
nicht erinnerlich. Er wählte also beliebig aus unter den Helden der
Ilias. Möglich, dass Diomedes im Anschluss an die Poesie hier
seinen Platz gefunden, obwohl er ja derselben zufolge an der Spitze
fahren müsste. Ihm gesellte der Maler den Odjsseus zu, der so oft
in Kunst und Poesie mit ihm zusammengestellt wird, und den Auto-
medon, der als Wagenlenker des Achilleus bekannt war. Die Namen
Damasippos und Hippomedon nahm er aus der reichen Fülle der
Namen y die sich darboten. Recht gut hat er gefühlt, dass sie
eigentlich nicht in die Darstellung passen; als vierten und fünften
lässt er sie den homerischen Helden folgen. Ihre mit Tttttoc zu-
sammengesetzten Namen waren besonders passend für die Bosse-
lenker. Es ist eine zu bekannte Thatsache, dass die Maler gern
nach einer charakteristischen Function ihre Personen benennen, als
dass hier weitlftuftig darauf zurückzukonmien nöthig wäre.^) Dass
aber grade in mythischen Scenen mit besonderer Vorliebe mit Tthtoc
zusammengesetzte Namen ^ gewählt werden, ist noch nicht gebührend
hervorgehoben. So unterstützt im Kampf um Patroklos' Leiche der
Troer Hippasos den Aineias (Overb. XVIII, 3 attisch). In der
korinthischen Vase atmäl. 1862 tav. B hat Hippokles den Aineias
in den Kampf begleitet (vgl. unten p. 537). Auf der gleichfalls
korinthischen Vase man, X, 4, 5 heisst ein Stallknecht des Amphia-
raos Hippotion^), und in einer anderen Darstellung desselben Ge-
fässes ist unter den Helden, welche sich an den Leichenspielen des
Pelias betheiligen, auch Hippasos, dem freilich Bobert, amial. 1874
p. 96 heroische Bedeutung als dem Vater des Argonauten Aktor
beilegen mochte, wie ich nach obigen Analogien glaube mit unrecht.
Denn abgesehen davon, dass dieser Hippasos doch wenig bekannt
sein möchte, ist es auffällig, dass er grade als der letzte fährt Der
Künstler hat nämlich diese geschaffenen Helden in den Hintergrund
gestellt d. h. sie dann angewandt, wenn ihm die bekannteren Namen
*) Vgl. Jahn, Münchener Vasen p. CXVII ff. Heydemann, com-
mentat. in hon. Mimmseni p. 164. — *) Wie beliebt derartige Namen
waren, zeigt Aristophanea in den Wolken v. 68 f. (Pheidippides). Nach
Fick, griech. Personennamen p. VIII gibt es nicht weniger als 122
Namen, die auf -unroc auslauten; in 40 Namen bildet Yinr- den ersten
Bestandtheil der Zusammensetzung p. 179. Dazu kommen noch mehrere
Kosenamen p. 116 f. — ^ Beiläufig bemerkt halte ich auch den Hali-
medea nicht für eine in der Sage beg^ründete Person; schon die Zu-
sammensetzung des Namens lägst dies vermuthen.
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Verh. d. gr. Vasenbilder 2. d. G^d. d« ep. EykloB. 497
ausgegangen waren. In einer dritten korinthischen Yase {mon,
1855 t(w. 20. Conze, Vorlegebl. ÜI, 1) befindet sieh neben dem
Wagen des Hektor ein Hippomachos, wie ich mit Jahn^) feet flber-
zeugt bin, nicht der Ilias M 189 erwfthnte Troer, sondern vielmehr
ein Tom Maler geschaffener Held. Ohne heroische Bedeutung bleibt
auch Echippos auf der chalkidischen Vase Orerb. xXfTT, 1, den
schon Overbeck p. 581, 84 einen Vertreter der troischen Menge nennt.
Charakteristisch ist es wieder, dass Echippos hinter Glaukos, Paris,
Aineias und Leodokos als letzter den Kampf abschliesst. In korin-
thischen, chalkidischen und lüteren attischen Vasen finden wir diese
besondere Namengebung der Maler.
In allen Personen auf unserer Vase sind demnach Abweichungen
vom Epos, und jeder etwaige Btlckschluss wSre verkehrt. Freilich
wenn der Vasenmaler keine Namen beigeschrieben hfttte, dann wfirde
wohl nie ein Zweifel die Seele des Interpreten beschlichen haben,
ob denn auch wirklich die fünf Helden grade die der Ilias seien, und
ob der Maler auch ganz genau Bescheid gewusst hStte. Auf diesem
Principe beruht auch heute noch die Vorliebe, mit der man Figuren
der Vasenbilder zu benennen pflegt Bei so manchen Personen, für
die man Namen aus den Epen gewählt hat, sind dieselben nicht
mehr berechtigt, als wenn wir in unserem Bilde trote der Inschriften
die homerischen Helden in den WagenkiAem sehen würden. Ge-
wiss wflrde dem Maler wenig darauf angekommen sein, etwa statt
des Automedon den Aias oder irgend einen andern Helden hinzu-
malen; aber grade weil er kein Gewicht auf die Namen der einzelnen
legte, zum grossen Theil deshalb, weil er die homerischen Namen
nicht im Gedächtnisse hatte, dfirfen wir nicht immer mit Namen so
freigebig sein. Eine ganz andere Frage ist es, ob wir nicht vielleicht
an sich passend und in üebereinstimmung mit Homer diesem oder
jenem Manne einen Namen geben können, und ob der Maler auch
selbst diesen hat darstellen wollen. Hier bei diesem Wettrennen
kam wenig darauf an, wer denn eigentlich sich betheiligte, und des-
halb verfuhr der Maler wie es ihm gut schien, wie es ihm der
Augenblick eingab.
Bei diesen Abweichungen wird es fraglich, ob die Ueber-
einstimmungen nicht auch nur auf dem Zufall beruhen, — und das
ist ganz gewiss der FaU. Von Diomedes war schon oben die Bede.
Uebereinstimmend ist femer die Zahl der Wagenlenker: allein wenn
der Efinstler sich nicht um die Namen kümmerte oder dieselben
nicht kannte, dann war die Zahl ihm erst recht gleichgültig. Hätte
es ihm der Raum gestattet, er würde wohl auch 6 oder 7 Gespanne
gemalt haben. Wenn endlich Kessel und Dreifüsse als Siegespreise
aufgestellt sind, so ist auch hier keine oder nur eine ganz allgemeine
*) A. 0. p. CXIX, 871. Namen auf -moxoc gleichfalls sehr beliebt
Jahn p. GXIX f., 871. 880. 881.
Jahrb. f. cU«. Phüol. SuppL Bd. XI. Digitizl^byGoOglC
498 H. Lackenbach:
homerische Erinnerung anzunehmen; der Künstler malte Kessel und
DreifUsse und zwar unter den Pferden, weil ihm diese Gegenstftnde,
die übrigens yon Homer so hftufig genannt werden, passend schienen
und er sie aus eigenen Erlebnissen als Siegespreise kannte.^)
Durch diese Vase werden wir zur ftnssersten Vorsicht bei der
Ergänzung der Epen aus den Vasenbildem gemahnt: nur die nackte
Thatsache würden wir erschliessen können, dass Achilleus einmal
Spiele veranstaltet hat
Eine letzte Betrachtung erheischen die Viergespanne. Bei Homer
findet das Wettfahren auf Zweigespannen statt (V B62. 40S), wie
denn überhaupt das Viergespann nicht im Gebrauche ist Selbst
Eos erscheint in der Odyssee mit 2 Bossen (i|i 246). Nur ein Vers
bildet eine Ausnahme (6 185), der deshalb von Aristarch ftbr un-
echt erklftrt wurde. Unbekannt freilich sind dem Homer die Vier-
gespanne nicht; wie A 699 und v 81 bestätigen, waren dieselb^i
schon sehr frühe bei Kampf- und Leichenspielen üblich.*) Wenn
aber trotzdem dass die homerischen Krieger sich immer des Zwei-
gespannes bedienen, die Vasenmaler abweichen, so liegt hierin wieder
der Einfluss der Zeit. In Olympia begann, wie wir aus Pausanias
wissen (V, 8, 7. 10), Ol, 26 das Wagenrennen mit vier Pferden;
dagegen erst OL 93 mit zwei Pferden. Von Korinth, dem Haupt
der älteren Vasenmalerei, liegen, so yiel ich weiss, ähnliche üeber-
lieferungen nicht vor ; aber voraussetzen dürfen wir, dass die isthmi-
schen Spiele wesentlich eine Nachahmung der olympischen waren,
und dass hier wie dort das Viergespann in der tüteren Zeit üblich
war. Bestätigt wird dies durch Pindar, der den Herodot wegen
seines Sieges mit dem Viergespann in den isthmischen Spielen ver-
herrlicht (I. 1, 12). Wie sehr die Vasenmalerei dadurch beeinflusst
wurde, zeigt die einfache Thatsache, dass im Kataloge der Peters-
burger Sammlung 61 Vasen Viergespanne aufweisen, während diesen
nur die geringe Zahl von 8 Zweigespannen gegenübersteht Dazu
bezieht sich keins dieser 8 Vasenbilder auf mythische Gegenstände.
Nur wo die Zweizahl der Bosse charakteristisch ist, wird dieselbe
beibehalten, wie bei den Bossen des Bhesos Overb. XVII, 5.^
Ohne Bedenken haben wir als Quelle des Vasenbildes die Ilias
angesehen. Andere haben an den Einfluss jüngerer Poesie gedacht
Overbeck (p. XIH Anm. 4) hält es für wahrscheinlich, dass der
Bilderreich thum der Fran9oi8vase lyrische Grundlage habe, und
Bergk^) lässt es unentschieden, ob wir die Abweichungen der freien
>) Vgl. z. B. Pindar I. 1, 16 ff.:
hf T* d^eXotci e(T0v irX€(cTUJV äydjvütv
Kai Tpiirööecciv ^KÖc^^cav 6ö|biov
Kai X€ßi^T€cciv 9idXaid tc xP^oO.
— ») Vgl. Bucbhola hom. Realien I, 2, p. 176 ff. — •) Overb. — Over-
beck, Bildwerke zum Thebischen und Troischen Heldenkreis. — *) Griech.
Litg. p. 486.
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Yerh. d. gr. Yasenbilder c. d. Ged. d. ep. Kykloa. 499
Erfindiisg des Zeichners oder der Einwirkmig jüngerer Poesie, welche
die Homerische Erzählung umgestaltet hfttte, zuschreiben sollen.
Allein ist es denkbar, dass andere Poesie die Darstellung des Homer
ohne jeglichen Grund in dieser Weise umgeändert haben sollte?
Hat es auch nur einen Schein von Wahrscheinlichkeit für sich, dass
ein anderer Dichter solche blasse Schemen wie den Damasippos und
Hippomedon mitfahren Hess? Die Annahme einer anderen Quelle
gründet sich eben auf die Voraussetzung, dass der Maler sich enge
an eine poetische Quelle anschloss. Von diesem Grundsätze aber
ausgehend würden wir für die meisten Bildwerke eine uns unbe-
kannte Quelle constatiren müssen. Grade bei Personen, deren
Function nicht charakteristisch ist, treten oftmals dergleichen Ab-
weichungen ein. In einer gleichfalls sehr alten Vase (Gerhard, etr.
u. kamp. Yas. Taf. 13) holen ausser Menelaos Odysseus und Mene-
stheus den Achilleus aus der Heimath ab. In einem anderen Bilde
(Overb. XVIII, 3) kämpfen ausser Aias und Hektor auch Diomedes
und Hippasos um den todten Patroklos. Eigenthümlich wäre es,
wenn in diesen wie in so manchen anderen Bildern grade jüngere
Quellen, nicht aber Homer und Stasinos zu Grunde liegen sollten.
Allein es ist unstatthaft, an eine andere Quelle zu denken; nur muss
man das Wort Quelle richtig auffEissen. Woher der Maler die Sage
kannte, können wir gar nicht wissen; im Volksmunde lebten die
homerischen Erzählungen fort; yod Jugend auf war jeder in diesen
Sagen wohl bewandert Ob der Maler den Homer einmal selbst ge-
lesen^ darf billig bezweifelt werden; ob er einen Bhapsoden die Er-
zählung hatte vortragen hören, ob er dadurch zur Darstellung an-
geregt wurde, oder ob nur die allgemeine Eenntniss der Sage, die
er von Jugend auf hatte, ihn zur Darstellung bewog, ist schwer zu
sagen und im Grunde auch gleichgültig. Aber die Sage, die im
Volke lebte, wurde genährt und gestärkt durch die schriftlichen
Aufzeichnungen. Wenn die Argonautensage so wenig von den älteren
Vasenmalem beachtet worden ist, so haben wir den Grund im
Fehlen einer schriftlichen Tradition zu suchen. Es gab eben keine
poetische Leistung, die die Thaten der Argonauten besang und die
im Volke Wurzel geschlagen hätte, und jüngere Dichter, etwa die
Lyriker, haben es nicht verstanden, das Volk in gleicher Weise wie
die Epiker zu fesseln, unbedenklich also werden wir als Quelle des
Vasenbildes den Homer ansehen dürfen.
Von nicht geringerer Bedeutung für das Verhältniss der archai-
schen Vasen zum Epos sind die Darstellungen, welche uns die
Schleifung des Hektor
vorführen. Bei ihnen müssen wir zum Theil deswegen länger ver-
weilen, um eine verfehlte Auffassung Overbecks zurückzuweisen und
auf die frühere Deutung znrückzugreifen.
Auch hier stellen wir die homerische Schilderung voran. Hektor
82*
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500 H. Lnckenbach:
ist den Waffien seines Gegners erlegen. Dieser nimmt ihm die
Rüstung (X 368); durchbohrt an den Fftssen die Stelle zwischen
En5chel nnd Ferse nnd bindet den Hektor an den WagenseaseL Er
besteigt daranf den Wagen^ schwingt die Gteissel, nnd rasch fliegen
die Bosse ron der Stadt zn den Schiffen hin. Eine zweite Schleifnng
nimmt Orerbeck im Anfong des 23. Bnches an, obwohl daselbst nnr
erwfthnt wird, dass die Mjrmidonen dreimal nm den Leichnam des
Patroklos ihre Bosse lenkten (V 13). Es folgt die Bestattung des
Patroklos. Am folgenden Morgen, sobald Eos mit ihren r5tiiliehen
Strahlen die Erde erleuchtete, springt Aehillens vom Lager, sehizrt
die Bosse an, befestigt den Hektor an den Wagensessel nnd zieht
ihn dreimal um das Grab des verstorbenen Freundes. Dann geht er
ins Zelt, um zu ruhen ; den Hektor iSsst er liegen, mit dem Antlitz
in den Staub gestreckt (Q 12 — 17). Des Wagenlenkers Automedon
wird an keiner Stelle Erwähnung gethan. X 400 heisst es von Achilleus
\i&cniiv y ik&av. Im letzten Buche schirrt er selbst die Bosse an.
Folgende archaische Yasenbilder führen uns die Schleifnng des
Hektor vor*):
A Overb. 456, 110 XIX, 6. Neapel 2746.
B „ 114. Br. M. 553.
C „ 118. Gerhard AV. HI, 198, 2.
D „ 111. luU, 1841 p. 134.
E „ 109 xn, 7.
F „ 108. Bochette, num. kM. 18, 1.
G „ 112. München 407.
H „ 117 XIX, 8.
I Petersburg 165.
Alle diese Vasen zeigen gewisse Aehnlichkeiten, tragen dasselbe
typische Geprftge, gehen mithin im Grunde auf ein Original zurück.
Denn in fast allen^ ist das weisse ovale Grabmal des Patroklos
dargestellt; nur in I fehlt es. An demselben ist meist eine Schlange
als Grabessjmbol angebracht (so in ABCDH). Auch schwebt
meistens das kleine gerüstete eibujXov des Patroklos um das Grabmal,
geflügelt in ACE, ungeflügelt in FGH, auf letzterer Vase durch
Namensbeischrift bezeichnet. Um das Grabmal des Patroklos also
wird der Leichnam des Hektor gezogen, mithin kann nur jene letzte
Schleifung im 24. Buche gemeint sein. Nur I könnte w^en des
Fehlens des Grabmales eine Ausnahme bilden, und für diese Vase
muss man denn auch lieber davon absehen , an eine bestimmte
Schleifung zn denken. Aber aoch betreffs der übrigen hfilt Overbeck
daftir, dass sie alle drei Schleifungen verbinden und vermengen
') Einige weitere Vasenbüder bleiben als zn wenig bekannt hier
ausgeachloBsen: Overb. 113. n. Overb. 115. — *) Auch in A, wie Heyde-
mann ausdrücklich versichert.
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Yerh. d. gr. Yaaenbilder x. cL 6«d. d. ep. Kyklos. 501
(p. 454. 459y 118), ohne jedoch stichlädtige Beweise erbracht zu
haben. Die eizizelnen Punkte werden jeder an seinem Orte zur
Sprache kommen.
Die genannten Vasenbüder zerfallen deutlich in zwei Gruppen:
in A — F fährt das Viergespann des Achilleus rasch um das Grab-
mal, in G — I hält das Gespann an. Aus der ersten Gruppe zeigen
A — £ auffallende üebereinstimmung. Das Gespann lenkt ein Wagen-
lenker im langen Gewände, das wenigstens in AB von weisser Farbe
ist. Es kann dies nicht, wie Overbeck meint, Achilleus sein, da
dieser als Krieger und nicht als Wagenlenker sein Gespann führen
würde, sondern nur Automedon.^) Aber Achilleus muss eben&lls
zugegen sein, er darf schlechterdings nicht fehlen. Nun läuft aber
in aJlen diesen Büdem neben dem Gespann ein gerüsteter Krieger
eilenden Laufes einher.^) Für ihn ergibt sich nothwendig der Name
Achilleus, der also vom Wagen gesprungen ist und zu Fuss neben
demselben herläuft. Dass derselbe in C nicht nach derselbeii Richtung
eilt, sondern demselben entgegen, darf uns keine Schwierigkeit
machen, besonders da in diesem Bilde auch das Eidolon des Fatroklos
dem Wagen entgege^fliegt, und d^er Yasenmaler sich auch sonst eine
grobe Nachlässigkeit hat zu Schulden kommen lassen, indem er den
Leichnam des Hektor zu malen unterlassen hat.
Befremdend ist für uns vor allem, wezm wir die Yasenbilder
mit ihrer Quelle vergleichen, der neben dem Wagen laufende Achilleus.
Auch Automedon, der Wagenlenker, wird in der liias nicht erwähnt.
Lidess ergab sich letztere Abweichung }eicht, da gern zum Wagen
der hinzugefügt wird, dessen Amt es ist, denselben zu legten. Dass
Achilleus aber, der schneUfÜssige, abgestiegen ist und nebenher läuft;,
das erhöhte ohne Zweifel die Lebhaftigkeit de^ Darstellung, ein An-
halt aber für diese Abweichung ist im Homer nicht gegeben; sie
lässt sich, wie mich Herr Prof. Michaelis erinnert, vielleicht auf eine
Sitte der Zeit beziehen, nach der man beim Wettfahren den Wagen
eine Zeit lang verliess, neben demselben herlief, mn dann wieder
hinauf zu springen.^) Zugleich sehen wir, dass es gar nicht in der
Absicht des Malers lag, sich enge an den Dichter anzuschliessen;
er sah einzig darauf, wie er sein Werk am besten ausstattete.
Li £ ist unter dem sprengenden Yiergespann ein gerüsteter
Krieger niedergesunken. Overbeck spricht sich p. 455 mit Itecht
gegen die Deutung auf einen der gefangenen und geopferten Troer aus
und erklärt ihn vielmehr für einen, der im Kampfe niedergeworfen ist.
Dieser Krieger ist für ihn ein Beweis, dass die eVste Schleifung von
^] Wenn auf der FraD9oiBva8e sowie bei den Leichenspielen des
Pelias (rnon. X, 4. 5) die bekannten Helden in langem Gewände sind,
so ist dies eben bedingt durch die Leichenspiele. — ') Auch in B
^Aehüles is running by the side of ihe quadriga* (anders Overbeck). —
*) Ygl. Pauly EealencycL s. v. deauUar. Michaelis, Parthenon p. 324.
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502 H. Lnckenbach:
der Stadt bis zu den Schiffen über das Schlachtfeld hin mit der
dritten Schleifang Yerbnnden sei. Allein mag man den OefaUenen
immerhin einen gesunkenen Troer nennen, so erscheint doch die An-
nahme Overbecks unnöthig. Hier bei der Umfahrt um das Grab
diente der Krieger dazu, die Scene noch grausiger zu machen. Er
ist lediglich eine von den Figuren, die wir recht gut entbehren
können und die oft nur zur Baumausfttllung verwandt werden.
Schwerlich hat der Maler selbst mit dieser Figur etwas Bestimmtes
ausdrücken wollen.
In F steht Achilleus neben dem Lenker auf dem Wagen und
fthrt um das Grabmal herum. Am Gespanne vorüber neben den
Pferden eilt ein gerüsteter Krieger (so wie in G); ein zweiter be-
findet sich vor den Bossen und scheint im Begriffe zusammenzusinken.
Diese beiden dienen .Overbeck wieder als Stütze seiner Hypothese.
Er erkennt in ihnen Vertreter der über das Schlachtfeld hineilenden
Sieger und Besiegten. Wozu aber, könnten wir fragen, brauchten
die Sieger so im Sturme dahinzueilen? und die Besiegten , die noch
unverwundet waren, eilten zu jener Zeit nicht über' das Schlachtfeld
hin, sondern hatten sich schon vor Hektors Tode in die Stadt ge-
flüchtet. Für den einen stelle ich als eigene Vermuthung auf, dass
der Maler eine jener früheren Scenen vor Augen hatte, die ¥rir als die
älteren Compositionen in Anspruch nehmen dürfen. Den neben dem
Wagen einher oder auch demselben entgegenlaufenden Achilleus
verstand er nicht und deshalb fQgte er, ohne etwas zu &ndem, einen
zweiten Achilleus zum Automedon. So erklärt sich auch am besten,
dass Achilleus und sein Wagenlenker beide auf dem Wagen stehen,
obwohl es ohne Zweifel passender gewesen wäre, den Achilleus
aUein als den Treiber der Bosse darzustellen. Die sinkende Figur
aber vor den Bossen werden wir auf gleiche Weise erklären, wie
den gefallenen Troer in E. Wie geringes Gewicht auf dieselbe zu
legen ist, zeigt auch schon die ganze flüchtige Art des Vasenbildes.
Die folgenden Bilder GHI zeigen den Moment der Buhe^ Die
Bosse werden vom Wagenlenker angehalten. Achilleus steht neben
dem Leichnam und sieht auf denselben herab. Man könnte die drei-
malige Umfahrt um das Grabmal als vollendet ansehen und an einen
folgenden Moment denken, in dem Achilleus den Feind betracht-et,
dessen Körper Apollon gegen alle Verletzungen geschützt hat (Q 18 ff.).
Allein dagegen spricht in H bestimmt der vor den Pferden stehende
Odjsseus, dessen Stellung auf einen bevorstehenden Aufbruch weist:
Hektor ist bereits angebunden, Achilleus rüstet sich zum Laufe.
Auf dieselbe Auffassung aber führt doch auch wohl die Gegenwart
der Lris in G, welche hier wie bei anderen Abfahrtsscenen hinzu-
gefügt ist ^) In I endlich hebt Achilleus eben mit der Bechten als
^) Vgl. vor allem Overb. XVIIl, 2 (weiter unten p. 547 besprocheo).
Denkbar w&re es freilich, dass Iris, die in G auf den Wagen zoeilty als
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Verh. cL gr. Vasenbilder b. d. Ged. d. ep. Kyklo«. 503
letztes Stück der Bttstong den Schild empor, ein deutliches Zeichen,
dass die Um&hrt um das Grabmal noch nicht begonnen hat.
In H steht neben den Bossen ein geflügelter Eriegsdämon, ge-
wiss ganz passend vom Maler hinzugefügt.^) Vor den Pferden steht
wie bereits bemerkt Odysseus, den Overbeck einen Vertreter des
Heeres nennt. Er ist wohl nur eine Füllfigur, nach Analogie so
vieler Abfahrtsscenen hinzugefügt; und statt des Namens Odysseus
könnte er ebensowohl einen anderen Namen tragen. Den passend-
sten Vergleich bezüglich seiner Gegenwart bietet Overb. 637, 125
XXVI, 16. Aias dringt auf Eassandra ein, zu deren Schutze Athena
bereit steht. Hinter Aias steht eine Frau, Polyxena, und ein Enabe,
Antilochos; hinter Athena wendet sich ein Troer die Hände vor
Schreck auf dem Bauche zusammenballend^) ab; ihm ist der be-
zeichnende Name CKapavbpöcpiXoc beigeschrieben. Wenn seine Ge-
genwart ja ganz passend erscheint, so sind um- so eigenthümlicher
Polyxena und der kleine Antilochos. Die Erklärung ist einfach: der
Eünstler fügte ^ um den Baum zu flülen; mehrere Personen hinzu,
die er zu individualisiren wünschte. Wenn er nun dem Weibe den
Namen Polyxena, dem Enaben den Namen Antilochos gab, so hätte
er ebensowohl irgend welche andere Benennungen wählen können,
diese fielen ihm zuerst ein, und deshalb setzte er sie hinzu« Der-
gleichen bedeutungslose Personen finden sich oft, und man sollte
nicht immer yersuchen, ihnen bestimmte Namen beizulegen. So
umgeben Overb. XXVII, S- zwei Frauen ganz symmetrisch den Aineias,
der den Anchises trägt, indess der kleine Sohn yorausläuft. In
Stellung und Geberde zeigen sie an, dass sie müssige Zuschauerinnen
und nicht handelnde Personen sind, und ich kann mich nicht ent-
schliessen, in ihnen Aphrodite und Ereusa (Eurydike) zu erkennen.
Wenn Aias den Achilleus davonträgt, so pflegt man die Frauen,
welche zugegen sind, Briseis, Thetis oder gar Tekmessa zu benennen,
meist wie mir scheint mit unrecht. Man denke femer an die sog.
Mantelfiguren, welche wie bei Overb. XXVI, 2 die Hauptgruppe ein-
rahmen. Ihre Bedeutungslosigkeit wird schlagend erwiesen durch
die von Welcher alte Denkm. V p. 235 erwähnte Vase, in welcher
Götterbotin dem Achilleus den Befehl zur Ausliefenmg des Leichnams
Überbringt, während in der Ilias Zeus durch Iris die Thetis zu sich rufen
läset, damit diese dem Sohne den Willen der Götter kand thue. Eine
bestimmte Ablehnung einer solchen Deutung wage ich nicht, da die Ab-
bildung fehlt. — ^) Vgl. den Erie^^dämon in der sfgn. Vase Gerhard, AV.
II, 117. 118, 3. Eine Inschrift m unserer Vase, die über dem Dämon
steht, wurde bisher als Kdvicoc gelesen, was so viel wie Staubaufwirbler
heissen sollte. Indessen ist Kdvtcoc schwerlich eine griechische Wort-
bildung, auch ist das c in der Mitte ganz unsicher^ und der Name kann
ebensogut der des Wagenlenkers sein. Etwa Kov{\oc? oder ein Name
auf -iiTTToc? (vgl. Kpöviinroc). — •) Zu diesem Motiv vgl. Arch. Zeit
1876 Taf. 16. mon. VIII, 41.
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504 H. Lnckenbach:
zwei Mantelfiguren einen Widder umgeben, unter dem ein Genosse
des Odysseus angebunden ist
Den Odysseus in H hat sein Hund begleitet, ein gemüthlicher
Zug, der für die ältere Zeit sehr charakteristisch ist. Freilich will
man eine solche Zuthat bald auf diese bald auf jene Weise erkl&ren.
Bei der Flucht des Troilos soll der Hund ein Zeichen der Schnellig-
keit sein, DÜt der die Flucht vor sich geht; meines Erachtens ist
eine solche Annahme unbegründet, und es liegt nur ein genrehaftes
Behagen an einem der Wirklichkeit entlehnten belebenden Zuge von
In I steht halbverdeckt von den Pferden eine Frau die Rechte
erhebend. Für dieselbe schlftgt Stephani den Namen Hekabe oder
Andromache vor; allein es ist nicht recht einzusehen, wie der Künstler
dazu gekommen sein sollte, hier eine von diesen Troerinnen darzu-
stellen. Eher könnte man an Thetis denken, oder an Briseis, die nach
Homer am hefdgaten unter den Frauen den Patroklos beklagt
(T 282 ff.). Weitaus das Wahrscheinlichste ist aber^ dass der Künstler
gar keine bestimmte Person darzustellen beabsichtigte, xmd deshalb
sollen auch wir mit einer Benennung zurückhalten.
Auch ist es nicht zufällig, dass dergleichen entbehrliche Zusätze
besonders in der archaischen Malerei der Attiker sich vorfinden« In
einem trefflichen Aufsatze hat Löschke Arch. Zeit 1876 p. 108 ff.
dargethan, dass die Malerei der Attiker vor der Annahme der rfgn.
Technik eine wesentlich nachahmende war. Peloponnesische Typen
lagen zu Orunde, und diesen gegenüber verloren viele attische Maler
ihre Selbständigkeit. Sie copirten^ ohne Neues zu schaffen, zeichneten
vielfach ohne Yerständniss. In ihren Bildern zeigt sich oftmals der
Mangel der Originalität und ein Mangel an Frische; und damit hängt
es zusammen, dass sie Figuren zusetzten, die eigentlich nicht in die
Darstellung passten. Dahin gehört der Mann, welcher in E unter
den Bossen liegt, der niedersinkende E[rieger in C, Odysseus mit
seinem Himde in H und wohl auch die Frau in I. Die Beispiele
würden sich leicht mehren lassen; aber schon diese werden genügen,
um ein so häufiges Verfahren der älteren attischen Vasenmaler hin-
länglich zu charakterisiren. Treffend sagt Welcker alte Denkm. HI
p. 17 mit Bezug hierauf: ^Von den Personen, die nach der mythi-
schen Tradition oder dem poetischen Zusammenhange und den alten
einfachen und treuherzigen Vorbildern aufgefasst sind und der reinen
Darstellung angehören, sind nach und nach andere unbestimmtere,
bedeutungslose aus malerischer und decorativer Absicht hervor-
gegangen, die nur der Mannichfaltigkeit, den Contrasten, Symmetrien,
der blossen Erweiterung dienen, zu unterscheiden'.
Einen kurzen Blick sei es zum Schlüsse gestattet auf zwei
unteritalische Vasen zu werfen, deren nähere Besprechung ich mir
für einen anderen Ort vorbehalte. In der einen ^) ist Hektor mit
*) Neapel 3254. mon. IX, 32. 33, annal. 1871 p. 182.
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Yerli. d. gr. Yasenbüder z. d. Qed. d. ep. Eyklos. &05
den Füssen an den Wagen gefesselt, auf dem der Lenker steht,
welcher hier schon deswegen unentbehrlich war, weil Achüleus selbst
dem Patroklos das Todtenopfer bringt. In der andern Vase^) ist
der homerische Httgel (¥ 255) der neuen Sitte gemSss als Orab-
tempel gezeichnet. In einem nackten Jünglinge erkennen wir d^
Eidolon des Patroklos. Indess Frauen dem Todten spenden, fthrt
Achüleus mit dem todten Hektor selbst um das Grabmal herum«
Den wesentlicben Inhalt des Homer hat also der EünsÜer wieder-
gegeben, aber so, dass er in der Darstellung seinen eigenen Ideen
folgte und die Scene nach seinem Geschmacke erweiterte.
üeberblicken wir noch einmal die Beihe der archaiischen Bild-
werke, so ergibt sich uns eine durchaus freie Eunstübung auf Grund-
lage des Epos. Die Schlange am Grabmale, das Eidolon des Patroklos,
die Anwesenheit des Dämons, des Odjsseus und des Hundes (H),
der Iris (G), des Weibes (I), des sinkenden oder gefaUeneii Eriegers
(£F) und des Wagenlenkers, der mitlaufende Achill: alles dies sind
Züge, die dem Epos eigentliJch ganz fremd sind, ohne dass es un9
jedoch gestattet wäre, an eine andere Quelle zu denken. Das Ver-
h<niss der archaischen Vasen zu den Gedichten des fischen Ejklos
ist durch diese Bilder, wie auch durch die Fran9oisYase hinlänglich
klargestellt Die noch folgenden Vasen werden die gewonnenen
Resultate nur bestätigen können.
Die Flucht vor Polyphem.
Änml. VSlß tav. R, 2 p. 350 fif.
Während in der Odyssee i 463 ff. nach der glücklich bewerk-
stelligten Flucht aus der Höhle Odjsseus mit seinen Genossen die
Schafe auf die Schiffe treibt und erst nach der Abfahrt dem Eyklopen
höhnend zuruft, der erbittert ihnen noch einmal, geföhrlich werden
sollte, ist im Bilde nur das Allgemeine der Situation festgehalten:
der unter dem Widder angebundene Grieche wird von dem Eyklopen
verfolgt. Die beiden in der Poesie zeitlich getrennten Momente, die
Flucht und die Verfolgung^ sind hier in einen zusammengezogen.
In noch naiverer Weise als hier zeigt sich 4ie Verscho^elzung
mehrerer Momente mehrmals bei der
Blendung des Polyphem.
Overb. 760, 10 XXXI, 4 hat Polyphem in den Hände» dis Beine
eines seiner Opfer, während ihm schon das Auge ausgebohrt wird.
Zugleich hält der erste von denen, die das Bachßwevk (leginpioiy,
dem Polyphem humoristisch genug den Becher vor. In der Odyssee
reicht Odysseus ihm den Becher; Overbeck glaubt, dass dies ebenßp
im Bilde der Fall sei AUein vop 4en vier Personen, welche die
That verüben, sind drei bartlos, 49r letzto, bärtige ist auch nod^
>) Overb. 457, 116, Neapel 3228.
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506 H. Lackenbach:
darcb seine Kopfbedeckung vor den übrigen ausgezeichnet; wenn
also einer als Odjsseus benannt werden soll, dttrfte dieser den meisten
Anspruch darauf haben.
In einer Vase mit demselben Gegenstande Berlin 1929^) hftlt
in beiden Händen der Ejklop Hand und Fuss eines der von ihm
Getödteten, um sie zu verzehren, indess die Genossen des unglück-
lichen den Balken schon erhoben haben. Die eigene Erfindung des
Künstlers aber zeigt sich auch hier ganz deutlich. Denn hinter dem
Kjklopen wird über loderndem Feuer der Bumpf des Getödteten
gebraten. Entsetzt ob des grausen Menschenfressers flieht eilig eine
letzte Person hinweg. Homer begnügte sich mit den Worten i 291
Touc bk biet |ieX€'tCTi Tambv ibtiXiccaTo bö^ov
oder i 311 und 344
CUV b* 0T€ br\ aöre buiw pcipipac dbTrXiccaTo! j^^^^qv
Deutlich tritt also hier der Unterschied zwischen der Malerei und
Poesie hervor.
In jeder Periode der Vasenmalerei werden der Darstellung gern
Personen hinzugefügt, die in enger Beziehimg zu einer der Haupt-
figuren stehen. Wenn dies auch allgemein anerkannt ist, so hat
man sich doch öfters verleiten lassen, aus diesen Personen einen
Sohluss aufs Epos zu machen. Beim Ringkampf des Peleus mit der
Thetis hat Cheiron, der einige Male geg^ wärtig ist, Veranlassung
gegeben zu der Annahme, dass auch in den Kyprien unter Begleitung
des Cheiron Peleus die Thetis überfölli Wie ungerechtfertigt ein
solcher Bückschluss ist, zeigt schlagend ein Bild, welches
das Kirkeabenteuer
vorführt In der Odyssee k 318 ff. bleibt Odysseus trotz des Schlages
der Kirke mit dem Zauberstabe und trotz des Trankes unverwandelt,
und auf die Aufforderung zu seinen Gefährten in den Schweinekofen
zu gehen, stürzt er mit dem Schwerte in der Hand auf Kirke zu
dicTe KTdpcvai peveaCviwv. Es folgt die Versöhnung; aber Odysseus
weigert sich zu essen und zu trinken, bis er seine Geflihrten erlöst
weiss und sie mit Augen gesehen hat. Jetzt erst holt Kirke die
Genossen herbei und macht sie aus Schweinen wieder zu Menschen.
Ganz frei verfährt wieder die Vasenmalerei.
Overb. 779, 49 -= Overb. 780, 51. Jahn, arch. Beitr. 406 ff.
Arch. Zeit. 1876 Taf. 15 p. 190 ff.
Vor der Kirke, die ipit einem Zweige in der Schale zu rühren
scheint, steht Odysseus, bereit den Becher mit dem Zaubertranke zu
nehmen. In der zurückgebogenen Rechten hüt er das Schwert, mit
dem er nach dem Tranke auf Kirke losstürzen wird. Diese Mittel-
*) Vgl. Arch. Zeit. 1868 p. 120.
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Verk d. gr. Yasenbüder s. d. Ged. d. ep. Kyklos. 507
grnppe wird umgeben von vier verwandelten Genossen. Mit den
Köpfen eines Esels, Ebers und Schwanes verseben (der Kopf des
vierten ist verloren gegangen) sind sie entsetzt, dass aucb ihren
Herrn gleiches Schicksal treffen wird. Durch ihre bestürzte Haltung,
durch das Schreien des Eselmenschen soll Odjsseus gewarnt werden.
Ja der Mann mit dem Schweinskopfe scheint den Odysseus anzu-
fassen, um ihn so zu warnen und dem Unglücke vorzubeugen. Die
Mittelgruppe also entspricht der Odyssee. Aber die Mannichfidtig-
keit der ThiergestaltcD, sowie der Umstand, dass die Gefilhrten zu-
gegen und gar bei der Handlung thKtig sind, widerspricht ihr.
Noch scheint es geboten, auf eine Abweichung hinzuweisen,
die sich für den Maler Dothwendig ergab. In der Odyssee heisst es
V 239 f.:
o\ bl cuAv n^v f xov KeqpaXäc cpuivriv t€ xpixac xe
Kttl b^pac* auidp voOc i^v fjutrcboc u)c xö nÄpoc nep.
Für den Künstler ergab sich eine Schwierigkeit. Stellte er den
Menschen als Menschen dar, so war die Verwandlung nicht ersicht-
lich; stellte er ihn als Thier dar, so war gleichfalls Undeailichkeit
zu befürchten. Um den Menschen im Thiere darzustellen, half er
sich auf verschiedene Weise. Einmal Overb. 779, 50 sehen wir
neben dem Manne, der bald zum Schweine werden soll, durch das
Thier, das hinter ihm steht ^ die Verwandlung angedeutet Die ge-
wöhnlichste Art ist die Bildung eines Thiermenschen, bei der die
Umgestaltung immer den Kopf, bisweilen die Füsse trifft.^)
g 2. ArohaiflOhe und rothflgnrige attisohe Vasen
mit gleichen Darstellungen.
Mit der
Lösung des Hektor,
die in archaischen und rfgn. attischen Vasen dargestellt ist, leiten
wir zur Behandlung der zweiten grossen Vasengruppe über. Ausser
dem Verhältnisse der jüngeren zu den Iflteren Producten, das einer
ErlSuterung bedarf, stehen die Bildwerke unseres Gegenstandes fast
einzig da, nicht bloss als treffendste Erläuterungen des Verhältnisses
der Vasenbilder zu den epischen Gedichten, sondern auch, weil sie
einen theilweise so engen Anschluss an Homer zeigen, wie er sonst
nicht leicht uns entgegentreten wird. Nicht eine genaue Kenntniss
der Sage allein muss zu der Darstellung Veranlassung gegeben haben,
*) A Overb. 779, 60.
B Arch. Zeit 1866. p. 18 Taf. 194.
C Arch. Zeit. 1876, p. 189 Taf. 14.
D Arch. Zeit. 1863, p. 122.
Auf einem etroskischen Spiegel ein Eber mit menschlichen HinterfüsseD,
Fröhner tnwies de France pT. 24. Vgl. OTerb. XXXII, 16.
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508 H. Lnckenbaek:
8on46ini dem Maler müflsen die Worte Homers im Simie gelegen
habeoL
Die in Bede stehenden Bildwerke^) sind:
A Orerb. 468, 135.
B AzdL Zeit. 1854, Taf. 72, p. 291.
C Overb. 470, 138 XX, 3. München 404.
D Man. Vm, 27. Conse Vorlegebl. I, 3, 1. Arch. Zeit 1871,
p. 100.
AB sind sfg., CD r^.
Schon eine oberflichliche Vergleichung zeigt, dass alle vier
Bildwerke in wesentlichen Zügen übereinstimmen. Priamos n&hert
sich Ton der linken Seite her; er findet Achill auf dem Lager aus-
gestreckt bei der Mahlzeit, unter dem Bette oder auch Yor dem-
selben (B) liegt der Leichnam Hektors. Hinter Priamos in ACD
ein oder mehrere Begleiter mit Geschenken. Diese üebereinstimmang
kann nicht Za&U sein; im Grunde beruhen die Bilder auf einem
Origii^e. Der T3rpus, den der erste Darsteller dieser Scene für
dieselbe erfand, wurde massgebend für die arehaische Technik und
wirkte nach, auch als die r^. Technik überwog.
A. Aohilleus liegt schmausend auf seinem Lager'); die Wein>
kanne, welche seine Dienerin, die hinter ihm steht, in H&ndan hält,
spricht deutlich genng. Dieser charakteristische Zug ist aus der
Dias entlehnt, wo es beim Eintreten des Priamos in das Zelt Achills
heisst (Q 472):
iv hi jiiv aÖTÖv
€Öp*, . . .
V. 475: vtov b* dLTii\r\yev dbuibflc
&6UIV Kttl TTIVUIV ?Tl Kttl 7rap^K£lT0 TpaTTcCa.
Damit ist der Ursprung der Situation gegeben. Indem aber der
Maler den Achill beim Mahle darstellen wollte, Iftsst er denselben
auf dem Speisesopha liegen und fügt ein Weib mit der Weinkanne
in den Hftnden hinzu. Li der Ilias sind bei Achill Automedon und
Alkimos: beide waren für den Maler überflüssig. Wie viel aber die
Composition durch die Hinzufügung der Sklavin an Leben gewann,
wie dankbar eine solche Erweiterung war, leuchtet von selbst ein.
Die beiden Schalen in der Hand des Begleiters vertreten die Löse-
geschenke, während bei Homer der Wagen mit denselben draussen
bleibt. Erst später springt Achilleus und mit ihm seine Genossen
Automedon und Alkimos hinaus und hebt die Geschenke vom Wagen.
Wiederum stellt die Poesie die verschiedenen Momente nacheinander
dar^ die Malerei vereinigt sie. Freilich hfttte der Maler sich enger
an Homer anschliessen können. Er konnte wie der Yerfertiger der
>) ZolelEt von Benndorf annäl. 1866, p. 241—270 behandelt
*) unrichtig bemerkt 0 verbeck, dass Achill auf einem Seseel situ.
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Verh. d. gr. Vaeenbildev z. d. Ged. d. ep. KyWoe. 509
toMa Iliaea den Priamos im Innern des Zeltes vor Achill diir-
stellen, dranssen aber den Wagen entleeren lassen. Allein jeder
sieht, wie darunter die Einheit der Handlang h&tte leiden nMIteen.
Statt dessen vereinigt der Maler in ausdmckYollster Weise die drei
Momente: das Schmaasen Achills, das Eintreten iind 9^ Bitte d^s
Priamos, dem Achill zum Zeichen des Grrusses und der Erfüllung
seiner Bitte die Hand entgegenstreckt, und die Darbringung der
Geschenke als Gegengabe für die Lösung. Weiter hat der Maler
Hektors Leichnam hinzugefdgi In der Hias ist derselbe dranssen;
auch vermissen wir ihn nicht, da die Worte des Priamos tüne deutlich
sagen, weshalb er gekommen ist. Dem Maler aber fehlten die Worte;
er musste Ergänzung suchen und darauf bedacht sein, dass auch
seine Composition deutlich und klar war. Der richtige Weg war
die Hinzufügüng des Objects, um das sich die ganze Handlung dreht,
Hektors Leichnam. Die Kenntniss eines solchen Verfahrens seitens
der Maler mahnt zur äussersten Vorsiebt bei einem etwaigen Bück-
schlusse. Denn selbst bei sehr vorsichtigem Vorgehen, so dass wir
Hektors Leichnam, die Anwesenheit der Sklavin und der geschenk-
tragenden Diener als ftlr den Dichter nicht in gleichem Masse noth-
wendig ausschieden, würde uns doch zweierlei sicher scheinen müssen^
dass Priamos zu Achill geht und dass er denselben beim Mahle findet.
Und auch bei diesem Schlüsse würden wir noch etwas in'en. Denn
er findet ihn nicht bei dem Mahle^ sondern kui^ nach defii Ui^le.
B. Priamos bittet mit leidenschaftlicher Ausbreitung beider
Arme um den Leichnam seines Sohnes. Aehill streckt ihm vtAi der
Rechten den Becher entgegen, weniger wohl weil er den Alten will-
kommen heissen will und ihm G^wUhhmg seiner Bitte verspricht«,
als gewissermassen zum Spott und H6hn. Hinter Priatnos beAnden
sieh noch zwei Begleiter, von denen der erste ein Boss am Zügel
führt und zwei Lanzen trSgt Offenbar dienen diese im Epos nicht
gegebenen Personen bloss im Allgemeinen dfeum, das Gefolge des
Königs anzudeuten, wenn nicht gar, wie es den Anddiein hftt^ dem
Bemaüer dieses Ge^sses der mythologische Inhalt der Scen^ die er
nur halbwegs getreu copirte, unverst&ndlich geblieben ist (vgl. Arch.
Zeit. 1854, p. 291).
Diesen sfgn. Vasenbilderü schliessen sich die rfgn. CD an. In
beiden steht vor dem Lager ein mit Speisen bedeckter Tisch. In G
tritt Priamos ein, zum Zeichen, dass er eine Bitte vorzubringen hat,
die rechte Hand ausstreckend. Achill hat, wie es scheint, sein
Kommen überhört; in der Linken den Becher haltend^ die Rechte
lassig aufs Knie gele^, wendet er sein Haupt rückwSrts einem
Weibe zu, das ihm einen Kranz um das Haupt legt. Hinter Priamos
entfernt sich Hermes, sein Auftrag ist erfüllt. Es folgt ein Diener,
die Lösegeschenke auf dem Bücken -und in der rechten Hand tragend.
Auf der anderen Seite schliesst hinter der Sklavin ein gerüsteter
Krieger die Scene ab. Er hat die Eintretenden ^rbHckt; Staunen
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510 H. Lnokenbach:
ergreift um; 4ie rechte Hand legt er wie geblendet an den Helm.
In diesem Bilde treten \m& eine Beihe neuer Züge, die dem Epos
entnommen sind, entgegen. Achill hat sich noch nicht umgewendet
und den Kommenden gesehen. Man kann dabei an die Worte
Homers erinnern (Q 476 f.):
Touc b* ?XaO* €lc€X9uiv TTp(a^oc }xiyaq ätX» ^* ^P« erde
Xcpciv 'AxiXXfloc Xd߀ Touvara.
Es wird sodann das Staunen Achills beschrieben in Versen, die ich
wiederum wörtlich anführe (477 ff.):
Xcpciv 'AxiXXfloc Xdße touvara xai loke x^Tpac
bctväc &vbpo(p6vouc iA o\ noX^ac ladvov ulac
die b* ÖT* öv fivbp* fixTi truKivfj Xdßij, 6c t* iy\ irdrpij
(purra KaxaKTclvac fiXXuiv iiiKero bfl^iov
ävbpdc ic d(pv€ioO, ed^ßoc b* ix^x elcopöuivrac
£ic 'AxtXXeuc Od^ßncev Ibujv npiapov Oeoeib^a
Od^ßTlcav hk Kai dXXoi, ic dXX/jXouc bk Tbovro.
Dieses 7om Dichter so stark betonte Staunen hat der Künstler im
Oeftthrten des AchiUeus treffend ausgedrückt; Achilleus selbst aber,
möchte man yermuthen, wird sich erst umwenden und erst dann
Staunen und Bewunderung zeigen. Die Anwesenheit des Hermes
weicht insofem von der homerischen Schilderung ab, als in dieser
der Gott seinen Schutzbefohlenen schon verlftsst, ehe dieser noch
Yom Wagen gestiegen ist. Der Grund dieser Abweichung ist wiederum
klar; doch ist alles wesentliche gewahrt, indem Hennes sich yer-
abschiedet, ehe Achill den Ankömmling gewahrt Die Bekr&nzung
AchiUs ist ein neuer hübscher Zug; eine Sitte, die ich bei Homer
nicht finde, hat der Künstler aus seiner Zeit auf die Helden der Dias
übertragen. Die Neigung zum Individualisiren spricht sich in dem
Namen des königlichen Begleiters aus: i^pöbuipoc heisst derselbe
d. i. Gabenschenker.
Dieser Vase reiht sich D treffend an. Hier zeigt sich das
Od)iißoc in Achill selbst. Priamos ist eingetreten b^leitet von vier
dienenden Personen, welche die Geschenke tragen. Die üeberraschung
und das Erstaunen Achills über den ganz unerwarteten Besuch, wie
es sich in jenen Homerversen ausspricht, äussert sich im Abwenden
des Blickes; das Messer, dessen er sich beim Essen bediente, hSlt
er noch in der Bechten und hat es in der Verlegenheit an den Mund
gelegt. Hinter ihm steht sein Mundschenk, ein Knabe, mit Ldffel
und Durchschlag in den Hftnden; neugierig wendet er seine Blicke
zurück auf die eingetretenen Personen. An Stelle der Dienerin ist
hier der jugendliche Sklave getreten, beide nicht im Epos erwfthnt,
aber passende Neuerungen bei dem Mahle Achills. Die dienenden
Begleiter des Priamos sind theils männlich th^ weiblich; Amphoren
und Kisten voll werthvoUer Geschenke, einen kostbaren Napf und
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Verh. d. gr. Yasenbilder s. d. Oed. d. ep. Ejklos. 511
prachtvollen Dreiftuss tragen sie herbeL Wiedemm also in den
Grundlagen enger Anschlass an Homer, in der Einzdgestaltnng
Freiheit des künstlerischen Schaffens.
Schon oben wurde bemerkt, dass diese vier Yasenbilder den-
selben Typus, dieselben Grundzttge enthielten und in letzter Tnstanz
auf 6in Original zurückgehen müssen. Die Freiheit der Künstler im
Einzelnen war dadurch nicht beschränkt; in der Bedienung Achills,
in den Begleitern des Priamos hatte jeder nach seinem Outdünken
gehandelt. Je weniger uns dies Wunder zu nehmen braucht, um so
bemerkenswerther ist es, dass wir in den r^fn. Vasenbildem neue
Züge der Blas angedeutet üuden: die Anwesenheit des Hermes in C,
des Od^ßoc in CD. Wäre es sicher, dass beides nicht in archaischen
Vasen vorgebildet war, so hätte den Bemalera von CD einmal das
alte Original vorgelegen, dann aber hätten sie selbst eine genügende
Eenntniss der Uias gehabt und aus ihrem Wissen Neues hinzugefügt.
Nahe verwandt mit den bisherigen Darstelluungen ist
E £üU. 1863, p, 52. Arch. Anz. 1864, p. 185* 60. Connestabile
pUture mwraHi di Orvieto tav. XVI, p. 149.
Achill sitzt auf einem Stuhle uud wendet den Blick zu einer Frau,
welche Amphora und Schale in den Händen hält. In ihrer Nähe ist
Athena, Achills Schutzgöttin, sichtbu'. Vor diesen drei Personen
liegt Hektor, zu dessen Loskaufung, von Hermes b^leitet, der alte
Priamos naht, hier selbst ein werthvolles Qef&ss auf der Hand
tragend als Andeutung, dass er nicht ohne Lösegeld naht Im Hinter-
grunde ist ohne jeglichen Bezug auf die Hauptdarstellung eine
Fensteröffnung angebracht, an der drei Pferde und ein Diener,
welcher denselben Futter bringt, sichtbar sind. Die Nachwirkung
der anderen Bilder ist in diesem ersichtlich; denn die üeberein-
Stimmung dürfen wir nicht dem Zufalle zuschreiben. Der Unterschied
von A— D hegt vor allem in der Vertauschung des Lagers mit dem
Stuhle. Es ist hier eine Milderung der ganzen Scene eingetreten
und nicht so hervorgehoben^ dass AchiU über dem Leichnam des
Hektor die Mahlzeit hält
Das Verhältniss der archaischen zu den rothfigurigen Bildern
soll noch an einem anderen Beispiele hervorgehoben werden.
Flucht aus der Höhle des Polyphem.
In der einzigen bis jetzt bekannten rfgn. Vase dieses Gegenstandes
(buU, 1866, p. 133) kommen gegen den sitzenden Polyphem drei
Widder heran. Unter dem ersten ist der bärtige Odysseus, der sich
mit der einen Hand an die Wolle anklammert, während die andere
das Schwert zückt. Vor den übrigen Widdern zeichnet sich der des
Odysseus durch seine dicke Wolle aus, wie es auch im Dichter
i 432 heisst:
dpveiöc TÄp lr]v iii\\ix)y 6%' fipicToc dnävrujv
und i 455 Xdxvifj CT€tv6^€V0C.
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512 H. Lackenbach:
Die Genossen, beide bartlos, sind nnter dem T^dder angebunden,
wie anofa Homer die Oefthrten von Odyssens anbinden Ittssi, wShrend
dieser selbst sich an die Wolle des Widders anklammert. Es gibt
uns dieses Bild einen sehr engen Anscfalnss an die Poesie: offenbar
kannte der Maler seinen Homer genan und deshalb malte er anch
genan nach ihm. Aber auch in diesem Bilde tritt es deutlich her-
vor, dass doch wieder sich Äbweichm^n von der Poesie ergeben
mussten. In der Odyssee eütflieht Odysseus zuletet, hier ist er der
Führer der Genossen aus lei<^t irerstftndlichem Grunde; der Diehter
erzShlty Odysseus habe die Gefilhrtön unter den je mittelsten dreier
Widder angebunden; der Künstler rermied dies aus Gründen der
leichteren Darstellung. Endlich ist Polyphem wie immer in der
Vasenmalerei mit z?rei Augen versehen. Was aber besonders betont
werden teuss, ist das gezückte Schwert, welches Odysseus in der
Hand httlt. Er hält sich bereit, um im NothÜEkUe mit gewafilkieter
Hand dem Riesen entgegenzutreten, und dieser kleine Zug verdient
um so mehr unsere Beachtung, als er aus älteren Vasenbildem ent-
nommen ist, im Homer dagegen nicht erwfthnt wird. Unter allen
archaischen Darstellungen *) ist keine, die sich mit unserer im An-
schluss an Homer vergleichen liesse; alle sind weniger ausführlich,
alle ungenauer; aber in vier Vasenbildem') zückt der unter dem
Widder Angebundene das Schwert Das Bedeutsame, was uns also
auch hier entgegentritt, ist, dass der attische Maler mit Beibehalt«mg
des alten Typus doch sich ewiger an Homer anschloss, dass er unter
den Flüchtigen den Odysseus Von seinen Genossen schied, dass er
ihm sogar den Widder reich beladen mit Wolle gab. Mit anderen
Worten, indem er nach Slterem Typus malte, dachte er doch selbst
nach und schuf in Anlehnung an seine Vorgänger das Bild, dem
er durch den engeren Anschluss an die Poesie neues Leben verlieh.
t 8. BotbftgpiTige attl0Olie Vasen.
Für die zweite i^poche, welche wir bereits im Vorigen berührt
haben, gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie ftlr die
ältere. Dies zu erhärten wird auch hier eine Auswahl unter den
wichtigeren Vasen genügen.
Die Rückkehr des Odysseus.
Man. IX, 42. Conze, ßmal. 1872, p. 187 ff.
Penelope sitzt tief traurig und in sich verbrunken auf dem Stuhle;
vor ihr steht Telemadios, der die Mutter anreden zu wollen scheint.
Wir sind im Zweifel, ob er eben angekommen ist, odet wegzugehw
^) Sie lind zuletst von Heydemann,«an9ta2. 1876, p. 350 ff. zusammen-
gesteUt. — *) bofk bei Heydemaun a. 0.
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Verh. d. gr. Vaseübilder v. d. Ged. d. ep. Ejklos. 513
im Begriffe ist Hinter beiden ist der ganze Raam durch einen Web-
Btnbl »nsgeftlUt. Eine bestimmte Scene ist es schwer in diesem Bilde
zn erkennen. Freilich würde es leicht sein, einen Moment zn er-
kennen, etwa den Auszug des Telemachos nach Spiurta und den Ab-
schied Ton seiner Mutter, oder seine Bttckkehr; aber der Dichter
wenigstens erwtthnt bei diesen Anlassen keine solche Begegnung
zwischen Mutter und Sohn, und unzweifelhaft dOrfen wir nicht an
ein bestimmtes Ereigniss denken. Ebenso konnte Telemachos Yor
die Mutter treten, so oft er sich in die YolksTersammlung begab,
oder so oft er einen einsamen Gang zum alten Laertes oder zum
treuen Eumaios antrat. Der ganze grosse unterschied zwischen der
Poesie und Malerei zeigt sich hier iu hellem Lichte. Das Bild spricht
aus sich selbst; auch ohne dass es einen bestimmten Moment dar-
stellt, drSngen sich all die Ereignisse, die wir vom traurigen Ge-
schicke derPenelope gelesen haben, in unserer Erinnerung zusammen,
und mit den zwei schlichten Figuren weiss der Maler uns mehr zu
sagen als in einer ganzen Beihe von Einzelscenen. und wie hier
die Trauer der Penelope uns ergreift, so zeigt der Maler uns im
zweiten Bilde derselben Vase auch die Hülfe und den Trost Odjsseus
ist heimgekehrt, und seine Dienerin wSscht ihm die Füsse; cUe Er-
kennung steht bevor, und bald muss dann auch der Tag erscheinen,
an dem das lange Leid defr Penelope gestillt wird, und statt der
Thrftnen, die ihr der langjährige Gram und die nie schlafende Liebe
zu ihrem Gatten auspressen, ihren Augen Freudenthrftnen entlockt
werden, ^e in jenem Bilde uns der Künstler entgegentrat, so auch
in diesem. Tr^end hat Gonze a. 0. p. 190 darauf aufmerksam ge-
macht, dass nicht der Augenblick der Wiedererkennung dargestellt
ist; aber eben so wenig kennen wir sagen, welcher Moment denn
sonst dargestellt sei Der Malef hat der Phantasie des Beschauers
nicht alles vorwegnehmen wollen, und die Behauptung Lessings, dass
der Abschluss einer Handlung am wenigsten sich für ein Bildwerk
eigne, findet in unserem Bilde eine neue Bestätigung. Blicken wir
nun auf das Einzelne, so ist Eumaios zugegen. In der Odyssee hat
derselbe den Odjsseus ins Haus der Penelope begleitet, ist darauf
aber heimgegangen (p 604), um erst am folgenden Tage wieder zur
Stadt zu gehen (u 162). Hier steht Odjsseus, in der Dichtung hat
er sich niedergesetzt (t 389). Er hat sich, um nicht tu fallen, auf
einen Stab gestützt, während er mit der Linken einen Stock hftlt,
der beladen mit Banzen, Schlauch und einer Tasche ihm auf der
Schulter liegt Anknüpfend an die Worte des Dichters (p 197 f.)
fi ^a Kai d)ii<p' ui^oiciv deiK^a ßdXXero irrjpTiv
TTUKvdt {MTfoki^y iv U crpöcpoc fjev dopTnp
hat der Maler das Einzelne nacb eigenem Gutdünken gezeichnet
Ebenso ist es selbstverstOndUob, dass Odjsseus im Hause angeLaagt
seinen Banzen ablegte; aber dem Maler war dies das beste Mittel,
Jahrb. f. oI«m. f hU. SnppL Bd. XI. 33
514 H. Lackenbach:
Beinen Odysseus zu charakterisiren. Der OdjBseus im Bilde erinnert
in nichts sonst an die Dichtung; nicht den jammerhaften, zerlumpten
Bettler mit kahlem Kopfe, den wir nicht als verwandelten Odysseus
erkennen könnten, sehen wir vor uns, sondern einen stattlichen Mann
mit reichem Haupt- und Barthaar. Mit Recht erinnert Conze a. O.
p. 188 daran, dass sich hier Poesie und Malerei trennep. Hier wie
bei der Yerwandelung der Genossen des Odjsseus konnte der Maler
nicht mit dem Dichter eins sein, er musste abweichen. Am auf-
fallendsten endlich ist der Name der Dienerin; Homer hat sie Eurj-
kleia, der Künstler Antiphata genannt. Da ihm der homerische
Name nicht gegenwärtig war, wusste er sich zu helfen und nannte
sie mit einem Namen, der an den Lästrygonenkönig Antiphates an-
klingt. Aehnlich heisst der Kentaur, der die Deianeira raubt, ein-
mal^) nicht Nessos, sondern Dezamenos, weil der Maler sich im
Augenblicke des rechten Namens nicht erinnerte oder ihn mit einem
andern Kentaurennamen verwechselte. Wieder in einer anderen
Yase') heisst dicgenige, die den Pelias zum Tode führt, Alkandra,
ein Name, der uns von keinem Schriftsteller für eine Peliade über-
liefert ist. Obwohl femer nach aller Poesie und schon bei Stasinos
(Paus, in, 16, 1) die Töchter des Leukippos, welche von den Dios-
kuren geraubt werden, Phoibe und Hilaeira heissen, sind sie auf der
Meidiasvase') Eriphyle und Elera genannt. Den Theoklymenos finden
wif einmal nepiKXtijicvoc*), den Antilochos 'A^(piXoxoc^ benannt.
In gleicher Weise aber sind die Namen Aukoc(?) und AiV€TOC auf
der Kodrosschale zu erklären (vgLunten p. 547). Nur daraus lassen
sich diese Abweichungen von der üeberlieferung erklären, dass die
Künstler sich nicht immer der traditionellen Benennung erinnern
konnten. Zugleich ergibt sich die Begel, nie leichthin aus einem
beigeschriebenen Namen eine Person in einem der verlorenen Epen
erschliessen zu wollen.
Odysseus entflieht den Sirenen.
Overb. XXXH, 8.
Während die Sirenen bei Homer das Schiff nach ihrer v^rgebHchen
Lockung ruhig weiter fahren lassen ()ll 166 ff.), stürzt sich hier eine
derselben, da sie ihren Wunsch nicht erfüllt sieht, in die Fluthen.
Dieser letzte Gedanke verdient in der That Beachtung. Im Bilde
sind es femer drei Sirenen; zwei von ihnen sitzen auf steilen Felsen.
Der Dichter kennt nur zwei, und diese lässt er auf grüner Wiese
am Meeresufer lagern. Nur die Hauptsache ist genau wiederg^eben.
Denn auch im Bilde ist Odysseus angebunden, und einen Gegensatz
>) Neapel S089. abg. z. B. Millingen peint. dw. 83. — *) AnmU.
1876, tav.Y, p. 43 f. — *) Br. M. 1264. abg. s. B. Gerhard die Vase
des Meidias. Conze Vorlegebl. IV, 1. — *) Man. VI, 14. Welcker, alte
Denkm. V, Taf. 14. — ') Petersburg 422. abg. mon. V, 11. 12. Overb.
XX, 4.
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Verh. d. gr. Vasenbilder s. d. Gkd. d. ep. Kyklos. 515
2u ihm bilden die Oefthrten, denen man leicht anmerkt, dass sie
den bezaubernden Gesang nicht vemehmen.
Die gleiche Freiheit werden wir in einer Reihe von charakteri-
stisch gestalteten Einzelkämpfen wahrnehmen, deren Beziehong auf
die nias theilweise bestritten ist. An den Anfang stellen wir den
berühmtesten der Einzelkttmpfe, den
Zweikampf des Achillens und Hektor,
Uias X. Allen Bitten seiner Eltern zum Trotz zieht Hektor aus, dem
Achilleus entgegen; aber da er ihn erblickt, überflQlt ihn Furcht.
Fliehend umläuft er dreimal die Mauern Trojas, bis Athena in Ge-
stalt des Deiphobos ihn überredet stehen zu bleiben. Achilleus sendet
seine Lanze, Hektor weicht aus, und Athena bringt ihrem Schutz-
befohlenen die Wafife zurück. Auch Hektor wirft seine Lanze, wohl
trifft er den Schild des Gegners, aber machtlos prallt die Lanze zurück.
Dann ergreift er das Schwert und stürmt gegen Achilleus, dieser
aber trifft ihn mit seinem Speere dorthin, i^ KXiiTbcc dir* dJ^UjV
aux^v' Jxouciv (V. 324). Der todte Hektor wird geschleift, und jetzt
erst geschieht seiner Eltern wieder Erwähnung.
1. Gerhard AV. 201. München 421. Overb. 452, 105.
Athena steht zwischen den Kriegern. Achilleus dringt mit dem
zum Todesstosse erhobenen Speer auf Hektor ein, der sich noch kaum
mit dem Schwerte des Gegners erwehrt Hektor ist bis auf eine
Chlamys nackt, während in der Dias nur eine Stelle am Halse Blosse
gab; er blutet aus zwei Wunden (im Schenkel und in der Brust),
während in der Dichtung die eine Wunde am Halse den Tod bringt.
2. Auffallende üebereinstimmung zeigen drei Vasen, von denen
eine auf beiden Seiten fast die gleiche Darstellung enthiUt:
aß) Overb. 451, 101 und 102. Gerhard AV. 202, 4. 6.
T) Overb. 451, 403. Gerhard AV. 202, 1. 2.
b) Overb. 452, 104. XIX, 4. Gerhard AV. 204. Br. M. 786»
Die beiden Krieger sind umgeben von Athena und dem ent-
weichenden ApoUon, der in der erhobtoen Rechten dem Achilleus
drohend den Pfeil hinhält^ durch den er einst fiedlen solL^) Durch
die Inschriften in b sind die Darstellungen für Achilleus und Hektor
gesichert.^ Beide sind der homerischen Schilderung entgegen bis
auf Helm, Schild, Beinschienen, Lanze und Schwert nackt; nur in t
ist Hektor bekleidet. In ay stürmt Achilleus mit dem Schwerte an,
das er in der Uias nicht gebraucht, in ßb mit der Lanze. In yb
sinkt Hektor zurück, die gesenkte Lanze in der Rechten; in a ist
der Schaft des Speeres zweimal im Winkel gebrochen, wodurch
der Künstler Hektors vergeblichen Widerstand andeutet; in ß
') Die richtige Deutung des Apollon gab zuerst Braun, Ruinen,
p. 814. Vgl. Bnum, Troische IGscelL, p. 77. 78. — *) FrOhner hat seine
frühere Deutung von a— t auf den Kampf des Hektor und Aias {ehoix
de vaa€8f p. 16) in den musies de France stillBchweigend ausgegeben.
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516 H. Lnokenbaoh:
endlicb ist Hektor im Begriflid, das Schwert aus der Seheide zu oeheii.
Zweimal, in t^y blutet Hektor ans einer Wunde im Schenkel. Wir
sehen, wie wenig sich die Maler in solchen Einzelheiten an die
homerische Schilderang gehalten haben. Die Nacktheit der E9rper,
die Wtmden Rektors, bald diese bald jene Waffen in den Httnden
der Gegner sind deutliche Zeichen fttr die Freihoit, die sich die
Künstler erlaubten. Wenn in ß grössere üebereinstimmung mit
Homer zu herrschen scheint, indem hier Achilleus mit der Lanze
andringt und den Hektor in der Nfthe des Halses trifft , Hektor da-
gegen sein Schwert noch nicht gan^ aus der Scheide gezogen hat,
80 lehrt der Beyers (a), dass diese Üebereinstimmung absichtslos
ist, da hier Achill mit dem Schwerte, Hektor mit der Lanze be-
wafihet ist. Zur Erklärung des ApoUon und des Pfeiles, den der-
selbe in der Hand halt, erinnert Brunn (Troische MiscelL p. 77) an
die Worte der Dias X 213:
XiTiev U i 0oißoc 'AttöXXujv
und die Worte, die Hektor vor seinem Ende dem Achilleus zuruft
V. 368 ft:
(ppdZeo vOv jüiif) Toi n Oeutv jjnfjvi^a T^vuiMcti
fj^ari Tijj öre k^v ce TTdpic Ka\ Ooißoc 'AttöXXujv
£c6Xöv dövT* 6X^cuiciv dvi CKai^ci TruXgciv.
*Den Inhalt beider Stellen,' sagt Brunn, 'sehen wir zu einer Einheit
verbunden in der Composition der Maler. Apollo yerlSsst Hektor;
aber die Drohung, die Homer durch Hektors Mund aussprechen Ifisst,
legt der Künstler in die Hand des Apollo selbst: er zeigt Achilles
den Pfeil, der ftLr ihn bestimmt ist und durch Paris' Hand ihn tödten
soll'. Gewiss passen die Verse Homers trefflich zu dem Gedanken,
den der Maler im Bude niederlegte; nur muss man nicht denken,
dass der Maler mit sich zu Bathe ging, wie er den Inhalt der home-
rischen Stellen am besten wiedergäbe. Den Geist der homerischen
Poesie hatte er erfasst, und er wusste auch, dass durch ApoUons
Pfeil Achilleus spSter erlag, wfthrend hier die Hülfe des Apollon
vergeblich war.
3. Gerhard AV. 203. Overb. 449, 100. XIX, 1.
unter den Mauern Ilions, die den Hintergrund abgeben, ver-
folgt Achilleus den Hektor, der auch im Fliehen den Speer gegen
jenen zückt Athena, die zugegen ist, zeigt den Verlauf des EampfisB
an. An den Thoren stehen zwei phrygische Bogenschützen, ohne in
den Gang der Handlung eihzugreifen. Aber Phamos und Hekabe,
in Ausdruck und Haltung ihre Angst verratheild, sind aus der Stadt
hervorgestürzt, während Homer ihrer nur vor und nach dem E[ampfe
gedenkt Die Vertheidigung Hektors wShr^d der Flucht war fUr
den Maler nur das Mittel, um Flucht und Vertheidigung zugleich
darzustellen.
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Verh. d. gr. Vase&lHlder s. d. OM, d. ep. Kyklos. 517
Einen verh<wJBflmltesig engen AnscUass an die homerische
Poesie bietet der
Zweikampf des Diomedes und Aineias
auf einer Vase aas Eameiros, welche im Journal of phüology 1877
Taf. B abgebildet und von Oardner ebdst. p. 215 fF. besprochen ist.
Nach der homerischen Erzählung £ 290 entsendet Diomedes,
von Pandaros getroffen, auch seinerseits den Speer, ß^Xoc b* lOuvev
^ABrivT]. Aineias vertheidigt den gefallenen Freund; aber von Dio-
medes mit gewaltigem Feldsteine getroffen, sinkt er hin, und die'
Augen umzieht ihm finstere Nacht. Aphrodite eilt ihm zu Hülfe,
schlingt um den geliebten Sohn ihre Arme, hält vor ihn zum Schutze
ihr Gewand und entträgt ihn der s^rmenden Feldschlacht Aber
da Diomedes die Göttin waffenlos sieht, wagt er es sie zu verfolgen
und verwundet sie mit der Lanze an der Hand. Von Schmerz über-
wältigt lässt sie den Sohn fahren, welchen Apollon in finsteres Ge-
wölk einhüllt und vor den Feinden errettet.
Auf dem Bilde sehen wir Diomedes mit dem Schwerte ein-
dringen auf den hinsinkenden, aus einer Seitenwunde blutenden
Aineias, den Aphrodite mit ihren Armen hält und da vonzuführen
sucht. Hinter Diomedes die Schutzgöttin Athena ^) in ruhiger Haltung.
Die üebereinstimmung mit Homer, so eng sie scheint, ist doch auch
hier nur in der Hauptsache vorhanden. Viel enger schliesst sich
z. B. die tc^nUa Biaca an. Hier führt Diomedes über Pandaros'
Leiche hinweg einen mächtigen Stoss gegen das Gewand der Aphro-
dite, welches die Gestalt des Aineias umschliesst (Jahn, Bilder-
chroniken p. 14).
Von besonderer Wichtigkeit ist eine Schale des Duris, welche
auf beiden Seiten mit Kämpfen geschmückt ist Abgebildet ist die-
selbe Fröhner, choix de vases Taf. 3. 4, nrnsees de France Taf. 11. 12,
Conze, Vorlegebl. VI, 7.
1. Kampf des Aias und Hektor.
Homer erz&hlt H 181 ff., wie das Loos unter neun Achaiem den
Aias traf, damit er den Kampf mit Hektor bestände. Beide werfen
zweimal ihre Lanze; Aias durchbohrt den Schild des Gegners, die
Lanze fährt denselben streifend am Nacken vorbei, und das dunkele
Blut rieselt zur Erde. Aber Hektor lässt nicht ab voin Kampfe;
mit einem grossen Steine trifft er, wenn auch vergeblich, den Schild
des Aias. Dieser greift zur gleichen Waffe und trifft nicht ohne
Erfolg den Schild des Hektor. V. 270 ff.
etcui b* dicnlb* ioie ßaXdjv |iuXo€ibd\' ir^rpui
pX(ii|i€ bi o\ <p{Xa TouvaO'* 6 b* ötttioc iieravvcBr]
dcTTib* dvixpi/KpOeic TÖv b* aTip' uipOwcev 'AttöXXwv.
') Die Inschrift, welche der Göttin beigeschrieben bt, darf natürlich
nicht mit Gardner su 'A6y|v[Yi€] ergftnst werden.
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518 H. Lnokenbadi:
Und jetzt würden sie sicherlich mit den Schwertern einander ver-
y erwandet haben, wenn nicht die Herolde sie getrennt hfttten. Im
Bilde stürmt Aias mit der Lanze gegen den sinkenden Hektor, der
mit dem Schwerte sich zu yertheidigen sucht. ApoUon eilt mit er-
hobener Rechten herbei, um Aias Einhalt zu gebieten. Auch Athena
n^ht, um Aias zurückzuhalten; denn Hektors Todestag ist noch nicht
gekommen. Nur der Inhalt der homerischen Schilderung ist un-
gefähr wiedergegeben, während im Einzelnen die Darstellung an
grossen Abweichungen reich ist. Athena wird in der Ilias gar nicht
erwähnt. Die Waffen im Bilde sind Lanze und Schwert; von Feld-
steinen sehen wir keine Spur; die Herolde werden vermisst Aber
treffend hat der Maler wiederzugeben verstanden, dass Hektor, der
zu unterliegen scheint, doch noch dem Verhängnisse entrinnen wird.
2. ' Kamplf des Menelaos und Paris.
Während Michaelis, Arch. Zeit 1873, p. 8 ohne nähere Begründung
die Scene in die Dias verweist, ist Fröhner ^) der Ansicht , dass der
Künstler dieses Bild so nicht nach der Ilias hätte bilden können,
sondern dass ein anderes, heute verlorenes episches Gedicht oder
auch Lokalsage die Quelle sei.
Auf der Vase stürmt Menelaos, das Schwert in der Hand, gegen
Alexandres, der mit der Lanze bewa&et sich eiligst davonmacht,
im Fliehen sich umwendend. Hinter Paris steht Artemis, die mit
der erhobenen Rechten dem Menelaos Einhalt gebietet. Allein auch
auf der anderen Seite wird er gehindert Denn eine Frau , die mit
der Linken eine Blume zum Gesichte führt, und die, obwohl nicht
inschriffclich bezeichnet, nur Aphrodite sein kann, ist herbeigeeilt und
hat mit der Rechten das Schwert des Menelaos am Griffe angefasst,
um so den Todesstoss von ihrem Schutzbefohlenen fem zu halten.
Allerdings ist keine genaue üeberein Stimmung mit den Worten
Homers vorhanden. Denn bei diesem f 340 — 382 schleudern beide
ihre Lanzen, dann dringt Menelaos mit dem Schwerte auf Paris ein ;
aber dieses zerschellt auf dem Helme desselben. Er fieisst ihn am
Helm und schleift ihn hinter sich her: allein Aphrodite löst den
Helmriemen und fährt den Paris in dichter Wolke nach Troja.
Auch in den übrigen Kämpfen fanden wir bezüglich der Krieger
Abweichungen; hier ist freilich die grösste, zugleich aber auch die
einfiEushste: Paris macht sich in schnellem Laufe davon. Aphrodite
hemmt den Andrang des Menelaos, während sie in der Ilias den
Paris in einer Wolke entfELhrt Eine solche Abweichung wurde allein
schon durch die Unmöglichkeit der Darstellung nach der Ilias nahe
gelegt. Als zweite Schutzgöttin ist hier Artemis dargestellt, die an
Stelle ihres Bruders Schutzgöttin der Troer ist Alle diese Ab-
weichungen sind nicht gross genug, um den Gedanken an den Kampf
*) Vates Napolion p. IS. tnttsüs de France p. 41.
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Verh. d. gr. Yasdnbilder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 519
der Blas abzuweisen. Die Hauptsache ist geblieben: Paris durch
Aphrodite vor dem übermächtigen Andrang des Feindes errettet.
Wir fanden schon viel grössere Abweichungen, und auch hier ist
vielleicht eine tmgenaue Eenntniss oder Erinnerung an die einzelnen
Züge der Ilias seitens des Duris in Bücksicht zu bringen. Was aber
vor allem in die Augen flült und gegen Fröhner spricht, das ist der
ieine Bezug der beiden Eampfbilder der Schale auf einander. In
jenem henunen Athena und Apollon den Siegeslauf des Aias, in
diesem Aphrodite und Artemis den des Menelaos. Dort fügte der
Künstler die Athena hinzu, hier die Artemis; und wie treffend es
war, in dem einen^Bilde statt des Apollon seine Schwester zu zeichnen,
bloss um dieselbe Person zu vermeiden, das leuchtet von selbst ein.
Auch in dem Epos, das Fröhner annimmt, wird er schwerlich die
Artemis als Helferin des Paris auftreten lassen.
Nach dem bisher Gesagten dürfte es auch an der Zeit sein,
der Ilias ein anderes Vasenbild zurückzugeben, das jetzt ziemlich
allgemein^) den Eyprien zugezählt wird, ich meine den
Waffentausch des Hektor und Aias
oder, wie es gewöhnlich heisst, des Hektor und Achilleus.
Es ist die Bede von dem rfgn. Vasenbild, welches bei Overb.
XV, 4 publicirt und p. 383 besprochen ist.') Wir sehen einen auf-
gehobenen Zweikampf dargestellt, wie schon der Herzog von Lujnes
erklärte.') Die beiden Kämpfer, in deren Mienen noch die Kampfes-
lust sichtbar ist, werden von zwei Greisen aus der Schlacht geführt.
Das Schwert, welches der eine mit Scheide und Schwertgurt und der
Gürtel, welchen der andere in der Hand hält^ zeigen, das der Kampf
ein friedliches Ende nimmt durch Austausch von Geschenken. Es
könnte soweit recht gut eine Darstellung aus der Ilias sein, in der
Aias und Hektor den Zweikampf beendigen H 272 ff. Schon haben
sie ihre Lanzen geworfen und schon ziehen sie die Schwerter, um
mit diesen aufeinander loszustürzen, als Talthjbios von den Achaiem
und Idaios der Troer mit ihren Stäben Einhalt gebieten. Idaios
fordert sie auf, den Kampf einzustellen, und als Aias verlangt,
Hektor, der zum Zweikampf gefordert, möge ihn auch beendigen,
da sagt Hektor V. 290 fE.:
vOv }ikv navob^xecBa jLiäxnc Ka\ bfiiOTfjToc
cViliCpOV ÖCT€pOV aÖT€ ^aX1(^C0jLl€9^ €lC 8 K€ bdjiUJV
Ä|ijLi€ biaxpiv^, b(jn\ b' ^xcpoid fe v(kiiv
V. 299 bujpa b* St* dXXiiXoia TtepiKXuTÄ bifio^ev fi/Jicpui.
Dass es ihm damit Ernst wax|, zeigen dann die folgenden Worte
V. 303 ff.:
0 So z. B. Jahn, Münchener Vaaeo, p. CGXIL — *) Daselbst findet
sich auch die übrige Literatur. — *) amtdl, 1832, p. 8i.
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520 H. Lackeabaoh:
£)c &pa (pujWicac bu)K€ Sicpoc äpTVpönXov
CUV KoXeijj Tc (p^pujv Kai ^üTjyHfJTqj TeXa|4urvi
ATac bk l\DCTf\ßa bibov <po(viKi <paeivöv.
TÜJ bk bioucpivO^VTc 6 ji^v jüi€Tä Xaöv 'Axaiwv
f[i\ 6 b' ic Tpuiu)v ö^abov Kie.
Die Krieger auf unserem Vasenbilde yertausclien genau nach des
Worten Homers das Schwert mit Scheide und Schwertriemen und
den Gürtel. Dass aber andere es sind, die den Zweikampf eigentlich
beendigen, und die Worte des Hektor öcTepov aürre jiaxilcö^eOa,
das könnte kaum passender ausgedrückt werden als dadurch, dass
die Krieger von den beiden Alten an der Hand gefasst sind und
weggeführt werden, selbst aber sich nur ungern zu trennen scheinen.
Man würde die Darstellung ohne Zweifel auf diesen Kampf be-
ziehen — und dies that der Herzog von Luynes — , wSre nicht eine
Inschrift vorhanden, die dies unmöglich zu machen scheint. Wahrend
dem einen Kämpfer nämlich der Name Hektor beigeschrieben ist,
führt der Alte auf der anderen Seite den Namen Phoinix. Lujnes
nahm im Namen Phoinix ein Versehen des Malers an, anders Welcker.
Durch Phoinix, meint er, ist der Krieger, den jener fortführt, als
Achilleus gekennzeichnet Der trompetenblasende Aethiop auf seinem
Schilde zeigt ihn als den Besieger Memnons. ^) und Herolde, glaubt
er, könnten die beiden Alten schon deshalb nicht sein, weil sie durch
nichts als solche charakterisirt seien und die Stöcke, mit denen sie
sich aufstützten, gerade das Gegentheil bewiesen. Dem Phoinix, dem
väterlichen Pfleger des Achilleus, entsprechend soll der Alte auf
der anderen Seite Hektors alter Erzieher sein. Zwar, sagt Welcker,
kam ein Phönix des Hektor schwerlich ausserdem vor, aber erlaubt
war dem Künstler diesen vorauszusetzen und zur üebereinstimmung
den des Achilleus gegenüberzustellen, da bei einem jeden Helden,
sobald es einen Zweck in der Fabel hatte oder in einer Vorstellung
sich von selbst erklärte, sein alter Erzieher aufbreten konnte. *) So-
mit glaubt Welcker einen aufgehobenen Zweikampf zwischen Aclulleus
und Hektor, der in den Kyprien besungen worden sei, nachgewiesen
zu haben.
üeber eins jedoch schweigt er, darüber nämlich, wie er sich
den Kampf in den Kyprien unterbrochen denkt. Wir können doch
kaum annehmen, dass die Helden mitten im Kampfe sich anders
besonnen und sich statt zu bekri^en Freundschafb geschlossen hätten.
0£Eenbar war, und dies würde ja auch das Vasenbild lehren, eine
trennende Gewalt da; der Alte auf Seiten des Hektor ist vom Maler
der Composition wegen erfunden; derjenige also, der den Kampf
beilegt, muss Phoinix sein; er allein weiss die beiden Gegner zu
*) So schon Gerhard, onnoZ. 1831, p. 880 ff. — *) Vor dieser Er-
kttraig scheint die von Overbeok, p. 333, Anm. 3 noch den Vorsug sa
verdienen, der in dem Erzieher des Hektor den Friamos selbst ^rkmii»
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Verh. d. gr. VasonbiUer s. d. Ged. d. ep. Ejklos. 521
trennen. Nun htttte es aber erstens für den Diohter der Eyprien,
wenn er eine Soene der Ilias in die Eyprien Übertrag, nahe gelegen,
den Kampf durch Herolde beendigen zu lassen, die beim Zweikampf
eigentlich erforderlich waren. Sodann erkennt Weleker eine un-
genaue Wiedergabe des Vasenbildes an; denn nicht durch des
Phoiniz Worte allein werden die Gegner zur Versöhnung getrieben.
Freilich wftre es dem Maler unmöglich gewesen, den Phoiniz zwischen
den Kämpfenden darzustellen, da das Bild auf beide Seiten der Am-
phora yertheilt ist; aber mehr als auffallend ist es doch, dass im
Bilde und in der Ilias zwei Alte genannt werden, während Weleker
fOr die Kyprien nur einen annimmt. Endlich aber bürden wir dem
Stasinos die Schuld auf, ganz unselbständig nach der Ilias Scenen
erdichtet zu haben, hier wie dort soll der Grieche das Schwert mit
Scheide und Schwertriemen, der Troer den Gürtel dem Gegner zum
Geschenke gemacht haben. Dies alles ist geeignet, Bedenken gegen
Welckers Erklärung aufkommen zu lassen. Was zwingt uns denn
auch, in dem griechischen Krieger den Achilleus zu erkennen? kann
allein Phjoinix uns auch den Namen des Kriegers sichern? Aller-
diogs hat ihn Peleus dem unerfahrenen Achilleus mitgegeben als
Lehrer des WcMrts und der That (I 438—443), und er steht in
engerer Beziehung zu ihm, als zu einem anderen unter den Griechen.
Allein dieses Verhältniss hatte ihn nicht gebindert, während der
junvic bei Agamemnon zu bleiben; von diesem wird er zu Achilleus
gesandt, um denselben zur Büokkehr in die Schlacht zu bewegen;
und erst da sein und der anderen Gesandten Bemühen vergeblich
ist, bleibt er auf Achilleus' Aufforderung dauernd bei ihm (I 617).
Somit scheint es klar, dass Phoiniz auch einem anderen griechischen
Helden beigesellt sein kann, besonders zu einer Zeit, wo der grollende
Achill sich der Schlacht enthielt. Dass endlich der Aethiop auf dem
Schilde des Griechen diesen nicht als Memnonbesieger bezeichnet^
sondern Schmuck eines jeden Schildes sein könnte, ist heute kaum
nöthig zu erwähnen. Ist so die Erklärung Welckers weder auf
schriftliche Quellen begründet, noch auf ixgend einen zwingenden
Umstand, den das Vasenbild an die Hand gäbe, so kehren wir zu
der Erklärung des Herzogs von Lujnes zurück und erkennen Aias'
und Hektors Abschied nach dem Kampfe. Da wir nun einmal keine
Berechtigung haben, in den Einzelzügen der Bilder einen möglichst
engen Anschluss an die homerische Poesie zu suchen, so müssen
wir auch hier sagen, dass der Maler statt der Herolde, die sich bei
Homer finden, zwei Alte wählte. Kam denn etwas darauf an, ob
grade Idaios und Talthybios die Krieger trennten? ganz gewiss
nicht Und es dürfte doch sehr fraglich sein, ob dieses Vasenbild
oder das der Durisschale den Kampf zwischen Aias und Hektor
treuer nach der Ilias darstellt. Will man nicht fast alle Kämpfe in
die Kjprian versetzen, so möge man auch diesen zu den Darstellungen
der Dias zählen. Phoiniz aber ist hier um nichts auffälliger als
Digitized by C3OOQ IC
522 H. Lnokenbaoh:
OdysBeuB nnd Antomedon auf der Fran^oisvaBe (vgL p. 495 ff.), und
angesichts der vielen NamenByerwechselimgen, von denen oben
(p. 614) die Bede war, kann kein Zweifel herrschen ^ dass der
Künstler, da er sich nicht genau erinnerte, zwei Alte wüilte, deren
Amt es ja passend sein konnte, die Kämpfenden zu trennen. Ausser
Nestor war Phoinix von den Griechen allein geeignet^); interessant
wSre es zu wissen, ob nnd wie der andere benannt war, da die theil-
weise zerstörte Vase uns dies nicht erkennen Ittest.
S 4. UnteritaliBOhe Vasen.
In den unteritalischen d. h. den verhältnissrnttssig späten Vasen-
bildem hauptsllchlich apolischen und lucanischen Fundortes soll nach
Overbeck p. XI meist eine tragische, seltener lyrische und nur aus-
nahmsweise epische Quelle vorauszusetzen sein. Diese Behauptungen
bedürfen indessen einer Correctur. Heute kennen wir eine ganze
Beihe von Vasenbildem dieser Epoche, denen zu deutlich der Stempel
des Epos aufgedrückt ist, und es mag fraglich sein, ob in Bezug auf
die Sagen, welche innerhalb des Bereiches des epischen Kjklos fidlen,
die Tragödie oder das Epos vorwiegt. Dagegen ist ein lyrischer
Einfluss durchaus nicht nachzuweisen und auch die alexandrinische
Poesie hat auf die Vasenbilder nicht eingewirkt.') Auch werden
wohl nur wenige mehr das ürtheil von Overbeck p. XIII unter-
schreiben wollen, dass, wenn z. B. ^erb. X, 5 Eros den Paris vor-
führt, eine andere Quelle zu Grunde liegen müsse, weil dies nicht
nach dem Epos sei Es kann das Epos zu Grunde liegen, und doch
das Bild in den Einzelheiten vom Epos sehr verschieden sein. Die
ünteritaliker haben ihre besodere Art, die zu bekannt ist, als dass
ich allgemeine Züge anzugeben brauchte. Aber eine neue Betrachtung
der Vasenbilder von unserem Gesichtspunkte aus wird auch hier
einiges Neue für die Beurtheilung bringen.
Dasjenige Vasenbild, welches am meisten geeignet ist als Grund-
lage dieser Untersuchung zu dienen, ist leider noch nicht publidrt,
und trotz der durchsichtigen Beschreibung, die Jatta gibt, vermisse
ich doch sehr die Abbildimg, besonders da die richtige Deutung erst
spftter gefunden ist. Die Vase gehört der Sammlung Jatta an,
Nr. 1097, beschrieben p. 559 — 563; von Hejdemann, Arch. Zeit.
1872, p. 43 auf das
Gebet des Chrjses und das Sühnopfer der Griechen
bei der Bückgabe der Chrjseis gedeutet.
Nach der homerischen Schilderung schickt Agamenmon den
-Odysseus mit der Chrjseis, 20 Buderem und einer Hekatombe für
^) Die Popularität des Namenr Phoinix zeigt u. a. anncU, 1862 ieno, B.
— *) Vgl S. 10 u. 11.
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Verb. d. gr. Vasenbüder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 523
den Apollon nacb Gbryse binttber (A 306 — 312). Nacb ibrer Landung
fübrt OdjSBens die Obrjseis am Altare des Gottes dem Vater zu.
Die Ruderer stellen die Hekatombe um den Altar, waschen sich die
HSnde und nehmen Gerstenkörner in dieselben. Dann fleht Chryseis
zum Apollon, das Unheil von den Troern abwenden zu wollen. Nach
dem Gebet schlachtet man die Opferthiere^ einen Theil des Fleisches
verbrennt Chryseis und giesst funkelnden Wein hinzu. Knaben aber
nehmen fOnfzackige Gabeln, um das Opferfleisoh zu halten. Nach
dem Opfer beginnt das Mahl, des Weines wird nicht geschont und
der Gott durch Gesang und Tanz gefeiert (A 430 — 476). Die
Schilderung bei Homer gibt die üblichen Opferceremonien an.
Im Bilde hat Chryses die Hllnde erhoben und betet zum Apollon,
der im Tempel auf einer Basis steht. Chryseis scheint die Bitten
des Vaters zu unterstützen. Dagegen vermissen wir den Odysseus,
wenigstens möchte ich nach der Beschreibung keinen der vier übrigen
Mftnner so benennen/) Aus einer Quelle fliesst Wasser in ein
Becken, das als Untersatz dient; vor dem Tempel steht ein Altar,
mit loderndem Feuer. Ein Priester nebst einem jüngeren Gehülfen
steht daneben; zwei andere Männer sind damit beschäftigt, einen
Stier zu erlegen. Hinter der Chryseis stehen noch zwei weibliche
Personen, in der einen können wir vielleicht eine Dienerin der
Chryseis erkennen, die andere ist als Opferdienerin durch das Becken
mit zwei Oinochoen, das sie auf dem Kopfe und durch die Kanne,
die sie in der Rechten trägt, bezeichnet. Schon in allen diesen Per-
sonen gibt sich kund, wie wenig der Künstler nach den Worten der
Dias malte, wie er den gegebenen Stoff in seiner Weise ausbildete.
Manche, was er uns bietet, finden wir nicht in der Dias, und anderer-
Seite gibt diese manches, was er zu bilden verschmäht hat. Wenn
er den Brunnen zeichnete, so hat er sicherlich dies nicht gethan, um
dem einen Worte der Dias xcpviipavTO (V. 449) gerecht zu werden,
und wenn er die Dienerin mit der Kanne nahen lässt, so haben ihm
nicht die Worte i.n\ b' ofeoTra oTvov Xciße (V. 462) im Sinne ge-
legen; sondern zum Opfer gehörte nun einmal das Wasser und die
Weinspende. Bei jedem Opfer, das der Künstler ausführlicher dar-
stellt, wird uns ähnliches begegnen. Man vgl. z. B. die Vasenbilder
Neapel 1988. 2411. 2858 u. a., und die üeberein Stimmung, die sich
nothwendig ergeben muss, bietet sich jedem von selbst dar. Auch
Götter wohnen der heiligen Handlung bei. Athena unterhält sich
mit Hermes; ein junges Weib hört ihnen zu. Athena lässt sich sehr
wohl als Schutzgöttin der Griechen erklären, und Hermes, der Ge-
leiter, findet sich überall ein, wo Götter sind; tmgemein oft aber ist
er gerade in unteritalischen Vasenbildem mit der Athena verbunden,
und es ist nicht gerathen, seine Gegenwart immer durch Schrifbstellen
erklären zu wollen.
') Oder ist der bärtige Mann am Altare Odysseus?
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/
524 H. Lnckenlmoh:
Aber noch nicht genug mit diesen Figuren. In der lockeren.
Manier der spftteren Vasenmalerei kommt auch noch Aphrodite
hinzu, die in der Hand eine Schale mit Früchten hAlt, yon denen
Eros eine wegnimmt Unter ihnen sitst eine Frao, die den Blick su
ihnen emporwendet
Um den Kern der homerischen Sage also, der deutlich zum
Vorschein kommt, hat der Maler eine Reihe von Personen und
Oöttem gesohaart, die, wenn überhaupt, doch nur in einem sehr
lockeren Verh<nisse zur Haupthandlung stehen. Aphrodite und
Eros haben schlechterdings gar keine Beziehung zur Handlung.
Ausser der Chrjseis und den Göttinnen finden wir noch drei weib-
liche Gestalten, für deren Darstellung Homer keinen Anlass gegeben
hat. Sie zu benennen geht schon deshalb nicht an, weil der Ort der
Handlung die Insel Chrjse ist. Freilich, ständen wir auf troischem
Boden, dann würde man ganz ohne Zweifel für mehrere der Franen
Namen in Bereitschaft halten. Bei jedem Anlasse müssen Thetis
und die Nereiden, Iphis und Diomede, Hekabe, Andromache u. a.
herhalten, um ihren Namen den Personen des Vasenbildes zu leihen.
Es wird dann mit Sorgfalt genau nach den Versen Homers abge-
wogen, welche der Frauen in nftherem Verhältnisse zur Haupt-
darstellung steht, und demgemftss erhalten die Personen des Bildes
nach Stellung, Würde und Aussehen ihre Namen. Auch ftlr den
Jüngling am Altäre würde man wahrscheinlich den Namen AntUochos
missbrauchen« Dass der Künstler auch Personen gemalt hat in all-
gemeiner Bedeutung, ohne an bestimmte Gestalten Homers zu denken,
diese Erkenntniss erfordert eine Entsagung von Seiten des ErklSrers,
welche selten gefunden wird und doch angesichts so vieler sicheren
Fälle gefordert werden darf, zumal da uns so oft, wenn einmal der
Künstler Namen beigeshrieben hat, solche entgegentreten, die nicht
im Epos begründet sind, und die der Künstler sidi selbst erdacht hat.
Wäre z. B. in dem attischen Vasenbilde Overb. XHI, 2 diejenige
Jungfrau, die dem Tyndareus und Ikarios die Entführung der Helena
meldet, nicht Euopis benannt, ako mit einem beliebigen schön-
klingenden Namen ^), dann würde man bei der bisherigen Methode
schon einen Namen für sie gefunden haben, etwa Philonoe, die uns
ab Schwester der Timandra und Helena genannt wird^), ja man
würde sagen, dass gar kein anderer Name für sie da sei und deshalb
ohne Bedenken ihr den betreffenden Namen geben.
An diesem Orte mag auch die Hiupersis des Brygos') berührt
werden, die freilich ebenf&lls der zweiten Epoche angehört, aber doch
') Urlichs treilich scheint den Namen Euopis im Epos Buchen la
wollen, da er in einer Dienerin der Helena auf einer anderen Vase
(ofifial. 1856, XIV — Conze, Vorlegebl. VIII, 3) Euopis erkeuit. ürlichs
Vasenmaler Biygos p. 4. — *) Apollod. III, 10, 6 und sonst. Phüonoe
in der schwanfig. Vase Br. M. 584*. — ') Heydemann, ninpersis, Ti^^^^^v
Conze, Vorlegebl. VlII, 4.
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Verh. d. gr. Vasenbilder e. d. Ged. d. ep. Eyklos.
hier des ZusainmeiihaDges wegen besprochen werden darf, da sie
yielleioht wie keine andere Vase interessant iert in Beeng auf die
Namen, die Künstler ihren Figuren geben« ^) WShreiid anf der einen
Seite Neoptolemos den Astyanax am Beine gefasst hftlt und aaf den
Priamos eindringt imd Akamas die Poljzena hinwegfOhrt, sehen wir
anf der anderen den Straseenkampf , in dem die letzten Troer nach
heldenmüthiger Oegenwehr fiklle». Ein Grieche Opsime[don?]')
stürmt gegen den schon g^snnkenen Andromachos; ihm stellt sich
ein Weib entgegen, Andromache, mathig in beiden Händen die Kenle
schwingend; Sngstlioh sieh zurückwendend flieht Astyanax davon.
Die Namen haben Schwierigkeit gemacht: d^m eine bestimmte Soene
des Epos liegt hier nicht vor, und den Astyanax finden wir nebenan
bereits von Neoptolemos getödtet. Der Maler, der eine Scene all-
gemeinerer Art entworfen hatte, suchte Namen für seine Personen:
das muthige Weib nannte er Andromache, den Gefollenen, den sie
Yttiheidigt, Andromachos, den schüchternen Knaben Astyanax. Man
darf nicht die Frage stellen, ob dies die Andromache und der Astyanax
des Epos sind; sie sind es und sind es auch nicht: denn ihre Namen
hatte der Künstler im Auge, aber eine sie betreffende Scene des
Epos stellte er nicht dar. Die Namen Opsimedon und Andromachos,
in dem wir yielleicht den Gatten der Andromache erkennen dürfen,
wählte der Maler beliebig, bei dem letzten Namen nur auf die Be*
deutnng aditend. Hinter Opsimedon entflieht ein Weib, und ein
Krieger dringt auf den gesunkenen Gegner ein. Treffend sagt Heyde-
mann a. 0. p. 23 ^sie benennen zu wollen w&re Spielerei und Mangel
an Verständniss des Kunstwerks'. Nur den Untergang der Troer,
nicht aber bestnnmter Troe^ sehen wir vor unseren Augen, und da
der Künstler selbst individualisiren wollte, wählte er Namen, die
ihm beifielen, und daarunter auch den der Andromache und des
Astyanax, Namen, die hier von ihrer individuellen Bedeutung zu
einer allgemeineren verflüchtigt wurden«
Ein weiteres Beispiel für die Richtigkeit d«r aofgesteltten Be-
hauptung, dass man mit wenig Beeht mt^liehst vielen Personen
Namen beilegt, liefert die Perservase. ^) Im B«lhe des KOaigs sind
ausser dem Boten und dem Doryphoros noch fünf Personen anwesend.
Heydemann^) glaubt, wie andere vor ihm, in allen habe der Maler
bestinmite historische Gestalten vorführen wollen, und sucht sie
deshalb mit Namen zu benennen. Hippias, Gobryes und Demaautos
*) Zur Auffassung v£[l. Heydemann a. 0. p. 28 ff. Brunn, troische
Miscellen, p. 226 ff. ürlichs, der Vasenmaler Brygos, p. 4. 6. Oonze,
Gott. ^el. Anz. 1867, p. 596. — *) UrHohs vertauscht die l^taien, nennt
den Griechen Andromadbos, den G^allenen Opsimedoe. Dies oeht wogen
der Stellung der Inschriften nicht an. üeber die Erg&nsung des Namens
vgl. Heydemann a. 0. p. 23. — ') Diese Bemerkunffen gingen hervor aus
einer Besprechung der Perser vase im Seminar des Herrn Prof Michaelis.
— «) Neapler Katalog S258. anncd, 1878, p. 80 ff. —
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526 H. Lackenbach:
sind ihm relaHy gesichert; in dem vierten erkennt er einen Tyrannen
irgend einer kleinen asiatisch-griechischen Stadt, in dem f&nften den
Arti^hrenes oder auch Otanes oder endlich Daiis. Allein abgesehen
dayon, dass wir beim Maler kaum die Kenntniss aller einzelnen Um-
stSnde am Perserhofe, aller Personen, die zu jener 2^it yon Ghechen
und Persem dem Könige nahestanden, voraussetzen dürfen, sehen
wir deutlich, dass der Maler uns über keine Person im Unklaren
lassen wollte, mit der er selbst einen bestimmten Namen verknüpfte.
Beginnen wir mit der obersten Reihe, so sind Artemis^ ApoUon,
Nike, Zeus und Athena für jeden sofort kenntlich; die übrigen Ge-
stalten, über deren Benennung man sich sonst vielleicht heute noch
nicht geeinigt haben würde, bezeichnete er durch Inschriften als
Hellas, Apate und Asia. Für die Personen der untersten Reihe be-
dürfen wir ebenfalls keiner Namen: wir erkennen den Schatzmeister
und die Repräsentanten der tributzahlenden Provinzen.^) Lasen wir
bei Herodot von einem Schatzmeister des Dareios um diese Zeit^ ich
zweifle nicht, dass man auch seinen Namen für den Schatzmeister
der Vase verwandt hfttte. In der mittelsten Reihe ist, damit die
Darstellung durchaus klar sei und man nicht zwischen Dareios und
Xerxes schwanke, der König Dareios benannt: dürften wir nicht auch
erwarten, dass der Künstler ein Gleiches bei den übrigen Personen
gethan haben würde? Wenn er für den Beschauer die Namen Hellas,
Apate und Asia beischrieb, warum nicht auch die Namen Gobxyes,
Demaratos, Hippias u. s. w. Diese waren gewiss nicht leichter zu
errathen als die symbolischen Figuren der obersten Reihe. Hejde-
mann hat auf die Verschiedenheit des Kostüms aufinerksam gemacht;
er will Perser, Griechen und Eleinasiaten erkennen; und wenn dieser
Unterschied richtig wttre, so würde man vielleicht doch auf die Be-
nennung der einzelnen Männer zurückkommen dürfen. Da jedoch
der Zahlmeister nicht als Perser gekleidet ist und doch unzweifelhaft
als solcher gedacht werden muss, werden wir auch in der Yer-
schiedenheit der Kleidung der Umgebung des Königs nur das Streben
nach Abwechselung oder auch den .Wunsch , die Mischung griechi-
scher und asiatischer Elemente in mannichiacher Abstufung zur
Anschauung zu bringen, zu erkennen haben. Wenn endlich der
Aeusserste rechts steht und nicht sitzt, so ist dies wohl in erster
Linie dem Raummangel, dann wieder demselben Bedürfniss nach
Abwechselung zuzuschreiben. Die Benennung der einzelnen Personen
ist also ohne genügenden Grund vorgenommen. Der Maler hat den
König im Rathe seiner Edlen dargestellt; wie diese hiessen, blieb
ihm gleichgültig.
Der getadelte Versuch, möglichst viele Personen zu individu-
alisiren, soll an einem andern Vasenbilde sofort zur Sprache kom-
men, dem
^) Michaelia ist geneigt, in ihnen Weiber zu erkennen.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. Qed. d. ep. Eykloa. 527
Todtenopfer des Aohilleus za Ehren des Pfjftroklos.
üfon. IX, 32. 33. amal. 1871, p. 166—186. Neapel 3254.
Den wesentlichen Inhalt des Todtenopfers sehen wir auf der
Vase; die Inschrift TTarpÖKXou rdcpoc zeigt dies schön an. In der
Mitte ist der grosse Scheiterhaufen errichtet; auf demselben liegen
zwei Panzer, ein Helm, femer sind zwei Beinschienen und ein Schild
an demselben befestigt. Es liegt nahe, an das Gelübde des Achilleus
zu denken:
oü C€ Tiplv KT6ptu) Tipiv t' "CicTOpoc dvOdb' dveiKai
TeOx€a Kai KcqxxXyjv (C 334 f.).
Nur wird man nicht glauben wollen, dass der Maler durch diesen
Vers zu seiner Darstellung bewogen sei. Die Waffen werden nur
hier und X 368 ff., wo Achilleus dem Hektor die Büstung raubt,
kurz erwShnt. Ist es doch fraglich, ob der Maler sich selbst klar
darüber gewesen ist, ob er Hektors Waffen dargestellt hat oder
andere. Gegen das erste sprechen eigentlich schon die beiden Panzer,
da Hektor doch nur einen trug. Nicht also die Worte Homers haben
den Ausschlag gegeben, sondern die allgemeine Sitte, dem gefallenen
Krieger die Waffen mit ins Grab zu geben, übertrug der Maler auf
die Heroenzeit.
Links vom Scheiterhaufen befinden sich vier Troer, ein fünfter
in der unteren Reihe; einen von ihnen ist Achilleus im Begriffe
niederzumachen. Allen sind die Hftnde auf dem Bücken zusanmien-
gebunden, wie es uns die lüas berichtet O 30:
bf)c€ b' ömccuj xeipac iöTjut^TOiciv ijuSciv.
Indesa sei auch hier daran erinnert, dass die Fesselung der Httnde
auf dem Bücken die gewöhnliche ist. Beiches Haar trttgt Achilleus,
wfthrend er sich nach Homer vor dem Todtenopfer scheert. Auf der
anderen Seite steht ein Heerführer (Agamemnon); mit der Bechten
giesst er eine Schale rothen Weines auf den Scheiterhaufen. Zu
seinen Füssen steht eine Hydria. Zu ihrer Erklftrung die Worte
Homers:
tv b* ^TiOei jüi^XiToc Ka\ äXciqpaTOC ä^(pi90pf)ac
Ttpdc Uxea KXivujv(Y 170 f.)
herbeizuziehen, scheint mir durchaus unpassend, unzweifelhaft ent-
hält sie die gespendete Flüssigkeit. Von Achilleus lesen wir V 218 ff. :
6 bk Ttdwuxoc ÄKUC 'AxiXXeuc
Xpuc^ou ^K KpriTflpoc dXdiv bitxac djKpiKUTTcXXov
oTvov dqpuccdjLicvoc xaix&bic x^€, beOe bk tctiav
^fXJXi\v KiKXifjCKWv TTaTpoKXf^oc beiXoio.
Achilleus spendet den Wein; Achilleus hat aber auch das Opfer zu
vollziehen: beides im Vasenbilde auszudrücken war nicht möglich,
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528 H. Lnckenbach:
der Maler half sieh und theUte die Spende dem Agamannon 2U, in-
dess Acbillens eelbat die Troer biamerdet Dass jedoch dem Maler
überhaupt die Verse des Homer in der Erinnerung lagen, scheint
mir sehr problematisch. Wie ich glaube, würde unzweifelhaft das
Yasenbild dasselbe sein, auch wenn jene Verse nie in der Ilias ge-
standen hätten. Beim Opfer ist die Spende angebracht, zur Spende
gehört die Schale, der Wein und ebenso das Gefftss, in dem derselbe
vorher aufbewahrt war. ^) Dass Agamemnon hier spendet, ist gewiss
ein feiner Zug des Künstlers; Agamenmon^ der oberste Heerftlhrer
der Orieoken, der jetzt mit Achüleos neu v^vöhnt ist, war hier mehr
als jeder andere am Platze. Hinter ihm befinden sieh zwei Frauen:
die erste, die man wohl mit Eecht Thetis genannt hat und deren
Anwesenheit sich leicht erklärt, steht verhüllt da; die zweite naht
mit einer Schale, einer Binde und einem Fächer in Händen. In der
Ilias wird ihre Funktion beim Opfer nicht erwähnt Zwei weitere
Frauen sind in der unteren Beihe dargestellt, eine wiederum ruhig
dastehend, indess die andere aus einer Amphora Wasser in einen
DreifuBS giesst. Während man in jener, die mit der Schale nahte,
sich begnügen musste, eine Zuthat des Künstlers zu erblicken, hat
man diese wieder aus Homer zu erklären versucht und an die Verse
erinnert:
Sk ciirdiv ^irdpoiav ^k^kX€To btoc 'AxiXXeOc
ä^q)l iTupl crf^cai rpiiroba ]xi'xixy dq)pa T^xicra
TTäTpOKXov XoOc€tav Ärro ßp^ov aljuicrröevTa.
ol bk Xoexpoxöcv xphtob' kxacciv iv irupl ktiX^ui
t\ b* fip* öbuip Ixeav (C 343 ff.).
Diese Beziehung liegt zu fem; vor allem fehlt j« der Leidmam des
Patroklos, um dessentwillen die Dienerin beschäftigt sein solL Femer
ist daran gedacht, dass man V 35 den Achilleus zu überreden sneht,
sich vom Blute zu reinigen jxad den Dienetm den Befehl gibt, einen
grossen Dreifuss ans Feuer zu stellen, Achilleus dagegen sich zu
reinigen weigert, ehe das Todtenopfer dem Freunde gebracht ist.
Allein nicht jener Worte des Homer wegen hat der Maler die
Dienerin gemalt, die Wasser in einen Dreifuss giesst. Wie sich die
Darbringung der Waffen, die Dienerin mit den Opfergeräthschaften
aus dem Bitus erklärt, so auch der Dreifuss und die Dienerin mit
der Amphora. Das Opfer erforderte die Beinigung: dann aber gehört
Wasier zu jedem Opfer; bm dem Gebet des ChrTses floss aus einer
Quelle Wasser in den Untersatz«
Am äussersten rechten Ende sieht das Viergespann des AchiUeus,
an dem der blutige Leichnam des Hektor mit den Füssen b^estigt ist.
') Vgl. oben Opfer des Chryses. Hinsichtlich der Spende sei an
KroisoB auf dem Scheiterhaufen erinnert, der mit der Rechten aus einer
Schale den Wein ansgieBBt (fmm. I, 64. Weleker, alte Denkm. 111, 33).
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Yerh. d. gr. Vaaenbilder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 529
Der Wagenlenker htit die Bosse an; er hat sich zarfickge wandt nnd
tinterhSlt sich mit einem Jttnglinge, in dem man den Antüochos er-
kannt hat Ffir des letzteren Anwesenheit hat Michaelis sich darauf
berufen, dass C 2. 32 Antilochos dem Achilleos die Trauerbotschaft
vom Tode seines Freundes überbringt und mit ihm den Todten be-
klagt. Allein wäre dies die ganze Bedeutung des Antilochos, dann
würde der Maler ihn schwerlich, hier angebracht haben, er würde
gar nicht an ihn gedacht haben. Nicht darum wai* es ihm zu thun,
nur aus der Dias eine Scene herauszuschälen und gewissermassen zu
isoliren, sondern er schöpfte aus dem ganzen Gewebe der Sagen,
das er durchdrungen hatte. Er wusste, dass Antilochos an die Stelle
des Patroklos in der Aethiopis trat und dem Achilleus später der
liebste Freund wurde, ein Yerhältniss, das schon die Dias andeute! ^)
Diese Art und Weise der Verbindung von Personen, die aus
Terschiedenen Dichtungen bekannt waren, ist soviel ich sehe noch
nicht gebührend hervorgehoben. Besonders lehrreich ist die Art
des Poljgnot, und so wenig auch dieser hinsichtlich der Composition
und Erfindung sich mit den Vasenmalem vergleichen lässt, so passend
scheinen mir doch einige Worte über die Art zu sein, mit der er
die Personen verschiedener Gedichte verband. In seiner Diupersis
hält er sich im Wesentlichen an das Gedicht des Lesches (Paus. X,
25 — 27). Sofort im Eingange wird uns die Abfahrt der Griechen
geschildert; auf dem Schiffe des Menelaos befindet sich der Steuer-
mann desselben, Phrontis, dessen Namen Poljgnot nach des Paasa-
nias richtiger Bemerkung aus der Odyssee (t 276 — 285) geschöpft
hat. Zur Helena fügte er Briseis, Diomede und Iphis, die er ohne
Zweifel aus der Dias kannte. Unter den gefangenen Troerinnen
malte er die Medusa, Elymene und Aristomache. Bei diesen Frauen
lagen ihm Beminiscenzen aus der Diupersis und den Nosten des
Stesichoros vor. Auch die Deinome brachte er an, und diese wurde
in der kleinen Dias erwähnt Von einer Verquickung aller dieser
Gedichte kann natürlich nicht die Bede sein; aber dass Poljgnot
gründlich in der Literatur bewandert war, können wir dem ent-
nehmen.
Dasselbe nun haben auch die Vasenmaler gethan. Wie in
unserem Bilde wesentlich der in der Aethiopis geschilderte Freund-
schaftsbund des Achilleus und Antüochos die Veranlassung für den
Maler war letzteren hinzuzufügen, so finden wir auf vielen anderen
Personen, die nicht in der betreffenden Stelle der Poesie erwähnt
zu werden brauchen. So erblicken wir auf einer anderen unter-
italischen Vase'), auf der die Lösung des Hektor durch Priamos nach
Aischylos dargestellt ist, auch Thetis, Nestor und Antilochos'), aber
») Y 666 6n ol ©«Xoc i^€v ^Tdlpoc. — *) Overb. XX. 4. Conze, Vor-
legebL I, 8, 2. Peteraburff 422. Arch. Zeii 1879, p. 15 ff. — 'O Uebrigens
steht auf der Vase *A|Li9tXoxoc, vgl. p. 614.
Jahrb. f. oUm. Phil. SuppL Bd. XI, Dig^^, by GoOglc
530 H. Lackenbacli:
schwerliGh spielte eine dieser Penonen im Drama eine Bolle. Beim
Morde des Aigisthos^) dttrfen wir die Gegenwart des Talthjfaios bei
der Frage nach der Quelle nicht in Anschlag bringen. Das Bild
wfirde dem Drama folgen kOnnen, obwohl dieses den Talthybios un-
erwähnt Hess. Wenn in derselben Darstellung Chiysothemis uns
an Sophokles erinnern kami, so ist durch ihre Gegenwart allein
Sophokles nicht als Quelle erwiesen, örade bei diesem Bilde dürfen
wir von einer eigentlichen Quelle nicht reden.» Den Mord des Aigi-
sthoB, den das Epos und die Tragödien des Aisohylos und Sophokles
gedichtet hatten^), sehen wir vom Künstler frei gebildet ohne enge
Anlehnung an eine bestimmte Quelle.
üebrigens ist, um nach dieser Abschweifung wieder zu unserer
Vase zurückzukehren, die Zurückhaltung, mit der Michaelis den
Jüngling Antilochos benemit, nur zu begründet, da vielleicht der
Künstler gar nicht an einen bestimmten Griechen gedacht bat.
Wenn Heydemann zweifelt, ob er ihn Antilochos oder Alkimos be-
nennen soll, fCbr den letzteren Namen sich berufend auf T 392, wo
Automedon und Alkimos dem Achilleus die Bosse anspannen, so ist
es für mich kaum denkbar, dass der Maler diesen Alkimos dar-
gestellt habe. Hatte er eine bestimmte Person im Auge, zu welcher
Annahme kein genügender Grund yorliegt, dami kann er wohl nur
den Antilochos gemeint haben. Auch den Wagenlenker hat man
benannt mit dem Namen Automedon, den die Uias an die Hand gibt.
So passend iiiese Bezeichnung ist, so bleibt es trotzdem noch immer
fraglich, ob der Künstler an den Automedon gedacht hat Hätte er
Namen beigesohrieben, möglich, dass er dann wie jeuer Maler rer-
fahren w&re, äer die Dienerin des Odjsseus Antiphata nannte.
Die Mitte des obeorsten Streifens nimmt ein Zelt ein, in dem
zwei Greise (wohl Nestor und Phoinix) sich unterhalten. Links von
ihnen zwei Mjrmidonen im Gesprftche, neben denen eine Frau steht
traurig nachdenkend. Zur Beohten endlich Athena, die sich mit
Hermes unterredet Zu diesen beiden (jöttem, die uns auch schon
▼orhin begegneten, gesellt sich Pan, der so hAu^ auf unteritalisch^n
Vasen sich findet, ohne dass für seine Anwesenheit tiefere Be-
ziehungen sich finden liessen.
Fünf weibliche Personen waren ausser Athena auf unserer Vase
zugegen. Vier davon hat man mit Namen benannt^ die uns die Dias
angibt, Thetis, Briseis, J^his, Diomede, die Mnfbe wird einfach als
Dienerin bezeichnet. In der einzelnen Benennung gehen die An-
sichten zum Theil auseinander, worauf ich mich hier nicht näher
einlassen kann. Auch ich habe mich oben der Benennung der Thetis
angeschlossen, und da die in Bede stehende Frau sich vor allen
anderen auszeichnet, glaube ich, dass man Unrecht thun würde,
0 Man. VIII, 16. Conze, Vorlegebl. I, 1, 2. Vgl. Heibig, annal.
1865, p. 222. — *) Auch EuripideB in seiner Elektra.
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Verb. d. gr. Vaseubilder z. d. Qed. d. ep. Eyklos. 531
weim mim behauptete, dex Künstler habe ga^ keine bestimmte Person
dargestellt. Nur darüber würde sich streite^ lassen, ob wir in ihr
auch Thetifi ua4 nicht ejbwa Briseis zu er^Ecnnen ha^^. üathunlich
ist dagegen, audb allen übrigen Frauen üjTamen zu geben. ^) gönnte
der Künstler nicht ebensogut nur Frauen, nicht aber bestimmte
Frauen malen, wie er ja auch zwei Mynnic^ooen malte, dienen bisher
niemand Namen gegeben hat? Die einmalige kurze Erw&hnung der
Iphis und Diomede in der IHas (I 664 — 668) ist gewiss nicht ge-
eignet« den Glauben, dass 4er Künstler an sie »icht gedacht habe,
zu unterdrücken. Wenn so manches Bild Figurjen aufweist, 4^e nicht
in der Poesie begründet sind, dann ist doch auch da Vorsicht an-
zuratheai, wo sich dieselben allenfalls benennen liessen. Ganz zu
verwerfen aber ist es, wenn man sogar die feste und sichere Ent-
scheidung wagt, Welche von den Personen Iphis und welche Diomede
zu nennen sei.
üeberblicken wir noch einmal die Darstellung, so bietet sich
uns ein wohldurchdachtes Ganze dar, dessen Kern die Bache ist, die
Achilleus den Manen des Patroklos versprochen hat Hektor ist
todt und die troischen Jüivglinge fallen zum Opfer. Die übrigen
Personen stehen meist in lockerer V^rbindujpg mit der Haupthandlung.
Vermissen könnten wir nur den Patroklos selbst, der nach ier Ilias
vor der Hinseddachtung der Troer auf den Scheiterbaufw gelegt
wird. Vielleicht wii^ uns s«in Fehlen weniger befremden, yfBUffi wir
sehen, wie frei 4er Künstler verfuhr; die Waffen auf dem Sche^er-
bau£en, hier Agamemnon spendend, dort die Dieneren Wasser be-
reitend, eine andere mit ein^r Schüssel, einem F{(c(ber und einer
Binde herbeieilend; Achilleus mit langem Haare, Phoinix mit Nestor,
Atibena mit Hermes, ein Mjrmidone mit eine^ anderen, der Wagen-
lenker mit Antiloehos (?) im Gespräche: dies alles ist mehr oder
weniger frei geschaffen, zum Theil nach Personen, die das Epos an
die Hand gibt.
Wenn wir vorhin die Anlehnung an Einzelheiten möglichst zu
leugnen suchten, einzig von dem Gedanken ausgehend, dass der
Künstler nach seinen Kenntnissen der Sage aus sich selbst heraus-
producirt, nicht aber nach vorhergegangenem Studium des Homer
sich an diesen möglichirt treu anschliesst, so hatten wir für unsere
Ansicht eine wesentliche Stütze an dem Bude, welches das Gebet
des Chryses uns vorführte. Keine geringe Bestätigung gibt uns die
Vase, zu der wir uns jetzt wenden:
die Schleifung des Hektor um das Grabmal des Patroklos.
Overb. 457, 116. Neapel 3228.
In einem Grabtempelchen steht ein nackter weissgemalter JüngUng,
der Schatten des Patroklos. Daneben ist eine Frau sichtbar mit
^) Vgl. Michaelis p. 181 j9«r avoentura assegnando nami certi anche a
queste fi^e secandarie, ascriveremtno al pittore pensieri che certo nan e^e.
34* HK
_.^...^edby
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532 H. Lnckenbacli:
aufgelösten Haaren, in der Linken eine Schale haltend, offenbar am
am Grabe des Verstorbenen eine Opferspende vorzunehmen. In
ähnlicher Absicht, nm den Todten za ehren, naht eine zweite Frao,
in den Hftnden einen Kranz und einen halbgeö&eten Kasten
tragend. Bei ihr steht ein Jüngling, der mit beiden vorgestreckten
Hftnden einen Schild hebt; hinter ihm stehen zwei gekreuzte Speere,
unterhalb des Grabtempels sprengt das Viergespann des Achillens
einher, von ihm selbst geleitet. Das Haupt traurig senkend blickt
er zu dem geschleiften Hektor herab. Wie so oft in unteritalischen
Vasen ist hier ein Todtencult dargestellt, der auf Patroklos ttber-
tragen ist. In der Hias lesen wir nichts von spendenden Frauen.
Diejenigen freilich, die die Vasenmaler zu sklavischen Nachbildnem
der Dichter machen wollen, könnten erinnern an die Verse des
Homer V 255 ff., wo es von den Mjrmidonen heisst:
TOpVlüCaVTO bk Cf^fia 6€|Ll€lXlä T€ iTpoßdXovTO
dficpl TTupriv elBap bk x\)Ti\v im toiov Ix^vav,
xeuavrec bt tö c^jna irdXiv k(ov.
Sie könnten sagen, was dort der Dichter aUgemein sage von den
Myrmidoneu, sohliesse die Fraaen keineswegs aus, und diese habe
der Maler hier dargestellt. Ich lasse diese und füge nur hinzu^ dass
die Schleifung um das Grabmal des Patroklos erst im folgenden
Buche erwähnt wird (Q 12 — 17). Wenn Heydemann die zuerst er-
wähnte Frau Briseis nennt, so kann ich nur die vorhin ausge-
sprochene Warnung wiederholen und darauf hinweisen, wie ungewisa
eine solche Benennung sein muss. Man wird mir entgegenhalten,
dass der Künstler, wenn er einen Namen beigeschrieben hätte, wahr-
scheinlich den der Briseis gewählt hätte. Auch ich glaube dies^
aber dadurch ist nichts gewonnen; er hat nun einmal keinen Namen
beigeschrieben ^ und es ist eben sehr fraglich, ob er an eine be-
stimmte Person gedacht hat. Eine Scene, die er so oft darstellte
ohne bestimmte Deutung, hat er auch hier gemalt, nur in Ver-
bindung mit der Schleifung des Hektor.
Haben wir so mehrere Scenen der Hias in unteritalischen Vasen-
bildem wiedergefunden ^), so fehlt es auch nicht an solchen, die uns
deutlich zeigen, dass auch dann, als die Vasenmalerei sich schon
ihrem Ende zuneigte, die übrigen Epen nicht in Vergessenheit ga-
rathen waren.
Für die Kyprien kommen hier folgende drei Vasen in Be-
tracht:
A Overb. 233^ 67. XI, 1. Karlsruhe 36.
B Petersburg 1807. CE. 1861, Taf. HI, p. 33. Brunn, Vor-
legebl. Nr. 11. Brunn, troische Miscellen p. 52 ff.
^) Als viertes Vasenbild nenne ich Overb. 410, 46. XVII, 6. Neapel
2910; andere sind mir nicht bekannt.
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Verh. d. gr. YaMDbilder s. d. Ged. d. ep. Eyklos. 533
G Arch. Zeit. 1868 , Taf. 120, 1. Bexmdorf, griech. und sicU.
Vaaenb. p. 78. Wien V, 2, 70. ,
A und B bringen uns das Parisurtbeil, C die Vorbereitimgen
zn demselben zur Anscbaunng.
Wiebtiger aber als die Personen^ die uns gewöhnliob im Paris-
ortheil YorgefUbrt werden, ist in den drei Vasen die Gegenwart an-
derer Götter.
Das Excerpt des Proklos beginnt mit den Worten Zeöc ßou-
Xeüerai Mera if)c d^fiiboc Tr€p\ toO TpwiKoO iroX^fiou. Aas dem
ScboL za Homer A 5 lernen wir, dass Zens deshalb mit der
Themis zu Bathe ging, weil die Erde übervölkert war. Und was
die beiden Götter beriethen, das sagt uns dentlieb eine Stelle des
Piaton, die, weil meist übersehen^), hier wörtlich niedergeschrie-
ben zn werden yerdient. Im Staate p. 379 E heisst es: oOb* d)c ra-
fiiac fiiiTv Zeuc dTaBiJüv t€ kqkiXiv tc T^TUKtar t#|v bi tiöv öpKWV
Kai CTTOvbiJüv oirxwciv, flv 6 TTdvbapoc cuvex^cv, Wv Tic <p^ bi*
'A^väc T€ Kai Aiöc T^TOv^vai oök ^iraivecöfieOa* oitbk Oetjüv
€piv TC Kai Kpiciv bid 6^fiiböc t€ Ka\ Aiöc. Gerade was hier
in Abrede gestellt wird, mnss eben der gewöhnlichen Sage angeheftet
haben. Wie in der Ilias A 70 ff. Zens die Athene znr Erde schickt^
damit sie die Troer zur Verletzung des Bündnisses bringe, und
Athena den Pandaros beredet^ auf Menelaos einen Pfeil abzuschiessen^
80 mnss es nach den Kyprien der Wille des Zeus gewesen sein^ den
Streit der Göttinnen und das ürtheil herbeizuführen. Wie sie ihren
Beachluss ins Werk setzten, lehrt uns wieder Proklos: TrapaT€VO-
lUvf) bk *€pic €uuixou|i^vu)v tüuv Ocüuv ^v toic ITnX^uic Tdfioic veT-
Koc TTcpi xdXXouc dvlcTticiv 'A6r|vql *'Hp<)i koi 'AqppobiTi], (& itpöc
'AX^Savbpov iy *lbij KOtd Aide iTpocTaTf|v öqp* '6p^o0 trpöc t#|v
xptciv drovrai.
Erscheinen uns so Zeus, Themis und Eris der schriftlichen Tra«
dition nach als die Urheber des Schönheitsstreites, so haben jene
drei Vasenbilder diesen Zug des alten Epos uns lebendig yor Augen
geführt In A ist Zens anwesend und blickt auf die anderen Per-
sonen von oben herab; besonders wichtig aber ist es, dass hier auch
Eris erscheint Zu diesen beiden Göttern tritt in B noch Themis
hinzu, die sich mit Eris unterhält. Also noch in yerhSltnissmttssig
später Zeit folgte der Vasenmaler direct dem Epos.
Eine höchst bedeutsame Umgestaltung hat dann endlich in C
stattgefunden, vorausgesetzt, dass Benndorfs Deutung das Richtige
gegeben hat Vor dem mit Binden geschmückten Omphalos sitzt in
lässiger Haltimg Apollon, einen Lorbeerzweig in der Bechten. Er
merkt auf die Worte des ihm gegenüberstehenden Zeus, der den
rechten Arm vorstreckend und den Zeigefinger erhebend dem Sohne
Anweisungen zu geben scheint Von dieser Gruppe, die für sich eine
*) Vgl. jedoch Ahrens, die Göttin Themis I p. 16, 22. Benndorf a. a. 0*
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534 H. Lackenbach:
geschlossene Composition bildet, sind die ttbrigto Personen zu tren-
nen, Hermes und die drei Göttinnen, die er im Auftitige des Zeus
zum Ida hinftlhrt. Hinter Apollon steht Hermes, die Hera, welche
am äussersten linken Ende sich niedergelassen hat, auffordernd ihm
zu folgen. A.thena und Aphrodite sind schon auf dem Wege; Athena
ist dem Hermes vorangeeilt; Aphrodite schwebt auf dem Schwane
dahin.
Hier ist es ^so Apollon selbst, der Vorsteher des pjthischen
Orakels, mit dem Zeus zu Rathe geht, und durch den sein Wille, die
Erde zu erleichtem, in Erfüllung geht. Die nächste Folge, der
Streit der Göttinnen, ist zugleich dargestellt; die beiden Momente
sind in einen zusammengefasst. Der Erfinder war mit der Zeit fort-
geschritten: Themis^ die echt epische Göttin, war jetzt veraltet und
verdiente wenig Beachtung mehr; den vielgefeierten Apollon an ihre
Stelle zu setzen, war ein glücklicher Ein&ll.
Tritt also einerseits der Anschluss ans Epos deutlieh zu Tage,
so ist andererseits auch die Abweichung gross. Nicht allein, dass
Apollo die Themis vertritt, sondern auch die Durchftthrung des Ein-
zelnen ist ganz dem EttnsÜer zuzuschreiben. In A zwei Eroten, £u-
tychia mit einer Dienerin, Klymene, die Eekol6 ^) nicht fttr identisch
mit Hebe hätte erklären sollen; in B Hebe iind Eros, in C der
Schwan, auf dem Aphrodite dahinfährt: dies Alles sind Zuthaten,
die sich in unteritalischen Vasenbildem wohl erklären, aber keine
poetische Quelle verlangen.
Dabei ist nicht zu übersehen, dass die drei Vasenbilder in allem
Einzelnen verschieden sind, so dass an ein gemeinsames bildliches
Original nicht zu denken ist Die Kyprien also lebten damals noch
frisch im Volke fort und nach den alten Epen malten die Vasen-
maler ihre Bilder. Wenn ich nun auch weiter keine so schlagenden
Beweise für andere Bildwerke erbringen kann, so genügen eben
diese, und es würde unbillig sein, für andere Vasenbilder, als deren
Quelle man das Epos annehmen kann, dies nicht zu thun. Den Be-
weis, den wir jetzt positiv erbracht haben, werden wir später negativ
zu erhärten haben, indem wir nachweisen, dass ausser dem Epos und
der Tragödie für Vasenbilder unseres Kreises keine anderen Dich-
tungen in Betracht kommen.
Bei der kurzen Bundschau über Vasenbilder der drei Epochen
wurden mehrere Gruppen von Bildwerken bisher absichtlich aus-
geschlossen, nämlich diejenigen, welche Kampfscenen in besonderen
Typen, sowie Büstungs- und Abschiedsscenen vorführen. Es schien
wünschenswerth , diese im Zusammenhange zu behandeln. Dabei
muss die Eenntniss eines Aufsatzes von Heydemann vorausgesetzt
*) Hebe p. 89.
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Verh. d. gr. Vasenbilder a. d. Ged. d. ep. Kyklos. 535
werden, der anter der Aufschrift: »^eroisirte Genrebilder auf be-
malten Vasen" in den Commentationes in hon, Th. Mommsmi p. 163
— 179 abgedruckt ist. So sehr alle Punkte, die Heydemann be-
sprochen hat, unsere Arbeit berühren, so wenig halt^ ich es für
nöthig, das Einzelne hier zu wiederholen. Nur da, wo es mir im
Interesse dieser Arbeit zu liegen scheint, werde ich auf manches
nochmals zurückkommen, besonders auch, da sich meine Auffassung'
zum Theil wesentlich yon der Hejdemanns unterscheidet. Einen
Punkt scheint mir nämlich derselbe nicht gebührend hervorgehoben
zu haben, der hier sofort zur Sprache kommen soU. Indem der
Künstler Bildern des AUtaglebens, Genrebildern, durch Beischriften
höhere Weihe zu geben und sie der Alltäglichkeit zu entrücken ver-
suchte, verfuhr er dabei nicht willkürlich, sondern fast beständig
wusste er den Personen solche Namen beizusohreiben, die das Bild
leicht zu einer wirklich heroischen Scene machten. Bei Abschieds-
scenen werden die Jünglinge Aias und Teukros genannt und dem
entsprechend der Alte Telamon, oder der Jüngling Hektor, der Alte
Priamos und die beistehende Frau Hekabe.
Bei dieser absichtlichen Auswahl von Namen ist es oftmals
schwer, die heroisirten Scenen von anderen zu unterscheiden. Auch
für die typisch gewordenen Eampfscenen werden meist Namen von
Kriegern gewählt, die sich auch der Poesie zufolge feindlich gegen-
überstanden. Wenn aber auch einmal Aias und Aineias sich gegen-
überstehen, so war dies nicht so weit abliegend; beide waren be-
rühmte Helden im trojanischen Kriege, und während der zehnjähri-
gen Belagerung mochten sie ja leicht auch einmal eine Lanze gegen
einander geworfen haben.
Eine andere schwierige Frage ist es, ob das Genre in der grie-
chischen Malerei aus den mythischen Darstellungen sich entwickelte,
oder ob ^,am allgemein Menschlichen die Typen ausgebildet würden,
nach denen das Mythische sich dann gestaltetet^ (Furtwängler). Beide
Ansichten haben ihre Vertreter gefunden, letztere besonders in Furt-
wängler (Domauszieher p. 13 — 18), dem Löschke (Arch. Zeit. 1876
p. 116) mit richtigen Einzelbeobachtungen entgegengetreten ist.
Wenn ich richtig sehe, kann die Lösung dieses Problems nicht so
gefunden werden, dass man einfach die Priorität des einen und die
Posteriorität des anderen constatirt; die Wahrheit wird vielmehr in der
Mitte liegen. Denn so unbestreitbar es ist, dass manche Mythen bei
vielfacher Wiederholung oftmals ganz und gar zum Genre herab-
gezogen wurden, so muss doch andererseits daran festgehalten wer-
den, dass eine Beihe von Scenen von vornherein genreartig gebildet
wurde, ohne Bezug auf mythische Personen. Nicht nach einander^
sondern neben einander stehen Mythos und Genre; gleichzeitig und
in mannichfacher Wechselseitigkeit wurden Mythos und Genre aus-
gebildet.
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536 H. Lnckenbttch:
I 5. Typiflohe Eampfsoenen.
unter den folgenden Darstellungen von Kämpfen, bei deren
Behandlung des Zusammenhanges wegen auch über den Kreis der
Dias hinauszugreifen nöthig ist, lassen sich yerschiedene bestunmt
ausgeprägte Typen unterscheiden, die deshalb auch gesondert behan-
delt zu werden verdienen.
I. Der erste Typus führt uns eine besondere Sitte wenigstens
eines Theiles der Griechen vor Augen. An die Stelle der Streit-
wagen sind die Bosse allein getreten, an Stelle der Wagenlenker die
Diener.') Conze hat anncU. 1866 p. 275 — 285 darauf aufmerksam
gemacht, dass ohne Zweifel diesen Vasenbildem eine besondere Sitte
zu Grunde liegt. Tre£flich wird uns diese durch ein korinthisches
Vasenbild') vor Augen geführt, das den Auszug eines Kriegers zum
Kampfe darstellt. Vor einem gerüsteten Krieger reitet sein waffen-
loser Diener, das Pferd des Herrn am Zügel führend, indess dieser
es vorzieht zu Fuss zu marschiren. Ihre Namen sind charakteristisch
genug: denn während der Pferdelenker 'iiTTTOCTpö(poc heisst, ist dem
Bitter 'iTTTroßärac beigeschrieben. Die typischen Kampfesdarstellun-
gen nun zeigen uns die Kämpfenden zu Fuss in der Mitte, mit den
Lanzen auf einander eindringend; die beiden Knappen warten mit
beiden Bossen hinter ihnen. Nur selten ist, wie es scheint aus
Nachlässigkeit, der Diener nur mit einem Bosse gegenwärtig. Von
den Bildern dieser Art haben vier unser Interesse in Anspruch zu
nehmen:
A Overb. 515, 35. XXI, 1.
Kampf des Achilleus und Menmon; ihre Begleiter fCLhren keine
Namen.
B Anruü. 1852 tav, B p. 56 ff. Conze, Vorlegebl. m, 1, 3.
Kampf des Achilleus und Hektor; Phoenix und Sarpedon war-
ten den Ausgang des Kampfes ab.
C Beyers des vorigen.
Kampf des Aias und Aineias, welche von dem zweiten Aias
und Hippokles umgeben sind.
D Ännäl. 1866 tav. Q p. 275.
Aineias kämpft gegen einen (rriechen, dem kein Name beige-
schrieben ist. Die Knappen haben jeder nur ein Boss.
Der Kampf des Achilleus und Memnon in der Aithiopis ist be-
kannt. Befremden dagegen erregen BC. Wohl ist der Kampf des
Achilleus und Hector in der Ilias hochberühmt und zu jeder Zeit
^) Grote, history of Greece II, 610 bezweifelt, dass in der Pelopon-
nesos jemals Kriegswagen im Gebrauche waren. — ') Heydemann, gr.
Vas. VII, 3. Benndorf, gr. und sie. Vas. XXX, 10. Gollignon 182 (In-
schriften Taf. IV, 2).
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Yerh. d. gr. Yasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 537
gefeiert; aber zugegen sind hier Pboinix und Sarpedon. In der Dias
kämpfen die Helden vor den Mauern Trojas fem von Griechen wie
Troern. Sarpedon konnte ja schon gar nicht zugegen sein; denn
schon TT 481 — 605 hören wir von seinem Tode. Derselbe Zweifel
kehrt wieder in C. Den Namen Hippokles kennt die Dias nicht,
und von einem hervorragenden Zweikampfe zwischen Aias und Ai-
neias weiss sie gleichfalls nichts zu erzählen. Und so hat sich denn
Gerhard, Arch. Anz. 1856 p. 189* dazu entschlossen, diese beiden
Darstellungen nicht sowohl in der Dias zu suchen, als vielmehr sie
auf sonstige epische Schilderungen, namentlich die Ejprien, zurück-
zufahren. Ihm folgt Michaelis, annäl. 1862 p. 56—58, für C haupt-
sächlich auf den Namen Hippokles bauend. Diese Erklärung schien
sich befestigen zu wollen. Hejdemann, gr. Vas. p. 6 führt BC als
Yasenbilder, die ihren Stoff aus den Eyprien entlehnt haben, auf;
aber derselbe Hejdemann hat sich auch zuerst von dieser Auffassung
frei gemacht, indem er sie für heroisirte Genrebilder erklärt (com-
ment. Momms. p. 177).
Der Name Hippokles kann zunächst nicht ins Gewicht fiillen;
denn wir wissen bereits, wie die Künstler die mit 'ircrcoc zusammen-
gesetzten Namen lieben (vgl. oben p. 496 £). Wenn Hejdemann a. 0.
p. 177, 55 meint, dieser Name sei vielleicht gar nicht in der epi-
schen oder heroischen Literatur vorgekommen, so lässt sich viel be-
stimmter sagen, dass der Name lediglich auf Eechnung des Künst-
lers zu setzen ist, und dass derselbe, wenn wirklich in den Kjprien
oder einem andern Epos ein Hippokles auftrat, gewiss nicht an die-
sen gedacht haben kann. Auch die Anwesenheit des Phoinix und
Sarpedon beweist nichts; denn die ganze Scene des Bildes lässt sich
ebensowenig aus den Kyprien wie aus der Ilias erklären. Offenbar
haben sich die troischen Helden in die Kampfessitte, die der Maler
kannte, fügen müssen; und wie geläufig diesem derartige Darstel-
lungen waren, geht daraus hervor, dass er auch dem Herakles und
Kyknos Knappen zutheilt^) Ja hat er sich doch nicht gescheut, ein-
mal den Theseus und Minotauros zwischen zwei Geführten darzu-
stellen, die mit dem Bosse an der &and dem Kampfe zuschauen.^
Ein Typus wurde also auf verschiedene Scenen angewandt; erfunden
wurde derselbe, wie ich in diesen Fällen mit Furtwängler (Domaus-
zieher p. 17) zu behaupten nicht anstehe, nicht fürs Epos, sondern
für allgemeine Darstellungen und später erst auf das Mythische
übertragen. Der Vorgang, der bei dieser üebertragung in diesen
und ähnlichen Scenen stattfand, kann im Allgemeinen doppelt ge-
dacht werden:
1) der Maler will einen bestimmten Kampf darstellen und be-
nutzt dazu das ihm geläufige Schema;
») Heydemann, gr. Vas. I, 4. Collignon 198. — • >) Bull. Nap. K S,
IV, 18.
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538 H. Lackenbaoh:
2) er malt das Kampfschema und versieht es mit individnali-
sirenden Namen; rmd zwar wählt er in diesem Falle entweder der
Poesie nach zusammengehörige Namen aus, oder aber er stellt auch
zwei Mftnner gegenüber, die in der Poesie nicht in besonderer Fehde
sich bekftmpft haben.
Das Kriterion, welcher Vorgang im bestimmten Falle anzuneh-
men sei, bietet der mehr oder minder genaue Anschluss an den
Dichter auch in den Besonderheiten der Schilderung; doch wird es
schwerlich gelingen, in jedem einzelnen Falle eine Entscheidung zu
treffen.
Wenn nun Heydemann behauptet, bei allen diesen Darstellungen
sei gar nicht an eine bestimmte heroische Scene zu denken und
überhaupt nie gedacht worden, so muss dagegen erwidert werden,
dass der Maler, wenn er den Achilleus mit Menmon oder Hektor
kämpfend vorführte, gewiss an die hochberühmten Kämpfe der Epen
gedacht und nur uns dieselben nach seiner Weise vorgefUhrt hat
Dass Sarpedon in B zugegen ist, darf nicht auffallen. Denn Hektor
hatte einen Begleiter nöthig, und aus dem reichen Schatze troischer
Helden wurde einer dem Hektor beigesellt. Daran, dass Sarpedon
zur Zeit des Kampfes zmschen Achilleus und Hektor schon gefallen
war, hat der Maler gar nicht gedacht und noch viel weniger über-
legt, ob er mit Recht den Sarpedon dem Hektor zugesellte. Auch
an dem jugendlichen Phoinix ist nach dem Gesagten kein Anstoss zu
nehmen; er beweist vielmehr am allerschlagendsten die Richtigkeit
unserer Auffassung. Die GenrescenC; in welcher der Knappe ein
Jüngling war, wurde durch Inschriften zu einer heroischen. Wenn
so in AB der Maler unzweifelhaft an jene Kämpfe der Epen dachte,
so hat er in C allerdings nur einen Troer und einen Griechen mit
berühmten Namen gegenübergestellt; ähnlich ist es mit D, wo nur
einem der beiden ein Name beigeschrieben ist.
n. Dieselbe Erscheinung zeigt sich m mehreren Bildern, in
welchen um einen Todten gekämpft wird.
Unverkennbar sind zunächst die Anklänge an Homer in einem
Bilde, in dem Hektor und Menelaos um den Leichnam des Euphorbos
streiten (Verb, der Philologenvers, zu Hannover 1864. Salzmann,
fawMes de Kameiros). Denn in der Dias hat Menelaos den Euphor-
bos getödtet P 59 ff. Da er denselben spolüren will, veranlasst
ApoUon den Hektor, gegen ihn zu ziehen. Da Hektor anstürmt,
weicht Menelaos zurück. Zu Heydemanns Ansicht, der glaubt, dass
hier blosser Zufall herrsche, kann ich mich schlechterdings nicht
bekennen. Dass ein dreifacher Zufall gerade die drei Helden zu-
sammenbringen soll, die in der Hias erwähnt werden, ist doch mehr
als unwahrscheinlich. Von einem Zweikampfe des Hektor und Me-
nelaos ist allerdings dort keine Rede; aber doch ist es Hektor, der
den Menelaos vom Leichnam des Euphorbos hinwegtreibt, unser
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Vorh. d. gr. Yaseabilder s. d. Ged. d. ep. Kjklos. 539
Euphorbos rnnss denmaoh gleich dem homerischeB sein, nach beab-
sichtigter Wahl und nicht durch Zufall.^)
Nicht mit gleicher Sicherheit kann man über einige weitere
Vasen urtheilen:
Gerhard AV. m, 192. Overb. p. 407. Hektor kämpft mit
Diomedes; zu ihren Füssen liegt ein gefietllener Bogenschütze, den
der attische Maler CkuOtic genannt hat, was für ihn soviel als Bogen-
schütz hiess. Homer gibt an, dass Diomedes den Agastrophos tödtete
und sich dann gegen Hektor wandte. Er trifft denselben mit der
Lanze und bringt ihn zu Falle. Hektor entflieht und Diomedes be-
raubt den Agastrophos der Büstung (A 338—368). Möglich, dass
dem Künstler der homerische Kampf vorschwebte, möglich aber auch,
dass er nur einen Griechen und Troer gegenüberstellte, indem er
die Namen beliebig wfthlte.
In gleichem Zweifel befinden wir uns bei zwei Vasen, die den
Kampf des Aias und Hektor vorstellen:
1) München 53.
2) Gerhard AV. H, 190. Overb. 425, 55.«)
In beiden Bildern Hegt zu den Füssen der Kämpfenden ein
Todter, den man allgemein Patroklos nennt; mit wie wenig Becht,
ist aus dem Bisherigen ersichtlich. Auf beiden Seiten noch andere
Kämpfer. Auch in diesen Bildern ist die Annahme keineswegs aus-
geschlossen, dass der Künstler die Namen des Aias und Hektor des-
halb wählte, weil er sich erinnerte, dass jene wirklich zusammen
gekämpft hatten. Wenn aber in der Münchener Vase einem der
Troer, wie es scheint, der Name Tjdeus beigeschrieben ist^ so zeigt
dies die leichte Manier der Vasenmaler.^)
Den letzten Bildern reiht sich treffend die von 0 verbeck p. 515,
36 erwähnte Darstellung eines fi[ampfes zwischen Hektor und Achil-
leus an, zu deren Füssen ein Todter liegt (abg. z. B. Millingen, cmc.
uned, mon. I, 4). Da Achilleus und Hektor in der Dias nie um einen
Todten kämpfen, und im Reverse des Bildes der todte Menmon von
Eos davongefUhrt wird, so hat man trotz der Inschrifben den Kampf
des Achilleus und Memnon um des Antilochos Leiche zu erblicken
') Vgl. FurtwäDgler, Domauszieher p. 17: „Zur ErhOhunff des Reizes
sind die Namen Menelaos, Hektor und Euphorbos beigeschrieben, die der
Künstler in einer, freilich etwas ungenauen, Reminiscene an Homer hin-
zugefügt zu haben scheint". — *) Mit dLeser Vase ist die von Gerhard
AV. II p. 88, 34 f. erwähnte identisch, da die Beschreibung des Averses
sowie die Inschrift CTpolßoc koXöc mit unserer Vase fibereinsnmmi Wenn
aber als Inhalt des Reversbildes „Absug gefsngener Troer** angegeben
wird, so ist dies ungenau und nnzweifeJ^alt falsch. — ') Wenn in bei*
den Vasen auf Seiten des Aias ein BogCDschütse in „phrygischer Tracht**
kämpft, so wird bekanntlich mit dieser Tracht in der älteren Vasen-
malerei ^ nicht der Betreffende als Troer ^kennzeichnet. Die An-
nahme emer Vertanachnng beider Namen, wie sie Overbeck für das
zweite Vasenbild will, ist danun unsnlässig.
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540 H. Lnckenbach;
geglaubt, indem man einen Schreibfehler des Malers annahm; eine
Ansicht, für die besonders die sorgflQtige Zeichnung der Vase spre-
chen könnte. Nach allem bisher Ermittelten ist aber ein solcher
Schreibfehler weit unwahrscheinlicher als eine beliebige Ausstattung
einer sllgemeinen Scene mit einzelnen Heroennamen. Die Ejieger
sollten einen Namen haben; der berühmteste Zweikampf war der
des Achilleus mit Hektor; und so wurden diese Namen ruhig bei-
geschrieben, ohne weiteres Besinnen: ein neues Beispiel, wie ge-
dankenlos man mit den Inschriften wirthschaftete.
Den bisherigen sfgn. Yasenbildem weiss ich nur ein rfgs.
an die Seite zu stellen: Overb. 427, 87. XVIII, 3. üeber einem
Todten, der den Namen Patroklos führt, kämpfen Aias und Aineias;
dem Aineias steht helfend zur Seite ein anderer Krieger mit Namen
Hippasos; den Aias unterstützt Diomedes. Es ist der in der Dias
beschriebene Kampf um den todten Patroklos dargestellt Dort wird
ein eigentlicher Kampf zwischen Aias und Aineias nicht erwähnt,
wohl aber sind grade sie es, die sich nächst Menelaos und Hektor
auszeichnen. P 322 treibt ApoUon den Aineias in den Kampf, und
bald tödtet dieser den Leiokritos, um dessen Leichnam sich ein
grosser Streit erhebt. Aias, der Vorkämpfer beim Patroklos, wehrt
die Troer ab fvgl. v. 491. 513. 758). Die beiden Aias werden v.607
erwähnt, und y. 531 ff. müssen vor ihnen Hektor, Aineias und Chro-
mioB zurückweichen. Sonach würde also der Kampf dei* beiden
Helden auf dem Vasenbilde sich allenfEills mit der Hias vereinbaren
lassen, nicht so die Namen der anderen Helden. Diomedes -wird in
P gar nicht erwähnt, und Hippasos existirt nur als Vatemame
einiger Helden. Es ist genau der gleiche Vorgang wie bei der Dar-
stellung der Leichenspiele des Patroklos. In unserem Bilde hilft
Diomedes den Patroklos vertheidigen, dort fuhren Odysseus und
Automedon mit. Dort waren femer der Hias unbekannte Helden,
Damasippos und Hippomedon, hier tritt wieder ein mit Tinroc zn-
sanmiengesetzter Name auf. Wenn wir aber dieses Bild zu den
heroisirten rechnen, so geschieht dies deswegen, weil wir ohne In-
schriften einen der vielen typischen Zweikämpfe um einen Ge&Uenen
hätten, die man nicht alle zu deuten unternehmen soll, weil dieses
Bild sich durch keinen cliarakteristischen Einzelzug unterscheidet,
und endlich, weil auf derselben Vase auch ein anderes Bild allge-
meiner Art durch Inschriften individualisirt ist (vgL unten p. 547).
m. Einen dritten Typus bilden diejenigen Scenen, in denen
einem Fliehenden Hülfe gebracht wird. Eine sehr grosse Anzahl
solcher Scenen befinden sich wieder auf korinthischen Gefässen; je-
doch sind nur selten Namen beigeschrieben. Indem ich einige un-
sichere bei Seite lasse^), führe ich hier nur das Mon, U, 38 a. Mus,
>) So die btai 1866 p. 148 f. erw&hnte Vase, auf der der Name das
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Yerh. d. gr. Yasenbilder s. d. 6ed. d. ep. Kykloi. 541
Greg. II, 9, 3 a pnblicirte Bild an, in welchem Aias mit getüokter
Lanze aof Hektor eindringt, dem Aineias zu Hülfe eilt In der Ilias
suchen wir vergeblich eine Schilderung, der das Yasenbild ent-
sprfiche. Allerdings yerzeichnet sie zwei Eftmpfe, yon denen wir den
in H beschriebenen bereits in zwei Yasenbilderh wiederftnden (s. o.
p. 517. 619); der andere ist E 402 ff. geschildert : Hektor hat fruchtlos
seinen Speer entsendet; da er entweichen will, trifiFt ihn Aias mit
einem Feldsteine. Hektor stürzt nieder, und nur durch die rereinte
Anstrengung troischer Helden, darunter des Aineias, wird er davon-
getragen. Wenn wir so eine genaue üebereinstimmung vermissen,
so firagt es sich nur, ob wir Heydemann folgen dürfen, der grade
bei diesem Yasenbilde sagt: „an eine bestimmte heroische Darstel-
lung ist dabei nicht zu denken und überhaupt nicht gedacht wor-
den". Es soll also vollständige Erfindung des Künstlers da sein und
kein Anklang ans Epos sich wiederfinden. Allein ich kann nicht
zugeben, dass der Maler so ohne weiteres einer fliehenden Person
den Namen Hektor beischrieb. Schon Abeken hat anntthemd das
Richtige getroffen, indem er ornioZ. 1836 p. 306 meint, dass eben
einer jener Kämpfe der Ilias dargestellt sei, ohne dass der Künstler
sich an Einzelheiten band. Indem nämlich der Künstler einen jener
typischen Kämpfe, in denen einem Fliehenden ein anderer zu Hülfe
eilt, malte und ihn mit Inschriften versah, muss er wenigstens das
im Gedächtnisse gehabt haben, dass Hektor einmal durch Aias zu
Schaden kam. Die Scene des Homer musste seinem Bilde angepasst
werden, und mit demselben Rechte, mit dem wir den Kampf des
Achilleus und Memnon (oben A) auf die Aithiopis zurückführten,
dürfen wir diesen auf die Ilias, am besten auf die Erzählung, wie
sie sich in £ findet, zurückführen. Der unterschied von C, wo der
Maler willkürliche Namen gewählt hatte, liegt vor allem darin, dass
hier Hektor flieht, während dort einfach zwei Kämpfer gegenüber-
gestellt waren.
I 6. Bftstong, Ab6ohied, Bückkehr.
üeberaus häufig sind in der Yasenmalerei Rüstungen von
Kriegern, ihr Auszug, Abschied oder auch ihr Empfang bei der Rück-
kehr dargestellt. Jede einzelne Scene auf die Heroenwelt zu be-
ziehen und auf einzelne Personen zu deuten ist verfehlt, und schon
längst hat man davon Abstand genommen. Uns gehen hier natür-
lich nur diejenigen an, die in Beziehung zum troischen Sagenkreise
stehen oder denen wenigstens Namen von Helden dieses Sagen-
kreises beigeschrieben sind. Abweichend von unserer gewöhnlichen
Anordnung müssen wir aber nicht bloss Bildwerke, die homerische
Angreifera nicht mit Sicherheit zu lesen ist, sowie Br. M. 882 (attisch)
wo über drei Kriegern der Name Meneleos steht
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542 H. Lnckenbacb:
Sceoen darstellen, sondern auch dictjenigen, die in den Bereich der
ührigen Epen fällen, des Zusarnmenhangea wegen hier betrachten.
In Bezug auf poetische Quellen ist, wie wir sehen werden, nur ein
ürtheil möglich, dass nämlich mit geringen Ausnahmen derglaiohen
Quellen diesen Bildern nicht zu Grunde liegen. Das freie Schaffen
der Künstler hat sich hier in hohem Grade geltend gemaoht, und
zwei Gesichtspunkte, die jedoch im einzelnen Falle nicht scharf zu
trennen sind, treten deutlich herror. Einmal h;at der Ettnsüer auch
hier bestimmten überlieferten Typen, die, ohne Bezug auf mythische
Ereignisae ausgebildet waren, durch HinzufOgqng von Namen indi-
viduelles Leben verliehen (vgL oben p. 588). Enge verwachsen da-
mit ist der zweite Gesichtspunkt, dass ntolich der Maler für be-
liebte Helden eine Situation fingirt und die überlieferten Typen zwar
benutzt, aber mit besonderer Berücksichtigung der individuellen Ver-
hältnisse sie für den einzelnen Fall ausbildet. So gut wie griechische
Krieger Abschied von ihren Eltern nahmen, ebenso wurden die Hel-
den gedacht; der athenische Hoplit rüstete sich zum Kampfe, die
Helden mussten desgleichen thun. Freudiger Empfang seitens der
Eltern erwartete jeden, der glücklich nach längerer Abwesenheit
zurückkehrte: warum sollte man nicht auch einmal dem Kastor und
Polydeukes denselben frohen Emp&uig zu Theü werden lassen?
Von hohem Werthe ist eine sfge. Vase, welche uns die
Büstung des Achilleus
in Gegenwart seiner Eltern und seines Sohnes (alle mit Namenshei-
schrift) vorführt. Die Vase befindet sicdi in Athen^ CoUignon 231;
ist abgebildet Bangab^, cmo afm9 de VanUquiU hotnmage du comüe
des aniiquaires d' Äthanes, Paris 18^9, femer Heydemann, gr. Vas.
VI, 4 und Conze, VorlegebL II, 6, 1.
Zu dieser Scene ii^nd einen bestimmten Moment, der in der
Poesie gegeben wäre, zu suchen, ist unmöglich, da die Vereinigung
dieser vier Personen der Sage gemäss gar nicht denkbar ist. Eine
der vielen Scenen, in welchen ein Krieger inmitten seiner FamiUe
sich zum Kampfe rüstet, hat der Maler hier auf den Achilleus über-
tragen, der in gleicher Weise sich rüstet und von den Seinen Ab-
schied nimmt. Die besondere Erfindung besteht eben darin, daes —
gegen den Mythos — alle Lieben um den Ausziehenden geschart
sind« Dadurch kommt ein gemüthvoUer Zug in den äusserlichen
Vorgang.
Ebensowenig liegt der
Büstung Hektors
in dem rfgn. Bilde Overb. 400, 22 ein bestimmtes Ereignis« zu
Grunde. Die Vase befindet sich in München, Nr. 378, ist abgebildet
von Gerhard, AV. DI, 188 und Panofka, Namen der Vasenmaler IV,
1. 2. Der jugendliche, bartlose Hektor, schon gerttatet mit den
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Yerh. d. gr. Vasenbilder s. d. Ged. d. ep. Eykloa. 543
Bemschienen, ist eben damit beschftftigt, den Harnisch yome auf der
Brost zu befestigen. Er hSari, den Kopf etwas senkend, aof die
Worte des Vaters, der die redfite Hand belebrend erhebt. Auf der
andern Seite steht Qskabe Helm, Lanze und Schild für den Sohn
bereit haltend. Die grosse Jugend Hektors, der mehr Knabe als
Mann ist, und der Enotenstock, den Priamos führt, während ihm
doch das Scepter zukam, machen es unzweifelhaft, dass der Maler
einer allgemein«i Scene dadurch heroische Bedeutung yerlieh, dass
er die Personen mit Namen rersah.
In einer chalkidischen und in einer korinthischen Vase wird
uns der
Auszug Hektors
und anderer Troer vorgeftlhrt. Eine kurze Beschreibung wird ge-
nügen, um zu zeigen, dass ein poetischer Anlass zu der Herstellung
dieser Scenen nicht existirt.
1. Die chalkidische Vase ist publicirt Gerhard, AV. IV, 322.*)
Bund um den Bauch des Oeftsses läuft die Darstellung, in deren
Mitte wir den gerüsteten Hektor von seiner Gattin Andromache Ab-
schied nehmen sehen. Hinter ihm wartet Kebriones auf einem Pferde
sitzend, ungerttstet, jugendlich, in der Bechten einen Stecken hal-
tend ; er ist genügend als Bursche des Hektor gekennzeichnet, dessen
Pferd er am Zügel hält. Wie Hektor sich von seiner Gattin verab-
schiedet, so auch Paris von der Helena, die indess den Kopf rück-
wärts wendet. Hinter ihr ein bärtiger Mann, der gleichfalls rück-
wärts schaut auf die reitenden Jünglinge, die dem Kebriones folgen.
Zwischen letzteren und den Beiteru ein bärtiger, nackter Mann, dessen
vorgestreckte Arme und eingebogene Kniee ihn als eüig davonlau-
fend bezeichnen. Von poetischer Quelle ist hier nichts zu verspüren,
und nicht einmal das dürfen wir Gerhard zugeben, dass dem Künst-
ler vorwiegend das sechste Buch der Ilias vorgeschwebt habe. Für
denjenigen, der von Kindesbeinen an in den homerischen Sagen wohl
unterrichtet war, lag es nur zu nahe, einen Auszug troischer Helden
darzustellen.')
2. Das korinthische G^fUss ist abgebildet man. 1^56, Taf.XX.
Conze, Vorlegebl. III, 1. Vgl. amiäl. 1856, p. 67 — 74. Brunn,
troische Miscellen p. 76.
Hektor nimmt Abschied von seinen Eltern; ihn erwartet auf
dem Viergespann sein Wagenlenker Kebriones. Zur Seite der Bosse
^) Kurz erwähnt und beschrieben Arcfa. Ans. 1847 p. 24*, SS. Over-
beck 403, 23. -— *) lUlstang und Auszug von Kriegern haben wir auch
aaf der chalkidischen Vase Gerhard, AV. III, 190, 1 (Overb. p. 402, b).
Den beigeschriebenen Namen suchte Gerhard symbolische Bedentoiiff zu
verleihen und dadurch das Bild auf den Ansauff des Hektor und Paris
xa denten. Obwohl auch Bronn, Troische Miscellen p. 76 die RrHaarnng
Gerhards billigt, kann ich nur eine Scene ganz allgemeiner Art erkennen.
Vgl. Jahn, Manchener Vasen p. CXIX, 871.
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544 H. Lnckenbach:
redet Hippomachos mit zwei Jungfrauen, um Abschied von ihnen
zu nehmen« Vor den Pferden stehen zwei weitere Jungfrauen Kianis
und Aino (Alvui).^) Hinter Kebriones ein Krieger zu Fuss') und ein
Berittener, ein zweites Ross am Zflgel führend. Neben dem Bosse
Deiphonos'); Poljzena und Eassandra schliessen das Bild ab.
Ein Auszug der Troer aus Hion ist also dargestellt. Die
Namen Eianis, Aino, Deiphonos und Hippomachos hat der Künstler,
ohne Bezug auf literarische Tradition zu nehmen, selbst&ndig hinzu-
gefügt^) Im VerhSltnisse zu den Epen haben wir also hier toU-
ständig freie Phantasieschöpfung.
Auszug des Demophon und Akamas.
Gerhard etr. und kamp. Vasen 12. Berlin 651.
Demophon und Akamas halten jeder ein Boss am Zügel/) Man
braucht heute nicht auf die Auseinandersetzung Gerhards zurück-
zukommen; auch dürfen wir gar nicht fragen, ob der Auszug der
Helden nach Troja gemeint ist. Dem attischen Maler Exekias lag
daran, uns seine Helden yorzuführen. Derartige mythische Genre-
bilder scheint er überhaupt geliebt zu haben. So stellt er den Aias
mit Achilleus würfelnd dar®); den Dionysos, der sich vom Oinopion
bedienen lässt^; den EmpfEUig des Kastor und Poljdeukes seitens
ihrer Eltern^); möglicher Weise ist auch eine andere Vase Yon
Exekias gemalt, in der Kastor und Poljdeukes beide zu Pferde
Yon Tjndaros Abschied nehmen; hinter ihnen steht ihre Schwester
Philonoe.^) Auch hier ist es unthunlich zu fragen, zu welchem
. ') So ist doch wohl zu lesen. Vgl. Sayelsberg de digammi immu-
tatiombus I p. 26. — ^ Der Name £dveoc kommt wohl dem einen Rosse
zu, wie ein anderes am Viergespanne den Namen KöpaS txftgt Dafür
spricht auch, dass der Name vom Krieger abgewandt geschneben steht.
Im übrigen sind alle Personen benannt, mit Ausnahme der beiden Frauen
vor Hippomachos und des berittenen Knappen, denen Namen za geben
schon der Baum verbot. — ^ Sollte auf der Vase selbst yielleicht statt
des vermeintlichen v ein ß stehen? — *) Hippomachos in der Dias
M 188 f erwähnt:
uiöv b* 'AvTifjuixoio Acovreöc, ÖZov *'Apiioc
Minröfiaxov ßdXc öoupl kotA ^wcrf^pa Tuxficac.
Gewiss hat der Maler nicht an diesen Hippomachos gedacht; vgl. über
die mit -iinroc zusammengesetzten Namen oben p. 496. Für den Namen
HdvOoc^ wenn es feststände, dass dem Krieger der Name zukäme, könnte
man mit Braun an die Verse der Ilias € 152—158 erinnern, in denen
Xanthos und Thoon, die einzigen Söhne und Erben des alten Phainops,
durch Diomedes fallen. Aber gerade die so nebensächliche Bedeutung
würde es für den Xanthos wie für den Hippomachos unzweifelhaft
machen, dass sie nicht die Troer der Ilias sind. — ') Die Bosse heissen
<l>dXioc und KaXtq>6pa; letzteren Namen hat Exekias auch Gerhard, AV.
n, 107 gebrancht. — •) Overb. XIV, 4. — ') Gerhard, AV. HI, 206. —
') Beyers des Bildes mit den Würfelspielem mon, II, 22 »» Conze, Vor-
legebl. IV, 9, 1 a. — ") Br. M. 684 *. Eine ungenaue Beschreibung und
falsche Deutung dieses Bildes gab Panofka, Arch. Anz. 1847 p. 24* 19a.
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Verb. d. gr. Vasenbüder z. d. Gtod. d. ep. Eyklos. 545
Untenelimea die Helden ausadehen wollen, ebensowenig wie wir bei
dem Empfang der Dioscnren fragen dflrfen, wober die Helden kommen.
Beizend ist das letzte Bild in seiner DurohfUbrang: Eastor und sein
Bruder sind gitfccklicb heimgekebrt. An Polydenkee springt sein
Hnnd empor, froh seinen Herrn wiederziiseben; Kastor ftlbrt sein
Boss nocb am Zügel, das Ton Tyndarens gestreichelt wird« Er
wendet sich nm zu seiner Matter Leda. Ein Sklave bringt Sessel
und Salbfl&Bcbeben herbei. Die Helden der Sage worden also wie
gewöhnliche Menschenkinder gedacht nnd in Xhnliche Situation versetzt.
Auszug des Aias und Teukros.
Overb. 276, 1. XHL, 7.
Auf seinen Stab gelehnt steht ein kahlköpfiger Alter tief trauernd
vor seinem gewappneten Sohn. Hinter beiden eine Frau, die das
Gewand erhebt, tun die Thrftnen zu trocknen. Leichter erträgt den
Abschied ein zweiter Jüngling, mit Hut und Lanze bewaffnet, den
Beisesack auf dem Bücken, im Weggehen sich noch einmal um-
blickend, lieber seinem Haupte stoht T€Xa)uiu»v, über dem Alten
TeÜKpoc; offenbar hat eine Yertauschimg der beiden Namen statt-
gefunden. Neben dem vollgerüsteten E[rieger steht richtig Aias. Es
ist nicht schwer einzusehen, dass wir auch hier eine heroisirte Scene
haben. Hätte der Künstler unabhängig von den alten Typen einen
Abschied des Aias und Teukros malen wollen, sicher hätte er dem
letzteren den Bogen in die Hand gegeben. Allein jetzt nahm er
eine beliebige Scene und setzte den Personen Namen hinzu und
machte so daraus den Abschied des Aias und Teukros, insofern ganz
passend, als diese sich von ihren Eltern verabschiedeten, um gen
Troja zu ziehen, wo der eine durch Selbstmord unterging. Der ge-
wappnete Krieger ist grösser als sein Begleiter. Als Orund hat
Welcker angegeben, dass Teukros ein Bastard des Telamon ist;
deshalb soll ihm auch der Abschied leichter follen. Allein hier hilft
uns eine andere Beobachtung besser. Denken wir uns das Bild ohne
Namen, so würden wir dasselbe auf den Abschied eines Hopliten
von seinen Eltern deuten; derjenige aber, der den Beisesack trägt,
wäre sein Diener. Wir wissen, dass jeder attische Hoplit im Kriege
seinen CK€uoq>öpoc itiepirryo. (Oepdiruiv bei Homer) hatte, ebenso
wie jeden Beiter ein Pferdeknecht begleitete. Dass nun hier der
Krieger eine stattlichere Figur ist als der Diener, wird nicht be-
fremden. Zugleich aber wird deutlich, welches der Ausgangspunkt
des attischen Malers bei seinem heroisirten Bilde war.
Die gleiche Zusammenstellung des vollgerüsteten Herrn und
des Dieners mit wesentlich anderer Tracht kehrt oft wieder. Meist
trägt letzterer Hut, Chiton und Lanze; nic^t selten sind die beiden
Die Inschrift 'Ov^iTup KaX6c weist vielleicht auf den Exekias hin, welcher
auf der anderen Vase Overb. XIV, 4 'OyT)T0p(&iic KaX6c schrieb.
Jahrb. f. olMi. PhJlol. Sappl. Bd. XI. 3(|^ ^ GoOQIc
546 H. Lackenbach:
noch mehr unterachieden, insofern der Begleiter mit Stiefeln yer-
sehen ist und statt einer Lanze deren zwei trSgt. Die folgenden
Beispiele, deren Zahl sieh wohl leicht erhöhen Hesse, zeigen, wie
sehi' diese Art nnd Weise in die Malerei übergegangen war.
Orerb. XXYI, 13 folgt einem bartigen Krieger (Demophon),
der mit Panzer, Helm nnd einer Lanze bewa&et ist, ein un-
bärtiger Jüngling (Akamas) im Chiton, Helm nnd mit zwei Lanzen«
Milüngen anc. uned. mon. jpl, 22 «» D'Hanearyille III, 23 ed.
DaTid. Hinter den beiden kämpfenden Kriegern stehen ihre Be-
gleiter, ohne wie jene mit dem Panzer bekleidet zu sein, und ohne
am Kampfe Antheil zu nehmen.
Gerhard AV. m, 164. Zwei Jünglinge kämpfen mit einer
Amazone, der eine nackt, nur mit Schwert, Schild und Helm, der
andere mit Chlamjs, Sti^eln und Hut
No«l des Vergers Etrurie Taf. 38 = Brunn Vorlegebl. Nr. 12.
Achilleus sowie Patroklos (oder Pboinix?) gerüstet mit Schild, Helm,
Lanze. Achilleus trägt da^u den Panzer, sein Genosse den Chiton.
Der volle Unterschied, so dass der Begleiter Chlamys (oder
Chiton) und Petasos trägt, an den Füssen mit Stiefeln versehen ist
imd zwei Lanzen hält, ist in folgenden drei Vasen ausgedrückt:
1. Benndorf gr. und sie. Yas. Taf. 39. Dem Krieger reicht sein
Weib als letztes Stück der Büstung das Schwert, indess sie mit der
anderen Hand das Gewand zum Gesichte führt, um ihre Thränen zu
trocknen. An den Arm des Vaters hängt sich sein kleiner Sohn
wie um ihn zurückzuhalten. Aber hinter ihm wartet schon sein
Begleiter; er ist offenbar nur Nebensache; die Thränen gelten nicht
ihm, sondern seinem Gebieter, dem er in den Kampf folgt.
2. Annal. 1870 tav. H. L Auch auf den beiden Bildern dieser
Vase ist der Gerüstete weit mehr im Vordergrunde; ihm gilt der
Abschiedstrank, indess der andere auf ihn warten muss.
3. Die beiden Bilder der Kodrosschale zeigen als Krieger Aias
und Phorbas, während Menestheus und Theseus in der Tracht sind,
die sonst den Dienern zukommt Das eine Bild weicht insofern you
den früheren ab, als Theseus, der Protagonist, die Chlamjs trägt.
Dies allein würde beweisen, dass kein heroisirter Genreabschied yor-
liegt; anderes kommt hinzu (vgl. unten p. 547).
Mehrere Vasenbilder hat Brunn ^) auf den
Abschied des Achilleus
bezogen, wie mir scheint, mit wenig Glück.
1. Overb. 464, 132. XX, 1. Hermes hat einem Krieger die
Bechte dargereicht, in die derselbe eingeschlagen hat. Hinter dem
Krieger steht eine Frau, die Brunn Theüs nennt. £r meint (p. 64),
jeder unbefangene Blick werde in des Kriegers glänzender Erscheinung
V) Troische Miscellen p. 61 ff.
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Verh. d. gr. Vasejabilder z. d. Qed. d. ep. Eyklos. 547
sofort die Gestalt des Aohilleus erkennen. Die Erscheinung würde
gewiss für Aohilleus sehr gut passen, aber es würde doch zu weit
führen y wollten wir in jedem stattlichen Krieger den Aohilleus er-
kennen. Ohne eine bessere Deutung geben zu können\ muss ich
gegen Brunn behaupten, dass hier durch nichts der Abschied des
Aohilleus aus seiner Heimath bestimmt angedeutet ist.
2. Overb. 428, 58. XVIII, 2. Antilochos besteigt den von
Phoinix gelenkten Wagen; vor demselben steht Aohilleus^ der das
Handgelenk des Nestor umfasst hält; neben den Pferden eilt Iris zu
Phoinix und Antilochos hin, sich zu Aohilleus umwendend, den sie
offenbar erwartet, um ihn bei der Wegfahrt zu begleiten. Overbeck
hatte die Darstellung auf die Meldung vom Tode des Patroklos an
Aohilleus bezogen, ohne Zweifel mit Unrecht. Ebensowenig aber
scheint mir die Deutung Bnums genügen zu können, nach welcher
Aohilleus dem Nestor das Versprechen geben soll, ihm in den Ejdeg
zu folgen. Bei einem Abschiede aus seiner Heimath würden wir die
Mutter, den Vater oder Grossvater gegenwärtig wünschen. Auch
Patroklos fehlt, der doch mit Aohilleus auszog. Allein die Deutung
beruht auf einer Verkennung der Situation. Wenn nicht alles trügt,
haben wir den Abschied des Aohilleus und Antilochos von Nestor
zu erkennen. Indess Antilochos schon den Wagen besteigt, gibt
Aohilleus dem Nestor das Versprechen, seinen Sohn zu beschützen
und jede Gefahr von ihm fem zu halten. Seiner harrt Iris, und bald
wird das Gespann die Helden davonführen. Der greise Nestor allein
bleibt zurück. Es kann also nur an einen Auszug der beiden zu
irgend einem Kampfe gedacht werden. Poetische Schilderung eines
Ereignisses liegt jedoch nicht zu Grunde. Da die beiden Freunde
zum E^ampfe ausziehen, in dem Memnon fällt, zog Nestor auch in
den Kampf, und da er in Gefahr war, rettete ihn der Sohn durch
Aufopferung des eigenen Lebens. So wenigstens erzählt Pindar
(P. 6, 28), und Welcker hat die Vermuthung aufgestellt, dass dieser
Zug von Pindar dem Epos entnommen sei (ep. Cjcl. 11, 174). Mag
sich dies nun so verhalten oder nicht, wir kennen die Art und Weise,
in der Künstler Abschiedsscenen zu bilden verstehen. Denn nach
meiner Meinung ist auch dieses Bild nicht besonders für unsere
Helden gemalt, sondern die allgemeine Scene heroisirt, da sonst
immerhin es befremdlich sein würde, Aohilleus und Antilochos ohne
Nestor zum Kampfe ausziehen zu sehen.
Die Abschiedsdarstellungen der Kodrosschale.
Schon oben wurde die Kodrosschale erwähnt; auch ihre Bilder
hat Hejdemann zu den heroisirten Genrebildern gerechnet. Die
Bilder sollen zwei einfache Abschiedsscenen jugendlicher Söhne dar-
stellen und nur durch heroische Inschriften der Alltäglichheit ent-
rückt worden seien. Diese Ansicht indessen wird durch die Dar-
stellungen selbst schlagend widerlegt. In der einen steht Theseus
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548 H. Lückenbattfa:
zwischen Medeia und Aigeus und nimmt von letzterem Abseliied.
Medeia wendet sicli zu Phorbas wie um ihn anzutreiben. Hinter
diesem steht Aithra verhüllt Es bietet sich fOr dies Bild eine
treffliche Erklärung. Wir wissen ^), dass Theseus auf den Bath der
Medeia auf Abenteuer ausgesandt wurde; Phorbas ist sein Begleiter.
Aithra steht hier im Hmtergnmde; sie ist rerhüUt und tlamit wird
ihi-e Trauer angedeutet; sie ahnt die List des fremden Weibes, das
ihrem Sohne Unheil bereiten will. Diese höchst indiTiduellen Ver-
hältnisse sind in durchaus charakteristischer Weise ausgedrftckt,
während die Haltung der einzelnen Figuren bei einer allgemeinen
Scene schwer erklärlich sein würde. Das Einzige, was Heydemaim
einwendet, ist, dass Medeia nach allgemeinem Schema einen Helm
bereit halte, während doch Theseus schon einen Petasos auf dem
Kopfe habe. Freilich für den Theseus ist der Helm nicht bestimmt;
dass Medeia ihn aber für den Phorbas, dem sie auch zugekehrt
ist, bereit halten muss, ist aus dem, was oben (p. 545 f.) über das
Kostüm gesagt worden ist, vollkommen klar. Die Grestalt der Aithra
endlich scheint mir entscheidend zu sein. Ich glaube nicht, dass
eine verhüllte Frau in ähnlichen Bcenen sich wiederfindet, ohne
auch direkten Antheil zu nehmen, indess hier Aithra blosse Zu-
schauerin ist.
Im anderen Bilde nimmt Aias Abschied von einem Alten;
Athena führt den Menestheus zu ihm, diesen durch eine Hand-
bewegung zur Eile ermunternd. Er hat von der Melite, der Ver-
treterin des Landes, Abschied genommen, und diese blickt ihm weh-
müthig nach. Das Charakteristiscfae dieses Bildes liegt in der Athena.
Sie hat hier sichtlichen Antheil daran, dass der Jüngling auszieht;
bei gewöhnlichen Abschiedsscenen pflegt sie doch nicht gegenwärtig
zu sein; hier dagegen ist ihre Anwesenheit trefflich motivirt; sie
schickt den Bürger der Stadt, der sie den Namen gegeben hat, aus,
damit er sich vor Trojas Mauern Ruhm erwerbe. Sie führt ihn zu
Aias, dem salaminischen Helden, der neben Menestheus, Demophon
und Akamas das Volk der Athener vor Troja vertrat. So ist die
Darstellung in sich abgerundet. Nur der Name AOkoc(?), der dem
Alten gegeben wird, ist auffällig; wir würden etwa den Telamon
erwarten. Aber dieselbe Schwierigkeit bleibt, wenn wir annehmen,
der Vase seien nachträglich erst die Inschriften hinzugefügt. Nie-
mals hat der Künstler ins Blaue gegriffen und ganz beliebige Namen
gewählt; in den noch zu besprechenden Bildern, auf denen die
Abschiedsspende dargestellt ist, sehen wir immer zusammengehörige
Namen gewählt, und dasselbe war in allen bisherigen der FalL
Hat aber der Name Lykos keine besondere Bedeutung, so werden
wir sagen müssen, dass der Künstler, der den Auszug des Aias und
0 MyÜhogr. Vat 48. Vgl. Jahn, Arch. Aufs. p. 186. Michaelis,
Arch. Zeit. 1877, p. 76 f.
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Verh. d. gr. Vase&bildor z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 549
Menestheus in der üblichen Weise darstellen wollte, nicht den passen-
den Kamen für den Vertreter der Zurückbleibenden fand und des-
halb beliebig ihn benannte, ähnlich den oben p. 514 aufgezählten
Fällen. Jedenfalls scheint mir so viel klar zu sein, dass der Künstler
diese beiden Bilder eigens für die betreffenden Scenen componirte
und nicht beliebigen Scenen durch Inschriften höhereBedeutung verlieh.
Eline andere Form des Abschiedes führen uns diejenigen Scenen
vor, in denen einem Jünglinge oder Manne der gefüllte Becher dar-
gereicht wird oder der Labetrunk in den vorgehaltenen Becher ein-
gegossen wird.
Stephani hat jüngst diese Bildwerke einer genaueren Besprechimg
unterworfen (CR, 1873 p. 109 — 244), die manches richtige enthält,
ohne dass ich Stephani in allem einzelnen zustimmen könnte. Vor
allem betont Stephani als den Grundgedanken des Ganzen immer
wieder die ciiovb/|, die religiöse Handlung des Ausgiessens eines
Theiles der Flüssigkeit auf den Erdboden, den Heerd oder einen
Götteraltar, die der Jüngling oder Mann in der Mitte der Familie beim
Abschiede vornimmt, um die Gunst der Götter für das Unternehmen
zu gewinnen und um erfolgreiche Bückkehr zu erbitten oder auch
in einigen wenigen Fällen fUr die glückliche Heimkehr zu danken.
Wie die cnovbifj der Grundgedanke bei den Scenen, die uns Sterb-
liche vorfahren, sein soll, so auch bei den Göttern, auf die die Ge-
bräuche der Menschen übertragen würden. Ohne Zweifel, meint
Stephani, denl^e auf diese Weise jeder Gott sich gegen die Missgunst
der übrigen, namentlich derer, welche ihn noch an Macht über-
ragten, zu schützen und um Gewährung freundlicher Gesinnung und
Femhaltung von Missgunst zu bitten (p. 116. 197). Nun ist es
allerdings wahr, dass wir in manchen der zahlreichen Darstellungen
den heiligen Akt der CTTOVbri uns vorgeführt finden^), und ebenso-
wenig soll geleugnet werden, dass man, um die Gunst der Götter
zu erlangen, ihnen spendete, was besonders passend dann war, wenn
der Betreffende zu einem unternehmen, sei es kriegerischer oder
friedlicher Art, sich von den Seinen verabschiedete; andererseits
aber steht soviel fest, dass in den meisten der in Bede stehen-
den Yasenbilder die CTrovbrj durchaus zurücktritt. Die Auffi&ssung
Stephanis hängt wesentlich zusammen mit dem Momente, den er
in den meisten Darstellungen vorgeführt findet, unzweifelhaft ist
es richtig, dass es sich in den meisten um den Abschied von den
Angehörigen auf längere oder kürzere Zeit handelt; aber Stephani
geht zu weit, er möchte am liebsten diesen Moment in allen
finden und den Empfang bei der Bückkehr gar nicht oder doch
nur in einigen wenigen Fällen erkennen (p. 252). Von einer
Situation, in der weder der Auszug noch auch die Bückkehr nach
^) Die herabfliessende Flüssigkeit selbst ist sichtbar s. B. Neapel
3187. Petersburg 1691. 1718.
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550 H. Lnckenbach:
glücklieb yollbrachter Tbat dargestellt sein kann, spricht er gar
nicht, nnd doch, glaube ich, müssen so eine Reihe der Yasenbilder
gedeutet werden, wie z. B. das Innenbild der Brygosschale mit der
Hiupersis, welches nns die Briseis vorführt, wie sie einem sitzenden
Greise den hingehaltenen Becher füllt Es ist freilich anch hier
nicht schwer, einen Moment zu erfinden, in dem das von Stephani
Vorgebrachte passen würde: etwa Phoiniz oder Nestor, der noch
auf troischem Boden den letzten Trank nimmt, um heim ins viel-
geliebte Vaterland zu fahren und die Götter um glückliche Heim-
kehr zu bitten. Allein ich meine, hier ist nichts, was uns auf solche
Auffassung führen müsste, und wir werden uns begnügen müssen,
einen Augenblick zu erkennen, in dem abgesehen von Auszug oder
Bückkehr Briseis dem Alten, den HejdemannPeleus nennt, einen Trank
darreicht. Ein gleiches ist besonders bei den Göttern der Fall, denen
einzeln oder im grösseren Kreise versammelt der Becher gefüllt wird.
Andere Bildwerke sind unzweifelhaft auf den Moment der Bück-
kehr bezüglich, und ich rechne dahin eine grössere Anzahl als Ste-
phani geneigt ist. Er weiss freilich manchmal durch seine Inter-
pretation eine solche Deutung zu geben, die ich unmöglich aner-
kennen kann. Es möge hier ein Beispiel folgen:
Inghirami vas, fiü, 364 stellt uns den Theseus dar, der den.
schon bezwungenen Stier mit sich führt. Ihn umgeben Aigeus und
Aithra, welche in ihren Händen die Schale und Kanne hält, wie
Stephani urtheilt; ohne Zweifel deshalb, *weil sie ihm nach allge-
meiner Familiensitte vor seinem Auszug zu dem gefahrvollen Unter-
nehmen in Gegenwart des Vaters diesen frommen Dienst geleistet
und ihn dann bei seiner Heldenthat begleitet hat'. Allein es liegt
doch nichts näher, als hier den Augenblick zu erkennen, in dem
Aithra den siegreichen Sohn empftngt und bewirthet.
Lassen sich also diese drei Scenen des Abschieds, der Rückkehr
und eines man möchte sagen gelegentlidhen Trankes unterscheiden,
so kommen wir auf die obige Frage über die cirovb/j zurück. Ist
der Abschied dargestellt, so mag man die Götter um Segen für das
Unternehmen bitten, die Spende bei der Ankunft mag den Göttern
Dank bedeuten, aber wie steht es bei der dritten Klasse von Monu-
menten, die weder Auszug noch Bückkehr darstellen? Lässt sieb
auch hier die cirovbyj als Hauptsache erkennen? Ich denke nein.
Aber warum wollen wir denn mehr in den Bildwerken lesen als sie
uns selbst an die Hand geben? Können wir uns nicht begnügen,
einfach die Bewirthung, das Darreichen des Trankes zu sehen, wie
ja auch heute nach allgemein verbreiteter Sitte dem Weggehenden
ein letztes Glas gefüllt wird, und der Ankommende mit Speise and
Trank bewirthet wird? Verstärkt wird diese Auf&LSSung durch die
Darstellungen, in denen Göttern der Becher gereicht wird. Wo ist
denn der Beweis, dass auch hier die cirovbr) der Grundgedanke ist^
eine Bitte an die übrigen Götter, ihnen geneigte Gesinnung zu be-
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Verb. d. gpr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 551
wahren? Werden wir nicht vielmehr sagen, dass wir dieselben sich
laben sehen an dem Tranke, der nur ihnen bescheert ist?^)
Doch ich fürchte fast zn weit yon dem mir vorgesteckten Ziele
abgegangen zn sein, die Vasenbilder auf ihre Abhängigkeit von
poetischen Quellen hin zn untersuchen. Schon Stephani (p. 118 ff.)
hat bemerkt, dass diese Credenzungsscenen , um einen Ausdruck zu
gebrauchen, der in neuerer Zeit oftmals angewendet ist, sich kaum
in der archaischen Vasenmalerei vorfinden. Nicht hinzuzurechnen
sind natürlich Darstellungen, in denen wir den Achilleus (über dem
Leichnam des Hektor) oder den Herakles bei der Mahlzeit finden,
sowie gewöhnliche Trinkscenen, die sich auch in archaischen Monu-
menten^ finden.
Von heroischen Darstellungen, die für uns hier allein in Be-
tracht kommen, sind nur zwei Vasenbilder zu erwähnen. Das erste
(man, X, 4, korinthisch) zeigt uns den Amphiaraos im Begriff den
Wagen zu besteigen; Leontis reicht ihm den Abschiedstrank; das
zweite, welches Gerhard AV. 117 publicirt ist, zeigt uns den Hera-
kles, der die Deianeira gegen den Nessos vertheidigt. Gegenwärtig
ist ausser einem Manne eine Frau mit einer Weinkanne in der
Rechten, um nach glücklichem Verlaufe des Kampfes den Helden
zu bewirthen, nicht dagegen, wie Stephani meint, um uns an die
cirovbrj zu erinnern, die die Familie vor der Abreise des Heros und
seiner Gattin den Göttern gemeinsam dargebracht hatte.
Ausser diesen beiden archaischen Bildwerken zeigen die übrigen,
die für uns in Betracht kommen, die neue Technik. Durchgebildet
wurden also diese Scenen erst dann, als der attische Greist der
GeHtesbildnerei neues Leben einhauchte, als er mit der neuen Technik
auch neue Gedanken fasste und neue Weisen ausbildete und sie in
die Vasenmalerei übertrug. Dem wirklichen Leben entlehnten die
Maler die Sitte des Darreichens eines Trunkes, die sie dann auf die
Helden übertrugen, ohne dazu der Autorität einer besonderen Dichter-
stelle zu bedürfen oder sie überhaupt nur zu begehren. Damit hängt
es zusammen, dass wir uns diese Scenen erst genreartig gebildet zu
denken haben und dass sie erst später auf die Helden der Sage
übertragen wurden. Nach Ausbildung der allgemeinen Darstellungen,
die ihren Ursprung im Familienleben hatten, wagte man es erst,
auch den Bellerophon mit dem gezähmten Pegasos auf dieselbe Weise
Abschied nehmen zu lassen (annal, 1874, tav. A, p. 15, 30).
Von den einzelnen Vasenbildem ist zunächst eins aus unserem
Kreise zu scheiden: Gerhard AV. II, 150.') Nike schenkt dem
1) Etwas anderes ist natflriich, wenn Apollon als Musiker, aJe Ver-
treter aller derer, die den Gesang lieben, den Göttern spendet. -- ') Z. B.
Neapel 2488. SA. 160 B. 154. SC. 286. Gerhard AV. 1, 74. Sehr häufig
reicht eine Frau (Ariadne) oder ein Satyr dem Dionysos den Becher
(EanÜiaroB). — ') Auch Mus. Greg, 11, 68, 2. Greuzer, deutsche Sehr. 1,
8, 1, Taf. V. Panofka, Eigennamen mit koXöc III, 6.
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552 H. Lnckenbach;
Lykaon in Gegenwart des alten Antandros ein. Stephani erklärt
p. 170 f. diesen Ljkaon für den Sohn des Priamos, Antandros soll
der Beprftsentant der zurückbleibenden Familie sein. Aber gewiss
ist die üebereinstinunung nur zufiülig; der Maler hat gar nicht an
den Sohn des Priamos gedacht, daher er denn anch nicht den Ptiamos,
sondern den Antandros dargestellt hat (ygl. Heydemann p. 164, 2).
Nach dem Bisherigen genügt die blosse Erwähnung mehrerer
Darstellungen, die als heroisirte zu erkennen nicht schwer fallen
kann. Oyerb. 387, 11, XYI, 2 steht eine Frau mit Schale und Krug
dem gewafi&ieten Achilleus gegenüber. Ob wir die Frau Briseis oder
Thetis (so Brunn, troische Mise. p. 63 f.) nennen wollen^ ist ganz
gleichgültig. In ähnlicher Weise ist MiÜingen vas. CoghiU 23 dem
Menelaos eine Frau gegenübergestellt. Auf dem Innenbilde einer
Euphroniossehale steht vor einem Jünglinge (Achilleus) Diomede
mit der Weinkanne in Händen (Berlin 1780. Oerhard, Trinksch. u.
Oef. 14).^) Der Jüngling sowie auch die Frau sind beide benannt
Gerhard AY.ni, 158 (Bologna nms. civ.p. 62, 78) und München 329.
Im ersten sehen wir Theseus und Aithra, im zweiten Theseus und
Ariadne.
Auf den Abschied Hektors sind zwei Vasenbüder zu beziehen.
Overb. 398, 21, XYI, 16^) reicht Hektor der jugendlichen Hekabe
den Becher dar. Ihr Gatte steht traurig hinter dem Sohne. Der
Enotenstock, den derselbe in der Hand hält, sowie das jugendliche
Aussehen der Hekabe zeigen an, dass auch hier dem bereits fertigen
Typus eine Gruppe zusammengehöriger Namen beigeschrieben wurden.
Aehnlich in allem Wesentlichen ist Dubois-Maisonneuve introd. 63
«» Inghirami GO, I, 58, nur dass hier Priamos allein benannt ist
und dem Sohne ein weiterer Begleiter zugegeben ist.
Anklänge an Homer sind wahrnehmbar in der Berliner Vase
Nr. 1945. Abg. Bevue orchM. 1845, Taf. 40; vgl. Arch. Zeit 1853,
p. 106. Nestor unterhält sich mit dem bewaffneten Telemachos;
eine Frau trägt eine Schale herbei. Offenbar haben wir eine der
gewöhnlichen Darstellungen yor uns, und insofern hat Heydemann
durchaus Recht, wenn er die Scene eine heroisirte nennt. Nur glaube
ich nicht, dass der Maler blindlings in den Schatz der heroischen
Namen hineingriff und die Namen Telemachos und Nestor zufällig
zusammenstellte. Vielmehr wählte er sie im Anschluss an die be-
kannte Erzählung von Telemachs Besuch bei Nestor im dritten
Buche der Odyssee.
Gegen die Beziehxmg auf die homerische Dichtung Hesse sich
vielleicht das vielbesprochene Yasenbild Overb. 584, 33. Jahn Vasen-
bild. Taf. 3 anfahren. Helena mit der olvoxör] in der Rechten steht
zwischen Diomedes imd einem anderen Helden, von dessen Namen
*) Auch Comse, Vorlegebl. V, 5, 2. Panofka, Vasenb. IV, 7. —
') Die Inschrifiien fehlen bei Oyerbeck durch Versehen des Zeichners.
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Verb. d. gr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 653
nur noch die Bnehstaben £10 erhalten sind. Beide Mttnner sind be-
krSnzt/mit der Chlamys bekleidet and mit zwei Lanzen bewaffioet.
Welcker (Gr. Trag. I, 147 £ m, 1530, 16) brachte diese Scene
zuerst in Verbindung mit dem Palladionraube des Diomedes und
Odjsseus und glaubte, es sei die Verabredung zum Raube dar-
gestellt: andere sind ihm darin gefolgt, und noch Stephani p. 168
hftlt daran fest, dass die Griechen sich durch eine ihnen von Helena
ministrirte ciTOvbi^ den Beistand der Götter zu ihrem schwierigen
Unternehmen zu gewinnen suchen. Allein die Unmöglichkeit dieser
Erklärung ergibt sich leicht, da ja nicht Odysseus dargestellt ist,
sondern ein anderer Held, dessen Namen mit Sicherheit zu ergänzen
bisher noch nicht gelungen ist. Denn die Buchstaben €to zu Odjsseus
zu ergänzen, geht doch wohl nicht an; und deshalb hat Jahn, der
früher (Philöl. I, p. 55) Welckers Erklärung billigte, zuerst dieselbe
ganz aufgegeben, da nichts an den Palladionraub erinnern könne
(annal, 1858 p. 251). Heydemann nennt mit Becht diese Scene eine
heroisirte; eine mjüiische Begebenheit liegt, wie es scheint, nicht
zu Grunde, und lediglich ganz beliebige Heroennamen sind gewählt
worden. Jedoch muss zugegeben werden, dass diese Vase ganz einzig
in ihrer Art dasteht; Helena und Diomedes haben in der Sage wenig
mit einander zu thun, und während wir sonst in ^ diesen Bildern
immer zusammengehöiige Personen vorgeführt finden, scheint hier
in diesem Bilde der Maler sehr willkürlich gehandelt zu haben.
Denn schwerlich wird er mit Bezug darauf, dass Diomedes zu den
Freiem der Helena gehörte (Hjgin faib. 81), gerade diese Personen
zusammengestellt haben.
Auch für die Vase des Epigenes Afmal, 1850, tav. H. I, Bidl.
Nap. V, 2 stimme ich mit Heydemann überein; nur dass auch hier
der Künstler mit Bedacht seine Namen wählte. Auf der einen Seite
steht Achilleus, dem Kymothoe den Becher reicht, Abschied nehmend
von Agamemnon, indess Ukalegon auf ihn wartet; auf der anderen
Patroklos, dem Thetis den Abschiedstrank gereicht hat, indess Anti-
lochos Yon Nestor sich verabschiedet und Verhaltungsmassregeln
entgegennimmt Gegen Brunns Deutung^) auf den Auszug des
Achilleua aus seiner Heimath, die auch meiner Ansicht nach auf-
gegeben werden muss, spricht Heydemann p. 176. Wir haben
also einen Auszug der in der Sage eng verbundenen Helden
Achilleus, Patroklos und Antilochos, denen sich als vierter Uka-
legon zugesellt. Wenn ich auch der Deutung des Namens Uka-
legon von Schmidt^ nicht beistimmen kann, so ist doch auch die
Erklärung von Jahn^) nicht ausreichend, dass der Name ganz will-
kürlich gewählt sei. Nach nochmaliger Vertheidigung Schmidts^)
gibt auch Jahn^) halbwegs zu, dass dem Namen Ukalegon eine be-
») Troische Miscell. p. 68-72. — *) Annal. 1860, 143 ff. — ») Arch.
Zeit 1853, 128. — *) Arch. Zeit 1863, 169. ^ ^) Münchener Vasen p. GXIX.
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554 H. Lnckenbach:
sondere Bedeutung ;Eukomme. ükalegon ist keineswegs ein häufiger
Name. Nach Homer f 148 und Vergil Aen. 11, 312 war derselbe
ein Trojaner; nach dem Schol. zu Eur. Phoin. 26 nannte man den
Vater der Sphinx bei diesem Namen. Wenn man bedenkt^ wie so
hXufig die Yasenmaler die Namen mit Bedacht wählen, so liegt es
auch hier nahe, in dem Namen eine besondere Absicht des Künstlers
ausgedrückt zu sehen. Sollte etwa damit gesagt sein, dass — wie
es ja der Wortlaut gibt — hier der Mann steht, der sich um nichts
kümmert, den ja auch eigentlich die ganze Abschiedsscene gar nichts
angeht? Während im Reverse der Begleiter des Patroklos Weisungen
Yon Nestor erhält, steht ükalegon, der Begleiter des Achilleus, ganz
am Ende des Bildes unbetheiligt an dem Vorgänge. Niemand kümmert
sich um ihn, und er vergilt Gleiches mit Gleichem.
Auf den
Abschied des Achilleus
aus seiner Heimath sind zwei Bildwerke zu beziehen.
1. Noffl des Vergers Jätrurie pl. 38. Brunn VorlegebL Nr. 12.
Jede Inschrift fehlt; aber die Anwesenheit des Cheiron macht es
wahrscheinlich, dass auch hier Achilleus es ist, der in die Feme
ziehend Abschied nimmt Freilich nannte das Alterthum noch eine
ganze Reihe anderer Helden als Zöglinge des Cheiron; aber zu
keiner Familie stand derselbe in so enger Beziehung wie zu der des
Polens, und ich wüsste nicht, auf wen dies Bild sich sonst be-
ziehen Hesse.
Cheiron steht vor dem Viergespanne des Achilleus ; neben ihm
Hermes, der den Helden begleiten wird. Der fast knabenhafte
Wagenlenker hat Platz im Wagen genommen, der ganz gerüstete
Achill ist eben im Begriffe einzusteigen. Ihm den Abschiedstrank
zu reichen, steht neben den Pferden eine Frau mit Kanne und Schale
(Nereide?). Hinter Achilleus steht ein bärtiger Mann gewaffnet mit
Helm, Schild und Lanze, bekleidet mit dem Chiton, und ein kahl-
köpfiger Alter. Stephani nennt die beiden Phoinix und Polens;
Brunn ^) nennt den Greis Nestor, in einem der beiden Krieger er-
kennt er den Achilleus, im anderen den Antilochos oder Patroklos.
Bei seiner Deutung stützt er sich auf Overb. XVni, 2; das er
jedoch, wie wir oben sahen, fälschlich auf den Auszug des Achilleus
aus seiner Heimath deutete. Auch hier vermisse ich alles, was bei
Brunns Deutung auf den Auszug des Achilleus hinweisen könnte.
Offenbar bleibt der Alte zurück, die Krieger ziehen aus in den Kampf,
und deshalb kann der Alte nur Peleus sein. Was Brunn gegen ihn
geltend macht, will nicht viel bedeuten. Dass Peleus nach der ersten
Erziehung seines Sohnes ganz zurücktritt in der Sage, ist gleich-
gültig, da bei diesem Bilde sich der Maler überhaupt nicht nach
einer bestimmten poetischen Schilderung richtete. Dass aber Peleus
^ Troisohe Miscellen p. 67. 68.
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Verfa. d. gr. Vasenbüder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 555
Greis ist, ist sehr wohl vereinbar mit dem Alter der Krieger. Daher
sehe ich kein Hindemiss, den Alten Peleus zn nennen; ob der Be-
gleiter des Achilleus Phoinix oder Patroklos ist, wird schwer zu be-
stimmen sein; ich entscheide mich für letzteren, da derselbe doch
noch weit näher mit Achill verbunden ist als Phoinix. Den jugend-
lichen Wagenlenker möchte ich als Pferdeknecht (^tmoKÖiiioc) deuten ;
er erklärt sich am besten, wenn wir annehmen, dass er bloss vor-
läufig die Bosse anhält, bis die Helden eingestiegen sind. Er ist in
anderen ähnlichen Scenen ausgebildet und wurde hier beibehalten
in einem Bilde, das nur durch Cheiron als heroisches bezeichnet wird.
Dass Achilleus von seinem Vater Abschied nahm, mag freilich in
den Eyprien erwähnt gewesen sein, aber dies Bild werden wir un-
bedenklich der Erfindung des Künstlers beilegen. Da wo er nach
dem Epos den Auszug des Achilleus zeichnet, ist die Darstellung
eine ganz andere: da sucht Thetis ihren Sohn durch Warnungen
zurückzuhalten in Gegenwart der Gesandten, die ihn zu werben ge-
kommen sind (vgl. unten §. 13).
2. Neapel 3352. BiOl. Nap. -Y. Ä V, 2. Brunn, Vorlegebl.
Nr. 12. Hermes führt den Achilleus zu Nereus, der einen Kranz
für den Enkel bereit hält. Hinter Nereus drei seiner Töchter,
Psemathe mit Kanne und Krug, um dem Neffen zum letzten Male
den Becher zu kredenzen, Kymathoe und endlich Thetis, die offenbar
den Abschied tief empfindet, und der wie zum Trost Kymathoe die
Hand auf die Schulter legt. Wenn Welcker, alte Denkm. IE, p. 407
und Overbeck p. 279 aus den Worten der Ilias A 396 f., mit denen
Achilleus seine Mutter anredet
TTÖXXttKi T<ip ceo iraipöc i\\ jüieT<ipoiciv fiKOuca
eöxoiLi^vric ktX.,
den häufigen Verkehr des Achilleus im Hause des Grossvaters er*
schliessen wollen, so beruht dies auf einem Miss Verständnisse, da
C€0 nicht zu iraTpdc gehört, sondern von fiKOUca abhängig ist, und
unter dem Vater der Vater des Redenden, also Peleus, zu verstehen
ist. Schon Aristarch warnte vor der falschen Auffassung und ver-
warf den Verkehr des Achilleus mit dem Grossvater als xmhomerisch,
ohne einer abweichenden Tradition der vcunrepot Erwähnung zu thun.
Daher war denn auch der Abschied des Achilleus von seinem Gross-
vater nicht in den Kjprien geschildert, womit zugleich der Beweis,
dessen es kaum noch bedarf, gegeben ist, dass keine poetische Quelle
dem Bilde zu Grunde liegt
Als letztes Bild dieser Beihe verzeichnen wir den
Abschied des Neoptolemos
atmal. 1860, Uw. IK.
Neoptolemos nimmt Abschied von seinem Grossvater Lykomedes,
die Mutter Deidameia hält die gefüllte Schale fttr ihn bereit. Boulez,
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556 H. Luckenbach:
der Herausgeber, will als Grundlage dieser Soene das Epos ansehen,
während in der Tragödie die Abfahrt nach Trctja wider den Willen
des Orossvaters und der Mutter geschalL Es wird ttberflüssig sein,
noch im Einzelnen zu beweisen, dass wir nicht nöthig haben, eine
poetische Quelle anzunehmen. Das Epos wusste viel Ton der Ab-
holung des Neoptolemos zu erzählen; allein alle jene besonderen
Ereignisse sind hier zurückgetreten, indem der Maler die so übliche
Darstellung auf den beliebten Sohn des beliebtesten Helden übertrug.
g. 7. Sleidnng» Bewaffhnng tl dgL
In Einzelheiten und Nebensachen, in Kleidung und BewafiEnung,
im Schmuck von M&nnem und Weibern, in der Darstellung von
Gegenständen, kurz in allen den Dingen, die nicht als durchaus
wesentlich oder charakteristisch erscheinen, hat der Maler sich nie-
mals an die Epiker gehalten. Es fehlt freilich nicht an solchen, die
auch in derartigen Kleinigkeiten Nachahmung der schriftlichen Tra-
dition seitens der Yasenmaler erblicken wollen. So sagt Schlie (zu
den Kyprien p. 44) bei Besprechung des Götterzuges zur Hochzeit
des PeleuB auf der Fran^oisyase: „daraus mag man entnehmen, dass
der Dichter auch alles üebrige, was sich auf die glänzende Ankauft
der Götter bezog, dem entsprechend ausgemalt haben wird, die
prachtvoll geschirrten Rosse vor den einzelnen Gespannen, die
Attribute, den Schmuck und die kunstvoll gewirkten Gewandungen
der (Götter, den Gesang der Musen, das Humoristische in der Gestalt
des Dionysos, sowie des Hephaistos u« dgL m/^ Allein eine solche
Auffassung der Vasenmalerei ist durchaus verkehrt Von dem
Hochzeitszug wird später noch die Bede sein; hier aber muss schon
bestritten werden, dass die Vase auf irgend etwas von den aufge-
zählten Dingen hinführt. Dies im Einzelnen zu widerlegen, wird
nicht mehr nöthig sein. Nur das möchte man fragen, wie denn der
Maler verfahren sein würde, wenn die Gewandungen und Attribute
der Götter nicht im Epos geschildert waren, wenn ihrer Gespanne
keine Erwähnung geschah: sollte er dann die Götter nackt und ohne
Attribute, die Bosse möglichst hässlich malen? Man sieht, zu wel-
chen üngei»imtheiten dergleichen Erklärungen führen; und wenn
nun gar das Humoristische, welches in den Gestalten des Dionysos
und Hephaistos hervortreten soll, auf die Kyprien übertragen wird,
so verlangen wir doch zunächst den Beweis, dass der Künstler sich
in solchen Dingen jemals an die Verse des Dichters gehalten hftt,
ehe wir uns mit einer derartigen Ergänzung der verlornen Dichtungen
einverstanden erklären können.
Zur weiteren Beleuchtung der bisherigen Methode mag noch
ein ähnliches Beispiel angeführt werden. Heydemann sagt in seiner
Iliupersis p. 13 bei Besprechung der BrygosschaJe (Taf. I); „Neopto-
lemos ist gewaffhet mit der hellstrahlenden ^goldigen' Büstung seines
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Yerh. d. gr. Vaeenbilder 2. d. Ged. d. ep. Kyklos. 557
Vaters, der Arbeit des Hephaistos''. Zu diesen Worten werden dann
folgende drei Belegstellen angeführt: Homer C 610 T€0{' dpa o\
OuipHKa q>a€iv6T€pov irupöc a<rff\c. Buripid. Iph. Aul. 1069 ff. ircpl
cuipon XP^^^V &nXuJV 'H<patcT0ir6vuiv K€Kopu0^voc. El. 443
'HqMxicTOU xpuc^ujv äk^iöviüv p6x6oüc Äctncrdc xcux^tuv. Mit diesen
Gitaten, von denen übrigens bloss das erste sich auf die Rüstung
bezieht, welche später Odysseus dem Neoptolemoe übergab^), will
Hejdemann zeigen, dass Brygos die Bflstung des Neoptolemos so
malte, wie er sie aus der' Poesie kannte. Allein das heisst dem
Maier fremde Gedanken unterschieben. Die Rüstung ist heUstrahlend
wie jede andere auch und goldig d. h. mit zwei Ooldpimkten ge-
schmückt, gewiss nicht um an die berühmte Rüstuz^ zu erinnern,
sondern weü Br jgos eine schöne Vase malen wollte. Hat doch auch
der Krieger auf der anderen Seite eine „goldige" Rüstung und der
kleine Astjranax goldene Ohrringe. «
Jeder Schluss, der aus solchen Dingen auf eine Quelle gemacht
ist, und jede Deutung, die nur dadurch herrorgemfen wird, muss
Terkehrt sein. Auch hierzu ein Beispiel Micali man. med. 45, 1
a» Arch. Zeit. 1852, Taf. 44, 1 ist ein Vasenbild publieirt, auf
welchem zwei prächtige Rosse mit merkwürdigem Schmucke sich
präsentiren. Panofka zog Arch. Zeit. 1852, p. 481 ff. die Worte
des pseudoeuripideischen Rhesos V. 301 — 306 herbm, und siehe da,
die Beschreibung dort schien ganz genau mit dem Yasenbilde über-
einzustimmen; unzwei^lhaft war der Auszug des Rhesos dai^stellt
und nach den Worten des Dichters die Pferde gemalt. Es wäre in
der That das einzige Beispiel einer solchen Nachbildung der Maler;
und auch hier war die Deutung Panofkas irrig. Eine neue Ab-
bildung, die noch einige weitere Fragmente aufweist (Schöne Museo
Bocchi Tafel 1) macht es besonders durch den Namen Olbmöbric
unzweifelhaft, dass eben nicht die Rosse des Rhesos dargestellt sind.
Die Waffen Memnons haben zu mannichfaohen Aeusserungen
Anlass gegeben. Ohne Zweifel ist es eme richtige Vermuthung,
dass die Rüstung des Memnon einer ausführlichen Schilderung im
Epos werth gehalten wurde (Welcker ep. Cycl. 11, p. 178, Trilogie
p. 433). Denn ausdrücklich erwähnt Proklos, dass Memnon mit
einer von Hephaistos verfertigten Rüstung nach Troja gekommen
sei: M^^vulv bk 6 *HoOc uidc fx^^v f^cpaicTdreuKiov iravoirXtov
7rapaTiv€Tai toTc TpuK\ ßOTiOficuJV. Auch scheint die Rüstung des
Memnon im ganzen Alterthum berühmt gewesen 2u sein. Weniger
Gewicht mochte ich auf das Beiwort xotXKOKOpucrYjc, das Hesiod ihm
gibt (Theog. 984), legen, da es doch nur ganz aUgemeiner Art ist.
Mehr zu beachten ist der Vers des Vergil (Aen. I, 751):
Nunc quibus Aurorae yenisset ülius armis.
^) Die beiden anderen Gitate gehen auf die erste Rüstung des
Adiilleus, mit der er gen Troja sog.
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558 H. Luckenbach:
Oftmals bat man Anlass genommen, die berrliche Rüstung des
Memnon in Vasenbildern besonders zu betonen. Nim ist es ja ganz
richtig und eigentlich selbstverständlich, dass man hervorragende
Helden wie Hektor, AchiUens, Memnon o. a. vorzttglich bei der
Zeichnung bedenkt; wenn man aber öfter bemerkt, dass Memnon
sich Tor seinem Gegner durch seine herrlichen Wafifen auszeichne
mit Bezug auf das £pos, so muss dies in Abrede gestellt werden.
Wohl möglich, dass einmal Memnon ein wenig stattlicher aussieht;
aber man möchte doch fragen, ob denn nicht des Achilleus Rüstung
eben so bertthmt oder noch berühmter war als die seines Gegners?
Eine beabsichtigte Auszeichnung des Memnon constatirt Schmidt
Qßmal. 1857 p. 121 für das mcm, VI, 6 a publicirte Vasenbild. Diese
Auszeichnung dürfte aber doch bloss in dem Schildtuche zu erkennen
sein, das indessen Memnon mit vielen anderen Heerführern gemein
hat (vgl. Michaelis amtdf. 1875 p. 76 ff^. Auch ist als Quelle dieses
Bildes gar nicht das Epos, sondern das Drama anzusehen, wie ich
später nachzuweisen gedenke. Aus einem anderen Vasenbilde hat
Welcker auf das Epos schliessen zu köxmen gegUubt (Overb. 542,
62, XXII, 8). Des AithiopenfÜrsten Beine und Arme sind mit eng-
anschliessendem Gewände bedeckt, welches ihn als Orientalen be-
zeichnet und wie auch sonst reichlichst geschmückt ist. Sein Panzer
zeichnet sieh nicht vor dem des Gegners aus; dagegen hat der Helm
einen eigenthümlichen Schmuck, ünzerstört ist noch der Helmbusch
und unter demselben ein Thierkopf^ den man wahrscheinlich richtig
zu einem Greifen ergänzt hat. Von diesem Greifadler vermuthet
nun Welcker ep. CjcL II, p. 173 (vgl. Trilogie p. 433), dass der-
selbe auch bei Arkünos war. Der Schluss Welckers ist sehr be-
denklich, wenn wir oben Recht hatten, dass Vasenmaler in solchen
Dingen sich nie an das Epos binden, um so bedenklicher, da gerade
in unserem prächtigen Vasenbüde der Künstler sich Mühe gegeben
hat, seine Personen trefflichst auszustatten: einem Genossen des
Memnon hat er den Panzer mit Bildwerk geschmückt; an Achills
Beinschienen sind Gorgoneia angebracht; Athena trägt zwei Flügel-
rosse an der Haarbinde. Dazu wolle man auch beachten, dass bei
solchen, die im Begriffe zu fallen siird oder sich aufs Knie nieder-
gelassen haben, gern ein höherer Helmbusch gewählt ist^); hier
musste der Greif dazu dienen, den Gefallenen möglichst gross zu
machen. Gegen Welcker lässt sich noch daran erinnern, dass auch
dieses Bild mit mehr Recht auf die Tragödie als aufs Epos zurück-
geführt wird, da der für den epischen Kampf charakteristische Anü-
lochos fehlt. Ganz hinfällig aber wird die Schlussfolgerung durch
ein sfgs. Vasenbild, auf welchem dem Helme des Memnon ein Hund
(Wolf?) aufgesetzt ist, dessen Schwanz den Helmbusch trägt')
>) Vgl. 2. B, Gerhard, AV. II, 84. 86. Overb. XXII, 2. 4. XXTTI, 1.
•) Gerhard, AV. III, 207. Overb. 618, 29.
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Verh. d. gr. Vasenbüder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 559
Aehnlicher Schmück ist nicht selten. Am meisten zeichnet sich Athena
aus. Ihren Hehnbusch tragen zwei gefltigelte Pfsrde^), die empor-
geschlagenen Flügel einer hockenden Sphinx') oder eine Schlange.^)
Letztere wird gern auch bei Sterblichen als TrSgerindes Helmbnsehes
verwandt^). Neapel 2781 erhebt eich von den Stimkappen des
Achillens und Memnon ein zischender Schlangenkopf. Der Hehn des
Peirithoos ist einmal^) mit Seitenflügeln geschmückt, wtthrend der
Bnsch vom Bücken einer Schlange getragen wird; anf demselben
Bilde ist der Helm einer Amazone mit zwei Hörnern versehen. In
anderen Vasen wird der hohe JSehnbnsch des Achillens durch einen
Vogelkopf (Schwan?)^, der des Diomedes von einem lauernden
Fuchs (Hnnd?)^) getragen. Petersburg 165 ist Achilleus mit einem
Helme bedeckt, „der auf der Spitze mit einem Fuchs verziert ist^^
Arch. Zeit 1878 Taf. 2S (vgL p. 163) ist der Helm mit der Dar-
stellung eines Adlers geschmückt, der reliefartig aufgesetzt zu denken
ist. Den merkwürdigsten der Helme, der aber wohl nicht ohne be-
stimmte Bedeutung ist, sehen wir einen Mann einem Epheben auf-
setzen (als Eampfpreis?): ein ungewöhnlich langer Hals geht von
der Helmkuppel aus, der in einen Adlerkopf mit schrecklich langen
Ohren ausläuft*); derselbe lange Hals mit Adlerkopf und langen
Ohren bildet die Lehne des Midasthrones.^)
Diese Zusammenstellung wird wohl genügen^ um den Oreifadler
auf immer vom Epos des Arktinos £sm zu halten.
n. AQSserepisehe Dichtniigeii und Lokalsage.
8. 8. Tragödie.
Da die rothfigurige Technik etwa seit den Perserkriegen in
Athen ausgebildet wurde, und erst um diese Zeit auch Aischjlos
seine grossartige Thätigkeit ent<ete, so ist es nicht zu verwundem,
dass eine Benutzung der Tragödie seitens der Vasemnaler fast nur
in der rfgn. Malerei wahrnehmbar ist. Soweit ich die Bildwerke,
welche von der Tragödie innerhalb des troischen Sagenkreises be-
einflusst sind, überblicke — die übrigen Bildwerke würden noch
anf diesen Oesichtspunkt hin zu prüfen sein — , zeigen nur zwei die
alte Technik. Das erste (sog. nasUemo) ist in der Arch. Zeit 1871
p. 61 abgebildet: Tekmessa findet den Aias, der sich in sein Schwert
gestürzt hat. Sicher gehört die Vase, da ofEenbor Sophokles die
Quelle ist, einer Zeit an, in der die rfge. Technik bereits in üebung
^) Overb. XI, 1 » Earlsrahe 86. — >) Benndorf, gr. u. uc. Vas.
Taf. 81. — ') Hirschfeld, Athena und Marsyas Taf. 1. — «) So s. B.
Milliogen peint, div. Taf. 37. Conze Vorlegebl. HI , 4, 1 am Helme des
Wagenlenkera. — *) Gerhard, AV. IV, 829. 880. — «) Collignon 181,
abg. Arch. Zeit. 1868 Taf. 176. — ') Overb. XVII, 4. — «) Arch. Zeit.
1858 Taf. 62, 8. — ^ Mus. Greg. II, 62, 2 b -« Aroh. Zeit 1844. Taf. 24. 8.
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560 H. Lackenbach:
war. Da es sich aber nicht um eine attische Originalcomposition,
sondern nm ein Erzengniss etmakisoher Lokaltechnik handelt, so
kommt die Vase als nachgeahmt chronologisch nicht in Betracht.
Die zweite Yase (Krater) ist leider nur kurz beschrieben buU. 1865
p. 143 f.; über den Stil ist daselbst weiter nichts gesagt, als dass
die Eignren schwarz seien. ^) Sie stellt den Kampf des Achilleus
mit Memnon und die Psychostasie, wie später nachgewiesen werden
soll, vom Drama beeinfiusst dar* Der Fundort Caere Iftssi daran
denken, dass die Yase auch daselbst ^ftbricirt ist; dass aber C&retaner
Yasen iSnger die alte Technik beibehalten haben, hat schon Heibig*)
nachzuweisen gesucht.
Die beiden Yasen sowie alle anderen sfgn., die der Tragödie
im Bilderschmuck folgen, werden von nicht geringer Bedeutung sein
bei der endgültigen Entscheidui^ der Frage, wie weit noch nach der
Zeit, wo die neue Technik sich Bahn gebrochen hatte, das alte Yer-
fahren angewendet wurde. In athenischen Yasen werden wir nach
den neoe^ten Untersuchungen von Klein (Euphronios) den Einfluss
der Tragödie zumeist in den spfttarchaischen Hydrien aufzufinden
gewttrtig sein, weniger in Schalen, da diese zuerst das neue Yer-
£ahxen acceptirten, die Hydrien aber den längsten Widerstand dem-
selben entgegensetzten. Fttr uns aber ergibt sich die B^el, nie
ohne gewissenhafte Prüfong von rfgn. Yasenbildem au& Epos zu
schliessen, besonders wenn wir von einer Behandlung des Stoffes
durch die Tragödie wissen.
t. 9. Hesiod.
Es erübrigt noch, von dem Einflüsse Hesiods zu sprechen, der
sich nicht sowohl in einer Yerftnderung der epischen Dichtungen,
als in einer Modificirung und Feststellung von Zahl und Namen der
Götter gezeigt hat Die Yasen geben einen neuen Beweis, dass die
Gedichte des Hesiod tief im Yolke Wurzel geschlag^i hatten.
Wenigstens in einigen Punkten ist eine Einwirkung desselben nicht
zu verkennen.
In erster Linie steht wiederum die Fran^isvase. Dem Götter-
zuge haben sich auch die Musen angeschlossen. Neun Musen kennt
der Maler, und diese Zahl^ die sich noch nicht im Homer findet, war
seit Hesiod trotz mannichfacher Abweichungen die gewöhnliche.
Dieselben Namen hat der Maler für sie gewählt, nur dass er zwei
derselben nicht Terpsiohore und Polymnia, sondern Stesichore und
Polymnis nennt; am meisten Beachtung aber verdient, dass in der
Reihenfolge der Musen üut vollständige Uebereinstimmung herrscht.
Bei Hesiod iheog. 77 ff. werden die Musen aufgezählt mit den
Worten:
*) p. 142 tra i vasi a figwre nere, — *) amnal. 1863 p. 226 ff.
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yerh. d. gr. Vaaenbilder z. d. Ged. d. ep. EykloB. 561
KXeiui T* eöT^pirn t€, 6dX€id t€ MeXirofA^vii t€
Tep^i/ixöpii t' '€paTui t€ TToXujiAVid t* OupaviTj t€
KaXXiÖTni 6* f^ bt irpocpepccrdTTi dcTiv anaciijjv.
Nur Ealliope und Urania sind vom Künstler vorangestellt, sonst
findet sich durchgängig dieselbe Anordnung. Für Ealliope ergab
sich die Abweichung leicht, denn sie ist nach Hesiod die vomehmste
der Musen, und mit ihr rückte zugleich Urania, die gerade vor ihr
genannt wird, vorauf; ob mit der letzten Aenderung der Künstler
eine besondere Absicht verband, vermag ich nicht zu sagen. In der
hesiodeisehen Reihenfolge hatte er sich ohne Zweifel die neun Musen
eingeprägt Wie für uns die Reihenfolge der Evangelisten oder der
grossen und kleinen Propheten des alten Testamentes eine feste ist,
so richtete sich Klitias nach den Meanorirverschfin, die er sich ein-
mal gemerkt hatte. Dass er aber die Kalliope voranstellte, dae zeigt
denselben reflectirenden Geist, der uns überall in den Büdem der
Vase entgegentritt
Die Namen Stesichore und Polymnis nennt Jahn^) absichtlich
veränderte Namensformen; Leopold Schmidt dagegen hat die Form
Poljmnis in den Text des Hesiod eingesetzt Allein die Form
TToXi3^via ist eine gut verbürgte und findet sich auch auf einer Vase
wieder.*) Trotz aller Verse des Homer und Hesiod hat meines
Wissens niemals der 'ältere attische Maler den Namen 'Obucceuc
geschrieben, sondern die Form *OXuT€iic resp. 'OX\jTT€iic oder auch
'OXuceiJC gebraucht') Bei Hesiod theog. 245, bei Homer C 41 (also
auch bei Hjgin) und bei Apollodor I, 2, 7 findet sich eine Nereide
KujLioGÖT) benannt; die Yasenmaler haben niemals diesen Namen,
sondern KujLiaO^o, Ku]uio8^a, Ku^aroG^a und endlich Ku>iaT086n (vgl.
unten p. 562); Namen die zum Theil sprachlich anders zusammen-
gesetzt sind (6€Öc — 6o6c). Wir dürfen deshalb die Form TTo-
XujLivic bloss als eine Nebenform bezeichnen, haben aber nicht
das Recht, die FrauQoisvase als treueste Handschrift des Hesiod an-
zusehen.
Wie sehr Hesiod im Volke Geltung erlangt hatte, zeigt sich
femer deutlich in den Nereidennamen, die den Vasen aufgeschriehen
sind.^) In nicht weniger als sechs Vasen finden sich Nereidennamen,
die uns aus Hesiod bekannt sind, dagegen von Homer nicht genannt
werden. Diesen lässt sich nur eine Vase gegenüberstellen, in welcher
Namen dem Homer entlehnt sind, die sich nicht im Hesiod finden.
^) Mfinchener Vasen p. CLVII. — *) Panofka nuuie Mlaeas 4 »
Maller-Wieaeler 11, 57, 733. — «) 'OXureic'in 6 Vasen: Berlin 1688.
Overb. XIX, 8. Fran9oi8va8e (sfg). mon. VI, 21. Overb. XVII, 2 (rfg). —
'0XuTT€i3c in den r%n. Vasen mon. VI, 19. VI, 22. — 'OXuccOc onnoZ.
1865 tav, F (sfg.). Overb. XXXII, 8 (rfg.). Vgl. Eoscher in Cartius'
Stadien IV, p. 200 f. — ♦) Vgl. Jahn, Münchener Vasen p. CXVII.
Heydemann, commenM. in hon. Th. Mommaeni p. 170—172.
Jiüurb. f. clMi. Phüol. SuppL Bd. XI. 36 C^r\r^n]i>
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b62 H. Lnckenbachi
Ick zähle die rfgn. Vasen, die allein in Betracht kottunen, nach-
stehend auf:
A München 331. Overb. 185, 31.
B Overb. 196, 44. VIII, 7.
C Journal of phüology 1877 Taf. A.
D Overb. 191, 38. VIH, 1.
E Neapel 3352. BM. Nap. N. S. V, 2. Brunn, Vorlegebl. Nr. 12.
F Vase des Br. M. erwähnt von Heydemann, cammentaL in hon,
Th, Mommseni p. 171.
G München 415. mon. VI, 27. vgl Heydemaon a. 0. p. 171, 23.
H Neapel 2296. BuU. Nap. K S. H, 1, 2.
Folgeade Namen finden sich in den Vasen A — G, die dem Hesiod
entlehnt, dem Homer aber fremd sind:
raXiiVTi CFG. '
*epaTiIi A.
KujbiaToXyiTn B.
Ku^u) c.
Va\x&Br\ BDE.
Andererseits gibt H die Namen KXufi^vt] und *AXia, die von
Homer, aber nicht von Hesiod gekannt werden.
Um das Nereidenverzeichniss vollständig zu machen, füge ich
die übrigen Vasen hinzu, auf denen .Namen von Nereiden beige-
schrieben sind.
I (sfg.) München 380. Overb. 180, 15. VII, 5.
K Overb. 195, 41.
L BM. Nap. IV, 2. Heydemann, Neriaiden V, 2.
M Annäl. 1850 tav. H.
In den Vasen A — M und zugleich im Homer und Hesiod finden
sich folgende Namen:
rXauKT] BCF.
Aurnf) F.
KuHobÖKTi D (?); F.
KuHoeöT] ACEFM.^)
6dX€ia Homer und F; 6aX(r) Hesiod.
MeXiTT] K.
NT]caiT] H.
CTieiui B.
») D. h. KuMaeto C. .
Ku^oe^a FM (Ku^ööea F ? ?).
K\)\iaroBia A (Ku^atcOat).
Ku^arcOöii B (so nach ürlichs, Wünsbnrger Antiken IH
Nr. 897. Campanari vasi Feoli Nr. 100 KufiotTOV|. Die
Abbildungen Ku^aOtur)^.
Zum ersten o in Ku^oe6T) vgl. Fick, gricch. Personennamen p. XIV.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. Qed. d. ep. Eyklos. 563
In den Katalogen sind folgende Namen nicht:
eip€Cia(?))
KaXuKa(?)[ A,
Xwpui /
Eubia L.
Noui& B.
TTovTOn^ba L
TTovTO|yi^Ö€ia F.
Obwohl der Gedanke nicht ferne liegt, dass einige von den zu-
letzt aufgeführten Namen dem Zeichner ans anderen Dichtungen
für Nereiden bekannt sein mochten^), anda:*e hat er unzweifelhaft
selbst erfunden. Die grosse Mehrzahl dagegen ist dem Hesiod und
Homer entnommen, und zwar überwiegt die Benutzung des ersterem
Demgemfiss werden wir auch bei einer etwaigen Ergftnzung uns lieber
an Hesiod als an Homer halten. In G finden sich nun fünf Nereiden
benannt Die Namen rXaÜKr) und Ku^aG^a sind im Homer und
Hesiod; KujluI» und raXfjvii nur im Hesiod: von dem Namen der
fünften ist nur die Endung übrig geblieben -9^a. Hesiod bietet uns
die Namen TTactO^ii V. 246 und 'IttttoBöt) V. 251; Homer nennt
C 42 'A)yi9i6ÖT). Natürlich ist es ganz unbestimmt, welcher Name
auf der Vase gestanden hat; vielleicht war keiner der drei vorhanden,
sondern irgend ein anderer vom Künstler frei gewählter. Jedenfalls
darf man nicht, wie Heydemann es thut, bestimmt nach Homer er-
gänzen.')
§. 10. Lyxik.
Als Grundsatz muss man festhalten , dass an und für sich jeg-
liche Art der Poesie dem Yasenmaler Anstoss zu künstlerischem
Schaffen geben konnte , und es ist schlechterdings nicht einzusehen,
warum nicht im einzelnen Falle die Lyrik eingewirkt haben könnte..
Besonders grössere Gedichte, wie die Hiupersis des Stesichoros, die
entschieden epischen Charakter an sich trug und sich wesentlich von
den früheren Dichtungen nur durch das Yersmass imterschied, könnte
man vermuthen, würden von Einfluss auf die Vasenmalerei gewesen
sein. Aber thatsächlich ist eine Einwirkung der Lyrik kaum nach-
zuweisen. Stesichoros allein scheint hie und da ein dankbares Motiv
gegeben zu haben. Als nach dem Epos das Drama neue Bahnen
einschlug und man ihre Stoffe durchschlagend veränderte^ war es
ebensowohl der Vasenmaler, wie der hohe Staatsmann, auf den die
^) 6o isfc es vielleicht nicht blosser Zufall, dass TTovT0^^5a und
TTovTO^d6€la auf Vasen vorkommen und Apollodor unter den Nereiden
die TTovTOjui^öouco anfilhrt, obwohl sich diese Namen für Nereiden gar
leicht ergaben. Vgl. TTovro^^buiv «» TToccibOirv Euripid. Hippol. 744.
Pindar 0. VI, 176; femer Kakapi TTovTO^d5ovTl CIG, 4988 — Kaibel,
gfigr, 978. — >) Heydemann ergSoizt 'Aiuu&Oco, wohl nur aus Versehen,
omer C 41 nennt *A^d6€la un&r den Nereiden.
_^ „86*^OOgle
564 H. Lnck^baeh:
neuen Mythen einwirkten. Man kennt das heftige Verlangen der
Athener nach den Schauspielen, und undenkbar wäre es, dass eben
das Drama keine sichtbaren Spuren hinterlassen hätte. Fast alle
grossen Meisterwerke des Aischjlos, Sophokles und Euripides änderten
die epischen Stoffe , um sie für ihre Zwecke gebrauchen zu können.
Ganz anders steht es mit der Lyrik. Von einer durchselilagenden
Aenderung der Sagen, die sie vorgenommen hätte, kaim besonders
in Bezug auf die Oedichte des epischen Eyklos kaam die Bede sein.
Ein weitgreifender Einflnss muss eehon deshalb' in Abrede gestellt
werden; und wir werden sieht zu weit gehen, wenn wir behaupten:
ein Einfluss der Lyrik auf die Vasenmalerei ist für die
bereits yon den Eyklikern vorgebildeten Stoffe nicht oder
höchstens in ganz vereinzelten Fällen wahrzunehmen.
Wenn dieses trotzdem angenommen i^t, so beruht dies ledig-
lich darauf^ dass man eben jede einzelne Abweichung einer andern
Quelle oder dichterischen Wendung der Sage zuschrieb« Wenn
Overb. p. ZU. XIII für manche tiefsinnige Oomlnaationen dear Avers-
und Beversbilder der Sagen lyrischen Einfluss in Anschlag bringen
möchte, so beruht eine solche Ansicht auf der Vorauasetzosg, dass
Vasenmaler niustraticmen zu den Gedichten gegeben hätten; eine
Ansicht, gegen die- wir stets zu kän^fen hatten. Wenn derselbe
p. Xni Anm. 4 den BUderreiohtfaum der Fraa/^oisvase auf lyrische,
nicht epische Quelle zurflckführen will, so ist das eine Hypotiiese,
der jeder Halt fehlt, und an der Overbeck ohne Zweifel heute selbst
nicht mehr festhalten wird. Abweichungen, wie wir sie auf der
Fran^oisvase bei den Leichenspielen des Patroklos fanden, erfordern
nicht die Annahme einer lyrischen Grundlage, wohl aber erklären
sie sich aus der Art und Weise, mit der Künstler die Epen benutzten.
Ferner meint Overbeck p. XIII, dass wir in den Dorismen mancher
Namensbeischriften vielleicht eine Hindeutung auf nachepische, auf
lyrische Quelle erblicken könnten. Den wahren Grund dieser Dorismen
hat Jahn eingesehen, indem er sie, soweit sie eben nicht dorischen
Malern zuzuschreiben sind, „auf eine beabsichtigte Wahl, vielleicht
nur Gelehrtenthuerei" zurückführt (Münchener Vasen p. CXCVin
und CCXXXIiy)
Eine gewisse Bolle hat in der Frage nach lyrischen Quellen
gespielt, ja scheint sie noch nicht ausgespielt zu haben'), die In-
schrift naxpoKXIa oder TTaTpÖKX[€]ia, die sich auf einer Vase der
Münchener Sammlung, Nr. 380, befindet und zuletzt bei Overbeck
abgebildet ist VH, ö. XXHI, 2 (vgl. Overb. 180, 16. 641, 86). Auf
der einen Seite der Vase ringt Thetis mit Feleus unterstützt vom
Feuer und von zwei Panthern im Beisein des Cheicoa, indess sieh
ihre Schwester Pontomeda eiligst davonmacht. Unter dem Leibq des
') Vgl. B. B. Neapel 9870, wo neben Aphrodita die Form Atheaaie
»ich findet — *) Schlie, zu den Kyprien p. 42.
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Yerh. d. gr. Yasenbüder z. d. Ged. d. ep. EykloB. . 565
Cheüron steht die Inschrifi; TTaTpoxXia, die von Gerhard, AV. III,
p. 144 als r&thaeUbiaft bezaiohnet wird, indem er vermuthet, sie be-
zeichne den ganzen Gegenstand als Anüang eines den Patroklos be-
treffenden Gedichts. Im AnscUuss an diese Aensserang Gerhards
hat Bergk in der Zeitsohrift für Alterthumswissenschaft 1850,
p. 407 f. die Inschrift yollstttndig zu erklären versucht. Mit diesem
Znsatze soU der Maler auf ein poetisches Werk als seine Quelle hin-
deuten. Dieses Gedicht in stesichorischem Stil mit dem Titel TTa-
TpoKXta soll den Tod dee Patroklos und die damit ei^e verknüpften
Begebenheiten, Hektors Fall und Aohilleus' Bache geschildert haben.
Bei Gelegenheit der önXoTroita soll dann Thetis dem Hephaistos ihr
Leid geklagt und ausführlicher erzählt haben, wie sie von Peleus
ndt Gewalt bezwungen sei Aber auch auf den Bevers bezieht sich
die Inschrift TTaTpoxXia. Hier wird der Kampf um Achilleus' Leiche
dargestellt: indese Aias den todten Helden aufgehoben hat und ihn
davonzutragen sich anschickt, kämpfen Menelaos gegen Paris und
Neoptdemos gegen Aineias. Zu den Füssen der kämpfenden Krieger
liegen Gefallene, dort ein Bogenschütz, hier ein nackter Jüngling,
von dessen Namen noch Buchstaben zu lesen sind. Dass Odjsseus
hier fehlt und Neoptolemos zugegen ist, der doch nach dem Epos
erst bedeutend später von Skjros geholt wurde, hat man als Ab-
weichungen angesehen, die das Epos als Quelle anzunehmen verbieten.
Solche willkürliche Variationen aber dürfe man einem Künstler- nicht
zutrauen, der auf der anderen Seite seine Quelle ausdrücklich nenne.
Nichts aber sei natürlicher, als dass der Maler auch hier jener Pa-
trokleia folgte. Der Verfasser des Gedichtes soll nicht bloss den
Tod des Patroklos und die Bache des AchiUeus in demselben be-
handelt haben, sondern auch das unmittelbar Folgende, den „Tod
des Aehilleus durch Paris^^ Dass aber ein Gedicht unter dem Namen
TTaTpÖKXcia auch diese Begebenheiten umfasste, findet Bergk eben-
sowenig befremdlich, als dass die Qresteia des Aischjlos mit dem
Agamemnon beginnt Femer vermuthet dann Bergk, dass in dem
Gedichte auch Paris durch Menelaos geÜEdlen sei; aus den Buch-
staben, die über dem Leichnam stehen, macht er unter Annahme
mehrerer Lücken AntilochoB. Schon Overbeck weist p. 543 diese
Lesung mit Becht zurück und schliesst sich Gerhard an, der Nirios
liest und diesen Namen für identisch mit Nireus erklärte. Ob da-
mit das Sichtige getroffen ist, mag sehr fraglich erscheinen, ist aber
auch für unseren Zweck gleichgültig; jedenfalls ist der Ausweg von
Bwgk durchaus verkehrt Doch dies ist ja nebensächlich; wenig-
stens das soll bewiesen sein, dass der Vasenmaler einer Patrokleia
folgte. Betrachten wir das Bild mit dem Bingkampf des Peleus und
der Thetis, so fragen wir, wie kam der Künstler dazu, einem Bilde,
das einen ganz bekannten Stoff darstellte, beizuschreiben, dass auch
in der Patrokleia diese Sache behandelt wurde? Dazu beachte man
wohl, an welcher Stelle der Patrokleia die Verse, die alö- Quelle
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566 H. Lackenbacli:
dienten, stehen sollen: in der Klage, die Thetis dem Hephaistos
vorbrachte bei Gelegenheit der öirXoTroita. Bedenklicher aber noch
wirds mit der Patroklia hinsichtlich der Beziehung anf die Bttckseite.
In einem Gedichte, das nach Patroklos den Namen führte, wurde
der Tod des Achillens ausführlich besangen? Bergks Vergleich mit
der Oresteia passt durchaus nicht. Wie Agamemnons Mord in die
Oresteia gehört als Ursache und Einleitung des Muttermordes des
Orestes, begreift sich leicht; wie aber Achillens' Tod in einer Pa-
trokleia besungen wurde, ist schwer einzusehen. Nicht TTarpÖKXcia
sondern 'AxiXXr){c etwa hätte ein solches Gedicht heissen mClBsen.
Dazu hinkt der Vergleich durchaus: dort haben wir den Gesammt-
namen einer Tetralogie, einer Vereinigung mehrerer Stflcke, hier aber
den Titel eines einh^tlichen Gedichtes, das nicht in mehrere Stüdte
zerföllt Femer ist es so ganz einzig dastehend, dass der Vasen-
maler seine Quelle angeben soll Ja, wenn es so etwas Gewöhnliches
w&re, das Epos oder das Drama zu nennen, aus dem das Vasenbild
den Stoff genommen hat, dann wäre die Sache eine ganz andere.
Hier dagegen im Vasenbilde sieht es fast so aus, als ob der Künstler
ein böses Gewissen gehabt, dass er den Neoptolemos beim Tode
seines Vaters zugegen sein lässt und deswegen den Namen TTorpo-
xXia hinzugesetzt habe, um sich gegen die Angriffe anderer zu yer<
theidigen. Doch genug; alle diese Erwägungen müssen es jedem
unzweifelhaft machen, dass TTaTpoKXia nicht die Quelle des Vasen-
malers angeben kann.
Auch scheint die Hypothese Bergks wenig Anklang gefunden
zu haben. Nur Nitzsch folgt blindlings, und während Bergk in der
TTaxpÖKXeia sich nur „ein lyrisches Gedicht in der Weise des Xantbob
und Stesichoros'^ denkt, weiss er, dass die TTarpÖKXcia von St^
choros gedichtet wurde (Sagenpoesie der Griech, p. 249). Dagegen
hält schon Overbeck wenigstens ftlr den Kampf um Achilleus' Leichnam
die Deutung für verfehlt, und Jahn (Münchener Vasen p. CXIV, 835)
erklärt die Inschrift trotz Bergks Deutung für rtlthselhaft.
Neuerdings hat Heydemann einen anderen Versuch gemacht
sie zu deuten {annäl. 1873 p. 26). Nach ihm soll dieselbe an die
falsche Stelle gesetzt sein und sich nur auf den Kampf um Achilleus
beziehen, den sie als eine Folge des 16ten Gesanges der Dias be-
zeichnen soll. Allein auch gegen diese Annahme erheben sich solche
Bedenken, das sie aufgegeben werden muss. Die Inschrift steht
zunächst dem anderen Bilde beigeschrieben, und ich erinnere mich
keines Beispieles, dass nur einigermassen mit einer solchen Ver-
setzung der Inschriften sich könnte vergleichen lassen.^) Heydemann
setzt femer voraus, dass schon zur Zeit, da das Vasenbild verfertigt
') Die häufige Annahme vertauschter Inschriften beruht meist auf
Irrthum, vgl. p. 639. Das einzige sichere Beispiel, das ich kenue, ist
Overb. Xlfl, 7, wo Teukros und Telamon verwechselt sind.
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Verb. d. gr. Yasenbilder z. d. Ged. d. ep. Ejklos. 567
wurde, das 16. Buch der Dias den Namen Patrokleia führte. Es
ist freilich wohl unzweifelhaft, dass eine Reihe der üeberschriften
der einzelnen Ges&nge der Bias aus sehr früher Zeit herstammt, und
Bergk^) hftlt gerade die Bezeichnung TTaTpÖKXeia für sehr alt und
meint, sie habe ursprünglich einen grösseren Abschnitt umfasst.
Allein alle diese Annahmen sind eben nur Annahmen, die bis jetzt
unerwiesen sind. Wir finden die Bezeichnung TTaTpÖKXem zuerst
bei Aelian VH. 13, 14, sodann bei Eustathius im Eingange seiner
ErUftrungen zur TTarpÖKXeia; und wenn wir neben dieser Bezeich-
nung auch eine zweite TTaTpÖKXou SEoboc finden, so mag es fraglich
sein, welches der ältere Titel ist, und ob nicht der erste Name von
den Alexandrinern erfunden ist, auf die man, wie mir scheint mit
Becht, viele dieser üeberschriften zurückgeführt hat.') Doch dies
alles wiU nichts bedeuten gegenüber der ungeheuerlichen Annahme^
dass der Maler einem Vasenbilde TTarpÖKXeia beischreibt, um den
Kampf um des Achilleus' Leichnam als eine Folge von des
Patroklos Fall darzustellen.
Die Gesammttitel von Vasen'), mit denen Hejdemann unsere
Inschrift zusammenstellt, sind ganz verschiedener Art.
Die Erklärung der Inschrift ist demnach anderswo zu suchen.
Nun ist es bekannt, dass auf manchen, meist älteren Vasen sich
Männemamen befinden: so, um nur einige Beispiele anzuführen, die
Namen Phorbas*) und Aniades(?)*) Gerhard, AV. II, 90; Dorotheos
und Hipparchos neben der Inschrift 6 iraTc KaXÖc Gerhard, AV. II,
102; Leagros auf d^r Münchener Vase Nr. 114.
In der TTaTpÖKX€ia nun möchte ich einen Mädchennamen er-
kennen. Heydemann^) selbst hat zuletzt durch eine Zusammen-
stellung gezeigt, dass Heroennamen gar nicht selten im gewöhnlichen
Leben waren; noch weniger kann ein Weibemame befremden, der
von einem Heroennamen abgeleitet ist. Der Name TTaTpoKXf^c ist
sehr gewöhnlich und nach regelrechter Bildung der Feminii^ ergab
sieh TTaTpöxXeia. Denn mit Bergk und Heidemann möchte auch ich
glauben, dass auf der Vase aus Nachlässigkeit ein 6 ausgefallen ist^)
und lieber TTaTpöicXcia als TTaTpoKXta lesen. ^) Und so vermuthe
ich, dass der Künstler nur den Namen des Mädchens, dass ihm am
Herzen lag, auf die Vase setzte. Dass nicht KaXrj hinzugefügt ist,
wird ebensowenig befremden, wie dass auf den analogen Vasen mit
*) Griech. Literaturgesch. p. 496, 46. — •) Vgl. Pauly, Bealencyclo-
pftdie 111, 1424. — 5) Dazu gehört doch auch die Inschrift Atovucta[K]a
auf der Münchener Vase Nr. 1152, in der den Dionysos zwei tanzende
Bakchantinnen umgeben. — *) Gampanari, vasi Feöli Nr. 8, dem Gerhard
folgt, verbindet <t>6pßac mit raOpoc »■ iaurus depascena. Das Richtige
sah Jahn, Münehener Vasen p. CXVI, 482. — '') So liest Panofka buH.
1848, p. 159 f. Vgl. Jahn, Enifahmng der Europa p. 17. Ist etwa Asiades
zu lesen? — ^) CkmimewtaHonea in hon, Mcmmseni p. 166 ff. — ^ Auf
derselben Vase TTovT[o]|Li^öa. — *) Vgl. jedoch 'AxaGoicXia und 'HpaxXia
in den allerdings späten Inschriften GIG, 966. 9663. 9708.
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568 H. Lackenbaoh:
Männenuunen KoXöc fehlt, besonders wenn man sich erinnert, dass
KaXöc und xaXrj verhftltnissmftssig selten uns in s^. Vasen be-
gegnen, und die ganze Sitte jttnger zu sein scheint.^)
Doch kehren wir jetzt zu dem Vasenbüde, welches den Sjunpf
um Achilleus uns YorfQhrt; zurttek, so verwirft, wie schon bemerkt,
auch Overbeck die Erklärung Bergks, hält aber daran fest, dass
unserem Yasenbilde eine uns unbekannte Quelle zu Orunde liege.
Er sagt p. 544: „dass Neoptolemos schon bei seines Vaters Tode
vor Troja war, ist uns nirgendwo berichtet, dass das aber irgendwo,
in stesichorischer Ljrik oder sonst, vorkam, ist durch unsere Vase
bewiesen^^ Allein ist die Anwesenheit des Neoptolemos so viel-
sagend, dass wir eine andere Quelle als das Epos annehmen mttssen?
Meiner Ansicht nach ganz gewiss nicht. Orade bei den Eampfiscenen
sahen wir spielte die Willkür der Künstler eine grosse Bolle. Dio-
medes und Hippasos kämpften, da Patroklos gefallen war; Sarpedon
und Phoinix waren zugegen beim Kampfe des AohiUeus und Hektor;
aber, wird man einwenden, der Künstler, der jene Scenen malte,
erinnerte sich nicht genau, wer beim Kampfe betheiligt gewesen war;
dass aber Neoptolemos seinen todten Vater vertheidigt, muss eine
Begründung haben, da man dem Künstler wohl die Kenntniss der
Sage zutrauen darf, nach welcher Neoptolemos erst später vor Troja
eintraf. Auch ich traue dem Künstler wohl zu, dass er dies wusste;
allein auch jener Künstler, der den Achilleus im Beisein der Eltern
und des Neoptolemos die Rüstung anlegen Hess, wusste unzweifel-
hafb, dass diese Vereinigung von Personen in der Sage niemals statt-
gefunden haben kann. Aber dass er trotzdem sich seine Freiheit
nicht nehmen Hess, das wird eben klar. Auch in unserer Vase haben
wir es mit einem Künstler zu thun, der wohl überlegte, was er hin-
zeichnete. Mit dem Paris, dem M^er des Achilleus, lässt er den
Menelaos kämpfen; mit dem Aineias aber, dem hervorragendsten
unter den Troern, den eigenen Sohn des Gefallenen: das Oanze ist
eine glückliche Zusammenstellung, die dem Maler Ehre macht, ffir
die man aber nicht gleich eine Quelle suchen soU. Möglich, dass
im Vasenbilde auch ausser Pari? noch Erinnerungen an die Aitiiiopis
zu Grunde liegen. Auch in dem zweiten Vasenbilde, welches den
Kampf um Achilleus darstellt, ist Aineias zugegen (Overb. 540, 84.
XXIII, l), und Quintus Smymaeus nennt in, 214 den Aineias nebet
Glaukos und Agenor als die Tapfersten beim Kampfe um Achilleus.
Möglich auch, dass jener GeÜEdlene, dessen Name nicht mit Sicherheit
zu lesen, uns eine Person des Epos vorführt: zu einer Gewissheit
ist in diesen Dingen nicht zu gelangen.
') Heydemann ergänzt Aroh. Zeit 1866, p. 162 zu dem Namen
[CMiüiaxoc das Wort koXöc in der ebdst. Taf. 906 (auch Overb. HI, 4)
puDlicirten Vase. Diese Annahme ist nicht ohne Bedenken, da die Vase
chalkidiBoh, die in Bede stehende Sitte aber attisch ist Sollte das
Wort den Verfertiger der Vase nennen?
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Verb. d. gr. Vasenbilder z. d. 6ed. d. ep. Eyklos. 569
Trotedem nun sich der Einfluss der Lyrik nicht in einem ein-
zigen Falle nachweisen iSsst^ ist man doch weit entfernt, den Ge-
danken daran an&ngeben. Ja man ist noch weiter gegangen, man
hat, nm Vasenbilder zu erklSren, sich eigene Versionen gemacht;
so Stephani fOr das ParisurtheiL Die Vasenbilder, welche hier in
Betracht kommen, sind folgende^):
A Gerhard, AV. m, 172. Overb. 212, 26. Welcker, alte
Denkm. V, p. 389, 28.
B München 716.
C Petersburg 2020. CB. 1863, Taf. 1, p. 5 ff.
D Overb. 265, 122. Welcker p. 410, 62, Taf. B 3 (nicht 4).
Millingen, uned. monum, I, 17. Pässeri, jnc^. I, 16. d*Han-
carville IV, 24. Visconti, mus. PU> Cl. IV, A. Inghirami,
vas. fiU. 171.
A und B sind schwarzfigurig, C und D rothfigurig.
A. Zu Paris tritt Hermes mit zwei Göttinnen, von denen die
letzte deutlich als Athena charakterisirt ist; ob wir in der ersten
Hera oder Aphrodite zu erkennen haben, wüsste ich auf keine Weise
zu entscheiden, wenn man nicht geltend machen will, dass gewöhn-
lich Hera vorangeht, Aphrodite aber zuletzt folgt
(ranz ähnlich ist B; jedoch fehlt Paris, Athena geht der an-
deren Göttin, die einen Stab in der Hand hält, voran.
C. Vor einem Jüngling steht Eros, demselben vertraulich zu-
sprechend. Hinter Eros eine Frau, die in der Rechten einen Kranz
hält. Hinter Paris steht Athena, hinter dieser ein mit Ghlamys und
Petasos versehener Jüngling, den man, obwohl ihm das bezeichnende
Attribut, das xripUKeiov, fehlt, für Hermes erklärt hat Die Frau,
welche vor Paris steht, wird durch den Eros als Aphrodite be-
zeichnet.
D. Ein Jüngling sitzt auf einem Steine, durch das Schaf, das
ihm zur Seite liegt^ als Hirte bezeichnet Vor ihm steht Hermes zu
ihm hinblickend, den rechten Ellenbogen auf eine Säule lehnend.
Es folgt eine sitzende Frau; die Sehale, welche sie in der Hand hält,
macht es sowie ihre ganze Tracht möglich, in ihr Aphrodite zu er-
kennen. Hinter dem Jünglinge steht eine zweite Frau, durch das
Scepter zur Genüge als Hera bezeichnet
Während man früher annahm, dass aus Mangel an Raum oder
aus, Nachlässigkeit eine der Göttinnen fehle, hat Stephani mit Hin-
weis auf das Satyrspiel des Sophokles, welches das Parisurtheil
enthielt, eine neue ErUäinmg aufgestellt (CB. 1863, p. 9. 10). Bei
der dramatischen Behandlung, die Sophokles vornahm, ergab sich
eine Schwierigkeit, die in den Gesetzen des Dramas begründet lag.
>) Die Spiegel Overb. 262, 107—110 « Gerhard, etr. Sp. 11, 192—195
lasse ich ganz bei Seite.
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570 H. Luckenbaoh:
Drei Sofaaaspieler konnte er nur verwenden, und doch waren Paris
nnd die drei OötUnnen nothwendige Personen für die bestehende
Sage. Aber Sophokles wandelte die Sage znm Theil um; er stellte
nur den Streit zwischen Athena und Aphrodite dar. Bei Athenaios
XV p. 687 C lesen wir Co<poKXf)c hi, 6 7roinTf|C ty xpicei Tip bpd-
[iOTi Tf)v ^^v 'AqppobiTTfv f)boviKrjv Ttva oucav bai/yiova ^uplp re
dXeiqpofJi^vnv Tropdr^i kqI KaTOTrrpiZoM^viiv, Tfiv b' *AOnväv q>pövn'
civ oöcav Kai voOv, In b* dpetfiv ^Xahp xpiOM^vriv Kai tu^voZo-
jLievTiv. Wie einst den Herakles die *HboWj und die Kaxia für sieh
zu gewinnen suchten, so hier Athena und Aphrodite den Paris.
Aehnliche GegensStze scheinen beliebt gewesen zu sein; da auch
Aristophanes den Xötoc biKaioc mit dem Xöxoc fibiKOC in den Wolken
kämpfen Iftsst. Wie weit Hera bei Sophokles eine Bolle spielte,
wissen wir nicht; vielleicht trat sie gar nicht auf; sondern mit einem
Witze wurde sie bei Seite geschoben. Waren ihr einige Worte ge-
stattet, dann musste sie vor den anderen Göttinnen auftreten, d. h.
ehe Aphrodite den Sieg davon gewann. Alles weitere muss leere
Vermuthung bleiben, sofern es nicht gelingt, aus anderen Quellen
die Lücken der bisherigen üeberlieferung zu ergänzen. Nur glaube
ich nicht, dass Sophokles so weit ging, nur einen Streit zwischen
zwei Göttinnen darzustellen und Hera ganz unerwShnt zu lassen.
Den Hauptinhalt bildete jedenfalls der Streit zwischen Athena und
Aphrodite. Den Wettstreit dieser beiden Göttinnen nun glaubt
Stephan! in C erkennen zu dürfen und weiter auch in A und B,
indem er die zweite Frau, in der wir mit Bestimmtheit weder Hera
noch Aphrodite erkennen mochten, nach Analogie von C für Aphro-
dite erklärt. Allein nicht auf Sophokles sind die Vasenbilder zurück-
zufahren; denn zwei von ihnen sind schwarzfigurig: daher hat auch
Sophokles diesen Wettstreit nicht erfunden, sondern von einem an-
deren in seine Poesie hinübergenommen. Für D endlich, meint
Stephani weiter, falle nun auch der letzte scheinbare Grund weg,
überhaupt an Paris und sein ürtheü zu denken, da eben Athena
fehle. Auch ich will es nicht auf mich nehmen, D für das Paris-
urtheil zu vertheidigen, obwohl sich darüber streiten liesse. Aber
gegen die übrige Deutung muss ich mich erklären. Gäben wir zu,
dass G den Mythus nach dem Parisurtheile des Sophokles darstellt,
müsste dann auch A und B auf eine ähnliche Quelle zurückgehen?
Dürfen wir uns so ohne weiteres für A nnd B eine Quelle erfinden?
Welcher Art soll sie sein? Etwa ein lyrisches Gedicht? Dann
sollte erst in einem einzigen Falle lyrischer Einfluss auf die Vasen-
malerei sicher nachgewiesen sein. Methodisch ist ohne Zweifel eine
solche ZurückfElhrung auf eine erdachte Quelle zu verwerfen , so
lange wie sich ein anderer Erklärungsgrund bietet. Diesen aber hat
man längst gefunden, indem man eine Nachlässigkeit des Künstlers
angenommen hat Dass Athena in A und B zugegen ist, ist wohl
kein Zufall; denn sie pflegt gewöhnlich in der Mitte zwischen beiden
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Verb. d. gr. Yasenbilder z. 4. Ged. d. ep. Eyklos. 571
Göttmnen einherzuschreiten; nur selten geht sie voran (Welcker
a. 0. Nr. 13. 20. 40. 44 «= Overb. Nr. 12. 37. 42. 46); aber nie-
mals soviel ich sehe ist sie in den Bildern der alten Periode
die letzte.
Auch sind ja derlei Aaslassungen und Verkürzungen in der
Vasenmalerei nicht selten; viel weniger kann uns das Fehlen einer
der Personen wundem, die im Marsche einherziehen^ als wenn der
Leichnam des Hektor in einem Bilde fehlt, das unzweifelhaft die
Schleifang desselben darstellt (Overb. 458, 118). In einer anderen
Vase (Overb. 352, 22) fehlt AchiUeus, w&hrend Troilos zu Pferde
und Polyxena ihr Heil in der Flucht suchen. Die unter den Pferden
liegende Hydria macht die Deutung sicher. In einer dritten Vase
(Arch. Zeit 1866 p. 228) stehen Troilos und Polyxena vor dem
Brunnen, der auflauernde Achilleus ist weggelassen. Ein weiteres
Beispiel bietet die Berliner Vase, Nr. 1980, welche ganz in Ueber-
einstimmung mit sonstigen Darstellungen die üeberlieferung des
Achilleus an Cheiron vorführt; es fehlt nur die wichtigste Person,
Achilleus selbst. Waren die bisherigen Beispiele schwarzfigurig, so
fehlt es auch nicht an rothfigurigen, die dergleichen Nachlässigkeiten
sich zu Schulden haben kommen lassen. Im BtiU. Nap, VII, p. 153 ff.
wird eine Vase erwähnt, in der Pylades von der Iphigenie den Brief
erhält, aber Orestes selbst fehlt. ^) Diese Auslassungen, deren
Zahl sich wohl vermehren lässt, lassen keinen Zweifel übrig, dass
wir auch in A und B nichts anderes erblicken dürfen. Ebender-
selbe Grund aber kann auch für C gelten, und D ist keines-
wegs mit solcher Gewissheit aus der Reihe der Parisurtheile zu
streichen.
Wir bleiben Beim Parisurtheil ; unter Berufung auf Lucian, der
den Paris mit den drei Göttinnen einzeln verhandeln lässt, hat man
den Paris mit einer Göttin allein nachweisen zu können geglaubt.
Es sei eine leicht zu begreifende Modification der ursprünglichen
Erzählung, dass in irgend einer nachepischen Poesie die Göttinnen
einzeln mit Paris unterhandelten und ihm ihre Versprechungen machten.
Die Erzählung konnte freilich die Göttinnen nach einander auftreten
lassen; aber selbst wenn Stasinos schon so gedichtet hätte, die Kunst
würde unzweifelhaft den Wettstreit durch Zusammenstellung der
Streitenden anschaulich gemacht haben. Um so weniger wird man der
Annahme einer Quelle, die nicht epischer oder dramatischer Art war,
rechten Glauben schenken; und es lässt sich denn auch kein Vasen-
bild nachweisen, in dem bloss eine Göttin mit Paris zusammen ist.
Overb. 253, 116. Neapel 3161 ist von Heydemann auf Orpheus,
vor dem eine Thrakerin steht, gedeutet worden. Wie man jedoch
über diese wie über die vielen anderen Erklärungen, welche Heyde-
') Vgl. Heydemann Arch. Zeit. 1873 \\ 18, woselbst zwei der ge-
gebenen Beispiele aufgezählt sind.
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572 H. Lackenbach:
. maim anführt, denken mag; Athena ist es sicher nicht^ die, hier vor
dem Jünglinge steht, nnd ans Parisurtheil darf nicht gedacht
werden.
In dem zweiten Vasenbilde Overb. 253, 115 redet Hermes eifrig
zu einem Jünglinge in i^rjgischer Tracht, der in der Linken ein
Scepter, in der Rechten ein Schwert hftlt. Hermes weist dabei auf
die hinter dem Phryger stehende Fran, die durch hohen Polos, durch
Sohleier und Scepter ausgezeichnet ist. Man hat sie bald Hera (so
Jahn buU. 1842 p. 26) bald Aphrodite (so Stephani a. 0. p. 12) ge-
nannt; in dem Jünglinge will man den Paris erkennen. Will man
bei der Deutung bleiben, so braucht man keine verachiedene Ywsion
anzunehmen, lek würde dann hier weniger eine Auslassung con-
statiren als yielmehr annehmen, dass gewissermassen der Kern des
Ganzen herausgeschfilt ist: Paris, zu dem Hermes für Aphrodite
spricht. An Hera zu denken würde dann nicht möglich sein. Stephani
will das Bild auf einen früheren Moment bezicfhen, in welchem
Aphrodite den troischen Eönigssohn für sich zu gewinnen sucht
Eine solche Annahme scheint mir verfehlt, da dieselbe weder in der
Sage einen Anhalt findet, noch auch eine solche Wendung sich leicht
für den Maler eigab. üeberhaupt aber halte ich dafür, dass auch
bei diesem Bilde der Gedanke an das Parisurtheil angegeben wer-
den muss. Wenn man sich auf ein Wandgemälde Orerb. 254 , 117
^beruft; in dem Athena einem Jünglinge eine Tänie hinhSlt, so bedarf
dieses Bild selbst einer sicheren Erklärung, die mir durch das Paris-
urtheil nicht gegeben zu sein scheint. Die Spiegel (Overb. 254,
118—120) lasse ich unberücksichtigt, da durch sie die Yasenbilder
keine Aufklärung erhalten.
9. IL AlezandriniMdie Poeaio.
Zuerst darauf aufoxerksam gemacht zu haben, welcher grosse
unterschied zwischen den späteren Vasenbildem und der Poesie der
Alexandriner besteht, ist das Verdienst von Furtwängler.^) Bis
jetzt ist eine Einwirkung der alexandrinischen Poesie noch in keinem
sicheren Falle nachgewiesen. Es muss daher auch jede Deutung,
die sich auf die Dichtungen dieser Epoche stützt, einer sorgfUtigen
Prüfung unterzogen werden. Es ist gewiss nicht zu übersehen, dass
eine Anzahl von Scenen, die erst später, wahrscheinlich in der alexan-
drinischen Epoche, ausgebildet wurden, sich in der Vasenmalerei
nicht finden. Dahin gehört z. B. die Abholung des Achilleus von
Skjros (Overb. p. 287), der SchOnheitsapfel, den Eris unter die
Göttinnen bei der Hochzeit des Peleus warf, wovon später noch die
Rede sein wird, Thetis, die den kleinen Achilleus im Stjx badet
(Overb. p. 282. XIV, 3), und endlich das Liebesverhältniss von Paris
zur Oinone. Freilich hat man gerade Oinone in mehreren Vasen-
^) Eros in der Vasenmalerei p. 81 ff.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 573
bildem erkeimeii wollen, die aber, einer genauen Prüfang unter-
worfen, nnr das fkduriheil bestftt^n, dass die alezandrin. Poesie
ohne Emwirknng auf die Yasenmalerei geblieben ist. Besonders war
es Jahn, der (arch. Beitr* p. 336 ff.) in m^ireren Bildwerken euie
weibliche Figur für Oinone erklärte, and Heibig (Aroh. Zeit 186*6
p. 181) hftlt es fBa eine atisgenmchte Thatsache. Die Bildwerke, die
in Betracht kommen, sind folgende:
Overb. 226, 58 » Welcker, alte Denkm. Y p. 366 ff. Hr. 60.
Die Mittelgrnppe, welche das Parisnrtheil vorführt, wird umgeben
auf der einen Seite von 'einem bärtigen Manne in reicher phrygüioher
Tracht, in dem man wohl mit Becht den Priamos erkannt hat, auf
der anderen von einer Frau, die einen Stab mit der Rechten aufstützt.
Schon Oyerbeck hat sich gegen die Deutung auf Oinone erklärt
(p. 226 f. vgl. ebdst. Anm. 3); er betrachtet sie als Begleiterin der
Aphrodite oder glaubt, sie sei nur zur Baumausfttllnng vorhanden.
Oinone erk^onen zu wollen, fehlt jeder Anhalt; mir scheint dem
Priamos entsprechend Hekabe dargestellt zu sein, für die auch das
Softer — denn anders soll der Stab nichts vorstellen — passend ist.
Overb. 232, 66 » Welcker Nr. 65. In ein^ Person hat
Gerhard (apuL YasenK p. 23) Oinone zu erkennen geglaubt. Bcireits
Jahn a. 0. p. 339 hat sidi dagegen auBgesprocÜMn.
Overb. 229, 61 »- Welcker Nr. 66. Diese Darstellung, in
der JAhn a. O.p. 339 Oinone erkennen wollte, ist von Brunn (Troische
Mise. p. 49 ff.) endgültig aus der Beihe der Pariaurtheile ausge-
schieden worden.
Ebenso ist zu streichen J^Uie eSrcm. H, 35, von Jahn p. 339
erwähnt, da die Frau mit der Lanae nicht Atineua, der JüngUi^ niekt
Paris sein kann.
Auch kann ich mich nicht entechliessen, in der Neapler Yase
Nr. 1770 das Parisurtheil anzuerkennen; jedein£allB i6t der Qedanke
an Oinone, an die Heydemann erinnert, zu verwerfen.
Passeri 1, 16.D'HancarvelleIY, 24. Millingen, vnaea diverses 43.
Pistolesi, Vaüc. III, 99 c. Zuerst hat Welcker a. 0« p. 437 das Bild
auf Alezandros gedeutet, den Aphrodite zur Abfahrt treibt; die oben
sitzende Figur soll Peitho sein. Eine Deutung^ die Welcker verwarf,
hat Brunn, Troische Mise. p. 61 von neu^u zur Qeltung bringen
wollen. Di6 von Welcker Peitho benannte ist fOr ihn Aphrodite;
diejenige, die sich an den Paris wendet, -eoll Oinone sein, und an
Paris ihre ernsten Ermahnungen richten. Diese Deutong entbehrt
jeder Stütze und darf deswegen nicht angenommen werden; dagegen
steht niekis im Wege, in den beiden Frauen Aphrodite und Peitho
zu erkennen. Ob jedoch ans Parisurtheil gedacht werden darf, er-
scheint mir mehr als problematisch.
So lange wie sich nicht mit Sicherheit einmal Oinone nachweisen
lässt, darf man eine Person, die mit diesem Namen zu benennen der
Darstellung nach möglich wttre, für Oinone nicht in Anspruch nehmen.
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574 H. Lackenbach:
Andererseits lässt ihr Fehlen sich dafür geltend machen, dasd Oinoue
in den K3rprien nicht erwähnt wurde, was Welcker, ep. Cyel. II, p. 92
unentschieden lässt. Jedenfalls muss als Grundsatz festgehalten
werden, dass die alezandrinische Poesie keinen Einfinss auf die
Mythen in Vasenbildem gehabt hat. Wohl zeigt sich in sp&terer
Zeit manches, was die frühere Kunst nicht dargestellt hätte. Wenn
Pelens die Thetis beim Bade Überrascht, den Paris Eros, Pothoa und
Himeros umschweben, überhaupt vieles mehr sinnlich ausgemalt
wird, so ist der Einfluss der Zeit wahrzunehmen, die auch die Vasen-
malerei umschuf; einen directen Einfluss >on fremder Poesie anzu-
nehmen, wird man nicht ohne die gewichtigsten Gründe wagen dürfen.
§. 12. Lokälsage.
In den Vasenbildem des troischen Sagenkreises hat man bis
jetzt noch kein Vasenbild nachweisen können, das sich auf Lokal-
sage gründet. Es scheint doch die Wucht des Epos und sein Ein-
fluss so gross gewesen zu sein, dass lokale Mythen verschwanden.
Wohl tritt mit dem Beginn der rfgn. Technik die Hervorhebung
attischer Sagen ein. Demophon und Athamas finden ihre Matter
Aithra wieder; und oftmals sind es gerade athenische Helden, die
uns auf den Vasen entgegentreten; aber hier kann von lokalen
Versionen keine Bede sein. Wenn in einer Vase^ die den Aoszug
des Achilleus vorführt^), Menestheus auftritt, so zeigt sich deutlich
das Streben der Athener, ihre Helden in den Vordergrund zu drängen.
Wenn in Strongylions ,,hölzernem Pferde^' Menestheus, Akamas,
Demophon und Teukros (Aias war damals schon todt), also attische
und Salaminische Helden, hervorschauten (Paus. I, 23, 8), so liegt
hier keine lokale Tradition vor. Dagegen haben wir dieselbe anzuer-
kennen z. B. im Banbe der Oreithyia durch Boreas, der nach zwei
Versionen zur Darstellung gebracht wird. Bald raubt Boreas die
Oreithyia, da sie Blumen sammelt, bald da sie zum Brunnen geht,
Wasser zu holen. Aber hier war keine Sage, die von einer anderen
etwa schon im Epos besungenen abwich; sie stand nicht unter dem
Drucke,* den eben das Epos ausgeübt zu haben scheint In Attika
gab es bestimmt ausgeprägte Sagen über das Palladion; man wnsste
zu erzählen, wie in Attika Akamas oder Demophon diae Palladion
an sich gebracht hatten^; aber in der Vasenmalerei findet sich dies
nicht Freilich will Jahn den Doppelpalladienranb, der mehr&ch
dargestellt ist, durch Lokalsage erklären, aber, wie mir scheint, kann
seine Deutung nicht genügen: vielmehr muss in den betreffenden
Bildwerken eine bestimmte Tradition zu Grunde liegen , die zu er-
') Gerhard, etr. u. camp. Vas. 18. — •) Vgl. z. B. Paus. I, 2«, d.
PoUux VIII, 118. Eustath. Odyssee a 1419. Harpokration und Snidu
8. v. ^l iraWaMip. Clemens Alexandr., Protr. IV, 47 Sylb.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. Qed. d. ep. Eyklos. 575
keimen uns freilich wegen der Lttckenhaftigkeit der literar. üeber-
lieferong nicht möglich ist. Ich zweifle nicht, dass die in Bede stehen-
den Bildwerke auf ein Drama zurückgehen, da das Epos eine andere
Version hatte. Wir werden später darauf zurückkommen.
Soweit wir den ganzen Stoff mit seinen Quellen überblicken
können, bietet sich nur das Epos und die Tragödie dar; von einer
Einwirkung der lyrischen, der alexandrinischen Poesie, einer Aus-
prägung von Lokalsagen kann erst dann die Bede sein, wenn ein-
mal ein einziges sicheres Beispiel vorgeführt sein wird: so lange je-
doch müssen wir auch darauf Verzicht leisten, ein Vasenbild durch
die fraglichen Arten der Poesie und durch Annahme lokaler Tradi-
tion zu erklären.
m. Vasenbilder, deren epische dnellen nur in Bneh-
stfteken enthalten sind.
Haben wir, meist auf Vasenbildem, die uns Mythen der Ilias
und Odyssee darstellen, fussend, gefunden, dass die Mythengestaltung
auf Vasenbildem nur von den Epikern und ^Dramatikem ausgeht,
dass die Anlehnung an die Poesie meist nur in der Hauptsache statt-
findet, dass in allem Nebensächlichen die Maler nach Gutdünken
handeln, besonders auch, indem sie Sitten ihrer Zeit einmengen und
auf die Heroenzeit übertragen, so wollen wir jetzt die Bildwerke zu
den übrigen Epen betrachten und zusehen, wie weit dieselben uns
bei der Ergänzung der schriftlichen Quellen dienen können; und ob
sie irgendwo den von uns aufgestellten Principien widersprechen.
Wenn manchmal entgegenstehende Ansichten kurz zurückgewiesen
werden, so geschieht dies von dem Standpunkte aus, auf den die vor-
hin betrachteten Vasen jeden Unbefangenen fahren müssen.
Es kann auch hier nicht in unserer Absicht liegen, alle Bild-
werke zu besprechen, sondern nur diejenigen, die für unsere Frage
besonders ins Gewicht fallen. Dabei bin ich mir bewusst, mit Ab-
sicht keine schwierigere Frage bei Seite geschoben zu haben. Die
Anordnung der einzelnen Bildwerke wird eine lose sein; wir werden
dieselben innerhalb der einzelnen Epen nach der Beihenfolge der That-
sachen aufeinander folgen lassen.
t. 18. Die Kypridn.
Peleus und Thetis.
Nicht weniger als 46 Vasenbüder führt Overbeck p. 174 — 201
Nr. 1—4. 6 — 47 zu dem Bingkampf und der Hochzeit des Peleus
und der Thetis an.
Zunächst einige Berichtigungen und Ergänzungen zu den von
Overbeck aufgezählten Bildern:
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576 H. Lackenbach:
Nr. 3 — München 807
Nr. 14 «= „ 6630
Nr, 16 = „ 380
Nr. 16 «- „ 767(?)
Nr, 17 = „ 601
Nr. 18 = „ 1166
Nr. 20 = „ 460
Nr. 21 = ;. 1112
Nr. 23 = Bonlezy voßes de Leyde pl 12
Nr. 24 «» MDnohen 638
Nr, 28 — Benndorf, Gr. u. Sic. Vasenb. XXXII, 4a p. 61—63.
Collignon 406
Nr. 31 == München 331
Nr. 36 = Neapel 2421
Nr. 86 «= „ 2688
Nr. 47 = Conze Vorlegebl. H, 1. 2.
Nr. 4 ist von Jahn Arch. Zeit. 1863 p. 146 ff. auf Telephos nnd
Auge gedeutet; jedeoftUs bezieht es sich nicht auf Peleus
und Thetis.
Nr. 11 und 19 sollen sieh nach Oyerbeok in Münohen befinden,
sind jedoch in Jahns Katalog nicht verzeichnet.
Ob alle die Vasen, in denen die Jung&au nicht von Thiaren
oder den Elementen unterstützt wird, oder andere ümstSnde über
die Darstellung keinen Zweifel aofkonunen lassen, mit fiecht anf
Peleue und Thetts bezogen werden, ist nicht leicht zu entaeheiden.
Manchen mögen andere Mythen zu Orunde liegen; andere sind viel-
leicht gar nicht bestimmt zu deuten, sondern ganz allgemeiner Art
und zum Genre herabgestimmt. Diese Vasen (Overb. Nr. 16 — 22.
39. 40. 43) können daher sieht berücksichtigt werden*^
Hinzuzufügen sind etwa folgende:
A. Sditmrzfigurige Vasen.
München 133. 486.
Varvakeion 684. 1199, von Collignon p. 80 erwfthnt.
GoUignon 328.
Collignon 329 abgeb. Heydemann, 6r. Vas. VI, 1.
Heydemann ebdst. VI, 2. 3.
BuU, 1869 p. 133 (bis)
Neapel 2636.
>) Die Besohreibnng der Vaae ist bei Orexbeck sehr ongenan. Die
IdentiiAt wird jedoch unzweifelhaft durch die gleiche Anzahl der Per-
sonen, sowie durch die Anwesenheit des Nereas, der sich nur noch zwei-
mal in sfgn. Vasen zeigt. — *) Ebensowenig wie die 8f|gn. Petersburg 42.
115. Neapel 2449. 2788. RC. 205 und die rfgn. Overb. XXXI, 2 (vgL
Arch. Zeit. 1870 p. 82). Arch. Zeit 1878 Taf. 12 (Ins).
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Yerh. d. gr. Yaaenbilder s. d. Ged. d. ep. Ejkloa. 577
Neapel BC. 207, abgeb. BvM. Nap. N. 8. V, 10, 12. Piorelli,
vaai Cum. IX, 1.
B. Boihfigttrige Vaaen,
Petersburg 1527
München 369. Conze, Vorlegebl. VH, 2
Journal of phüology 1877 Taf. A, p. 215 ff., erwähnt auch Arch.
Anz. 1866 p. 203* und CommenkU. in hon. Th. Mommseni
p. 171, 30
Newton Üie fine aris quarterly review 1864 Taf. ü, p. 1 f. Conze,
Vorlegebl. II, 6, 2.
Für Peleus und Thetis liegt eine meines Erachtens nicht eben
glückliche Arbeit aus den letzten Jahren von SchHe^) vor, der gerade
mit Bezug auf das Epos diese Sage behandelt hat. Auf p. 44 f.
stellt er die Züge zusammen, die er den Ejprien entnommen glaubt
Indem wii* möglichst von einer Behandlung der Bildwerke im Einzelnen,
absehen, wollen wir die einzelnen Punkte der Reihe nach betrachten.
Dass überhaupt der Kampf des Peleus mit der Thetis in den
Ejprien beschrieben war, wird uns von Proklos nicht überliefert,
und Welcker glaubte, dass derselbe nicht behandelt worden sei.
Overbeck und Schlie sind anderer Meinung, wie ich glaube, mit
vollem Rechte. Ein Dichter wie Stasinos, der überall möglichst weit
ausholt, der immer die Oenesis einer Thatsache beschreibt, konnte
unmöglich, wenn er die Hochzeit des Peleus schilderte, die Art über-
gehen, in der Peleus sich seine Braut errang. Mag die Schilderung
noch so kurz gewesen sein, ganz fehlen durfte sie nicht. Dafür
spricht auch die grosse Anzahl der Bildwerke aus der archaischen
Periode.
Gehen wir- also auf die Yoraussetzung Overbecks und Schlies
ein und sehen zu, welche Züge schon im Epos vorgebildet zu sein
scheinen.
Der Ort des Liebeskampfes.
Ohne jegliche Andeutung auf Yasenbildem, auch ohne schrift-
liche Tradition würden wir als den Ort des Liebeskampfes das Qe-
stade des Meeres ansehen; für die Meemymphe Thetis ist dieser
Ort der weitaus wahrscheinlichste. So wird uns denn auch von
Herodot VII, 191 und dem Scholiasten zu Apollonios I, 582 das
Sepiasgestade angegeben als der Ort, an dem Peleus sich die Thetis
geraubt habe. Indessen zeigt ein Blick auf diese Stellen, dass sie
schwerlich etwas anderes als eine Lokalsage wiedergeben, die an
ein Heiligthum der Thetis und der Nereiden sich anschloss. Auch
die ErwKhnung des Scholiasten, dass Thetis sich in eine Sepia ver
') Zu den Kyprien. Programm des Gymnasiums zu Waren 1874.
Jahrb. 1 oImi. PhUol. Buppl. Bd. XL 87
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578 H. Lackenbaoh:
wandelt habei nm dem Peleus zu entgehen, ist so einzig , dass sie
nur Lokalsage oder yielleicht sogar Gelehrtenerfindnng ist, die den
Sepiasstrand in nähere Beziehung zur Göttin bringen wollte. Mehr
als gewagt würde es sein, dem Dichter der Eyprien auch den Sepias-
strand zuschreiben zu wollen. Nnr einmal Conze, Vorlegebl. U, 6, 2
finden wir den Meeresstrand gemalt, in einer späten Vase, die uns
den Peleus zeigt, wie er die badende Thetis überrascht hat. Zu
dieser Darstellung war natürlich der Meeresstrand oder doch wenig-
stens Wasser erforderlich. Ob der Maler an den Sepiasstrand ge-
dacht habe, meint Schlie p. 15, lasse sich natürlich nicht sagen; ich
glaube, dass dem Maler nichts femer gelegen hat als ein solcher
Gedanke. Auf anderen Vasen sind Eorallenstöcke, Delphine und
Seethiere hinzugefügt: natürlich, wo eine Meergöttin ringt; wo Nereus
und seine Töchter oftmals zugegen sind, da waren auch diese Dinge
passend angebracht; jedoch erlauben die Bilder nicht einen Schluss
aufs Epos zu machen, obwohl an und für sich ja hohe Wahrschein-
lichkeit herrscht, dass Thetis am Gestade des Meeres überfiedlen
wurde.
Die Verwandlungen.
Voran stelle ich auch hier die Zeugnisse der Schriftsteller.
Ohne Werth ist für unseren Zweck das schon erwähnte Zeugniss
des Scholiasten zu ApoUonios I, 582, der eine Metamorphose in
eine Sepia kennt. Unser ältester Gewährsmann ist hier wie so oft
Pindar: N. 4, 62 nennt er das Feuer und den Löwen als Gegner
des Peleus. Von Sophokles führt uns der Scholiast zu Pindar N. 3, 60
die Verse an:
t(c T<ip M€ JJlÖXÖOC OÖK d7T€CT(iT€i;
X^uiv öpdKUJV T€y irOpy uöiup (Soph. fr. 163).
Apollodor in, 13, 5 lässt die Thetis sich in Feuer, Wasser und in
ein Qripiov verwandeln. Der Scholiast zu Pindar N. 4, 62 nennt das
Feuer, den Löwen und verschiedene Gestalten (bidq)opoi ib^ai) und
N. 3, 60 das Feuer und Thiere (Giipia). Das Feuer wird also von
allen erwähnt; -das Wasser von Sophokles und Apollodor; der
Löwe von Pindar, Sophokles und dem Scholiasten zu Pindar; den
Drachen (die Schlange) nennt nur Sophokles. Die Ausdrücke
Oiipiov, dripia, bidq)opoi ib^ai können natürlich vieles einschliesseo.
Endlich erwähne ich noch die Verse des Sophokles, die uns der
Scholiast zu Pindar N. 3, 60 aufbewahrt hat: Kai Coq)OKXf)c cpT)OV
^v Tpu)iX()i:
?Til^i€V UJC finiMtv dqpeÖTTOuc TdjJiouc
Tfl 7TaVTa|JlÖp<pi}J 6^Tlbl CUjLlTTXaKeiC 1T0T€.
Gerhard (AV. U, p. 107, 86) liest hier iT€VTd|jiopcpoc; ohne Gnmd
wie ich glaube. Denn die überlieferte Lesart ist ganz unverdächtig,
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Yerh. d. gr. Yasenbilder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 579
und für eine Verwandlung in fünf verschiedene Gestalten spricht
nichts: an einer anderen Stelle nennt Sophokles selbst nur vier Ge-
stalten, und diese vier scheinen auch den wesentlichsten Bestand-
theil der Sage ansgemacht zu haben.
In den Yasenbildem ist die Verwandlung in Feuer in zwei
sfgn. Vasen angedeutet (Overb. Nr. 15 und Neapel EC. 207).
Ob jemals die Verwandlung in Wasser auf Vasenbildem aus-
gedrückt ist, erscheint mehr denn zweifelhaft. Die Schwierigkeit,
den Peleus mit dem Wasser ringend darzustellen oder das Wasser
als Helferin der Thetis zu zeigen, leuchtet von selbst ein.^) Ein
Delphin, hat man geglaubt, solle in einigen Vasen das Wasser ver-
treten: allein dieser Delphin ist nirgends als Angreifer zu erkennen:
er bezeichnet, wenn man will, das Lokal oder gehört eben zur
Nereide und zeigt uns dieselbe als Meergöttin (Overb. Nr. 29*
Collignon 406). In einer anderen, rfgn. Vase (Overb. Nr. 37) soll
der Maler das Wasser durch einen Regenbogen angedeutet haben:
denn für einen solchen haben die Herausgeber den Gegenstand, der
sich über Peleus und Thetis erhebt, gehalten. Allein die Deutung
ist nicht ohne Schwierigkeit. Nach der Abbildung scheinen aller-
dings eine Nereide den Gegenstand anzustaunen, Eros, der Begleiter
der Aphrodite, und auch Thetis selbst ihn mit Verwunderung zu
betrachten. Indess wollte der Künstler das Wasser damit andeuten,
wozu dann die Verwunderung? war die Metamorphose in Wasser
für Meemymphen wunderbarer, als die in Schlange, Löwe, Feuer?
Endlich aber würde wohl der Künstler so einen Regenbogen dar-
gestellt haben mit den Farben weiss, schwarz, gelb? Die Sache ist
keineswegs sicher. Mir scheint vielmehr der vermeintliche Regen-
bogen ein Theil des Gewandes zu sein, das sich nach beliebter
Manier bogenförmig über dem Haupte der Thetis wölbt'), wie denn
überhaupt der Maler unnatürliche Falten nicht allein auch sonst im
Gewände der Thetis sondern vor allem auch in der Chlamjs des
zwischen Peleus und Cheiron stehenden Mannes angebracht hat.
Die Schlange findet sich in Vasenbildem aller Stile; statt
einer Schiauge begegnen uns deren auch zwei und einmal sogar drei.
Auch der Löwe findet sich in Vasenbildem aller Stile. Bis-
weilen kann man zweifelhaft sein, ob man einen Löwen oder ein
anderes Raubthier, einen Panther oder Tiger, zu erkennen hat; oft-
mals dagegen ist es deutlich^), dass der Künstler keinen Löwen
darstellen wollte. Zwei Panther sind in Nr. 15.
Femer wird Thetis unterstützt von einem Seedrachen, jedoch
*) Gerhard, AV. U^ 112 umsibt den Nereus, mit dem Herakles ringt,
Wasser, nicht bloss um ihn als Meergott zu bezeichnen, sondern um
ihm beizustehen. — *) Vgl. Jahn, SntfQhnmg der Europa, Tar. la
(» Neapel 8249). Overb. XXVIII, 1. — ") Durch die Art der Dar-
stellung, ob en face oder en proß. Vgl. Conze, Insehi des thrakischen
Meeres p. 9.
Di^L*dby Google
580 H. Laokenbaoh:
nnr in yier rfgn. Yasenbildem. Auf Nr. 3 findet sich neben dem
Seedrachen ein Hund. Endlich sehen wir auf zwei Vasen eigenthüm-
liche ungeheuer. Neapel 253Ö zeigt ein Thier mit Löwenkopf und
Fischschwanz; auf der anderen Vase, Collignon 329, hilft der Thetis
ausser einer Schlange ein Löwe mit sehr zugespitzter Schnauze, aus
dessen Eopfe ein Hom hervorspringt.
Beliebig sind die Thiergestalten mit eintmder in Verbindung
gesetzt: Feuer, Löwe und Schlange finden sich vereinigt Neapel 2?C
207. Die Verbindungen von Löwe und Schlange, von Schlange und
Tiger u. s. w. haben alle ihre Beispiele.^) Conze 11, 6 sind auf dem-
selben Bilde Schlange und Seedrache. Nur eine Ausnahme ist zu
machen: auf keiner Vase findet sich ein Löwe neben einem Panther
oder Tiger, und darin ist man versucht doch nicht blossen Zufall
zu erkennen.
Suchen wir nun aus diesen Thatsachen die Gestalten zn er-
mitteln, die sich als Kern der Sage ergeben, so hat Schlie p. 44
folgendes Besultat gezogen: „Ein gewaltiger Ringkampf beginnt
zwischen der Göttin und dem sterblichen Manne, dem die Verwand-
lungen der ersteren in Feuer und in die Gestalten eines Löwen,
Panthers, Drachen und selbst in die eines flüchtigen Vogels nicht
zu wehren vermögen'^
Um mit dem flüchtigen Vogel zu beginnen — denn von ihm
war bisher keine Bede — , muss das rfge. Vasenbild Nr. 36 einen
^) Löwe findet eich allein:
sfg. Nr. 6. 7. 8. 14. München 133.
rfg. Nr. 26. 27. 31. 32. 33. München 369.
SchlanffO findet sich allein:
sfg. Nr. 9. 10. München 486. Collignon 888. Heydemann, Gr.
Vas. VI, 3.
rfg. Nr. 28. 36. 37.
Löwe und Schlai^e:
sfg. Neapel jBu.*207 (dazu noch Feuer). Collignon 329. Var-
vakeion 584. 1199.
rfff. Nr. 25. 29. 38. (In 25 drei Schlangen.)
Panther oder l^er allein:
rfg. Petersburff 1527.
Panmer und Scmange:
sfg. Nr. 11. 12. 13. Heydemann, Or. Vas. VI, 2 (zwei Schlangen).
rfg. Nr. 34 (zwei Schlangen).
Zwei Panther und Feuer:
Bfg. 15.
Seedrache allein:
rfg. Conze II, 6, 2.
Seedrache und Schlange:
rfg. Journal of ph. 1877 Taf. A.
Seedrache und Löwe:
rfg. Nr. 38.
Seedrache, Schlange und Hund:
rfg. Nr. 3.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. EykloB. 581
Augenblick unsere Au&nerksamkeit in Anspruch nehmen. Peleus
ringt mit Theiis; eine Schlange hat sich in seinen Oberschenkel
festgebissen; femer aber sind die bisherigen Herausgeber (0 ver-
beck p. 188 f. Schlie p. 21) durch Flügel, die Thetis am Haupte
trägt und durch das Blatt einer Wasserpflanze an die Verse des
Ovid met, XI, 243 f. erinnert worden :
sed modo tu vducris, volucrem tarnen ille tenebat
nunc gravis arbor eras: haerebat in arhore Peleus,
Die Eopfflügel der Thetis sollen die Verwandlung in einen
Vogel anzeigen. Durch das Blatt wird Overbeck an den Baum
erinnert, an den sich Thetis bei Ovid verwandelt, während nach
Schlie a. 0. Anm. 4 dasselbe ^,ihre Natur als eine dem Meer ange-
hörende Nereide'^ bezeichnen soUL Zunächst lehrt nun aber genaues
Zusehen, dass das Blatt der Wasserpflanze keine andere Bedeutung
hat, als uns anzuzeigen, bei welcher Beschäftigung Peleus die Thetis
überraschte. Zwei ihrer Schwestern tragen ähnliche Blumenstengel
in Händen, eine dritte hat denselben in der Bestürzung fallen lassen.
Da sie Blumen sammelten also, hat sie Peleus gestört und zum
Zeichen dessen das Blatt neben der Thetis.^)
Weiter aber, wie steht es mit der Wandelung in den Vogel?
Gäben wir zu, dass diese Bedeutung die Flügel auf dem Haupte der
Thetis hätten, wo haben wir die Gewähr, dass dieser Zug im Epos
war? Ich erinnere an die verwandelten Odjsseusgefährten, die der
Maler als ganz beliebige Thiere darstellte. Und hier würde nur ein
einziges rfgs. Vasenbild den Vogel zeigen. Wäre noch eine ältere
üeberlieferung als Ovid vorhanden, die die Behauptung stützen
könnte, so wäre sie nicht ohne weiteres zu verwerfen. Damit wird
zugleich die Bedeutung der Flügelchen in Frage gestellt: können sie
wirklich die Andeutung des Vogels geben? Man wird mich an lo
erinnern, die als Euh nur durch 2 Hörnchen bezeichnet wird (z. B.
Neapel 2922. BuU, Nap. IIL Taf. 4). Allein Hörner sind kein
Weiberschmuck, Flügelchen wohl. Denn zunächst scheinen mir die-
selben nicht mit der Thetis verwachsen zu sein, sondern lediglich
eine Zierde des Stirnbandes zu bilden. Freilich sagt Heydemann
im Kataloge p. 359 : *sie trägt . . . auf dem Kopf eine Stephane,
über der auf der Stirn zwei kleine Flügel sichtbar werden'. Die
Abbildung lehrt indess, dass die Flügel nicht getrennt sind von der
Stephane ; und die Frage ist unabweisbar, ob wir nicht vielmehr
einen Schmuck derselben zu erkennen haben. Statt der Zacken,
die am Stimbande einiger anderer Nereiden sichtbar sind, trägt
Thetis einen vornehmeren Schmuck, der nicht mehr auffEillen darf
wie z. B. Seitenflügel am Helme der Athena (Neapel 1924. 1975.
^) Wie das Blatt angebracht war, läset der Zustand der Vase nicht
mehr erkennen.
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582 H. Lnckenbach:
2133) oder anderer Personen (Neapel 3017. 3242. Conze, Vor-
legebl. in, 4, 1). Man vgL femer Overb. XXII, 8, wo Athena auf
ihrer Stimbinde 2 Flügelrosse trägt. Will man aber durchaas den
Flügelchen Bedeutung zulegen, so mag die Flüchtigkeit und Beweg-
lichkeit der Thetis, ihre Fähigkeit; sich zu verwandeln, darin aus-
gedrückt sein.^) Auf jeden Fall gestattet dies Vasenbild keinen
Bückschluss aufs Epos.
Femer war nach Schlie die Wandelung in einen Panther im
Epos. Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass merkwürdiger
Weise niemals Polens von einem Löwen und Panther zugleich an«
gefallen wird; dass oftmals eine genügende Scheidung zwischien Löwe
und Panther nicht ermöglicht ist: endlich aber haben wir keine
schriftliche üeberliefemng, die den Panther erwähnt Es ergibt sich
hieraus, dass der Panther wohl nur eine Abart des Löwen ist und
diesen in manchen Vasenbildern vertritt.
Weiterhin wurde das Feuer von allen obenerwähnten Autoren
genannt; und wenigstens zwei Vasenbilder alten Stils stimmten damit
überein.
Auch die Gestalt des Drachen oder, was dasselbe sagen will,
der Schlange nimmt Thetis nach Sophokles an. Da viele Vasen-
bilder uns dies vor Augen führen und schon auf der Eypseloslade
von der Hand der Thetis eine Schlange sich dem Peleus entgegen
bewegte (Paus. V, 18, 1) , so ist das Epos in sicherer Weise zu er-
gänzen. Dagegen ist der Seedrache, der verhältnissmässig selten
und nur in rfgn. Vasenbildern vorkommt, zu einer Zeit also, die diese
Ungeheuer sehr liebte, auftaucht, unbedenklich der Erfindung der
späteren Vasenmaler zuzuschreiben.
Ueber andere Thiere, wie den Hund und die merkwürdigen
üngethüme, die wenigstens halb aus einem Löwen bestehen, gehe
ich hinweg, indem ich kurz auf die Odyssee verweise und das Vasen-
bild, welches uns die Geföhrten des Odysseus mit den Köpfen von
Eseln, Schwänen u. s. w. zeigt.
Als Bestand der alten Sage ergibt sich also das, was wir schon
vorher aus den schriftlichen Nachrichten wussten: Thetis sucht sich
zu vertheidigen in den Gestalten des Feuers^ des Löwen, der
Schlange (= des Drachen) und, wie Sophokles und Apollodor lehren,
des Wassers.
Nur gering sind die Abweichungen, die sich die Vasenmaler
erlaubt haben : und eben dieser Umstand scheint eine feste Normirung
der Verwandlungen vorauszusetzen; es ist dies das Gewichtigste, was
sich aus den Vasen für eine Schilderung der Begebenheiten im Epos
geltend machen lässt.
') Thetis geflügelt an den Schultern und insohrifÜich besengt auf
drei etruBkischen Spiegeln, Gerhard 886. 387. 396.
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Yerh. d. gr. Vasenbüder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 583
Anwesenheit des Cheiron.
Auf mehreren Vasen ist Cheiron gegenwärtig, der treue Freund
des Peleus, den die Sage mit dessen Familie enge verknüpft hat.
Er erscheint in den sfgn. Vasen Nro. 15. 23. 24. CoUignon 328;
feiner in den rfg. Nro. 3. 34. 36. 36. 37. In Nro. 15, glaubt Schlie,
sei derselbe damit beschäftigt, den Feleus von einem Panther zu be-
freien. Möglich wäre es, dass er den einen Fuss des Panthers von
Peleus loszureissen versucht, wahrscheinlich keineswegs. Hätte der
Künstler die Hülfe des Cheiron andeuten wollen, so konnte er das
doch gewiss besser thun, als auf eine so zweideutige Weise. Ledig-
lich der Raummangel veranlasste den Vasenmaler, ihn so nahe an
die Mittelgruppe heranzustellen. Niemanden^ der die Bildwerke zur
Ilias und Odyssee durchmustert, wird die Anwesenheit des Cheiron
befremden. Er weiss, wie gern und wie oft Figuren, die in Beziehung
zu den Handelnden stehen, hinzugefügt werden. Ich erwähne nur,
dass Eumaios bei der Fusswaschung des Odysseus hinter demselben
stand, dass* einmal^) beim Versuche des Nessos, die Deianeira zu
rauben, ihr Vater Oineus zugegen ist, dass endlich auf der Eypselos-
lade, da Hephaistos der Thetis die Waffen überreicht, mehrere Nere-
iden auf Zweigespannen und der Kentaur Cheiron zuschauten (Paus.
V, 19, 8). Fürs Epos kann die Anwesenheit des Cheiron nichts
weiteres lehren, als dass er in Beziehung zu Peleus stand; und dies
ist uns auch anderweitig überliefert. Verfehlt ist demnach der
Schluss, den Schlie aufs Epos p. 44 macht: „Peleus überfällt in Be-
gleitung seines Freundes Cheiron, der ihn mit Rath und vielleicht
auch mit der That unterstützt, die Nereide Thetis".
Ist Zeus gegenwärtig?
Auf einigen Vasenbildem (Nro. 36. 44) ist Schlie (p. 21 f.,
3 9 f.) sehr geneigt, den Zeus zu erkennen. Die Person, um die es
sich handelt, ist beide Male bärtig, mit einem Kranze geschmückt,
in der Linken das Scepter. In 36 fliehen zu ihm einige der Nereiden;
in ruhiger Würde erhebt er die Rechte, um sie zu beruhigen und
ihnen den WiUen des Schicksals mitzutheilen. Andere der Nereiden
flüchten zu einem ebenfalls bekränzten bärtigen Manne, dessen Leib
in einen langen Fischschwanz endet Zuerst hat Heydemann (Neapler
Katalog) die beiden Männer Zeus und Nereus genannt, und zweifelnd
schliesst sich ihm Schlie an. Es lässt sich nicht leugnen, dass Hal-
tung und Figur recht wohl dem Zeus zukämen.
Ganz zu verwerfen aber ist dieselbe Vermuthung Schlies für
Nro. 44. Hier idt der Mann in der Mitte der Mädchen; er eilt
offenbar herbei auf Peleus und Thetis zu, als ob er der Tochter
Hülfe bringen wolle. Die erhobene Rechte, die ganze Haltung und
^) Neapel 3089, abg. z. B. Millingen peiwt. div, 38.
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584 H. Lnckenbach:
lebhafte Bewegung, die uns deutlich sein Erstaunen kondthun, können
nimmermehr dem Zeus zukommen. Schlie freilich legt darauf wenig
Gewicht; für mich ist es ein schlagender Beweis gegen Zeus. Vor
allem aber würden wir ja den Nereus yermissen, zu dem doch in
so vielen Vasenbildem die Töchter flüchten. Gegen diese schwer-
wiegenden Gründe kann weder die volle kräftige Gestalt noch aacb
das dichte Haupthaar und der schwarze Bart von Bedeutung sein.
Auch finden wir den Nereus mit schwarzem Barir und Haupthaar
z. B. Gerhard AV. II, 146. 147.^)
Wie aber, wenn in Nro. 36 jener fifichleibige Mann Nereus
wäre, welcher Name bliebe dann für den andern? Freilich dann
nur Zeus. Wenn aber jener nicht Nereus sein kann, so wird die
Deutung auf Zeus auch hier immer schwankender. Das im Journal
of phü. 1877 Taf. A publicirte Yasenbild bringt uns Gewissheit.
Auch hier fliehen die Nereiden zu einem sitzenden Greise und einem
fischl eibigen Manne, und hier führen die beiden die Namen Nereus
und Triton. Also wird auch für den Fischleibigen in Nro. 36 die
frühere Deutung von Overbeck und Brunn (Schlie p. 40) auf Triton
in üebereinsümmung mit anderen Darstellungen vollständig ge-
sichert. Der weisse Bart des anderen Mannes dagegen ist bei weitem
charakteristischer fElr Nereus als für Zeus, da letzterer doch nur sehr
selten mit weissem Barte abgebildet wird (Overbeck, EimstmjthoL U,
p. 29). Wenn endlich Nereus als stattlicher kräftiger Mann uns
entgegentritt, so stimmt das sehr wohl mit dem würdevollen schönen
Stil des Vasenbildes. Eine Anwesenheit des Zeus ist also bis jetzt
nicht erwiesen.
Was bedeutet die Anwesenheit des Hermes in Nro, 45
und 24?
Auch müsste es uns befremden, den Zeus zwischen den Nereiden
zu finden. Schlie freilich weiss ihm eine Stelle im Mythus zu geben.
Auf Seite 44 heisst es bei ihm : ^Durch den plötzlichen Angriff in
die höchste Angst und Bestürzung versetzt, fiiehen die Nereiden in
grosser Hast davon, um bei ihrem Vater Nereus eine Zuflucht zu
finden. Doch von Zeus abgesandt, tritt Heimes unter die erschreck-
ten Mädchen und zum Nereus hin, wohl weniger deshalb, damit er
dem die Zukunft wissenden weisen Greise die Nachricht von der
grossen Begebenheit bringe, als vielmehr um durch seine Gegen-
wart den Willen des Zeus und des Schicksals zu veranschaulichen,
sowie eine beruhigende und versöhnende Wirkung auszuüben'.
') Zwischen der Gruppe des Nereus, der Doris und der Nereide auf
diesem Vasenbilde und derselben Gruppe bei Gerhard AV. III, 182
(» Nro. 2) besteht eine solch auffallende AehnUchkeit, dass, wenn nicht
Fälschung oder weitgehende Ergänzung vorliegt, einer der interessantesten
Vergleiche gemacht werden kium.
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Yerh. d. gr. Vasenbilder z. d. 6ed. d. ep. Eyklos. 585
Geben wir znnSebst zu, dass die Flucbt der Nereiden zu ihrem
Vater, die viele Vasenbilder zeigen , im Epos vorgebildet war, wo-
her kennt Schlie den Auftrag, mit dem Hermes unter die Nereiden
als Bote des Zeus herbeieilt? Zwei Vasenbilder haben es ihn ge-
lehrt, Nro. 45 und 24 (vgl, SchHe p. 41 f.).
Nro. 45. Die Darstellung schmttckt in zwei HSlften zerlegt
die Anssenseiten einer Eylix. Auf der einen Seite sehen wir den
Kampf des Peleus und der Thetis; zur Beohten und Linken eilen
je zwei Nereiden davon. Die andere Seite zeigt uns in der Mitte
den Nereus sitzen; hinter ihm nahen 2 der flüchtigen Töchter, und
vor ihm ist Hermes mit eiligen Schritten herbeigeeilt, um ihm irgend
eine Botschaft zu überbringen; hinter diesem steht eine Frau, die
bisher ebenfalls als Nereide gedeutet ist, wie ich glaube mit un-
recht: ihre ruhige Haltung, ihr Kopfschmuck oder Kranz im Haar,
der sie vor den übrigen auszeichnet, machen es mir zur Oewissheit,
dass wir in ihr die Mutter der Nereiden, die Doris, zu erkennen
haben, die auch sonst (Nro. 2 z. B.)^) nachweisbar ist. Von höchster
Wichtigkeit soll die Anwesenheit des Zeusboten, des Hermes, sein.
Schon Overbeck äussert p, 197, dass die eilige Botschaft, die Hermes
überbringe, gewiss nicht den Raub der Tochter zum Inhalte habe,
sondern Mas Atöc ö' ^tcXeicto ßouXy|' direct nach dem Epos. Allein
der Hermes im Bilde erlaubt uns nicht, eine kleine hübsche Geschichte
zu erdenken und als deren Urheber den Stasinos zu bezeichnen. Von
einer beruhigenden Wirkung desselben ist nichts zu verspüren; im
Oegentheil, eilig naht er, um als Bote den Raub der Thetis zu mel-
den. Darauf weist der eilige Oang, darauf die ausgestreckte Bechte:
er meldet Göttern den Raub einer Göttin. Ein poetischer Anlass
liegt unbedingt nicht vor.
In der anderen Vase Nro. 24^) ist Hermes zugegen. Er hat
den Peleus begleitet und beschützt ihn. Seine Gegenwart ist so
gewöhnlich, dass sie weiterer Erklärung nicht bedarf.
Des Nereus und der Nereiden Gegenwart.
Nur selten finden wir Peleus und Thetis allein; meist sind eine
oder mehrere ihrer Schwestern zugegen, und oftmals findet sich der
Vater Nereus ein. Vorhin geben wir hypothetisch zu, dass Peleus
die Thetis aus der Schar der Schwestern sich raubt, und dass diese
hastig fliehend bei ihrem Vater Nereus Schutz suchen. Allein auch
diese Behauptung bedarf einer nSheren Untersuchung, bei der es
sich lohnen wird, schwarz- und rothfge. Vasenbilder scharf zu sondern.
In sfgn. Vasenbüdem, die mit Sicherheit auf Peleus und Thetis
zu beziehen sind, findet sich die Mittelgruppe allein dargestellt
^) Vgl- .iedoch die vorige Anmerkung. *) Schlie verwechselt p. 42
diese Vase (Manchen 638) mit Nro. 37.
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586 H. Luckenbach:
Nro. 6. 7. 8.^) Eine Nereide ist zugegen Nro. 16. 23. Nei^l
RC, 207.'); drei Nereiden Heydemann, Griech. Yas. VI^ 3. Varva-
keion 584; vier Nereiden Nro. 24. CoUignon 329. In den ttbrigen
Bildern sind zwei Nereiden: Nro. 9 — 14 München 133. 486. Hejde-
mann, Griech. Vas. VI, 2. BuU. 1859 p. 133 (bisy) VerhÜtmsa-
mässig ist die Zahl in den archaischen Bildern also sehr klein: nur
in je zwei Bildern waren drei und yier Nereiden zngegen. Zur Vor-
sicht bei einem Schlüsse aufs Epos muss daran erinnert werden,
dass nur zu gern interessirte Personen beigefügt werdai, und des-
halb erlaubt ihre Anwesenheit auf Vasen allein nicht auch auf ihre
Anwesenheit im Epos zu schliessen. Wie aber stehts mit Nereus?
Nur dreimal ist derselbe in älteren Bildern zugegen. Collignon 328
steht links von der Mittelgruppe Cheiron, rechts sitzt Nereus auf
einem Sessel. Nro. 14 umgeben die Ringenden zwei Nereiden mit
den Geberden des Erstaunens; hinter einer steht Nereus mit weissem
Haupt- und Barthaar, in der Linken einen Stab, die Bechte ausge-
streckt. In beiden Vasenbildem ist also von einer Flucht der Töchter
zu ihrem Vater keine Bede; im ersteren war gar keine Nereide
(ausser Thetis), wohl aber Nereus vorhanden. Das dritte Bild,
welches hier in Betracht kommt, ist auf der Neapler Vase.iSC 207.
Die Mitte der Darstellung nimmt ein Altar und ein Palmbaum ein;
rechts kämpft Peleus mit der Thetis; links spricht eine Jungfirau
mit einem Manne, wahrscheinlich doch wohl eine Nereide, die ihrem
Vater das Unheil der Schwester meldet.^) Auch hier dürfen wir
von einer Flucht gar nicht sprechen: dazu ist die Haltung viel zu
ruhig. Die sfgn. Vasenbilder sind also die Behauptung Schlies zu
stützen nidit sehr geeignet Dass aber Vasenmaler den Nereus und
seine Töchter, ohne durch die Poesie beinflusst zu sein, hinzufügen
konnten, ist nach den zahlreichen Analogien klar: hier sei nur er-
wähnt, dass in einigen Büdem Thetis dem Achilleus im Gegensatz
zur Ilias in Begleitung ihrer Schwestern oder auch des Vaters die
Waffen überbringt*)
Häufiger finden wir den Nereus mit seinen Töchtern oder die
Flucht derselben zu ihm auf den späteren Vasen: Nro. 30 — 36.
42. 44. 45. Jownal ofphüology 1877 Taf. A. In letzterem Vasen-
bilde sowie Nro. 36 ist ausserdem noch Triton zugegen. München
369 fliehen die Nereiden zu Poseidon und Amphitrite« Woher diese
Erweiterung in rothfigurigen Vasen? Holten sie neue Züge des
Epos herbei, die von den älteren vernachlässigt waren? oder folgten
sie wohl gar einer anderen Quelle, etwa einem Drama? Ich hoffe,
dass hier die Vergleichung anderer Vasen weiter führt. Sobald die
') Ausserdem in den Bildern unsicherer Deutung, Petersburg 42.
Neapel BC. 206. — *) Ausserdem Nro. 21. Neapel 2449. Arch, Anm.
1866, p. 274*, 16. - ») Ausserdem Nro. 16—20. 22. Petersburg 116.
Neapel 2636. 2738. — *) Von Heydemann bezweifelt. — *) Vgl. Heydemaiin,
Nereiden p. 8.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z, d. Ged. d. ep. Kyklos. 587
neue Technik auftaucht, finden sich die Liebesverfolgungen mifc be-
sonderer Vorliebe behandelt ^Bei ausführlichen Darstellungen sind
noch andere Mädchen zugegen, Schwestem oder Gespielinnen der Ent-
führten, welche ihre Bestürzung und Verwunderung ausdrücken und
zu einem Greis flüchten, dem Vater, ihm die Botschaft zu überbringen'
(Jahn, Münchener Vasen p. CCI).
So ist, um einige Beispiele anzuführen, beim Raube der Orei-
thyia^) nicht selten eine Gespielin zugegen, die erschreckt davon-
eilt; aber auch höher hinauf steigt die Zahl, sogar bis auf neun.^)
Am interessantesten für uns ist München 376: vier Gespielinnen
sind zugegen, Pandrosos, Herse, Aglauros und eine vierte unbenannte.
Letztere flieht zu Eekrops hin; Aglauros berührt den Bart des
Erechthens. Wie hier ist oftmals Eekrops zugegen.') Nim hören
wir allerdings von Piaton p. 228 B und anderswo, dass Oreithyia
ausgegangen war, um mit ihren Gefährtinnen zu spielen: von
einer Botschaft an Eekrops und Erechtheus oder von ihrer Gegen-
wart beim Baube habe ich keine schriftliche Tradition auffinden
können.
Auch die Leukippiden werden aus der Mitte ihrer Freundinnen
geholt. Auf der Meidiasvase^) spielten sie auf dem Anger und
suchten Blumen. In einer anderen Vase^) eilt, während die
Dioskuren bereits mit ihrer Beute hinwegfahren, vor einem der
Viergespanne eine Gespielin eilig davon, den Blick angstvoll
zurückgewandt, die Hände ausgestreckt gegen Leukippos, den
Vater der Geraubten, der vor ihr auf einem Felsen sich nieder-
gelassen hat.'
Apollo raubt sich die Geliebte, während sie mit ihren Freun-
dinnen Blumen sammelte mon. IX, 28. Der Vater der Geraubten
ist femer zugegen beim Baube einer Geliebten durch Theseus Er.
M. 754 abgeb. Gerhard AV. UI, 163; beim Baube der Amphitrite
durch Poseidon Heydemann, Gr. Vas. I, 2; beim Baube der Aigina
durch Zeus Mtis. Greg, 11, 20, 1 = Braun, aöit. Marmorw. I, 6.
Ja sogar bei der Entführung der Helena durch Paris (Overb.
Xni, 3 p. 272, 14) ist ihre Schwester Timandra, eine Gespielin
Euopis, sowie Ikarios ihr Oheim und Tyndareus ihr Vater, denen
Euopis die Botschaft zuträgt, anwesend. Zu betonen ist^ dass diese
Vase dem strengen rfgn. Stile angehört; das Alphabet ist das
attische.
Die Zahl dieser Analogieen liesse sich wohl noch bedeutend er-
höhen; allein das Angeführte wird genügen, um die weitverbreitete
Art der Darstellung, der Flucht der GespieÜnnen und der Botschaft
*) Vgl. annal. 1870, p. 226—227. — ») Neapel 3362, abgeb. buU. Nap.
N. S, V, 2. — ») Heydemann, Gr. Vae. 1,1. Cot, Durand 213. München
748; in leteterer Vase neben Kekrops auch Erechtheus. — *) Er. M. 1264,
abgeb. s. B. Conze, Vorlegebl. IV, 1. 2. — 'O Abgeb. z. B. Arch. Zeit.
1862, Taf. 41.
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588 H. Laekenbacfa:
an den Vater, Grossvater oder auch Oheim zu zeigen. Hier hilft es
nicht etwa zu sagen, dass jene Darstellungen durch den Bauh der
Thetis hervorgerufen seien. In sfgn. Vasen findet sich eben dieser
Zug bei Peleus und Thetis nicht; in rfgn. sehen wir ihn ebenso früh
bei anderen Mythen. Diese weite Ausdehnung der Sage in Bild-
werken ist auf Bechnung der attischen Maler zu setzen oder doch
wenigstens die Flucht zum Vater Nereus. Denn dass Thetis ans der
Mitte der Schwestern geraubt wurde, konnte sehr wohl im Epos
sein, wie ja dasselbe yon der Oreithjia erzfthlt wurde. Nur eine
Beobachtung kann ich nicht zurückhalten. Was thaten die Nereiden^
als Peleus unter sie sprang? Wenn im Epos die weitlänflige Schil-
derung war, 'so war doch auch wohl das Spiel der Nereiden er-
wfthnt. Nun ist es aber auffällig, dass h^hstens in zwei Vasen ^)
uns ihr Spiel vor Augen geführt wird: Orerb. Nro. 36 und Overb.
XXXI, 2, von denen die letzte vielleicht nur ganz allgemein den
Baub* einer Jungfrau und nicht den der Thetis darstellt. Overb. 36
finden wir sie beim Blumensammeln überrascht; in der anderen
Vase läuft ein Mftdchen mit tVüchten im Oewande auf den Vater
zu. Wie kommt es, dass nur in diesen wenigen Bildern das Sammeln
von Blumen oder Früchten ausgedrückt ist? vielleicht deshalb, weil
keine schriftliche Tradition vorlag. Jedenfalls ergibt sich als End-
resultat, dass aus den Vasenbildem kein sicherer Schluss auf die
(Gegenwart der Nereiden gezogen werden darf; womit keineswegs
ausgeschlossen bleibt, dass nicht im Epos dieser Zug dennoch war.
Dass den Nereiden in manchen Vasen Namen beigeschrieben sind,
kann natürlich nichts fürs Epos beweisen. Aus dem Schatze von
Nereidennamen wählte der Künstler solche aus, die ihm einfielen,
oder gab ihnen auch solche, die uns nicht in den Nereidenkatalogen
überliefert worden. Nach Schlie freilich (p. 88 unten) hätte Stasinos
bei der Flucht der Nereiden den Katalog des Homer C 35 ff. ausge-
nützt. Nur schade, dass mehrere Namen sich nicht im Homer , da-
gegen auf Vasen und im Hesiod befinden.')
Nur noch die späte Vase, Conze, Vorlegebl. II, 6, 2, in der
Peleus die Thetis im Bade überfällt, muss erwähnt werden. Schöpfte
der Künstler diesen Zug aus einer poetischen Quelle oder hat er ihn
selbst erfunden? Unbedenklich wird man sich für die letzte An-
nahme entscheiden: es stimmt zu gut zu der späteren Art der
Malerei, als dass man an eine besondere Quelle denken müsste, die
ja auch schon durch die aufgestellten Principien verboten wird.
') Arch. Zeit. 1870, p. 82 f wird eine Vage erwähnt, in der Nereiden
um ein Götterbild einen Reigen aufgeführt hätten. Von den zwei Vier-
gespannen BoU eins dem Peleus, das andere dem Nereus angehören.
Viel besser passt die Deutung auf den Raub der Lenkippiden: vor allem
findet das Götterbild seine Erklärung. Die zwei Gespanne gehören dann
dem Eastor und Polydeukes. — *) So '€paTU) Nro. 31. Vafiden Nro. 38.
44. Kumd und raX/|vn, Journal of phil 1877, Taf. A.
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Verb. d. gr. Yasenbilder 2. d. Ged. d. ep. Ejklos. 589
Die Hochzeit des Polens und der Thetis.
Zwei Darstellungen verdienen unsere Aufmerksamkeit in vollem
Grade. Die erste stellt uns den Empfang des Brautpaares von Seiten
des Cheiron, die zweite den Hochzeitszug der Götter dar.
I. Overb. 197, 46. VÜI, 6. Schüe p. 23. rfg.
PeleuB hat die Göttin besiegt; ^als Bchüchteme Braut» mit ver-
schämtem Blick, folgt sie dem jugendlichen Bräutigam' (Overbeck)
zur Wohnung des Kentauren Cheiron, der sie, noch halb in seiner
Höhle stehend, mit wohlwollender Miene und Handbewegung ein-
ladet. Wir wissen, dass in den Kjprien die Hochzeit auf dem
Pelion gefeiert wurde ^); und nach anderen schriftlichen Quellen,
unter denen Pindar den wichtigsten Bang einnimmt, fand das erste
Beilager daselbst in der Höhle Cheirons statt. ^) Treffend schliesst
sich dieses Yasenbild an diese Ueberlieferung an. Die Situation
wird nahezu vom Epos gefordert. Damit ist aber noch nicht Schlies
Annahme gerechtfertigt, dass Peleus auch im Epos die Thetis in die
Wohnung des Kentauren führt, und dass dieser sie in der herz-
gewinnendsten Weise willkommen heisst. Die Kenntniss, dass Peleus
und Thetis in der Höhle des Cheiron ihr Beilager hielten, konnte
dem Maler zu seiner Darstellung genügenden Anhalt geben. Wie
. wenig man berechtigt ist, ein Vasenbild in Worte zu übersetzen und
diese dem epischen Dichter zuzuschreiben, haben bereits mehrere
Beispiele im ersten Theile gezeigt.
n. Hochzeitszug der Götter auf der Fran9oisvase. Overb. 198,
47. rX, 1. Weizsäcker, Ehein. Mus. 1877, p. 31—49. Abgeb. zuletzt
Conze, VorlegebL H, 1.
In den Excerpten des Proklos heisst es: TrapaT€VO)L(^VTi bk
''epic €ÖlJüxou^^vu)v Twv GeOüV dv toic nnXdujc TAfioic V€ikoc irepi
KöiXXouc dviCTTiciv 'AGiiv^ ''Hpqt xal 'Aq)pobiTi). Ergänzend über-
liefert der Schol. zu Homer TT, 140 als Inhalt der Kyprien Kard
TÄp TÖv TTTiXdwc Kui Gdxiboc f&^ov oi 8€o\ cuvaxOdvrec elc xd
TTtjXiov in* eöuixiqi dKÖjLiiJov TTii|X€i biipa. Auf dem Pelion
also findet die Hochzeit statt^), imd die Götter würdigen den sterb-
lichen Mann, sich von ihm bewirthen zu lassen. Aber sie nahen
nicht ohne Geschenke; reich sind die Gaben, die sie bringen, und
schon Homer weiss davon zu ei-zählen.
Indem wir das Yasenbild als vollständig bekannt voraussetzen,
bleibt uns nur zu bestimmen, wie weit der MsJer den Kyprien folgte,
und ob wir etwa neue Resultate aus dem Vasenbilde gewinnen. Bei
einem Vergleiche des Bildes mit dem Epos fällt sofort auf, dass das
Gabenbrin^en hier durchaus zurücktritt; es ist auf Wild und Wein
') Schol. Homer TT, 140. Kinkel, frMtn, epic, p. 22, 2. — «) Pind. I.
7, 41. Schol. Pind. P. 8, 90. N. 3, 66. Eurip. Iph, Äul 704f. — ») Vgl
Weissäcker p. 36—38. Dazu die die hübsche Schilderang des Enripides
Iph. Aul. 1040 if.
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590 H. Lackenbach:
beschränkt, worin man aber fast ebenso gat Attribute des Cheiron
und des Dionysos erkennen könnte als Hochzeitsgeschenke. Weiter-
hin fehlt jegliche Andeutung der Eris, durch die ja gerade die
Hochzeit des Peleus so verhängnissToU werden sollte. Ob endlich
der Zug der Götter, das Nahen derselben im Epos grade von Ein-
zelnen erläutert wurde, ist nicht zu bestimmen. Wir wissen, dass
der Künstler sich einen Moment wählt, der ihm passend scheint,
und nicht wie er wörtlich im Epos vorgezeichnet war. Die alte
Kunst liebte die Processionen, und eben der Zug der Götter ist hier
wie im Parisurtheil auf älteren Vasen dargestellt.
Die Hochzeit wird in den Kyprien auf dem Pelion gefeiert,
wahrscheinlich in der Höhle des Kentauren Cheiron. Hier sitzt
Thetis in einem Hause; man hat dasselbe Thetideion genannt und
sich darauf berufen, dass sich dieses im Enipeusthale bei Pharsalos
befand^), dagegen nicht auf dem Pelion. Deshalb hat Stephani
CB, 1861, p. 92 zuerst die Darstellung auf die dvaKaXuimripia ge-
deutet, ein Fest, weiches in Attika am dritten Tage nach der Hoch-
zeit stattfand. Peleus und Thetis sollen den Pelion verlassen haben
und in die Ebene hinabgezogen sein. Wären wirklich die dvaKaXu-
TnVjpia dargestellt, hätten wir dann das Recht, wie Schlie es thut,
ohne weiteres auch im Epos dasselbe Fest zu suchen? Wie mir
scheint, würde die Frage eine offene sein, ob nicht der Künstler eine
Sitte seiner Zeit auf Peleus und Thetis übertragen hätte. Aber
glücklicher Weise sind wir dieser Frage enthoben, da nicht die Ana-
kalypterien dargestellt sind. Ich verweise hierfür auf Weizsäcker
a. 0. p. 36 — 38. Nur eins bedarf einer Berichtigung. Weizsäcker
sagt p. 38: ^in unserem Bilde ist einfach beides zusammengerückt
und die Hochzeit an das Thetideion oder dieses auf den Pelion ver-
legt, wenn nicht am Ende auch dort eines angenommen werden darf,
das ja am Pelion in der Nähe des Meeres ganz gut seine Stelle
hätte.' Aber wer sagt uns denn, dass der Künstler auch nur ans
Thetideion gedacht hat? Er wollte den Besuch der Götter bei der
Thetis darstellen: was war abef natürlicher, als dass er diese in
einem Hause oder Tempel darstellte, der eigentlich allein für sie
passend war? Ob er überhaupt mit der bei Euripides aufbewahr-
ten Sage vertraut war, das wird schwer zu sagen sein, kann tms
aber auch vollständig gleichgültig sein.
In der Anordnung des Zuges zeigt sich eine wohlüberlegte
Folge: vielleicht werden wir hier Keminiscenzen des Epos finden.
Wir wenden uns zunächst zu den Gottheiten, die sich auf den Ge-
spannen befinden. Sieben Paare sind es, während uns die Zusammen-
stellung von zwölf Göttern geläufiger ist.^) Der Maler hat Okeafios
») Enrip. Ändr. 16—20. Ilias I, 263. Vgl. auch Polyb. XVDI, 20, 6.
Liv. XXXIII, 6, 11. Strabo IX, 5, 6. — >) Vgl. übrigens Lahrs, populäre
Abhandlungen, zweite Aufl., p. 236 ff.
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Yerh. d. gr. Yasenbüder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 591
und Thetis hinzugefügt, die nie zu der sp&ter festbegrenzten Gruppe
der Zwölfgötter gehörten. Aber auch in den übrigen zwölf Gott-
heiten bieten sich einige Abweichungen dar. Vergleichen wir unsere
Vase mit der Aufzählung des Scholiasten zu Apoll. Bhod. II, 532
und der Borghesischen Ara^), die in Bezug auf Zahl und Namen
der Götter mit dem Scholiasten stimmt, so vermissen wir zunächst
Demeter, Hephaistos und Hestia: allein diese drei haben ihre
besondere Stelle erhalten. Hestia und Demeter sind mit gutem
Bedacht als Göttinnen der Ehe und des Hauses an die Spitze
gestellt; den lahmen Hephaistos aber auf dem Esel reitend dar-
zustellen konnte sich der Maler nicht versagen, besonders da er
eine andere Göttin, die Nike, nur an seiner Stelle unterbringen
konnte. An Stelle der Demeter ergab sich als Begleiterin des
Poseidon die Amphitrite. Statt der Hestia sehen wir neben Hermes
dessen Mutter Maia.
Wichtig für uns ist die Verbindung von Ares und Aphrodite,
die nach Homer nicht rechtmässige Ehegatten sind, während diese
Zusajnmenstellung dem Atüker von jeher geläufig war und durch
attischen Einfluss später allgemeine Anerkennung fand. Den Hephaistos
dagegen, der bei Homer Gemahl der Aphrodite ist, hätte der Maler
nach attischer Sage zur Athena stellen müssen. Allein dieser ge-
sellte er, wiederum specifisch attischer Tradition folgend, die Nike
zu; und darum musste jener seinen Esel besteigen, wodurch zugleich
das Bild einen passenden Abschluss erlangte.^) Denn Nike muss
die Begleiterin der Athena sein und nicht Themis, an die Schlie
p. 25 gedacht hat. Dass Nike ganz gewiss nicht im Epos erschien,
ist ohne Zweifel, aber gewiss kein Grund für den Maler, sie nicht
darzustellen. Wie Themis dagegen hier zur Athena beigefügt sein
soll, ist schwer einzusehen, wogegen Nike für den Attiker fast mit
der Athena verschmolzen wai*.
üeber die Neunzahl und die Reihenfolge der Musen war schon
oben die Bede. Wir haben uns dahin entschieden, dass ein Einfluss
des Hesiod hier vorliege.
Denken wir nun an die Leichenspiele des Patroklos auf der-
selben Vase, erwägen wir die nachweislichen Abweichungen vom
Epos sowie die sicheren Atticismen unseres Bildes, so wird es zur
Gewissheit, dass der Maler auch den Zug der Götter frei gemalt
hat, ohne Anlehnung an die Worte des Epos. Die Vase kann uns
demnach auch nichts neues lehren in Bezug auf das Epos; sie be-
stätigt nur, was wir auch vorher wussten, dass nämlich die Götter
der Hochzeit des Peleus mit der Thetis beiwohnten.
^) Vgl. übrigens Chr. Petersen, Zwöl^öttersyatem II, p. 22. Jahn
Sachs. Ber. 1868, p. 199. — *) Die AnfFaesung Weissäckers, p. 44, dass
Hephaistos zur Zeit des Festsuffes ans dem Olymp Verstössen und als
Gast des Okeanos erscheine, bedarf keiner Widerlegung.
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592 H. Luokenbftch:
ParisurtheiL
Welcher, alte Denkm. V, p. 366—432.
Overbeck, p. 207—255.
Die uns so gelftufige Darstellung vom Schönheitsapfel, den Cris
bei der Hochzeit des Peleus unter die Göttinnen warf und den Paris
der Aphrodite zusprach, ist in Yasenbildem nicht enthalten. Nur
eines, welches allerdings aus später Zeit stammt, könnte eine Aus-
nahme zu machen scheinen, Neapel SA. 560. Welcker p. 413, 67:
Paris hat die Linke auf den Bücken gelegt und h< in derselben
einen Gegenstand. Hejdemann zweifelt, ob wir einen Ball oder
vielleicht den Apfel darin zu erkennen haben; allein angesichts aller
anderen Vasenbilder müssen wir davon abstehen, an den Schönheits-
apfel zu denken.^) Hätte das Epos ihn gekannt, er würde nicht in
allen Vassenbildem fehlen; ja wir dürfen sagen, er würde wenn
nicht in allen, so doch in den meisten dargestellt sein; umgekehrt
beweist sein Fehlen, dass Stasinos die Sage nicht kannte. Die Ver-
muthung Welckers (p. 380), dass der berühmte Apfel späterer Zu-
satz ist, darf zur definitiven Gewissheit werden, da ja auch in den
Yasenbildem, die deutlich den Stempel des Epos tragen (vgL p. 532 f.),
gerade das, was für die spätere Erzählung durchaus charakteristisch
und unentbehrlich ist, fehlen würde.
Dasselbe lehrt die schriftliche üeberlieferung. Proklos sagt,
dass Eris den Streit erregte, vom Schönheitsapfel schweigt er; es
heisst weiter TrpoKpivei xfjv *Aq)pobiTTiv, nicht etwa er sprach ihr den
Schönheitsapfel zu. Euripides, der so oft des Schönheitsgerichtes
Erwähnung thut, kennt den Apfel ebensowenig wie Isokrates'), und
erst spät sind die Zeugnisse, die desselben Erwähnung thun.^ Ich
vermuthe, dass die Erfindung der alexandrinischen Zeit angehört:
ist dieses richtig, so haben wir wiederum einen deutlichen Beweis,
dass die Poesie der Alexandriner auf die spätere Vasenmalerei nicht
eingewirkt hat.
In den älteren Vasen ist meist der Zug der Göttinnen nach
dem Ida unter Leitung des Hermes dargestellt. Welcker (ep. GycL
II, p. 88) will daraus schliessen^ dass die Poesie gleich diesem ersten
Theile einen gewissen Charakter oder Glanz gegeben hätte. Dieser
Schluss aus den Vasenbildem ist falsch; da der Maler bezüglich
') Sollte vielleicht Interpolation vorliegen? jedenfEtUs ist eine gründ-
liche Untersuchung der Vase erwünscht. Wenn Welcker p. 80 äussert,
nur in einem Yasenbilde scheine Aphrodite den Apfel empfangen m
haben, so ist dies irrihümlich, da das betreifende Yasenbild (Overb. 66.
^9 6) gar nicht das Parisurtheil darstellt Vgl. Bronn, troische Mü-
cellen, p. 46ff. — ') Eoripid. Andrem. 274ff. Tro, 918ff. Iph. Aul
1284ff. Hei 26 ff., 676 ff. Isokrates Eneom. Hei % 41. 42. — "} Die
Aufsählung der Stellen bei Fränkel, Arch. Zeit. 1873, p. 37 f. Daiu noch
Lucian diäl. deor. 20, Iff.
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Yerh. d. gr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kjklos. 593
des Momentes sich an die Dichtung nicht anzuschliessen pflegt
(vgl. p. Ö90),
In sieben archaischen Yasenbildem^) will sich Paris erschrocken
ob der nie gesehenen Pracht der Oöttinnen davonmachen. Aber
Hermes hftlt ihn zurück nnd weiss ihn zu beschwichtigen durch die
Mittheüung, dass er hier nach dem Willen des Zeus zu richten habe.
Welcker (ep. Gycl. II, p. 90) ist geneigt, den Fluchtversuch in den
Ejprien zu suchen. Allein abgesehen davon, dass nur in archaischen
Bildwerken dieser Zug uns begegnet, sind wir nicht berechtigt^ ihn
in den Eyprien vorauszusetzen, da der Maler sich wahrscheinlich da-
durch haJf, um die Bestürzung des Paris auszudrücken.
Proklos berichtet, dass Paris der Aphrodite den Preis der Schön-
heit zuerkannt habe, bewogen durch die in Aussicht gestellte Ver-
bindung mit der Helena, Demgemäss werden auch die übrigen Oott-
heiten ihre Versprechungen gemacht haben. Ein Vasenbild, Overb.
57. X, 3, macht dies unzweifelhaft, da Vasenmaler dergleichen nie
zu erdichten pflegen: Aphrodite bietet ihm Liebe, Athena Sieg und
Eriegsruhm, Hera aber Macht und Herrschaft. Die schriftlichen
Zeugnisse stehen zur Seite und heben jedes Bedenken auf, da Euri-
pides und Isokrates ungeflUir gleiches berichten, also auch wohl aus
derselben Quelle schöpfen, d. h. den Eyprien.^)
Gestüzt auf die vorhin, schon erwähnte Stelle des Isokrates')
hat Welcker dann weiter vermuthet, dass Paris auch im Epos ge-
blendet durch den Glanz der göttlichen Erscheinungen über die Ge-
stalten nicht zu richten vermochte, sondern dass er nach den von
den Göttinnen ihm versprochenen Geschenken entschied. Diese An-
nahme hat auch für mich hohe Wahrscheinlichkeit; die Vasenbilder
können sie weder bestätigen noch auch widerlegen. Wenn aber
Welcker dann aus einem Vasenbilde (Overb. 64. X, 1), in dem Paris
das Gewand vor Augen hält, schliessen will, dass Paris die Beden
der Göttinnen mit verhülltem Antlitze angehört habe, so muss
dagegen eingewendet werden, dass der Dichter die Bestürzung des
>) Overb. 86—41. Arch. Anz. 1863, p. 802. — *) Isokr. Encam.
Hd, § 41. 42: öiöoOoic "Hpac |li^v Äirdoic aÖTCfi Tf|c 'Adac ßaaXeOeiv,
•AO*]väc hk KpaT€lv ky toic iroX^fioic, 'AcppoMTric hi töv td|Liov Tf^c
•Q^vnc. — Euripid. Tro, 926 flF.
Kai TToXXdöoc }itv f\y 'AXcSdvöpqi &6ac
0puEl CTpa'niToOve' 'QXdb* ^Havicrdvai,
*Hpa h* öir^cx€T* 'Acidö' &)pdjwr\c 6* öpouc,
Ki^irpic bi TOÖ|Lidv ctöoc ^iciraTXoufA^ni
biiic€tv (mt^cxct', €l BcAc 6tr€p&pd)Lioi
KdAX€i (Helena spricht),
vgl. Eurip. Iph. Aid. 1804fF. Die Erzählung des Isokrates ist meiner
Ansicht nach direkt den Ejprien entnommen. — ') Es heisst daselbst
weiter: tööv ^tv ciu)LidTUiv oö &uvii6€lc Xaßdv bidTvuiciv dXX' fJTTneclc Tf^c
Torv Ocarv 6i|i€U)c, Tilrv hi ötupcutiv dvatKacSelc TCv^cOai KpiTf|C ctXcTO Tf|v
oiKCtÖTTiTa Tfjc *€X^c dvrl tuw dXXuiv &irdvTUiv. Vgl. Arch. Zeit. 1873,
p. 37. 88.
Jahrb. f. olMi. PhUol. Bnppl. Bd. XI.
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594 H. Lnckenbaoh:
Paris mit beredten Worten schildern konnte, wSbrend dem Maler
die ftusserlicbe Andeutung n&her lag. Wie er manchmal die Ver-
wirrung des Hirten durch den Fluchtversuch darstellt , so ist auch
hier die Haltung des Paris ganz natürlich, da er noch geblendet ist
von der ungewohnten Schönheit der Göttinnen, die eben angekommen
sind; andererseits dürfen wir annehmen, dass, wenn Stasinos den
Paris verhüllten Hauptes auf die Göttinnen hören Hess, wir diesen
charakteristischen Zug oftmals finden würden; wogegen in dem einen
Bilde nicht einmal von einer Verhüllung die Rede sein kann«
Paris in Griechenland.
In sfgn. Yasenbildem ist, soviel ich sehe, dieser Gegenstand
nicht vorgebildet; die meisten gehören der unteritalischen Epoche
an, und gerade das Erotische steht sehr im Vordergründe. Eine
Vervollständigung des Epos wird sich nicht aus ihnen ergeben; nur
auf einige Einzelheiten in der Deutung mehrerer Bildwerke soll
hier aufmerksam gemacht werden.
Overb. 263, 1. XII, 9.
Zwei jugendliche Mttnner, die eben von der Beise ankommen,
werden von einem bärtigen Manne, der das Soepter in der Hand
trägt, in das Gemach gefühii;, in dem Helena mit ihrer Toilette be-
schäftigt ist Eine Dienerin hält ihr den Spiegel, und Eros selbst ist
ihr behülflich; die Liebe thut sofort ihr Werk; gleich beim Eintritt
des Paris wendet Helena sich verwirrt und erschreckt um. Bisher
erkannte man in dem Begleiter des Paris den Aineias, in dem könig-
lichen Manne mit dem Scepter den Menelaos, der die Fremdlinge in
sein Haus aufiiimmt. In den Eyprien war gedichtet, dass Aineias
den Paris begleitete, und dass sie von Menelaos in Sparta bewirthet
wurden. Somit trifft die Bezeichnung der Männer durchaus zu; nur
Stephani^) behauptet, die beiden Männer um Paris seien unmöglich
zu bestinunen« Allein wer soll und kann denn der Mann mit dem
Scepter anders sein als Menelaos? Auch für den Gefährten des
Paris liegt es doch nahe, an den Begleiter desselben im Epos, den
Aineias, zu denken. Ich schliesse mich daher unbedenklich der
früheren Deutung auf bestimmte Personen an. Eine ähnliche Scene
finden wir auf einer Schale des Brygos. *) Auch hier führt Menelaos
die beiden Fremdlinge in das Gemach der Helena; zwei Dienerinnen
waren bei ihr; aber sie ist den Troern entgegengeeilt, beim Anblick
des Paris sofort in Feuer gerathend. Gewiim für das Epos können
uns die beiden Vasen nicht bringen; nur die Aufnahme der Griechen
durch Menelaos führen sie uns vor Augen, und dies ist xms ja ftlr
die Kyprien durch Proklos verbürgt.
0 CB, 1861, p. 117. — ") ÄnncU, 1866, tav. XIV — Conze, Vc»legebl.
Vin, 8; die richtige Deutung gab ürlicha, der Vaaenmaler Brygos p. 4.
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Yerh. d. gr. Yasenbilder s. d. Ged. d. ep. Eyklos. 595
Overb:272, U.Xni, 3.
Paris ftlhrt Helena mit sich fort, Aineias ist bemüht eine nach-
eilende Frau zurückzudrängen; diese führt den Namen Timandra,
die uns als Schwester der Helena genannt wird. ^) Eine zweite weib-
liche Person, deren Namen Euopis der Künstler ohne Bezug auf
eine bestimmte Person gewählt hat, eilt auf Ikarios den Oheim und
Tyndai-eus den Vater der Helena zu, um ihnen die Entführung der-
selben mitzutheilen. Die mythische Begebenheit ist also bedeutend
erweitert; ich verweise hier auf das, was beim Baube der Thetls
p. 585fr. gesagt worden ist. Es ist weder vorauszusetzen, dass im
Epos Timandra ihnen Hindemisse in den Weg legen wollte, noch
auch, dass daselbst geschildert war, wie die Botschitft an Ikarios und
Tyndareus gelangte. Jahn, dem Overbeck folgt, wollte als Lokal
Amjklai ansehen; Stephani meint, ebensogut könne man annehmen,
„dass die beiden Verwandten der Helena den Paris nach Lakedaimon
begleitet und während der Abwesenheit des Menelaos dort dessen
Stelle als Wirth vertreten hätten". Der Vergleich mit den übrigen
Bildern, in welchen eine Jungfrau geraubt wird, muss hier den Aus-
schlag geben. Die Nächstbetheiligten sind immer hinzugefügt Dass
die ganze Familie des Tyndareus nach Sparta gewandert sei, hat
sicher der Maler nicht gedacht; ebensowenig aber kann ich Jahn
zustimmen. Wir haben wieder einen solchen Fall; in dem wir nicht
berechtigt sind, ganz genau uns die Situation klar zu machen. Die
nächsten Verwandten hat der Künstler hinzugefügt; ob dieselben in
Sparta oder wo zu denken, sind, dürfen wir gar nicht wissen wollen,
wie denn auch Thetis nicht im Beisein des Nereus geraubt wurde.
Auszug des Achilleus.
Gerhard, etr. u. kamp. Vas. XIII, 2. Berlin 1588.
Die Vase ist sfg.; die Inschriften gehören dem attischen Alpha-
bete an; das Alter der Vase wird durch das (|) im Namen Patroklos
angezeigt. Wenn Oerhard und Jahn^) die Zeichnung &Lr geflissent-
lich roh, den alterthümlichen Charakter für absichtlich erklären, so
kann ich schon der Inschriften wegen nicht beistimmen.
Mit der Linken die Lanze aufstützend, die Bechte erstaunt er-
hebend, den Oberkörper etwas vorneigend, wie um besser hören zu
können, steht Achilleus vor Thetis, welche ihm offenbar eine Mit-
theilung macht, die ihn in Aufregung bringt Hinter Thetis steht
Menelaos, hinter Achilleus sein Freund Patroklos, femer Odysseus
und Menestheus. Sie alle nehmen Antheil an dem, was Thetis
ihrem Sohne verkündet; in Haltung und Bewegimg drückt sich ihr
Staunen aus.
») Z. B. Heriod bei SchoL Pind. 0. X, 79. — *) Münohener Vasen
CLXVn, 1130.
olftfedby Google
596 H. Lnckenbaoh:
Es wird überflüssig sein, die Detitang Gerhards auf die Ab-
holung des Achilleus aus Skyros, zu der erst eine ganz neue Geschichte
erfunden wird, im Einzehien zu widerlegen, wofern es gelingen wird,
eine bessere Deutung an die Stelle zu setzen. Ich erkenne den Ab-
schied des Achilleus aus seiner Heimath.^) Was seine Mutter ihm
etwa sagen mag, können uns die Verse der Dias lehren, I 410 ff.
\xi\Tr\i) f&p Ti ixi (pr\ci Ged, G^xic äpfvpdnelay
bixOabiac Kf^pac (pep^fiev OavdToio rAocbc.
et jLifcv K aöOi M^vujv Tpü6u)v ttöXiv d|LwpijLidxui|Liai,
d»X€TO jLi^v jaoi vöcToc, dxdp kX^oc äcpeirov &Tar
el H K€V olKttb* Ikuijui (piXnv ic Traxpiba xatav,
ujXexö jLioi kX^oc £c6X6v, dirl bripdv bi ^ox aidiv
fccerai, oub^ k^ ju' Axa t4.\oc OavdToio Kxxüq.
Aehnlich mögen die drohenden und warnenden Worte der ThetiB
klingen, welche die geballte Faust erhebt und ihrem Sohne abzu-
rathen sucht, da er schon im Begriffe ist, seine Heimath auf immer
zu verlassen. Die Gesandten der Griechen sind auch zu ihm hinüber-
gekommen und haben den kriegsmuthigen Jüngling zu dem grossen
Unternehmen beredet Wäre uns jede schriftliche Aufiseichnung ver-
loren, so würden wir nach Anleitung der Francis vase keinen der
Helden mit Sichef-heit fidir die Eyprien voraussetzen können. Ja einen
der Helden würden wir wolil mit grosser Bestimmtheit ausscheiden
müssen. Menestheus wird, soviel wir wissen, in den Kjprien nicht
erwähnt; auch in der Hias spielt er ja eine ziemlich geringe Bolle.
Dazu kommt, dass er der letzte in der Reihe ist, gewiss nicht zu-
fällig. Denn der Maler wusste recht wohl, dass er eigentlich nicht
am Platze war. Ganz besonders interessant ist es jedoch, dass er
dem Menestheus ein öbi hinzufügt, gerade als ob er dem Beschauer
erst seine Kühnheit zeigen wollte, mit der er seinen Landsmann be-
sonders verherrlicht. In der That, nur Patriotismus ist es, was den
Maler bewog, den Menestheus hinzusetzen. Denn nach den Kjprien
bereisen Nestor und Menelaos Hellas und bringen die Heerführer
zusammen. Die Gegenwart des Odysseus könnte in Anlehnung an
die Dias erkl&rt werden. Denn A 767 lesen wir, dass Nestor und
Odysseus zum Hause des Peleus gekommen sind; daher kennt auch
Odysseus die Vorschriften, die Peleus dem abziehenden Sohne gab
(I 252 ff.). Allein ebensogut können wir annehmen, dass der Maler
nicht an die Verse der Hias gedacht und demnach auch den Odysaeus
ohne Bezug auf literarische Tradition hinzugefügt hat; wie er aof
der Fran9oisva8e den Automedon und Odysseus malte, so hier den
Odysseus, der als der überredende und kluge hier ganz am Platie
war. Als sicher dagegen dürfen wir annehmen, dass Menelaos eben
^) Die rich^;e Dentong scheint beieits Jahn erkannt su haben, da
er a. O. p. CLXVII vom „knamg des AeUUens** redet Nach Klein
(Kaphronios pi 35) wibre Achills Rüstung daigestellt
Digitized by V^OOQIC
Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. (Jed. d. ep. Kyklos. 597
nicht aus Zo&ll, sondern in Anlehnung an das Epos hier seinen
Platz gefunden hat. Zwischen ihn nnd Achilleus hat sich Thetis
gedrängt^ nm ihrem Sohne das Verderbliche seines Vorhabens klar
zu machen. Und Menelaos mtLssen wir demnach auch als den be-
trachten, der den Jüngling zu überreden wusste.^)
Das Epos können wir demnach durch unsere Vase in folgender
Weise ergänzen: Menelaos *) kommt zum Hause des Peleus, um den
Achilleus zur Theilnahme am Kriege zu bewegen. Thetis sucht den
Sohn durch Warnungen abzuhalten.
Achilleus verbindet den Patroklos.
Im Mittelbilde einer Sosiasschale (Overb. XTIT, 8) legt der
jugendliche Achilleus dem Patroklos einen Verband xmi den Arm.
Der Pfeil, mit dem Patroklos getroffen war, ist aus der Wunde ent-
fernt und liegt zu seinen Füssen. Der Herzog von Lujnes^ hat
zuerst die Quelle dieses Bildes in den Eyprien zu finden geglaubt,
andere sind ihm gefolgt.^) Freilich ist das Vasenbild rfg.; aber an
eine dramatische Quelle wird sich bei dieser Scene schwer denken
lassen, und somit würden wir auf die Kyprien verwiesen. Denn
dass dem Bilde ein bestimmtes Ereigniss zu Orunde liegt, glaube
auch ich annehmen zu müssen. Es kann hier weder ein Irrthum
des Malers vorliegen^), noch auch wird sich unter den heroisirten
Genrebildern ein Analogen finden lassen; besonders da in der ganzen
Vasenmalerei nur ein ähnliches Bild ezistirt^ In der Poesie sind
die Verwundungen nicht selten, und oftmals hören wir, wie einer
dem andern die Wunde verbindet In der Ilias finde ich folgende
Stellen, in denen ähnliche Scenen geschildert werden:
A 210 ff. Machaon verbindet den Menelaos.
€ 108 ff. Sthenelos zieht dem Diomedes den Pfeil aus der
Wunde.
€ 335 ff. Aphrodite von Diomedes an der Hand verwundet wird
von ihrer Mutter Dione geheilt.
€ 398 ff. Paieon legt dem Hades schmerzstillende q)dp|uiQUca
auf, ebenso
€ 900 dem von Diomedes getroffenen Ares.
') In der Odyssee (u 116) sind Agamemnon und Menelaos auf Werbung
nach Ithaka gezogen. Vgl. Welcker, ep. Gycl. II, 99. Wenn Welcker
daran denkt, dass auch Agamemnon in den Eyprien zu werben auszog,
nnd dass derselbe vielleicht von Proklos nur nicht genannt worden wäre,
so liegt kein Grund zu dieser Annahme vor; einen kleinen indirekten
Beweis {^egen Welcker haben wir in unserem Bilde. — ') Dass Nestor
auch bei Peleus war, lehrt Proklos mit nichten; es ist sehr wohl denk-
bar, dass Nestor und Menelaos wenigstens theil weise setrennt Hellas
bereisten. -< >) Afinäl. 1880, p. 288. — *) Welcker, alte Denkm. III,
41dfil Overb. p. 297. — *) Etwa wie im Namen Phoinix beim Kampf
des Aias nnd Hektorvgl. P*621. — ^ Ghalkidische Vase, Overb. XXm, 1:
Sthenelos verbindet dem Diomedes den Finger.
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598 H. Laokenbach:
A 843 flf. Patroklos schneidet dem verwundeten Enrypylos den
schmerzenden Pfeil aus dem Schenkel nnd stillt Blut and
Schmerz mit bitterer Wurzel.
Ich sehe demnach kein Hindemiss, dass nicht in den Ejprien
Achilleus, der nach Dias A 832 von Cheiron die Heilkunde erlernt
hatte, dem Patroklos den Liebesdienst erwiesen haben sollte. Ob
Patroklos dagegen mit dem Pfeil verwundet wurde, wissen wir nicht;
auch wenn in den Eyprien eine Lanze ihn verwundete, stand es dem
Maler frei, die Aenderung vorzunehmen. Auch die Verwundung am
Arme ist nichts weniger als sicher^), und endlich kann die Art, wie
Achilleus dem Freunde beisteht, gleichfaUs nicht erschlossen werden.
In der Ilias wird nie das eigentliche Verbinden, sondern inuner nur
das Auflegen der Heilmittel erwähnt Wo der Kampf stattfiEmd, wer
der Gegner des Patroklos war, l&sst sich aus der Vase nicht be-
stimmen.
Telephos' Heilung.
Proklos berichtet: TrjXecpov Kaxd jiavreiav ^Tap(^r€VÖ^€VOV
elc "ApTOC läxai *AxiXX€uc d)c f|T€|Li6va Tcvrjcöjiievov toO in*
''IXiov ttXoO (vgl Welcker, ep. CycL ü, p. 101. 144).
Aischylos*), Euripides') und Agathen*) hatten einen Telephos
gedichtet ; n&heres erfahren wir nur von der Tragödie des Euripides.
Auf Elytaimnestras Bath nimmt Telephos den kleinen Orestes aus
der Wiege und flüchtet sich mit ihm auf den Hausaltar, drohend,
jenen zu tödten, wenn ihm nicht Heilung zu Theil werde.
Von den vier rfgn.* Vasenbildem hat man allgemein zwei auf
Euripides zurückgeführt:
A. Overb. 299, 3;
B. Arch. Zeit. 1857, 89, Taf. 106; Fiorelli, vasi Cumani 14;
BuU. Nap. N. S. V, 10, 18; Neapel EC. 141.
In A kniet Telephos auf dem Altar, mit dem Schwerte den
Orestes bedrohend. Er sieht zu Agamemnon hinüber, der nur mit
Mühe von einer Frau (Elytaminestra) fortgedr&ngt wird und un-
willig sich entfernt; von der anderen Seite eilt eine Jungfrau (Elektra?)
mit ausgestreckten Armen auf Telephos zu.
Weit erregter noch ist B; die Leidenschaften sind bis zum
Aeussersten gesteigert. Telephos hat am linken Fusse den zappeln-
den Orestes gefasst und bedroht ihn mit dem Schwerte. Auf ihn
^) Gesetzt, die Vervnmdung am Arme wäre nach dem Epos, so
würde wenigstens nicht entschieden werden können, ob er am rechten
oder linken, am Ober- oder Unterarm verwundet wurde. Auch brauchte
dies gar nicht in der poetischen QueUe erwfthnt zu sein. In der Odyssee
T 449 f. wird Odysseus verwundet, ob am linken oder rechten Beine,
wird nicht hinzTigesetzt. Telephos tr^ den Verband bidd um den linken,
bald um den rechten Schenkel. — *) Welcker, Trilogie 662. -^ *) Weloker,
Tragödien II, 477, vgl Bakhuyzen, de parocUa in camoedii8 Ärittcpfumia,
p. 200. — *) Welcker, Tragödien in, 989.
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Verh. d. gr. Vasenbilder e. d. Ged. d. ep. Eyklos. 599
dringt Agamemnon mit gezücktem Schwerte ein; aber Elytaimnestra
hat sich ihm entgegengeworfen, um das drohende Unheil zu ver-
hüten. Auf der anderen Seite steht starr yor Entsetzen eine Jung-
frau (Elektra?) mit beiden Händen an ihren Kopf greifend. Das
Bedeutsame, was diese beiden Vasenbilder yon den anderen unter-
scheidet, ist die Intervention der Kljtaimnestra, die bei Euripides
eine Bolle spielte. Gegen die Annahme, diese Bilder auf Euripides
zurückzuführen, wüsste ich nichts zu sagen; wohl aber iSsst sich
mit Bestimmtheit behaupten, dass sie nicht dem Epos folgen. Denn
die übrigen Vasenbilder sind durchaus anders äufgeÜEisst. Kljtai-
mnestra fehlt, ebenso die Jungfrau; nicht mit dem Schwerte dringt
Agamemnon auf den Fremdling ein, sondern steht ruhig vor ihm,
verwundert über den Schutzflehenden, der mit dem Sohne an den
Altar geflüchtet ist Die Verständigung scheint sich auf durchaus
friedlichem Wege zu ergeben. Man kann nun kühn behaupten, dass
nach Ausbildung jener tragischeren Gestaltung des Mythus, in dem
die Lösung nur durch Elytaimnestra herbeigeführt wird, die andere
Version nicht mehr mägHch war. Das Buhige und Gehaltene spricht
durchaus für die frühere Entstehung. Hat man nun jene Vasenbilder
mit Bechi auf Euripides zurückgeführt, so müssen wir für diese
eine voreuripideische Quelle annehmen. Jahn dachte an Agathen
(Telephos und Troilos und kein Ende, p. 6). Allein wir wissen
nicht, ob Agathen seinen Telephos vor dem des Emipides dichtete;,
dazu ist es doch einigermassen bedenklich, einen Einfluss Agathons
auf die bildende Kunst anzunehmen, besonders für die unteritalische
Epoche, der eins der Vasenbilder angehört. Es blieben uns also
noch das Epos und Aischjlos. Overbeck, p. 298, will sie aufs Epos
zurückführen; indessen ist wohl zu beachten, dass ein sfgs. Vasen-
bild bis jetzt noch nicht gefimden ist, und dass wir nur Muth-
massungen über die Gestaltung des Epos aufstellen können. Die
Frage muss daher, bis vielleicht neue Denkmäler zu Hülfe kommen,
eine offene sein, ob Aischylos oder das Epos als Quelle anzunehmen
sind. Die fraglichen Vasenbilder sind:
C Overb. 298, 1. Xm, 9,
D Overb. 299, 2. Neapel 2293. Jahn, Tel. und Troil. und
kein Ende, Taf. L
Verwundet ist Telephos am Oberschenkel in BCD; eine Binde
ist um die Wunde gelegt: ohne Bedenken dürfen wir die Verwun-
dung am Oberschenkel als stehenden Zug der Sage auffassen; nur
darüber kann gestritten werden, ob Telephos am rechten oder linken
Beine verwundet war; die Vasenbilder dürfen dabei schwerlich um
Bath gefragt werden; auch weichen sie selbst darin ab; in BC ist
der linke, in D der rechte Oberschenkel verbunden. In A fehlt aus
.Nachlässigkeit des Malers jegliche Andeutung der Wunde (?). Hin-
zufügen lässt sich, dass auch in etruskischen Aschenkisten bald der
rechte, bald der linke Oberschenkel den Verband trägt«
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600 H. Lnckeabach:
TroiloB.
Overbeck, p. 338—366.
Welcker, alte Denkm. V, p. 439—480.
Jahn, Telephos und Troilos.
Schreiber, amal. 1875, p. 188—210.
Klein, Euphronios, p. 79—89.
Bei nochmaliger Besprechung einiger Punkte aus dieser so viei-
behandelten Sage wird natürlich für mich der Gesichtspunkt der
leitende sein, was die Bildwerke an Ergänzungen der literarischen
Quellen bieten können. Denn die letzteren sind sehr dürftig: mit
den drei Worten xal Tpu)iXov q)OV€U€i berichtet uns Proklos vom
Tode des Troilos durch • Achilleus. Einen weiteren Anhalt geben
die Worte des Scholiasten zu Ilias Q 257: oi V€U)T€poi iq>* tirirou
biu)K6)Li€V0V auTÖv iiToiiicav. Mit vollem Eechte betrachtet Welcker
dies als Inhalt der Kyprien, und der ganze Zusammenhang lehrt,
dass nicht allein Sophokles, der nachher besonders erwähnt wird,
unter dem Worte V€U)Tepoi gemeint ist, sondern überhaupt diejenigen,
die nach Homer über den Troilos geschrieben haben, an deren Spitze
Stasinos steht. ^) Diese dürftigen Nachrichten ergänzen die Vasen-
bilder in hinreichender Weise. Bezüglich der Anordnung schliessen
wir uns Welcker an, der die Darstellungen in 4 Scenen zerlegte.
I. Achilleus im Hinterhalte.
Scharf zu sondern sind hier die sfgn. von den späteren Bildern,
da letzteren ein Moment fehlt, das für die älteren Bildwerke durch-
aus wesentlich ist.
A, Die schwarzfigurigm Vasen.
Der Mythos tritt in allen leicht zu Tage. Vor einem Brunnes
steht Polyxena, um Wasser zu holen, begleitet von dem jugendlichen
Sohne des Priamos, der meist auf einem Bosse reitet und ein anderes
am Zügel führt. Hinter dem Brunnen lauert Achilleus, um im
günstigen Augenblicke hervorzuspringen und grausam den unschiil-
digen, meist waffenlosen Sohn des Troerkönigs niederzumachen.
Die elf Vasen, die Klein p. 82 a—- 1 aufführt, denen als zwölfte
(m) Ccmpana II, 22 anzureihen ist^), lassen sich leicht in zwei
*) Zum Ausdruck vgl. Strabo Vlll, 6, 2: irapA Totc veuhr^poic, d. L
Stasinos. Vin, 3, 8: oT v€ii)T€pot, d. i. Hipponax, Alkman, AischyloB;
ähnlich Vm, 3, 7. 3, 31.
*) a. Arch. Zeit. 1863, p. 67—66, Taf. 176. Collignon 181 (die la-
Schriften, pl. IV, 2).
b. Berlin 1713. Overb. 341, 8.
c. Overb. 342, 4. XV, 9.
d. München 89.
e. huU. 1866, p. 145.
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Verh. d. gr. Vasenbilder z. d. Qed. d. ep. Kjklos. 601
Gruppen zerlegen, die zwar in Bezug auf den Inhalt keine Ab-
weichungen ergeben, aber doch durch einige bemerkenBwerthe Einzel-
heiten verschieden sind, die einen interessanten Einblick in die Ab-
hängigkeit der Maler von einander gewähren. Zur ersten Gruppe
rechne ich c — h, zur zweiten abikl; welcher Gruppe sich m an-
schliesst, iSsst sich der ungenügenden Beschreibung halber nicht
bestinunen.
Erste Gruppe:
a) Der Brunnen ist durch einen Pfeiler dargestellt, der durch
eine Bohre das Wasser entsendet.
ß) Links fCLr den Beschauer liegt Achilleus im Hinterhalte,
während PolTxena und Troilos sich von rechts her nähern (so wenigstens
in cfg; die Bichtung von deh ist mir unbekannt).
Y) Poljxena hält meist die Hjdria noch in den Händen (nur
Tfa h hat sie dieselbe niedergesetzt).
Zweite Gruppe:
a) Der Quell läuft in einen Löwenkopf aus, dessen Brachen das
Wasser entströmt.
ß) Achilleus liegt rechts fOr den Beschauer im Hinterhalte;
Poljxena und Troüos nähern sich von der anderen Seite (die Bich-
tung in 1 ist mir unbekannt).
t) Poljxena hat die Hjdria bereits unter den Wasserstrahl
gesetzt (in a hat sie den Krug in ein zum Auffangen des Wassers
bestimmtes Becken getaucht, damit der Wasserstrahl besser hinein-
laufen kann). In m hat Poljxena die Hjdria auf dem Kopfe und
wendet sich zu Troilos.
Die Verwandtschaft dieser beiden Gruppen zeigt sich an einer
Eigenthümlichkeit, die gewiss nicht auf poetischer Quelle beruht
In bcfgil sitzt nämlich auf dem Brunnen ein Habe, der meist
der Poljxena zugekehrt ist und nur in i der Bichtung zuschaut, in
welcher Achilleus im Hinterhalte liegt. Welcker hat ihn als apol-
linischen Vogel, der den Troern bevorstehendes ünheü andeutet, zu
erklären versucht, eine Deutung, deren Bichtigkeit schon von Conze,
amäl, 1866, p. 287, 3, in Zweifel gezogen ist. Der Babe ist wohl
nur omamental verwendet, etwa um die Einsamkeit des Feldes ^ in
dem die Scene vor sich geht, anzudeuten. Andererseits lässt sich
für Welcker geltend machen, dass der Vogel wenigstens bisweilen
sein Gefieder sträubt und allem Anscheine nach die Troer warnen will.
f. Overb. 341, 1. XV, 2.
g. anncd. 1866, p. 286—288, tav. B., (bmU. 1866, p. 147).
. Br. M. 469. Overb. 341, 2.
i. Br. M. 474. Overb. 342, 6.
k. Arch. Zeil 1866, p. 280, Taf. 91, 1.
1. hM. 1869, p. 126.
m. Campana II, 22.
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602 H. Luckenbach:
Troilos ist meist sehr jugendlich, ein Ephebe, der kaum dem
Knabenalter entwachsen ist» ein Zug, der offenbar dem Epos entlehnt
ist. Wenn er in ai bSrtig ist, so hat der Maler dies ganz nach Art'
der filteren Malerei gethan, die ja auch einen ApoUon^) und AchiUens,
spftter fast immer jugendliche Gestalten, bftrtig' darstellte. Gewöhn-
lieh ist Troilos waffenlos, in d i trSgt er zwei Lanzen, in abl hat
er eine Gerte, in m einen Zweig in der Hand.
Auf die drei noth wendigen Figuren beschrftnken sich cikm.
Erweiterungen treten in den übrigen ein. In h steht hinter Troilos
ein nackter Genosse mit zwei Speeren, in g ein Krieger mit Namen
0ÜJKOC, in e zwei, in f drei Krieger; der Beyers von b zeigt drei,
der von d sieben Krieger, alle diese Mfinner offenbar Troer, die dem
Troilos zu Hülfe eilen. Li f steht hinter Achilleus Thetis, in der
Rechten den fOr Achüleus bestimmten Siegeskranz haltend*), Hermes
und ein bärtiger Alter mit einer Lanze in den HSnden, der gewiss
nicht mit Welcker Zeus zu nennen ist^ sondern nur Fhoinic oder
ein anderer Grieche sein kann. Li k steht neben Polyxena ein
zweites Weib. Li g hat ein nackter Mann die Zügel der Bosse er-
giiffion, die Bechte erhebend. Gonze ist geneigt, in ihm Achüleus zu
erkennen, der den Troilos bedroht; es würde dann das Yasenbild
ans zwei Darstellungen zusammengesetzt sein: einmal AchiUens im
Hinterhalte und dann derselbe den Troilos bedrohend. Allein dieser
nackte Mann, dem Schild, Panzer, Helm fehlen, der weder Schwert
noch Lanze trSgt, kann nicht Achill sein. Wir haben hier, wie so
hSufig, einen ganz überflüssigen Zusatz des Malers, der den Tunlos
auf die drohende Gefiüir aufinerksam machen solL Li a steht neben
den Bossen des Troilos, die Xanthos und Asobas*) heissen, ein Weib,
welches sich rückw&rts wendet; Ton ihrem Namen sind noch die
Buchstaben €0 erhalten, die Jahn zu Kreusa* ergSnzi Hinter ihr
stehen noch zwei bftrtige Alte, deren einer Priamos ist, während
dem anderen ein Name nicht beigeschrieben ist Priamos ist also
hier mit seiner Familie anwesend. Nur in g hat Troilos ein Boss,
sonst immer zweL
Ganz unbedenklich werden wir die Thatsachen, die sieh ans
diesen Yasenbildem als Bestand der alten Sage ergeben, in den
Kyprien zu suchen haben. Tolyxena hat, um Wasser zu holen^),
die Stadt verlassen, begleitet von dem jngendlichan reitenden Troilos.
Achüleus lauert ihnen auf.' Von der Hülfe, deren Andentang wir
0 Z. B. in der Fraaooisvase. — *) Siehe jedoch Klein p. 83. — ") So
und nicht Sobas, wie JiOm wilL Vgl C^dlignon 181, pL lY, S. — «) Die
Königstochter der Heroenieit weiden gern Waner holend gedacht
Homer k 106:
KoOpQ hi EO^ßXnvTo irp6 dcT€oc döpeuoOcQ
BuTOT^p* iq>6<fiq Acncrpötovoc 'AvnqNtroo.
Homer, HpnnuB anf die Demeter, Y. 98 £, 105 £F. SchoL Enrip. JPhoen^
V. 63. Welcker, ep. CycL II, p. 367, 84.
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Verh. d. gr. Vaaenbilder %. d. Ged. d. ep. Kykloa. 603
in mehreren Bildern ÜEUiden, wird später die Bede sein, ebenso soll
dann auch die Frage entschieden werden, ob Troilos bewaffnet oder
nnbewaffiiet, mit einem oder zwei Bossen auszog. Noch ist zu be-
merken, dass den Namen fttr Polyxena nns allein die Fran^oisvase.
aufweist, welche die folgende Scene, die Verfolgung des Troilos,
darstellt
B. Die roihfigurigen Vctöen,
Durch mehrere charakteristische Merkmale unterscheiden sich
die rfgSL von den älteren Yasenbildem. In allen fehlt Poljxena, in
allen hat Troilos nur ein Boss. Folgende fünf ^) zeigen mit der
neuen Technik auch die Aenderong des Gesammtinhalts der älteren
Darstellungen.
a Chabouillet, description des antiques du cabmet Fould, pL XIX.
Jahn, Telephos und Troilos und kein Ende III, 10. Schreiber,
Nro. 10.
ß BiM. 1862, p. 127. Arch. Anz. 1863, p. 27* 72. Schreiber,
Nro. 11.
Y Br. M. 1363. Schreiber, Nro. 12.
b BM, 1853, p. 167, im Besitze des Herrn Michele de Feis
zu Anzi.
€ Bua. 1853, p. 167.
An Stelle des einfacheren Brunnenpfeilers, der in qt^ bei-
behalten (in QT mit Löwenrachen), ist in ߀ ein Brunnenhaus ge-
treten. Troilos ist mit einer Lanze in e, mit zweien in y b bewaff-
net In ß trägt er einen Panzer, in a hält ein Diener ihm die Lanze.
Das Fehlen der Poljxena in allen diesen Yasenbildem kann
nicht zufällig sein, und mit Becht hat man an das Drama des
Sophokles erinnert, dessen Einfluss hier sichtbar ist Freilich schrieb
auch ein Phrynichos eine Tragödie oder Komödie und Strattis eine
Komödie; sdlein beide stehen hinter Sophokles zurück; f%Lr den
Tragiker Phrynichos ist ein Einfluss auf die bildende Kunst noch
nicht erwiesen, und an eine Komödie kann nichts in diesen Bildern
erinnern. Im Epos also begleitet Troilos die Polyxena, bei Sophokles
geht er allein, um sein Boss zu tränken.
Weitere Schlüsse auf das Drama des Sophokles scheint a zu
gestatten. In der Mitte des Bildes steht Troilos mit seinem Bosse
vor dem Brunnen; hinter demselben ist ein Diener, der das Oewand
des Troilos trägt und in der Bechten einen Stab hält, der doch wohl
eine Lanze vorstellen solL Auf einem Altare hinter Troilos sitzt
Athena, die mit der Bechten auf Troilos hinweist und damit- den
Achilleus auffordert, denselben zu überfallen. Zwischen ihr und
Troilos fliegt ein Vogel, eine Tänie in den EQauen haltend, auf
Troilos zu. Hinter dem Diener desselben trägt ein Mann einen ge-
') Klein erwähnt p. 82 bloss a ß t.
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604 H. Luckenbach:
l'allenen Todten davon; vor ihm ist eine Sftule angebracht, die ihn
Ton Achilleus trennt
Durch die Taube, glaubt Jahn a. 0. p. 13. 14, würden wir hin-
gewiesen auf die Liebe, die Achilleus zu dem schönen Ejiaben Troilos
empfinden wird, und glaubt dadurch die Vermuthung Welckers
stützen zu können, dass dieser Zug sich schon bei Sophokles fimd.
Allerdings Iftsst Lykophron 307 — 313 den Achilleus in Liebe zn
Troilos entbrennen; allein wenn man aus den Worten des Phrynichos,
die uns Athenaios XIH, p. 664 c. 18 aufbewahrt hat, <t>puvixöc tc
iiA ToO TpuiiXou i(pr\
XdfX7r€iv trci 7rop<pup^aic irdpija <puic £pwToc
geschlossen hat, das diese Wendung weit älter war und dass Phrj-
nichos disselbe zuerst kannte, so kann ich den Beweis in obigoi
Worten nicht finden^ und mit Klein, p. 87, würde ich am liebsten
die Entstehung der Erzählung bei Lykophron in alexandnnische Zeit
setzen. Weiter stehe ich nicht an, dem Vogel, der zwischen Aihena
und Troilos schwebt, die Bedeutung, die Jahn in ihm sucht, abzu-
sprechen. Denn zunftchst müssten wir doch erwarten, dass der Vogel
auf Achilleus und nicht auf Troilos zuflöge. In einem Vasenbilde,
das den Achilleus im Kampfe mit Memnon zeigt (Overb. XXII, 8),
fliegt ein Vogel mit einer Tänie zu Achilleus hinüber von der Seite
des Memnon und der Troer. Soll auch hier Achilleus das Unglück
haben, sich in den sterbenden Feind zu verlieben, wie in die Amazone
und den Troilos? Wenn femer zwischen waffentragenden Nereiden,
die auf Seethieren reiten, ein Vogel mit langflattemder T&nie in
den Klauen einherfliegt^), so kann doch hier der Vogel keinen Be-
zug auf Liebe in sich schliessen. Aber diese beiden Bilder geben
die richtige Deutung au die Hand. Der Vogel ist nur ein Symbol
des Gelingens, er trägt die Siegesbinde: hier deutet er den Sieg des
Achilleus über Hektor, dort über Menmon an, und anders ist auch
in unserem Bilde der Vogel nicht zu erklären, wenn man ihm nicht
auf diesem späten Bilde jede Bedeutung absprechen wilL Der Altar,
auf dem Athena sitzt, und die Säule hinter Achilleus sollen nach
Schreiber a. 0. p. 202 das Thymbräische Heüigthtmi des ApoUon
bezeichnen. Allein wo Göttinnen sind, pflegt es auch an Altären
nicht zu fehlen; oftmals ist beim Ringkampf des Peleus mit der
Thetis ein Altar abgebildet, und auch hier ist der Altar nur der
Sitz der Athena. Ob die Säule auf ein Heiligthum hindeuten muss,
vermag ich nicht zu sagen; jedenfalls würde sie nur lehren, dass
auch nach Sophokles Troilos am Altare des ApoUon fällt; denn dass
dies die alte epische Erzählung war, werden wir später sehen, ün-
gewiss bleibt es, ob der Diener, der das Gewand des Troilos trägt^
schon bei Sophokles erschien. Denn die Vermuthung Welckers (Gr.
^) Jatta 425; abgebildet Heydemann, Nereiden, Taf. U.
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Verh. d. gr, Vasenbilder z. d. Ged. ± ep. Kyklos. 605
Trag. I, 125 ff.), dass bei ihm der Pädagoge des Troilos eine Bolle
spielte, ist keineswegs gesichert (vgl. Jahn, p. 14). In dem Krieger,
der den Todten davonträgt, möchte Jahn, p. 15, einen Troer erkennen,
der mit dem getödteten Troilos davonzieht. Indessen ist aach diese
Deutung nicht ohne Schwierigkeit, auf die Jahn selbst aufinerksam
macht, da der lebende Troilos nackt ist, der Todte dagegen gerüstet.
Daher scheint es mir nj^thig, zu der anderen Deutung auf Achilleus
und Aias zurückzukehren.
Nähere Betrachtung müssen wir auch dem Vasenbilde ß zu-
wenden. Troilos im Harnisch und mit phrjgischer Mütze bedeckt
steht innerhalb des Brunnenhauses. In der Linken hat er die Zügel
des Bosses, das er mit der Bechten streichelt. Hinter dem auf-
lauernden Achilleus Athena. Vor dem Brunnenhause sitzt ein Jüng-
ling mit einem Palmzweige auf der einen Seite, auf der anderen
eine Frau, die einer zweiten einen Spiegel vorhält. Noch weiter
läuft ein Jüngling mit Panzer und phrjgischer Mütze davon, indem
er den Kopf zu seinem Gefährten umwendet und die linke Hand
gegen ihn ausstreckt; er will ihn offenbar warnen, da er den Krieger
im Hinterhalte erblickt hat. Das Brunnenhaus wird bvU, 1862,
p. 127 mit folgenden Worten beschrieben: Nel mezzo scorgesi mia
edicola con quaUro cohnne, le cui anteriori portano sapra % capUeUi
jonid due sfingi le quaHi sostengono ü tetto; tma iäria nd frontone d
fa rieonoscere la fontana. Aus diesen Worten geht hervor, wie wenig
Gewicht zu legen ist auf die Beschreibung im Arch. Anz. 1863, p.
27*, 72, in der von einer eigenthümlichen Darstellung des innerhalb
des Apollotempels sein Pferd liebkosenden, gerüsteten Troilos die
Bede ist. Auf der Vase ist ein Brunnenhaus, das an die Stelle der
einfacheren Quelle getreten ist Der davoneilende Troer ist vom
Maler hinzugefügt, um die Gefahr, in der Troilos sich befindet,
besser zu veranschaulichen. Der Jüngling mit der Palme sowie die
beiden Toilette machenden Frauen stehen in keinem Zusammenhange
mit der eigentlichen Darstellung.
Die Abweichung, die sich also ergab, war das Fehlen der Poly-
xena in rfgn. Vasenbildem, die den Sophokles zur Quelle hatten.
Dies zu betonen schien um so mehr nothwendig, als bisher nicht
erkannt wurde, dass auch bei Sophokles Troilos zum Brunnen ging,
freilich nicht um die Wasser holende Schwester zu begleiten, sondern
lediglich um sein Boss zu tränken. Dabei ist es sehr wohl denk-
bar, dass in beiden Dichtungen Brunnen und Heiligthum eng mit
einander verknüpft und beide dem Apollon geweiht waren.
n. Verfolgung des Troiloß.
Achilleus ist aus seinem Verstecke aufgesprungen; Poljxena
und Troilos suchen ihr Heil in der Flucht. Die Jungfrau hat ihre
Hydria vor Schreck fallen lassen; sie liegt unter den Füssen der
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606 H. Luckenbach:
Bosse. Sie eilt dem Troilos voran, obwohl dieser beritten ist; ^denn
nur 80 konnten die Künstler ansdrüeken, dass dem Ejiaben, nicht
der Jungfrau zunächst die Verfolgung gelte' (Welcker).
Mit Verweisung auf Klein, p. 84^), übergehe ich eine Beschrei-
bung der sfgn. Bildwerke. Sie geben in Verbindung mit den oben-
erwähnten Worten des Scholiasten, o\ V€iAiT€pot d<p' finrou biuiKÖ-
fievov aChröv diroiTicaV; für die Kyprien folgende Ergänzung an die
Hand: ^Achilleus springt aus seinem Verstecke hervor; der berittene
Troilos und Polyxena suchen ihr Heil in der Flucht; Polyzena ge-
lingt es zu entfliehen'. Dass Polyxena entflieht, können zwar die
Väsenbilder nicht zur Anschauung bringen; da sie indess aller Poesie
zufolge bei der Eroberung Trojas noch lebte, so ist der Schluss von
selbst gegeben. Wenn in fiftst allen Darstellungen die Hydria unter
den Bossen liegt, so darf dieser nebensächliche Zug nicht au& Epos
übertragen werden. Einmal vom Maler eingeführt, konnte dies leicht
typisch werden und sich durch alle Vasenbilder .halten.
Mehrere rfge. Vasenbilder') behalten im Wesentlichen den alten
Typus beu
Besondere Beachtung verdienen einige Vasen, in denen Poly-
xena fehlt.
Klein Nro. 7. Oerhard AV 185. Overb. 353, 24, sfg. Mag
die eine Seite gedeutet werden wie sie will, die andere bezieht sich
auf Troilos. Polyxena und die Hydria fehlen. AchiUeus reisst den
Troilos vom Bosse an den Haaren herunter, in der Bechten das Ver-
derben bringende Schwert haltend. Hinter ihm ist neben einem
Altar die Quelle, die das Wasser durch einen Löwenrachen in ein
Becken laufen lässt. Becht gut könnte man hier die Darstellung
nach der Tragödie erkennen. Allein dem widerspricht das Alter der
Vase^, und so werden wir wohl eine Abkürzung der Darstellung
erkennen müssen, die nur das Wesentliche und Nothwendige gab.
Oleiche Zweifel erheben sich bei zwei anderen sfjgn. Vasen ^), in
welchen ein Mann einen reitenden Jüngling (Knaben) verfolgt, wenn
hier überhaupt an Troilos gedacht werden darf.
unter den rfgn. Vasen erwähne ich besonders die buU, 1870,
p. 185, 18 beschriebene Amphora (Nro. 26): Ein berittener Jüng-
ling, der in der Linken zwei Lanzen trägt und mit einer pkrygi-
schen Mütze bedeckt ist, flieht vor einem gerüsteten Krieger, der in
der Linken Lanze und Schwert trägt und mit der Bechten bereits
die Mütze des Gegners berührt. Die phrygische Kopfbedeckung
lässt wohl keinen Zweifel übrig, dass wir diese Darstellung mit Beeht
^) In dem Verzeichnisse der Vasen bei Klein liegt bei Nro. 6 „Kleine
Amphora in Florenz. BuU. 1870, p. 180'* wohl eine Verwechselung vor
mit der a. 0. p. 186, 18 angefOhrten picccHa amfwa a fiyure rotw. An
die Stelle dieser fälschlich eingereihten setze ich als lifro. 6 München
818. — *) Klein p. 85, Nro. 18. 20. 21. 28. -- ") Zu den beiden Bossen
vgl p. 611 f. — *) München 818. Neapel 2612 » Klein Nro. 14.
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Verh. d. gr, VaAenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 607
auf unseren Mythus beziehen. Der Annahme einer Einwirkung der
Tragödie steht bei dieser Vase nichts im Wege. Ebenso kann man
dieselbe annehmen bei drei weiteren rfgn. Vasen ^), in denen eben-
falls ein Mann einen reitenden Knaben oder Jüngling verfolgt, nur
dass Troilos nicht mit gleicher Sicherheit erkannt werden kann. In
Nro. 19 (Elein) befindet sich hinter Achilleus Altar und Lorbeer.
in. IV. Tod des Troilos und Kampf um seine Leiche.
Auch die Vasenbilder zu diesen beiden Scenen ermöglichen uns
in sicherer Weise, unsere Kenntniss der Kjprien zu erweitem. Es
scheint wünschenswerth, die Besultate hier yoranzustellen: die Be-
grOndung wird nachher in der Betrachtung der Vasen sowie durch
die darangeknüpften Bemerkungen gegeben sein. ^Troilos wird von
Achilleus erreicht und an oder auf dem Altare des ApoUon getödtet.
Achilleus schlagt ihm das Haupt ab; eben hat er die blutige That
vollbracht, als die Troer dem Troilos zu Hülfe eilen (denen Achilleus
den Kopf des Gemordeten zuschleudert?).' Bezüglich des Ausgangs
ist die Vermuthung Kleins, p. 83. 87, äusserst entsprechend, nach
der Achilleus auf Befehl der Götter den Todten seinen Feinden über-
liess. Die Tragödie stimmt im Allgemeinen mit den Kjprien, nur
darüber sind wir im Ungewissen, ob auch in ihr dem Troilos das
Haupt abgeschlagen wurde.
Die Vasen, die in Betracht kommen, sind:
Schwarzfigurig :
A. Overb. 40. XV, 11. Weloker 39. Aroh. Zeit. 1868, p. 86.
112.
B. Overb. 41. Welcker 39. München 65.
C. Overb. 43. München 124.
D. Overb. 44. Br. M. 473. Arch. Zeit. 1856, Taf. 91, 2,
p. 230 f.
Rothfigurig:
E. Overb. 38. XV, 6. Conze, Vorlegebl. V, 6, 2.
F. Overb. 39. XV, 5. Conze V, 6, 1.
G. Arch. Zeit 1871, Taf. 48, p. 57. 71.
H. Jahn, Telephos und Troilos und kein Ende, Taf. 2, mon. X,
22, 2. atmal. 1875, p. 196. Campana IVc, 607.
p. Neapel SÄ. 703].
A. Achilleus hält in der Linken die Hand eines Knaben, der
auf einem Altar steht, und zückt in der Rechten das Schwert, um
denselben zu durchbohren. In der Nfthe der Stadt, über deren
Mauern die Köpfe zweier Troer hervorragen, findet die blutige Scene
statt Aus dem Thore schreitet ein gerüsteter Krieger, während
^) mein Nr. 19 » Overb. 863, 23. Klein Nro. 22 » Neapel 1806.
Klein Nro. 24 » Overb. 867, 26.
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608 H. Lnckenbach:
ein zweiter neben dem Thore steht. Rechts und links die Vorder-
theile von vier Pferden , die ich nur als die Viersgespanne des
Achilleus und eines seiner Gegner betrachten kann. Freilich be-
hauptet Klein p. 86, dass das Viergespann hinter Achilleus wegen
der mythischen Unmöglichkeit diesem nicht gehören kann. ^Offen-
bar ist es Troilos' Gespann; er hat es um den Altar des Gottes ge-
tummelt, hier, nicht an der Quelle, wie die ältere Wendung erzählte,
wird er von Achill über&llen.' Es soll demnach das Bild von der
epischen Darstellung abweichen und in demselben *eine gründliche
Veränderung des Mythos' heryortreten. Auf p. 87 heisst es dann
weiter: ^Später erleidet die Sage eine wesentliche Abktlrzung.
Troilos hat sich auf eigene Faust vor des Thor gewagt, sein Ge-
spann oder seine Reitpferde im Haine des Gottes zu tummeln'. Als
Quelle des Bildes sieht also Klein die Tragödie des Sophokles an.
Allein wenn wir vorhin den Unterschied der Tragödie vom Epos
richtig erkannt haben und in beiden Dichtungen Troilos zur Quelle
ritt, so muss von neuem die Frage aufgeworfen werden, wem denn
das Gespann gehört. Wenn ich richtig urtheile, so dürfen wir nicht
zu grosses Gewicht auf derartige Nebensachen legen. Entsprechend
dem anderen Gespann ist auch dieses gemalt, das wir getrost ftir
Achill in Anspruch nehmen können.^) Aber selbst wenn es dem
Troilos gehören sollte, so wäre damit, wie bemerkt, die Einwirkung
der Tragödie nicht erwiesen, die in dieser sfgn. Hydria zu erkennen
ich Bedenken trage.
Auch in B finde ich nichts, wodurch wir eine Abhängigkeit
vom Epos zu leugnen irgendwie genöthigt würden. Achilleus hält
den nackten Knaben am Beine gefasst, um ihn am Altar, auf dem
ein mit einer Binde geschmückter Dreifuss steht, zu zerschmettern.
Hinter ihm sitzt am Erdboden ein Greis, der die um Troilos Trauern-
den vertritt, gewiss aber nicht als Pädagoge des Troilos zu bezeichnen
ist, wie Welcker und Jahn wollen. Klein nennt ihn Priamos, eine
Benennung, deren Richtigkeit fraglich ist, besonders wenn wir den
ganz ähnlich dasitzenden Halimedes bei der Ausfahrt des Amphiaraos
man. X, 4. 5 vergleichen. Athena steht abgewandt vor den Pferden
eines Viergespanns, das aus dem Stadtthore fährt. Neben demselben
sind zwei Krieger, einer mit phrygischer Mütze, sichtbar.
C. Hektor, Aineias, Deiphobos') und ein vierter Troer, von
dessen Namen nicht mehr lesbare Spuren vorhanden sind, stehen im
Kampfe gegen Achilleus, um ihm den Leichnam des Troilos zu eni-
reissen, der unten neben dem Altar liegt, indess sein Kopf zwischen
den Speeren des Achilleus imd Hektor schwebt. Hinter Achilleus
Athena und Hermes. Das Alter der Vase gestattet nicht, an den
') Vgl. Neapel EC. 205: ein Mann umfasst eine fliehende Fraa.
Daneben die Vordertheile von vier Pferden. Vgl. femer im Folgenden D.
— ■) Zu diesem Namen vgl. Arch. Zeit. 1876, p. 111.
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Yerli. d. gr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 609
Einfluss des Sophokles zu denken, den ich auch aus demselben
Grunde bei dem folgenden Bilde zu leugnen nicht anstehe.
D. Achilleus steht auf den Stufen des Altars; eben erst hat er
die blutige That vollbracht; das Haupt des Troilos hat er noch in
der Rechten, um es den Feinden zuzuschleudem, die herbeigeeilt
sind, um den Leichnam des Troilos, der auf dem Altare liegt, zu
retten. Hinter Achilleus sein Viergespann.
Die rfgn. Vasenbilder führen uns wieder eine frühere Situation
als C D vor.
E und F sind Aussen- und Innenbild derselben Schale des
Euphronios. Während wir in dem anderen, E gegenüberstehenden
Aussenbilde der Schale die Rüstung der Troer vor uns sehen,
schleppt Achilleus in E den Troilos zum Altar, auf dem ein Drei-
fuss steht. Zwei Palmen umgeben den Altar, über dem ein Lorber-
zweig sichtbar ist. Die beiden Bosse des Troilos sprengen davon.
In F ist Achill im Begriffe, den Troilos niederzumachen, üeber dem
Altar auch hier ein Lorberzweig. Ob in E F Drama oder Epos
Quelle ist, weiss ich nicht zu entscheiden. Für das Epos könnte,
wie wir später sehen werden , ein schwacher Anhalt in den beiden
Rossen liegen.
Nur ungenau ist der Mythos in G zum Ausdruck gekommen.
Achilleus stösst dem Troilos, der mit dem verwundeten Rosse ge-
stürzt ist, das Schwert in die Brust; hinter Achilleus entflieht be-
stürzt ein bärtiger Fhrjger, die Streitaxt in der Hand tragend.
Für H hat Jahn a. 0. eine besondere Qualle angenommen, nach
der Troilos im Kampfe als Krieger £el. Denn auf dem Bilde ist
Troilos mit Schwert, Helm und Schild bewaffnet. Die Lanze Achills
hat ihn zu Fall gebracht; aber noch zuletzt versucht er, sein Schwert
zu ziehen. Zu seiner Vertheidigung eilt Aineias herbei. Auf dem
Reverse ist ein Viergespann gezeichnet, welches von Autobnlos ge-
lenkt wird, vielleicht das des Achilleus. Die Inschriften sind im
attischen Alphabete verüisst. Auf die besondere Wendung der Sage,
die sich bei Vergil, Seneca und Qu. Smjmaeus befindet, hat Jahn
mehrere Reliefs zurückgeführt, und es lässt sich nicht leugnen, dass
auch unser Vasenbild sehr gut derselben folgen könnte, wenn nur
irgend welcher Anhalt gegeben wäre, dass dieselbe schon im fünften
Jahrhundert v. Chr. entstanden wäre. Ganz anders urtheilt Klein
p. 85, indem er glaubt, dass die Inschriften aus einer ganz gewöhn-
lichen Kampfscene eine Troilosdarstellung machen. Indessen scheint
mir dies zu weit gegriffen; das jugendliche Aussehen des Troilos
darf doch nicht übersehen werden. Von Wichtigkeit erscheint mir
ferner, dass Troilos nicht wie Achilleus und Aineias mit dem Panzer
gerüstet ist, da eine theilweise Bewaffhung des Troilos wenigstens
in den meisten Vasenbildem, die der Tragödie folgen, vorhanden ist.
Indem ich daher weder Jahn noch Klein beipflicht^i möchte, erkenne
ich vielmehr eine ungenaue Wiedergabe des Mythos,
Jahrb. f. oUm. Phil. Suppl. Bd. XI. 3U
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610 H. Luckenbach:
Mit einem sehr geringen Grade von Wahrscheinlichkeit wird I
auf Troilos gedeutet: auf einem Altare sitzt ein Jüngling, flehend
die Rechte dem ihm gegenüberstehenden Jünglinge entgegenstreckend,
der, lorberbekränzt und mit der Chlamys versehen, ein Schwert
schwingt.
Nach Aufzählung der Bildwerke füge ich zur näheren Erlftu-
terung der obigen Bückschlüsse für die Gestaltung des Epos folgen-
des hinzu.
Dass Troilos an oder auf dem Altare flQlt, zeigen die sfgn.
Vasenbilder A — D, ferner die rfgn. E P I. Da ferner in B (sfg.)
und E (rfg.) ein Dreifuss auf dem Altare steht und in £ F (beide
rfg.) über demselben ein Lorberzweig sichtbar wird, so fült Troilos
am Altare des ApoUon.*) Ob dieser Altar mit dem Thymbrftischen
Heiligthum des Apollon identisch ist, lässt sich aus den Vasen na-
türlich nicht bestimmen, und übergehe ich deshalb diese Frage.*)
^Achillens schlägt dem Troilos das Haupt ab.' Wir werden
nicht irre gehen, wenn wir aus C und D diese Folgerung aufs Epos
machen. Zeigten die beiden Bilder denselben Typus, so würde sie
gewagt sein, jetzt aber ist sie unbedenklich, da die Bilder bei dem-
selben Gesammtinhalte doch in allen Einzelheiten verschieden sind.
Denn in C hat Achilleus den Kopf bereits weggeschleudert, in D
hält er ihn noch in der Hand, schickt sich aber gerade an, ihn den
Gegnern zuzuwerfen. In 0 kämpft er mit den Feinden, in D hat
er noch die Speere in der Linken. Statt der Götter dort, das Vier-
gespann in D. Der Altar ist ganz verschieden geformt; in C sieht
er einem Omphalos ähnlich, in D ist er mit Stufen versehen; in C
liegt Troilos am Boden, in D auf dem Altar: in C ist derselbe weiss
gemalt, um die Zartheit des Körpers hervortreten zu lassen, in D
ist derselbe nicht besonders durch die Farbe hervorgehoben; kurz
die Darstellungen sind in allem so verschieden, wie sie es bei dem-
selben Inhalte nur sein können. Gehen sie aber nicht auf einen ein-
mal gebildeten Typus zurück, so haben sie jedes für sich beson-
deren Werth und für uns doppelte Geltung. Wenn nun endlich auch
auf etruskischen Aschenkisten') ebenfalls Achilleus dem Troilos das
Haupt abgeschlagen hat, so geht dies zur Evidenz auf die gleiche
Quelle, d. h. auf Stasinos, zurück. Leicht könnte man geneigt sein,
noch einen Schritt weiter zu gehen und vermuthen, dass auch im
Epos Achilleus den Kopf des Troilos den Feinden zuschleuderte:
denn in einem Bilde hat Achilleus dies bereits gethan, im andern
schickt er sich dazu an. So wahrscheinlich indess mir es ist, dass
*) Auch in Nr. 7 und 19 (Klein) war ein Altar, in 19 auch ein
Lorberzweig. — ') Vgl. Welcker, alte Denkm. V, p. 448; Weizsäcker,
Rhein. Mus. 1877, p. 66 ff. Die von letzterem vorgebrachten Gründe
scheinen mir nicht gleichwerthig, z. Th. sogar falsch zu sein. — *) Schlie,
etrusk. Aschenumen, p. 113, führt dieselben aufs Epos zurück, anders
Schreiber p. 206.
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Verb. d. gr. Yasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 611
auch schon der Dichter diesen Zug kannte, bestimmt möchte ich es
nicht behaupten, da es wenigstens ' denkbar wäre^ dass die beiden
Maler, unabhängig Ton der Dichtkunst, jeder für sich zu ihrer Dar-
stellung gelangten. Dass in B Achilleus den Knaben am Beine ge-
fasst hftlt, um ihn am Aljiare zu zerschmettern, kann nichts gegen
den fest normirten Satz, dass Achilleus dem Troilos das Haupt ab-
schlug, beweisen.
^ Troer eilen dem Troilos zu Hülfe.' Schon in Bildern, welche
den Achilleus im Hinterhalte zeigten, glaubten wir eine Andeutung
der Hülfe zu finden, die dem Troilos zu spät sollte zu Theil werden
(b d e f g h). In g war der Vertreter der Troer <t>WK0C benannt.
Deutlicher rücken dann in der Fran9oisyase (Klein Nr. l) Hektor
und Polites aus, um ihrem Bruder Hülfe zu bringen. In A B D
eilten unbenannte Troer herbei; in H Aineias; in C kämpften Hektor,
Aineias und Deiphobos. Trotz dieser Namen glaube ich nicht, dass
wir für einen Helden bestimmt seine Theilnahme am Kampfe er-
weisen können. Dass die Fran9oi8Yase zunächst ohne jede Autorität
in dieser Beziehung ist, zeigt der Vergleich mit den Namen, die auf
derselben Vase den Wettfahrem bei den Leichenspielen des Patro-
klos beigeschrieben sind. Dass Hektor, der auch in D wiederkehrt,
beim Kampfe betheiligt war, ist ja an und für sich ganz glaubhaft,
nur kann es nicht aus den Vasenbildem gefolgert werden: wenn die
Vasenmaler nicht bestimmte Personen des Epos im Kopfe hatten,
so lag ihnei} keiner näher als gerade Hektor, und wir wissen zur
Genüge, wie gerade bei Kampfesscenen mit Namen verfahren wurde.
Auch fffir den Aineias scheint das doppelte Zeugniss in C und H zu
sprechen. Allein selbst wenn H dem Epos und nicht der Tragödie
oder einer anderen Quelle folgte, könnte auch seine Gegenwart zu-
fällig sein. Wir müssen uns damit begnügen, dass Troer dem
Troilos zu Hülfe eilen; wer dieselben waren, lässt sich mit Sicher-
heit nicht bestimmen.
Alles weitere, was die Vasenbilder an die Hand zu geben
scheinen, kann ebensowohl mit dem Dichter stimmen, als auch ihm
entgegen sein. Ob z. B., um nur eins anzuführen, Achilleus den
Troilos an den Haaren vom Bosse riss, oder ob dieser von dem-
selben herunterstürzte, oder ob endlich das Boss mit ihm zusammen-
brach, lässt sich aus den Vasen nicht folgern.
Wir erwähnten schon oben, dass Troilos bald mit einem Bosse,
bald mit zweien ausgeritten ist. Ein näheres Zusehen lehrt, dass
in fast allen Bildern, die sich mit Sicherheit aufs ETpos zurück-
führen lassen, mögen sie schwarz- oder rothfg. sein, zwei Bosse ge-
malt sind^), dagegen in allen, die mit Sicherheit oder Wahrschein-
^) Ausffenommen sind nur g (cäretanisch). 16. 17. Dem Drama fol-
gen yielleicnt 5 (s» München 313). 14, deren Beziehung auf Troilos jedoch
nicht über allen Zweifel erhaben ist. Das Nähere von 6. 18 ist mir un-
bekumi
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612 H. Lnckenliach.*
lichkeit der Tragödie folgen, nur ein Boss.^) Schreiber a. O. p. 203
hat geschlossen, dass Troilos iift Epos die Bosse seines Vaters hin-
ansftLhrte, in der TragjSdie dagegen nur mit einem Bosse Troja yerliess«
um mit dem letzteren za beginnen, so kann ich nnr mit Schreiber
fibereinstimmen. Wenn der Schol. Dias Q 257 berichtet ^vreöOev
Co90KXf)€ iv TpoiXiji qn^ctv auröv XoxTiOiTvai*) uiro *AxiXX^uk
iTTTTOuc TU|uiv6ZovTa TTopa To Gu^ißpaiov Kai äiroOcrveiv nnd
Enstathias sagt 6v qMXCiv fiiTTOuc dv tw Oufxßpatui Tu^vä2[ovTa
XÖTX^ TT€C€iv xmö 'AxtXXduic, so haben wir gewiss nicht das Becht,
den Plural besonders zu pressen und daraus zu entnehmen, dass
nach Sophokles Troilos mit zwei Bossen auszog; die Worte sind
ganz allgemein zu nehmen: Troilos war eben der ^Bossetnmmler'.
In den übrigen Vasen finden wir meist zwei Bosse: ist deshalb nun
der Schluss Schreibers gestattet? Ganz gewiss nicht Wenn wir
sehen, wie der Künstler nicht das homerische Zweigespann, sondern
das Viergespann malte, dann wird er doch auch wohl nach seinem
Belieben dem Troilos ein oder mehrere Bosse gegeben haben. Ja
wir dürfen sogar sagen, dass, wenn Troilos im Epos mit zwei Bossen
ausgeritten wftre, deshalb der Künstler sich nicht im mindesten
gebunden haben würde, ebensowenig wie er es uns jemals ver-
anschaulicht hat, dass die Geehrten des Odjsseus jeder unter den
mittelsten dreier Widder angebunden entrannen. Aber es war tarn
einmal korinthische Sitte, zwei Bosse zu malen. In den korin-
thischen Kampfscenen warten die Knappen mit zwei. Bossen; wo
aber ein C&retanischer Künstler malt, finden wir nur eins; und auch
in g, einer in Caere gefundenen Vase, ist Troilos mit einem Bosse
ausgeritten (vgL annal, 1866 p. 275 — 291). Dass aber auch in
den rfgn. Vasen, die dem Epos folgen (Nr. 18. 20. 21. 23), zwei
Bosse sind, rührt daher, dass eben den Attikem die peloponnesischoi
Typen vorlagen. Wo dies nicht der Fall war, und sie selbstftndig
nach dem Drama zeichneten, wählten sie nur ein Boss. An und für
sich sollte man doch voraussetzen, dass Stasinos den Troilos mit
dem Bosse ausziehen Hess, auf dem er eben reitend sass, und dies
ist denn auch meine Ansicht« Die Vasenbilder k{)nnen jedenfieklls
uns nichts lehren. ErwShnt sei noch, dass auch in den etruskischen
Aschenkisten immer nur ein Boss vorhanden ist, und dass es beim
SchoL Q 267 hiess o\ veurrepoi (d. L Stasinos) ^9' Iirirou biiUKÖ-
|Ll€VOV ktX.
Bisher habe ich es yermieden, von der Bewaffnung des Troilos
zu sprechen; Schreiber hat es p. 294 zu Besultaten gebracht, die
z. Th. Wahres in sich schliessen, in ihrer Uebertreibnng jedoch
falsch sind« Ausgehend von Nr. 23, wo Troilos auf der Flucht sich
gegen Achilleus umwendend mit offenbarem Ungeschick in beiden
*) a— €. 19. 22. 24. 26 (=-6««. 1870 p. 186, 18). — ») So Cavedoni.
öxcuefivai codd. XorxcuOflvai Welcker. Xoxcuefjvai (?) Klein p. 79, 2.
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Yerh. d. gr. Yasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 613
Hftnden zwei Lanzen führt, mit denen er, wie es scheint, einen
schwachen Versach zu seiner Yertheidigung macht, erblickt Schreiber
hierin einen neuen Zug der Tragödie. Auf die gleiche Quelle wer-
den h. k. T- 2. 8 (= Schreiber Nr. 4 und 5). 15. 20. de Laborde, vases
Lamberg I 96*) zurtlckgeftthrt, in denen Troilos eine oder zwei
Lanzen führt, femer a, wo der Sklave die Lanze des Herrn häli
Diesen hätte Schreiber noch €, wo der Jüngling mit einer, und b,
sowie Nr. 25, in denen er mit zwei Lanzen bewaffnet ist, beifügen
können. Da im Epos nach Schreibers Ansicht, die ich übrigens
theile, Troilos unbewaffnet auszog^ so müssen diese Bilder alle we-
nigstens in Bezug auf die Lanze, aufs Drama zurückgehen.' Zwei
Consequenzen zu ziehen, scheut sich Schreiber nicht.
1. Dah. k. 2. 8. 15. vases Lamberg I 95 sfg. sind, so müssen sie
archaisiren.
2. Da h. k. 2. 8. 15. 20. 23 im übrigen dem Epos folgen — denn
weder Polyxena noch der Krug fehlen*) — , so haben die Bemaler
dieser Yasen zwar den alten Typus beibehalten und sind dem Epos
gefolgt; nur den einen Zug, dass Troilos eine Lanze trägt, über-
trugen sie aus der Tragödie in die Darstellung hinein.
Eine weitläufige Widerlegung dieser Ansichten halte ich für
unnöthig. Yergebens bemüht sich Schreiber, zu beweisen, dass die
betreffenden Yasen bald mit mehr, bald mit weniger Glück archai-
sirt haben. Nicht weniger als 6 Yasen sollen ferner den neuen Zug
der Tragödie in die alten Darstellungen übertragen haben, da man
die Poljxena nicht missen wollte. Und welches ist der neue Zug
des Dramas? Nun Troilos hält die Lanze in seinen Händen. Man
wird glauben, dass er sich muthig vertheidigen wird. Allein dies
ist keineswegs der Fall. Er hat sie bloss in Händen, um — keinen
Gebrauch davon zu machen. Weshalb der Künstler dazu des Dra-
mas bedurfte, um dem Troilos eine Lanze in die Hand zu geben,
ist schwer einzusehen.
Auffallender dagegen ist es, dass in den Yasenbildem, die sicher
aufs Drama zurückgehen (^—e)^ Troilos bewaffnet ist; da er in t
b € eine oder zwei Lanzen trägt/ in a sie vom Diener tragen lässt
und in ß mit einem Panzer gerüstet ist. Auch in Nr. 25, das wahr-
scheinlieh dem Drama folgte, trägt Troilos in der Linken zwei Lan.-
zen, und endlich war er in H mit Helm, Schild und Schwert bewaff-
net. Diese Thatsache legt allerdings den Schluss nahe, dass bei
Sophokles Troilos bewaffnet war, d. h. dass er auszog, um sich im
Speerwerfen zu üben; aber den stricten Beweis halte ich durch diese
Yasen noch nicht für erbracht.
^) Achilleus liegt verborgen hinter Beinern Schilde. Troilos sitet
bewaffnet zu Pferde. Der Brunnen und Polyxena fehlen. — *) In Nr. 15
auB Miflsverständniss statt der Polyzena eine Amazone.
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614 H. Lackenbach:
%. 14. Die Aithiopis.
Memnon.
Ausser Arktinos hatten Aischylos und Sophokles die Sage vom
AethiopenfÜrsten Memnon behandelt, Aischylos in seinem Memnon
und in der Psychostasie; Sophokles im Memnon und in den
Aethiopen.*)
Es wird wünschenswerth sein, das, was uns die literariscbe
Ueberlieferung für das Epos an die Hand giebt, zusammenzustellen.
Proklos überliefert xai 6^Tic tuj Traibi xd Kaxä xöv M^fivova npo-
X^Tcr Kai cu^ßoXnc T€VO^i^VTic 'AvxiXoxoc uirö M€^vovoc ävaipcirai,
fTTCixa 'AxiXXeuc M^^vova xxeivei. Kai xouxip ^kv 'Hüjc ttopa Aioc
aixr)ca^^VTl dOavaciav bibuici. Einen Theil dieses Inhalts giebt
uns auch das von Jahn (Bilderchroniken Taf. III, D^) publicirte
Marmorfragment, welches nach der Dichtung des Arktinos verfertig
ist. Es heisst daselbst Md^vuiv 'AvxiXoxov diroKxeivei. 'AxXXeuc
M^livova diTOKxeivei.
Welcker hat diese lückenhafte Tradition zu ergänzen gesucht
(Ep. Cycl. U, 173 ff.)- Die Wahrsagung der Thetis habe sieb ge-
wiss nicht auf den Memnon beschränkt, sondern habe das Vordringen
des Achilleus bis in das Skäische Thor und dessen eigenen Tod um-
fasst. Deshalb habe sich anfangs Achilleus ganz vom Kampfe zu-
rückgehalten und sei erst nach dem Falle des Antüochos^ um diesen
zu rächen, in den Kampf gezogen. Der Beweis fUr diese Hypothese
scheint mir nicht erbracht. Dass Thetis dem Achilleus auch den
eigenen Tod als Folge Ton Memnons Tode darstellt, liegt keines-
wegs so auf der Hand, wie Welcher meint. Damit hängt zusammen^
dass Achilleus sich gar nicht vom Kampfe zurückgehalten zu haben
braucht; auch Qu. Smyrnaeus lässt den Achüleus auf der anderen
Seite kämpfen und ihn erst später zur Vertheidigung des Sohnes
gerufen werden (II, 388 ff.). Die Berufung auf Philostratos Her. 3, 4
ist nicht von grossem Gewichte^), und wenn Welcker glaubt, Arkti-
nos habe nach Analogie des Homer gedichtet und an die Stelle des
Patroklos den Antilochos gesetzt, so ist diese Annahme durchaus
unnöthig; und es lässt sich nachweisen, dass die Nachahmung
Homers seitens der Kykliker bei weitem nicht so ausgedehnt war,
wie Welcker annimmt. Wie sich indess dies verhalten mag; jeden-
falls kämpft Achilleus mit Memnon, um seinen Freund am Feinde
zu rächen.
Weiter sagt Welcker a. 0. p. 175: ^Aus Aischylos und llber-
einstimmenden alten Kunstwerken müssen wir femer schliessen, dass
0 Vgl. G. Hermann opusc. VII, 343 ff. Welcker, Trilogie p. 430;
Tragödien I, 136. Kitzsch, Sagenpoesie p. 607. — *) Dieser könnte z. B.
aus Aischylos geschöpft haben, wie mir wahrscheiiilich ist
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Verb. d. gr. Vasenbilder z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 615
die Psychostasie vom Kampf des* Acbilleus mit Hektor auf diesen
andern grossen Entscheidungskampf von Arktinos übertragen war/
Dazu bemerkt er in einer Note, der Granunatiker, der zu Homer
6 70 und X 210 den Aiscbylos dies aus Homer schöpfen lasse, habe
des Arktinos uneingedenk sein können. Allein die Annahme Welckers,
die AnklaDg gefanden zu haben scheint^), entbehrt des Beweises«
.Es hätte doch für den Scholiasten nahe gelegen, die Stelle des
Arktinos herbeizuziehen und aus ihm direct den Aiscbylos, dagegen
nicht aus der Hias schöpfen zu lassen. Entscheidend jedoch scheint
mir eine Stelle bei Plutarch de audiendis poetis 16 F, die ich hier
wörtlich wiedergebe. ToiaOia TOp ^CTiv, S TiXotTTOUciv djcövTec oi
TToiTiTai. TTXeiova bi. & jif| TiXaTTovrec dXX* olö|ievoi Kai boHot-
Zovrec aöroi Trpocavaxpwvvuvrai tö HieOboc f||iTv olov im toö
Aide elpiiKÖTOC 'OjLxf^pou
^v b* iTiGei b\5o Kflpe xavriXeTeoc GavdToio
xfiV \lkv *AxiXXflOC xflV b ' "eKTOpOC ITTTTObdliOlO,
?XKe bk ixicca Xaßiiv. pi-ne b* *'eKTopoc aTci|iov fjjLiap
uixero b' elc 'Atbao, Xmcv bl ^ OoTßoc 'AttöXXuüv
TpaTiüöiav 6 AtcxuXoc 8t<r\v t(|> jiü0iü Trepi^GnKev tmfp&\\fac vpuxo-
cxaciav kqi irapacrricac raic irXdcTiYHi loO Aiöc fvOev jixtv ttjv
G^Tiv fvGev bk Tfjv 'Hw beo|i^vac vnkp toiv uWuüv liaxoji^viüV toöto
bk TravTi bnXov öxi |iu0O7ToiTma Kai irXdcina Trpöc fibovfjv f^ ^KTtXTigiv
dKpoaToG T^TOV€. Es wäre doch sehr bedenklich, anzunehmen^ dass
Plutarch sowie die Scholiasten die Stelle des Arktinos übersehen haben
sollten, an dessen Erzählung sich Aiscbylos zunächst halten musste.
Aus den Stellen scheint mir die Schlussfolgerung unabweisbar, dass
Arktinos die Psychostasie nicht kannte*). Aus den Worten des
Plutarch aber gewinnen wir über die Darstellung des Aiscbylos
weiteren Aufschluss : um Me Wage des Zeus treten Thetis'*und Eos
und bitten für ihre Söhne.
Nachdem Memnon gefallen, heisst es bei Proklos weiter Kai
TOUTi}) \iky 'Hujc Trapd Aiöc alxTicaiadvTi dGavaciav bibuici. Diese
Worte, meint Welcker, Hessen sich nicht anders verstehen, als dass
Eos den Sohn an einen Ort getragen habe^ der für unsterbliches
Dasein bestimmt war. Allein auch hier ist der Schluss Welckers
nicht zwingend; nichts würde im Wege stehen, dass andere den
Memnon daTontrugen, z. B. Titvoc und OdvaTOC auf Geheiss des
^Zeus oder Windgötter auf den Befehl der Eos, wie Qu. Smymaeus
es uns schildert (ü, 649).
») Vgl. E. B. annäi, 1867, p. 118. Preller, Gr. Mythol. II, p. 437 —
') Richtig bemerkt Welcker in seiner Trilo^ie p. 432 : 'die vorzüglichste
Erfindung des Aischylos war die Psychostasie nach dem Muster derllias'.
Dass Qu. SmymaeuB die PsychosiEusie kennt (II, 639), kann natürlich
nichts für den Arktinos beweisen.
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616 H. Luckenbach:
Die Bosse des Memnon.
Wie aas den Fröschen des Aristophanes (v. 963) hervorgebc,
hatte Aischylos auch die Bosse des Memnon besungen. Enripiaes
wirft an der betreffenden Stelle seinem grossen Gegner vor, dtLSS
er M^fLivovac Kiübiüv09aXapOTTi{)Xouc geschaffen habe. Menmons
Bosse trugen also bei Aischylos als Bnistschmuck Schellen. Wenn
Welcker, ep. Cjcl. II, p. 173, von einem Beitpferde des Memnon
spricht, welches Aischylos und yermuthlich vor diesem Arktinos be-
sungen hätten, so ist dies eine unbegründete Annahme. Für das
Epos bin ich eher geneigt, eine Schilderung des Bossegespannes
als des Beitpferdes vorauszusetzen. Wie in der Ilias die herrlichen
Bosse des Bhesos besungen werden, so mögen in der Aithiopis die
des Memnon als schön gepriesen worden sein. Freilich sehen wir
in einem rfgn. Yasenbilde, Overb. XXI, 16, den Memnon in asiati-
scher Tracht auf springendem Bosse dahinziehen; ihm voran eilt zn
Fuss in gleicher Tracht ein Genosse die Streitaxt schwingend, ein
anderer Krieger in gewöhnlicher Tracht folgt ihm. Aus diesem
Bilde kann jedoch nichts gefolgert werden, weder fUr das Drama,
noch fürs Epos. Wenn ferner in einem andern Bilde, Overb. 515,
37, zwei Beiter mit eingelegter Lanze auf einander eindringen, so
ist es Willkür, darin den Zweikampf des Achilleus und Memnon zu
sehen. Hätte der Künstler einen bestimmten Kampf im Auge ge-
habt, so würde er wie auf dem Beverse so auch hier wohl In-
schriften verwandt haben.
Die Bitte der beiden Mütter vor Zeus
führen uns mehrere Kunstwerke vor.^) Da in der Aithiopis Thetis
ihren Sohn vor dem Tode des Antilochos von der Zukunft unter-
richtet, so fällt die Bitte der Thetis für den Arktinos von
selbst weg.
Der Kampf des Achilleus und Memnon
ist in einer grossen Anzahl von Yasenbildem dargestellt. Man hat
meist jeden Kampf auf diese beiden Helden bezogen, in dem zwei
Frauen zugegen sind; mit welchem Bechte will ich hier nicht auf
jedes einzelne Bildwerk untersuchen. Um zunächst bloss von den
sfgn. Bildwerken zu reden, so liegt oftmals der Leichnam des Anti-
lochos zu den Füssen der Kämpfenden, z. B. Overb. 517, 43 — 45.
520, 50. 51. 53. München 328. Neapel 2781. buU. 1870 p. 187, 32;
in anderen fehlt derselbe, ohne dass dadurch die Deutung zweifel-
haft wird. Um den Antilochos müssen also auch im Epos
die Helden gekämpft haben.
*) Paus. V, 22, 2. Overb. 626, 66. XXXII, 10. Overb. 629, 69.
Gerhard, Spiegel 396.
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Verh. d. gr. Vaaenbilder a. d. Ged. d. ep. Kyklos. 617
Oft ahnen wir den Ausgang des Kampfes dnrch die Bewegung
und Haltung der dabeistehenden Mütter. Eos wendet sich ab
(Overb. 521, 58), verhüllt sich (Neapel SÄ. 120), legt bestürzt die
HSnde aufs Herz (Overb. 520, 49), stürzt sich zwischen die Käm-
pfenden (Overb. 519, 48) oder äussert irgendwie ihren Schmerz.
Thetis dagegen treibt oftmals durch ermunternde Bewegungen den
Sohn zur Vollendung des Sieges an. Ohne Zweifel waren auch im
Epos die beiden Mütter erwähnt, in welcher Weise, ist nicht zu
sagen, und die Vasenbilder erlauben uns keinen sicheren Schluss
aufs Epos zu machen. Es sei jedoch gestattet, die Verse des Qu.
Smjm. anzufahren:
i\iq>\ G^Tiv Nnpnoc uTrcpOuMOio eurarpec
ößpifiou d|uiq)* 'AxiXfJoc 15' äcTrera b€l^alvovTo,
beibie b* *HpiTev€ia q)iXi}i Trepi traibi Kai aini\
iTmoic d^ßeßauia bi'- alWpoc (11, 498 ff.).
Im Unterschiede von den sfgn. Vasen finden wir in den späteren
Vasen niemals den Antilochos; wohl deshalb, weil in der Psycho-
stasie des Aischylos nicht um den Leichnam des Antilochos ge-
kämpft wurde. Im Memnon des Aischylos wurde der Aethiopen-
fürst als Sieger über den Antilochos gepriesen, er selbst unterlag
in dem zweiten Drama, der Psychostasie, dem Achilleus. Folgende
rfge. Darstellungen sind mir bekannt geworden:
A Overb. 523, 60. XIX, 4. Br. M. 786*
B „ 523, 61. Br. M. 836
C „ 525, 63. Br. M. 811
D Arch. Zeit. 1871 p. 11 und 168
E Overb. 524, 62. XXII, 8
P „ 526, 64
G Man, VI, 5a. armäl. 1857 p. 118.
Von diesen weisen uns P und 0 mit Sicherheit auf das Drama,
da in ihnen die Psychostasie mit dem Kampfe verbunden ist. Die
Psychostasie geben uns dann noch zwei weitere Vasen:
H Overb. 527, 65. XXII, 9 rfg.
I Bidl 1865 p. 144 sfg.
Auch in der letzteren kämpfen Achilleus und Memnon. Wenn
wir vorhin Becht hatten, dass wir die Psychostasie aufs Drama zu-
rückfUhrten, so ist I eine der wenigen sfgn. Vasen, die das Drama
als Quelle benutzt haben.
Das Innenbild von G zeigt uns neben einem Altare einen
Jüngling mit einem Gefässe (Salbgefäss ?) in der Hand, der die
linke Hand erhoben und in den Nacken gelegt hat und sich mit
einer Frau unterredet. Der Heransgeber erinnert an die Worte des
Proklos Kttl e^Tic Ttf» traibl rd Kaxd töv M^^ivova TrpoX^Tei
(L. Schmidt, amcd. 1857 p. 121 — 123). Bezüglich des Altars er-
innert er sodann daran, dass kurz vor dem Zweikampf Achilleus in
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618 H. Lnckenlmeb:
Lesbos von dem Morde des Thersiiee gesfilmt war. Letzteres be-
darf keiner Widerlegong; dass aber der Inhalt des Bildes über-
haupt nicht das gibt, was Schmidt darin sehen will, wUrde mir auch
dann gewiss sein, wenn die Anssenbüder nicht nach der Tragödie,
sondern nach der Aithiopis gemalt wären.^)
Enffihrnng der Leiche Memnons.*)
Am schwierigsten bezüglich ihrer Quelle ist das ürtheil über
die Darstellungen, die xms die Entführung der Leiche Memnons
zeigen. Für Arktinos, sahen wir, yerlSsst uns die schriftliehe Tra-
dition; nach einer Tragödie, wie allgemein angenommen wird, der
des Aischjlos, hob Eos den todten Memnon auf und flog mit ihm
davon: PoUux IV, 130 f| bk T^pavoc mx&vr\\ia tcny ix ^eTCuipou
KaTaq>€p6M€V0v i(p* äpiraTQ cui^aToc, & loixPVf^^^ 'Huic äpnä-
Ziouca TÖ cüj^a. Nadi Qxl Smyinaeus führen auf Geheiss der
Thetis Winde (diiTai) den Memnon davon und tragen ihn zum
Flusse Asepos, an dem die Aethiopen ihn bestatten (II, 549 ff.
568 f. 580 ff. 586 ff. 642 f.). ') Neben diesen Berichten gibt es eine
dritte Nachricht, der zu Folge die Aethiopen sich des Leichnams be-
mächtigten, ihn verbrannten und die Asche dem Tithonos zutrugen.
So erzfthlt Diodor 11, 22, 5; derselbe nennt jedoch den Memnon
einen König der Assyrier; seine Quelle gibt er an mit den Worten:
trepi M^v ouv toO M^^vovoc ToiaOr* iv xaic ßaciXiKaic dvorpa-
q>aic icTopcicOai q>aciv o\ ßdpßapoi. An diese Version, die sich
bei Diodor findet, glaubt Benndorf, schliesse sich vielleicht ein Va-
senbild mit schwarzen Figuren an (Benndorf, Ghiech. und SiciL Vas.
n. Tai 42, 2 p. 88): zwei Mohren mühen sich ab, den Leichnam
des Memnon aufzuheben, über dem eine geflügelte Figur schwebt,
die Benndorf als Ker bezeichnet. Es fragt sich nur, welche Quelle
dem Vasenmaler zu Grunde gelegen hat Fürs Epos wie für die
Tragödie nimmt Benndorf selbst eine andere Version an: es bliebe
also nur Localsage oder etwa eine lyrische Quelle: denn man wird
nicht annehmen wollen, dass der Maler etwa nach einem historischen
Vortrage sein Bild angefertigt habe. Allein es ist meiner Ansicht
nach ganz unthunlich, hier von einer besonderen Version reden zu
wollen. Diodor sowie Dictys IV, 8 und Tzetzes, Pi>sth(}m, V, 345 ff.,
die den Memnon von den Seinen davongetragen werden lassen,
müssen hier ganz aus dem Spiele bleiben. Einer schriftlichen Ver-
sion folgte der Maler nicht; dass aber Memnon in der Schlacht ge-
fallen war, wusste er, und was war natürlicher, als dass er ihn
von zwei Mohren davontragen Hess? Für die Vasenmalerei
*) Achilleus auf dem Seitenbilde ist blLrtig; der JüDgUng im Innern
unbartig. — ") 8. Seite 637, Nachtrag. — ») Qu. Sm. IV, 6 fahren Wind-
ffOtter ('Avcfioi) den Glaukos nach Lykien. AfUhol. PcdaL II, 775, 85S
rahien Zephyrlafte die Seligen nach Elysium.
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YeriL d. gr. Yasenbilder e. d. Oed. d. ep. Kyklos. 619
war dies ein günstiger Gegenstand» in der Poesie war eine andere
Scliildenmg. Wie beliebt es war, den Meninon zwischen Mohren
darzustellen, zeigen zwei httbsche sfge. Bildchen, welche uns den
Meninon nmgeben Ton zwei kransköpfigen Mohren vorführen. ^) Aat*h
Polygnot hatte in satner Nekyia den Memnon durch einen neUn-
ihm stehenden Aithiopenknaben charakterisirt (Pausan. X, 31, \
Die übrigen Darstellungen zerfallen in zwei Gruppen; in de
ersten trfigt Eos, in der zweiten tragen zwei geflügelte, ganz gerüstet
Dämonen den Memnon davon. In beiden Gruppen sind schwarz- un^
rothfge. Bilder zu verzeichnen. •
I. Eos trägt den Memnon davon:
A Overb. 532, 72. XXU, 11.
B Heydemann, Griech. Yas., Hilfstaf. 1.
C Fröhner, chaix de vases grecs, pl, 2, musSes de France, pl
10. Conze, Yorlegebl. YI, 7.*)
A ist sfg., die übrigen rfg. In A und C sind Eos und Memnon
durch Inschriften bezeichnet, so dass an der Deutung kein Zweifel
sein kann.
n. Weniger deutlich sind die beiden Yasenbilder, in denen ein
Leichnam von zwei Dämonen davongeführt wird:
D Arch. Anz. 1863, p. 24* Ö6. hdl. 1864, p. 175.
E Br. M. 834. Overb. 533, 75. XXII, 14.
D ist sfg., E rfg. In E umgeben die Mittelgruppe zwei Frauen,
die eine durch das KiipuxeTov als Iris charakterisirt, die andere als
Eos gedeutet Wer aber sind jene Dämonen? etwa Tirvoc und
OdvaTOC? Dann würde man in D ebensogut mit Heibig den Sarpedon
erkennen können; für E könnte die Deutung auf Memnon beibehalten
werden, und man würde sagen, dass die für den Sarpedon ausgebildete
Art auf den Memnon übertragen sei; vielleicht aber würde auch
£ auf den Sarpedon zu beziehen sein; Iris wäre an ihrer Stelle,
und mit der anderen Frau müssten wir uns wohl oder übel abfinden.
Allein ausser dieser letzten Schwierigkeit können auch die Dämonen
schwerlich ''Ynvoc und 6ävaT0C sein. In zwei rfgn. Yasen sehen
wir den Hypnos und Thanatos, geflügelte Jünglinge, die nackte
Leiche des Sarpedon davontragen; in einer derselben ist Hypnos
durch die Inschrift als solcher deutlich.
a. M<m. YI, 21. anncd. 1858, p. 371.
ß. Beserve är. de Luc. Bonap,, p. 13, nro, 52. Arch. Zeit.
1846, p. 285, 17. 1853, p. 109.
Wenn Brunn in a wegen des auf Achilleus bezüglichen Gegen-
bildes hier lieber den Memnon, den Gegner des Achilleus, als den
>) A München 541.
B Overb. 613, 29. Br. M. 654*.
') Catai. Pourtales-Crorgier 197 » eatcd, är. nro. 70 ist gleichfalls auf
EoB und Memnon bezogen ; eine fliehende Frau weist indess eher auf den
Eaub des Eephalos lun.
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620 H. Lackenbach:
Sarpedon erkennt, so entbehrt die Deutung jeden Beweises und, wie
ich glaube, jeglichen Haltes. Dass Menmon von Schlaf und Tod davon
geführt wird, ist weder durch schriftliche Tradition erzfthlt uoch bis
ÄQtzt in Vasenbildem nachgewiesen. Zu Gunsten tou Bronns Er-
soürong, glaubt Benndorf^), lasse sich anftihren, dass das Schema
m Hjpnos und Thanatos auch anderweitig verwandt und in gene-
dll poetischem Sinn auf Bestattnngsscenen fibertragen worden seL
illein dies beweist nichts f&r unser Vasenbild; die Beziehung, die
3runn zum Beverse sucht, ist dazu eine so lockere, dass dadurch
die Deutung nicht als erwiesen gelten kann. Erst muss das einzelne
Vasenbild aus sich gedeutet werden, und dann erst mag man sehen,
ob irgend ein Ideenzusammenhang mit dem Reverse da ist, der in
den meisten Bildern fehlen wird. Wahrscheinlich also beziehen sich
jene beiden Bilder auf Sarpedon und nicht auf Memnon. Die Jfing-
linge nun, die den Sarpedon davontragen, sind nicht bewaffiiet und
unterscheiden sich dadurch wesentlich von denen in D E. In letzteren
hat zuerst Birch^ Windgötter erkennen wollen^ Gerhard und Benn-
dorf sind ihm gefolgt, wogegen Overbeck p. 534 sich nicht zu ent-
scheiden wagt. Ist diese Deutung richtig, so wfirden wir also die
Version des Qu. Smymaeus vor uns haben, der nach alt«: Poesie
gedichtet h&tte; femer aber wfirde sich dann zur Erklftrung der ge-
meinsamen Quelle Arktinos bieten, der abweichend von der gewöhn-
lichen Annahme nicht darch Eos, sondern durch Windgötter den
Memnon davontragen liess. Nur A wfirde, wie es scheint, wider-
sprechen. Denn es ist doch wohl ein frfiharchaisches Vasenbüd, und
ohne Noth wird man nicht an den Einfluss des Tragikers deaücen
dfirfen; allein ich glaube, dies würde auch nicht nöthig sein. Wenn
im Epos Eos um den Memnon Sorge trug und den Winden befahl,
ihn davonzutragen, so war es für den Künstler naheliegend, statt
dessen Eos selbst darzustellen. Dazu fehlt es an Analogien nicht.
So holt sich z. B. man, VI, 19 Agamemnon selbst die Briseis; Priamos
naht dem AchiUeus mit einem Geschenke^); umgekehrt wSgt statt
des Zeus Hermes bei der Psychostasie, und andere FSlle dieser Art
werden nicht schwer au&ufinden sein. Ich sehe demnach keine
Schwierigkeit darin, auch die Composition in A dem Vasenmaler
zuzuschreiben.^) Dass dann einer der Tragiker spftter den Stoff
gerade so behandelte, kann ja weiter auch nicht sonderlich befrem-
den. Es ergibt sich also als wahrscheinliches Endresultat, dass, wenn
jene D&nonen Windgötter sind, Arktinos den Memnon durch Winde,
einer der Tragiker (Aischjlos?) durch Eos davontragen liess.
Nicht unerwShnt darf eine andere Möglichkeit bleiben, freilich
») Giiech. n. Sicil. Vaeenb., p. 89, Anm. 446. — l S. Gerhard AV.
lU, p. 137. — *) S. oben p. 541, Lösung des Hektor E. — «) Aehnlich
die archaische Vaee, in der Athena in beiden H&nden einen Leichnam
halt, Arch. Ans. 1866, p. 296*, 4. Die gleiche Darstellung auf einem
Spiegel, Gerhard IV, S61.
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Yerh. d. gr. Vasenbüder z. d. Ged. d. ep. Eykloa. 621
die einzige, die sich noch bietet, dass nämlich der andere Tragiker
(Sophokles?) die Quelle des Qu. Smymaeus war. D müssie in diesem
Falle zu den letzten Ausläufern der archaischen Epoche zählen,
worCLber natürlich nur der Augenschein belehren kann; A würde
dem EpoB; D £ dem einen, B C dem anderen Tragiker oder, was in-
haltlich dasselbe wäre, dem Epos folgen.
Todtenklage.
Overb. 536, 77, Mus. Greg, ü, 47, 2a. Brunn, Vorlegebl.
Nro. 19. Sfge. Vase.
unter Bäumen liegt der Leichnam eines Helden, den eine Frau,
schmerzbewegt und sich das Haar raufend, betrauert, üeber ihr
sitzt ein Vogel auf dem Zweige eines der Bäume. Hinter ihr liegen
die Waffen des Gestorbenen. Man hat in diesem BUde Eos erkannt,
die den todten Memnon betrauert. Nach Servius zu Vergils Äen. I,
489 beweint sie jeden Morgen ihren Sohn und ihre Thränen sind
der Morgenthau. Bei Qu. Smymaeus II, 609 klagt Eos:
dlXeo jiGi, q>\ke xdKVOV, d^ b* fipa juriidpi tt^vGoc
dpTaX^ov TrepiGiiKac.
Nach der Aithiopis gab Eos dem Memnon die Unsterblichkeit,
und man würde also in der Vase die Trauer der Eos erkennen müssen,
die sie anstellte, bevor sie von Zeus Unsterblichkeit für ihren Sohn
erlangt hatte.
In dem Vogel hat man einen Bepräsentanten der trauernden
Geehrten Memnons erkennen wollen, die nach Servius zu Vergils
Äen. I, 761 und Qu. Smymaeus II, 642 ff. in Vögel verwandelt
wurdea ^) Wie alt diese Sage war, weiss ich nicht zu sagen, möchte
ihre Entstehung jedoch nicht vor die alexandrinische Epoche setzen.
Dagegen mag dem Arktinos die weitverbreitete Sage von Memnonischen
Vögeln, die man erst später aus den trauernden Gefllhrten Memnons
entstehen liess, bekannt gewesen und von ihm besungen worden sein.
Schon Polygnot hatte das Gewand des Memnon mit Vögebi geziert,
in denen Pausanias (X, 31, 2) die Memnoniden erkennt, indem er
ohne Zweifel die Intention des Polygnot uns angibt Allein auf dem
Vasenbüde ist in dem Vogel nur ein Bewohner des Waldes zu er-
kennen. Denn derselbe gibt durch nichts seine höhere Bedeutung
kund, er wendet sich ab von Memnon, und endlich würde man doch
mehrere Memnoniden erwarten. Verhältnissmässig ebenso grosse
Vögel finden sich auf Bäumen aller Art Mus. Greg, n, 95 = mon.
I, 32. In der rfgn. Vase Neapel 3252 sitzen ebenfalls vier Vögel
auf einem Baume.
^) Vgl. auch Gramer, anecdot. Paris. I, p. 26. Gleiches Schicksal
erleiden die Gefährten des Diomedes nach Lykophron 692 ff. Ovid mei,
XIV, 497ff. Vergil ^cn. XI, 272ff.
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622 H. Luckenbaoh:
Hinter Eos liegen die Waffen des Todten. Ob in der Aithiopis
Adiilleits den Memnon spoliirte, wissen wir nicht. Bei Qn. Smyr-
naeus ü, 547 thnn diee die Qefiüirten des Achillens; IV, 457 heisst
es, dass Aias die Waffen des MemnoB von Thetis znm Geschenk
erhalten hat. Die Erzfthlong des Qn. Smyrnaons kann natürlich
nichts für Arktinos beweisen, wohl aber dürfte man glauben, dass
sich die Beraubung des Memnon von selbst ergab. Freilich darf
man dafür nicht geltend machen, dass bei der WegfÜhrong des
Memnon derselbe immer waffenlos ist, da auch Achilleus oftmals
ohne Waffen ist, wenn ihn Aias davonträgt, wenigstens in allen
Vasenbildem, die unzweifelhaft durch ihre Inschriften sich auf
Achilleus und Aias beziehen. ^) Weitere Schlüsse auf die Aithiopis
gestattet die Vase nicht, besonders da die ganze Deutung nicht über
jeden Zweifel erhaben ist. Jedenfalls könnte sich aus ihr auch nur
ergeben, dass Eos den todten Sohn beklagt
Die beiden Yasenbilder, Hejdemann, Gr. Yas., Hülfstafel I und
Taf. V, 2 = Benndorf, Gr. Vas. XXTTI, 2 — CoUignon 380 müssen
hier bei Seite bleiben, da sie keineswegs mit Sicherheit die Todten-
ume mit der Asche des Memnon zeigen. Auch würde man die Dar-
stellungen der Erfindung des Künstlers zuschreiben müssen.
Kampf um des Achilleus Leiche.
Overb. 540, 84. XXm, 1. Kirchhoff, Alphabet* p. 110, 2.
Die Vase ist chalkidisch, der Zeit nach ins sechste Jahrb. zu
setzen.
Am Boden liegt der Leichnam des ganz gerüsteten Achillens.
Ihm hat Glaukos eine Schlinge um das linke Bein geworfen, um ihn
zur Troerseite hinüberzuziehen. Aber seinen Versuch muss er mit
dem Leben büssen. Denn die Lanze des Aias, hinter dem seine
Helferin Athena steht, hat ihn in die Seite tödtlich getroffen. Nicht
rettet ihn Paris, der selbst entweichend Pfeil auf Pfeil gegen den
tapfe)*en Sohn des Telamon schiesst. Hinter Paris eilen noch zwei
Troer zum Kampfe, Aineias und ein anderer unbenannter. Ganz zu
verwerfen ist es^ wenn man, gestützt auf Qu. Smymaeus III, 214,
daran denkt, ihn Agenor zu nennen. Hinter diesem sinkt Leodokos,
vom Speere des Aias tödtlich getroffen, nieder zu Boden. Endlich
eilt noch ein letzter Troer, Echippos, zum Kampfe hei-bei. Auf der
anderen Seite hinter Athena verbindet Sthenelos dem verwundeten
Diomedes den Finger.
Die Zeichnung ist mit grosser Sorgfalt angefertigt, überall tritt
uns das Bemühen des Malers, sein Werk möglichst genau und prScise
fertig zu stellen, entgegen. Gewiss sind wir berechtigt aus diesem
Bilde, wenn aus irgend einem anderen Bilde, Schlüsse aufs Epos tu
machen. Nicht als ob Echippos, Leodokos und Aineias wirklich nach
^) Die doppelte Darsteliung auf der Fran9oi6vaBe. Overb. XXni, S. 6.
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Yerh. d. gr. YasenbAder z. d. Ged. d. ep. Eyklos. 623
dem Epos gezeichnet wSren; denn der Name Echippos ist gewiss
dem Künstler zusnaehrabeB; dasselbe yennntbe ich von Laodokos '),
und Aineias war als der hervorragendste der Troer ganz an der
Stelle. Aber die Mittelgruppe ist so charakteristisch, dass ich nicht
zweifle, dass dieselbe dem Epos entnommen ist. Glaukos ist kein
unbertthmter Held, und er ftUt hier durch des Aias Hand beim
Kampfe um den Achilleus. Wollten wir hier nicht den Zug des Epos
erkennen, so müssten wir absichtlich verlüiderte Darstellung an-
nehmen. Aber wir dürfen vielleicht noch weiter gehen: recht gut
könnte der Versuch des Glaukos, den Todten zu sich herüberzu-
ziehen, in der Dichtung gesucht werden, besonders da der Maler
einen solchen Zug, der dem Epos wohl ansteht, aber seiner Zeit fremd
war, nicht leicht erfindet: derselbe gehört nicht zum Genrehaften.
Freilich hfttte der Maler das Vorbild in der Ilias finden können.
Denn auch hier befestigt ein Troer (Hippothoos) einen Strick an
des Patroklos Bein, nm ihn zu der Troer Reihen hinüberzuziehen;
auch hier bttsst derselbe seinen kecken Versuch mit dem Tode, und
Aias ist es, der ihn mit dem Speere erlegt Allein dieselbe Scene
dem Dichter der Aithiopis, dem Nachahmer Homers, absprechen zu
wollen^ liegt kein Grund vor; seltsam jedoch wäre es, wenn der
Maler diesen charakteristischen Zug aus der Ilias entlehnt und
auf den Achilleus übertragen hStte. Dagegen muss vor weiteren Fol-
gerungen gewarnt werden. Allerdings war ja die Scene der Aithi-
opis dem Maler noch frisch im Gedächtnisse; ob aber im Epos Aias
den Glaukos in die Seite traf oder an einer anderen Stelle, können
wir aus dem Bilde schlechterdings nicht schliessen. Wir wissen,
wie ungenau gerade darin die Maler verÜEihren sind. Dass nun Glaukos
im Kampfe um Achilleus durch Aias' Hand fiel, erhält einigermassen
Bestätigung durch das Zeugniss des Qu. Smymaeus HI, 278.' Eben-
derselbe nennt als die wackersten Kämpfer auf Seiten der Troer den
Glaukos, Aineias und Agenor HI, 214: möglich daher, dass auch
der Aineias auf der Vase direkt nach dem Epos gezeichnet wurde.
Paris ist im Bilde an seiner Stelle; denn durch ihn ist Achilleus ge-
fallen. Gern würden wir beim Kampfe um Achilleus den Odjsseus
sehen. Sein Fehlen jedoch darf uns nicht befremden, da oftmals
Personen fehlen, die im Epos von Bedeutung waren. Ich erinnere
an Eris, die beim Götterzuge auf der Fran9oisvase fehlt und doch
dem Epos zufolge eine der wichtigsten Personen ist bei der Hoch-
zeit des Peleus.
Auch die Nebengruppe, in der Sthenelos dem Diomedes den
Finger verbindet, muss unbedingt auf eine Quelle, d. h. aufs Epos,
zurückgeführt werden. Nur darüber könnte man zweifelhaft sein,
ob die uns vorgeführte Scene beim Kampf um Achilleus stattfand
oder an einer anderen Stelle, vielleicht sogar in einem anderen Epos.
^) So auch Jahn, Münchener Vasen, p. CXIX, 864.
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624 H. Lnckenback:
Dass Scenen ganz yerschiedener Art auf einer Vase nebeneinander
dargestellt wurden, zeigt mon, VI, 33, eine allerdings in Etmrien
verfertigte Yase^ in der Herakles bei Iphitos, ein Massenkampf und
daneben der Selbstmord des Aias dargestellt wird. Sollten wir hier
in der Nebengruppe etwa eine allerdings ungenaue Darstellung nach
der nias (£ 108 ff.) haben, wo Sthenelos dem Diomedes den Pfeil
aus der Schulter zieht?
8 16. Kleine lUas.
Palladionraub.
Die Darstellungen des Palladionraubes auf ihre Quellen zurdck-
zuführen, ist bis jetzt noch nicht gelungen; und bei der mangel-
haften üeberliefenmg ist nur zu einer relativ sicheren Entscheidung
zu gelangen.
Den Inhalt der kleinen Dias gibt uns Proklos mit den Worten:
'ObucccOc . . . KaTÄCKOTTOC clc "IXiov TropaTivexai Kai dvatviüpi-
CGCIC Ö<p* *eX^VllC 7T€pl TI]C äXuiC€U)C Tl\C TlÖXeUK cuvT(e€Tai
KT€(vac T^ Tivac Ttüv Tpifiiüv im xdc vaOc dq)iKV€iTar Kai ix^rä
TaCra cuv AioMif)b€i tö TTaXXdöiov £KK0)ii2[ei £k tt^c 'IXiou. Mit
Helena also scheint sich Odysseus ins Einverst&ndniss wegen des
Palladionraubes gesetzt zu haben« Was ihn bei seinem ersten Aufent-
halte in Troja an der Ausübung der That hinderte, ist nicht Über-
lief ert. Jedenfalls stand etwas im Wege, was eine Bückkehr mit
Diomedes nöthig machte. Wenn es heisst cuv AiO|üitib€i dKK0^i2[€^
so ist damit nicht gesagt, dass dem Odysseus die Hauptrolle zufiel,
sondern die Ausdrucksweise ist lediglich dadurch hervorgerufen, daes
Odysseus im vorigen Satze Subject war. Meist ist es Diomedes, der
den eigentlichen Baub vollfUhrt, und dass so auch Lesches dichtete,
zeigt nicht allein die täbtda Hiaca, sondern auch die weitere Ueber-
lieferung«^) Hesychios berichtet nämlich s. v. AiO|üifib€ioc dvdrKii*
napoinia . . . 6 bfe t^v niKpdv IXidbo ** <priciv in\ iflc toO TToX-
Xabiou KXoTrfic T€V^c0ai. Andere Autoren — und ihrer sind viele
— berichten die nttheren Umstände; sie wissen, dass zwischen Odys-
seus und Diomedes nach dem Palladionraube ein heftiger Streit ent-
stand. Als Ursache desselben berichtet der Mythograph Konon (r.
34), dass Diomedes auf den Schultern des Odysseus die Mauer er-
stiegen, dann denselben nicht nachgezogen, sondern das Palladion
allein erbeutet habe. Da er jedoch des Odysseus List fürchtet, ver-
sucht er denselben zu täuschen und gibt vor, sein Palladium sei
nicht das, welches der Seher Helenos gemeint habe, sondern ein
anderes. Aber das Bild selbst gibt dem Odysseus, der hinter Dio-
medes einhergeht, ein Zeichen und offenbart ihm den Betrug des
Diomedes. Odysseus zieht sein Schwert, und da Diomedes sich zu
*) Vgl Klein, Archftologisch-epigraphiache Mittheilungen aus Oeater-
reich HI (1879), p. 86—40.
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Verh. d. gr. Yuenbilder %. d. Ged. d. ep. Kyklos. 625
veriheidigen saöht, treibt er denselben vor sich her mit der flachen
Klinge ihm den Bücken schlagend. Andere Version war, dass
Odysseus auf dem Heimwege das Schwert zog; Diomedes aber am
Schatten des gezückten Schwertes im Mondenschein das Vorhaben
des OdjsseuB erkennend, kommt ihm zuvor, bindet ihm die Hftnde
zusammen und treibt ihn vor sich her ins griechische Lager. Welches
die Veraion des Lesches war, weiss ich mit W^lcker (ep. CjcL II,
p. 241) und Jahn (Bilderchroniken, p. 31, 64) nicht zu sagen. Wie
weit femer Helena bei dem eigentlichen Baube, ob Theano, die
Priesterin der Pallas, bei demselben betheiligt war, wird bei dem
yorliegenden Material schwer zu bestimmen sein.
Ion hatte dann in den Wfichiem, Sophokles in den Lakonerin-
nen den PaUadionraub behandelt Der Titel des sophokleischen
Stückes, der die Dienerinnen der Helena als Chor aufweist, zeigt,
dass die That im Einverständnisse mit der Helena geschah.
Die zuletzt von Jahn annal. 1858, p. 228 — 264 zusammen-
gestellten Vasenbilder sind sämmtlich rfg., so dass also aus der
Technik allein keins dem Epos zugewiesen werden muss.
Vollständig xmerklärt sind zunächst zwei Vasenbiider, in denen
jeder der Griechen ein Palladion trägt.
A Overb. 586, 35. XXIV, 20. Arch. Zeit. 1853, 399.
B Petersburg 830. mm. VI, 22. annul 1858, p. 256—259.
buU. 1858, p. 50.
Das erste Vasenbüd scheint uns nach Troja hinzuweisen; denn
die beiden Helden sind im Begriffe davonzueilen. Eine reichgekleidete
Frau hat man für Helena erklärt. Die Blicke beider Griechen sind
auf Athena gerichtet, welche die Bechte gebieterisch ausstreckt.
Indess Odjsseus ihren Worten aufmerksam zu folgen scheint, ent-
fernt sich eiligst Diomedes den Kopf allerdings nach der Göttin
umwendend.
Das andere Büd versetzt uns ins Griechenlager. Diomedes und
Odjsseus, wiederum jeder ein Palladion tragend, sind willens, auf
einander loszustürzen; sie werden beschwichtigt und zurückgehidten
von Akamas und Demophon, Agamemnon und Phoiniz.
Zwei Palladien zeigen sich dann auch in zwei weiteren Denk-
mälern. In einem TerracottareUef des Berliner Museums (Overb.
592, 44. XXV, 2) sehen wir die beiden Griechen mit den Palladien
davonziehen. Ein Streit zwischen ihnen ist hier nicht ausgedrückt,
ebenso wenig wie in einer etruskischen Urne, deren Beschreibuxig
Arch. Anz. 1861, p. 228* ich wörtlich aufiiehme: *Im Centrum An-
deutung eines Tempels, zwei männliche Figuren tragen jeder auf
dem Arme eine weibliche Figur, in deren Armen ein Wickelkind
ruht^ und schleichen vorsichtig über zwei am Boden liegende und
schlafende Wächter dem Stadtthore zu. Hier ist einer der Wächter
aufinerksam geworden, aber der vorderste der beiden Diebe hat
JahTb.f.olMt. Phü. Sappl. Bd. XL r.„^.u GoOQIc
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6S6 I
benÜB das Sebwert gesOekt imd flm n Bodoi g6»U«ki\ OhoB
Zweifel werden wir andi hier auf den Friladiemanb gewiesen, ob-
wiAl die Etmaker das ihre dasn geUian haben. I>ieee Tier&ehe
BanteUang dnes DoppelpaUadienianbes auf griediiaehen und ansser-
grieehiaehen Bildwerken moas einer fesib^grttndeien Sage folgen;
dem Epos kann sie aehon nach der tätmla lUaea niefai angdifiren:
alao werden wir auf die TiagOdie hingewiesen; ob auf die Tragödie
des Sophokles oder eines andern ist swei&IhalL Ja wir kGnnen
nicht dnmal sagen, ob diese Kunstwerke derselben Quelle folgen,
da B gegenüber den 3 anderen Werken einen Streit im Griechen-
lagar zum Vorwurfe hat In einem attischen Drama waren aneh
die Helden Demo^ion nnd Akamas sehr passend aagebracht| obwohl
diese beide Personen srJilieBsKrJi auch der attiache Maler Maxogefllgt
haben kfinnte.
Die fibngen Yasenbilder sind folgende:
C Neapel 179, p^ 7.
D Neapel 3235, p. 535. Overb. 583, 32 XXIV, 19.
E Neural 3231, p. 529. Oyerb. 585, 34. nanoL 1858. tev.
}L, p. 247— 249>=Overb. 585, 34a. Vgl ML 1858, 139.
C kenne ich nur aas der Beschreibang von Hejdemann: Dio-
medes, in der Rechten daa Schwert (oder eine Fackel?), in der Linken
das Palladion, schleicht behatsam YorwSrts; ihm folgt eilig Odjsseos,
in der Rechten das Schwert. £s steht nichts im Wege, dies Kid
anÜB £po8 zorttckznfilhren.
D. Diomedes mit dem Pslladion wendet, im BegrüF sich sn ent-
fernen, daa Haupt za Helena um, die mit entadiiedener Bewegung
der rechten Hand sn ihm redet nnd ihm einen Befehl sn ertheOen
scheint. Hinter ihr steht Odjsseos Achtgebend anf das waa zwischen
Hdena nnd Diomedes vorgebl
Aehnlich in Besng anf das gegebene Ereignias ist £. Diomedes
entfienit sich eQig ans einem Ten^Ml, in der Rechten das Sdiwert,
in der Linken das geranbte Palladian. Vor ihm steht rahig eine
Fran (Helena), die mit der Rediten den ft*!««»* mrUdschiebt nnd
in der Linken eine Schale hilt Anf der anderen Seite des Tenq>els
scheint eben Odjsseos im Lanfe ang^ommen zn sein; der Ranb ist
schon ToUlllhrt, nnd darftber sehr bekttanmert wendet er, wenn die
Abbildung genan ist, den Blick w^g, ins Leere sehanend. ffinter
ihm enteilt die Prieeterin des Ten^els (Theano). Im oberen Banme
befinden sich Hermes, l^ke nnd Atiiena, ohne thitigen Antiieil za
ndimen. Dass aber ein Streit zwischen den Oriechen ansbrach, da
Od jsaens zn qpit kommend den Raab von Diomedes sdion ToUendet
fond, zeigen zur Eridens ein Marmomlief im Palast S^iada, Orerbu
591, 42. XXIV, 23. Jahn a. O. p. 23a Areh. Zeit 1859, p. 93,
ein Stoekrelief ML 1858, p. 35. mmmL 1858, p. 238, Anm. 2.
Areh. Ans. 1859, p. 54^ und eine öhi^aste, Brann, 12 Basrnüafe,
Scfalnssrignette. In allen drei Kunstwerken hat Diomedes sich des
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Verh. d. gr. Yasenbflder i. d. Ged. d. ep. Kykloi. 627
Palladions bemSchtigt und wird von dem zu spät koDomenden Odyssens
bedroht; der Ort der Handlnng ist in Troja selbst am Tempel der
Pallas. Als Grand yoh Odjssens' zu später Ankunft könnte die Sage
dienen, dass Diomedes auf dem Bücken des Odysseus die Stadtmauern
erkletterte, diesen aber nicht nach sich zog. Zwar gelang es, so
würde dann weiter zu schliessen sein, dem Odjsseus die Mauer zu
erklimmen; aber die That, die er mit Helena eingeflldelt, war ge-
schehen und ihm der Ruhm genommen. Den Streit, der zwischen
ihnen ausbrach, muss dann nach D Helena beizulegen versucht haben,
woraus sich dann auch ihre Anwesenheit in £ erkl&rt. Ob aber das
Epos die Quelle von D und E ist, wage ich nicht zu behaupten.
Es bleibt noch ein Bildwerk übrig, das bisher xmerklttrt ist;
denn die gegebene Erklftrung ist keine.
Overb. 580, 31. XXV, 1. Jahn a. 0. p. 242.
Auf den Stufen eines Orabdenkmals, welches mit einer Säule
geschmückt ist, sitzt eine trauernde Frau über eine grosse Urne ge-
beugt Sie umgeben ein Mann, der einen Pilos auf dem Haupte
trägt und in den Händen eine Tänie hält, und eine Frau, die in der
Rechten den Tempelschlttssel hält und auf der Linken ein Palladion
trägt Welcker^), dem Jahn a. 0. p. 243 folgt, erkennt an der
Tänie, dass Odjsseus durch Liebesvorspiegelungen die Priesterin
Theano zur Auslieferung des Palladion bewege. Overbeck hält dafür,
dass die Tänie nur Verlockung, Gewinnung ausdrücke, dass Odjs-
seus durch Vorspiegelungen, die wir im einzelnen nicht kennen
könnten, die Theano beschwatze. Die zwischen ihnen sitzende
Frau soK Andromache sein, die den Verlust ihres Gatten be-
trauert. Als Gegenbild ihrer ehelichen Treue soll Theanos Verrath
hier dargestellt sein und dadurch zugleich an Trojas baldigen Unter-
gang erinnern.
Gegen diese Erklärung, die seltsam genug erscheint, muss zu-
nächst die Bedeutung, die der Tänie beigelegt wird, bestritten werden.
Wenn das Palladion und der Schlüssel fehlten, so würden wir eine
der gewöhnlichen Grabdarstellungen haben. Die Hinterbliebenen
trauern am Grabe des Todten ; der Jüngling schmückt die Stele mit
einer Binde.') Odjsseus brauchen wir gar nicht in dem Jünglinge
zu erkennen, da in unteritalischen Bildern der Pilos beliebig ver-
wandt wird. Hätten wir hier die üebergabe des Palladion zu er-
kennen, so müssten wir annehmen, dass Theano nach Verabredung
den Griechen am Grabmale eines berühmten Troers das Palladions über-
reichte.^) Allein die ganze Auffassung ist so unwahrscheinlich, die
trauernde Frau am Grabe, die auf nichts achtet^ wäre so merkwürdig, dass
die Deutung aufgegeben werden muss. Ganz in derselben Weise, in
>) Ännäl. 1832, p. 883— alte Denkm. UI, p. 460. — *) Vgl z. B.
die beiden Tänien. 0?erb. XXVIII, 5. — ') Also jedenfalla eine dritte
Venion, da in E aie Priesterin daTonflüchtet.
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628 H. Lnckenbach:
der hier das Palladion getragen wird, bringen oftmals Jongfrauen
zum Grabe kleine Lekythoi; das kurzgeschorene Haar bezeichnet
auch hier diQ Priesterm als Leidtragende. -Wenn ich nun auch
keine neue Deutung an die Stelle zu setzen weiss, so kann jeden-
falls die frühere Erklärung nicht leicht jemanden befriedigen und ist
daher aufzugeben.^)
8 16. Biupersifl. i
Während nur eiüe Gestalt der meisten Sagen, die in den Epen
niedergelegt waren, sich im Volke herrschend gemacht hatte und
wuchtig genug war, um etwaige Abweichungen oder locale Tradi-
tionen in Vergessenheit zu bringen, so lagen für den Theil der Sage,
der die Zerstörung Ilions enthielt, mehrere Bearbeitungen yor, in
Einzelheiten vielfach von einander abweichend. Arktinos und Lesches
hatten eine Iliupersis in epischem Versmasse gedichtet, Stesichoros
denselben Stoff lyrisch behandelt. Dieses Schwanken der Tradition
macht sich auch in den Bildwerken geltend; und manchmal will es
scheinen, als ob der Maler hier noch weniger als bei vielen anderen
Bildwerken einer bestimmten Version gefolgt sei, sondern vielmehr
dem allgemeinen Eindrucke, den er von einer Sage bekommen hatte.
Manche Vasenbilder sind nach Lesches, andere nach Arktinos ge-
fertigt, und wenigstens in einigen ist man versucht^ den Einfluss des
Stesichoros zu constatiren; wieder andere lassen sich dagegen mit
Sicherheit auf keinen dieser drei Dichter zurtickführen. Nach dem
oben aufgestellten Grundsatze, dass nur Epos und Drama eingewirkt
haben« wird man freilich erst dann ein Bildwerk auf den Stesichoros
zurückführen, wenn es weder auf einen der beiden Epiker, noch auf
eine Tragödie zurückgeführt werden, noch endlich durch die Intentionen
des Künstlers hervorgerufen sein kann. Zeigt sich übrigens nach-
weislich ein Einfluss des Stesichoros, so würde ich den Sa^ dass die
Lyrik im allgemeinen nicht auf die Vasenbilder eingewirkt hat,
keineswegs als umgestossen betrachten; denn dies Gedicht des
Stesichoros unterscheidet sich wesentlich von allen anderen Prodncten
der eigentlichen Lyrik; mehr epischer als lyrischer Natur, lag die
grösste Differenz wohl nur im Metrum. Auch ist die hohe Stelltuig,
die es im Alterthum ftinTiabm^ wohl zu beachten. Polygnot^ der bei
der Bemalung der Lesche in Delphi in seiner Diupersis hauptsfich-
lich der Dichtung des Lesches folgt, kannte audi die des Stesichoros
und entnahm ihr einige Personen, und noch in später Zeit Tutlim die
tabuia Jliaca die Iliupersis des Stesichoros in ihren Cydus auf.
Versucht man die Bildwerke auf ihre Quellen zurückzuführen,
80 macht sich hier der Mangel der schriftlichen üeberlieferung mehr
') Sine Veimuthong von mir, daas gründücbe Interpolaticm
H«ge, wurde bei der Unierrachnng der Vase nicht betUUigt
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Verh. d. gr. Vaeenbilder s. d. Ged. d. ep. Ejklos. 629
als anderswo fühlbar. Den Inhalt der Iliapersis des Arktinos gibt
uns Proklos an.^) In der Handschrift folgen hinter den Worten:
Kttl q)9opäv aÖTOic i\ *A9iivä Kaxd tö Tr^Xatoc urixavaiai, mit
denen der Schluss gegeben zu sein scheint, noch einige Sätze, die
ebenfalls einer Ilinpersis angehören. Tjchsen, dem Michaelis folgt^
vermuthete, dass sie den Schluss der Dichtung des Stesichoros gäben.
Da indess diese Annahme trotz hoher Wahrscheinlichkeit') nicht als
unbedingt gesichert gelten darf^ so müssen die fraglichen Worte bei
unserer Untersuchung aus dem Spiele bleiben. Die Darstellung des
Stesichoros ist, wie schon bemerkt, auf der tabula Hidca wieder-
gegeben. Aber auch hier ist wohl zu beachten, dass wir keinen ge-
nauen Anschluss an Stesichoros zu erwarten haben, da nicht nach
den Dichtungen selbst, sondern nach Excerpten aus denselben die
tabula Hiaca angefertigt wurde, wodurch hie und da einzelne Ab-
weichungen von der Poesie veranlasst sind.
Flucht des Aineias.
Nach Lesches erhielt Neoptolemos den Aineias als Kriegs-
gefangenen und fahrte ihn mit in seine H^imath.^ Arktinos lässt
den Aineias frühzeitig vor der Zerstörung Trojas ausziehen. Nach-
dem Proklos das Unglück des Laokoon erzählt hat, föhrt er fort:
^m hi. Tiü idpan ^uccpopiicayTec oi irepl xöv Alveiav uneHfiXOov
eic Tf|V ''l^iiv. Aus den Worten des Dionjsios v. Hal.^) hat man
geschlossen, dass bei Arktinos Aineias mit dem Palladion davonzog.
Ist diese Folgerung richtig, so haben sich die Yasenbilder in diesem
Punkte nicht an den Arktinos gehalten. Auf der tahuHa lUaca, die
sich an die Erzählung des Stesichoros anschliesst, trägt Aineias den
Vater auf der Schulter davon, den Sohn an der Hand führend; ihnen
folgt Ereusa. Unter dem Geleite des Hermes ziehen sie davon, um
im Abendlande eine neue Heimath zu gründen. Anchises hält, so
scheint es, in beiden Händen ein Kästchen mit den sacra arcana.
Nur noch einmal finden wir dieses Kästchen, und zwar auf einem
Broncehelm, der zuletzt in Hejdemanns Iliupersis, Taf. in, Isl, ab-
gebildet ist. Indess Aineias den Vater davonträgt, eilt einer seiner
Genossen^) mit der Cista voraus. Die gewöhnliche Darstellung auf
>) Jahn, Bilderchroniken, p. 112. Kinkel, «p»c. gr. fr. p. 49. — ■) Vgl.
Michaelifl, Hermes XIV, 481 ff. — ») Tzetzes zu Lykophron v. 1263.
Kinkel, p. 46, 18. — *) 1. 69. Vgl. Welcker, ep. Cycl. II, p. 183. — *) Heyde-
mami p. 33 will auch in diesem Manne den Aineias erkennen; allein
dass zweimal dicht nebeneinander derselbe Mann dargestellt werden
soll und zwar das eine Mal bärtig, das andere Mal unbärtig, will nicht
recht glaubhaft erscheinen. Nehmen wir den Bärtigen für einen Diener
oder Freund des Aineias, so erklärt sich auch sehr wohl der umstand,
daes Kreusa ihn verhindern will, den Askanios mitEonehmen. Sie will
warten, bis ihr Gatte kommt, sich aber nicht dem Fremden anvertrauen.
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630 H. Lnckenbach:
den Vasenbildem ') zeigt den Anchises anf dem Bücken des SoIineB
hockend; nnr einmal^) sitzt .derselbe auf der Schulter des Sohnes;
oftmals begleitet sie das Weib^) und ein Sohn^) des Aineias. Wenn
Lesches ganz ausgeschlossen ist, so fragt es sich, ob nach Arktinos
oder Stesichoros gemalt wurde. Wir wissen nun aus der tabula
Hiaca, dass Anchises von seinem Sohne nach der Dichtung des Ste-
sichoros davongeti-agen wurde, wie es uns auch die Vasenbilder zei-
gen. Leider ist uns nicht bekannt, ob dieser Zug nicht von Arkti-
nos vorgebildet war, aber um so mehr möchte man ihn der Er-
findung des Stesichoros zuschreiben, als die Heldenthat des Sohnes
doch gerade darin bestand, mitten im heissen Eampfgewt&hl den
Vater aus der brennenden Stadt zu tragen. Indessen lässt sich hier
über Vermuthungen nicht hinauskommen. Von Gewicht scheinen
femer die Scenen, in denen bei der Iliupersis die Flucht stattfindet^
während nach Arktinos schon vor dem Falle Trojas Aineias sich
mit den Seinen rettet.^) Hier ist es miBsUch zu sagen, es habe
fOr den Maler zu nahe gelegen, die Einzelnen, die von den Troja-
nern übrig blieben, gerade mit Trojas Fall zu verbinden, sondern
bei der üebereinstimmung scheint die Einwirkung der Dichtung auf
den Maler unverkennbar. Aber freilich könnte, da beide Vasenbilder
rfg. sind, die Einwirkiibg eine indirecte sein. So geneigt ich also
auch bin, den directen Zusammenhang zwischen den Bildern und
Stesichoros anzunehmen, den stricten Beweis vermag ich nicht zu
bringen.
Tod des Priamos und Astyanaz.
In dem einen Punkte stimmen die drei Dichter überein, dase
Neoptolemos den Priamos tödtet. Von Arktinos erzählt Proklos:
Kttl NeoTTTÖXcMOc fifev ÄTTOKTeivci TTpiajiov dm tov toO Ai6c toG
'€pK€iou ßuiMÖv KaracpuTÖvroL Was Arktinos über den Astjanax
berichtete, darüber sind wir im Unklaren. Die Version des Lesches
gibt uns Pausanias an X, 27, 2: TTpia|üU)V ik ouk äTioGaveiv £q>ii
Adcx€U)c im Tfji icx&fXf, ToO *epK€(ou, dXXd dirocTracOevTa dirö
ToG ßui^oG TidpcpTOV Tiu N€OiTToXd^(|i 7rp6c TaTc t?]C olxiac
T€vdc6ai Oupmc. Etwas firüher, X, 25, 9, heisst es dann bei Pau-
sanias: TouT({i (sc. 'AcTudvaKTi) Adcx€U)c pKpiYTx dnö ToG irupTOu
cu^ßflvai XdT€i T^v xeXeimfiv, oö |if|v xmö bÖTMaxöc t€ *6XXrivuiv,
dXX* Iblq. NcoTrTÖXcfiov auT6x€ipa dOeXficai T^vdcOaL Auch die
Verse, in denen Lesches den Tod des Aslyanax schilderte, sind
uns erhalten, Tzetzes zu Lykophron v. 1263:
') Dieselben sind soletit zaaammeDgestellt Heydemaim, Dinpeisis
p. 31, 1. Hinzasufügen sind: Neapel SÄ. 181. (Gerhard AV. III, p. 1S9,
16g, bei Overbeck unter Nr. 168 erw&hnt — ■) Overb. XXVII, 12.
München 908. — ») Euiydike. — *) Askanios? VgL Arch. Zeit 1879,
p. 38—96. — *) Heydemann, Iliupersifl, Taf. II, la; Tielleicht auch
0?erb. XXVI, 17. . r- .
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Yerh. d. gr. Yaaenbilder x. d. Ged. d. ep. Kyklos. 631
iraiba b' Ikiby Ik köXttou lOirXoKäMoio Tierjvtic
^iV€ TToböc T€TaTU)v dtrö TTupTOu* t6v bk TTCCÖvra
IXXa߀ Trop<pup€0€ OävaToc Kai ^oipa Kparaiif).^)
Die Worte des Pausanias, dass Neoptolemos nicht auf den
Volksbeschlnss der Hellenen, sondern ans eigenem Antriebe den
Astyanaz getödtet habe, geben einen denüichen Fingerzeig fttr die
Darstellung eines anderen Dichters. Denn wenn bei dem allgemei-
nen Oetümmel Neoptolemos den Mord beging, was war Wunder-
bares daran, dass er es that ohne den Beschluss des Heeres? Wenn
dagegen ein anderer gerade den Beschluss des Heeres, auch den
letzten der Priamiden zu tödten, erwtiinte, dann findet die Gegen-
überstellung bei Pausanias ihre volle ErklSrung. Schwieriger da-
gegen und nicht zu entscheiden ist die Frage^ bei wem wir die von
Lesches abweichende Version suchen sollen, bei Arktinos oder Ste-
sichoros oder bei beiden. Fttr den Stesichoros scheint zu sprechen,
dass Pausanias die üiupersis desselben im folgenden mehrfach er-
wähnt und der des Lesches gegenüberstellt» wfthrend er das Gedicht
des Arktinos mit Stillschweigen übergeht.
Auf der tcibula Iliaca hat Neoptolemos gegen Priamos das
Schwert gezückt, indem er ihn zugleich mit der Linken vom Altare
wegzureissen sucht unten am Grabmale des Hektor sitzt Andro-
mache; man hat geglaubt, dass sie auf ihren Armen den Astyanaz
halte; ob mit Recht, Ittsst sich nach der Abbildung nicht entscheiden.
Proklos überliefert uns die Worte: xal 'Obu€€^u)C 'Acrudvaiaa
dveXövTOC N€oitt6X€^0€ 'Avbpo^dxiiv T^pac Xa^ßdvei. Diese ge-
ben wahrscheinlich den Lihalt des Stesichoros.')
Zwei Gruppen von Vasenbildem lassen sich unterscheiden: die
erste enthftlt den Tod des Priamos allein, die zweite verbindet da-
mit den des Astyanaz.
Zur ersten Gruppe gehören folgende Bildwerke:')
Sckwarefigurig.
a. Overb. 62ö, 107. XXV, 22. Gerhard AV. m, 213.
b. Overb. 626, 108. Br.M. 622.
c Arch. Anz. 1853, p. 401, 1 (sfg.?).
Bothfigurig.
d. Bidl. 1845, p. 85.
') Diese Version des Lesches war die gewöhnliche. Schon Dias fi,
736 ejiut Andromache das Geschick des Sohnes:
... fi TIC *Axat<S»v
Pi^ex x^ip^ ^^ A^ müpTOu.
Eurip. Anärom. 10:
^t<p^a itupTW'v 'AcrudvaicT* dir* 6pO{uiv (sc. ^cdbov)
vgl. Hevdemann, lUnpersis p. 7, 1. — *) So Michaelis a. 0.; nach ande-
ren bilden sie den Inhalt des Arktinos. — ") Bei Seite lasse ich die Eo-
mödienscene Arch. Zeit 1849, Taf. 5, 2.
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632 H. Lackenbach:
e. Petersburg 2226.
f. Bidl. Na^. arch. VI, 9. Heydemann, Iliupersis, Taf. II, 2 b.
Zur zweiten Gruppe gehören:
Sdawarzfigurig.
A Overb. 622, 103. XXV, 23. Gerhard AV. IE, 214. Arch.
Anz. 1863, p. 401, 1.
B Oyerb. 623, 104. XXVI, 1. Gerhard, etr. und kamp Vas.,
Taf. 21. Br.M. 1642.
C Bull 1840, p. 12Ö.
D Cot. Or. 149, p. 96.
E Br. M. 607.
Baihfigwig.
F Berlin 1748.
G Heydemann, Iliupersis, Taf. L
H Overb. 617, 100. XXV, 24. Heydemann, Taf. 11, 1 a.
Neapel 2422.
In den zuerst aufgeführten Vasenbildem dringt Neoptolemos
auf den Priamos ein, der am Altare des Zeus Schutz gesucht hat,
oder ersticht denselben. In der zweiten Gruppe naht Neoptolemos
dem Priamos, der auf dem Altar sitzt , indem er den Astyanax an
Beine oder Fusse ergriffen hat, und stürmt gegen Priamos, um die-
sen mit dem Leichname des Enkels zu yemichten; nur H macht
eine Ausnahme, insofern Neoptolemos auf den Priamos eindringt,
auf dessen Schoss er den Astyanax geworfen hat
um mit den letzteren zu beginnen, so vermuthet Heydemann
p. 15, dass ein grösseres Gemälde die Quelle für diese Darstellungen
gewesen sei, ich schreibe dieselben dem Unvermögen der Vasen-
maler zu, die sich bemühten, mehrere Momente in einen zusammen-
zuziehen, und dadurch dieses seltsame Bild schufen. Man denke tu
den Besuch des Priamos bei Hektor, an die Blendung des Polyphen :
ganz dasselbe tritt uns hier vor Augen. Den Lesches werden wir
als die indirecte Quelle dieser Vasenbilder ansehen müssen. Denn
er erzShlte, dass Neoptolemos den Astyanax am Fusse ergriff und
vom Thurme schleuderte; den Priamos riss er vom Altare und
tödtete ihn dann an der Schwelle des Hauses.
Die erste Gruppe der Vasenbilder hat nur den Tod des Pria-
mos an oder auf dem Altare zum Inhalt. Will man in diesen Dar-
lätellungen eine Abweichung von Lesches finden, so steht nichts im
Wege, den Arktinos als Quelle anzunehmen. An Stesichoros bratcht
man nicht zu denken, besonders da es den Anschein hat, als ob auf
der tabula Iliaca Neoptolemos den Priamos vom Altare reLest*)
In B und H liegt zu den Füssen des Priamos 'ein gefallener
^) Heydemami will p. 36 die Bildwerke alle mit einer Aasnahme auf
ArktinoB sarückführen.
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Verh. d. gr. YasenbfldeT z. d. Ged. d. ep. Kyklos. 633
Krieger. Die bisherigen Herausgeber, z. B. Overbeck und Heyde-
inann (p. 34), nennen ihn Polites.^) Ich glaube nicht, dass derselbe
zn benennen ist; will man dies aber doch thun, so liegt es viel
nfther, in ihm den Agenor zu erkennen, der nach Lesches und Ark-
tinos') von des Neoptolemos Hand fieL
Begegnung des Menelaos und der Helena.
Die Version, die am meisten unter den Athenern verbreitet
war, findet sich bei Euripides Andir. 629: dW d)C £c€ib€C m<x<^töv,
^KßaXd)v Ei<poc <piXim' db^Su) wird daselbst vom Menelaos gesagt
Ganz fthnlich Aristoph. lAfsistr. 16d:
6 T^v Mev^Xaoc xfic '€Xdvac id naXd Tra
Tunväc Trapevibujv dEdßaX* oluj xö £iq)OC.
Beide betonen, dass Menelaos, die (entblösste) Brust der Helena er-
blickend, das Schwert wegwarf, und dieser Zug muss auf einer ge-
meinsamen Tradition beruhen; der Scholiast zu den Worten des
Euripides gibt sie uns an: d^eivov (|iKOVÖ^TiTai rd kapd IßuKifj*
€ic Tdp 'A<ppobiTTic vaöv KaTa<p€UT€i f| 'exdvri KdKeiOev biaX^TCxai
Tip M€V€Xdi}J, ö b' öyt' fpuJTOC dcpilici TÖ £(q>oc. Die gleiche Quelle
gibt uns der Scholiast zu Aristophanes an: f| IcTOpia irapd 'IßuKip
(xd bk auxd xai Adcxnc TTuppaToc ty xfl ^iKp^ IXidbi) Kai 6öpi-
iribiic dXX' übe dc€ib€C ^acxöv ^KßaXuJv Sicpoc q)iXii)i' ibilü). Die
in Klammem eingeschlossenen Worte fehlen im Bavennas; es liegt
jedoch kein Orund vor, ihnen deshalb den Glauben zu versagen.
Ob bei Lesches Helena zu einem Gdtterbilde ihre Zuflucht
nahm, wird nicht überliefert; Ibjkos Hess sie in den Aphrodite-
tempel flüchten, wie es nach der tabtUa Uiaca scheint, folgend dem
Beispiel des Stesichoros: Menelaos hat die Helena; die zum Tempel
der Aphrodite geflüchtet, an den Haaren ergriffen, in der Bechten
zückt er das Schwert Dir Gewand ist während der Flucht herunter-
geglitten und bedeckt nur noch einen Theil der Beine; ihre Linke
streckt sie abwehrend gegen ihn aus, und es ist der Zeitpunkt ge-
kommen, in dem Menelaos von ihrer Schönheit ergriffen auf die
Bache verzichten muss. Wie weit in Einzelheiten das Bild sich an
Stesichoros anschliesst, ist schwer zu sagen; nur möchte man ver-
muthen, dass nach ihm Menelaos das Schwert nicht fallen liess.
Noch weniger erfahren wir von Arktinos. Froklos sagt bloss:
Mev^Xaoc bi. dv€üpd)V *€XdvTiv iiA xdc vaOc KaxdTCi. Weitere Pol-
gerungen für Arktinos hat Overbeck'), gestützt auf die Worte des
') Mit Berufung auf Yergil Aeo. II, 686, Qu. Smyrnaeus XIII, 214,
Apollodor in, 12, 6. — ") Paasanias X, 27, 8. Jahn, Bilderchroniken
III, Dl. — *) Arch. Zeit. 1861, p.-367f. Troischer Sagenkreis, p. 626f.
An Overb. BohliesBen rioh Heydemann, Dinpersis p. 6 und Brunn, troische
MiBcellen p. 228f. an.
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634 H. Lackenbacsh:
Proklos und auf Yasenbilder, gezogen. Er meint, bei Arktinos sei
die Yersöhnmig nicht so schnell erfolgt, sondern Helena znnSchst
als Gefangene nach dem Lager der Griechen geftthrt worden. In
den Yasenbildem soll diese Version sowie anch die des Lesches sich
finden. Andere^) haben die ünterscheidting zweier Versionen in
Vasenbildem geleugnet.
Es sind nun eine Anzahl von Vasenbildem mit Recht auf Mene-
laos und Helena bezogen worden, in denen eine verschleierte Frau
Ton Menelaos am Eredemnon angefasst und darongeftthrt wird.
Menelaos hat das Schwert gezogen, welches bisweilen auch mit dem
Speere vertauscht ist. In anderen ist ein früherer Augenblick ge-
wählt: Menelaos tritt mit gezücktem Schwerte auf Heleoa zu, die
ihn ruhig erwartet (so Overb. 628, 113. 114). Hier ist es nicht die
Helena, die auf der Flucht von dem früheren Gemahl ergriffen wird,
dann aber noch im letzten Momente durch ihre Schönheit den Zornigen
entwaffnet. Wir wissen freilich, dase wir gerade bei manchen Siteren
Typen wenig Abhängigkeit vom Epos zu erwarten haben, und Klein
hat nachdrücklich hervorgehoben ^ dass in einer Vase die Schönheit
der Helena durch das überaus prächtige Gewand wiedergegeben ist,
und dass also auch in diesen älteren Bildern Helena durch ihre
Schönheit den Menelaos versöhnte; aber so viel scheint doch mit
Wahrscheinlichkeit gesagt werden zu können, dass eben nicht die
Erzählung des Lesches zu diesen Bildern den Anstoss gab. Dem-
nach entschliesse auch ich mich, mit Overbeck eine doppelte Version
in den Bildern anzuerkennen.
Die Vasenbilder, in denen ein Krieger eine Frau wegführt, ihr
mit dem Schwerte vorangehend und nach ihr, die mit der Linken
den Schleier vom Gesichte hebt, zurückschauend'), möchte ich eben-
falls auf Arktinos zurückführen. Den gleichen Ursprung vermuthe
ich für Overb. XXVI, 17: Helena sitzt auf dem Altare der Athena;
sie wendet sich um zu Menelaos, der vor Staunen den Schild auf die
Erde setzt und dadurch sich versöhnt zeigt. Dass Helena zur Athena
sich geflüchtet hat, ist Erfindung der Malers, der diese Scene mit
der Verfolgung der Kassandra verband.')
Am meisten schliessen sich an die bisher aufgezählten Bilder
eine Gruppe anderer, in denen Menelaos mit gezücktem Schwerte
die Helena verfolgt, welche sich zurückwendet und um Gnade fieht.^)
In einem derselben (d) flüchtet sie zur Aphrodite. Auf wen diese
0 Dilthey, Arch. Zeit. 1873, p. 77, Anm. 1. Klein, ofmol. 1876,
p. 262. — ") So die rfjje. Vase Heydemann, Griech. Vas., p. 7, Anm. 7.
-— ') Der abgewandte Blick der Athena zeigt an, dass der Greis und
der Knabe, cue rechts aus dem brennenden Troja ziehen, anter ihrem
Schutze dayongehen.
*) a. Arch. Anz. 1869, 141*, 136.
b. Overb. 926, 116.
c. Overb. 930, 117.
d. BttS. Na^. VI, 9. Heydemann, Uiupersis 11, 2.
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Yerfa. d. gr. Yasenbilder z, d. Ged. d. ep. Eyklos. 635
Bilder zurückgehen, yermag ich nicht zu sagen; um so sicherer sind
die folgenden auf Lesches zurückzuführen, in denen Menelaos schon
das Schwert hat fallen lassen. ^) In B flieht Helena zu Apollon, dem
Schutzgott Trojas, in C zu Aphrodite, in D zu Athena. Wie weit
indess hierin und in welchem dieser Yasenbilder die Tradition des
Lesches am genauesten vorliegt, ist schwer zu entscheiden. Apollon
ergab sieht leicht, Aphrodite, die in C nicht als Standbild sondern
als Göttin zugegen ist, musste ja die Besänftigung des Menelaos
herbeiführen. Wenn endlich in D Helena zum Palladion flieht, so
liegt auch hier kein Grund vor, für Lesches die Flucht zum Palladion
vorauszusetzen, besonders da für den Athener dies nahe lag, und
dazu noch ein grösseres Werk diesem als Yorlage gedient hat^) Es
ist schwer, jedem dieser vielen Yasenbilder eine bestimmte Quelle
zuzuschreiben, und bei manchen wird es ganz unthunlich sein. Der
Künstler brauchte sich ja selbst nicht so recht klar zu sein über die
betreffende Stelle des Epos oder der Epen. Die allgemeine That-
Sache schwebte ihm vor, und er entwarf dann nach seinem Gut-
dünken.
Einen Einfluss des Lesches sehen wir bestimmt in einigen Bild-
werken, in anderen waren wir geneigt, den des Arktinos anzunehmen.
Eine Einwirkung des Stesichoros dagegen Iftsst sich nicht erweisen^
so viel Aehnlichkeit auch manche Bildwerke (z. B. d) mit der Dar-
stellung auf der tabula lUaca haben.
Wir stehen am Schlüsse unserer Arbeit, das YerhSltniss der
Yasenbilder zu den Gedichten des epischen Eyklos zu prüfen. Denn
alle Bilder in den Bereich dieser Arbeit zu ziehen erscheint un-
nöthig, da sie nur die gewonnenen Besultate bestätigen, nicht aber
wesentlich neue Gesichtspunkte ergeben können. Die gegebene Aus-
tirahl mag genügen, da sie die wichtigsten Bildwerke umschliesst
und besonders diejenigen berücksichtigt hat, welche anderen zu falschen
Ergänzungen der Epen Anlass gegeben hatten.
Unsere Yoraussetznng, dass die Yasenmaler die verloren ge-
gangenen Epen zu ihren Darstellungen ebenso benutzt haben, wie
>) A Overb. 680, 118.
B annta. 1849, ttw. D.
C Arch. Ans. 1869, 143*, 161.
D Overb. 681, 120.
(Overb. 681, 119. XXYI, 11 ist nach B gefiUBoht, vgl. Bochette mon. ttied.,
p. 388, not, 2.) — *) Ygl. Michaelis, Parthenon, p. 139. Wenn Klein
annal. 1877, p. 264 den Phidias deswegen nicht für den Erfinder der
Composition halten will, weil sie aaf 2 Metopen vertheilt ist und daraus
schliesBt, dass ein schon fertiger Typns den Bedür&issen des Baumes
angepasst werden musste, so ist aas ixrthQmlieh , da oftmals mehrere
Metren inhaltlich zusammengehören.
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636 H. Lnckenbach:
diejenigen, welche uns noch erhalten sind, hat ihre Bestfttigang über-
all gefanden, soweit die fragmentarischen Nachrichten Aber dieselben
uns den Vergleich ermöglichten. Dieselben Principien gelten dem-
nach fOr alle Epen bezüglich der Abhängigkeit der Vasenmalerei Ton
denselben. Eine Zusammenstellung dieser Principien oder Gesetze,
die sich aus den gesammten Bildwerken eruiren lassen, soweit sie
Stoffe, die bereits in den Epen behandelt waren, darstellen, ergibt etwa
1. Das Epos ist die hauptsftchliche Quelle der Vasenbilder
yon den iütesten Zeiten bis zn denen des Veifalles^ diese mit ein-
gerechnet.
2. Neben dem Epos steht die Tragödie; ihre Einwirkungen
sind in der echtarchaischen Periode kaum wahrzunehmen. Die sfgn.
Vasen, welche Stoffe aus der Tragödie entnommen haben, scheinen
zu einer Zeit verfertigt zu sein, da schon die neue Technik die alte
in den Hintergrund gedrängt hatte. Jedoch kann hier nur eine
Untersuchung aller übrigen Bildwerke ''auf diesen Gesichtspunkt hin
abschliessende Resultate bringen.
3. Einfluss anderer Poesie auf die Mythengestaltung in Vasen-
bildem hat nicht stattgefunden.^) Lokalmythen sind nii^ends auf-
zufinden.
4. Die Vasenbilder sind nie Illustrationen zu den Gedichten
der Epiker wie der Dramatiker; auch lag eine möglichst genaue
Wiedergabe der Poesie nicht in der Absicht der Maler.
5. Daher allenthalben grosse Abweichungen von der Poesie,
nur selten enger Anschluss an dieselbe bis ^i die Einzelheiten.
6. Meist sind nur die wesentlichen und charakteristischen Züge
der Poesie beibehalten.
7. Häufig finden sich Abweichungen von der Poesie, besonders
in der Benennung von Personen, die theils ans ungenauer Eenntniss
der Dichtung, theils aus Willkür entstanden sind.
8. Erweiterungen der Scene sind sehr häufig. Vor allem
werden gern Personen, die im Zusammenhange mit der betreffenden
Scene stehen, beigefügt.
9. In der archaischen Periode werden manchmal Personen
ohne jegliche Bedeutung hinzugefdgt.
10. Die Sitten der Zeit werden oftmals auf die Heroen über-
tragen.
11. Die Büstungs- und Abschiedsscenen sind immer vom Maler
frei erfunden.
12. Allgemeine Bilder werden oftmals duich Beifügung von
Heroennamen indiyidualisirt und zur heroischen Scene verwandelt
13. Die Neigung neuerer Erklärer, alle oder wenigstens mög-
^) Für Namen und Zahl der Gottheiten ist Hesiod nicht ohne Ein-
fluBB geblieben.
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Verb. d. gr. Yasenbilder k. d. Ged. d. ep. Kjklos. 637
liehst yiele Personen zu benennen, ist sehr oft unberechtigt, da die
Malerei oft Personen zeichnet, ohne individuelle Gestalten im Sinne
zu haben.
14. Die Verschmelzung von Zeitmomenten findet sich sehr
häufig (in der archaischen Periode oft sehr naiv).
15. Der Unterschied der Poesie von der Malerei zeigt sich am
deutlichsten in Scenen, die nicht auf einen bestimmten Moment zu
deuten sind.
16. Oftmals bietet ein Yasenbild nur den allgemeinen Inhalt
der Poesie, so dass von der Zurückführung auf eine bestimmte Quelle
Abstand genommen werden muss.
17. Züge der einen Dichtung werden oft in die Bilder zu Scenen
einer anderen Dichtung übertragen.
Nachtrag zu S. 619 ff.
Zu spät, um bei der Arbeit selbst berücksichtigt werden zu können,
geht mir Roberts Arbeit über Tbanatos (Winckeknannsprogramm der
archäol. GeBcUschaft zu Berlin, 1879) zu. Derselbe erklärt die D&monen
auf D E als nfirvoc und GdvaToc. Somit würden s&mmüiche Schwierig-
keiten fortfallen, und Welckers Ansicht, dass Arktinos des Dramatikers
Vorbild gewesen, wftre richtig.
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Inhalt.
Einleituig
I. Vasenbilder, deren epische Quellen erbalten sind . . . 496 — 559
A. § 1. Arcbaiscbe Vasen 496 — 507
§ 2. Arcbaiscbe nnd rotbfigorige attiscbe Vasen
mit gleichen Darstellungen 507 — 512
§ 8. Botbfignrige attiscbe Vasen 512 — 522
§ 4. Unteritaliscbe Vasen 522— 5S4
B. § 5. Irische Eampfscenen 534 — 541
§ 6. BOstnng, Abschied, Bückkebr 541 — 556
§ 7. Kleidung, Bewa&ung u. dgl 55^—569
II. Ausserepische Dichtungen und Lokalsage 559 — 575
§ 8. Tragödie 559—590
§ 9. Hesiod 660—563
§ 10. Lyrik 563--67S
§ 11. Alexandriniscbe Poesie 572 — 674
§ 12. Lokalsage 574—575
in. Vasenbilder, 'deren epische Quellen nur in Bruchstücken
erhalten sind 575— 635
§ 13. Kyprien 575—613
§ 14. Aithiopis 614—624
§ 15. Kleine Ilias 624—628
§ 16. niupersis 628^635
Resultate 635—637
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ARES UND APHRODITE.
EINE UNTEESUCHÜNG
UEBEB
URSPEUNG UND BEDEUTUNG
IHRER VERBINDUNG.
VON
KARL TÜMPEL.
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„Combinationen fiber Entstelmiig und Uebesnahme von Mythen werden
auf wiflsenBchaftliche Bedeniong und dauernde Geltung nur dann An-
spruch haben, wenn ue — nicht zufrieden, einsehie heryozragende Punkte
Bcharf XU beleuchten, wo dann dae üebrige um so dunkler zu werden
pflegt, — oder eine ausgesuchte Reihe von übereinstimmenden That-
Sachen zu vereinigen, was in der Regel von den yerschiedensten Stand-
punkten aus möglich ist, — die in Frage kommenden Momente toU-
ständig zusammenfiuBen und als zu einem Resultat flbereinstimmend
nachweiseu, oder — da dies in Fragen der Alierttiumswissenscfaaft selten
gelingen wird, — klar darlegen, wesshalb die widersprechenden üeber-
lieferungen das gefundene Resultat nicht zu beeinträchtigen vermögen.*'
0. Jahn.
(V. d. k. Sachs. G. d. W. z. Lpzg. 1866, H.-Ph. Cl. VII 219.)
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Einleitung.
OeseUelite der Frage.
§ 1. Die wxturphüosaphisch'S^mbölische Bichtu/ng, Der <e Irr-
thum des römischen Volkes, dass seine Götter einzeln den griechischen
entsprächen^ hat bekanntlich bis in unser Jahrhundert unter den
Mjthologen fortgelebt und manche schädlichen Yorurtheile erzeugt,
die erst mühsam ausgerottet werden mussten. — Unter diese gehört
auch die Ansicht von der Wichtigkeit der Bolle, welche Mars und
Yenns auch in der Religion der alten Griechen gespielt haben sollten.
Sie beruht auf einer stillschweigenden Identificirung dieser beiden
Götter mit den griechischen Ares und Aphrodite, in Folge deren
man die Gründe für die hohe staatliche Bedeutung des römischen
Paares, als der Stammgötter des xäsarischen Borns, auf griechischem
Boden finden zu wollen versucht war. Von dort her sollte sich die
fortwirkende Bedeutsamkeit nach Bom übertragen haben. Die Spuren,
welche die üeberlieferung an die Hand gab, schienen zum Theil nach
Samothrake hinzuweisen und so war es natürlich, dass man in den
dunklen, die Phantasie reizenden Geheimnissen der dortigen Mysterien
und ihrem weithin sich verzweigendem Einfluss den Schlüssel für die
Bedeutung unseres Paares in der Hand zu haben vermeinte. Es
konnte dabei nicht fehlen, dass man auf diesem Besultat fussend im
Anschluss an die Ansichten antiker Philosophen in der Verbindung
von Ares und Aphrodite eine mythische Manifestation tiefer natur-
philosophischer Gedanken erkannte, mit denen die Weisheit der alten
Pelasger den Abstractionen der späteren Philosophen vorausgegangen
sei. Eine solche alte religiöse kosmogonische Allegorie von der Ver-
einigung streitender Elemente (Liebe und Hass, Streit und Einigung)
zur Bildung der Weltordnung (der Tochter Harmonia) sahen in der
Paarung von Ares und Aphrodite z« B.
Gh. G. Heyne (Antiquar. Aufs. I 160 ff. — 1778) und
Mart. G. Hermann (Myth. d. Griechen, p. 452 — 1801), dem
„die Ordnung, in welcher die Kinder aus der Ehe entspringen, Deimos
und Phobos (Furcht und Schrecken) und dann Harmonia (Vereinigrmg),
ein Symbol der empörten und zuletzt beruhigten Elemente'^ ist. Am
nachhaltigsten wirkte
Fr. Grenze r. Seine mit den vorigen identischen Ansichten
(Symbolik 11 294—1810) fanden einen WiderhaU bei
Jahrb. f. «IM.. PbüoL Sappl. Bd. XL ^^||^^ ^^ GoOglc
642 K. Tümpel:
0. Malier, der ebenMls noch die Mysterien für den ^Mittel-
punkt der griechischeB ürreligion* hält, und Ares und Aphrodite
sowohl , wie Hephaistos und Aphrodite für die Principien derselben,
Eersos und Eersa, *an welche sich Harmonia in symbolischer Lehre
anschliesst' (Orchomenos u. d. Minyer ü* 443. 447. 445. 212 —
1820 u. 1844). So ist also diesem Götterpaar seine Betonung der
Stammcnlte nicht zu Statten gekommen. Ein weiterer Nachfolger
von Creuzer war*)
W. H. Engel, welcher in seiner noch immer unentbehrlichen
Monographie über den Cult der Aphrodite, ziemlich den ganzen zweiten
Theil seines Buches über ^Eypros' ( — 1841) auBftÜlend, jene An-
sicht bis zur ftussersten Consequenz führte. Aach ihm sind Ares
und Aphrodite grosse pelasgische Potenzen, deren Sitze besonders
die Eabirenmysterien zu Theben und Samothrake seien. Unter dem
Eindruck dieser bedeutungsvollen Stellung wittert er auch da Be-
ziehungen der Aphrodite zu Ares, wo sich in der That feste Anhalts-
punkte nicht finden, z. B. in Thrakien, so bereitwillig er auch sonst
allen Verhältnissen dieser Oöttin Rechnung trägt. Diese pelasgische
Götterehe von weiter Verbreitung und tiefgreifender Bedeutung zieht
sich nach ihm in gleichmftssiger Entwickelimg und ohne AbschwSehung
von den ältesten Zeiten durch alle Perioden der griechischen Ge-
schichte bis in die römische Epoche der antiken Cultur hinein. Der
Umstand aber, welcher trotz all seiner Gründlichkeit diese Ueber-
Schätzung verursachte, war ein nothgedrungener Verzicht auf die
Benutzung der Eunstdenkmäler, den er selbst beklagt (Eypros 11,
p. IX). So konnte denn ein Bückschlag von dieser Seite her nicht
ausbleiben, und er erfolgte aus dem Lager der Greuzerianer selbst.
E. Gerhard warnte in seinem berflhmten ^Rapporte intomo
i vasi Volcenti' (No. 234) in den Annali dell* instituto arch. (IQ.
141 u. 38 — 1831)**) davor, Ares und Aphrodite allzuvoreilig auf
Vasenbildem erkennen zu wollen, da ihr Vorkommen äusserst sel-
ten sei; und wenn auch Welcker noch 1860 in seiner ^Oriechi-
schen Götterlehre' (ü 708) sagt, *in Bildwerken sei nichts häufiger
als unser Paar', so war jnan doch darauf aufinerksam geworden,
dass die Bolle, welche Ares und Aphrodite in der Eunstdarstellnng
spielen, bei weitem nicht entspreche der phantastischen Würde,
welche man dieser Götterverbindung im Bereich des griechischen
Beligionsglaubens zuertheilt hatte. Ein anderer Gnmdirrthum der
Creuzerischen Richtung, deren mythologische Anschauungen eher
den letzten Abschluss der antiken philosophirenden Mythologie, als
die ersten Anfänge der neueren bilden, war^ dass die naturphilo-
sophische Allegorie den Inhalt des Mythos ausmache, also eine nach
*) F. Lajardsim gleichen Sinne geschriebenes Werk: 'Becherches
aar le culte, les symboles, les attribnts et les monumentB figor^ de
Venus en Orient et en Occident 1887— 1S48' war mir nicht so^biglich.
•*) Hinck (A. d. I. 1866, p. 100») dtirt falsch.
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Ares und Aphrodite. 643
dieser Richtimg mögliche Deutong das KriteriTun ftlr die Echtheit
eines Mythos sei. Mit dem durch J. H. Voss (z. B. Antisymbolik
I 168, 1824—1826) jedoch gemachten Einwand, dass ein solches
Verfahren eine anachronistische Anwendung neuplatonischer Ideen
auf eine ganz vorphilosophische Epoche sei, war auch nach dieser
Seite hin der Yerbindung von Ares und Aphrodite die bisherige Stütze
der Echtheit entzogon; und seitdem ist keine neue Richtung des
mythologischen Forschens aufgekommen, in deren Systemen nicht
letzthin dieses Paar immer als eine von aller Naturreligion seitab
liegende Combination der dichterischen Phantasie hingestellt wäre.
Den Anfang mit dieser Auffiassung hat selbstverständlich, da sie in
seinem ganzen System herrschend war, Yoss selbst gemacht, wenn
auch keine Aeusserung sich speciell auf die Paarung von Ares und
Aphrodite bezieht. Die erste solche finden wir im Bereich dieser
Richtung; welche keinen natursymbolischen, sondern nur einen
ethischen Inhalt den Mythen zuerkennen will, bei Götüing.
§ 2. Die eiMsche tmd natursyinbalische Richtung. K. W. öött-
ling behauptet in seinem ^System d. alten Mjrthologie d. Griechen'
— 1827 (= (Jesammelte Abhandlungen, p. 197 — 1851), *der Aphro-
dite sei Ares deswegen zugesellt, weil, nach Piatons Bemerkung,
sinnliche Weiber martialische Männer am liebsten haben'. Neuer-
dings hat auf diesen Standpunkt
E. Lehrs zurückgegriffen. Er sagt in dem Aufsatz über *Gott,
Qötter und D&monen' (in der zweiten Auflage seiner ^Populären
Aufsätze aus dem Alterthum*, p. 161. 165 ff. — 1875) *der Grieche
konnte einen Gott wohl begreifen; aber seine geistige Organi-
sation und Bedürfniss verabscheute es, ihn zu ergreifen. Selbst den
allgenügsamen Zeus mochte er nicht allein denken', und so ^treten
ihm zunächst bei Apollon und Artemis, beide erÜEtöst als herrlichster
Typus eben gereifter männlicher und weiblicher Jugendlichkeit', . . .
femer ^rückstrahlend seine ruhige Weisheit auch eine Tochter Pallas-
Athene'. Allein ^diese Zahl der drei Kinder muss der Phantasie
der Griechen noch nicht voll genug erschienen sein: noch einen Sohn
und eine Tochter sich entsprechend ordnete man bei, Ares und Aphro-
dite, diesmal sich entsprechend im Gegensatz als des Krieges Wildig-
keit und der Liebe Holdigkeit',... worauf als ein weiteres ^merk-
würdiges Beispiel solcher im Gegensatz zu einander fortwachsenden
Gestalten und Gestaltungen noch Herakles und Dionysos' sich an-
Bchliessen; . . . eine sonderbare Yerkennung der Aufgaben historischer
Forschung, der mit Recht R. Förster (in Fleckeisens Jahrb. 113,
p. 806) entgegengetreten ist
Eine dritte Richtung, welche durch Festhaltung der symbolischen
Deutung sich mehr an die Creuzerische anschliesst, aber sich von
dieser doch darin unterscheidet, dass sie in der Mythologie nicht
kosmogonische Allegorien, sondern solche des Naturlebens, in den
Göttern Personificationen von Naturerscheinungen erblickt, glaubt
>i*dby Google
644 K. Tömpel:
in Ares tuad Aphrodite die beiden himmlischen Lichter, Sonne ncd
Mond, personifioirt; so
J. A. Kanne schon 1808 in der ^Allgemeinen Mythologie'
(I 249). Seinen etwas confnsen Vergleichen des Paares mit Delik
und Simson, Omphale und Herakles liegt der Gedanke zu Orunde,
dass die Mondgöttin dem Sonnengott das Licht raubt, und nach
seiner Bezwingung während der Nacht die Erde beherrscht. — Als
Sonne und Mond erklärt das Paar auch
E. Schwenck in den ^Etymologisch -Mythologischen Andeu-
tungen' (p. 243 — 1823), wobei er hinter der Aphrodite eine ur-
sprüngliche thrakische Bendis vermuthet als oberste Oöttin neben
dem obersten Gott der Thraker, Ares. Später änderte er seine An-
sicht, die sich noch vertreten findet von
J. N. Uschold: ^Vorhalle der griechischen Geschichte und
Mythologie' (ü 202. 301). Auch Hephaistos und Aphrodite sind
ihm ^ Sonne und Mond', wie überhaupt fast alle Gottheiten des
griechischen Götterhimmels. Eine ganz verschiedene Auffassung bietet
J. F. Lauer (System der griechischen Mythologie, «p. 242 —
1853). Nach ihm ^buhlt Ares als Herr der Wolken mit Aphrodite,
der Göttin des sprossenden Erdenlebens, das von der thauigen Wolke
befruchtet wird'.
Die beiden getrennten Methoden der natursymbolischen and der
ethischen Deutung vereinigte zu höherer Einheit
L. Preller, indem er der ersteren die Nothwendigkeit zuge-
stand, hinter den anthropomorphischen Göttern des Epos Potenzen
des Naturlebens zu suchen, die später nur ethisch umgedeutet
wurden, — und von der zweiten das Hilfsmittel der litterarischen
Kritik mit Homer als unbedingtem Ausgangspunkt der Forschung
acceptirte. In der ersten Auflage seiner ^Griechischen Mythologie'
denkt er sich (p. 206 f. — 1854) den Bund von Ares und Aphrodite
^eigentlich gewiss kosmogonisch gemeint' und sieht darin eine Ver-
einigung des ^streitbaren Sonnengottes' mit der schlechthin 'himm-
lischen' Aphrodite. Da diese Erklärung ihn offenbar selbst nicht
befriedigte, so lesen wir in der zweiten Auflage (I 267): *Als
eine Göttin des Gewitters und Blitzes wurde Aphrodite Urania ge-
wohnlich bewehrt und kriegerisch gedacht, wodurch sich zugleich
der alte Bund zwischen Ares und Aphrodite zu Theben und in anderen
örtlichen Culten und Sagen erklärt, daher sie hin und wieder auch
den Beinamen Areia führt'. Eine scdiwer zu beweisende Behauptung,
welche nur
W. Schwartz in seinem Buche ^Ursprung der Mythologie' von
neuem zu vertreten gewagt hat (p. 116. 162. 178. 212. 215 —
1878). Dagegen hat
F. G. Welcker, der mit Ausnahme seiner sonst nicht stören-
den Ansicht vom urgriechischen Zeusmonotheismus mit den vorher-
gehenden Gelehrten auf gleichem Boden steht^ wie wir weiter sehen
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Ares and Aphrodite. 645
werden, aas den bieberigen Erklärongaversachen das negative Resul-
tat gezogen y dass von einer religiösen Bedeutung der Combination
Ton Ares und Aphrodite keine Bede sein könne. Während
P. F. Btuhr (^Beligionssjsteme der Hellenen' etc. «» der 'Allg.
Gesch. der Beligionsformen der heidnischen Völker' zweiter Theil,
d84f. — 1888) wenigstens nur *die homerische Sage von dem
Ehebruch des Ares und der Aphrodite' im Oesang des Demodokos
(Od. e. 267—866) als dichterische Erfindung hinstellte (von der
^Vermfthlung der Schönheit und der Kraft' und der Bändigung der
letzteren durch die erstere), die ^thebische Sage aber, derzufolge
Ares als Gemahl der Aphrodite genannt wird' (flesiod Theog.
987), doch auf ^alte Vorstellungen von Natursymbolik' zurückgeführt
wissen möchte, nimmt Welcker auch fOr den thebischen Cult, und
nicht nur fOr diesen, sondern auch fOr die Paarung im Z wölfgötter-
sjstem dichterische Willkür und Zu£bJ1 an, ganz im Gegensatz zu
den sonst überall gegebenen natursymbolisehen Deutungen. Seine
diesbezüglichen Aeusserungen werden wir seines Orts zusammen-
stellen. Vorläufig genügt es zu constatiren, dass diese Richtung mit
einem negativen Resultat geendet hat und in dem einen Falle an-
nimmt, was die Voss'sche in allen: eine Dichtererfindung.
Um die Stellung der Frage noch eigenthümlicher zu machen,
muss auch von der Methode des Verfassers der ^Stammmythologie',
H. D. Müllers, welche mit den anderen im nämlichen Gegen-
sats sich befindet, wie diese untereinander, das Gleiche gemeldet
werden. Das Bedürfiüss, ein bestimmtes Lokal nachzuweisen, in
welchem der Doppelcult sich urächt beftnde, und ihm durch An-
knüpfung an einen bestimmten Volksstamm Leben einzuflössen, hatte
schon früher
K. Schwenck (a. a. 0.) an Thrakien denken lassen, wo die
Bendis ^»> Yenus' mit Ares verbunden sein sollte. Auch
M. W. Heffter (Religion der Griechen und Römer; p. 189 f.
— 1846), bei dem rein ethische und natursymbolische Deutungen
neben einander hergehen, suchte, freilich unbestimmt genug, den Ur-
sprung dieser von ihm nach Voss'scher Weise aufge&ssten theo-
gonischen Dichtung oder vielmehr ^Fabelei' *in irgend einem Theile
von Griechenland, dessen Bewohner kriegerischer Natur waren'. Als
aber dnroh
F. G. Movers (Phoenizier 1841) das Studium des Orients
und seines Einflusses auf Griechenland neue Anregung erhielt,
glaubte auch Schwenck in der ^Mythologie' (I 244 — 1848) sein
conjecturales thi*aki8ches Ehepaar besser stützen zu können durch einen
Verweis auf den Orient. Der Patäke Melkarth mit der Aphrodite
der Semiten sollte auf Lemnos mit Hephaistos, in Thrakien mit Ares
zusammengeflossen sein, welche nun im Streit um die Aphrodite der
eine zum Gemahl, der andere zimi Buhlen derselben gemacht worden
wären (IV 217 — 1846). Aber zu begründen ist diese Hypothese
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646 K. Tümpel:
nicht; und es spricht aus ihr nur die Yerzweiflung, auf griechischem
Boden die Wurzeln der Verbindung zu erweisen.
H. D. Müller hielt an dieser Hofihung noch fest, als er in
seinem ^Ares' (p. 34 — 1848) von dem Mythos des Demodokos-
gesanges sagte, ^er sei keineswegs eine müssige Erfindung des Homer
oder eines älteren Dichters, der seine Zuschauer habe belustigen wollen;
er habe vielmehr seinen letzten Grund in derselben chthonisohen Auf-
fassung des Ares, welche sich in seiner Fesselung ausspricht'. Aber
nichtsdestoweniger haben er wie
H. W. Stell (üeber d« ursprüngliche Bedeutung d. Ares.
1853), also gerade die beiden einzigen Verfasser von Monographien
über diesen Gott, ganz auf die Behandlung seiner Beziehungen zu Aphro-
dite verzichtet. Diese rechnet H. D. Müller (p. 91) ^zu dem geringen
Reste des Materials, das er zurücklftsst, weil es nach dem dermaligen
Standpunkt der Wissenschaft sich der mythologischen Forschung
noch nicht fügen zu wdllen scheine'. Bei seiner Beschränkung auf
rein griechische Religionskreise fand sich aber die erwartete Auf-
klärung nicht in dem Bereich der Studien dieses Gelehrten; und so
lesen wir in seiner * Mythologie der griechischen Stämme'
(n 369)
*Homer scheut sich bisweilen nicht^ z. B. in der Erzählung von
der Fesselung des Ares und der Aphrodite, Scherzhaftes von den
Göttern zu berichten; allein niemand, der tiefer einzudringen ver-
mag, wird verkennen, dass der Dichter in solchen Fällen nicht alte
üeberlieferung verfolgt, sondern sich der freien Erfindung überläset'.
Und betreffs des thebischen Cultes heisst es (II 319):
^Aphrodite wird nur als Mutter der Harmonia genannt, wie es
scheint, aus keinem anderen Grunde, als weil man schon den Gott
Ares als ihren Vater angegeben fand, und für diesen keine andere
Gemahlin ausfindig zu machen wusste, als die schon in der Odyssee
mit ihm buhlende Göttin'. — Dieser Cult — und das war er, wie
wir sehen werden, verdankt also nach ihm seinen Ursprung einer
jener ^Erzählungen, die eher den Namen einer Romandicfatung ver*
dienen, und in der Zeit entstanden sind, als die epische Poesie
Griechenlands in der Blüthe stand' (EL 2), was sich bedenklich zu
seiner Warnung verhält, nicht *zu der Krücke zu greifen, dass man
eine Dichterfiction annimmt' (Ares 119). Man wird vielmehr ge-
stehen müssen, dass mit einem so gewaltsamen, wenn auch noch so
allseitigen Abbruch der Forschung eine Befriedigung nicht erreicht
ist, und dass, trotzdem von dreifiEicher Seite die Acten in der Frage
nach der mythischen Echtheit oder Unechtheit der Beziehungen von
Ares und Aphrodite geschlossen sind, die Frage selbst doch noch
inuner zu den ^Problemen' gehört, die ^als Gegenstand der Forschung
immer aufs neue wieder hingestellt werden müssen, und nicht, weil
sie bisher ungelöst sind, durch eine negative Kritik unbequemer Weise
bei Seite geschoben werden dtirfen'. Es wird erlaubt sein, diese Worte
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Ares imd Aphrodite. 647
J. Oyerbecks (Oriech. Plastik I' 65.) mit seiner Stellang zu
unserer Frage in ZusammenhaDg zu bringen, da er allein den Glau-
ben an eine gute religiöse Bedeutung der Paarung aufrecht gehalten
hat in einer gelegentlichen Bemerkung bei Anlass der Besprechung
des Erg&nzungsproblems der Aphrodite von Melos (a. a. 0. II'
326). In seinen Worten: ^man habe sich das Götterpaar in seiner
heiligen, ehelichen Verbindung als Tempelgruppe aufge-
stellt zu denken', ist mittels Betonung des Cultes und der religiösen
Echtheit eines Hieros-Gamos jene *piu antica idea' prftcisirt; welche
A. Hinck (*due pitture pompejane riferibili al mite di Marte
e Venere', Ann. d. Inst. 1866, p. 98. 100) nur oBbestimmt vor-
aussetzte. Obgleich nun erst kürzlich Goeler v. Ravensburg
(die Yenus von Milo p. 73 — 1879) wieder bezweifelt, ob bei
Ares und Aphrodite überhaupt von einer ^heiligen' Verbindung die
Bede sein könne, Ma eine solche Anffassung bei den Griechen im
Colt und in der Kunst nur in schwachen Spuren hervortrete' (wört-
lich wie BernouUi: Aphrodite p. 145 — 1878), so ist damit doch
von Overbeck ein heilsamer Hinweis auf erneute Untersuchung des
Gegenstandes und eine Aufmunterung gegeben, die bei dem grossen
Einfluss der Welcker' sehen * Götterlehre' um so weniger zu unter-
schfttzen ist. Da die Ansicht dieses grossen Gelehrten, die im System-
zusammenhang noch in der Götterlehre festgehalten, als letztes ehr-
würdiges Vermftchtniss in den Wissensschatz der Aiterthumskunde
übergegangen ist, die am ausführlichsten begründete von allen ist,
so erscheint es rathsam, sie zu Grunde zu legen. Denn wie wir sahen,-
kann sie zugleich als Ausdruck der jetzt herrschenden Ansicht dienen.
§. 3. Wacheres Ansicht. Die am weitesten gehende Aeusserung
Welckers findet sich in den
Alten Denkmälern (I 439 — 1849): 'Die Gruppirung
des Ares mit der Aphrodite scheint römischen Ursprungs zu sein,
da von einer solchen Gruppe aus der guten Zeit (welcher die Aphro-
dite von Melos angehört) nirgends Erwähnung gethan wird, während
Mars und Venus, frühzeitig schon von den Dichtem gepaut, für die
Bömer eine besondere Bedeutung erhielten durch die zufUlige Be-
gegnung in der Stammsage'. Dieser Passus darf nicht, wie Ber-
nouUi (Aphrodite p. 144) thut, von der 'Verbindung' der beiden
Götter überhaupt, was allerdings verwunderlich wäre, sondern
nur von statuarischen 'Gruppen' verstanden werden, wobei
symbomische Vereinigung von Einzelstatuen also durchaus nicht
aJs der Ueberlieferung entgegen geleugnet ist. Dies geht aus der
Natiyr des behandelten Gegenstandes (Aphrodite von Melos), wie aus
Götterlehre 11 371 — 1860 klar hervor; dort heisst
es: 'Für die Bömer hatte die Verbindung ihres Mars mit der Ahn-
mutter der Aeneaden, Aphrodite, besonderen Beiz, und durch sie
ist wahrscheinlich der gemeinsame Cult in Griechenland gehoben
woxden'.
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648 K- Tümpel:
In diesen Worten zeigt sich zugleich seine Geringsclifttznng des
griechischen Paares, die noch deatlicher zu Tage tritt in seiner Ab-
handlung
*üeber eine kretische Colonie in Theben' (p. 40 —
1824): ^Die Göttin von Askalon und Eittion, in eine Allegorie der
Schönheit und Liebe verwandelt, war von den thrakischen Musen,
welche für immer den Oötterverein des Olymp geordnet haben, dem
Ares zugeführt. — Haben doch die Dichter auch allein, wie es scheint,
die Veranlassung gegeben, dass in Theben Harmonias Mutter Aphro-
dite Verehrung geweiht ward'. — Hieran ändert wenig, dass er
Götterlehre I 286 diese Verbindung unter die ^Producte
systematisirender Theogonie' und
ebenda H 707 unter ^die Gombinationen der ältesten Mytho-
logen' rechnet, ^die nicht selten volksmSssig geworden sind, ohne
Rücksicht auf die Motive, aus denen sie hervorgegangen waren'.
Denn gleich der weitere Verlauf dieser Stelle charakterisirt diese
Motive als sehr äusserlich von Natur, weil angeblich in einer miss-
verstftndüchen Auffassung der bewaffneten Aphrodite als einer Areia
(Ares-Gattin) beruhend. Femer heisst es in der
Götterlehre (I 669 — 1867): *Die von aussen eingedrungene
Göttin Aphrodite wird mit dem ebenfEÜls auf einen allegorisehen
Dämon heruntergebrachten, auf seinem eigenen Boden sehr um&s-
senden Gott (Ares) vermählt. Dass hierbei nur an das VerhSltniss
zu der Schönheit, des Helden zu der Schönen, gedacht worden sei,
wird niemand leicht glauben. Vielleicht lag der Anlass darin, dass
Aphrodite, wie Astarte, bewaffiiet war. Wenn nun Aphrodite mit
Ares zusammentraf, wie in Theben, so konnte der Schein, dass sie
eine Areia sei, da die Symbole auf viele Ideen zufällig geleitet
haben, zu einer wirklichen Verbindung zwischen ihr und Ares
fdhren'.
Gerade die hier ausgeschlossene Möglichk^t eines rein ethischen
Grundgedankens ninunt aber Welcker fttr einen anderen Fall in An-
spruch, wo Ares und Aphrodite mythisch verknüpft erscheinen, näm-
lich für den Gesang des Demodokos im Vin. Buch der Odyssee. Hat
er schon in der
Götterlehre (I 86) Ares und Aphrodite unter Homers alle-
gorischen Personen zusammen aufgeführt, letztere namentlich in
ihrem Verhältniss zu Ares (und Helena)', so ist
ebenda H 731 in dem scherzhaft ausgesponnenen Mythos bei
Demodokos ^das einzig schaffende Subject die Schalkheit des Hörnen-
den, der den Ares zum Buhlen der Aphrodite macht'. Dies erseheint
ihm natürlich selbst ^unerwartet: bei der ernsthaften Zusammen-
stellung', die er bei der Besprechung der Aphrodite bemerkt habe.
Allein er hilft sich durch eben jenes Mittel, das en: oben bei der
thebischen Verbindung verschmähte; er sagt
(n 707): ^Die Beziehung der Aphrodite zu Hephaistos und die su
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Arefl und Aphrodite. 649
Ares scheint bei Homer gleich znfftllig nnd ftusserlich, nur ein poe-
tischer Ghedanke zu sein' ; gleidi der weitere Verlanf erklftrt, wie er
dies meist, und gibt zugleich die £rlftnterang zu seiner Bezeichnung
^allegorisch'. Er sagt:
*Mit Hephaistos scheint Aphrodite nicht bloss durch den Beiz
der Ooldschmiedearbeit, wie auch Gharis, verbunden, sondern auch
als der am wenigsten Schöne mit der Schönsten, um neckisch den
Handarbeiter zum Hahnrei zu machen'.
Wenn also das VerhOltniss des Ares zur Aphrodite ein ^gleich
ftusserliches' ist, wie das des Hephaistos zu dieser Göttin, so kann
man hier nicht umhin, an eben jenes ^Verhtitniss der Kraft zur
Schönheit, des Helden zur Schönen' zu denken, das er für die Er^
klärung der thebischen Paarung nicht gelten lassen wollte: Also
soll die poetische Verbindung bei Homer andere Ursachen haben,
als die religiös-dogmatische zu Theben : eine sehr missliche Annahme.
Doppelt bedenklich wird sie durch ihre starke Inanspruchnahme des
Zufolls und der ftusserlichen Analogie zur Erklibrung eines Cultes,
der unbedingt echte Wurzeln im Glauben des Volkes verlangt und
nicht, selbst in homerischer Zeit, erst durch die Dichter veranlasst
sein kann, unerträglich aber wird diese AufB&ssung, wenn wir
sehen, dass zur ErklSrong der Combination unseres Paares im XII-
Götter-System eine dritte, gleich äusserliche Veranlassung suppo-
nirt wird. Jene ist ihm
(G^^tterlehre H 70) * weiter nichts als eine Verbindung zweier
Götter, fOr welche beide unter den echt griechischen (Göttern) keine
(andere Verbindung) zu finden war'. Den Gegensatz dieser dritten
angenommenen Ursache zu derjenigen, die er für die homerische in
Anspruch nimmi, drückt möglichst scharf eine Stelle seiner
*Aischyleisohen Trilogie Prometheus' (p. 96 — 1824)
aus: *Die Vereinigung des von anderen St&mmen unter den Hel-
lenen zurückgebliebenen Ares mit der phönikischen Aphrodite hat-
ten sie (die beiden Gottheiten) nicht etwa dichterischer Weise, inso-
fern Schönheit dem Helden zu Theil wird, sondern darum geechlosseu,
weil für Beide in echt griechischen Beligionssjstemen keine Unter-
kunft war'; ^zurnothdürftigen Ausfüllung', sagtGerhard (Grie-
chische Myih. § 353, 2) diesen Satz zusammenfassend.
Drftngt sich nicht unwillkürlich, wenn man die Dreiheit von
verschiedenen Motiven vernimmt, welche denselben Effect gehabt
haben sollen in Cult, Poesie und nationalem System, das Bedür&iss
nach einer gemeinsamen Ableitung verschiedener Phasen derselben
Erscheinung aus einer Quelle auf? Und wenn wir bedenken, dass
diese dr^ Zeugnisse fOr die Verbindung der beiden Götter (thebischer
Gült, Odysseegeeang und Zwölfgöttersystem) gerade alt sind, der
Mangel an solchen aber nur für eine jüngere Epoche Geltung hat:
müssen wir da nicht annehmen, je weiter rückwärts wir unser Paar
in die dttmmemde Vorzeit zu verfolgen im Stande wttren, desto
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.650 K. Tfimpel:
lebendiger müsste es werden? Freilich früher schloss man hieraus:
desto yerschwonunener müsste es vielleicht erscheinen, aber auch
um so grösser über sich hinauswachsen; und so kam man auf die
pelasgischen Eabirenmjsterien. Das war falsch; aber nicht minder
der Schluss der späteren: was in historischer Zeit kein rechtes Leben
mehr gehabt, kann es überhaupt nicht, oder doch nur in einer Dichter-
phantasie oder im Beich des Zn&lls gehabt haben.
Suchen wir aber nach dem Onmde, der Welcker verhinderte,
die dritte Möglichkeit: nftmlich ein lokales Stammpaar, dem unter
der üppig wuchernden Fülle der Nationalmjthologie Licht und Luft
zur Entwickelung fehlte, zu berücksichtigen, so ergibt sich uns
derselbe in seiner Verkenaung der einheimischen griechischen Elemente,
die in der Aphrodite untergingen. Was an derselben griechisch ist,
bewundert er als Meisterstück der aneignenden und grftcisirenden
Dichterphantasie des griechischen Volkes: im Grunde ist es inuner
bloss die semitische Göttin, um die es sich bei ihm handelt, mag er
nun Yon ihrer Bewaffnung reden, wie in Theben, oder ihrem
Barbarenthum, das ihr im Zw ölfgött er System zur Verbindung mit
Ares yerhilft, oder ihrer allegorischen Natur, die sich bei ihr, wie
bei Ares, als fremden Göttern rascher ausbilden musste, als bei den
echt griechischen, und somit bei Homer zur Verbindung der Kraft
mit der Schönheit etc. führte.
Aber, könnte man einwenden, er hat ja in seinem Artikel *Dione'
in der Gr. Götterlehre eine einheimische Tochter der dodonSiflchen
Dione in der fremden Aphrodite untergehen lassen, und somit dem
einheimischen Elemente die Mitwirkung zugestanden, die sich in der
Homerischen Scene (€ 371) zwischen Aphrodite und ihrer Mutter
Dione ausspricht; allein wie er davon denkt, zeigt 11 707 der Götter-
lehre: ^die Genealogie und alle mythischen Verhältnisse der Aphro-
dite sind so schwankend, dass man auch darin eine Bestätigung ihrer
ausländischen Herkunft, yermöge deren darin nichts Feststehendes
und uraltes sein konnte, erblicken darf'.
§. 4. Principien. Haben wir nun hiermit, wie wir glauben
dürfen, den springenden Punkt in Welckers Ansicht gefunden, so
empfiehlt es sich, gerade von ihm aus eine neue Analyse der Frage
zu unternehmen: und so würden wir uns (im Wesentlichen über-
einstinunend) mit
B. Förster*) (in Fleckeisens Jahrb. 113, 806 f.) als Aufgabe
hinstellen müssen, zu untersuchen, ob
1. Der Mjrthos von der Verbindung des Ares und der Aphro-
dite ein specifisch griechischer ist, oder ob orientalischer
Einfluss zu erkennen sei; d. h. wenn wir unsem obigen
Vorsatz ausführen wollen, zu fragen: Ist die mit Ares Ter -
*) Er hofft, abweichend Ton uns, Alles von der vergleichenden
Mythologie, wie seine übrigen, hier nnterdrflckten, Furagen seigen.
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Ares und Aphrodite. 651
bundene Aphrodite nothwendig eine fremde? Die
folgenden Fragen würden mit demselben Gelehrten so zu
formnliren sein:
2. Lflsst sich Yielleicht sogar die Heimath des Mythos in einem
bestimmten Stamm und seine allm&hliche Verbreitung
nachweisen? und
3. Was ist seine Bedeutung und Inhalt? welchen Fragen
die drei Theile unserer Untersuchung entsprechen sollen.
Damit haben wir das Gebiet der Principien gestreift, das nur
betreffs der dritten Frage ein streitiges sein kann. Denn durch die
zweite haben wir uns zu 0. Müllers Methode der Zurückführung der
Mjthenmasse auf Landschaften und Stämme bekannt, womit wir uns
nur einem heutigen Tags^ abgesehen von der reactionären Eichtung
der Lehrs'schen Schule, allgemein anerkannten Axiom unterwerfen.
Sollte aber hierbei eine cultmSssige Echtheit und gemeinsame Ver-
ehrung des Paares in einem bestimmten Stamm sich ergeben, so
werden wir nicht umhin könneUi des weiteren uns an
H. D. Müllers Methode anzuschliessen, dessen vielfach bewähr-
ter, und durch praktische Untersuchungen gewonnener Grundsatz,
dass der griechische Polytheismus ein durch die Mischung separat
einwandernder, aus einer üreinheit sich herleitender Stämme erst
auf griechischem Boden erwachsener sei, sich hier von neuem be-
stätigt haben würde. Der Werth seiner Methode, die in seinem
*Ares' (1848) und in der ^Mythologie der griechischen
Stämme' (I, 1857, 11, 1, 1861, II, 2, 1869) niedergelegt ist, liegt
in der logischen Consequenz der Grundsätze, in ihrer mit Nothwendig-
keit sich vollziehenden Entwickelung aus den Methoden der Vor-
gänger, und in der schliesslichen Gewähr einer organischen, weil
historischen Anknüpfung der griechischen Mythologie an diejenige
der arischen Urzeit, wie sie aus den in Asien fortlebenden Tradi-
tionen der in der Heimath zurückgebliebenen verwandten indischen
Stämme gewonnen wird, — also in der naturgemässen Ausfüllung
einer Kluft, welche die Vergleichende Mythologie in voreiliger Ge-
waltsamkeit überspringen will. Indem wir uns der praktischen Winke
dieses Gelehrten, die übrigens viel mehr Allgemeingut geworden sind,
als meist anerkannt wird*), seines Ortes unter gewissenhafter Be-
'^ Freilich unter Ablehnung der destructiven Consequenzen seiner
Methode. Doch auch diese werden Eingang finden, wenn es sich einmal
herausgestellt haben wird, dass nicht die abstrusen indischen Mythen,
sondern die germanische Mythologie mit ihrer leicht controUirbaren
Mythenverschmelznng und symbolischen Durchsichtigkeit die einzig rich-
tige Vorschale zur Erkenntniss des mythischen Denkens ist. Hier trägt
noch jeder Gott und Held die Spuren seiner ursprünglichen mythischen
Universalität an sich: von ziemlich jedem wird • derselbe Jahresmythos
erzShlt; jeder hat seine ergänzende ätlfföttin; und doch bat jeder wohl
oder übel sein beschränktes Ressort in der Natur zugewiesen bekommen,
an das er von Anfang an nicht gebunden gewese^i sein kann, und sind
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652 K. TtUnpel:
mfung auf den Wortlaut seines Textes dankbar bedienen werden,
hoffen wir, dass aacb da, wo die Spitze sich gegen ihn selbst kehren
muss, uns seine schliessliche Anerkennung nicht fehlen wird; denn
der scheinbar zerstörende Eingriff wird nnr zu einer Erweiterung
und Abrnndung seines Gebftndes führen.
Wenn wir nns jetzt zur Beantwortung tmserer ersten Frage
nach dem National der mit Ares verbundenen Aphrodite wenden^
wfirde von geringem Nutzen sein eine nur unsichere Ergebnisse
liefernde Analyse der Dichter, welche Tielmehr, sowie die Schöpfun-
gen der bildenden Kunst, nachtrSglioh als Gontrolle für das dienen
mögen, was sich aus einer Musterung der Culte ergab, — zu der
wir jetet schreiten.
auch die Namen yerachieden, so sind deren Trftger doch alleeammt
Doppelgänger: ZerBplitteron^ren desselben Wesens, das nur in yersohia-
denen Religionsgemeinden sich verschieden entwickelte. Mit der Zu-
sammenschmelzmig der Stämme zu einem Gesammtvolke vereinigt ein
nationales System alle die gebrochenen Strahlen des ein&chen ürliehte
za einem bnnt&rbigen GewimmeL Diese Ansicht als festen GFrundsatE
für die deutsche M^^ologie zuerst und allein hingestellt zu haben, ist
das unvergängliche, aber nicht gewürdigte Verdienst K. Simrocks (Hand-
buch d. deutschen Mytholo^^e, p. 188 f. — 1856). Eine ethnographische
Repartition freilich wird im Germanen th um durch den Mai^gel an
historischen Nachrichten verhindert Ein solcher stört uns zwar nicht
bei der griechischen Mythologie, wohl aber die Mannigfaltigkeit und
starke Ueberarbeitxmg. Ein Culturvolk lebt eben intensiver, als eine |(e-
bundene Volkskrafb, und je gei&tvoUer es ist, desto rascher wird es seme
Lebens* und Anschauungsformen abnutzen. Was dabei an Durchsichtigkeit
der UrverhSltniBse verloren geht, muss eine günstige Wahl der aufhellenden
Gesichtspunkte ausgleichen. Diese würde aber am ungezwungensten eben
die durch Ineinanderarbeitung weniger getrübte germamsche Mvthologie
bieten. Und wirklich spiegeln sich in dieser die von H, D. Müller auf
griechischem Ghabiete mühsam errungenen religiösen Urformen so har-
monisch und klar wieder > dass man vermuthen könnte, dieselbe sei
seine Lehrmeisterin gewesen: — v^böte dies nicht sein aurchgfiagiger
Verzicht auf diese Erkenntnissquelle, die auch seine Entwickelungen auf
ffegnerischer Seite wohl nur noch mehr discreditirt haben würde. Aus
derselben Bücksicht wird auch die folgende Untersuchung sich auf das
griechische Gebiet beschränken, zumal durch ihn ein fester Gmnd in
soweit gelegt ist, um ohne die fremde Stütze einer vergleichenden Mytho-
logie Fuss fassen zu können.
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Erster Theil.
Aplirodite Areia (Urania) und Ares, das epigrammatiselie
Paar des Hellenlffliins.
AbBOlmitt L Die Gölte.
§ 6. Thebm und Megäl^pöds. Am wichtigsten muse uns der
Colt von Theben sein, weil derselbe zugleich eine mythische Be-
grttndnng hat. Er geht hervor aus den Versen, welche wir in den
Septem adv. Thebas (y. 125—129 Ktschl) des mit thebischem
Cult wohlbekannten Aischjlos lesen:
*cij T*, "Apnc, <p€0, qpcO, K&bMOu dTri&vufiov
TTÖXiv <puXaSov K/jb€cai t* ivaptCk,
Kol Kiiirpic, äre t^vouc 1^po^äTUlp,
dX€ucov. c^eev top ^^ at/üiaTOC
T6TÖva^6V•' ktX.
Mit diesen Worten wendet sich der Jungfrauenchor zu zwei
zusammenstehenden Bildsäulen von Ares und Aphrodite, unter einem
Örtlichen OOttercomplez von 7 (8) Oottheiten, Zeus (Hera?), Apol-
lon und Artemis, Poseidon und Athene. Wfthrend Axes als altein-
heimisch bekannt ist (cf. v. 106: 't( ^^Eeic, iraXaixOuiV ''Apiic, Tf|v
Tcov Tov;'), findet die ^Kuirpic t^vouc irpO)iidTU>p' ihre Erklärung
in Hesiods Theogonie v. 933 ff. (E(5chly-Einkel):
^ . . . aördp "Apiii
^ivoT6pi{j Kue^p€ia [Oößov Ka\ Ae?MOv] £tikt€
'ApMOvinv 0', f)v Kdö^oc uTr^peu^oc 8<t' Skoitiv'.
Weitergehend sofort eine Bewa&ung anzunehmen^ ist misslich; aus
dem Vorhandensein phönikischer Elemente in Theben eine solche
zu'schliessen, nicht erlaubt^ da die Bewafhung durchaus kein noth-
wendiges Kriterium der semitischen Aphrodite ist. Die einzige
Klarheit ist zu gewinnen durch einen Analogieschluss von der Oe-
sammtheit der anderen Culte auf Theben; ein kurzer üeberblick
aber soll uns Qewissheit geben, ob die bewaffiaete Aphrodite wirk-
lieh irgendwo mit Ares oultmässig verbunden erscheint, und ob
andererseits in deiyenigen Culten, die sicheren Anschluss der Aphro-
dite an Ares aufweisen, eine Bewaffiiung derselben zu erweisen ist.
Was den erstearen Fall betrifft, so sind die Culte, wo Aphrodite
in Waffen nachweislich verehrt wurde, voUständig die folgenden:
Kythera (Paus. HI 23, 1: ^Oäpaviac £öavov dinXiCjLi^vov')
Sparta (P. III 15, 8: ' *AcppQ5CTT)C Eöavov dbTrXicin^vnc')
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654 K. Tfimpel:
Korinth (P. 11 5, 1: 'fiTaX^a *A9pobiTiic djTrXiCfi^viic')
femer, wieder in Sparta, eine inscbriftlich bezeugte (C. I. Gr. I 3,
p. 683, Nr. 1444) ^^AcppobiTT] dvÖTrXioc' mit Moiren, und auf Meloß
die bewaffnete Aphrodite Doritis [der Münzen] (Mionnet m
231—233). Nirgends eine Spur von einer Cultverbindung mit Ares;
ebenso wenig aber in den Cnlten der Urania, die wir hier sSmmtlich
aufzählen, ohne eine umständliche Scheidung der Liebesg5ttiii ethi-
scher Bedeutung von der kosmischen Waffenträgerin zu versuchen.
Es finden sich in der langen Liste bei Pausanias in Athen (I
14, 7) und ebenda (I 19, 2), Argos (H 23, 8), Olympia (VI 20, 3),
Korkyra (VI 25, 2), Aigina (VII 26, 3), in Pantikapaion
(C. L Gr. 2120) und Uranopolis (Engel, Kypros 11 470) eher
alle anderen Combinationen, als eine solche mit Ares; eine Aus-
nahme macht nur Megalepolis, wo nach Paus. (VUi 32, 2) zwei
Tempel von Ares und Aphrodite neben einander standen, — er selbst
sah von dem Heiligthum des Ares nur noch einen Altar übrig. In
dem Aphroditetempel aber stand die Urania nicht allein, sondern
mit einer Aphrodite Pandemos und einer andren unbenannten
Aphrodite zu einer Dreiheit verbunden. Ebenso ist es in Theben
(Paus. IX 16, 4), wo dieselben drei Aphroditebilder, angeblich von
Harmonia gestiftet, zusammenstanden , zweifelhaft, ob wirklich die
Urania alleinige Ansprüche an Combinaldon mit Ares hat, und nicht
ebenso gut die Pandemos oder die dritte, hier deutlich Apostiophia
benannte, Aphrodite, welche beide mit jener vollständig gleichberech-
tigt erscheinen. Vielmehr wird sich die Wagschale eher zu Gunsten
der letzteren Beiden senken, nach den geringen Chancen, die sich
oben (aus der Betrachtung ihrer Culte) für die bewaffnete Urania
ergaben. Doch suchen wir hierfür weitere Anhaltspunkte!
§ 6. Argos und Athen, Es begegnet ^s zuerst der Doppel-
tempel von Ares und Aphrodite zwischen Argos und Mantineia,
dessen einzige Erwähnung sich wieder bei Pausanias findet (TL 25, 1).
In seiner östlichen Hälfte stand ein Söavov der Aphrodite, das nicht
näher beschrieben wird, in der westlichen ein solches des Ares.
Statt von hier aus Belehrung über die Natur der thebischen Ares-
gattin zu erlangen, dürfen wir vielmehr umgekehrt erst von Theben
aus Licht über diesen argivischen Cnlt zu erlangen hoffen. Die Be-
gründung hierfür liegt in der ausdrücklichen ZurückfQhmng dieses
Heiligthums auf Polyneikes als Stifter desselben, einer Legende, die
zugleich das hohe Alter dieses Gultes und dessen Herkunft von
Theben sehr wahrscheinlich macht Ein wirkliches Beweismittel aber
scheint in Welckers Hand auf den ersten Blick sein zu sollen der
Gült zu Athen. Daselbst befanden sich in dem Tempel des AreSi
welchen Boss (Theseion p. 52) fälschlich in dem jetzt erhaltenen
sogenannten Theseion wiederfijiden wollte (cf. Bnrsian, Oeographie
von Griechenland I 285)^): ^drö^Mcrra buo }ikv 'A<ppobiTnc, rd b%
TOO "Apeiüc ino(iic€v *AXKa#ji^vnc, /rtiv bk ^AOnväv dW|p TTdpioc,
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Area und Apbiodite. 655
6vo^a bk aÖTi^ AÖKpoc' (Pans. I 8, 5). Da aasserdem noch eine
Enjo in dieser Gesellschaft erwShnt wird, so scheint ans dem Zn-
sammentrefFen der yielen kriegerischen Gottheiten anch ftlr die
beiden Aphroditen eine Bewafihnng mit Nothwendigkeit gefolgert
werden zu müssen. Aber vorerst ist die Enjo, als nicht direct mit
den übrigen Göttinnen verbunden, sondern lediglich auf den Be-
sitzer des Tempels, Ares, sich beziehend, abzutrennen, da sie nach
dem Wortlaut des Pausanias einen abgesonderten Standort gehabt
haben muss; denn er knüpft nach obiger Au&fthlung wieder an:
*dvTa08a Kai *6vuo0c draXjLid icn* ktX. Und so bleibt als wahr-
scheinlich zusammengruppirt übrig eine Athene mit zwei Aphroditen.
Die letzteren seheinen alte Eöava gewesen zu sein, denn für sie
allein hat Pausanias keinen Künstlernamen in Bereitschaft, offenbar
weil ihm keiner gemeldet werden konnte. Anch nennt der Perieget
sie an erster Stelle, was bei dem religiösen Sinn desselben entweder
auf ein hohes Alter oder auf eine Bevorzugung im Gült schliessen
l&sst Es liegt nahe, hier eine Corruption jener Aphroditendreizahl
zu vermuthen, die uns zu Theben und Megalepolis begegnete. Auch
Engel (Eypros 11 209) hat diese Bemerkung ausgesprochen, aber
hinzugefügt: „nur fehlt die dritte". — Nun, ich glaube, wir dürfen
sie hinter der Athene vermuthen. Auf diese Vermuthung fuhrt uns
noch eine andere Beobachtung, nämlich die ganz ausserordentliche
Seltenheit von Beziehungen zwischen Aphrodite und Athene in grie-
chischen Gülten*), die uns auch in diesem Falle ganz ausser-
*) Es liesse sich nur vorbriaffen eine von L. Ross im Rhein. Mus.
(N. F. Vn 621—626) mitgetheilte Inschrift aus Neo-Paphos (ef. auch
Kai bei, Epigiammata ^raeca ex lapid. collecta p. 82S, No. 794). Sie
lautet mit den wahrscheinlichen Ergänzungen:
'dcirf|6a xal vcCktiv TTdXXac x^pi e[öc]a . . .
öir]Xuiv oi) xpi\t\i) xrpöc KOirpiv Ipxofi^n'.
' K€Kpo]ir(6iic fi* dv^6iiK€ irarpöc dit6 iruTpib* ic ÖXKr\v
9€]iöÖ0T0C TTcupioic 0€t6tdKiiv xdpiTu'.
Welcker erblickt hier das Cultbild einer bewafiEneten Aphrodite, der
eine waffenlose Athene (vielleicht kXi]6oOxoc) geweiht war, mdem er statt
des trdpci^t, mit welchem Ross die Lücke des ersten Hexameters aus-
füllen will, liest: ^e^c* M dXXrii' (in den begleitenden Worten zu Ross'
Brief a. a. O.). Allein die Voraussetzung ist, wenn auch nicht sprach-
lich, so doch sachlich unzul&ssig, da wir uns wohl Speer, Helm oder
Schüd in der Hand der Kypris zur Noth denken können, nicht aber eine
N{kii, wenn man nicht die ^Niicnq>6poc' zu Ar^os und Pergamos (Polybios
XYH 8) wörtlich verstehen will. Die arsivische aber wenigstens war
ein XoanonI (Paus. II 19, 6). Mit der Möglichkeit, in der x^lp dXXn
diejenige der ijphrodite zu sehen, verschwindet aber auch die Anwend-
barkeit dieses Falls als belehrender Analogie fflr den unsriffen. Auch
kommt, um die Beweisf&higkeit g&nzlich zu entkr&ften, noch ninzu, dass
nach Ross das Alphabet der Inschrift dieselbe einer „späten Zeit, we-
nigstens der Ptolemäischen^* zuschreibt; abgesehen davon, dass aus dem
zweiten Distichon der ganz subjective Charakter der Stiftung erhellt,
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656 K. Tüsqiel:
ordentliche, yorliegende VerhSltniBse veimuth^ Iftsst Wir sohlieBsen
daraus, daes die Athene in Gesellschaft dieser beiden Aphroditen
unorganisch und zu emendiren ist. Fragen wir uns aber, weiche der
drei Aphroditen ihre Stelle ursprünglich eingenommen haben kann
so ist, da in den beiden offenbar friedlichen Aphroditen nur Fan-
demos und Apostrophia stecken kann, die einzige Antwort: die
Urania. Und wirklich hat die Athene alle Anlagen, um an Stelle
eines bewa&eten Aphroditeidols zu tret^ oder sich selbst von einer
solchen yertreten zu lassen. Bleiben wir zunflchst bei der ersten,
nftherliegenden Möglichkeit stehen, so hat der Credanke, dass nsidi
dem Verlust eines Uraniaidols ¥on yielleicht starker Verwittemng
und dadurch unkenntlich gewordener Gestalt, dasselbe bei Gelten-
heit der starken Verheerungen, die namentlich Athen beim dritten
Perserein&ll trafen, durch eine Athene ersetzt worden sei, nichte Be-
denkliches, namentlich für Athen, wo man gern überall die Stadt-
göttin erkennen mochte. *) Eine indirecte Bestätigung liegt eben noch
darin, dass nach dem Bericht des Pausanias eine Urania unter den
beiden von ihm als Aphroditen bestimmt bezeichneten Holzbildem
nicht gewesen sein kann. Denn sonst würde er dies entweder durch
einen Beinamen oder durch ein beschreibendes Attribut, wie „be-
waffnet" u. dgL zu vermelden nicht verfehlt haben. Also ein Hinder-
niss liegt für unsere Hypothese nicht vor, ob aber eine directe Ver-
anlassung? Diese fehlt nicht Hatten wir nämlich in Megalepolis
die uns nicht hindern kann, bei der athenischen Combination von Aphro-
dite und Athene eine tiefer liegende Begründung zu erforschen. — Ein
anderer noch zweifelhafterer Fall ist ein erst ckiroh Coigeotor geschaf-
fener. Gerhard (Gr. Myth. § 264, 8) hat aus Paus. (1 27, 4) eine Cult-
verbindung zwischen der Athene Polias und der Crarten-Aphrodite zn
Athen vennuthen zu dürfen geglaubt. Aber C. A. Böttiger selbst, anf
dessen Autorität er sich beruft, drückt sich in der Tektonik (H 1, 214,
Anm. 392) sehr vorsichtig aus: „Schliesslich möchte noch die Bemer-
kung, dass man auch der Aphrodite ein Sühnsch weinchen opferte, eine
Andeutung sein, die vielleicht mit bei der Erklärung der Gegenstände
zu nutaen wäre, welche die 'AppT)q>öpoi nach dem unterirdischen Gange
der (sie) Aphrodite in den Gftrten trugen*'. In Wirklichkeit sagt Fans.
(a. a. 0.) weiter nichts, als dass die Mündung jenes unterirdischen Gangs,
durch welchen die Arrhephoren zu bestimmten Colthandlungen sich von
der Burg hinab in die Stadt begaben, mündete ' biä irepißöXou ', welcher
sich findet ^oO iröppuj tt^c KaXou^dvr)c tv KtyKoic *A9poMtt)c*. Ans
dieser Ortsangabe mehr schliessen zu wollen ist mindestens kühn.
Gleichwohl haben wieder A Mommsen (Heortologie 447) und mit ihm
C. Wachsmuth rStadt Athen im Alterthum 1 413) diesen ncpCßoXoc
für den umhegten Bezirk der Aphrodite ^ly KT)iro1c' gehalten und dar-
auf weitere Combinationen aufgebaut. Jedenüälls kann ein so unsicherer
Fall an unserer Behauptung nicht rüttein.
*) Wie leicht derartige Yerwechselungien vor sich gehen konnten,
zeigt die troische Barggöttin, die, obgleich eigentlich eine Analtü
(Maury^ Historie des räigions d. 1. Gr^ce lU 168) und ausser dem
Speer mit dem Attribut der Spindel versehen (Apollodor. BibL HI 12, 3),
doch auf Grund ihres Erscheinens als Palladions, m Athen fttr eine PaUas-
Athene erklärt wurde.
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Ares und Aphrodite. 657
unbedingte Abhängigkeit von Theben anzuerkennen, dessen starke
beeinflussende Mitwirkung bei der Gründung dieser künstlichen Stadt
sich auch auf die Culte erstreckte (cf. den aegidisch-gephjrftischen
Zeus Amnion daselbst, Paus. YIII 32, l), so sind auch bei dem
athenischen Heiligthum des Ares mit den „drei Aphroditen^' the-
bische Beminiscenzen nachweisbar. Denn vor dem Tempel stand eine
Statue des thebischen Dichters Pindaros *äXXa T€ €up6jLi€Voc irapoi
*A0nva(u)v Kttl -rtiv elKÖva, öti C9äc dTrtfjvecev äcjna iroiTJcac' (Paus.
I 8; 5), und die Aufstellung derselben gerade an dieser Stelle er-
klärt sich bequem durch unsere Annahme. Und als weiteres Moment
kommt hinzu die von Pausanias in gleichem Zusammenhang er-
wähnte und jedenfalls nicht weit entfernte*) statuarische Gruppe des
Harmodios und Aristogeiton, jener beiden Jünglinge, welche aus-
drücklich als Abkömmlinge des alten tanagräisch-eretrisch- thebi-
schen Geschlechts der Gephyräer bezeichnet wurden (Herodoi
Y 55) 9 welches mit dem- Geschlechte Pin dar s zusanmien, den
Aigiden (Pyth. Y 71), thebische Gülte und Anschauungen
nach Attika und dem Peloponnes verbreitete. Wir constatiren also
also hier auf Grund der beiden aegidisch-gephyräischen Denkmäler
im Umkreis des Aresheiligthums, das ja selbst schwerlich autochthon
ist, ein Stückchen Böotien, und speciell Theben, wofür wir im Laufe
der Untersuchung an dem damit verbundenen Heiligthum der Erinyen
einen weiteren Anhaltspunkt gewinnen werden. In demselben Masse
aber, in welchem die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sich an diesen
Ares wieder die thebische Aphrodite -Dreizahl anschloss („Urania,
Pandemos, Apostrophia"), schwindet die Aussicht, eine bewaffiiete
Aphrodite im GuU neben Ares zu erweisen, auch auf diesem Punkte.
§ 7. Bxirae und Äkäkemn. Schliesslich bleiben noch zwei
zweifelhafbe Fälle zu besprechen, die Gerhard in seiner Aufzählung
der Gultverbindungen von Ares und Aphrodite nicht aufgenommen
hat. Der eine ist Patrae, die uralte Phönikerfaktorei, wo Pau-
sanias (YII 21, 4) zwei am Hafen liegende Aphroditetempel er-
wähnt, die wir wohl unbedingt als phönikische anerkennen müssen.
Zwischen deren Erwähnung schiebt er zwei Erzstatuen des Ares und
des Apollon ein, welch letzterer am gleichen Orte ein gemeinsames
äXcoc ebenfalls mit Aphrodite zusammen bewohnte. Eine Beziehung
zwischen der Aresstatue und dem Aphroditetempel ist hier von Pau-
sanias gar nicht angedeutet. Nun haben wir freilich in anderen
Fällen, z. B. Megalepolis, auch ohne dies aus einer blossen Nachbar-
lichkeit der Heüigthümer auf eine Cultverbindung der betreffenden
Gottheiten zu schliessen uns nicht gescheut; aber hier liegt der Fall
anders, da hier nicht, wie dort ein unzweifelhaft thebischer Pflanz-
*) Auf eine Beziehung der beid^i Gephyräer zum Arestempel weist
auch der Umstand hin, dass der Opferpriester des Ares derselbe Archon-
Polemarchos war, der auch den neugestifteten Cult von Harmodios und
Aristogeitbn besorgte (Pollnx, YIII 91, Bekker).
Jahrb. f. oUm. PhUoL Snppl. Bd. XI. ^ „ .4?. . GoOQIc
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658 K. Tampel:
cult vorliegt-. Ausserdem haben wir es nicht mit zwei wirklichen
Cnltsttttten zn thrm, wie in Argos bei dem Doppeltempel, oder zu
Megalepolis, wo wenigstens vor Pftnsanias' Zeit zwei Tempel neben
einander standen, deren einer anch nach seinem Verschwinden in
einem Altar fortlebte, — oder zn Athen, wo die Bilder der einen
Gottheit ausdrücklich in den vaöc der anderen gestiftet sind, —
nein, hier wird nur eine Statue, nicht Tempel oder Altar, des Ares,
und nur in der Nähe des Aphroditetempels erwShni Wie wenig
Oewicht hierauf von dem religiös-dogmatischen Standpunkt aus zu
legen ist, ruft uns noch eindringlich in das GedSchtniss das Lokal,
ein Hafen; es leuchtet ein, dass an einer solchen HauptcentralsteUe
des Verkehrs tausend zufUlige Umstände der verschiedensten Art
die Stiftung eines Votivbildes veranlassen konnten, die gleichwohl
zu der Frage nach den mythologischen Beziehungen der betreffenden
Gottheit ganz ausser Beziehung stehen. Dazu kommt noch, dass das
Erzmaterial unserer Statue dieselbe einer Zeit zuweist, in welcher
von einer strengen Unterscheidung verschiedener Aphroditen ohne-
hin nicht wohl mehr die Rede war. — Wollte man ja ein solches
Bewussts^in voraussetzen, so w&re es eher denkbar, öbsb der Apolion
zu dem einen, der Ares zu dem anderen Aphroditetempel gehört
habe, und wir hfttten dann wohl gar den Gegensatz zwischen einer
mit Apolion ja öfters verbundenen üraniar(z. B. in Eorinth), mid
einer anderen dem Ares zugehörigen, natOrlioh unbewa&eten
Aphrodite. Allein es wtirde eine solche Unterscheidung nach dem
oben Gesagten dem Vorwurf der Spitzfindigkeit nicht ausweichen
können. Soviel ist klar, dass aus dem Fall Patrae kein Beweis fftr
die Verbindung des Ares mit einer bewa&eten Urania abgeleitet
werden kann, da auch bloss schlechthin von einer Aphrodite die
Rede ist; und so bleibt noch als letzter Punkt zu betrachten übrig:
Akakesion, in demselben Arkadien, wo schon Megalepolis die the-
bische Dreizahl bot Pausanias sagt (VIU 37, 9): *dvTaö9a (auf
dem HUgel, den das Upöv TTovoc krönt) dcri ^^v ßui^&c *Ap€uic,
icxi bt dT^M<^<' ^AippobiTTic iv vaij), Xi9ou tö Ercpov Xcukoö, tö
bi dpxaiÖTepov EuXou* dicauruic bi xai *Air6XXuivöc t€ koi 'AOnväc
Söavä icxv Tg bi 'A6iiv$ Kai vaöc TrcTroiirrai'. Die Stelle ist sehr
unklar, da die Beziehung der Statuen zu den Tempeln nicht recht zu
Tage tritt Am wahrscheinlichsten ist noch die Annahme von
£. Curtius (Peloponnes. I 279), dass „sie auf derselben FlSehe lagen,
und dass das neben dem Apollonzoanon erw&hnte Holzbild der
Athene in dem Tempel dieser Göttin aufgestellt war'^ Dann gehört
Apoüon deutlich zur Athena, und seine Anwesenheit auf demselben
Plateau mit den beiden Aphroditen kann uns nicht veranlassen, in
den letzteren zwei Uranien zu sehen. Damit ist aber auch der Ver-
muthung, Ares sei hier mit einer bewaffneten Urania verbunden, der
Boden entzogen, denn nun kann auch aus demselben Grande die
Athene nicht mit in die Gruppe der beiden Aphroditen neben Ares
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Ares und Aphrodite. 659
hineinfiprecheiL Eine andere Frage ist es, ob in der letzteren eine
Cormption der thebischen Dreiheit unter Führung des Ares zu er-
kennen sei. Wirklich scheinen gut böotische Vorstellungen hier
herrschend gewesen zn sein: denn gerade die Verbindung zwischen
Athene und Apollon erinnert stark an die ziemlich singulare, aber
alte Verknüpfung der Athene als Pronaia mit dem apollinischen
Ismenion zu Theben, und mit Apollon zu Delphi Auch der ^ ßuifiöc
'A6t|vSc Kttl *AiröXXu)voc xai *ApT^)iiboc xal At)toOc' im atti-
schen Demos Zoster stammt wohl von Delphi ab. (Man yergleiche
die auch nach Böotien zurückweisende Verbindung von Apollon
Onkaios und Athene Onka am Onkeion zu Thelpusa in Arkadien.)
— Wir werden also gleichwohl gut thun, uns die Constellation von
Akakesion wenigstens zu notiren, wenn auch die beiden Aphrodite-
bilder mehr im Verhftltniss eines neugestifteten Cultbildes zu einem
alten zu stehen scheinen: vielleicht dass gerade die Anwesenheit der
Athene, die wir schon in Athen bemerkten, einiges Licht in den Ur-
sprung der Aphroditetrias bringt. Als sicheres Besultat dürfen wir
unbedingt mitnehmen das Fehlen von Anhaltspunkten für die be-
waffiiete Natur der Ares-Aphrodite auch zu Akakesion.
§ 8. Sparta. Durch eine Zusammenstellung mit den früher
gegebenen Nachweisen eines völligen Mangels an Beziehungen zu
Ares bei der bewaffiieten Urania erhalten wir so eine Bestätigung
unserer obigen Behauptung, dass auch die thebische Aresgattin keine
bewaffnete Urania gewesen sein könne. Doch bleibt noch ein Posten
zn erledigen, an welchem unsere Beweisführung scheitern zu sollen
scheint: die Aphrodite Areia zu Sparta, bei deren Tempel Pau-
sanias erwfthnt: *Tä bk Söava &pxaici, etncp ti äXXo iv "CXXiici'
(m 17, 5). Dies Hesse sich bequem aJs von zwei Xoana des Ares
und der Aphrodite verstehen, wie wir sie in Argos auf zwei Gellen
vertheilt sahen; aber ehe wir hier wirklich eine Ausnahme von un-
serer sich ergebenden Begel anerkennen können, müsste erst erwie-
sen werden, dass die Argumentation, welche diese Ausnahme sta-
tuiren möchte, eine zwingende ist. Jene würde sich stützen müssen
auf die Analogie der bewaffneten Aphrodite von Stadt Argos, deren
Stiftung durch eine ganz ähnliche Legende erklärt wurde, wie die-
jenige zu Sparta, und zeitlich mit der Errichtung einer Aresstatue
bei derselben Gelegenheit zusammengehangen haben soll. Während
man die (Gründung des lakedämonischen Areiaheiligthums auf eine
Heldenthat der spartanischen Frauen in den Kämpfen gegen die
Messenier zurückführte (Lactant. de falsa religione I 20), so knüpfte
man in Argos das [nicht mit dem des Polyneikes zu verwechselnde]
Heiligthum an einen Sieg der einheimischen Frauen unter der Füh-
rung der hochberühmten Dichterin Telesilla über die Lakedämonier
aiL Ein Bild dieser Heldin glaubte man zu haben in einer vor
dem Tempel der [bewaffiieten] Aphrodite stehenden Statue einer
gerüsteten Frau, die einen in der Hand gehaltenen Helm aufzusetzen
42*„„. -- Jgle
660 K. Tümpel:
im Begriff stand (Paus. II 20, 7). Also hier wie dort die anfiEallende
Erscheinung der bewaffneten, kriegerischen Weiblichkeit, die man
sich erklftren wollte, wobei es gleichgUtig ist, ob zu Sparta mythische
Verhältnisse, zu Argos vielleicht ein historisches Ereigniss zu Grunde
liegt (cf. Neue, Telesillae reliquiae, Dorpat 1843, Progr.). Von
Ares ist in beiden Legenden keine Bede, seine Anwesenheit auch
gar nicht nöthig, und ersetzt durch die bewa&ete Aphrodite, die
man als kriegerisch auf&sste. Nichtsdestoweniger führt Plntarch
(mulierum virtutes V) eine Bildsftule des Ares zu Argos auf das
nämliche Ereigniss zurück. Allein wer yerbttrgt denn, dass diese
Verknüpfung nicht eine erst sp&ter gemachte ist Bei der grossen
Berühmtheit, welcher sich der Sieg der Telesilla im Alterthma er-
freute (cf. Engel, Ejpros II 212)^), liegt nichts näher, alB eine
solche Yermuthung. Ausserdem folgt aus Plutarch noch keines-
wegs, dass diese Aresstatue wirklich mit dem Tempel der bewaff-
neten Aphrodite in Znsammenhang stand. Ein Bückschluss auf
Sparta aber ist um so misslicher, als in demselben Argos (Paus. U
19, 6) eine ganz nahe verwandte Aphrodite Nikephoros mit Hermes
verbunden war, und nicht mit Ares. Diese Nikephoros- und
Hermes-Xoana aber waren mindestens so alt, wie die im Areiatempel
stehenden, denn sie wurden auf Hjpermnestra als Stifterin zurück-
geführt Wir leugnen also bestimmt die Nothwendigkeit, sowie die
Wahrscheinlichkeit, dass nach der argivischen Analogie, der einzigen
erreichbaren, auch in Sparta ein Ares neben der Areia anzunehmen
sei, und fassen demnach letzteren Namen in seiner sdlegoriechen Be-
deutung, wie sich diese schon bei Homer (SpHC »= 1T6X€^oc) findet
Der Plural ^Ta bk £6ava' bedeutet also dann zwei hlilzeme Aphro-
diten. Als einen positiven Umstand aber, der ausdrücklich gegen
eine Cultzusammenstellung mit Ares spricht, fEÜiren wir, vorläufig
nur kurz, an, dass da wo Ares zur Erklärung der Bewaffiiung und
des Namens der spartanischen Aphrodite beigezogen wird, in den
§ 13 aufeuführenden Epigrammen, gerade die Art seiner Verwen-
dung die Möglichkeit ausschliesst, dass er wirklich neben dieser ge-
standen haben könne. Denn entweder heisst es, Aphrodite habe die
Waffen des Ares angethan, so dass also ein Ares, wenn er daneben
gestanden hätte, nur yu^vöc, ohne diese Waffen, hätte erscheinen
müssen — was gar nicht möglich ist — ; oder: sie trage sie als
Gattin des Ares; und dann soll die Herbeiziehung des Ares als geist-
reicher Einfall erscheinen und die Pointe des Epigramms bilden.
Diese Wirkung wäre ganz unmöglich, wezm man wirklich selbst-
verständlicher Weise mit der Aphrodite Areia immer zugleich den
Ares zu sehen und zu denken gewohnt gewesen wäre« Dazu konmit,
dass die Berufung auf Ares nicht das einzige Mittel war, mit dem man
die Bewaffnung der spartanischen Aphrodite Areia zu erklären liebte,
sondern ebenso oft zog man den kriegerischen Sinn der Lakedämonier
als angebliche Veranlassung herbei (Plutarch, de Bomanorum For-
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Ares tmd Aphrodite. 661
tuns IV. id., Instituta Laconica XXVn. Antipater Sidon., Epigr. in
Anth. Palat. XVI 176 ed. Dübner), woraus zur Gronüge hervorgeht,
dasB es sich bloss um Erklftrung einer alleinstehende^ Aphro-
dite handelte. — Gleichwohl sagt Engel (Kypros 11 211): „Aphro-
dite habe, namentlich in Sparta, nach dem Vorgang des Ares Waffen
angelegt*', und denkt sich die Bewa&ung der Eythereia „als muth-
masslich durch Einwirkungen von Sparta her auf diesen Cult ent-
standen" (II 214). Erst Movers hat diese Attribute als phönikisch
erkannt (im gleichen Jahre 1841), und Welcker sagt darum mit
Becht: „Nicht jede Aphrodite Areia ist als verbunden mit Ares zu
denken, sondern Areia kami auch bloss eine Bewaf&iete bedeuten,
nach phönikischem Ursprung'* (Gr. Götterlehre 11 708). Freilich
seiuer Beurtheilung des spartanischen Cults ist diese Erkenntniss
nicht zu statten gekommen. Da somit auch der spartanische Cult
die von uns zerrissenen Beziehungen der Urania zu Ares nicht anzu-
knüpfen vermag, so wird die echte Gattin des Ares in der Pan-
demos oder der Apostrophia vermuthet werden müssen. Was aber
die Frage nach dem Local des Muttercults betrifft, so nehmen vrir
als positives Resultat aus der Betrachtung der Culte mit hinweg
die Bestätigung dei^ngeFschen Vermuthung (11 209): „Es ist gar
nicht unmöglich, dass überall, wo Ares und Aphrodite vereint vor-
kommen, nach einer uralten thebischen Quelle gesucht werden muss*'.
Denn in Athen wie in Argos und Arkadien scheinen deutliche
Spuren auf Theben als Sitz des Muttercults hinzuweisen.
Absolmitt IL Foeede imd Kunst vor Alezander.
§ 9. Bas Epos, Da, wie ans dem Gesagten hervorgeht, die
Vertreter einer bewaffneten Aresgattin sich auf gewisse Zeug-
nisse der Alten berufen, so ist es nöthig die Entwickelung der Auf-
feussung, für die sich aus undatirten Cultverhtitnissen nichts gewin-
nen liess, an der Hand der Dichtung chronologisch zu fixiren. Es
sei dabei gestattet, flir die älteren Zeiten die Eunstdenkmttler als
ergänzendes Material beizuziehen, während umgekehrt die Epoche
der Kunst, welche nach langer Pause sich wieder mit unserem Paar
beschäftigt, zur Erläuterung der Epigrammenpoesie bedarf.
Was zuerst Homer anlangt, so ist in dem Gesang des Demo-
dokos in der Odyssee (6 266 — 866), der einzig und allein eine
erotische Beziehung zwischen Ares und Aphrodite überliefert, keine
Spur von kriegerisch-gewappneter Natur der Göttin zu erkennen,
geschweige denn,. dass eine solche die Liebesbeziehung zu Ares ver-
anlasst hätte. Gleichwohl wäre das die nothwendige Voraussetzung,
wenn wir mit Welcker das „Demodokos- Märchen'^ als die letzte
Blüthe «iner Entwickelung betrachten würden, deren Anfänge in
den gemeinschaftlichen Eriegsabenteuem beider Gottheiten in der
Hias vorlägen. Allerdings werden in demselben Buch (€ 428 — 430
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662 K. Tümpel:
und 888—898) Beide als unterliegend dargestellt, Beide beklagen
sie sich im Olymp, — Aphrodite bei ihrer Mutter Dione, Ares bei
seinem Vater Zeus, — und Beide werden sie dann sarkastiscb ajb-
gefertigt. Wirklich gemeinsam ist aber ihr Schicksal bloss <l> 416,
wo Aphrodite
^fjXOev "Apci dTriKOupoc*.
Beide werden dann arg zugerichtet, und zuletzt heisst es (426):
*Td) [XkV dp* fi^CpUJ K€lVTO ^TTl X^OVi 1T0uXußOT€ipq *.
Allein in allen diesen Scenen zeigt sich von erotischen Beziehnngen
zwischen beiden Oöttem keine Spur. Ihr gemeinsames ünglttck ist^
wie Welcker selbst richtig bemerkt, die Folge ihrer fremdlfindischen
Abkunft, gegen welche sich der Nationalstolz der ihrer Zuaammoi-
gehörigkeit sich bewusst werdenden Hellenen zu wahren beginnt
Denn in den Homerischen Gedichten gilt Ares als Thraker, so wie
Aphrodite als kyprische Oöttin. Fehlt demnach in der Dias jede
Andeutung des Liebes verhftltnisses im Demodokosgesang, so wird
der Zusammenhang zwischen beiden Gedichten noch vollends zer-
rissen dadurch, dass in der Dias Aphrodite sogar ausdrückliek die
S'ch wester des Ares heissi Sie nennt ihn ^iXi KaciTvriTe' mit
einem Ausdruck, der sogar an dieser Stelle noch einmal wiederholt
wird (£ 359). Ihr Gemahl aber ist nicht Hephaistos, dessen Graitin
Charis heisst (C 382), sondern Anchises, mit dem sie den Aineias
zeugt, wie sie selbst Tochter des Zeus (Aiöc OirfOtTrip sehr häufig)
und der Dione heisst (£ 370 ff.). Dürfen wir bei diesen bedeutenden
Verschiedenheiten also in der Aresgeliebten des Demodokos nicht die
Waffenträgerin der Dias yermuthen, der doch nur von der spielenden
Phantasie eines Rhapsoden ein kriegerisches Abenteuer angedichtet
ist, so doch noch viel weniger in der thebischen Aphrodite. Welcker
selbst hat aus den Diasscenen kein Argument fttr die Bewaffiiung
der letzteren herzuleiten gewagt. Sie sind auch der Erinnerung der
Späteren ganz entschwunden* denn so viel bei unserer mangelhaften
Eenntniss der älteren nachhomerischen Poesie zu entscheiden mög-
lich ist, findet sich, sowie in der Kunst, kein Nachhall an jene
kriegerischen Erlel^nisse der Dias-Aphrodite mit ihrem Bruder Ares.
Was femer Hesiod betrifft, so ergibt sich aus den oben ange-
führten Versen, welche die Genealogie der Harmonia geben, nichts
was ftlr die kriegerische Natur der Aphrodite spräche. Höchstens
aus dem umstand, dass Deimos und Phobos, die schreckliehen Be-
gleiter des Ares in der Dias, nach derselben Stelle (Theogon.
934 ff.) Kinder der *Kue^p€ia' (diTrXiC)i^VTi Paus. HI 23, 1) seien,
Uesse sich eine kriegerische Aphrodite schliessen, wobei es eine will-
kommene Bestätigung sein würde, dass dieselbe ^KuO^peia' auch
Mutter der Harmonia von Ares heisst (v. 937). Allein ein Ver-
gleich mit der bertthmten Schaumgeburt der Aphrodite (Theog.
191 ff.) zeigt, dass der Dichter von der bewafineten Natur der
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Ares und Aphrodite. 663
Eyihereia keine Eunde hatte: Eythereia ist ihm bloss ein episches
Beiwort, und zwar ein von ihm mit besonderer Vorliebe gebrauchtes.
Denn ^ETpris' kommt bei Hesiod gar nicht, ^Ejprogeneia' bloss
in einem imechten Vers (199) und Ejpros nur einmal (a. a. 0. 193)
Yor, und hier gerade in einer derartigen Verschmelzung mit der
Eythereia, dass man deutlich sieht: Hesiod war der starke Unter-
schied, welcher Beide trennt^ und den wir im § 16 auseinander-
setzen werden, gftnzlich unbekannt.
Den gleichen tendenzlosen Gebrauch des Wortes ^KuO^peia'
werden wir also auch gelegentlich der Genealogie von Deimos und
und Phobos anzunehmen haben.
§ 10. Lyrik und Drannk ^Nel ciclo epico, per quanto ne
cognosciamo Targomento, non si fa parola di un' amore tra Marte
e Venere' sagt Hinck, der sich eine Musterung des dichterischen
Materials hat angelegen sein lassen (Ann. d. J. 1866, p. 98), und
so können wir uns direct zur Lyrik wenden. Bei Pin dar os kommt
die Stelle Pythia IV 155 in Betracht, weil sie uns durch die Be-
nennung des Ares als ^ x^^^^dpfiiaToc iröcic 'Aq)pobiTT]C ' die gut ehe-
liche Echtheit der Liebesverbindung beider Gottheiten im Galt ver-
bürgt. Für kriegerische Natur dieser Aphrodite findei^ sich bei ihm
ebensowenig eine Andeutung, wie in dem Fragment des Alkaios
(Nr. 11, Bergk, Poei lyr. graec. IIP 934): '&ct€ mt^Wv* 'OXu^-
TTiwv XOcai fiT€p F^Oev', oder in jener Genealogie des Simonides
vom Eros, welche uns der Schol. Apoll. Bh. IIl 26 bewahrt: „Cijuiü-
vibiic bk [töv ''€purra TtveaXoTcT] *A(ppobiTTic Kai "Apeujc 'cx^xXie
iraT, boX6|LniTic 'Acppoblra töv "Apei boXo|Lnix6vqj t^k€v'" (frg. 43,
Bergk, Poet. lyr. gr. IQ* 1134). Das Drama liefert ausser der
oben (§ 5) citirten Stelle des Aischylos (VII a. Th. 125 ff.) nur
die Verse in den Supplices desselben Dichters (637 ff.):
*f^ßaC b* fivOoC fiTpCTTTOV
JcTU), \ir\h* ^AcppoMxac
cövdruip ßpoToXoiTÖc "A-
pilC K^pC€l€V ÄUJTOV*.
Man könnte hier zweifeln, ob der Wortlaut 'euvdTUJp' den allge-
meineren Sinn des Epos, der auch das eheliche Verhftltniss nicht
ausschliesst, habe, oder nicht vielmehr den aus der Odyssee be-
kannten Beigeschmack des Buhlerischen. Aber da es sich um the-
bische Verhältnisse handelt, so empfiehlt sich unstreitig die üeber-
setzung mit „Gatte'^ Da hier die Ausbeute so gering war, so sind
wir von selbst auf das Gebiet hingewiesen, das auch in unserem
Falle die Lücke unserer litterarischen üeberlieferung auszufüllen im
Stande ist, die Kunst.
§ 11. Die Kunstdenhmäler. Die erhaltenen Monumente finden
sich zusammengestellt bei Baoul-Bochette, Choix de Peintures
1867 (p. 225. 237); bei Hinck (a. a. 0.); cf. W. Heibig, Bh« Mus.
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664 K. Tfimpel:
N. F. XXrV 520 ff. und neuerdings bei BernouUi, Aphrodite.
(1879, p. 394. 162 ff.). Echt archaisch findet sich nnser Paar nur
auf einigen Yasenbildem, vorerst aof der
1. Fran^oisyase (Mon. d. Inst IV, 56^57), zu Wagen» neben-
einanderstehend, im Zuge der Oötter, welche zur Hochzeit yon Pe-
lens und Thetis &hren. Sie sind zwar beide nur in den unteren,
langbekleideten Schenkelpartieen erhalten und attribatlos, aber in-
schriftHch yerbttrgt als 'APEC und 'A0POAITe'. An dieses
schwarzfigurige Geftss reihen sich mehrere rothfigurige des strengen
Stils, zunfichst zwei Darstellungen der Athenegeburt, die Q. Löschke
in der Arch. Ztg. (1876, p. 110) bespricht. Die eine
2. in Paris, Mon. d. Inst. VI 56, 3, zeigt wieder den b&r-
tigen *ap€c' mit Schild und Speer bei einer attributlosen *A<t>PO-
AIT€'. Die andere, auf einer
3. Blacas'schen Schale (L6normant-de Witte: Elite c6ramogr.
I 63), Ifisst Zweifel über die Benennung der Figuren zu, da die bei-
geschriebenen Buchstaben unleserlich sind, und yon dem („etruski-
sehen*') Copisten nicht einmal der Zahl nach so allgemein richtig
wiedergegeben sind, dass man, wie die Herausgeber thun, hierauf
Vermuthungen gründen könnte. Während Ares nfimüch durch den
Hebn hinreichend charakterisirt ist, scheint die angebliche Aphro-
dite-beischrifb eher zu der hinter dieser Göttin stehenden ^Peitho'
zu gehören, die ihrerseits wohl eher eine Leto ist (wie M. d. L
VI 56, 3). Aber yorausgesetzt, dass diese ,,spftte Nachahmung"
(Löschke a. a. 0. 117) von der suppositiyen Aphrodite neben Ares
wirklich echte Züge bewahrt habey so fehlt bei ihr jede Andeutung
einer kriegerischen Natur. Bei Hinck und BemouUi noch nicht auf-
geführt ist die
4. Vase des Euzitheos und Oltos (M. d. I. XI 23/24)
mit einer Darstellung, welche Hejdemann (A« d. L 1875, p. 257)
auf einen Auszug des Dionysos yom Oljmp zur Einholung des He-
phaistos gedeutet hat. In der Götteryersammlung, welche die eine
Seite einnimmt, erscheinen auch ^AP€C' und ^A0POAIT€' hinter
einander sitzend, ersterer bärtig und bekränzt, mit Helm und Schild
in der Hand, letztere wieder friedlich in Haube, mit Lilie und Taube,
und zum Zeichen ihrer weichlichen Natur mit Bundschuhen beklei-
det, w&hrend alle übrigen zwölf Personen (selbstverständlich Her-
mes ausgenommen) keine Fussbeklädung haben. Dass beide als zu>
sammengehörig gedacht sind, zeigen die auf dem anderen Flügel
entsprechenden Hermes und Hebe, die Ephebengötter. Durch gleich
MedseHge Charakterisirung ausgezeichnet ist die neben 'Apcc'
sitzende 'A4>pobtT€'
5. der Sosiasschale; denn sie htit ebenfisJls eine Blume in
der Hand. Die sichere Benennung im Oegensatz zu der bis jetzt
immer noch mannigfieush sehwankenden ist gewonnen durch eine
erneute Vergleichung des Originals, deren Exgetaiss im Schluas-
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Ares und Apbiodite. 665
Exours aiiBf&brlicher mitgetheilt ist. Die jüngste Dantellting des
Paares innerhalb der guten Zeit findet sich unter der Ol^tterver-
sammlong einer
6. Volcenter Vase des Brittischen Museums (Gerhard,
Trinkschalen und Gefltsse T. H), welche auf der Grenze des strengen
Stils steht. ^ A0POAIT6' reicht stehend dem vor ihr sitzenden bär-
tigen *AP€C' ein tassenartiges Trinkgefttss, in ihrer Süsseren Er-
scheinung kaum unterschieden von den übrigen ganz friedlich sitzen-
den Göttinen Hera, Persephone, Ariadne und Amphitrite. üeber-
gehen wir schliesslich
7. noch ein, nach dem Citat *EL Cer. T. ü* (bei Welcker, Gr.
GötterL m 708) unauffindbares Vasenbild mit *APAC, Aphrodite
und drei Musen', so scheiden wir yon der Vasenkunst der guten Zeit
mit dem negativen Ergebniss, dass eine Bewaffnung der Aphrodite*)
neben Ares sich hier nicht nachweisen liess. Ebenfalls auf archaische
Vorbilder lassen schliessen die erhaltenen Reliefs, welche unser Paar
in nachgeahmt alterthümlichem Stil unter den Zwölfgöttem auf dem
Borghesischen Altar und in einer freieren Yersammlung auf dem
Capitolinischen Puteal bringen (Müller -Wieseler, D. d. a. E.
II 197). Aphrodite ist mit Ares gruppirt und hält das eine Mal
eine Blume, das andre Mal eine Taube. Von Bewaffiiung keine Spur!
Ebensowenig bei den beiden von Bemoulli (Aphrodite p. 47) aaf-
*) Trotzdem hat Panofka (A. d. L IV p. 867) ein Hapax Eiremenon
conjiciren wollen auf einem ihm selbst nicht zu Augen gekommenen
schwarzfigurigen Vasenbild einer korinthischen Hydria, die yon BrOnd-
sted in der 'Desoription des XXXTI vases d^couverts k Canino dans
Tancienne Vnlcia et appartenant i Monsieur Gampanari' (mir leider
nicht zugftnglich) ungenügend beschrieben war. Das eine Bild zeigt 7
flitMode Gottheiien: 'Ares, Artemis ou Bellone (I), Dionysos, Athene,
Zeus, Hera, Hephaistos. Parmi ces divüiitäs (Wart Panofka fort) je
m'^nne de yoir „une d^esse arec une lance d. c6t^ d'Aräs** appeläe par
M. Bröndsted Diane ou Bellone. Comment pouvait-il oublier la y^ritable
^oose d*Arte, l'Aphrodite arm^e!' Dieser Ausruf ist ganz ungereoht-
fertigfc, da offenbar Bröndsted seine Grflnde haben musste, wenn er hier
nicht Aphrodite erkannte. Vielleicht ist auch in der „Lanze** nur ein
Scepter zu yermuthen, um so eher, als über echten oder nachgeahmten
Archaismus bei diesem merkwürdigen Vasenbild keine Notiz yorliegt.
deswegen ist es rathsam, bis zu einer Ermöglichung erneuter Unter-
suchung mit weiteren Vermuthnngen zurückzuhalten. Leider ist der Ver-
bleib der 82 Vasen nicht bekannt; einen Wink ^bt nur eine Bemerkung
ai^ dem anderen mir ebenfalls unerreichbaren, raisonnirenden Katalog der-
selben Sammlung, welche Panofka bei seiner yollst&ndi£[ sein sollenden
Titelan^be der Srochüre gerade übersieht: 'A brief description of thirty-
two ancient greek painted yases lately found in exoayations made ad Vuloi
in the Roman territory by M CampanarL London. Printed by A. J. Valpy
M. A 188S'. Die fehlende Notiz aber findet sich bei Welcker (Kleine
Schriften V 145): 'and now ezhibited by him in London'. Also
ist England als derzeitiger Aufenthaltsort zu yermuthen. (Gerhard (Bapp.
Volc. No. 10) kennt die Sammlung noch nicht, die im Britt Mus. sidi
jedenfalls nicht befindet (cf. den Katalog yon Hawkins und NewtonO*
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666 E. Tümpel:
gefiüirien kleinen Bronzegruppen, die ihrem Stil znfolg^e anf
griechisch -archaiBche Vorbilder zorttckgehen mttfisen. Da hiermit
unser Denkm&leryorrath aus guter Zeit erschöpft ist, und das Prob-
lem der Aphrodite von Melos besser auf einen Punkt verspart wird,
von dem aus ein üeberblick über die gesammte Eunstentwicklong
möglich ist, so wenden wir uns jetzt zu den uns nur aus den Schrift-
quellen bekannten Kunstwerken.
§12. Nicht erhaltene KimstwerJce, Was zuerst den Am jklaei-
sehen Thron des Bathjkles betrifft, so steht durch die Analogie
der Fran9oisyase so gut wie fest, dass seine Darstellung der Hoch-
zeit des Eadmos mit der Harmonia*) auch die Eltern der letsteren,
Ares und Aphrodite enthalten habe, wenn uns auch das ^Wie?' frei-
lich ganz verhüllt ist Etwas besser sind wir unterrichtet Yon dem
Kasten des Kjpselos zu Olympia, dessen Beschreibung sich
bei Pausanias (Y 18, 1) findet**). Der uns angehende Passus der
Beschreibung lautet: ^^CTi bk Kai ''Apiic ön\a dvbebuKUJC 'Aq>pobiTT|v
äfü)V' imfpaiiixa bk "EvudXiöc icTiv aÖTi|i'. Dass eine Beischrift
^'Aq)pobiTii' hier nicht ausdrücklich aufgeführt wird, darf uns xiicht
verleiten zu glauben, sie sei an sich schon deutlich charakterisiit
gewesen — was eine Bewaffnung selbstverständlich ausschliessen
würde. Vielmehr dürfen wir nach Analogie der übrigen Felder der
^beuT^pa X^pci' auch für die Aphrodite eine Namensbeischrift vor-
aussetzen. Aber gleichwohl kann sie nicht bewaffnet gewesen sein,
weil bei der Natur der dargestellten Handlung das MissverstSndniss
zum Beispiel einer Kriegsgefangenschaft nicht ausser Sicht gelegen
hfitte. Diese Führung, jedenfalls unter schwachem Widerstände er-
folgend, sollte aber einen Theil der Vermfthlungsceremonien, die
Entführung versinnbildlichen (cf. 0. Jahn, Arch. Aufsätze § 10, 20;
Welcker, Kretische Colonie Theben, p. 69)***), und bildet also eine
*) Paus. III 18, 12: '^c TÖv f&nov töv 'Ap^ov(ac Mpa KopdCouay
Ol eeoC.
**) Gh. Petersen (ZwOlfgOttersystem U 10) scheint ihn ffir jünger da-
tiren zu wollen, als die Francoisvase; er sagt: „Zu der Aehnlichkeit [der
letzteren] mit dem Kasten aes Kypselos kömmt noch als Zeichen hö-
heren Alters, dass Dionysos nocht nicht im Zuge der Olympischen Götter
erscheint**. Das thut er aber hier auch nicht, und so bleibt^ nach die-
sem Gesichtspunkt, wie auch nach allen übrigen Aneeichen, der Kypselos-
kasten älter als die Fran9oiBva8e (cf. Overbeck, Plastik I' 64).
***) Da die Führung nach zahlreichen Analogien schwaczfigariger
Yasenbilder in einer T^fassnng des Handgelenk (dem sogenannten
'X^P* ^^l Kapirilp') bestanden haben muss, wie es nach Jahn (a. a. 0.),
Overbeck in seinem bildlichen Beconstmctionsversach (Abh. d. k. S&chs.
G. d. W. IV^ 1865. Ph.-Hist. Gl.) auch wiedergegeben hat, und da femer
B. Förster in seinem Breslauer Winckelmannprognunm 1867 („Die
Hochzeit des Zeus und der Hera" p. 16) auf Grmid einer erneuten Be-
vision des Materials dieses Motiv als eine Formel des ehelichen Ver-
mähluDgsactes, wie die blosse Handreichung (cf. Stephani, CR. 1861,
p. 70 ff.) alü Symbol der Verlobung erwiesen hat, so nehmen wir keinen
Anstand, auch hier einen Hieros- Games, wie Förster auf den Dantel-
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Ares und Aphrodite. 667
Liebesscene, wie auch die DarsteUnngen der Nachbarfelder: Peleus
mid Thetis, Apollon und Marpessa, Zeus und Alkmene, Menelaos und
Helena, Jason und Medeia. Daraus erfolgt, dass Aphrodite ganz
deutlich die Bolle des schwachen^ unter sanftem Widerstreben nach-
gebenden Weibes spielen muss, also den reinen Gegensatz zu ihrer
spftteren, als Siegerin über Ares. Hierin liegt ein prindpieller Gegen-
satz der Auffassung; der auch nach den Zeitepochen näher bestimmt
zu werden verdient. Sollte es uns gelingen, die pikantere Zusammen-
stellung des Ares mit der Aphrodite in Waffen ausschliesslich dem
hellenistischen Zeitalter zuzuweisen, so würde die Verwendung, die
Welcker yon derselben Behufs der alterthümlichen Cultpaarung in
Theben machte, als ein Anachronismus dastehen, und wir hätten die
Vermuthung dieses Gelehrten, dass schon in ältester Zeit die miss-
yerständliche Auffassung der Areia als Aresgattin zur thebischen
Ehe geführt habe, nicht bloss aus formellen Gründen angefochten —
durch den Nachweis völligen Mangels an stichhaltigen massgebenden
Parallelen, sondern auch mit sachlichen Gründen widerlegt. Wir
versuchen den Nachweis durch Betrachtung des Hellenismus, da
auch die kunstmässige Malerei unseres eben besprochenen Zeitraums
von dessen Charakter nicht abgewichen sein wird. Wenigstens fin-
det sich die eiuzige uns sicher überlieferte Gruppirung von Ares und
Aphrodite auf einem Bild der Zwülfgötter von Euphranor
(Overbeck, 8. Q. 1790. 1792 f.) und kaui nach den obigen Analo-
gien nur eine friedliche Aphrodite geboten haben. Auf dem Bild
des Zeuxis: 'Jupiter adstantibus Diis' (Plin. XXXY 63) ist das
Paar unsicher,*)
Abschnitt IIL ITrania neben Ares seit Alexander.
§ 13. Die IHchhmg. Wie fem der obige Gedanke einer Ver-
werthung der sieghaften, kriegerisch überlegenen Natur der Aphro-
dite Urania fOr das Verhältniss zu Ares noch der Zeit des freien
Griechenthums lag, zeigt besonders deutlich eine Stelle des Sopho-
kles in den Trachinierinnen (v. 497). Dort singt der Chor:
langen von Zeus und Hera, HephaistoB und Aphrodite, Menelaos und
Helene, Peleus und Thetis, su erblicken. Wir schliessen daraus aus-
drücklich auf eine dichterieche, wohl epische, Tradition von der ehe-
lichen Verbindung beider Gottheiten^ wie sie in beiden SteUen bei Pindar
und AischyloB, sowie im thebischen Colt sich erhielt und im Demodokos-
gesang wohl nur in entstellter Form vorliegen mag. Wie wäre es auch
sonst möglich, dass in der conserrativen Vasenmalerei bei freien Gütter-
ver Bammlungen Aphrodite wohl mit Ares, nie aber mit Hephaistos
vereint sich zeigt I Von der Unrechtmässigkeit ihrer Beziehungen zu
Ersterem haben sich die Vasenmaler, wie es scheint, nicht überzeugen
können.
*) Die Pliniusconjectnr, durch welche Stark eine Ares- und Aphro-
ditegruppe von Skopas gewinnen wollte (Nat. Hist XXVI 426), ist von
ihm Belbst wieder zurückgezogen worden (PhiloL XXI 436).
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668 K. Tümpel:
*|Li^T« Ti cO^voc d KÜTTpic dKqp^pcTat vIkoc ÄeC.
Aber so nahe der Gedanke an Ares dem Dichter liegen müsste, so
ist er doch weit davon entfernt, ihn zu nutzen, wie dies der weitere
Verlauf zeigt:
*Kal TOI fitv Geoiv Ttap^ßav, xai Sttwc Kpovibav ÄTtdraccv, ou X^t«>
oöbfe TÖv ^vvuxiov "Aibav
f{ TJoceibduiva TivdKxopa TCtiac . .*
Man sieht, das Wirken der Aphrodite, die bei Sophokles ausdrück-
lich ^d)Liaxoc' heisst (Antig. 800), bezieht sich hier, wie im home-
rischen Hjmnos auf Aphrodite, bloss auf ihre Einwirkung als Prindp
auf fremder Leute Angelegenheiten; zu eigenen Gunsten macht sie
keinen Gebrauch von ihrer Liebesgewalt. An Ares denkt auch
Euripides wohl noch nicht im Hippolytos (1268):
^cu Tujv 6€tuv dKajutTTTOV qpp^va xd ßpoTuiv dyctc Kuirpi. .'
Auch einige Epigramme haben yon einem solchen Einfluss noch
nichts; z. B. Anth. Palat. E^ 39 (Dübner) mit der üeberschrift
^MouciKiou*, sagen die *MoOcai ttoti Kuirpiv*
\ . . "Apei xd CTiO|LiuXa Taura*
fJlLllV b* DU 7T^T€Tai TOUTO TÖ TTaiftdplOV'
oder Anth. Planud. (ibid. XYI 160):
^TTpa£tT^Xiic oÖK elbev, S |if| Qlixxc dXX' 6 dbnpoc
Kcc* "Apnc o?av fiOeXe ifjv TTacpinv'
von „Platon^^ (junior?). Ein Bewusstsein yon der eigenthümlichen
üeberlegenheit jener zarten Göttin , die den wildesten der Götter in
ihren Banden zu fesseln wusste, dämmert auf in den Versen des
Makedon (Anth. V 238 Düb.), der sein Schwert mit Aree ver-
gleicht:
^ . . TÖV "ApTi Kai dZaX^ov Ttep ^övra
beiSui t1} MaXaicQ Kunpiöi 7T€i6Ö|li6VOv'.
Aber das üebergewicht zeigt sich nur in holder Ueberrednng des
Spröden und geht nicht über Homers Charakteristik hinaus. Frucht-
bar wird der Gedanke erst durch das Hineinziehen der kytherischen
Urania, aber nicht rttcksichtlich ihrer hesiodischen Wassergeburt, die
z. B. Demokritos (Dübner XYI 180) für die Beziehung zu Ai«s,
freilich ohne weitere Consequenzen verwerthet hatte, — sondern
wegen ihrer Bewa&ung, von welcher noch Hesiod bei seinem Ver-
such Kjpris und Kythereia zu verschmelzen, geschwiegen hatte. Die
Aresliebschaft der ersteren und die BewafGaung der letzteren finden
wir in den folgenden Distichen zuerst in Beziehung gesetzt:
* Tinte, ILIÖ0UIV ÄrXirroc, 'CvuaXioio XdXöTXac
Kuirpi; TIC 6 ipeiicTac CTurvd KaOäipe jidniv«
?VT€a; cd ydp ''Gpurrcc dq)i|üiepoi Stc kut* eüvdv
T<pi|iic Kai KpoTdXuJV OnXu^aveic fiTo^ou
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Ares und Aphrodite.
öoüpara b* atjaoröevra kaO^c TpiTuivlbi biqi
TttOxa- cu b" €uxaiTav elc uji^vaiov XBi\ (Düb. IX 321),
Die Pointe liegt hier in der Gegenüberstellung der zarten Liebes-
gCttin, wie sie die Poesie schildert, und der Bewaf&iung des Cult-
bildes (denn dieses wie die folgoiden Epigramme beziehen sich, znm
Theil ausdrücklich, auf die Oupavia u)ttXic|üi^vii Lakoniens). Und
dieser Gegensatz spricht sich aus in der V<^^^v ärXirroc' (der
Poesie), die trotzdem ^"GvuaXioio X^XotX^' (im Cult), woraus her-
vorgeht, dass '€vudXioc nur ein anderer Ausdruck für die jiöOoi ist
und darum füglich ebenso wohl wie äpnc „der Krieg'^, klein ge-
schrieben seia könnte. Diese unpersönliche Bedeutung geht auch
aus dem Gebrauch von XaYX<S^vui hervor; mit ganz besonderer Deut-
lichkeit aus der Frage: *Tic Ka6ai|i6 ktX.', die ganz störend und
überflüssig wSre, wenn mit dem Worte ivudXioc des vorhergehenden
Verses wirklich der Eriegsgott in Person gemeint wäre. — Bald
genügte die Pointe, welche die Seele dieser drei Distichen ist, nicht
mehr, denn sie war im Grunde bloss eine ziemlich getreue Umge-
staltung eines schon bei Homer (€ 428 ff.) angedeuteten Gedankens;
un^so geht schon einen Schritt weiter das Epignunm des Philip-
pos (Dübner, XYI 177), das mit der gleichen Frage beginnt, die
oben vorkam:
*KuiTpi <plXo|Ll^e(bT^c, 6aXa|Lii^7ToX€, rtc C€, iicXixpflv
öai)Liova, toic kcX^iiiüv dcT€<pdvuic€v öttXoic;
col Trat&v q)(Xoc fjv kqI ö xp^cokÖ)lit]c tjji^vatoc
Ktti XiYupiBv aöXdrv fibujieXeTc x^pixec*
^c Ti bk TaOr* ivibvc dvbpoKTÖva; |üif| epacuv "Apn
cuXficac* aöxeic, Kunpic öcov bövarai;*
Hier ist ausgesprochen, was Sophokles und dem vorigen Epigram-
matiker auf der Zunge lag und liegen blieb. Es sind die Waffen
des Ares, des durch Liebe besiegten, mit denen sich die zarte Sie-
gerin geschmückt hat, sagt witzig der Dichter. — Deutlich wird die
Aresgattin aus der ^vokXoc erst gefolgert in dem schon oben citir-
ten Epigramme des Antipater *elc Tf|V iv CirdpTij fvoKXov 'Aq)po-
Wttiv' (a. a. 0. 176)
*Ka\ Kuirpic Cirdprac otinc äcxeciv otd t* dv dXXoic
fbpurai jaaXaK&c iccayiiva CToXibac,
dXXd Kaxd Kparöc }xly ix^i xöpuv dvrl KaXüirrpac
dvrl bk xpvc€(u)v dKp€|Li6vu)v KdfüiaKa'
DU xdp xpf\ Tcux^iüv etvai b(xa rdv TiopdKoiTiv
epifKÖc 'EvuaXCou Ka\ AaKeöai^oviav'.
Was hier noch als Pointe überraschend wirken will, gilt in einem
anderen Epigramm schon als überwundener Standpunkt und wird
als selbstverständlich vorausgesetzt, um einem neuen Witzspiel zur
Grundlage zu dienen.
Leonidas dichtet (a. a. 0. XYI 171):
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670 K. Tümpel:
**'Ap€OC fvrea raOra tivoc x&piv, (b KuO^peto,
dvWbucai, K€V€Öv TOÖTO (p^pouca ßdpoc;
aÖTÖv "Apii TW|Livf| fäp dq)u)7TXicac' d bk X^XciTtrai
Kai Geöc, dvGpiiiTToic önXa jndniv dTTayeic'.
Wir haben in der Yorfdhrung dieser Gedichte eine gewisse Anord-
nung nach der Entwickelung des Gedankens zu geben yersucht, die
sich durch die Beobachtung rechtfertigt, dass immer der Folgende
den Vorgänger durch eine neue Pointe zu überbieten sucht und doch
gewissermassen auf seinen Schultern steht. Eins ist aber klar, dass
sie alle yon der widerspruchsvollen Sonderbarkeit der „Liebesgöttin
in Waffen^' ausgehen und mittels dieser Eigenthümlichkeit eine An-
knüpfung an die landläufigen Vorstellungen versuchen, bei denen
sich die alte Zusammenstellung mit Ares als bequeme Handhabe
bot. Die Zeit aber, in welcher, und die Dichtgattung, durch welche
dies geschieht, zeigt, dass damit eine Neuerung geschaffen ward,
die nur darin liegen kann, dass früher eine friedfertige Aphro-
dite an der Seite des Ares stand und nun auch eine bewaffnete in
den Bereich dieses Vorstellungskreises gezogen wurde. Dass diese
letztere die spartanische (also kjtherische) war, geht aus ein^fon
ausdrücklich dies sagenden Ueberschriften hervor; und dass damit
der Doppelsinn des Namens Areia zusammenhängen möge, liegt
nahe zu vermuthen. Jenes ältere Paar aber, dessen Aphrodite un-
bewaffnet gewesen sein muss, kann nur eben das thebische des
Aischjlos in den ^Septem' gewesen sein, das sich angeblich durch
Polyneikes nach Argos und — zu einer Dreiheit erweitert — nach
Attika und Arkadien verbreitete.
§ 14. Die hellenistische Ku/nst, Es wird jetzt Zeit, dass wir uns
die gleichzeitige Kunst vor Augen rufen. Wir fanden oben, dass
die Darstellung unseres Paares durch die Kunst sich auf die Periode
des Archaismus und dessen üebergangszeit beschränkte, während
die Hauptblüthezeit wenigstens nach unseren knapp bemessenen
Hilfsmitteln zu uftheilen, kaum von ihm Notiz genommen zu haben
scheint, ausser einer mehr oder weniger schematischen Vorführung
der Zwölfgötter. In dieser Periode ändert sich das; die Darstellun-
gen werden häufiger, wenn auch zumeist noch die Entwickelung nur
den schon von Homer gewiesenen P&den folgt Um ein Bild des
Atheners Asklepiodoros: die Zwölfgötter, nur zu erwähnen (Plin.
XXXV 107) und bei einem merkwürdigen, durch Stilsynkretismus
ausgezeichneten Vasenbild (Monuments grecs Nr. 4, 1875), wel-
ches Ares und Aphrodite, letztere die Bosse lenkend, zu Wagen auf
einer Gigantomachie zeigt, bloss an ein spätes Gedicht des älteren
Claudian (bei Claudian, ed. Jeep, p. LXXIX) zu erinnern, das auf-
fallenderweise mit jenem Bild allein die Aphrodite bei dieser Ge-
legenheit aufweist*), so zeigt die Hauptmasse des aus dieser Zeit
*) ^liic ''Apcujc aixMfl Tfl Ki5irpi6oc ÖXXuro m^P^I^'«
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Ares und Aplirodite. 671
Bekannten doch das Liebespaar. Yermuthlich bat eine selbstfindige
dichterische Behandlung durch einen alexandrinischen Poeten vor-
gelegen, wenn anfeinem Terracottarelief (Stepbani C. R. 1870/1,
Vignette, p. 194)* vgl. Premier in Bnrsians Jahresb. Vn 1876, p. 49)
nnd einem Spiegelrelief*), pnblicirt von Förster (Die Hochzeit
des Zeus und der Hera 1867, Winckelm« Frogr. Breslau, p. 14) als
^Zeus und Hera', sich Ares und Aphrodite gegenübersitzen (nach
Furtwfingler: Fleckeisen, Jahrb. UI 1875, p. 592 &). Da Ares
hier die Aphrodite, faUs die Deutung der attributlosen Figuren
richtig ist, am Handgelenk fasst (x^ip' ^tt\ KapTTiip), so kann hier
sehr wohl ein Ausläufer jener schon am Ejpseloskasten bemerkten
Vorstellung von der ehelichen Beziehung zwischen beiden Göttern
vorliegen (trotz Furtwänglers Verdächtigung, als sei die Förster^sche
Zeichnung der allerdings fragmentirten Berührungsstelle beider Hfinde
durch die Deutung beeinflusst). Auch das Lüpfen des Schleiers,
vielleicht des bräuÜichen, durch Aphrodite erinnert hinreichend an
die Darstellung des Hieros-Oamos von Zeus und Hera, z. B. auf der
bekannten Selinuntischen Metope. Eine speciell dem Hellenismus
angehörende Weiterentwicklung ist die in den zahlreichen Producten
der Pornographie (Baoul-Bochette, Choix de Peintures p. 225 ff.)
vorliegende, während das Terracottarelief Campana (Opgre in
plastica 11 104) und die Wandgemälde (bei Heibig Nr. 314—328)
eine decente Auffassung repräsentiren. Ebenfalls nachalexandrisch
ist die von Hinck (A. d. I. 1866, p. 98) aus einigen dieser Bilder
gewonnene Tradition eines Liebeszwistes zwischen beiden Göttern.
Wichtiger als diese Weiterbildungen sind uns die Spuren eines
Einwirkens der epigranunatischen Poesie auf die gleichzeitige Kunst,
dessen Vorboten schon die Eroten sind, welche auf den meisten der
Wandgemälde (Nr. 316. 318. 319. 320. 324) sich mit den Waffen
des Ares beschäftigen, den Helm aufsetzen und sich das Schwert
umhängen. Der Grundgedanke ist, dass diese Trabanten der Aphro-
dite mit den Waffen des Eriegsgottes spielend, ganz wie mit denen
Alexanders auf A^tions bekannter Darstellung von dessen Hochzeit
mit Boxane, ihm, zum Zeichen seiner sanften üeberwindung, die
letzten Symbole seiner kriegerischen Mannheit entfremden, wie dem
Herakles des Lysippos (Overbeck, Plast. 11' 93). Diese Eroten mit
den Waffen des Ares sind ein Beweis dafür, dass man auch bei einem
Helm oder einem Schild in der Hand der Aphrodite Urania an eine
Trophäe ihres Triumphes über den Eriegsgott gedacht haben wird.
Der ersten hierauf basirenden Eunstdarstellung begegnen wir wie-
der in der Schilderung eines Alexandriners, des Apollonios Rhodios.
Während dieser an einer Stelle (Arg. III 568)**) noch ganz mit
*) Die bisher angeführten Tier Monumente fehlen bei BemouUi.
**) ^Cj icörrot, fj ^a ywaiBv 6fjiöcToXoi ^6ab' £ßr)|ui€v
ol KOirpiv KoX^ouav iiHppoeov ä}i\i\ ir^ccOai, '
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672 K. Tümpel:
den homerischen Anschauungen sich begnügt, hat er an einer andern
(I 743) zuerst die pikante Umdrehung des natürlichen YerhfiltnisseB
von Stfirke und Schw&che. Er schildert das Gewand des Jason, auf
welchem gestickt zu schauen war Aphrodite, die sich im Schild des
Ares spiegelt:
^iiür\c b* ficKTiTO ßaOuirXöxaMoc KuOepehi
*Ap€OC öxMÄouca Oodv cdKOC ktX.
. . . TÖ ö' ävtCov dipcKfec aÖTUIC
XaXKciij öciKcXov £v dciribt (paiver' ib^cOai'.
Bemerkens werth ist, dass wie hier die neue Idee sich nur an einer
Einzelfigur zeigt, so es auch immer geblieben ist: kein Wunder,
da jene Idee auch von einer Einzelfigur, der bewaffneten Urania,
ausgegangen war. Die einzige Ausnahme macht ein von den Heraus-
gebern, wie auch von Heibig (Untersuchungen über Camp. Wand-
malerei p. 236) auf Ares und Aphrodite gedeutetes Yasenbild
schlechter Arbeit in L6normant- de Wittes Elite C^ramogr.
IV, T. 96. Hier ist ein völliger Attributtausch eingetreten , indem
die Göttin, den Speer des Ares in der Linken, sich in dessen Helm
spiegelt, und Ares mit dem Schild am linken Arm sich im Spiegel
der Aphrodite betrachtet. Von Einzelstatuen des Ares dagegen sind,
um der weiteren plastischen Yerkörperungen dieses Gedankens in
Aphrodite zu geschweigen, besonders hierher gehörig der Ares
Ludovisi. Dieser zeigt' nicht mehr die Frische und das Selbst-
bewusstsein, wie der ebenfalls dem jüngeren unbärtigen Ideal an-
gehörige Ares des Parthenonfrieses, der nur mühsam durch die um
das Knie geschlungenen Hände seine Ungeduld und seinen Eraft-
äussenmgstrieb in der ceremoniell thronenden Götterversammlung
zu bezähmen scheint; sondern die IJeberlegenheit ist an Aphrodite
übergegangen, die auch in der Abwesenheit seine sehnsüchtigen Ge-
danken gefangen hält: ein doppelt pikanter Gedanke bei dem rauhen
und etwas ungeschlachten Eriegsgott. Geistreiche Antithesen sind
aber so recht das Element des hellenistischen Zeitalters, in welches
auch nach Aller IJebereinstimmung das Werk gesetzt werden muss,
selbst wenn nicht der, oder (nach Overbeck) die Eroten als Ver-
treter der Aphrodite functionirten, wie auf dem Gemälde A^tions
und bei dem Heraklös des Lysippos. — Noch stärker ist jener Ge-
danke ausgedrückt bei dem Ares Borghese, jener früher wegen
seines Fussrings fälschlich für Achill gehaltenen römischen Copie
eines griechischen Originals. Die Fessel, welcher wir cultmSssig
beim spartanischen Ares Enjalios begegnen (Paus. HI 15, 5), ist
hier erotisch verstanden, und der Gesichtsausdruck des geneigten
Hauptes geradezu melancholisch und traurig geworden, so dass
oi^K £t' '€vuaX{oio fi^a c04voc ...
Sppere* |ui^' öfiiuiiv iroXc^^i'ia fyya m^oito,
iTopOcvnc&c bk Xir^av dvdXiaöac f|ir€poircu4iv'.
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Ares und Aphrodite. 673
Friederichs (Bausteine 721) und Dilthej (Rhein. Jahrb. 53 — 54,
1873, p. 35) mit Recht hier einen ^trionfo d'amore' über den von
Eroten gefesselten Eriegsgott sehen. — Schliesslich sei noch zur
Prüfung unserer These von der Alexanderepoche als dem Wende-
punkt in dem Bedentungswechsel der Beziehung von Aphrodite zu
Ares ein Blick auf die Meli sehe Aphrodite geworfen, deren Da-
tirung noch streitig ist. Als überwunden kann der von 0. Müller-
Wiesel er gemachte Vorschlag einer Ergänzung mit Lanze oder
Helm gelten, welche ohnehin den Gedanken an Trophäen des Ares
nicht noth wendig einschHessen würde. Wäre ein Schild zu suppli-
ren, so könnte sie, um von einigen wenig genügenden Hypothesen*)
zu schweigen, entweder als sich in demselben spiegelnd gedacht sein,
wie auf der Stickerei bei Apollonios (Braun). Der Schild würde
dann sicher dem Ares gehören, da uns im Cult einer Urania kein
ähnliches Schema bekannt ist. Aber die Physiognomie der Oöttin
schliesst das Motiv des Spiegeins aus. Die andre Möglichkeit, dass
Aphrodite den Schild des Ares als Trophäe bloss in der Hand hält
(Millingen, Jahn, Welcker, Preller), würde eine Ansetzung
des Werkes nach Alexander voraussetzen, mit der sie steht und fällt.
Eine Unterstützung für diese Datirung würde nach dem von uns ge-
wonnenen Gesichtspunkt sein, wenn unter dem linken Fuss ein
Helm zu suppliren wäre, wie bei der capuanischen Replik (0 ver-
beck, Gr. Plastik H^ 23) und dem Smymenser Torso (Bernoulli,
162. Nr. 4); doch ist hierzu der Raum zu klein. Es bleibt also
diese Zeitansetzung auf die bisherigen Argumente angewiesen. Um
die von Clarac, Fröhner, Tarral und Goeler v. Ravensburg
verlangte Ergänzung mit dem Apfel des Paris oder der Insel Melos,
deren Grundlagen noch immer eine Nachprüfung nicht entbehren
können, als für unseren Gesichtspunkt irrelevant zu übergehen, so
wird ein Ergänzungsversuch, der nicht bloss eine schon antike Re-
stauration der Statue reconstruiren will, wie es vielleicht die Apfel-
hypothese schliesslich thun wird, von der Datirung des Torso rück-
sichtlich seines Stils abhängig sein. Sollte sich nun aber, wie es
den Anschein hat, die von Waagen, Welcker, Jahn, Schnaase,
Eugler, Wieseler befürwortete Ansetzung in das Zeitalter des
Skopas bewähren, so wird man der Aphrodite von Melos nicht etwa
die Trophäen des Ares in die Hand geben. können, sondern nur den
Ares selbst, und zwar nicht so, dass die Göttin seinen Zorn beschwich-
tigen will, wie Quatremdre de Quincy vorschlug, denn dazu stimmt
wieder weder Gesichtsausdruck noch Haltung; auch nicht, indem die
Göttin einen Angriff auf ihre Keuschheit abweist (Y. Valentin), da die
angebliche dramatische Aufregung in Zug und Bewegung der unteren
*) Reber, Keller: Yenns victrix auf den Schild schreibend;
Rydberg: Schild mit Inschrift über den Persersieg der Griechen
zeigend.
Jahrb. f. ol«afl. Phüol. Suppl. Bd. XI. 43 r^^^^T^ /
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674 K. Tümpel:
Gliedmassen und ihrer Grewandnng eine Tänschnng ist. Möglich
scheint, wenn man ja eine ,,dramatische Gruppe" annehmen will, der
Gedanke an eine herrschende Ueberlegenheit der Aphrodite Aber
Ares nur rdcksichtlich ihres königlichen Stolzes in Blick und Hal-
tung, etwa so, dass ^e Bernoulli will (p. 163) „Aphrodite nicht
mehr die Waffen des Eriegsgottes, sondern diesen selbst (als über-
wunden) in den Armen hftlt^'. Aber dieser Btolz brauchte darum
noch nicht gerade jenem vorauszusetzenden Ares gegenüber zur Gel-
tung gebracht worden zu sein: ja die umfassende Bewegung des
linken Armes würde sogar vielmehr als ein Stützen des schwächeren
Weibes auf die Eraffc des etwas höher gewachsenen Mannes ver-
standen werden müssen. Dies würde aber der naturgemässen ehe*
liehen Beziehung zwischen dem Götterpaar entsprechen, wie wir sie
auf dem Eypseloskasten im Archaismus und auf einigen Darstellungen
der Nachblüthe, nicht aber bis dahin in der zwiscl^n beiden Perio-
den liegenden Hauptblüthe der Kunst nachzuweisen vermochten. —
Diese Kluft füllt die Hypothese 0 verbecks (PL H* 326) aus, welche
die melische Statue zu einer Tempelgruppe beider Götter in ihrer
heiligen ehelichen Verbindung ergänzt, zur vollen Wahrscheinlichkeit
aber dennoch eine Datirung in voralexandrische Zeit erheischen würde.
— Mag sich nun die Entscheidung neigen, auf welche Seite sie will
so werden wir doch von unserem gefundenen Anfangstermin des dra-
matischen Unterliegens des Ares unter die Aphrodite, der Alexander-
epoche nicht abzugehen haben; wir formuliren also den Unterschied
zvdschen der früheren und der späteren Auffassung des Paares so,
dass wir jenes als echtes Cultpaar bezeichnen, bei dem das Weib
sich gebührend der Ueberlegenheit des Mannes unterordnet; dieses
ein epigrammatisches, bei dem die Umkehrung der natürlichen Ver-
hältnisse die Grundlage bildet: der Mann bezwungen vom Weibe,
der stürmisch-gewaltthätige Kriegsgott von der zarten Göttin der
Liebe; die Trophäe des Starken in der Hand der Schwachen: ein
Oxymoron, das den Stempel seiner jüngeren Entstehung an der
Stime trägt.
§ 15. Die Philosophie, Noch ein ganz heterogener Factor hat
ausser der bildenden und Dichtkunst an der Umbildung unseres
Paares Antheil gehabt: die Philosophie, welche sich nicht mit der
Antithese der anthropomorphischen Eigenschaften der beiden Gott-
heiten, Stärke und Schwäche, begnügt, sondern direct flCn die schon
bei Homer mit beiden Namen verbundenen allegorischen Begriffe
von Krieg und Liebe anknüpft. Durch eine leichte Verschiebung
wird daraus der durch ein Bündniss aufgehobene Gegensatz von
Streit und Einigung. Auf diese Principien war Herakleitos ohne
mythologisches Gängelband gekommen; und Empedokles hatte
dessen ttöX€)lioc und qpiXia als veiKOC und qpiXia in sein System her-
über genommen, zugleich aber auch zu einer mythologischen Paral-
lelisirung den ersten Anstoss dadurch gegeben, dass er für den
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Ares und Aphrodite. 675
Ausdruck qpiXia auch 'AqppobiTTi (und 'Ap^ovia) gebrauchte. Dasß
er fllr vcTkoc auch "ApTic gebraucht habe, lässt sich nicht erweisen
und wird ihm nur fälschlich von Eustathios ad Od. VIII (p. 1597.
53) und dem Autor der vita Homeri untergeschoben. Denn erst
Herakleides von Pontos verknüpft offenbar auf eigne Faust die
Empedoklischen Principien mit dem homerischen Paar (AUegoriae
homer. LXIX): ^Tci fäp CikcXikci böyiiaTa kqI Tf|V 'G^TTcWKXeiav
TViö)Lir|v foiK€V "OiüiTipoc ÄTTÖ TouTiuv ßeßaioöv, "ApTiv iLifev övojidcac
TÖ veiKoc, Tf|v b* 'AqppobiTTiv 9iX{av (sie), toijtouc oöv, bi-
ecTTiKÖTac ^v dpxQ, TrapeicrjTaTev *'OjLiTipoc Ik ttjc TidXai qpiXovei-
K(ac €k jiiav öjyiövoiav Kipvajuevouc* öGev eöXoTOC ti (i|Li<potv *Ap-
luovia T^T^VTiTai toO TTavrdc dcaXeuTiuc kqI kot' ^mn^Xeiav dpjiiQ-
cG^VTOc' — und schafft so jene Grundanschauung, die wir noch
bei den Siteren Mythologen unseres Jahrhunderts herrschend fin-
den. Also in die frühe Zeit des Empedokles kann diese Auffassung
unseres Paares nicht zurückdatiren; sie musste auch gerade dem
Empedokles femer liegen wegen des neutralen Geschlechts von vcikgc.
(Freilich Engel (Kypros II 395) sagt: „Empedokles stellte der 91X10
den (sie) veiKOC gegenüber", während doch von einer an sich auch
unwahrscheinlichen Personification ^NcTkoc' uns keine Kunde er-
halten ist.) Den gleichen Gedanken gibt wieder wenigstens an-
nähernd
Plutarch (Pelopidas XIX). Er sagt ^'OpeiüC bfe TTpöc toOto
[ol 6r|ßaToi] Kai rfjv tl "Apeujc Kai 'AqppobiTnc t^TOV^vai Xeyo-
|LidvT]V 0€Öv [*Ap|ioviav] Tq iröXei cuv4)K€iu)cav, ibc, Sttou tö |iaxr|-
TiKÖv Kai TToXeiiiKdv lidXicTa tüj ineT^xovri TreiGoOc Kai x^PiTUiv
bixiKex Kai cüvecTiv, elc Tf|V iix^ekecc&Tr\v Ka\ Koc|aiuüT<iTTiv ttoXi-
Tciav bi* *ApjLioviac KaGicra^^vuJV dirdviiüv'. Wenn also hier auch
von einem Uebergewicht der Aphrodite über den Ares keine Rede
ist, sondern die Gleicbberechtigung beider Elemente als Harmonie
ausgegeben wird, so ist doch deutlich zu erkennen die philosophische
AufÜEissung, die eine Anwendung des mythologischen Paares auf die
politischen Verhältnisse erhielt — zunächst nur in Rom und dann
eben auch durch üebertragung auf Theben. Es wäre natürlich gleich
spitzfindig, aus dieser späten Nachricht für Theben eine „kosmische*'
Urania mit Bewaffnung oder eine friedliche Pandemos schliessen zu
wollen. In der Anwendung des mythischen Paares auf die Politik
war Plutarchs Vorgänger
Aristoteles (Politikall 6, 6). An der Stelle, wo er die spar-
tanische Verfassung bespricht, tadelt er die Theilnahme der Frauen an
der Regierung, die er Lykurgos zur Last legt, und begründet diesen
behaupteten Einfiuss durch den Hinweis auf die Herrschaft der lake-
dämonischen Frauen in der Familie.*) Er nennt darum die Lake-
*) Kaixoi t( bia<p^p€i T^vcüKac dpxetv f\ toOc dpxovrac imö tiöv t"-
vaiKdrv Äpx€c9ai; TaÖTÖ T^p cufAßaivei.
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676 K. Tümpel:
dämonier ^T^vaiKOKpaTOU|Li€VOi' und erklärt seine Beobachtung durcli
einen allgemein giltigen Satz, dass nämlich gerade die streitliebend-
sten und kriegstUchtigsten (areYschen) Völkerschaften einer aphro-
disischen Pantoffelherrschaft unterlägen. Hierzu folgt nun eine my-
thologische Parallele von Ares und Aphrodite; dieser hat er scbon
den Boden bereitet, wenn er den Begriff der häuslichen und staat-
lichen Weiberherrschaft (*YWVaiKOKpaTOU|i€VOi*) verschiebt in den
verwandten, jenen erst erklärenden, des Unterliegens unter die sinn-
liche Liebe (^ KaTaKüaxi|iOC irpöc ö^iXiav'), die dann unorganisch
specificirt wird in Weiber- und Knabe n(!)liebe (nämlich der Kelten,
die er schon vorher wegen dieser Yerirrung von den frauenbe-
herrschten Kriegsvölkem ausgenommen hatte). Die Stelle lautet:
^''eoiKe fAp 6 jiuGoXoYi^cac Trpurroc ouk dXÖTU)C cvleviai töv
"ApTl TTpÖC Tf|V 'AqppoblTTlV* f\ fOlp ^^pÖC Tf|V TÖV dpp€ViUV
öjiiXiav, f\ Trpöc xfjv tujv tv^vaiKiöv qpaivovrai KaxaKijüxiMoi iravtec
oi TOIOÖTOI [sc. TÄ CTpaTlWTlKCl T^Vr|]. AlÖ TTapd TOiC AdKUiCt TOUT*
ÖTTTipxc' ktX. Die Art, wie dieses Beispiel von Aristoteles angeführt
wird (Ares erscheint auch als an die Aphrodite gefesselt, nicht
umgekehrt), lässt erkennen, was auch aus den AdKU)V€C T^vaiKOKpa-
T0ujLt€V0i folgte, dass Aristoteles, der Hauptvertreter der Wissen-
schaft in der Alexanderepoche, schon von dem Unterliegen des Ares
unter die sieghafte Aphrodite überzeugt war. Eine Verlegung des
Mythos nach Sparta lag, wenn er vielleicht auch gerade an die dor-
tige Urania gedacht haben mochte, doch nicht in seiner Absicht^
so dass an eine örtliche Vereinigung der, so viel uns bekannt, ge-
trennten Culte des Enjalios oder des Thereitas und der Urania
Kythereia zu Sparta nicht gedacht werden darf. Durch jenen datirten
Originalgedanken hat sich unsere obige Zeitansetzung wieder be-
stätigt.
Von weitestgreifender Bedeutung aber wurde diese politisch*
philosophische Idee, die man in dem Paar Ares und Aphrodite ver-
körpert fand, für Born, wo Ares in Mars und die hellenistische Herr-
scherin Aphrodite in der aeneadisch-julischen Venus Victrix auf-
ging. Schon vorher waren zwei griechische Meisterwerke, der Ares
und die Aphrodite des Skopas im Marstempel des Brutus Oallaecus
zusammengestellt worden (Overbeck, Plastik TP 288). Später erhielt
die Paarung der Beiden durch das Hervortreten des julischen Ge-
schlechts noch ein kräftigeres Belief in dem Venus-Sprössling Caesar
als Vertreter der Mavortia proles, des römischen Volks. Aber noch
weit früher hatte unser Paar eine staatliche Sanktion erfahren: durch
das Lectisternium der Zwölfgötter und die Einführung der
Venus Erycina in Rom nach dem trasimenischen Unglück 217 a. Ch.
Wir können uns im Wesentlichen an die Ansicht von Klausen
(Aeneas und die Penaten 282 [und 746]) anschliessen: „Im Lecti-
sternium wird Mars mit Venus verbunden, offenbar in dem Sinne,
wie Lucrez (I 31 — 40) sie sohüdert," (der bei diesem Ereigniss
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Ares and Aphrodite. 677
22 Jahre zählte), „wenn sie den Gott in ihren Umarmungen einkost,
um den Römern Frieden auszuwirken.*) Denn die Xviri leiteten
nach Einsicht der (Sibyllinischen) Bücher das Unglück von einem
unrichtig vollzogenen Gelübde her, welches Mars für diesen Krieg ge-
leistet worden war (Livius XXII 9. Gegen seinen Zorn bedurfte es also
der Vermittlung, und diese ward in der Venus gewährt." Von einem
wirklichen Uebergewicht der Venus über Mars im Sinne der helle-
nistischen Kunst und Dichtung kann freilich hierbei keine Bede sein ;
doch ist eine Beeinflussung durch Venus sichtbar und wird später
verstärkt durch die Gewalt, welche die Caesaren- Venus über die
römischen Marskinder ausübte.**) Wir glauben den principiellen
Gegensatz zwischen dem vol^Jexandrischen und dem späteren Paar
scharf genug fixirt zu haben, um eine Verwechselung und Verquickung
als unberechtigt zurückweisen zu können: correcturbedürftig erscheint
vor Allem die Ansicht Welckers, welcher wie Herakleides und Plu-
tarch auch thaten, ganz späte Verhältnisse in eine sehr frühe Zeit
fälschlich hinüberträgt. Zugleich erledigt sich, nachdem wir das
ganze Gebiet unserer lückenhaften und zerstreuten Ueberlieferung
durchmessen haben, die Frage nach der Bewafi&iung der thebischen
Aresgattin. Wir können als bestimmt hinstellen, dass eine solche
zu den Unmöglichkeiten gehört Irrthümlich sind also Ansichten,
wie die von Engel (Kjpros 11 211) ausgesprochene, dass „man für
die Bewaldung der spartanischen Aphrodite sonst keinen genügen-
den Grund ausfindig machen könne, wenn man sie nicht auf ihre
pelasgisch-kabirische Verbindung mit Ares zurückführe" (nämlich die
thebische meint er, wo er sich die Aphrodite als waffentragend vorstellt).
Bewafhung nehmen für diese noch an Gerhard (Gr. Myth. § 360)*
Text) und Bernoulli (Aphrodite p. 424); den sonderbarsten Irrthum
macht Duncker in der ersten (bis jetzt einzigen) Auflage seiner
Geschichte der Hellenen (III. Band der Geschichte des Alterthums,
1856). Er beruft sich auf eine ganz unfindbare Pausaniasstelle und
sagt (p. 305 und 106): „Pausanias braucht [von der kytherischen
Aphrodite] denselben Namen [Urania], setzt aber hinzu, dass sie
in Kythera, wie auf der Kadmea zu Theben mit der Lanze in
*) 'Nam tu sola potes tranquilla pace iuvare
mortaJeis, qnoniam belli fera moenera Mavors
armipotens regit, in greminm qui aaepe tuum se
reiicit aeterno devictus volnere amoris'.
Cf. Hinck, A. d. I. 1866, p. 101 ff.
**) Die jolische Venus victrix des Caesar auf Siibermüxizen des
Augustus (Müller- Wieseler, D. d. a. K. 11 272) blickt auf den Helm in
der Hand, wie die analoge der Gemmen (ebenda 272^ 272^), wie die vor
dem argiviBchen Aphroditetempel stehende Telesilla, wahrscheinlich nur
eine umgetaufte Statue dieser Göttin, und die nackte Schildträgerin auf
der späten Vase Elite Cäramogr. IV, pl. XXXI. Das Schema ist von
Bernoulli nicht berücksichtigt.
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678 K. Tümpel:
der Hand dargestellt sei als kriegerische Aphrodite, d. h. als AJBtarte
der Phönicier". Aber auch der Preller -Schwärt z'schen ErkläroBg
der Bedeutung unseres Paares, welche sich auf die Bewaffnung beider
Gött-er stützt, ist somit der Boden entzogen, so dass wir künftig bei
Aufstellung einer neuen Ansicht uns wirklich nur mit der H. D.
Müller, Lehrs, Welcker gemeinsamen Annahme einer rein poetischen
Fiction auseinanderzusetzen haben werden.
§ 16. Aphrodite Kypris imd Urania Kyßereia. Wir sehen uns
jetzt auf den Punkt hingedrängt, wo es sich nicht mehr fragt, ob
ein so äusserlicher umstand wie die Bewaffnung der Aphrodite die
Veranlassung hergegeben habe zu der Paarung mit Ares, sondern
ob überhaupt die Verbindung selbst oinen oiientalischen Ursprung
hat. Dabei ist es zuerst nothwendig, dass wir uns die Einfühnmgswege
der Semitin vergegenwärtigen: über Kypros und Kythera. Wir
werden sehen, dass die Göttinnen dieser beiden Inseln zu principiell
verschieden sind, als dass sie im Ernst als gleichbedeutend confun-
dirt werden dürften; da dies aber der Dichter des Demodokosgesangs
zu thun sich nicht scheut, so werden wir nut vollem Becht seine
nichtgriechische Nationalisirung der Aphrodite in ihrer Verbindung
mit Ares als für uns irrelevant bezeichnen müssen. Er nennt sie Kj-
thereia (8 288) und lässt sie v. 361 — 362 nach Kypros gehen. Die
Unterscheidung beider Culte, welche bei weitem nicht nach Gebühr
gewürdigt und ausgebeutet ist, verdanken wir Stark, Gaza und die
Philistäische Küste, 1852. Er hat (p. 290) zuerst Gewicht auf die
Tradition des Herodot (I 165) und Pausanias (I 14, 6) gelegt,
welche beide trotz eines für uns gleichgiltigen Widerspruchs über
die Priorität des assyrischen (Baaltis-) und des phönikischen (aska-
lonischen) Astartedienstes übereinstimmend betonen, dass die Ky-
theräer den Uraniacult dixect aus Askalon von den Phönikem
übernommen haben und nicht über Kypros.*) Die Kythereia geht
direct auf Askalon zurück, während „in der Kypris das Zusammen-
treffen des syrischen, zunächst aus Byblos kommenden Baaltiscultes
mit dem der kriegerischen, strengen Urania ausgesprochen ist*^
Daher „erlaubt der Dienst der paphischen Aphrodite keinen Bück-
schluss auf den der Urania zu Askalon" (313) oder den der Kythereia.
Ebensowenig darf man natürlich umgekehrt von der Urania ohne
Weiteres auf eine Bewaffiiung auch der Kypris schliessen, wenngleich
diese bei einer Mischgöttin in dem einen oder dem andern Oult nicht
*) Herodot: '^cri bk toOto tö [ttic oöpav(r)c 'Acppobirric iv *AcKd-
huvx] Ipöv TidvTiuv dpxaiÖTaTov Ipaiv, öca toOttic Tfjc 0€oO. Kai t^P tö
^v KOirpiü Ipöv ^v6€ÖT€v ^y^v€TO ilbc aÖTol X^touciv Kuirpioi, Kai tö iv
KuOfipoici <t>o{yiK^c clciv ol (öpucd)ji€voi ^k TaOTrjc tt^c Cupi^c ^öv-
T6c'. — Pausanias: 'TTpiOroic bk dvOpiinnjjv *Accup(oic KaT^crn c^߀c0at
Tf|v OöpavCav, yi€iä ö^ *Accup(ouc KuirpCujv TTa<p(oic Kai <t>oiv(Kiuv toU
*AcKdXiüva ^xowciv ^v xq TTaXaiCTivi^- irapct bi <t)oiv(Kiuy Ku6f|pioi
Ha6dvT€C cißouciv'.
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Ares und Aphrodite. 679
aasgeschlossen ist. Die Glosse des Hesjchios ^''EtX^ioc' 'AqppobiTr)'
Kutrpioi' steht gleichwohl vereinzelt, da der zweifelhafte Fall der
Boss*8chen Inschrift nichts beweist and Aldenhoven (A. d. J. 1869,
p. 109) der paphischen Aphrodite ohne Grand ein bewaffnetes Idol
vindicirt. Ein nothwendiges Ingredienz der kyprischen Göttin ist
die Bewafihong, wie aas vielen Nachrichten hervorgeht, jedenfalls
nicht. Schliesst sie sich somit enger an die assyrische als an die
phUistSische Göttin an, so ist es von Wichtigkeit, die Stark'sche
ünterscheidang beider Dienste zu hören. „Die Urania scheidet sich
scharf von der Aschera, Baaltis oder der babylonischen Mylitta, die
znm Theil von einer anderen Nataraaffassang von der empfangenden,
gebärenden Erde oder dem feuchten Element ausgegangen, . . . einen
so sittenlosen und entsittlichenden Colt so frühzeitig erhielten'^
(312 ff.). — Dagegen „widerspiicht der ganze Charakter der von
Askalon direct nach Eythera and Lakonika gebrachten bewaffneten
Aphrodite Urania durchaus einem entsittlichenden, verweichlichen-
den Gült, obgleich auch hier diese Urania, ebenfalls zu Askalon, nicht
als Jungfrau, sondern als herrschendes Weib erscheint^' (313). „Sie
tritt bald ganz jungfräulich auf, wie zu Sidou, oder als der Liebe
unterworfen und Liebe gebend, wie zu Askalon, aber auch hier
nicht in weichlicher, ausschweifender Weise, sondern als mächtige
bezwingende Leidenschaft^^ (259). Denn „sie hatte in Philistäa,
wahrscheinlich durch den philistäischen Stamm selbst, eine eigen-
thümliche Ausbildung erhalten, nämlich jene Vereinigung des Astra-
len mit einer heroischen kriegerischen, aber nicht jungfräulichen
Weiblichkeit*^ (265). Wir haben somit die Erklärung zu jenem
merkwürdigen Umschwung in den Händen, der sich vor unseren
Augen im alexandrischen Zeitalter vollzog und können den Unter-
schied zwischen dem alten und neuen Paar auf die Verschiedenheit
der betheiligten Aphroditen zurückfahren.*) Die Veranlassung aber
liegt in dem Hereintreten der kytherischeu Urania in ein Verhält-
nies, das von Natur nur einer über Eypros überlieferten Göttin zu-
kam, einerlei, ob dieser selbst wieder die Verbindung angeboren war
oder nur übertragen. Die Herrschematur und das etwas spröde,
*) Bestechend sagt in den Sitsungsber. d. s&chs. G. d. W. (Ph.-H.
Gl. p. 19) Stark und mit ihm C. Dilthey (Rhein. Jahrb. 1872. Nr. 68,
54; p. 42 f.) dasB die „bewölkte Physiognomie und das melancholische
Wesen des Ares aus dem Grund seiner mythologischen Naturbedeutung
hervorgeht und erst in jüngerer Vorstellung und Kunst auf das Liebes-
schmähten des Gottes und die Wechselfälle seines Verkehrs mit Aphro-
dite bezogen wird*'; weim wir uns auch nicht seine AufßMsun^ des Ares
als eines Gewittergottes ku eigen machen können. Freilich die buschi-
gen Wimpern des Ares der Sosiasschale (cf. die Mittheilungen Prof.
Roberts im ExcursI), die einen düsteren Gesichtsausdruck hervorbringen
zu wollen seheinen, würden dieses jüngere Eonstideal einigermassen an
den unwirschen, widerspänstig unzufriedenen Charakter dieses Gottes in
der älteren Poesie anknüpfen. Doch fehlt nur leider mit dem Ares des
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680 K. Tümpel:
stolze Wesen der Eythereia erkläii die tiefere Stellung, die Ares
einnehmen muss als der Unterliegende. Unter dem erotisclien Ge-
sichtspunkt des Hellenismus wird die Niederlage eine moralische,
und die Energie das von dem stolzen Weihe Geknechtete, so dass
wir das Schauspiel erleben: Ares wird wie Herakles zu einem
schmachtenden Liebhaber zu den Füssen seiner Omphale Aphrodite,
die einen Adonis aus ihm machen will.
Wir hatten bei unserer Hypothese vorausgesetzt ein langes
separates Fortleben der Urania, getrennt von der Eypns-Dionaia,
und dieses ist auch unschwer nachzuweisen. Denn wenn auch früher
schon in einem dunklen Bewusststein von der ursprünglich beid^i
Göttinnen gemeinsamen semitischen Abstammung Urania mit unter
dem Namen Aphrodite begriffen wurde, so geschah dies doch nur
in einer oberflächlichen Weise und ohne dass man sogleich auch die
Liebesverbindung mit Ares organisch auf die Urania übertragen
hätte. Nur die Namen gebrauchte man wechselnd und als gleich-
bedeutend, was gerade die Unkenntniss der charakteristischen Ab-
weichungen im Wesen der Ejthereia beweist. Den Anfang machte
hiermit Hesiod, der auf Grund der Namen und der angeblichen
Wassergeburt der Ejthereia eine Verknüpfung versuchte. Dem Homer
war die Ejthereia mit Ausnahme des späteren Demodokosgesanges
imbekannt, denn den Ausdruck ^KuGrjpoic 2;a9^oici' (0 432) kann
man nicht rechnen.*) Der Name ^Oupavia' kommt überhaupt nicht
vor. Dagegen hat Homer ausser dem geographischen Beiwort Kypris
(Paphos kommt ebenfalls nur in dem Demodokosgesang vor) die
Benennung 'AcppobiTii, ein Wort, dessen semitischen Ursprung schon
Völcker (Rhein. Mus. 1833, Ausländische Götterculte bei Homer),
Scheiffele (Pauly R-E. Venus) und Schwenck (Myth. IV 211,
1846) vertheidigt haben unter ZurückfÜhrung auf die Wurzel TH^
mit der Bedeutung der Fruchtbarkeit,**) und mit Becht Denn der
Einwand der Gegner, dass ein solcher Name in semitischen Beli-
gionen sich nicht nachweisen lasse, wird erledigt durch die Bemer-
kung, dass eben eine Eypris in ihrer eigenthümlichen Mischfoim
Baaltis- Astarte auf dem asiatischen Continent gar nicht voranszu-
Skopas eine ganxe wichtige vermittelnde Zwischenperiode. Eine inter-
essante Parallele sa dieser typischen Stimmung, ndls die gewünschte
Continuitftt der Entwicklung iMifrecht erhalten wird, ist die Umwand-
lung, welche das ursprünglich ebenfaUs mythische Symbol der Fesselung
nach der erotischen Seite beim Area Borgheae er&hren eu haben scheint
*) Schon Geppert (Ueber den Ursprung der homerischen Gesänge
I 184) 8^, in der Ilias sei Eypros das Land der Aphrodite, in der
Odyssee nythera (freilich etwas angenan).
**) Sowie Roth (Geschichte der Philosophie I 258, Kote) und Prel-
ler (Gr. Myth. P 263) unter Berufang Bxd das assyrische Tjm^ (phdni-
kisch mit Artikel n'i^'^^9) „die Taube**, was vielleicht vorsuuehen wäre,
wenn nicht eine Einführung der lahmen weissen Taube der Semiramis in
den vorderasiatischen Cultä der Natorgütiin vor 600 a. Chr. selbst no-
wahncheinlich wäre (Hehn, Cultuipfl.' 296 f.).
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Ares und Aphrodite. 681
setzen ist Wenn aber die verschiedenen semitischen Volkselemente,
die auf Ejpros zusammentreffen, sich über einen gemeinsamen Na-
men ihrer höchsten Göttin einigen wollten, so liegt es nahe, dass
hierbei ein neuer Name ohne specielle Beminiscenzen an das Mutter-
land den Vorzug erhielt. Dieser lebte aber natürlich lediglich in der
griechischen volksetymologisch zugestutzten Form fort, da das grie-
chische Element schon in vorgeschichtlicher Zeit die vorhandenen
phönikischen völlig absorbirte, worüber zusammenfassend Engel
(Kypros 11 6). Dass aber die **Aq)po-biTii' als „Schaumgeborne"
nur einer Volksetymologie ihren Ursprung verdankt, geht aus dem
unverhohlen tendenziösen Explicativ-Mythos Hesiods hervor, der die
griechisch-kyprische Aphrodite mit der Urania von Ejthera in Ein-
klang zu bringen sucht. Die äq)po-T^V€ta passt zu der wasser-
geborenen (weil astralen) Urania; und in letzterem, wohl alten Bei-
namen liegt eine Handhabe zur genealogischen Anknüpfung des ge-
wonnenen Doppelwesens Eypris-Eythereia an das ältere Geschlecht
der griechischen Götterwelt. Dass Hesiod dadurch mit der homeri-
schen Genealogie von Zeus-Dione in Widerspruch geräth, hat nichts
Auffälliges, wenn wir an die Athene denken, die zugleich Tritogeneia
und Hauptentsprossene ist. Der Hesiodische Versuch konnte nicht
hindern^ dass durch die Zähigkeit der Culte die Trennung der Urania
und der Ejpris (Pandemos) bestehen blieb, trotz des ganz homeri-
schen Charakters, den er der Urania au&uprSgen versucht hatte.
Nur auf das ethische Gebiet übertrug man, wie wir sehen werden^
den einmal vorhandenen Gegensatz als „himmlische und irdische
Liebe^'; im Uebrigen aber dachte man sich Beide doch als gleich-
artige Wesen, wie z. B. die ^eÜKapiroc Ku6dp€ta' des Sophokles
(frg. 879 Dindorf) zeigt Es wird wohl kaum nöthig sein, ausdrück-
lich hervorzuheben, dass Welcker ganz vom- Wege irrt, wenn er
(Götterl. I 667) „die Hesiodische Erklärung des Namens Eythereia
falsch nennt, weil Sappho und Pindar, Selon und Theognis die
Göttin Ejprogeneia nennen'^ Dieser Umstand beweist höchstens,
dass Dichter und Eünstler des Hellenismus wirklich eine Lücke aus-
ftlllten, wenn sie auf dem von Hesiod eingeschlagenen Wege fort-
fuhren und die Urania, diesmal mit ausdrücklicher Berücksichtigung
ihres Wesens, dem griechischen Vorstellungskreise näher zu bringen
versuchten^ ausgehend von der Bewaffnung einerseits und der Ehe
mit Ares andererseits. Ganz verkehrt sind selbstverständlich die
Versuche der AJten, KuWpeia von kuticic (Engel, Eypros II 29)®)
oder von KeuGo^ai abzuleiten (at^ 0. 11 40), und erst recht die
Etymologie Leo Mejers, der in den „Bemerkungen zur ältesten
Geschichte der griechischen Mythologie*' (p. 37) den Namen aus
dem Sanskrit als ein Epitheton der Aphrodite „cde Leuchtende" ab-
leitet (!).
Aus dieser Betrachtung ergibt sich mit Noth wendigkeit, dass
ein Dichter^ der so unbedenklich die kyprische und kytherische
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Göttb zusammenwirft, wie der mythische Demodokos [and Hesiod
(Theog. 934)], sich auch nicht gescheut haben wird, einen griechi-
schen Mythos von der Semitin zu erzSlden.*) Es handelt sich jetzt
nur darum, ob aus einer Paarung der letzteren ndt einem pböni-
kischen Gott etwa die Ehe Ares und Aphrodite entsttmden sein kann.
§ 17. Baal und Area. Sollte dies nachzuweisen nicht möglich
sein, so wird ohne Widerrede auf griechischem Boden die Wurzel
gesucht werden müssen. Und dann erst, wenn auch diepe Hoffiiung
fehlschlagen sollte, wären wir berechtigt mit Lehrs, Welcker und
H. D. Müller die Dichtkunst als Stifterin dieses Liebesbundes fttr
überführt zu halten. Auf dem Einßihrungsweg über Eythera, der
eigentlich nach unseren obigen chronologischen Anseizungen für das
alte echte Paar gar nicht in Betracht kommen kann, fehlt natürlich
ein männlicher Gott neben der phönikisohen Göttin; was nicht Wun-
der nehmen kann, seitdem wir wissen, dass die phönikisohen Götter-
dienste einzeln, meist mit Bezug auf die zugehörigen Metalle über
den Occident verbreitet wurden (Brandis, VII Thore Thebens; Her-
mes n 273). Ein Heros Kytheros, Sohn des Phoinix (Steph. Byz.
8. Y. Ki;6^p€ia) ist das einzige göttliche männliche Wesen, das auf
der Insel erwähnt wird. Was dagegen Eypros betrifiFt, so läset sich
erwarten, dass Aphrodite von ihrer Abstammung aus Byblos her
mit Baal verbunden gewesen sei, als Baaltis. Aber Engel (Kypros
II 67), der hierin gewiss competente Kenner kyprischer Culte, sagt:
„üeber das Vorhandensein des männlichen Gottes der Phöniker, des
Baal, Gemahls der Astarte auf Eypros, gibt es zwar nur wenige
Anzeichen, doch kann er nicht gefehlt haben^^ Ersterer Satz ist für
uns wichtiger, als der zweite. Diese „wenigen Zeichen^* aber an-
langend, so bdehrt uns über deren Natur die folgende Stelle: ,J)m
scheint wenigstens sicher zu sein, dass unter phönikischen Eypriem
Baal unter dem Namen Adonis bekannt gewesen ist, welchen die
Griechen aufiiahmen und für ihren griechischen Mythos des Adonis
benutzten. Das ist aber auch fast Alles, was sich mit einiger Sicher-
heit über den Baal vorbringen lässt". Es müsste idso aus Aden
Ares geworden sein: eine sehr bedenkliche Annahme, die auf ihre
Haltbarkeit geprüft werden muss. Späte Schriftsteller, wie Proklos
(paraph. 'elc Tf|v toö TTToXe^atou TeTpdßißXov' [1664] B, HI p. 98),
vermengen zwar, wie es scheint auf Grund nordkleinasiattscher
Beligionsvorstellungen, beide Götier: ^c^ßouci jüi^v [ol BiOuvioi]
Tfiv 'A<ppobiTT|V Kai TÖv TOÖ "Apcwc [sc. dcrfipa tiXavi^Tr^v]
KaXoOvT€C auTÖv ''Abu*viv\ Aber sonst waren sie im ganzen Alter-
*) Die eigenthümliche Stellung, welche überhaupt der Demodokos-
geaang durch seine Eenntnisa der nythereia dem übrigen Homer gegen-
über einnimmt^ und die ihn eher an Hesiod annähert, bestätigt von
Neuem die seit Nitzsch allgemeiae Annahme, dass er zu den jüngsten
und inierpolirten Theilen der Odyssee geirrt. — Man bemerke auch die
merkwürdige runde Zahl von 100 Yersen, aus denen der Gesang bestehtl
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Ares und Aphrodite. 683
thum bekaxmtlich grundverschieden. Die einzige Möglichkeit, sie an-
einander anzuknüpfen, wäre, dasB man annähme, ihre WefiensTer-
schiedenheit sei nur die Folge einer zeitlichen Differenz zwischen der
Einführung des kjprischen Baal als Axes (neben Aphrodite) und als
Adonis. Denn der letztere hat erst gegen das Jahr 600 y. Chr. in
Griechenland Eingang gefunden (Maurj, hist. des religions de la
Gr^ce ni 220, 1859). Aber wir haben zum Glück ein mit Ares
gleichzeitiges Beispiel von der ethnographischen Treue, mit der
Homer seine nichtgriechischen Göttergestalten zeichnet, in PariS;
dem adonisartigen Aphroditeliebling, der eigentlich nur eine Art von
kleinasiatiscHem Attys ist. Wir werden also Härtung unsere Zu-
stimmung versagen müssen, wenn er (Beiigion u. Myth. der Griechen
ni 102) sagt: ;,Ares, dieser Schlächter und Mörder ; scheint wenig
mit dem Zärtling Adonis gemein zu haben, und dennoch ist er mit
ihm eins : denn auch Adonis ist ein Jäger und Erieger^^ Der augen-
scheinlichste Beweis gegen die Berechtigung zu einer solchen Yer-
quickung ist die Rolle, die Ares auf Kypros gewiss schon ziemlich
früh, als Bivale des Adonis um die Gunst der Aphrodite spielt.
Hierin mag zum Theil ein Cultgegensatz ausgedrückt sein zwischen
einem griechischen Cult der mit Ares verbundenen Aphrodite und
dem kjprischen Adonis -Aphroditedienste. Bei der Collision über-
nahm Ares die Bolle des den buhlerischen Adonis tödtenden Ehe-
manns. Seine Ebergestalt (Preller, Gr. M. I* 272 f.) hängt offenbar
mit den ganz unsemitischen Schweineopfem zusammen, welche gerade
am Todestag des Adonis (2. April) zur Sühne geleistet wurden
(Engel, Ejpros 11 156), und findet ihre Erklärung in der Ansiede-
lung argivischer Chronisten. „Der Ursprung der Sauopfer der Aphro-
dite muss Argos gewesen sein, denn überall, wo sich solche befinden,
sind argivische Colonien vorhanden" (ebenda, p. 157). Das Aphro-
ditefest der „Hysterien" (von {}c) erwähnt Zenodot bei Athenaios
(m 96) in demselben ArgoS; wo wir auch das polyneikische Heilig-
thum der mit Ares verbundenen Göttin hatten.
So bliebe nur noch die eine Möglichkeit, dass unser Paar nicht
über Ejpros, sondern direct eingeführt sei; und von Melkarth und
und Astarte stammt; aber Melkarth ist im thebischen Herakles er-
halten, so dass er nicht im Ares stecken kann^ und Astarte ist, wenn
nicht Alles trügt, in die ogjgische Athene übergegangen, worauf
wir zurückkommen werden«*) Die Vermittlung Thrakiens aber, die
Schwenck (Mjth. IV 217) in Vorschlag brachte, ist zurückzuweisen,
*) Brandis a. a. 0., Hermes II 280. Es erklärt sich hieraus die auf-
fallende Intimiiät von Herakles und Athen» auf Kunstwerken. Welcker
(Alte Denkmäler III 38 ff.) nennt die „nicht immer ehelichen Beziehun-
gen des einen Gottes zum andern", wie sie in der [albanischen] Pallas
mit der Löwenhaut [des Herakles], der Aphrodite Areia u. a. aus-
gedrückt sind, ein „noch nicht geschriebenes Capitel der griechischen
MJthologie*^
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684 K. Tümpel:
80 lange nicht erwiesen wird; dass die thrakisclie Bendis in Theben
verehrt und mit Aphrodite verschmolzen worden ist Das ist mundg-
lich, und die Abenteuerlichkeit der Hjrpothese ISsst die ganze Me-
thode semitischer Ableitung für unser Paar in möglichst sehlechtem
Licht erscheinen. Schliesslich wird der Gedanke an eine EinftOuning
auf dem von Welcker (Kret CoL in Theben) hervorgehobenen Ver-
bindungsweg über Kreta ausgeschlossen durch die Thatsache, dass
der dortige Gott den Griechen als Eronos zukam.
Wir können also die Frage nach den nationalen Wurzeln der
Verbindung von Ares und Aphrodite jetzt schon wenigstens negativ
dahin beantworten, dass sie im semitischen Element wie noch Scbwenck
wollte, nicht zu suchen sind.
Wir stehen somit vor der Aufgabe, in den griechischen Beligionen
zu suchen, was wir in der semitischen ausfindig zu machen nicht im
Stande waren, und fragen uns nach Anleitung unseres Programms
weiter: Lässt sich unser Paar vielleicht in einem bestimm-
ten griechischen Stammcult nachweisen?
Während wir also bisher von Homer aus vorwärts gehend Ares
und Aphrodite bis an die Schwelle des römischen Alterthums ver-
folgten, wollen wir jetzt in umgekehrter Richtung von Homer ans
rückwärts einen Blick hinter den Ausgangspunkt unserer vorigen
Betrachtung zu werfen suchen in die vorhistorische Zeit Dabei
wird uns ein fester Anhaltspunkt die mythische Geschichte Thebens
und die Verbreitung seiner ältesten Gottheiten sein; denn nicht allein,
dass die combinirten Cxdte von Ares und Aphrodite auf diese Stadt
deuteten — schon Ares, der alteinheimische Stadtgott, weist uns
darauf hin, die Urgestalt seiner Gefährtin unter den alten Göttinnen
Thebens zu suchen, welches die irdTpa "'Apeuic hei8st(Soph. OR. 192).
Vielleicht, dass eine derselben in der Hypris untergegangen und die
Zusammenstellung dieser mit Ares veranlasst hat Dabei kommt
uns £^t zu Statten der Eadmosmjthos, der älteste thebische. Ausser
dem uns hier besonders wichtigen Ares spielen hier eine Bolle
(abgesehen vom Titelhelden Eadmos selbst und Harmonia, seiner
Gattin) nur
Demeter Thesmophoros als Beschützerin des nengebildeien
Gemeindewesens,
Athene mit einer mehr neutralen Bolle, und
Erinjs Tilphossa; letztere allerdings ausdrücklich nur in einer
Nachricht; doch ist ihr alter Cult in Böotien zu gut bezeugt, als dass das
Alleinstehen dieses Zeugnisses einen Zweifel an seiner Authenticitat
motiviren könnte. Das Verdienst, das Zusammengehen dieser Culte der
drei böotisch-thebischen Göttinnen, in Abhängigkeit von Böotien, nach-
gewiesen zu haben, gebührt 0. Müller in seiner Zusammenstellung des
Tilphossischen Mjthencomplezes in dem Commentar zu den Eume-
niden des Aischylos, p. 168 ff. Eine übersichtliche Zusammen-
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Ares und Aphrodite. 685
steUmig imter yerftnäertem Gesichtspunkt gibt W. Stoll in seiner
Abhandlung: üeber die ursprüngliche Bedeutung des Ares
1855, zu der wir uns jetzt wenden.
IL Theü.
ApliroiUte-Erbiys (ApostropUa) und Ares, das religiSse Paar
des thebisehen Loealevlts.
Absohnitt I: TritonJa» Thesmophoros, SSrinys,
§ 18. AusserÜiebische Cülte. Wir beschränken uns darauf, kurz
die Hauptmomente nach der dortigen Zusammenstellung und unter
Verzicht auf den gegebenen ErklSrungsversuch wiederzugeben und
nur zu motiviren, weswegen wir, abweichend von ihm, nicht überall
eine enge Beziehung der Dreiheit zu Ares anzuerkennen yermögen.
um eine feste Grundlage zu gewinnen^ beginnen wir mit den Wieder-
holungen des Cultcomplexes ausserhalb Thebens, in zwangloser Ord-
nung. Zu
Pheneos in Arkadien befand sich ein Heiligthum der Athene
Tritonia (Paus. VIII 14. 4), von dem Pausanias nur noch Trüm-
mer vorfand; femer ein Tempel der Demeter Thesmia und ein
Heiligthum der Demeter Eleusinia mit einem V^Tpujjia', bei dem
die Pheneaten ^ÖTT^p |i€TicTU)v' schwuren (a. a. 0. 15. 1). Dahinter
ist, wie Stoll, Preller (Demeter und Persephone, p» 147) und
H. D. Müller (Mjth. d. griech. Stftmme II 147) erkannt haben, wie
hinter den meisten Eleusinischen Culten, wofür wir noch Argu-
mente beibringen werden, ein älterer Cnlt, und zwar der Er inj s
zu vermuthen. Denn nach Photios (bibl. 148 ed. Bekker) lebten
noch die Vorstellungen von Erinys und Lusia («» Thesmia) am Orte
(cf. Preller a. a. 0. 170**). Derselbe Cxdtkreis findet sich zu
Eolonos Hippies, jenem durch die Oidipussage deutlich mit
Böotien verknüpften Gau. Die Athene Hippia, die hier erscheint
(Paus. I 30, 4) ist durch das Bosssjmbol als die Wasser- Athene be-
zeichnet, die auch im Namen Tritogeneia ausgedrückt ist (wie z. B.
Amphitrite, Triton, cf. 0. Müller^ Pallas -Athene in der Hallischen
Allg. Encykl. § 40). Verbunden ist sie mit Poseidon Hip-
pies*), der auch zu Pheneos neben der Tritonia alt erschien; denn
sein Standbild galt als von Odjsseus gestiftet. Femer zieht Stoll
in diesen Bereich die Demeter Euchloos oder Chlo^, deren
irdtTOC vom koXuivÖc \rcmoc sichtbar war (Soph. OC. 1600). Sie
steht in der Oidipussage als freundliche versöhnte Erdgöttin zu der
*) Paus. a. a. 0. cf. Soph. 00. 889, wo er '£incTdTT)c KoXuivoO'
heisst; cf. v. 64, 1494 etc.
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686 K. Tümpel:
im attischen Cult yemelÜEUiliteii Erinjs in demselben Verlilltniss,
wie zu Pheneos die Thesmia-Lnsia zor Erinys. Die Yerscbieden-
heit in der mTthologischen Beofatfertignng der Namen ist gleich-
giltig. In einem anderen attischen Demos
Phlya findet sich Tithrone Athene im Anschluss an die Sem-
nai (Paus. I 31, 2). Der Elensinische Colt hat sich ebenfalls festge-
setzt: Demeter-Anesidora and Eora Protogeneia entsprechen
den erechtheischen Jong&aaen Protogeneia nnd Pandora, die zu
Athen mit Athene yerbnnden sind. Ais m&nnliche Gottheit eradieint
hier nicht, wie zu Athen, Poseidon, dessen firtther eheliches Verhftlt-
niss zu Athene bei der strengen Durchführung von deren Jung-
fräulichkeit zur Eivalitftt umgebildet ward, sondern ein Zens Krt^ctoc,
ein chthonisches Wesen.
AmTilphossion in Böotien heisst Poseidon der Gatte der Til-
phossa Erinys (HesycK s. v. Areiou; SchoL IL V 346), mit der er
das Boss Areion erzeugt haben soll, wie auch zu Thelpusa in Arka-
dien; ein Mythos, dessen ünechtheit Bosenberg (Erinyen) dar-
gethan hat. In dem naheliegenden Haliartos finden wir einen
hochheiligen Tempel der Prazidikai, yon dem Paus. (IX 33. 2)
bemerkt: *dvTaO0a djivuouci ji^v, Troiouvrai b* ouk ^iiibpofiov
TÖv 5pK0v'. Ihre Namen nennt Suidas (s. t. Praxidikai): Alalko-
menia, Thelxinoia, Aulis. Die erstere Göttin ist unstreitig eine
Erscheinungsform der wassergeborenen Athene, die in der Dias
(A 8, € 908) *'AXaXKOfievr|ic' heisst; denn sie ist Hauptgötiän zn
Alalkomenai (Paus. IX 33, 4), wo sie Tochter des Ogyges heisst:
wieder nur eine 'Genealogie, wdche den Beinamen Ogygia erklären
soll, der gleichbedeutend ist mit ^Tritonia' (aus der man in gleicher
Weise einen Vater Triton construirte). Vielmehr scheint Ogyges
eher ein Cultusname des Poseidon zu sein, der mit dieser Athene
uralt verbunden ist Die Thelxinoia ist eine bloss ethisch über-
tragene Euchloos, eine menschenfreundliche Demeter Thesmia; und
in dem Namen Aulis, der vielleicht corrumpirt ist, muss eine Art
Erinys gesteckt haben. Zu
Thelpusa in Arkadien (auch Telphusa, Steph. Byz. s. v. Der
Name entspricht nach dem übereinstimmenden ürtheil Aller mit ver-
tauschter Aspiration genau der Tilphossa) ist die Erinys durch einen
widerwärtigen Mythos an die'Eleusinische Demeter roh angeknüpft.
Ihr steht wieder eine Demeter Lusia-Themis gegenüber, w&hrend
die Anwesenheit des Athenecultes durch das Onkeion verbürgt ist,
weldies an die Athene Onka zu Theben erinnert (Paus. VIU 25,
4). Preller will hier die Erinys Thelpusa eliminiren, indem er sich
auf die Hesychische Glosse stützt, dass Vi<x tüüv 'Gpivuuiv' von
Poseidon hier Mutter des Areion geworden sei (Demeter und
Persephone, p. 153). Stell nennt die Glosse mit Recht schlecht
(Ares 6) "); die Fassung dieser Notiz ffllt aUein dem Berichterstatter
zur Last, welcher die Mehrzahl der Erinyen seiner Zeit im Ge-
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AreB und Aphrodite. 687
dftehiniss hatte. Noch Kaiamis stellte nur eine Erinjs dar (Over-
beck SQ. 115, 5. 6) und erst Skopas setzte noch zwei andere da-
neben, nachdem wohl Euripides zur Befestigung der Dreizahl als
Dogma beigetragen hatte (cf. ürlichs^ Skopas 48 und Rosenberg,
Brinyen p. 36^ und 85*).
§ 19. Ares und Poseidon. In den letzten beiden FftUen will StoU
den Poseidon als unorganisch an die Stelle des Ares gerückt zurück-
weisen und diesen dafür als echt ursprünglich substituiren. Dabei
hat er allerdings die Wahrheit gerathen, aber auf einem, wie uns
scheint , falschen Wege. Er stützt sich auf den Namen des Bosses
Areion, den er von Ares ableitet, und sieht darin einen Nachhall
eines früheren Hereinspielens von Ares. Aber dieser Gleichklang
ist zufiülig*): 'Ap€iu)V durch sein kurzes a von "Apiic unterschieden
ist ein comparativisch gebildetes Adjektiv, das mit äptcroc und dem
bei Homer erhaltenen Yocaüv &pic zusammenhängt (^''Apec dp^c,
ßpOToXoiT^' ktX. Ilias € 81) cf. G. Curtius, Grundzüge*^ p. 340.
In demselben Maasse, wie so der Zusammenhang mit Ares sich lockert,
schliesst sich dieses Boss schon durch seine Symbolik, die Ton den
mythologischen Verhältnissen des Ares ganz abweicht, an Poseidon
an durch das Beiden gemeinsame alte Beiwort VuavoxotTTa', das
Poseidon bei Homer, und Areion in der kyklischen Thebals (bei
Paus. Vni 25, 5) und bei Hesiod (Scut. Herc. 120) führt Ist
doch der Beiter dieses Bosses, Adrastos, Dank seinem Beinamen
*KudvmiT0c', den er auch selbst oder sein Sohn als Appellativ trug,
nur eben wieder derselbe Poseidon (0. Müller, Eum. p. 174) und
das Bosssymbol überhaupt rein poseidonisch; vgl. den ^ApcTiv
T^0Ta^6€ bei Thelpusa (Pftus. VIU 25, 1) und den Fluss Areion
nördlich des Eeraunischen Gebirgs (0. Müller, Orchomenos' p. 227).
Bei mit tmroc zusammengesetzten mythischen Namen wird man des-
wegen immer an Poseidon und nicht an Ares zu denken haben. Um
an letzterem festhalten zu können, hätte sich also StoU nicht darauf
berufen sollen, dass in Athen Alkippe eine Tochter des Ares (von
der Aglauros) heisst. Statt an eine Art Veiblichen 'Apeiuiv' (!) zu
denken, muss man hierin vielmehr eine heroische Metamorphose
der Athene Alalkomenels-Hippia erkennen, [wenn wir nicht ganz
oberflächlich mit Welcker (Götterlehre I 418) — wohl in Er-
innerung an Aristophanes (Nubes 64) glauben wollen, *dass dieser
Name bloss etwas Vornehmes bedeuten solle^]. Diese Ansicht erhält
ihre Bestätigung durch den Mythos selbst, der uns von Apollo-
doros (in 14, 2 ed. Heyne) aufbewahrt ist: Alkippe sei den Ge-
lüjsten des Halirrhothios (Meeresranscher), eines Poseidonsprösslings,
hinter dem offenbar Poseidon selbst steckt^ zum Opfer ge&Uen; und
*) So auch schon H. D. Müller, Ares 81^*, freilich im Widerspruch
mit seiner eigenen bedenklichen Ansicht, dass Areion doch zn Ares und
nicht zu Poseidon gehöre (a. a. 0. p. 24).
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688 K. Tfimpel:
Ares, der aeine Tochter gerScht, sei wegen dieser Blotschiild von
dem ZwölfgOttergericht am HOgel des Arestempels zur Verantwortung
gezogen, schliesslich aber freigesprochen worden; und nach diesem
ersten CriminalfaU sei der Name Areiospagos gegeben (Paus. I 21,
7; 28, 5; Apollodor V 14, 1). Die £rkl2&nmg des letzteren Namens
ist der Zweck dieses Mythologems, das an die Handhabung der
Blntgerichtsbarkeit an diesem Hügel ankntipft, nnd eben dadurch
seinen spftten Ursprung verräthy da in heroischer Zeit jene durch
Blutrache vertreten ward. Ares sei hier verurtheilt worden:
daher rtthre der Name. Um verortheilt werden zu können, muss
er jemand get5dtet haben; dazu werden vorhandene Thatsachen ba-
nntet: der Streit mit Poseidon-Halirrhothios umdie Athene, die Schutz-
göttin derselben Stadt, um welche nach dem SchoL Aristides Panathen.
p. 183, 19 (Dindorf) sich einst Ares nnd Poseidon stritten (^tö ^picai
TToceibÜJ Kai 'Apr) uTt^p rfic iröXeuic') ; und ferner die Beziehnng^on des
Ares zur Aglauros, die sich auch in ihrem gemeinsamen Vorkommen
im attischen Ephebeneid zeigt. Natürlich muss das echte VerhlUtniss
zwischen Poseidon und AlJdppe-Athene als Gewaltthat hingestellt
werden, um als strafwürdig zu erscheinen; nnd das ri&chende Ein-
greifen des Ares wird durch die Blutsverwandtschaft mit der Athene
motivirt, eine künstliche Genealogie die durch die nahen Beziehungen
derselben zu der Gattin des Ares, Aglauros, noch ausdrücklich befür-
wortet wurde (0. Müller, Pallas Athene a. a. 0. § 9). Ebenso wie
Halirrhothios heroisirt und von Poseidon im Mythos losgetrennt er-
scheint, da dieser als Gottheit doch nicht getödtet werden kann, so
die Alkippe von der Pallas, um die Keuschheit der obersten attischen
Landesgöttin unverletzt zu bewahren. — Basirt nun die Herbeiziehung
des Ares zur Erkl&rung des Namens ^''Apeioc irdTOc' auf thatsSch-
liehen Verhältnissen oder ist sie eine etymologische Spielerei? Köhler
(Hermes VI 104) und C. Wachsmnth (Stadt Athen I 428) behaup>
ten das letztere. Areiopag bedeute Fluohhügel (von dpdl), der Ares-
tempel an seinem Fusse sei Velativ jungen Datums', und der Name
des Hügels stamme vielmehr von der Athene ^'Apeia'^ die auf dem-
selben einen Altar hatte (Paus. I 28, 5). Allein es ist uimi5glich
^äpeioc' von ^dpd' abzuleiten (zu dpa gehört dpaioc, wie zu *ApT)C
— dp€ioc und zu dprjc — dpeiujv). Düntzer (Fleckeisens Jahrb.
56, p. 64) vermeidet diese Schwierigkeit durch Ableitung vom Stamm
dp€-uj, -CKUi, -ct/|P, -ctöc und gewinnt die Bedeutung 'SühnhOgel'.
Aber ein Adjectivum ^dpeioc' dieses Stamms und Sinns ist sonst
nirgends verbürgt, üeberhaupt führt diese, wie die vorige Aufihs-
sung zu der möglichst unwahrscheinlichen Consequenz, dass der Ares-
tempel an diesem ^Sühn'- oder ^Fluch-' Hügel auf Grund eines (an sich
schon precftren)Missverstftndni886S desselben als eines ^Hügels des Ares'
gegründet sein müsste ; ganz im Widerspruch mit unserem obigen Nach-
weis einer so uralten Beziehung dieses Orts zu der Aresstadt Theben, die
sich hier noch speciell bewährt durch den berühmten, ebenfalls an
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Ares und Aphrodite. 689
den Areiopag örüich und religiös angeknüpften, aus Theben stammen-
den ^Semnen-' oder Erinyendienst Der fernere Einwand, dass
Athene in historischer Zeit als Oberrichterin galt. Dank ihrer Stel-
lung als oberster Stadtgöttin, beweist nichts gegen den ^Ares-^Httgel,
dessen Name sehr wohl hinter die Stiftung des Blutgerichts zurück-
reichen kann. Für uns ist jedenfalls am wichtigsten das Factum
einer alten Cultvereinigung von Ares und Erinjs (resp. Mer Erinyen')
am Areiopag, die in den Traditionen des Blutsgerichts noch mehr
oder weniger klar zu Tage tritt. Wir notiren uns diese Thatsache
zur Verwendung, wie zur Erklärung an anderem Orte. An der Be-
deutung des Areiopags als Ares-Hügels halten auch fest 0. Müller
(Eumen. p. 154) und H. D. Müller (Ares p. 83), der sich freilich
mit Unrecht auf die einmalige Benennung des vor dem Areiopag
abzuurtheilenden Verbrechens bei Aischylos (Eum. 851 f.) als
**Apilc £)ui(puXioc' stützt. Doch hat er sich wohl nur durch 0.
Müller (a. a. 0.) täuschen lassen, wenn er diesem dichterischen
Ausdruck den Werth eines terminus technicus an diesem Gerichts-
hofe Yindicirt
Aehnlich treffen Poseidon und Ares zusammen in einer Stadt-
grttndungslegende der ursprünglich arkadischen Stadt Tritaia, ohne
dass man auch hier wieder behaupten könnte, die Ehe des Ares mit
Tritaia, einer Tochter Tritons und Priesterin der Athene, sei wirk-
lich ficht. Denn der Sohn dieses Paares ist Melanippos, der angeb-
liche Gründer der Stadt (Paus. VII 22, 5). Stoll sieht hier freilich
wieder mit 0. Müller (Eum. 173) den *Sohn des Ares, Areion';
nfther liegt es offenbar, direct an die Quelle zu gehen und den
*Kuavoxci!Tiic iTTTTioc' Poseidou selbst in heroischer Metamorphose
als Melanippos zu erkennen, wie ja auch eine Melanippe als Ge-
mahlin des Poseidon in Boiotien genannt wird (Diodoros, Bibl. XIX
53, 6). Der Umstand aber, dass hier ein Poseidon an Ares ange-
kindet wird, beweist genugsam die gedankenlose und künstliche
Mache dieser Genealogie, so dass dieses auffällige Hapax-Eiremenon
einer Verbindung des Ares mit der Wasser-Athene als beseitigt an-
gesehen werden kann. Diese gehört vielmehr ebenso constant zu
Poseidon, wie Ares zu Enjo und ähnlichen Gottheiten, wie wir zeigen
werden.
um unseren Faden wieder aufzunehmen: so fehlen zu Tritaia
auch nicht die ^^Ticrai Geai, ähnlich den fuieTOiXal Oeai Demeter
und Persephone (Stoll p. 11), die an die höchsten Schwurgottheiten
der Haliaxtier, die Praxidiken, an dl^ Eatharoi der Pallantier er-
innern, bei denen sie ihre heiligsten Schwüre schwuren (Paus. VO
44, 1), sowie an die Semnai. Wir brechen hier ab, indem wir einige
unsichere Punkte, die Stoll noch anfahrt, bei Seite lassen, und
constatiren ein Vorkommen jener drei böotischen Göttinnen in
Attika, Argos und Arkadien: denselben Landschafken, in denen
wir auch Ares und Aphrodite, resp. den drei Aphroditen be-
J»hrb. f. olAM. PhUol. Suppl. Bd. XI. „^^ed by C^OOQIc
690 K. Tümpel:
gegneten. Jene Dreiheit aber trafen wir unter wechselnder FOhnrng
des Poseidon, des Ares und eines ^Ünterwelts-Zeus', der vielleicht
nicht ursprünglich ist. Wenden wir uns jetzt zn dem Orte, der für
uns central ist, nach Theben.
§ 20. Die thebische Kadmossage. Hier finden wir die Bestand-
theile des Dreigöttinnencultes am unverfälschtesten, und zwar zuerst
die tritonische Athene in der
Athene Onka. Wir wollen den alten Streit um den phöni-
kischen oder griechischen Ursprung dieses Namens nicht wieder auf-
rühren. Es genügt, dass der ursprüngliche Dienst als nichtphönikisch
sich erweist, so kann, selbst wenn die phönikische Etymologie von
'Onka', wie sie Valckenaer (bei Dindorf Schol. Eur. III 282) und
mit ihm Movers (p. 642) versucht hat, sich best&tigen sollte, doch
das phönikische Element sich erst nachträglich an eine einheimische
Athene Ogygia angeschlossen haben, denn die Sage, Velche sehr
genau den Bau der Burg durch Eadmos • von der späteren Ehrrich-
tung der Mauern durch Amphion und Zethos unterscheidet' (Bran-
dis, VII Thore Thebens: Hermes IL 282)*), gibt unverwerfliche
Beweise für sogar vorkadmisches Autochlhonenthum des Athene-
dienstes in der thebischen Landschaft. Das ist freilich auch Brandis
entgangen, der für den rein phönikischen Ursprung der Onka, sowie
auch des Kadmos und der Europa mit E. Curtius plaidirt gegen
Welcker, Preller und H. D. Müller. Dass die Athene Onka auch
Ogygia geheissen haben muss, ist nicht zu bezweifeln, denn das Thor,
vor dem ihr Heiligthum lag, führte beide Namen gleichmSssig. Die
Athene Alalkomenia zu Alalkomenai aber hiess Tochter des Ogyges
(Paus. IX 33, 4) und Ogygia hiess wieder die Athene, welche nach
SchoL Pindar. Ol. II 39 und Tzetzes (zu Lykophron 1225) in
dem vor dem onkftischen Thor gelegenen Flecken Onkai verehrt
worden sein soll; und diese ist wahrscheinlich wieder identisch mit
jenem Holzbild der Athene AlalkomeneYs, das Ailianos (Tact. XII 57)
zu Theben erwähnt. Vielleicht ist also wirklich der Prellor'sche
Vorschlag (Griech. Myth. I* 148 f.), Onka und Ogygia auf eine
gemeinsame Wurzel zurückzuführen, nicht abzuweisen. Jedenfalls
muss StoUs Anknüpfung an öifKGC in der Bedeutung: *Berg' (p. 15)
mit Misstrauen aufgenommen werden. Fragen wir mm nach dem
Stamm, an den der Dienst dieser Athene sich knüpfte, so ist uns
von grossem Werth die Angabe des Pausanias (IX 5, l) über die
vorkadmische Bevölkerung der thebischen Landschaft und deren
Schicksale. Er berichtet: Tijv bk Tf|V Gnßatba oiicf)cai irpuira
XcTOuciv "CKTTivac- ßaciX^a bk elvai tujv 'Ciöi^viüv ävbpa auröxOo-
va "Qtutov, kqI dTTÖ toutou toTc ttoAXoTc tuiv ttoiiitujv dtriicXiicic
ic TCic ©fjßac dcTlv 'QTUTiai- kqI tovc \xly dTroX^cOai Xoi^uibet
*) Wenn auch gerade die Fusion beider Gründungen das Phüniker-
thum des Kadmos mit veranlasst zu haben scheint.
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Ares und Aphrodite. 691
vöcuj q)aciv'. Eine Nachricht, die eben so wichtig als zuverlässig
scheint. Wir lernen aus ihr, dass die Ektenen, oder wie Bursian
(Geogr. I 202) nach dem Etymologicum Magnmn zu schreiben
vorechlftgt, die Enktenen (fTKTTivec: AnsÄssige) den später zum
Stammheros degradirten Gott Ogjges verehrten, und neben ihm, wie
wir bestimmt hinzusetzen dürfen, die Ogjgia oder Onka, ein Paar,
das dem andern, Poseidon und Tritonia oder Alalkomenels, ziemlich
genau zu entsprechen scheint *) Die Bolle der Athene in dem
Eadmosmythos, dem ehrwürdigen Bepositorium für älteste thebische
Geschichte, ist eine nahezu neutrale; ihre Anwesenheit wird so ver-
schieden motivirt, dass man sieht, eine einmal vorhandene Persön-
lichkeit sollte mit in die Handlung gezogen werden.**) In gleicher
Weise wird die Haltung der Ektenen gewesen sein, die sich in dem
Benehmen ihrer Göttin spiegelt: und in der That werden sie nicht
von den argivischen Eadmeionen besiegt, wie die Äonen (Paus. a. a.
O.), oder vernichtet, wie die Hyanten, sondern sie sterben an einer
Hungerseuche, ohne wie es scheint mit den Einwanderern in starken
Gegensatz gekommen zu sein. Wir treten durch diese Anf&ssung
in bewussten Widerspruch zu H. D. Müller, welcher (Myth. H,
*) Sollte man einen mehr historischen Namen hinter dem etwas
conjectural klingenden der ^Ansässigen' suchen wollen, so müssen die
Tremiler oder Termerer es nach einigen von Unger (Theb. Parad.
p. 257 ff.) gegebenen Genealogien gewesen sein, welche einen Ogyges
(*B Poseidon) und eine Alistra-Prazidike («i Athene) verehrten und mit
Ljkien in Verknüpfong gestanden haben. Als Bestäügung dient der
Parallelismus von 'T^pjiicpa KOKd' und ^ 'Qpüina Kaxd'. Wenn andererseits
bei Pausanias als Ureinwohner Böotiens ausser Äonen und Hyanten die
Ektenen genannt werden (4cotK(cac6ai bi ptetä toOc '€KTiivac ^c Tf|v x^P^v
'Tavrac Kai "Aovac' : IX 6, 1), so erscheinen bei Strabon in dem gleichen
Bericht statt der Ektenen die ^Temmiker' : 'aOri^v bi Tf\y Boiwriav [£q(ov]
"Aovcc Kul T^|Ui|LitK€C Kai *TavT€c' (Vn, p. 321). Für die Identität dieser
Temmiker mit den Tremilem oder Termerem, welche ja ebenfiälls den
Ektenen gleichgesetst werden, spricht ausser der Namensähnlichkeit noch
die von Strabon überlieferte Einwanderung der Ersteren über Sanion
('Tcjüi^iKiuv ^K Couvtou iTeiiXavr)fi£vu>v', XI 401)^ also vielleicht eben aas
Lykien. Der Widerspruch mit der Wortbedeutung von Ektenes als 'An-
sässige' entscheidet sieh zu Ungunsten letzterer Uebersetsnng durch Ver-
gleichung einer Nachricht bei Theognost (p. 27, 12): '''Eyktt^vcc bä
^^TOVTO [ol] fi€TäTo(ic *TavTac Ti^v Boiuiriav olK/|cavT€c'), die also
eine Zuwanderung der Ektenen voraussetzt. Die Benennungen Thebens als
ogygisch und aJs 'T^fAmKov dcru* bei Steph. Byz. (p. 410, 20) würden
also zusammenfallen und der 'Eadmeia' zeitlich vorausgehen.
**) 1. Stesichoros bei Schol. Eur. Phoen. 670: 'ti^v 'AOnvftv
^cirapK^vai toOc ööövrac [toO öpdKOvroc]' (Dindorf 111 188, 3).
2. Demagoras (ibid. v. 7): 'töv K&bpiov irpovoiqi 'AeTjvüc &p-
irdcai aÖTf|v t^v 'Apfioviav* (a. a. 0. III 36, 6).
3. Eur. Phoen. y.667: 'TTaXXdöoc (ppaöalci foner^Xc bxtaSjv ööovrac
[KdöjiiGc]'.
4. ibid. 1062: 'TTdXXac, & bpdKOVTOc al^a XiOößoXov KareipTdou'.
Am merkwürdigsten ist die Abweichung von Nr. 3 zu den Uebrigen,
und dann der Gregensats zwischen (1) 3 und 4. /-^ i
44ifcedby Google
692 . K. Tümpel:
319) behauptet, Athene sei bloss allgemein ^als Beschützerin der
Helden' in die Eadmossage eingetreten. Dass eine engere Beziehung
vorgewaltet haben muss, zeigt der Titeln welcher ihr von dem Jung-
frauenchor in den Septem des Aischylos gegeben wird (v. 121)
^^uciTToXic T^voO, TTaXXdc', [womit zu vergleichen ist v. 149 t
*cu le, jidKaip' fivacc' "'OyKa, uTitp ttöX€U)c inTCuwkov ?boc
diTippuou'], femer jene Genealogie, welche den Eadmos gar dem
Ogjges zum Sohn gibt (Suidas: s. v. **QTUYia KttKd'), und die Notiz
des Pausanias von der angeblichen Stiftung des Onkaions durch
Eadmos, auf dessen Namen man später alle Erinnerungen zu
häufen liebte, namentlich die Beminiscenzen der fremden Coloni-
satiozL Wir wenden uns nun zu der zweiten Göttin des Eadmos-
mjthos, zu
Demeter Thesmophoros. Sie ist die Göttin des argivischen
Stamms der Eadmeionen, und die alte Gemahlin des zu einem Stamm-
heros degradirten Eadmos-Hermes, wie H. D. Müller in dem IL
Buch des U. Theils seiner Myth. d. griech. Stämme (Hermes und
Demeter, 1869) überzeugend dargethan hat. Sie ist mit der
Europa- Jo identisch, der später an die egyptische Isis angeschlossenen
Naturgöttin, die im Frühjahr gesucht wird. Sie allein ist also in
dem Eadmosmythos echt^ während Athene und Erinys, zu der wir
uns jetzt wenden, nur durch historische Verhältnisse hineingekommen
sein können. Wie dies bei der letzteren geschehen sei, ist erst zu
ermitteln, wenn wir über ihren Charakter zu urtheilen im Stande sind.
§ 21. Fortseteung: Erinys Tilphossa. Ihre Bedeutung steht
nicht fest, wie die der beiden anderen Göttinnen, und muss gegen
die allgemeine Ansicht von ihrer lediglich ethischen Bedeutung als
Personification des schuldbeladenen strafenden Gewissens dnreb Unter-
suchung gewonnen werden. Wir benutzen hierzu zui^hst den Namen
Tilphossa, der von ihr in ihrer echten Phase untrennbar ist.
Welcker (Eret. Col. Theben p. 41) hat ihn mit Telepba&%
TelephaSssa identisch erklärt, die bei Apollodoros (HI 1, 1, cf.
4, 1) Gattin des Eadmos heisst, und kommt somit zu einer Bedeu-
tung ^die Femleuchtende', also einer Mondgöttin. Dabei scheint ihm
der Gedanke an Elektra als Gattin des Eadmos vorgeschwebt zu
haben (Schol. Eur. Phoen. 5, Dindf. HI 34, 18), die er als
^Nachts -nichtschlafende' (Mondgöttin) ebenfalls erklärt Aber ein-
mal kann letztere Etymologie als durch G. Curtius (Grundzüge*
137) gründlich beseitigt gelten*), und dann kann die Analogie
einer Gattin des Eadmos (Telepha^) nicht massgebend sein für
ein Wesen, das gerade als dessen bitterste Feindin gilt. Dazu kommt,
dass Preller (Dem. u. Pers. 166) erkannt hat, ^dass die Verbindung
der Tilphossa in den verschiedensten Gegenden von Griechenland mit
einer Stadt und Quelle oder einem Berg und Quelle auf eine Be-
*) Es wäre wegen /jX^icTuip eher an die Sonne zu denken.
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Ares nnd Aphrodite. 693
Zeichnung der Oertlichkeit dieses Namens schliessen lasse, wie Ida,
Pamass, Samos'. Wir schliessen uns dem an mit der Modification,
dass nicht die Quelle selbst, sondern die besonderen Umstände, unter
denen diese erscheint, das Massgebende gewesen sein müssen: nSm-
lieh eine Erdöffhung, eine Schlucht, aus der die Quelle hervorbricht,
wie Stoll (a. a. 0. p. 16) mit Glück nachgewiesen hat; so in
Kolonos der ^x^^'^oöc dböc', durch welchen Oidipus in die Unter-
welt hinabstieg (Soph. Oed. Col. 1590: *TÖv KarappoKTTiv dbdv —
XoXkoic ßd0poici Tflöev ^ppiZu))Lievov'), femer am Areiopag in
dem Heiligthum der Semnai (Eurip. Elektra 1272, E. Curtius,
Vn Karten zur Topographie von Athen, Text p. 26: ^tiefer
Wassei-spalt mit daraus hervordringendem Wasser', der nach Euri-
pides [a. a. 0.] als Eingang in die Unterwelt galt). — Am Til-
phossion war ebenfaUs ein X^^^M^? ^ das die Quelle sich ver-
lor (Hom. hym, Apollon. Pyth. 234 ff., 377 ff.), angeblich, indem
Apollon einen Felsblock darüber gedeckt hatte, unter dem sie also
anch wohl wieder hervorsprang; ähnlich war die Localität der A^X-
(pouca zu Delphoi, die nach Bursian (Geogr. II 259^) unter einem
Fels hervorsprudelte. Dass Delphusa aber nur eine andere Form
von Tilphossa etc. ist, hat 0. Müller (Orchom.^ 142*) und Eume-
niden 176)^^) unter Verweis auf die delphischen Formen ßiKpöc und
Bucioc für TTikpöc und TTuGioc mit Recht hervorgehoben; auch
Welcker (Kr. Col. Theb. 45), wenn auch zu anderem Gebrauche.*)
— Zu Telphusa in Arkadien vermuthete Stoll (p. 16) eine Quell-
schlucht auf Grund der Cultverbindung mit Phigaleia, wo Demeter
Melaina eine Höhle mit kaltem Quell hatte (Paus. VIII 42, 6)
und mit dem an die Delphusa erinnernden Delphinsymbol ausgerüstet
war. Wirklich findet sich angeknüpft an den Rossmythos von Demeter
und Poseidon eiü ^dv 'Apxabiqi Ctutöc öbwp' bei Ptolemaios
(Hephaistions Sohn, Nov. Hist. lib. III, in Westermanns
^MuöOTa^oi' 186, 7). Wir behaupten nun, dass für diese Erschei-
nung eben der Beiname Telphusa bezeichnend sei, und gehen bei
der Etymologie von der Form AAcpcuca aus, dem Namen der delphi-
schen Quelle; sie ist leicht zurückzuführen auf die Wurzel, welche
G. Curtius (GZ^ p. 479) als dem Worte AeX(pöc, beXcpic (Bauch-
fisch), b€Xq)OC Uterus, Sb€Xq)OC zu Grunde liegend erkannt hat, mit
der Bedeutung ^hohl'.**) Für Delphi erklärt er den Namen als Vohl
*) Freilich Bursian (a. a. 0.) wül den Zusammenhang zerreissen.
Ihm ist A^X(pouca bloss ^der Stadtbnmnen der Delphier', während er
B^Xirouca in Arkadien (G€A der Münzen), Telphusa (Paus., Diodor, Lyko-
phron, Steph. Byz.) nnd Tilphossa gemeinschaffclich auf edXiru) zurück-
führt, ob^eich nur eine Form dieses Wortes GdAtrouca (einmal bei
Stephan. Byz.) an die Etymologie erinnert. Diese Erklärung kann nicht
genüf^en; wir fassen die analogen Erscheinungen zusammen.
**) unabhängig von Bernhardy (in Dionya. Perieget. 442; p. 637),
der im Anschlnss an eine frühere Bemerkung des Salmasins (Plinian.
Exercitat. p. 238 £.) auf Grund der 'sicula glossa 'Ö€X<pOa' »■ utems'
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694 K. Tümpel:
wegen seiner Lage in einer tiefen Schlucht' gegeben. Der wichtigste
aber unter jeuen Erdrissen, die schon in der ^TTuOüb nerpriecca' der
llias (B 519) anklingen (der *Y^aXa Ooißou' des Euripideß, Phoen.
23) ist jenes X^^\^^i welches schon den vorapollinischen Caltmittel-
punkt ausmachte. Hier war es, wo der Drache der Themis, Del-
phine (cf. die Themis neben der Erinjs in Thelpusa) wohnte, den
Apollon vernichten musste, um sich als AeXq)ivioc an der Stfttte
festzusetzen. Aber auch den Namen Tilphossios fahrte er, angeblich
wegen der üeberwindung der Tilphossa (Hom. Hym. ApolL PytiL
387), wodurch die Identität der Themis Delphusa und der Erinjs
Tilphossa wahrscheinlich genug wird. Auch den anderen Nam^
des Delphjs (Delphine) oder des Themisdrachens: Python vnrd man
nicht mit G. Curtius (GZ^ 286) nach dem so absichtlich etymologi-
sirenden homerischen Hymnos (Apollon. Pyth.) auf ^ttuOciv' «= 'faulen
machen' zurückführen, sondern am besten mit Pape-Benseler (Eigen-
namen 11^ 1284), neben nuO-^rjv, ßu6oc (cf. den delphischen Monat
Bucioc!) stellen und auf den nftmlichen Erdschluud deuten. Bevor
Apollon
*ö AoEiac, .6 TTapvdcioc
\ii-iav fxwJV jiiüxov xöovöc'
ward (Aisch. Choeph. 947 f.), und bevor Eadmos in Theben seine
Besidenz aufschlug, muss iu Boiotien, wie an den attischen und arka-
dischen Cultstellen, die wir oben besprachen, der Cult einer Erd-
göttin geherrscht haben, der local an eine als ünterweltseingang
gefasste Schlucht oder Höhle mit einer damit verbundenen Quelle
sich anschlods.*) Auf das Symbol des Drachens werden wir noch
zurückkommen. Für jetzt ist es nur nöthig, darauf hinzuweisen,
dass in diesen örtlichen Verhältnissen die Erklärung des so häufigen
üebergangs des Erinyscults in den der Persephone liegt. Auch
diese Göttin hatte zu Eleusis ihren Unterweltseingang, durch den sie
von Hades entführt sein sollte (Erineos, Paus. I 38, 15), und liebte
besonders * Gegenden, in deren Nähe sie Gewässer mit bodenlosem
Abgrunde oder zerklüftetes Gebirge mit scheinbaren Eingängen in
die dunkle Tiefe der Erde fand' (Preller, Griech. Myth. V
624). Der üebergang in den eleusinischen Cult wurde noch be-
sonders erleichtert durch das schon beobachtete Zusammengehen
die AeXcpOvr) mit dem ^aanctus terrarum hiatus, cui Pythone deiecto
Senetralia templi superstructa sunt', in Verbindung gebracht hatte, wegen
er ^natura T^dXujv'. Siehe Ünger (Theb. Paradoxa 1 116), der, wie
ich erst nach Fertigstellung der üntersachun^ sah, schon früher diet^e
Etymologie für die Aufhellung des Namens Tilphossa benutzt hatte.
*) Wit treten also in Widersprach zu 0. Müller, weldier im Ge-
danken an die spätere Bedeutung von 6^90C nnd d6€Xq>6c den Namen
AeXcpOc oder -Ovii auf die 'prolifike' Naturkraft im Drachensymbol deutet
(Dorer I' 319), die sachlich unerweisbar nnd auch schon von Bem-
hardy zu Dionys. Perieg. 442 (p. 637) zurückgewiesen ist
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Ares und Aphrodite. 695
der Erinys mit der Demeter Thesmophoros, welches sogar zu der Ent-
stehung einer Demeter-Erinjs führte. H. D. Müller (Ares 23. 26)
und Kuhn (Z.-S. I 461) haben in gleicher Weise vermuthet, auf
Grund des Namens Erineos, dass hier ^zuerst eine Erinjs geraubt
wurde, und nicht die Persephone'. Noch ein Haupteinwand muss be-
seitigt werden, der sich uns von Welckers Seite betreffs unserer
Etymologie der Tilphossa (denn diejenige der Erinys versparen wir
uns für einen gelegeneren Ort) entgegenstellt. In dem Verse nttm-
lieh des Hom. Hym. auf ApoUon Pythios (p. 496), wo der Altar des
delphischen Gottes genannt wird:
"... 6 ßwjiöc
auTÖc bdXcpeioc xai ^Tiö^itoc fccerai aiet',
fasst Welcker (Er. Col. Theb. 45^^^) das zweite Epitheton als
Epexegese ziun veralteten ersten Ausdruck und erhält somit biX-
q>€ioc = TyjXeq)OC im Einklang mit seiner obigen Ableitung; aber
die Stelle ist nach Baumeister corrupt, und bei Welcker bleibt das
auTÖc unerkl&rt, das vielmehr einen Gegensatz zwischen den beiden
mit Kai verbundenen Attributen einzuleiten scheint. Wollte man ja
eine Erklärung auf Grund des schlechten Textes versuchen, so hätte
man an ein Oxymoron zu denken von dem ^in der Schlucht gelegenen
und doch weitberühmten (Veithin sichtbai^en') Altar des Apollon;
auf diese Weise würde eine immerhin ziemlich augenfällige Tauto-
logie vermieden und die Schwierigkeit umgangen, zu erklären, wie
b^X-(p€i-oc aus der Wurzel OA- hervorgegangen sei. An den Om-
phalos zu denken, der ja auch zur Noth ^bauchig' genannt werden
könnte, verbietet der Mangel an Nachweisen, dass dieses Caltobjekt
als *Altar' bezeichnet worden ist.
Was nun die Anwesenheit der Erinys in Theben betrifft, so wird
sich uns dieselbe aus örtlichen Verhältnissen als unzweifelhaft ergeben.
Vorläufig sei bemerkt, dass sie in dem grossen thebischen Mythen-
kreise von Oidipus, den Belagerungssagen, eine viel zu grosse Rolle
spielt, als dass sie gefehlt haben könnte, und auch in dem Eadmos-
mythos ist sie verbürgt durch ein Scholion zu Soph. Ant. 126
(Elmsl.), welches sie als Mutter des Aresdrachens imd Gattin des
Ares nennt: ^^t^TÖvei 6 bpaKiüV ii "Apeiüc Kai TiXqpiiccric
*€pivuoc'. üeberraschend wäre aber eine Erscheinung, wenn sie sich
bestätigen sollte: dass nämlich die drei grossen böotischen Göttinnen
wohl in und um Theben zerstreut sitzen, aber nicht den Trieb zu
einer symbomischen Vereinigung geäussert haben sollten, der sich
in den Praxidiken zu Haliartos ausspricht und vielleicht in den Tp€ic
iräpOcvoi zu Eleon, einem Flecken bei Tanagra (wenn diese nicht, wie
Bursian (Geogr. I 223) möchte, die orchomenischen Chariten sind,
bei denen freilich die Dreizahl nicht feststeht). Und zwar würden
wir an ihrer Spitze nicht den Poseidon (oder einen Zeus ktiicigc) zu
erwarten haben, sondern Ares, den alteinheimischen Gott, mit dem
sie auch im Eadmosmythos erscheinen. Aus diesem Grunde können
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696 K. Tumpd:
wir uns nicht mit den Homololsohen Göttinnen zofrieden gehen,
Athene, Demeter und Enjo, da sie unter der Aigide des Zeus Homo-
lotos erscheinen. Zeus aber ist in Theben und Umgegend erst spSt
eingeführt (R D. Müller I 234).*) Auch Ifisst sich eine Enyo in
Theben nicht nachweisen. Wir wagen darum die Vermuthnng' aus-
zusprechen, dass die dreifache Aphrodite der Harmonia mit ihrer
Beziehung zu Ares uns in bloss yerftnderter Gestalt die drei alten Gr^t-
tinnen erhalten hat. Hierauf bringt ims die aufföllige Thatsache,
dass die drei Aphroditen in/denselben Landschaften: Theben, Argos,
Attika und Arkadien erscheinen, wo auch die drei alten Qöttiimen
sich fanden, was auf eine Gleichartigkeit der Bevölkerung hinweist:
devi beide Dreiheiten hatten ihre letzte Wurzel in Boiotien oder
speciell Theben. Um einen Beweis für diese Hypothese anzutreten,
müssen wir aus inneren Gründen durch den Nachweis der Gleichartigkeit
der sich entsprechenden Göttinnen, paarweis genommen, die Möglich-
keit eines üebergangs der Tritonia in die Urania, der Thesmophoros
in die Fandemos und der Ei*&js in die Apostrophia darthun.
n. Abschnitt: Die drei Aphroditen.
§ 22. Urania. Hierbei ist selbstverständlich abzusehen von
der erotischen Beziehung, welche man später jenen drei Eoava ge-
geben hat; nämlich: ^Oupaviav im ^piUTt KaOapijj Kai diniXXaT-
jLi^vip TTÖGou cw^dTiüv, TTcivbTijLiov be ^iri /niHeci, Tpixa be ^Attoc-
Tpoq)iav, iva ^TriGujLiiac t€ dvö^ou kui ?pyujv dvociwv dTTOcrp^qpri
TÖ T^voc TUJV dvGpiiiruJv' (Paus. IX 16, 2). Denn einmal wird die
Unterscheidung zwischen himmlischer und irdischer Liebe erst den
Philosophen des V. Jahrhunderts verdankt, und dann waren die
Holzbilder der Urania bewaffnet, was mit der Liebe nichts zu thun
hat. Die einzige Ausnahme würde die Aphrodite von Sikjon sein,
die Gerhard (Abb. der BerL Akad. der W. 1843. — Gesammelte
Akad. Abh. I 262) und Preller (Gr. Myth. P 268) Urania be-
nannt haben. Aber sie hat Mohn, Polos und Apfel statt der Waffen,
und Aldenhoven (A. d. Inst. 1869, p. 110*) hat deshalb die Be-
rechtigung zu dieser Benennung Gerhard mit gutehi Grund bestrit-
ten.**) Auch die ^Oupavia Moipiwv TrpecßuTdni* zu Athen (Paus,
I 19, 2) wird nach Analogie der mit den Moiren verbundenen
'AcppobiTTi dvoirXioc zu Sparta (C. I. Gr. 1444) bewaffnet gewesen
sein. Vor Pheidias ist überhaupt kein Beispiel einer Urania mit
erotischer Bedeutung nachweisbar, und selbst bei seinem Werke,
der elischen Urania (Paus. VI 26, 2), ist noch der Zweifel sehr
berechtigt, ob das Attribut der Schildkröte, auf welche sie den Fuss
*) 'Es findet eich daselbst kein Cult, der mit Sicherheit ak alt
bezeichnet werden könnte; doch ist der Eintritt des Zeus in alte Stamm-
sagen desto deutlicher wahrzunehmen!'
**) Ein neues Argument wird der § 33 bringen.
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Ares und Aphrodite. 697
setzt, wirklich mit Plutarch (Graec. coniug. XXXII) ethisch auf
die ^olKOupia' züchtiger Ehefirauen gedeutet werden müsse, oder
oh nicht viehnehr an die Himmelsgöttin zu denken sei, welche sich
über das Himmelsgewölbe erhebt. Letzteres ist die weit ansprechen-
dere Ansicht Overbecks (Plastik I* 233). Jedenfalls wird statua-
risch eine Pandemos mit hetftrischer Bedeutung der elischen Urania
des Pheidias erst im lY. Jahrhundert durch Skopas zur Seite gesetzt.
In der Zwischenzeit wird der ethische Gegensatz geschaffen worden
sein, zuerst durch Piaton (Xenoph. Sympos. Vlll 9; Plato. Symp.
180, D ff. Gleichwohl gibt sich Welcker bei den thebischen Holz-
bildem mit der Pausanias'schen Erklärung zufrieden (Götterlehre
I 672) obgleich er für den Namen Pandemos auch erst eine Ent-
stehung unter Selon annimmt: Die Holzbilder, die man auf Harmonia
zurückführte, müssen aber älter sein als Selon.
§ 23. Pcmdemos. Mit dem Namen dieses Mannes ist der der
Pandemos yerbunden, da yon ihm aus socialen Gründen im An-
schluss an diese Aphrodite ein staatlich concessionirtes HetSrenthum
geschaffen ward. Trotzdem wird yon diesem Cultnamen eine frühere
politische Bedeutung behauptet(Pr eil er , Gr.M.I* 265). DennTheseus
soll nach Paus. (I 22, 3) den Pandemostempel gestiftet haben als
Symbol des Synoikismos der sSmmtlichen Demen ; Apollodoros scheint
diese Behauptung zu unterstützen, wenn er bei Harpokration (s. y.
Pandemos Aphrodite) den Namen auf die Nachbarschaft der Ekklesia
zurückführt, des VersanMnlungsplatzes von ^ircic 6 bfijioc'. Aber
gerade die Verschiedenheit in der Begründung durch die beiden
Schriftsteller hebt die Wahrscheinlichkeit ihres Grundgedankens auf,
wie Hug (zu Plato. Symp. a. a. 0.) gut bemerkt; und wir halten
deshalb mit Welcker (G.6L. I 672) und C. Wachsmuth (Athen
I 485 f.) die theseische Pandemos für eine haltlose Gelehrtencom-
bination. Aber gleichwohl kann die Hetären -Aphrodite von Selon
nicht aus der Luft gegriffen worden sein^ sondern seine Institution
ist jedenfiBklls an ein vorhandenes Heiligthtun bloss angeknüpft worden.
Es fragt sich nur, welcher Gestalt die Aphrodite gewesen sei, die es
inne hatte; Hug antwortet: eine Urania, von der die Pandemos nur
eine Abzweigung sei. — Wir glauben mit grösster Bestimmtheit
sagen zu dürfen: nicht eine Urania von Askalon-Sidon-Eythera,
sondern eine kyprische ^Aphrodite' (=» Astarte-Baaltis). Nur daraus
erklärt sich, dass Mie Pandemos mit der durch Homer und andere,
mehr profeme, Schriftsteller bekannten Aphrodite , Tochter des Zeus
und' der Dione identificirt, und mit dieser dem jüngeren Götter-
geschlecht zugewiesen wurde' (Hug a. a. 0.). Denn die achäische
Dionaia stammt, wie der Beiname Eypris und das Fehlen der Ey-
thereia bei Homer beweist, in ihren semitischen Bestandtheilen eben-
falls aus Eypros und ist mythologisch als Zeustochter an das jüngere
Göttergeschlecht angeknüpft, während die kytherische Urania im
theogonischen System durch Uranos, und als * älteste der Moiren* zu
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698 K. Tftmpel:
dem ttlteren Göttergesohlecht gehört, Nor in dem fortwirkenden
Gegensatz von Ejpris und Kythereia liegt die Erklärung für die
Scheidung der Philosophen, welche sich auf die Beobachtung gründet,
dass Waoi kqi Buciai elciv xQ fui^v TTavbrj^if) ^abioupTÖrepai, rq bi
Oupaviiji dYVÖT€pai' (Xenophon. Symposion VIII 9).*) Denn nach
der bisher beliebten Scheidung einer orientalischen unzüditigen Aphro-
dite-ürania und einer griechischen mütterlich- ehrwürdigen Gemeinde-
göttin Aphrodite -Pandemos musste die vollständige Umdrehung des
Verhältnisses durch die Philosophen ein Räthsel bleiben und zu den
künstlichsten Erklärungsversuchen (bei Gerhard, Preller) führen. Zu
diesen gehört Welckers von Wachsmuth (Athen I 412) acceptdrte
Annahme einer griechisch-eingeborenen Aphrodite-Ürania, welche mit
dem sittlich intacten Theil der Semitin zusammengeflossen sein und
den üebergang zu der Ansicht der Philosophen in der nämlichen
Weise gebildet haben sollte, wie Solons Name die umgekehrte Meta-
morphose der alten politischen Pandemos in die ethische unsittliche
bezeichne (Gr. Götterl. I 673). Dagegen hat Hug (a. a. 0.) schon
gut den Einwurf gemacht^ dass wir von einer autochthonen Aphro-
dite-ürania keine Meldung hätten. Wenn also der Name Pandemos
von Natur nur die Bedeutung ^irdTKOivoc^ (Hug) hatte, so ist damit
nicht ausgeschlossen, dass trotzdem die Eypris bei den lonern nicht
bloss eine Göttin des Familienlebens, sondern auch der Geschlechts-
und Gemeindeverbindung gewesen sein könne, wie Wachsmuth
(Athen I 413) nach Preller (Gr. M. I* 286 ff.) vermuthete. Daraus
würde sich die Entstehung der Legende von Theseus erklären. —
Dass umgekehrt zu Phanagoria (C. I. Gr. II 2109^) eine Widmung
an ^Geql 'AqppobiTij Oupavi(ji 'AiraTOupij* vorkommt, würde uns
darin nicht irre machen können. Denn sie liegt an den äussersten
örtlichen und zeitlichen Grenzen desGriechenthums(^CaXa toC irpiT-
KiTTOc'). — Zweifelhafter ist das Alter des Namens der dritten
Aphrodite:
^ §. 24. Äposlrophia. Jedenfalls ist die erotische Bedeutung,
die er haben soll, eine sehr künstliche; denn der Gegensatz, wel-
cher die Anreihung neben die beiden anderen Aphroditen moti-
viren soll, ist ein so pretiöser, dass er nur als eine Abfindung
mit einer einmal vorhandenen Thatsache gelten kann; oder ist die
Thätigkeit einer Göttin, welche das Gute schafft (^die reine himm-
lische Liebe') und einer anderen , welche das Schlimme fern hält (^die
Blutschande') so natürlich und noth wendig, dass man diese Thätig>
keiten auf zwei verschiedene Gottheiten^ Urania und Apostrophia,
*) Die korinthische Urania ist erst durch eine Yerfchmelsong mit
kjprischen Gebräuchen zum Hierodulenthum gekommen. Denn mit Aus-
nahme einer einzigen Stelle ^ukianOB, Hetärengespräche p. 7) findet
sich kein Beispiel, dass eine Hetäre der Urania geopfert hätte; und ge-
rade hier geschient es durch ein junges unerfahmeB Mädchen, (Engel,
Kypros II 371).
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Ares und Aphrodite. 699
vertheilen müsste? Sie fallen Beide unter den gemeinsadnen Gesichtfi-
ponkt eines guten Princips, zu welchem die Pandemos als Vertreterin
der gemeinsinnlichen Liebe den Gegensatz bilden würde. Sinn hätte
die Apostrophia nur, wenn sie eine göttliche Vertreterin jener
ävöcia ipfa wäre; aber das steht mit der Ueberlieferung im Wider-
spruch. Wir schlieseen hieraus, dass die drei Aphroditen einmal da
waren, und dass erst später in nothdürftiger üebereinstimmung mit
der echten Grundbedeutung eine Beziehung zu dem schon bei Homer
in solcher Plasticität hervortretenden Frincip der Liebe in ihren ver-
schiedenen Erscheinungsformen gesucht wurde.
Was war aber die eigentliche Bedeutung jenes Namens? Er
ist nicht wie derjenige der Pandemos und Urania auch ausser Theben
bezeugt, sondern hat sich nur hier erhalten. Aufschluss kann uns
nur geben die Aphrodite Epistrophia zu Megara, deren Heüig-
thum Pausanias (I 40, 5) zusammen mit einem Tempel des Dionysos
Nyktelios, einer Orakelstätte der Njx und einem unbedachten*) Tempel
des Zeus Kövioc nennt. Das Nächstliegende wäre, hier eine Art Pan-
demos zu vermuthen, etwa in der Bedeutung, wie sie z. B. Aisoh.
Suppl. 972 (Overdick) in der Bezeichnung der KOÖpai als ^&pa ^1TI-
CTp€iTTOC ßpoTOic' (zur Liebe anlockend) anklingt. Dann würde die
Nachbarschaft des nächtlichen Dionysos einen Zusammenhang mit den
nächtlichen Orgien des trieteriscben Zagreus Bromios vermuthen lassen
und der Zeus KÖvioc einen sonderbaren Anklang an KOViZciv. Aber
mehr empfiehlt es sich unstreitig, den Zusammenhang dieses Cult-
complexes ernst zu nehmen, wegen des Nyx-orakels, und wir haben
dann in der Epistrophia einen Euphemismus für Apostrophia, also
ein sich abwendendes, unfreundliches, zürnendes, der Versöhnung
bedürftiges, mit einem Wort: chthonisches Wesen, wozu der ^Aschen-
Zeus' (Engel: Eypros II 363) und der chthonische Dionysos gut
stimmen, letzterer als Mer in die Unterwelt gebannte, gequälte Gott,
eine Allegorie der Wandelbarkeit des irdischen Naturlebens' (Preller,
Gr. M. I^ 537). Wir kommen so zu einer gleichen Bedeutung,
wie sie Gerhard (Venusidole: Abb. d. BerL Akad. d. Wissensch. 1843
p. 312. Gesammelte Ak. Abhandl. I 264) für die Apostrophia
in Anspruch genommen hat: als einer sühnbedürffcigen Todesgöttin.
Zur Erklärung lässt sich passend das Beiwort beiziehen, welches
Sophokles einmal (Aias, 608 Chor) dem Hades gibt, wenn er ihn
nennt *TÖv diTÖTpOTTOV dibT]Xov "Aibiiv*. Denn dirÖTpoiroc und
d7rocTp6q)ioc sind ausser völliger Bedeutungsgleichheit auch nahezu
stammverwandt. Gerade in Boiotien aber war eine solche Erdgöttin
Aphrodite häufiger: so hiess sie zu Thespiai, wo der alteinheimische
Eros sich an sie angeschlossen zu haben scheint, Melainis, mit
einem allen Unterweltswesen gemeinsamen Beiwort. Aehnlich ist
die Aphrodite Epitymbia zu Delphoi (Plut. Quaest. Rom. XX)
*) Aehnlich P. IX 33, 2.
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700 K. Tümpel:
and die Höhlen -Aphrodite za Naupaktos (Engel, Eypros 11 473),
um von anderen nordgriechischen Gülten zu schweigen. Doch alle
diese Beispiele aus der Umgegend würden für Theben nichts be-
weisen, wenn wir nicht auch bei der dortigen Aphrodite zwingende
Argumente für eine chthonische Natur ins Feld zu führen vermöchten.
Und diese Lücke wird glücklich ausgefällt durch eine Notiz, die uns
von den Berichterstattern über die IJeberrumpelung der Eadmeia und
die Vertreibung der Spartaner 379 a. Chr. vermittelt wird: dass nSm-
lich die Einnahme der Eadmeia durch die Sorglosigkeit und Featlaone
der Befehlshaber begünstigt worden sei, welche an dem Aphrodisien-
feste sich betheiligt hStten (Folyainos, Strategemata 11 4, 3: *i)V
^AcppobiT^c ^opTirj ').'*') Dieses fiel mit dem Amtswechsel der the-
bischen Polemarchen zusammen (Xenophon über das nSmliche E^reig-
niss: Hellenika V 4, 4: *TToX^jui«PXOi ScfOYttc 'Acppobicia dir* Ö-
öbifi Tf^c dpxnc')* I>dr Amtswechsel wird aber auf den Jahresanfang
festgesetzt gewesen sein, der in Boiotien auf die Wintersonnenwende
fiel (Böckh. C.I. Qr.p. 732: ^ Boeotici civilis anni cardo est noTilanimn
solstitio hibemo prozimo succedens'). Wenigstens wurden auch die
Boiotarchen an diesem Tag von ihren Nachfolgern abgelöst (Flu-
tarch^ Pelopidas XXIV: x^iM^voc ^kv fjcav a\ iT€pi rpon&c dK^at,
^Tivöc bk Tou T€X€UTaiou qiOivovToc öXitai ircpificav fm^pai xai tfjv
Äpxf|V fb€i TrapaXo|Lißdv€iv irlpovc euOuc icTa^^vou toö irpuiTou
pt^vöc' KT^.). Damit stimmt auch der zweite umstand wohl zu-
sammen, welcher den Verschworenen Vorschub leistete, nftmlich ein
starker Schneefall, der in dieselbe Jahreszeit weist (Plut. a. a. O. IX).
Eine Gottheit, der winterliche Feste gefeiert werden, muss mit
dem Tod in Natur- und Menschenleben in engster Beziehung stehen,
eine chthonische sein; was zu der oben eruirten Bedeutung der Apo-
strophia stimmt. Unbestreitbar ist die Allgemeinheit dieser Benen-
nung, welche durch die Eustomie einer weniger schneidigen Be-
zeichnung einen ftlteren, kr&fligeren Cultnamen verbergen zu wollen
scheint, wie man anderweit sogar in dem Bestreben, die düsteren
Züge ganz zu verwischen, eine Epistrophia schuf. Und diesen ur-
sprünglichen Namen glauben wir in einer wichtigen Glosse des He-
sych erhalten, die uns jetzt beschäftigen soll.
§ 26. Vergleichung heider Gntppen. Diese Glosse heisst: *'€pi-
vuc* bai|Liu)v KaTax8övioc' f| 'Acppobirri f\ elbwXov', (M. Schmidt;
*f|' delevit Musurus) und erhalt durch den von uns gegebenen Zu-
sammenhang erst ihren Werth und* ihre Erklärung. Denn bisher
*) Die Aphrodisia mit Schneider und Breitenbach (zu Xenophon 1. c.*^
^metaphorice' als comisatio, epulae zu nehmen analog den ^'A9po5(aa'
der 'nautae ex longo itinere reduces' auf dem Festland, verbietet ausser
der Parallelstelle des PolyainoB der genügend verbürgte Cult der Aphro-
dite zu Theben neben Ares (§ 6), sowie Piutarch (Quaesi Born. 112):
'oÖT€ iv Hpac [lepotc] 'AeV^viiav oöre OifjßTiciv iv 'A<ppo&(TTic töoi
TIC dv KITTÖV'.
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Ares nnd Aphrodite. 701
haben so ziemlich s&mmtliche uns angehenden Worte dwselben wegen
ihrer Bäthselhaftigkeit Anstoss gegeben, hanptsfichlich wegen des
jeden möglichen Sinn zerreissenden zweiten ^f\% dem zu Liebe Triller
(Observ. critic 346) statt ^f\ 'A-iic* — i^epo<poiTic lesen wollte,
viel zu willkürlich und kühn. Nicht besser ist die Conjectur Küsters,
der ^'€pi^VTOC (cognomen) 'Aq)pobiTT)c' lesen wilL So behält denn
neuerdings A. Bosenberg (Erinyen p. 20)^) das fi wieder bei und
erinnert an Nonnos (Dionys. XVI 294):
*elci Kttl IjieipovTGC '€pivu€c . , /
Doch abgesehen davon, dass wir damit die glossirte Stelle doch nicht
in Händen haben, ist der Gedanke so gesucht, dass wir ihn kaum
ausserhalb Nonnos vermuthen können. Wir erblicken deshalb hier,
mag nun ^f\ 'A(ppobiTr)C (sc cognomen) f| elbuiXov' oder besser ^1^
'Aq>pobiTT)C elbwXov' zu lesen sein, einen Beleg für die Aphrodite-
Erinys, wie sie in Theben^ aus dem Uebergang der Tilphossa in die
Eypris entstanden sein muss und später rein erotisch in der Apo-
strophia fortlebte. eibuiXov ist kaum anders möglich, denn als *=»
• äxaXfia zu ÜBLssen; dieser etwas späte Sprachgebrauch kann für die
Zeit des Commentators, aber nicht für die commentirte Stelle etwas
beweisen. Doch noch für eine weitere Glosse müssen wir Hesych
dankbar sein, in welcher ^Gu^ev^c' als ein Beiname der ^'Aqppo'
(-biTTi Husums) erwähnt wird. Die Analogie der Eumeniden legt
eine Aphrodite-Erinys nahe genug und auch der Euphemismus in
der Epistrophia erhält eine dankenswerthe Parallele. Dieser umkleidet
überhaupt nur das Streben, die bei der chthoniachen Präcisirung ver-
loren gegangene naturmythische Universalität ins ethische Gebiet zu
retten. Auf eine Aphrodite-Erinys hat schon Engel (Eypros 11
254) Gewicht gelegt, aber ohne einen richtigen Gebrauch von ihr
zu machen; er bringt sie als ^thrakische Hekate' über Areion und
Demeter-Ennys ndt Ares zusammen, und dabei entgeht ihm das
Wichtigste, jenes winterliche Aphroditefest. Er wundert sich zwar,
dass Während der Aphrodite, der Göttin alles blühenden Lebens,
der Frühling und vorzugsweise der April geweiht zu sein pflege, als
diejenige Jahreszeit, in welcher das Leben der Natur neu erregt
wird, und die ganze Schöpfung von Zeugungslust und dem Tnebe,
Leben zu schaffen erfüllt ist^ hiervon nur das Fest der thebischen
Aphrodite eine Ausnahme zu machen scheine'. Aber eine Verknüpfang
mit der Erinys -Tilphossa über die Aphrodite- Erinys -Apostrophia
liegt ihm fem. Er denkt nicht daran, dass, wie dieses Fest, auch
der Name Apostrophia nur in Theben erscheint, sondern hilft sich,
indem er sagt: ^Diese Einrichtung muss aus Begriffen hervorgegangen
sein, welche dem alten thebanischen Eabirencult zu Grunde lagen'
(n 160).
Die aufE&llige Singularität des winterlichen Aphroditefestes zu
Theben weist uns noch mit besonderem Nachdruck auf die nicht-
semitischen Wurzeln dieses Cultes hin, da wirklich mit dieser ein-
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702 K. Tümpel:
zigen Aasnahme in der ganzen antiken Welt die Aphrodisien za An-
fang April begangen wurden und nach altphönikischer Sitte das Jahr
begannen. Die thebische Aphrodite aber feiert ihr Fest an der
Wintersonnenwende, die überall in Boiotien den Jahresanfang bildet,
und beweist dadurch hinlänglich, dass sie ihren Namen an eine auto-
chthone Göttin verloren hat^nfimlich die Erinys-Tilphossa, wie wir
jetzt schon yermuthen dürfen in Erwartung weiterer BestStigungen.
Wir schreiten nun zur' Vergleichung des anderen Paares: der
Demeter Thesmophoros und der Aphrodite Pandemos, bei der wir
aus den Namen der ersteren schon zur Noth eine Brücke zur Aphro-
dite bilden können: Euchloos und Thelxinoia, um von anderen in
unseren Zusammenhang nicht hineinspielenden zu schweigen. Beide
haben eine enge Beziehung zum Naturleben in seiner heiteren Seite
allmählich herausgebildet, freilich imter ganz verschiedenen Ein-
flüssen: Demeter unter dem Druck der Zusammenstellung mit Perse-
phone und Erlnys, welche die unterweltliche Seite ihres Wesens an
sich zogen,*) — die Aphrodite Pandemos durch äusserliche Trennung
von der Apostrophia, während sie früher als Eypris beide Seiten,
Lust und Trauer, des Naturlebens gleichmSssig in sich vereinigte.
Die nächtlich' winterliche Phase der Kypris als Göttin des ersterben-
den Naturlebens, wie es sich in ihrem Grab auf Kjpros z. B.**) zeigt,
steckt in der Apostrophia; in der etwas zu specialisirten Benennung
Pandemos ihre Beziehung zu sommerlicher Fruchtbarkeit, Heiterkeit
und Frieden im Naturleben. Die Peitho, die von Theseus mit der
Pandemos zugleich eingeführt worden sein sollte zu Athen (Paus.
I 22, 3), ist im Grunde selbst nur eine Pandemos, denn zu Megara
nahm ein Standbild des Peitho, wie Paus. (I 43, 6) sagt, den Ehren-
platz im Tempel der Aphrodite ein. Sie entspricht fast wörtlich, wie
schon Welcker sah (Aisch. Tril. Prom. 189), der Thelxinoia, die zu
Athen als *Here' und nicht als Demeter verehrt wurde (Hesych s. v.).
Nebenbei ist es sehr gut denkbar, dass jene Meinung: die athenische
Pandemos habe wirklich die politische Beziehung zu Theseus, still-
schweigend mitgewirkt hat bei der üebertragimg des athenischen
Aphrodite-Namens auf die thebanische ^Aphrodite-Thesmophoros*, wie
wir als ursprünglichen Namen des mittleren Aphroditebildes voraus-
setzen dürfen, analog der Aphrodite-Erinjs. Der Vergleich zwischen
Eadmos, der unter den Anspielen der Demeter die Eadmeia gründete,
mit Theseus lag nahe genug. Wir haben jetzt noch einem Einwand
zu begegnen, dass nämlich nicht in der Aphrodite Apostrophia die
Erinys stecken könne, sondern eben in der Persephone, welche später
*) Reste noch in ihrer Entfernung vom Olymp, während welcher
sie schwach, nicht sprechend, nicht lachend, nicht essend noch trinkend
war, gleich den Schatten, ins Todtenreich hinabfahrend; femer in der
Benennung der Todten als 'ATmiup^oi*.
♦•) Clemens Alex. Recognitfc. XIII 24: 'A9P0&{ttjc ö Td<poc öcficyxrrai
£v TTdtptp.
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Ares und Aphrodite. 703
an die Seite der Bnrggöttm Demeter trat bei Einführung des eleu-
sinischen Cultes. Denn wirklich nennt Euripides (Fhoen. 684 Nauck)
Demeter und Persephone als älteste Götter Thebens, die es sogar
gegründet hätten. Aber bedenklich muss uns zweierlei machen:
erstens, dass als dritte im Bunde die Oaia genannt wird:
*co( viv ^KTOVoi ktIcov,
Sv biibvu^oi Oeai
TTepc^ipacca ical cpiXä
Aa^driip Bca
TTdvTiuv ävacca, Trdvruiv bfe fä Tp6<poc
^KTT^CaVTC/
Denn es ist klar, dass in der Quelle, der hier Euripides folgte, mit
der Gküa die Erinjs gemeint war, die ja auch als Mutter des thebi-
schen Drachens, wie des Areionrosses in dieser kosmogonischen Potenz
aufging. Dann wäre Erinjs in der Persephassa noch einmal, also
doppelt da. Die letztere hat aber selbständig und an der Hand des
Zeus, also spät (cf. oben p. 696*)) ihren Einzug in Theben gehalten.
Denn es heisst im Schol. zu Eur. Phoen. 687 (Dind. III, 195, 11 ff.)
'KaxdjKOuv bt ^v enßaic Ar\\if\V!]p kqi TTepcetpövr] ibc \ily tiv^c qpaciv,
bid TÖ bu)pi^cac9ai 9nßac TTepceqpövij töv Aia xdpiTOC tivöc ?V€Ka
TTpouTtapEdaic auTiö Tiapd rflcbe*' (ebenso Schol. v, 682, p. 190, 18 ff.
a. a. 0.). Zum Ueberfluss muss die Beobachtung, dass vielmehr eine
Demeter-Erinjs sich bildete, die Möglichkeit einer Persephone-Erinys
ausschliessen.
Wir denken also den üebergang der Erinjs in die Apostrophia
und der Thesmophoros in die Pandemos als möglich erwiesen zu
haben, und auch bei der Tritonia und Urania kann es nicht schwer
halten. Beide haben sich zu Göttinnen des Himmels entwickelt oder
werden wenigstens als solche verstanden, wobei wir uns nicht einmal
darauf zu berufen brauchen, dass Athene häufig Sterne am Helm oder
an der Aigis trägt, und die Volksetymologie aus Astarte andererseits
Asteria machte. Beide haben einen strengen, etwas kalten Charakter,
wenn derselbe auch bei der Urania nicht, wie bei der Athene, in
seinem weiteren Verlauf zur strengen Durchführung der Jungfräulich-
keit führte. Bei Beiden hat ihre Natur die gleiche Symbolik der
Bewafhung ergeben, mit Schild, Speer und Helm, so dass ein Üeber-
gang der einen Göttin in die andere durchaus nicht ausser dem Be-
reich der Möglichkeit liegt.
Wenn wir nun aber nach der Veranlassung zu dem Üebergang
der drei verschiedenen Göttinnen in die eine Aphrodite forschen, so
muss ein bedeutendes Mittel gewesen sein der enge Zusammenhang, in
welchen die drei boiotisch-thebischen Göttinnen zu einander traten.
Es fragt sich nur, welchergestalt das verbindende Band gewesen sein
möge. Etwa ein physischer Gedanke? wie Engel (II 363) ver-
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704 K. Tümpel:
muthen möchte.*) Wirklich denkt anch Gerhard an eine pan-
the^istische Aphrodite mit Herrschaft im Himmel (Urania), Erde (Pande-
mos) und Unterwelt (Apostrophia). Aber diese für 3 Holzbilder olmehin
etwas preeftre Auffassung ist ganz undenkbar für die Dreiheit Athene,
Thesmophoros, Erinys, die durch eine äusserliche, historisch -poli-
tische Veranlassung zusammengekommen sein muss. Und diese £Liiden
wir in der Gründung der Kadmeia durch die argivischen Kadmos-
diener, welche die Göttinnen zweier absorbirter Autochthonensiänune
an die ihre anschlössen. Eine völlige Zusammenschliessung an einander
geschah aber erst mit dem Aufgehen in der phönikischen Göttin, das
durch das enge Zusammengehen dieses Gultes mit dem Bilderdienst
den Uebergang noch mehr erleichtem mosste. Der Nachweis eines
Verkehrsweges zwischen Theben und Kjpros, auf dem der Ueber-
gang der Erinjs und Thesmophoros ermittelt worden wäre, scheint
schwer; wenigstens ist das Vorhandensein eines Halsbandes der Har-
monia, das doch zu Theben gezeigt ward, auch zu Amathus (Paus.
IX 41^ 2) kein rechter Anhaltspunkt. Dagegen scheint ein solcher
für die Urania yorhanden zu sein. Die athenische Urania *iv icr|Troic'
nämlich, dieselbe welche ^pecßuTaTT] Moipujv' heisst^ ist die angeb-
lich von A ige US gestiftete ^ dessen Wohnhaus in der Nähe gezeigt
ward (nicht die rein phönikische im Gau Melite, von welcher Pau-
sanias (I 14, 7) irrthümlich diese Nachricht erzählt: Wachsmuth^
Stadt Athen I 411). Aigeus aber ist ein Beiname des Poseidon
(0. Müller, Orch. p. 272. Derer I 238 und H. D. Müller I 146),
der als solcher der Heros Eponjmos der Aigiden ist (H. D. Müller
a. a. 0.). Diese aber sind bei ihrer Umsiedelung nach Lakonika und
Thera jedenfalls mit der kjthenschen Urania in Berührung gekom-
men und haben auf diese Weise die Verschmelzung yeranlasst. So
findet sich zu „Aigion^* am Hafen ein Tempel des Poseidon und
— der Urania statt der Tritonia^Hippia (Paus. VH 24, l). Insofern
haben also Welcker (G. GL. I 671) und Wachsmuth (Athen
I 412) einen richtigen Grundgedanken gehabt, wenn sie auf einer
echt hellenischen Aphrodite Urania bestanden; nur ist diese eben
nicht eine Aphrodite, sondern eine Pallas Tritogeneia der Aigiden,
eine alte Gattin des Aigeus, die für gewöhnlich sich an die attieehe
Athene anschloss.**) Zu einer besonderen Genugthuung muss es
uns gereichen, von einer ganz yerschiedenen Seite her mit Brandis
*) Freilich p. 56 denkt er anders; hier rückt er die flolsbilder mit-
sammt ihrer ethischen Bedeutung „in das höchste Alterthum" und
wundert sich dann über die Consequenzen seiner Ansetzung. „In der
Bedeutung, welche diese drei Holzbilder der Aphrodite OOpavta, der
himmlischen, TTdvöimoc, der irdischen, imd 'Airocrpoqpfa, der die Blut- '
schände abwehrenden, beigelegt war, müssen wir ein bedeutendes Merk-
mal der Geistesbildung erkennen, weil sie schon den Gegensatz der reinen
und unreinen oder erlaubten und nicht erlaubten Liebe ausdrücken^*.
**) Hängt das redende Symbol der ^Aigis' mit dieser Stammver-
ehnmg zusammen?
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Ares und Aphrodite. 705
lusammenzustimmen, der in seinem mehrfach citirten Aufsatz ^Ueber
die Bedeutung der 7 Thore zu Theben' im Hermes II 280 schon
1867 es ausgesprochen hat, dass ^ unter den drei uralten Schnitz-
bildem der Aphrodite zu Theben das Bild der Urania diejenige Oöttin
darstellt, der das ongkfiische Thor geweiht war'« Wir beriefen uns,
um das Aufgehen der drei yerschiedenen Göttinnen in Aphrodite zu
erklftren, auf die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der Eypris und
Eythereia, sowie auf die politische Thätigkeit der Eadmeionen, die
auch eine Art cuvoiKtc^öc in ihrer Weise war. Aber ein paar wich-
tige Parallelen werden die Thatsache noch erklärlicher erscheinen
lassen.
m. Absohnitt: Aphrodite und Ares als Metamorphose des
aoxÜBChen Gtötterpaars Erinys und Ares.
§ 26. JSnifo und die Homoloioi. Wir wollen nicht nfther ein-
gehen auf die Prazidiken, die ^Tpetc Träp6€V0i', die wir schon er-
wähnten, und die KaOapoi zu PaUantion, sondern an eine gut boio-
tische Vereinigung, die schon oben erwähnten Homolotschen Oötter,
anknüpfen. Von den weiblichen Gottheiten sind sicher wieder eine
Athene Homolols und eine Demeter Homolola. Die dritte, Enjo
Homolots hat 0. Müller (Orchom.'p. 229 undmit ihm Gerhard,
Gr. Mjth. § 604) erst aus der Legende (Suidas s. v. *0|lioXu)ioc Zeuc
und SchoL Theokr. VII 103) herausgeschält: HomoloKs, eine Prieste-
rin der Enjo, habe den Dienst des Zeus HomololCos gestiftet Hier-
durch soll nur die HomoloYsche Cultyariante des Zeus, der dieser
Göttinnendreiheit präsidirte, und das ünicum einer daraus resulti-
renden Cultverbindung mit Enyo erklärt werden. Die Enjo Homo-
lo"is darf man durch ein solches Mythologem sich nicht zerstören
lassen, wie es bei Welcker geschieht. Dieser denkt durch die Be-
aeichnung: ^etymologische Fiction' den allerdings entstellten Kern
des Mythos, und somit das ^Versehen' 0. Müllers abthun zu können
(Gr. G. L. I 706; 11 208). Ja, man hätte ein erinysartiges Wesen
nach unseren obigen Analogien yermuthen dürfen als dritte im Bunde
der Athene und Demeter, auch wenn jene Legende von der HomoloY-
Bchen Enyo uns verloren gegangen wäre. Der Anschluss an Zeus kann
uns bei der offenbar jüngeren nachepisohen Stiftung des HomoloY-
schen Dienstes nicht gross Wunder nehmen. Fanden wir doch eine
ganz analoge Gesellschaft unter Poseidon vereinigt. Es sprechen
alle Anzeichen dafür, dass die Erinys, welche hier den Platz mit
Enyo wechselt, mit dieser ursprünglich identisch sei.*) Einen ge-
. wissen Parallelismus der Entwickelung weisen sie Beide auf, indem
sie sich zu Mehrheiten von furchterregendem, hässlichem und ält-
lichem Aussehen entwickelten, den Grasten und Erinyen. Vielleicht
*) Dass Enyo nicht mit der kleinasiatischen Anattis identisch ist,
wie Schwenck (Myth. 1 226)*) wollte, ist klar.
Jahrb. f. olass. Philol. Soppl. Bd. XI. 45
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706 K. Tümpel:
liegt auch schon im Namen eine Gleichheit*) atisgedrückt. Am wich-
tigsten für imsere Frage aher ist, dass Beide in einer engen Be-
ziehung zu Ares stehen, der nach der einen yon ihnen sogar Enja*
lies heisst. Es befestigt sich hierdurch unser Vertrauen in die An-
gabe des Sophoklesscholions (Ant 126), welches von einer ehe-
lichen Verbindung derselben beiden Gottheiten berichtet, die wir auch
zu Athen am Areiopag in uralter Cultvereinigung getroffen hatten,
von Ares und Erinjs. Freilich darf die Analogie der Enyo nicht
dazu verleiten, etwa die Erinys ftlr eine bewaffnete Göttin zu halten,
wofür sich nur mit grüsster Bedingtheit der Beiname ^irroXiiropOoc'
der Ersteren in der Ilias (£ 333) geltend machen liesse. Es war also
etwas unbedacht von Härtung, dass er (Religion und Myth. d.
Griechen III 102) sagte: ^Aphrodite bei aller ihrer Weichlichkeit
verleugnet doch ihre Amazonennatur nicht, wenn sie mit einem Har-
nisch angethan inGesellschaft des AreSy als Enyo mit Enyalios, auf-
tritt'. Schliesslich sei noch als überraschende Thatsache hervorgehoben,
dass in Athen sich fast alle oben vergleichsweise zusammengest-ellten
Dreizahlen wenigstens in einzelnen Fragmenten zusammengefunden
haben, Dass jene 2 Aphroditen ein Best der thebischen Aphrodite-
dreizahl sei, vermutheten wir aus der dabeistehenden Athene, die
wir nun, sei es als Ueberlebsel oder als Rückfall in das Syatem der
drei älteren boiotischen Gottheiten bezeichnen dürfen. Drittens
fehlen aber auch dieHomololoi nicht; denn sie sind vertreten durch
Enyo; so dass sich die von uns oben (p. 657) aus anderen Gründen
vermuthete boiotische Cultstätte in und um jenen Arestempel,
in dem diese Statuen sich befinden, in umfafisender Weise bestätigt.
Die Erscheinung aber, dass um Ares sich diese verschiedenartigen Er-
innerungen schaaren, mahnt uns an die Verbindung dieses Gottes
mit der uns vor Allen wichtigen Erinys zu denken.
§ 27. Erinys TUphossa und Ares, Die Analogie der Cultver-
bindung des Ares mit der Erinys am Areiopag, sowie die Beziehungen
zur identischen Enyo genügen eigentlich schon, um das Scholion
zu S 0 p h. An ti g. 1 2 6 von der ehemaligen Verbindung des Ares mit der
*) Etwa *€plvuc aus '€p'i-€vd-c von '€vö-i£i (= lat. änu-s ■-» TP<röc;
of. H, D. Müller, Ares p. 76). Tpatai (die Dreiheit der Enyo) — „Die
Alten, Ehrwürdigen*^ «= Semnai (Mehrheit der Erinyv). Eine bestimmte
Vermathung soll nicht ausgesprochen sein, wenngleich wir die Etymo-
logie von Erinys, auch nach der von Kuhn (Zsch. I 439 ff.) versuditeii
Deutunff, der Natur seiner mythologischen Gombination halber, noch für
ein Problem halten müssen. Doch schon dturch ihren Beinamen Til-
phossa stellt sich Erinys mit der Enyo auf gleiche Linie. Denn wenn
in diesem Wort die Beziehung sn einer Quellschlucht angedeutet lag, so
hat, was Enyo betrifft, schon länger von ganz selbst&ndigem Gesichts-
punkt aus Bergk es ausgesprochen, dass diese weiblichen Appellative auf
-\b, Quellnamen sind, und Enyo sich also, wie Trito u. A. auf eine klaf-
fende Quellschlucht bezieht; wie ich erst nachträglich ersehe aus Fleck-
eisen, Jahrb. 81 (1860) p. 806" pass. ('Geburt der Athene»).
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Ares imd Aphrodite. 707
Erinys Tilphossa von aussen her zu bestfttigen. AJlein es ist noth-
wendig, dass sieh auch ans inneren Gründen seine Echtheit erweise.
Der scheinbare Mangel an solchen yerführte H. D. Müller (Myth. 11
325) zu sagen: ^Der Ares der Thraker wird Vater des Drachen, weil
Beide IJnterweltswesen sind; Erinys Tilphossa die Mntter, weil sie
anf die fEb: die Lösnng des Drachens nöthige MordsCLhne hinweisen
soll; der Name Tilphossa, an sich die Benennung einer Quelle, ist
nur eine Variation der Areia (mi-^r)), welche der Drache angeblich
bewacht haben soll'. Doch dies kann uns von einer erneuten Unter-
suchung nicht zurückschrecken, zumal er selber früher an dem my-
thologischen Werth jenes Scholions festhielt (Ares p. 22 ff.) und erst
im Philologus (XIV 127) im Gegensatz zu Stoll dieses Urtheil zurück-
zog. Mit seinen neuerdings in der Stammmythologie ausgesproche-
nen Ansichten scheint aber dieser Widerruf in Gegensatz zu stehen,
wie wir nachzuweisen gedenken.*)
Insoweit befinden wir uns mit H. D. Müller im Eiuverständniss,
dass das Symbol der Schlange die Macht bezeichnet, welche den
uniyersalen Naturgott im Winter bannt> oder ihm beim Eintritt des
*) VorauBzuBchicken ist, dass wir betreffs der Wesensbedeutang des
Ares uns an H. D. Müllers Entwickelung anschlieasen , zumal sie allein
die scheinbaren Widersprüche seines mythologischen Charakters zu er-
klären yermag, welche die neueren Mythologen zu ganz diyergirenden
AuffosBungen yeranlaBst haben (cf. Preuner in BursianB Jahresber.
1876 Vn 108). Wenngleich wir uns des Elechtes der Nachprünfng nicht
begeben werden, so müssen wir doch bekemien, dass die- mannigfach
verdammenden Becenaionen des ^Ares' trotz einzelner berechtigter Aas-
Stellungen die Richtigkeit des Grundgedankens in unserem Bewusstsein
nicht zu erschüttern vermocht haben. An H. D. Müllers Hanptgegner
Welcker selbst hat sich sein Sträuben gegen die neue AuffaBsang ge-
rächt. Während er in der Gr. Götterlehre (f 422) jenen Gelehrten wegen
seines ehthomschen resp. univeraalen Naturgottes Ares herb abgefertigt
zu haben meint, kommt er ein paar Seiten weiter selbst darauf, für
Ares eine urspr Angliche universale Bedeutung anzunehmen, in die er sich
mit einer anderen Phase seines eignen Wesens theilt. Der thrakisch-
griechische Dopi>elcult eines dualirtiBchen Sonnen- (oder Natur-)GotteB
Ares-Dionysos sei früh in zwei sich feindlich gegenüberstehende Personen
zerfallen, welche die Nacht- und Lichtseite des Naturlebens vertiilten;
bald sei er durch eine Person mit Doppelgesicht und Wechsel des Schlafs
und der Blindheit, der Verwundung u. s. w. wie des Todes und des
Lebens ausgedrückt worden. Er vergisst nur zu erwähnen: 'der Freiheit',
die er doch in der asiatischen Parallele der Anmerkung sich selbst nahe
legte: so stimmt er im Wesentlichen mit H. D. Müllers Principien über-
ein; nicht aber im Uebriffen. Denn Welcker, wie er den thrakischen
DionyBOs als einen ausscmiesslich 'leidenden' hinstellen will, übersieht
in demselben Masse die chthonischen Charakterzüge im Ares, die gerade
H. D.^ Müller hervorhebt und an die Spitze stellt. Zodem können Ares
und Dionysos überhaupt niemals eins gewesen sein, da sie in Theben,
wo Beide ziemlich alt sind, sich sogar gegenseitig ausweichen, — niemals
aber in Griechenland wirklich dergestalt in gegensätzlicher Eonheit stehen,
dass der eine 'Wasser und Leben', der andre 'Erstarrung und Winter'
wSre (G. GL. II 688).
D#z*dby Google
708 K. Tfimpel:
Frühlings unterliegt; und dass bei einer Zweitheilung dieses Gottes
die Schlange zum Thiersymbol seiner chthonischen Phase wird, wie
auch der Wolf, der Hund u. s. w. Diese Thatsache ist von H. D.
Müller selbst theoretisch begründet und praktisch gehandhabt wor-
den (Myth. IT 321). Es fragt sich nur, zu welchem Gott das Dracben-
sjmbol zu Theben in jenem Verhältniss gegensätzlicher Einheit steht
Müller antwortet: ^zuEadmos', also der Argiverreligion; und gründet
darauf eine rein mythisch-symbolische Deutung der gesammten an
Eadmos angeknüpften Drachensage, welche ihn zu den gewagtesten
Voraussetzungen von Cultgebrfiuchen nöthigt, und doch selbst nicht
recht befriedigt. Oder sollte, da er den Stier (und die Kuh) als
das durchgehende Thiersymbol der argivischen Eadmos- (Hermes-
Argos-) und Demeter- (Europa- lo- Pasipha6-)Religion nachgewiesen
hat (Myth. II, Band 2), nicht der Drache daneben sehr aaffällig
erscheinen?*) Zumal dieser nur in den beiden Mythen yon Eadmos
und lason vorkommt, die gerade starke Elemente des fremden Ares-
dienstes aufgenommen haben nach seinem eigenen Gestftndniss ? Ja,
im lason-Hermesmythos ist er sogar ganz deutlich störend and
überflüssig: denn hier kreuzt sich das chthonische Thiersymbol des
Ares, der Drache, mit demjenigen der lason-Hermesreligion , den
'raöpoi xciXKÖnobec*) cuv ttgXXuj nupl öpjirjcavTec' (Apollodoros 1
9, 23), *o1 qpXöt' dird Havöäv T€Vuu)V Tivtov Kaio^i^voio nupöc* ktX.
(Pindar Pyth. 225 (Christ); cf. ApoUonios Rh. Arg. 10 420), welche
zugleich mit jenem das goldene Vliess bewachen und vertheidigen.
Und in diesem Falle erblickt H. D. MüUer selbst eine Verschmelzung
der argivischen Unterwelt Aia (Myth. 11 342 ff.) mit dem chtho-
nischen Jenseits der Aresreügion, der *vficoc *ApT]Tidc', welche mit
dem %€biov 'Aprjiov' und *V€iov' oder ^fiXcoc ''Aprioc' identisch ist,
nur dass sie nicht, wie die Letzteren, spielend auf Grund der gleichen
Bedeutung mit Aia zusammengeworfen ist (Ares 114). Dass auf
der Insel Aretias, die im Mythos noch deutlich von Aia local ge-
trennt erscheint, kein Drache erwähnt wird, will nichts bedeuten.
Er ist hier vertreten durch den die Insel nach aussen abschliessen-
den Wasserring, der, wie die stygische Flut den Tartaros umschlingt,
so hier das Todesreich als Eiland yom Erdenleben trennt (fi. D.
Müller, Myth. II 49), Ein- und Ausgang vertheidigend; die Insel
vom Wasserarm umflossen entspricht allein schon dem Hain oder
Gefilde mit Schlange. Eine mythische Bestätigung der Identität
von sich schlängelndem Wasserarm und Schlange (Laden) wird uns
noch begegnen. Wie nun aber im Argonautenmythos Aresinsel und
Land Aia als zwei verschiedene Lokalitäten erscheinen, so sind auch
*) Den Schlangenstab hat Henues erst sp&t in der Kunst (Preller,
G. M. I« 819).
**) Cf. den 'öpdiojjv KardxoXKOc' (Eurip. Iph. Taur. 1210) und die
ehernen 'edXajJioi' unten p. 711*).
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Ares und Aphrodite. 709
Ares und Aietes, der Drache des Ares und die Stiere, welche aus-
drücklich als Besitzthum des Aietes gelten, sich parallel laufende
Elemente zweier verschiedenen Religionen. — Ebenso verhält es sich
mit dem Drachen der Eadmossage, der nach H. D. Müller eben-
ÜEdls nicht der Aresreligion, sondern der argivischen des Eadmos-
Hermes angehören solL Hierüber urtheilt er selbst: „Auffallen kann
es hierbei nur, dass Eadmos in dem Mythos in gar keine nähere
Beziehung zum Drachen gesetzt wird . . . Aber (fährt er fort) es hat
sich doch eine Spur erhalten, aus welcher hervorgeht, dass der Drache
den Personen des Mythos näher steht, als die gewöhnliche Erzählung
vermuthen lässt" (H 322). Er meint die Angabe des Derkylos
beim Scholiast zu Eurip. Phoen. 7 (Ddf. IH 35, 18 flF.): 'AepKuXoc
Gilßaiou Tivöc ApdKOVToc Toövojia, ßaciX^iwc bk Orjßaiiwv, cpnciv
etvai Tnv *Apfioviav dutat^pa, 8v q)oveücac Kdbfioc lT*m€v
'ApjLioviav'. Aber dieser euhemeristische Bericht zerreisst gerade
den Zusammenhang zwischen Eadmos und dem vermenschlichten
bpaKU)Vy der hier als Yater der Harmonia deutlich genug den Ares
vertritt, nicht aber den Eadmos; denn dieser heisst nie Vater, son-
dern stets Gatte der Harmonia. Werden hier Ares und der Drache in
unbewusst richtiger Erkenntniss identificirt, so tritt die urechte Zu-
sammengehörigkeit Beider in einem anderen euhemeristischen Bericht
von Palaiphatos (c. YL Westermann, Mythographi p. 276, 4), wo
ein ^ApdKiuv ""Apewc iraic' von SLadmos getödtet wird, nicht minder
deutlich zu Tage. Denn genealogische Verknüpfung in directer Linie
ist ja nach H. D. Müller (Myth. H 95) eine beliebte mythische Um-
schreibung der Identität zweier Wesen. Schliesst sich somit der
Drache eng an Ares an, so kann auch der Drachenkampf, als ein
unstreitig natursymbolischer Mythos, nicht zum £[admos gehören.
Erst durch den Hinzutritt eines historischen Ereignisses, die Occupi-
rung der Arescultstätten durch siegreich eindringende Eadmeionen,
deren Gott in die sommerlich-herrliche Phase der alten eingeborenen
Gottheit einrückt, erleidet der Mythos eine TTmdeutung im historischen
Sinne. Ein alljährlich sich wiederholendes Naturereigniss verdichtet
sich zu einem einmaligen historischen, dessen Gedächtnissfeier zu
begehen man sich einbildet, wie aus dem Deukalionmythos von dem
allwinterlich hereinbrechenden *X€iMiajv'*) die Sage von einer grossen
historischen Sinflut wurde: und so wird aus dem Sommergott, der
den Wintergott zu Frühlingsanfang besiegt, ein Culturheros als
Repräsentant des einen Stammes, der in dem anderen die Schrecken
der Wildniss und eines rauhen Zeitalters vernichtet. Der Gott der
Besiegten aber lebt nur als böses Princip fort und Vird zxu: Erinne-
rung an das denkwürdige Ereigniss al^'ährlich in seinem Thiersymbol
vernichtet, nachdem seine sommerlichen Functionen an den sieg-
reichen Eindringling übergegangen sind. — Bevor wir uns zum
*) H. D. Müller, Myth. I 192; Preller, Dem. u. Per», p. 229.
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710 K. Tümpel:
EadmosmythoB zurückwenden, ist es nöthig, dass wir das'areYsche
Drachensymbol weiter verfolgen.
Wir haben oben gesehen, wie die Erinys dnrch ihren Namen
Tilphossa sich an Erdschluchten, Höhlen und Klüfte ansohliesst,
die mit einer Quelle in Verbindung zu stehen pflegen. Die letztere
wird zuweilen mit dem Namen der Göttin benannt, also: Delpbusa
oder Tilphossa; ebenso hftufig aber führt das Wasser, an dem sich
ihre Verehrung festgesetzt hat, einen anderen Namen, den Bursian,
bei seiner Aufzählung der in Boiotien und Arkadien gleichmSssig
vorkommenden Localnamen übersehen hat (Or. Geogr. II 259^),
nttmlich Ladon, wie StoU (Ares p. 5) gezeigt hat. Denn za Thel-
pusa in Arkadien sprang unweit des Onkeions, auf dem das Heiüg-
thum der ^Demeter-Erinys' lag, der Ladon wieder hervor, der sich
an einer anderen Stelle in der Erde verloren hatte (Paus. VIII 20, l),
und als Vater der Telphusa («» Thelpusa) galt, nach Stephanus Byz.
(s. V. T^Xq>ouca); und zu Theben soll nach Tansanias (IX 10, 5)
derselbe Ismen osfluss früher Ladon geheissen haben, der nach
derselben Stelle an seinem Quellenursprung auch 'Api^Tidc SchoL
zu Aisch. Septem adv. Theb. 106. ApolL Ehod. HI 1179).
oder 'Apeia TiiiTn (Schol. Eur. Phoen. 660. Ddf. HI 185, 13) ge-
heissen haben muss.*) Wie wir nun hiemach in Theben eine An-
wesenheit der Tilphossa-Erinys vermuthen müssen, so dürfen wir
doch den Ladon nicht mit ihr allein in Verbindung bringen; viel-
mehr musB, wie schon H. D. Müller (Ares p« 25) erkannt hat, nach
Analogie des Drachen Ladon, der die goldenen Heeperidenäpfel be-
wachte (wie der Aresdrache das goldene Vliess), auch in unserem
Ladon ein Drache stecken, und zwar der des Ares, mit dessen
*) Ismenos ist ein erst aus der semitischen Colonisation stammen-
der Name, wie seine genealogische Verknüpf ang mit Amphion nnd
Niobe (Unger, Parad. 182 f.) und das durch astronomische Symbolik
orientalische Daphnephorieiäest des ApoUon Ismenios zeigt (0. Müller,
Orch.' 216). So ist auch in Arkadien jene die semitische Colonisation
voranssetzende (Hehn) Daphne (Unger 135 a. a. 0.) an die aJteinheimi-
Bchen Ladon und Qaia (=» Erinys?) angekindet, also das Spätere. Mit
der Angabe des Paueanias, welche Areia und Laden deutlich als Quellen
desselben Flusses bezeichnet, stimmt nicht überein Euripides. Doch sucht
Unger auf Gmnd und nach Art der einseitig hermeneutisch verfahren-
den Scholiasten (zu Eurip.) die widersprechenden Angaben zu vereinigen
(p. 103 ff. 138 ff.), indem er sich eine Topographie constmirt, die in Wirk-
lichkeit nach dem Terrain unmöglich ist (Ismenos xmd Dirke ans einer
Quelle Dirke entspringend). Auf eine Vereinigung von Pausanias und
Euripides mnss verzichtet werden. Ulrichs (Reise 1840, mir nicht
zuglGiglich) verwirft; darum lieber Paasanias, wie es scheint, resp. inter-
pretirt ihn künstlich^ indem er die Areia in die Dirke münden lässt,
statfc in den Ismenos (cf. Plan in Hermes II). Bursian dagegen (C^eogr.
V. Griech. I 226* cf. Taf. IV) l&sst zwar die Controverse unentscldeden.
gibt aber zu verstehen, dass er sich lieber an die von Pausanias gegebene
Ueberlieferauff halte, was auch wir thmi müssen, wenn uns nicht % ran -
dis' Vorwurf treffen soll, dass ¥rir 'den Dichter (Euripides) als Perie-
geten, den Periegeten aber als Dichter behandeln'.
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Ares und Aphrodite. 711
Quelle er identisch war. Wir würden also hier das oben gewünschte
Zusanunentrefifen von Fluss (Ladon »= Areia) und Drache (Ladon =
''Apcwc bpäKU)v) haben, vorausgesetzt, dass sich eine gemeinsame
Beziehung Beider zu einer Unterwelt nachweisen Hesse, die hier,
etwa wie in Thelpusa an einer Erdschlucht localisirt sein piüsste.
Und hierfür fehlt der Kachweis nicht. Denn dass man sich die Ajres-
quelle als mit einem X^^c^a in Verbindung stehend dachte, wie wir es
als Lieblingsst&tte der Erinys kennen lernten, zeigt die Beschreibung
des Teiresias bei Euripides (Phoen. 930), wo sie genannt wird:
*0dXa^ai, oö bpciKUJV 6 T1T€vf|C
dfeveTO AipKTic vajidTUiV iTricKOTioc'.
Denn OaXdjiii bezeichnet wie OdXojLioc eine dunkle, licht-
leere Kammer, ein Yerliess'^), und gilt in mythischer Symbolik
als beliebter Ausdruck für die Unterwelt. Auch in den Kunstdar-
stellungen mit dem Drachenkampf des Kadmos ist die Grotte stets
stark hervorgehoben (Welcker, Alte Denkm&ler III 388), die doch
unbedingt als Unterweltseingang gedacht ist. Als selbstverständlich
erscheint nun eine Genealogie, wie die des Hesiod (Theog. 333),
welche den Ladon mit lauter chthonischen Wesen : Gorgonen, Graben
(Enyo ?); nach Euphorien (Frg. 52) auch Ehnyen von Phorkys abstam-
men lässt, dem ctutvov ubwp der Unterwelt (Joh. Stobaios 62 p. 399.
cf. 0. Müller, Ordiom.* 149)^). Fragen wir aber nun, zu welchem
Gott dieses Draohensymbol des Ladon gehört habe, das sich bei der
Erinys • Thelpusa Arkadiens und der Drachenschlucht in Theben
findet — denn zu einer mftnnlichen Gottheit muss auch das männ-
liche Thiersymbol gehört haben**) , — so braucht der Name kaum
mehr genannt zu werden: es ist Ares: und die chthonische Natur
seines Cultortes wird wohl in dem bis jetzt (wie derjenige Letos
und Lethes) unerklärlichen Namen seines Draehens einen Ausdruck
erhalten haben. In dieser thebischen Localisirung der Unterwelt
Aretias mit Schlange und Quelle liegt also die Bürgschaft für eine
höhere Einheit der beiden in der Argonautik erhaltenen Phasen der
ideellen Unierwelt des Mythos, der wass er umflossenen Ins el Aretias
und des schlangenbewachten Areshaines.
Was nun aber das Wichtigste ist: es hat sich auf diesem Um-
wege die Echtheit des Sophoklesscholions, welches Ares und Erinys
*) Z. B. aus Soph. (Antig. 946) geht die unterirdische Natur dieses
Locals schon hervor: ' x<*^»^c6eTolc aöXottc Kpuirro|üi^a ö' iv TUfißfj-
p€i eaXd|i4J KareJcüxOii ' [cf. *edXa|iov uoiö xc^»<cOv Karä yflc': Phere-
kydes. 'öttö yflv 9dXa|üiov KaracKCudcai xciXkoCv* : ApollodorOB Aisch. Pers.
916: 'OaXdjiOUC öirö Tflc'- Verfl^. Aen. VI280: 'ferreique Eamenidum tha-
lami']. So hat auch H. D. Müller, dem wir diesen Hinweis TCrdanken,
schon im Ares (46) den OdXa^oc, in dem Dana3 gefangen gesetzt und
yergraben wird, als einen chthonischen Aufenthaltsort erkannt, der die
Unterwelt selbst bezeichnet.
**) Aus demselben Grunde gehört Areion echt nur zu Poseidon,
nicht zu Erinys.
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712 K. Tümpel:
als Götierpaar und den Drachen als ihren Sprössling hinstellt, yon
neuem bewährt Diese Genealogie yerknüpft nur durch Blutsbande,
was mythologisch echt zusammengehört^ und ist noch einmal er-
halten in dem Scholion: ^dTTCibfJTrep Ik ffic Kai ''Apeuic ö bpäxuiv
?iv' (Dindorf III 255, 14), mit welchem sonderbarer Weise das rein
poetische Beiwort ^TflT^vrjc' des Aresdrachens bei Euripides (Phoen.
937) erklärt wird. Vielleicht ist auch nur die begriffliche Potenz
der Gaia an Stelle der Erinjs getreten, wie bei Antimachos (Paus.
Vin 25 , 9) , der auch als Mutter der Poseidonischen Areion statt
der Erinys (SchoL IL Y 346) die Ge nennt — Aus der nun erwie-
senen Zusammengehörigkeit des Ares- und des Erinyscultes er-
klärt sich nun auch, wie der Granatapfelbaum, welcher nach Pausa-
nias (IX 251) auf dem Grabmal des dem Ares geopferten Menoikeus*)
stand, nach Philostratos (Imaginesp. 432) Angabe fOr von den Eriny en
gepflanzt gelten konnte. Der the bische Muttercult des athenischen
am Areiopag bestehenden hat sich somit, wie erwartet, gefunden.
Freilich fehlte dort der Drache; doch lebte er fort in den ^bpaKOVT-
uibcic KÖpai' (Erinyen) z. B. des Euripides, die man seit Aischylos
mit Schlangenhaar zu denken gewohnt war (Pans. I 29, 6).
§ 28. Die aonische CuUgememde, Es ist jetzt an der Zeit, zu
fragen, welchem Stamme der Aresdienst angehört habe. Eadmisch
ist er nicht (wie nur StoU annimmt). Dagegen muss er einem Volks-
Clement angehören, mit dem die Kadmeionen in Gegensatz treten,
und das doch in das neue Gemeindewesen mit hinüberging: denn
sonst wäre der Arescult zu Theben nicht chthonisirt und doch bis
in so späte Zeit erhalten worden. Hier that uns gute Dienste ein
Bericht des Pausanias. Er fiKhrt an der schon oben zum Theil
citirten Stelle fort (IX 5, 1): ^^coiKicacBai öfe juetd touc "EKTTivac
U Tf|v x^pav Tavrac Kai *Aovac, BoiuiTia ijLioi boxeiv t^vii, xai
ouK ^TTTiXObuiv dvGptwTTUiv. Kdb|iou bfe Ktti Tflc 0oiv(kiuv crpccTiac
dTTCXGcOcnC jüldxij JLlfeV VlKTl9^VT€C ol )Lltv*TaVT€C iC Tf|V VUKra Tf|V
dTr€pxo)Li^viiv ^KbibpdcKOuci, ToucWAovac ö Kdbjioc t€VO|üI€Vouc
iK^Tttc KQTa^civai Kai dva|iix9fivai'. Es ist klar, dass das
*viKii9evT€c' sich auf die Äonen mitbezieht, da ja auch die lK€da
sich sonst nicht recht begreifen liesse. Wenn wir das PhOnikerthum
des Kadmos und das nicht massgebliche ^^juoi boKCiv' mit Gefolge
abrechnen ; haben wir hier eine vortreffliche historische Notiz. Die
Äonen und Hyanten sitzen im Land, als Kadmos ankommt; die letz-
teren werden besiegt imd verschwinden, offenbar ohn^ einen Einfiass
auf die Kadmeionen und ihre Beligion ausüben zu können; die Äonen
aber, die ebenfalls unterliegen, werden in ihren übriggebliebenen
Besten auf ihre Bitte verschont**) und in das neue Gemeindeweeen
*) Philostrat a. a. 0. nennt, wohl nur aus Versehen, den EteoUes.
**) ÜebereinstimmeDd damit sagt der sonst mit Misstrauen anlku-
nehmeode Nonnos (Dionys. V 48): 'koI crparöc dvrißiuiv Ik^tiic ^kXC-
v€To Kdbfjiqj'y n&mlich der Äonen: 'Kdö^oc — 'Aovi Hdpvaro Xa4)
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Ares und Aphrodite. 713
hertlbergenommen , womit eine nur einschränkende Anerkeniiung
ihrer Gottheiten bei dem toleranten und pietStvoUen Sinn der Hellenen
selbstverstftndlich verbunden ist. Die beiden Beligionssyeteme wer-
den in Einklang gebracht und zwar mythologisch.
Diesen Vorgang nun können wir deutlich yerfolgen am Eadmos-
mythos, der uns hier besonders interessant wird, da er eine yoU-
stftndige mythologische Parallele zu dem eben besprochenen hi-
storischen Zeugniss bildet, und die gleiche Thatsache, die dort
nackt thatsSchlich erzfthlt wurde, durch eine in mythologische Bilder-
sprache gehtOlte Wiedergabe bestätigt: Kadmos, als heroltscher oder
göttlicher Vertreter der Kadmeionen, vernichtet die Selbständigkeit
des einheimisch vorgefundenen Stammes der Aresverehrer, indem er
deren sterbliches religiöses Symbol, den Aresdrachen, überwindet
Soweit ist der Mythos noch Dogma, freilich ein geschichtlich ver-
wandeltes. Historischer Mythos aber ist, dass die Söhne dieses
Drachens in Folge jenes Ereignisses aufgerieben werden, dass 5 von
ihnen üebriggebliebene sich unterwerfen und in die neue Gemeinde
mit aufgenommen werden, ganz wie die Äonen (^T€VO)li^vouc
iK^Tttc KarajicTvai — dva)Liix6f]vai').
Als Name dieser Drachensöhne erscheint ^CTrapToi' *(die
Leute 'von Geburt'; cireipeiv «= T^vvav); er wird durch einen ety-
mologischen Mythos, unter Anknüpfung an den Drachen, erklärt:
als ob sie aus den gesäeten Zähnen des Drachens als wehrhafte
Mannen entsprossen seien, und dieses selbständige Element mit in
die Eadmossage hineingearbeitet, so dass Kadmos derjenige ist, der
die Zähne sät. Man könnte (wie H. D. Müller gethan hat) aus
dem umstand, dass dieses ganze Ereigniss sich bei lasen wiederholt,
den Schluss machen: es müssten hier mythisch -symbolische An-
schauungen und nicht historische zu Grunde liegen. Aber dort er-
scheint dieser Tbeil als ein fremdes Flickstttck: durch Auslassung
des Namens der Sparten für die ans den Zähnen aufspriessenden
Männer ist die im Eadmosmythos so klar liegende etymologische
Grundtendenz in der Argonautik verwischt. Auch rühren die Zähne
nicht, wie es natürlich wäre, von dem kolchischen Drachen her,
mit dem sie auffallend genug ganz ausser Beziehung stehen; selbst
von Herodoros, der den kolchischen Drachen von lason getödtet
werden lässt (Schol. Apoll. Bh. FV 87) wird nicht gesagt, dass er
die Zähne von diesem hergeleitet habe, — dies wäre auch aus dem
Grunde äusserst unwahrscheinlich , weil die IJeberwindung des das
Vliess bewachenden Drachens inmier als letzte Arbeit dem Einackern
der Drachensaat folgt. Vielmehr sagen ApoUodoros sowohl (1 9, 23),
vrie Apollonios Bhod. (IQ 11 77 ff.), die beiden ältesten Quellen hier-
Bdpßapov d|!iti[iuiv crdxviv "Apcoc..'. Er hat offenbar, wie sich des
weiteren zeigen wird, hier nach seiner sonstigen Gewohnheit alezandri-
nische Muster benutit.
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714 K. Tümpel:
für, ausdrücklich, dass diese Zfthne voii dem thebiBchen Drachen
des Ares stammen (was schon Pherekjdes so ausgleicht, dass er
sagt, sie seien Eadmos und Aietes zu gleichen Theilen von Ares ge-
schenkt worden). Es gab eben Sparten nur zu Theben, wo sie histo-
risch sind, vielleicht das Bild des Drachen tätowirt auf der Brust
trugen (nach Euripides [Antig.] bei Hygin) und noch in spftterer
Zeit dem Ares Menschenopfer bringen. Wenigstens wird Menoi-
keus*), der sich beim Zug der Sieben gegen Theben als Opfer des
Ares in dessen Drachenschlucht stürzt, ausdrücklich aus dem Ge-
schlecht der Sparten ausgewählt. Sein Vater oder (nach Paus. IX
5, 6) Sohn Kreon (Philostr. Imag. p. 383) erscheint bei Hjgin
(Fab. VI) sogar als sechster Sparte**) neben den Udaios, Pelor,
Uyperainor, Chthonios und Echion; und mit Kreons Sohn Haimon
soll der letzte (mit Kadmeionenblut) unyermischte Spross des Spar-
tengeschlechtes ausgestorben sein, woraus sich ihr Nichtyorkommen
in historischer Zeit erklärt So werden sie deutlich von den Kad-
meionen geschieden, mit denen sie erst Euripides confundirt hatl
Diodor gibt noch richtig, wenn auch unter Schwanken über die An-
sässigkeit der in Frage kommenden Stämme den historischen Gehalt
des Kadmosmythos wieder, wenn er (Bibl. XIX 53, 4) sagt: ^ojv-
f\\Bev in* auTf|v (Kab^eiav) Xdoc, 5v xivfec jutv CitapTÖv irpoc-
rjYÖpeucav b\ä xö TravraxöGev cuvaxOfivai, xivfec bk 6nßaT6vfi
biet xö xf|v dpxnv ^K rf\c Tipoeipim^vnc TiöXeuic övxa ... ^xireceiv
KxX.^ Hier steht Cnapxoi gradezu an Statt der "'Aovec, so dass wir
beide Namen als Bezeichnungen desselben Stammes in Anspruch
nehmen, der nach der historischer üeberlieferung als Äonen, nach
mythischer als Spartenvolk mit den Kadmeionen in einen unglück-
lichen £[ampf terwickelt wird. Vielleicht ist eine Spur von der
Identität der Äonen und Sparten noch erhalten in dem Bericht des
Pausanias ^xoTc ji^v ''Aoci Kaxä Kub^ac £xi fjcav a\ olKrjceic' (a.&0.),
wozu man vergleiche Herakleitos (de incredibilibus XIX p. 75)
^Kab^ioc xouc CTTopdbiiv olKoOvxac eic hf cv}ff\faf€V% was ganz
den Eindruck einer versuchten Etymologie von ^Cira-pxoi' macht,
aber doch auch auf thatsächliche Verhältnisse zurückgehen kann
(Thukyd. I 5). Wäre noch eine Bestätigung dafür nöthig, dass der
Ares- und somit auch der Erinyscult den Äonen angehörte, so würde
diese in der häufigen und, wie es scheint, typischen Bezeidmung des
Aresdrachens als ^aonisch' liegen. Apollonios Rh. nennt an der
oben citirten Stelle (Arg. III 1178) die öbövxac
**Aovioio bpdKovxoc, 8v 'OrurtiT ivi Gripq
KdbjLioc, dx' 6öpuiTniv biHrjfüievoc €icaq)iKav€,
TT^<pv€V *ApTixidbi Kpt^vq dmoupov Wvxa'
*) Ein mythisches Prototyp iener O^fer, wie O. Müller (Eume-
niden p. 174^) gezeigt hat; und vielleicht eme Herolsknng dftr sommer-
lichen Phase des sonst winterlich-chthonischen Ares.
**) cf. Timagoras bei SchoL Eur. Phoen. 670 (042).
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Ares und Aphrodite. 715
Da Apollomos dieses Ethnikon sonst nirgends in Oebrauch hat, so
mnss es an dieser Stelle seine «gute Begründung haben und auf ge-
lehrter Quellenkeontniss basiren« Das möglicherweise sehr spttte
Schollen zu dieser Stelle: ^'Aöviov bi q>r)Ci bpäKOvra töv ßoiWTiKÖv'
rechnet mit Anschauungen, wie sie erst bei römischen Dichtem auf-
treten; oder aber — was wahrscheinlicher ist — es will bei seiner
Erklärung gar nicht einmal Identität des Inhalts beider Begriffe be-
haupten. Denn die aonische Ebene (*äöviov ttebiov') lag zwar spe-
cieU bei Theben (Strabon IX p. 412), aber doch immerhin in Boi*
otien. Offenbar im Anschluss an Apollonios nennt femer Nonnos
(Dionys. II 673) den Kadmos: *'Aovioio bpdKOVTOC dvavriov
6)Li)Lia TiT/jvac'.*) Ebenfalls hierher gehörig ist das Fragment des
Kallimachos 436: ^äpOTOC Ku^aroc äoviou', das man mit ^Durch-
furcher der aonischen Woge' zu übersetzen liebt. Was soll das für
ein Gewässer sein, auch wenn man gar wieder ^Boiotien' zu Hilfe
nehmen wollte? Und dies wird nicht erlaubt sein, da die einzige
sonstige Spur dieses Wortes bei Kallimachos ganz specieU thebische
Gesichtskreise angeht. Denn die im Hymnos auf Dolos (25 ff.) er-
wähnte Quelle ^Aonie' erscheint in engstem Zusammenhang mit den
ganz thebischen Bächen Dirke, Ismenos und Strophie. Davon ist
aber keiner schiffbar. Wir yerstehen also ^dpOTrjp' eigentlich und
denken an lason, der den Namen ^Pflflger' sehr wohl tragen konnte,
— vorausgesetzt, dass man *KÖ^a' nicht mit *Woge' übersetzt,
sondern mit ^Brut' (wie ^cräxuc ''Apewc'). Dann ist die ^aonische
Bmt', welche lason ackernd erzeugt, das erzgepanzerte Geschlecht
des *dövioc bpdKWv', die Sparten.**)
§ 29. Hannoma, Wir machten oben Aussicht, dass die Ver-
schmelzung des aonischen und kadmisohen Beligionssystems sich
noch verfolgen lassen werde. Suchen wir den springenden Punkt.
H. D. Müller hat uns gelehrt (St.-Myth. I 145), dass *in solchen
Fällen (wo eine Berührung zweier verschiedener Stämme eintritt)
gewöhnlich weibliche Mittelglieder einzutreten pflegen', natürlich um
die Stammgottheiten genealogisch zu verknüpfen. ^Soll z.B. gesagt
werden, dass ein Yolk mit einem andern zu einem Ganzen Ver-
schmilzt, so fasst der Mythos dies sjrmbolisch als Yerheirathung
eines männlichen und eines weiblichen Individuums' (II 11 vgl. I
221 f.). So fragen wir auch hier nach dem weiblichen Mittelglied
in der Genealogie, welche Ares- und Eadmosreligion verknüpft Dies
ist Harmonia, welche als Gattin des siegreich eindringenden kad-
mischen Stammheros Kadmos doch zugleich rückwärts als Tochter
an den Gott der unterliegenden Äonen angeknüpft ist, den Ares.
*) So liest mit Recht Valckenaer (zu Eur. Phoen. 646; p. 247)
statt der ganz widerBinnigen Vulgata ^Oi}pavio\o' (^övioio' misBverständ-
lich als Compendium gefasat, cf. Uoger, Th. Parad. p. 419).
**) Im übrigen vergleiche über die Äonen in Theben den b weiten
Ezcurs!
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716 K. Tümpel:
Aber auch eine Mutter muss sie gehabt haben, nattlrlich die Gattin
des Ares; aber hier erscheint statt der Erinys plötzlich unerwartet
die Aphrodite und bestätigt so ausdrücklich, dass diese nur eine
Metamorphose der Erinjs ist: eine Aphrodite-Erinjs, "die dem
letzteren Theil ihres Namens ihre eheliche Verbindung mit Areb
verdankt. Die Aphrodite-Erinjs selbst konnte nicht mit EladmoB yerhei-
rathet werden, da sie dem Ares yerbleiben musste, und so schuf der
Mythos an ihrer Statt die heirathsflihige Hannonia ihr zum Bilde
(cf. die Aphrodite Harma in Delphi; Plut. Amator. XXTTI). Die Freude
aber, welche sogar die Götter über das gelungene Einigungswerk em-
pfinden, spricht sich aus in ihrem Besuch auf der Hochzeit der Hannonia
mit Eadmos, welche als die Friedensfeier nach dem historisch Terwen-
deten blutigen Drachenkampf dargestellt wird, und die Versöhnung
mit den Drachensöhnen symbolisirt. Dieses selbe Verh^tniss scheint
auch ihr versöhnlich klingender Name auszudrücken, mögen wir uvl
an die eheliche Vereinigung, welche das Mittel zu jenem Zweck war,
oder an die politische üebereinkunfi; denken, oder daran, dass ihr
Wesen mit Demeter Thesmophoros und Aphrodite gleichmSssig An-
knüpfungspunkte darbietet. Somit hat sich bestätigt, was Engel
ahnte, dass *die beiden göttlichen Herrscherpaare in Theben Ter-
schiedenen Volksstftmmen angehörten und die Sage Beide wieder acf
die Weise verbunden habe, dass die Gemahlin des Eadmos eine
Tochter des filteren Paares, des Ares und der Aphrodite, wird*
(Eypros 11 54). '^) Und wie vor Eadmos Ares, so muss vor Demeter
sich Erinys auf die chthonische Seite beschrftnken, welche dann
in der kyprischen Aphrodite wiedergefunden wird. Denn auch diese
wird ja im Pygmalionmythos in ganz ohthonischer Weise gebannt
(Ovid. Met. X 243 ff.) und verfiLlIt einer richtigen winterlichen Erstar-
rung. Und erst im Frühling erw&rmt Baal-Pygmalion (als Bild-
hauer) die versteinerte Aphrodite (als Natur) zum Hieros Games
(Preller, 6r. Myth. I' 275). Wegen unserer Deutung vergleiche man
die Erstarrung des Daphnis zu Stein, die bei ihm mit unbedingt
ohthonischer Blendung wechselt (Schol. Theokr. VIII 93. Servias
und Philargyrus zu Verg. EcL V 20). Wir glauben nun auch bei
der Aphrodite die tieferen Beziehungen aufgefunden zu haben, die
sie mit der £[admossage verbinden, und die H. D. MüUer (II 319),
wie für die Athene, leugnete. — Sind aber auch topische Anknüpfungen
der Aphrodite-Erinys in Theben nachweisbar? Schwerlich; wenigstens
scheinen sie bei dem sich vervielfachenden Namen der Erinys verblie-
ben zu sein. Das Soholionbei Hesych: ^AaöuJT€vf|C f) *A9pobiTii,
ÖTi ^m xqj iy 'Apnabiqi noTami» Adbuivi ifivvijßrf (M. Schmidt mit
*) An bcBtimmte vorkadmische Stamnmamen knüpfte auch versuchB-
weise Stell (Ares p. 28)"^) die Aresreligion an; doch warf er die Äonen
mit Hektenen, Hyanten u. s. w. zusammen und hielt die Sparten gar
für einen dem Ares feindlichen, Werhassten' (p. 21), mit den udmeionen
einwandernden (p. 28), also jüngeren Stamm.
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Are« und Aphrodite. 717
Mnsnras statt ^y^wncev) bezieht sich wirklich auf den arkadischen
Ladon Paus. VIII 25, 1). Auch die Quelle Strophie^ welche EaUi-
machos (hym. in Delum 76) mit Dirke, Ismenos, Asopos und Aonie,
also thebischen Flüssen, erwfthnt, wird mit Apostrophia keinen Zu-
sammenhang haben. Machen wir nun kurz die Probe auf unser
Exempel, so mttssten sich, wenn Ares- und Erinjsdienst an den
aonischen Stamm angeknüpft ist, in Attika Spuren dieses Stam-
mes nachweisen lassen, und wirklich sind nach Philochoros (bei
Strabon IX 397) Äonen aus Böotien in Attika einge£Etllen (%op6ou-
^lyn\c Ti\c xuipac ix yf^c \mö Boiuitujv, oBc ^k&Xouv "Aovac*);
angeblich unter Kekrops, also in vorhistorischer Zeit Wir können
also getrost voraussetzen, dass solcher Zug in der Wanderzeit der
Stftmme, wo es sich um Landbesitz handelte, nicht vorübergegangen
ist, ohne in Ansiedelungen Spuren zu hinterlassen, namentlich wenn
er so siegreich verlftuft, wie allem Anschein nach dieser aonisohe.
Suchen wir unsere Kenntniss von den Äonen durch weitere Notizen
noch etwas zu vervollständigen, so finden wir eine solche in dem
Bericht des Antoninus Liberalis (Transformationes XXV) nach Nikan-
dros (**6t€P010u^^vujv b") und Eorinna (^drcpoiwv a") (Wester-
mann, Mjthographi p. 224 ff.). Lassen wir die Ausschmückungen
der Legende beiseite, so erscheinen als Stifter eines Cults der beiden
^Eriounioi'*) die Äonen. Mit jenen Gottheiten fallen offenbar so
oder so zusammen die ^Eoronides', welche anlttsslich dieses Er-
eignisses, der Cultstiftung zur Rettung aus Pestnoth, göttlich ver-
ehrt sein sollen, weil sie sich freiwillig zum Opfer geboten. Als in-
tellectueller Urheber fungirt ein Apollon Oortynios, offenbar, wie
auch 0. Müller zu diesem Mythos bemerkt (Orchom.' p. 195), ein
Asklepios, wie der Gortynios zu Titane bei Sikyon (Paus. II 11, 8),
der sich zu der gedoppelten Eoronis in bekannter Weise als Par-
hedros stellt. Asklepios aber, wie Eoronis haben Schlangen-
symbol und wohnen in ^\iifapa* und ^ßöGpoi', unterirdischen Höhlen
mit kalten Quellen, genau wie Ares und Tilphossa-Erinys in den
Quellschluohten. Asklepios war selbstverständlich nicht immer
Heilgott) wie Ares auch nicht Eriegsgott; nur die Cultstätten bleiben
unverändert und bezeugen Stammverwandtschafb. Nach 0. Müller
ist Asklepios Stammgott der Phlegyer (Orchom.' p. 194), als deren
Stammvater aber auch Ares erscheint (mit Chryse Paus. IX 36, l).
Des weiteren schliesst sich dieser Gruppe an das Paar Trophonios
und Herkyna. An ersteren sind die ^^pfiai' als Opferknaben erst
durch die Verschmelzung mit argivischem Hermesdienst gekonunen:
denn mit Hermes hat das Schlangensymbol nichts zu thun: sogar
der Schlangenstab ist erst eiue spätere Modification der ursprüng-
lichen Wünschelruthe *Tpnr^TTiXoc* (Preller Gr. Myth, P 319). Die
*) Schneide wia in der zweiten Auflage von 0. Müllers Orcho-
menos p. 195 (cf. 1. Aufl. p. 200) schreibt fälschlich „Eiinyen".
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718 K. Tümpel:
Herkjna aber, deren Name von ^^pKOc' (= GefUngniss =» OdXcxMOc
etc.) herkommt, mit q>öpKOC, dem 8tyxai*tigen ünterweltsgewftsser
identisch ist und aasserdem einen FlnsB bei Lebadeia bezeichnet,
entspricht fast genau der Tilphossa («» Delphusa). Drachensymbol
und Quellschlucht fehlen nicht Sogar demselben historischen £2r-
eigniss sind Ares-Erinyscult und Trophonios-Herkynadienst zum
Opfer gefallen; denn wie Ares von Eadmos-Hermes ins Chthonisclie
herabgedrttckt ward und Erinys an Demeter angeschlossen als De-
meter-Erinys, so heisst sp&ter Trophonios der unterirdische Her-
mes (Cic. d. Nai Deor. HI 22, cf. 0. Müller, Orch.* 149f.) und Her-
kyna hiesB die erste Priesterin der Demeter zu Lebadeia, der
Demeter-Herkyna (Tzetzes zu Lykophr. 163 p. 414).*)
Die Vermuthung liegt somit ni^e, dass die Wichtigkeit, welche
in späteren gelehrten Zeitaltem dem aonischen Namen beigemessen
wird, und sogar zur Gleichsetzung mit dem Namen Boiotien führte,
auf der Thatsache eines weit yerzweigten Sehlangen- und Quellgrotten-
dienstes mit wechselndem Namen der leitend«! Gottheiten beruhte,
welcher jenen alten unterdrückten Landesbewohnem angehörte.
Noch harrt eine Frage der Erledigung: wie kam Ares zu
seinem bis heute noch unbezweifelten Thrakerthum? Die eine
Stütze desselben ist Homer. Dieser aber trennt, wie A. Biese
(Fleckeisen Jb. 115, 225 ff.) überzeugend dargethan hat, ausdrücklich
das östlich vom StrymoU; nordwestlich von Ilion gelegene Land Thrake
von Pierien am Olympos erst spät, welches höchst walirsoheinlich
durch eine uns berichtete Auswanderung der Pierer nach Thrakien
um und vor 500, mit diesem in Verbindung gesetzt wurde, wflhrend
^ pierische Thraker' in Böotien bei Daulis auf einer noch erkenn-
baren Gombination des Thukydides beruhen. Die Verknüpfung des
Ares mit dem kriegerischen Barbarenvolk des Nordens , den Thra>
kern, auf deren Rechnung spSter mancher nach Süden gerichtete
Einfall nördlicher Stämme gesetzt ist, kann also nur eine dichterische
sein. Südliche Thraker gibt es erst besonders seit Euripides und
Strabon. Was das andere Argument, nftmlich die angebliche thra-
kische Herkunft der mit Ares mythologisch verbundenen Alolden
betrifft, so liegt Alo1[on, das H. D. Müller (Ares p. 87) sonst mit
Recht beizieht, nicht etwa in Thrake, sondern höchstens in Pierien,
eigentlich freilich nur in Thessalien. Wir müssen also annehmen,
dass bloss unorganisch durch historische Verhältnisse die Alolden
eine ihnen angemessene Function in der Aresreligion übernommen
haben, wofür auch ihre Doppelung spricht, sovde das Fehlen von
Arescult in dem durch die Alolden gestifteten Askra (Paus. IX 2 9, l),
sowie zu Anthedon, wo ihre Gräber gezeigt wurden (IX 22, 5).
*) Dass die ganz ähnliche Caltstötte zu D e 1 p h o i , die vorapoUinisch
ist, jedenfalls ihr eigenes Drachensymbol hatte, würde erst dnrch eine
eigne Untersnchong, und nach den oben gewonnenen Anhaltspunkten
vielleicht nicht nnscliwer, festgestellt werden können.
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Ares und Aphrodite. 719
Fragen wir aber, welehe Beziehtmgen bei Homer den Ares zum
Schntzgott der Thraker gemacht haben mögen, so ist offenbar der
oft hervorgehobene kriegerisch rauhe Sinn der Letzteren, welcher
sich auch in ihrem Namen ausspricht, die Veranlassung gewesen
(cf. V. Hehn, Culturpflanzen etc.* p. 66: *9p^ von Tpaxwc mit
vertauschter Aspirata'). Von ihnen geht der Krieg, *äpT)c', aus
und der Sehrecken ^fpöpoc* (H. N 3Ö1); als Thraker erscheint der
Kriegsgott (6 462), und so kehrt er dann auch in der Odyssee
(0 301) nach seinem Abenteuer mit der Aphrodite dahin zurück,
von wannen man ihn kommen zu sehen gewohnt war. Ebenso wer-
den auch spftter Bhesos, Diomedes, Lykurgos gern als Söhne des
Ares nach Thrakien versetzt (A. Eiese a. a. 0. p. 231).
§ 30. Chronologie. Wir glauben die Echtheit der .Verbindung
von Ares und Aphrodite so gut wie bewiesen zu haben, womit, wie
wir hoffen, fOr einen unbefangenen Beurtheiler sich das Axiom H. D.
Müllers von der nothwendigen ZurückfÜhrung der einzelnen Mit-
glieder der griechischen Götterfamilie auf bestimmte St&mme von
neuem bewährt haben wird. Bevor wir jedoch den Aufbau unserer
Argumentation abschliessen, wozu wir uns des öfter erwähnten De-
modokosgesanges bedienen werden, sind die chronologischen Daten
wenigstens versuchsweise zurecht zu rücken. Für den üebergang der
Erinys in die Aphrodite haben wir als ftusserstes Datum rückwärts
die Stiftung der Kadmeia. Sogar der Mythos hat die Weihung der
Aphroditebilder nicht über Harmonia hinaus, zurückdatiren mögen
und — köimen, aus begreifliehen Gründen. Ein terminus ad quem
fehlt leider, wenn wir uns nicht auf das Epos berufen wollen. Wir
müssen also fragen nach den Beeinflussungen, die Theben vom Orient
aus erfahren hat. Der nächste Gedanke ist hier an jenes semitische
Volkselement, dem durch Brandis (Hermes II 259 ff.) die Ummauerung
zugeschrieben wird wegen des Bezugs der sieben Thore zu den Ea-
biren. Aber hier ist noch Alles dunkel ; nur dass die Astarte, welche
diese Golonisten mitbrachten, nicht unsere Aphrodite sein kann, steht
fest; denn jene ging in der Onka auf. So bleibt eine andre Mög-
lichkeit. Jene Eabirenverehrer nämlich, welche nach 0. Müller
(Prolegomena p. 155) von Boiotien nach Samothrake auswanderten
imd, wie H. D. Müller (St.-Myth. I 295) vermuthet, die Harmonia
und den Eadmos von den Kadmeionen annahmen und ebenfalls mit
verpflanzten, die auch den ir^irXoc und das Halsband der Harmonia
aus Phönikien importirten, haben auch die Aphrodite einführen und
gewissermassen als Gegenleistung in Theben zurücklassen können,
denn sie waren naturgemäss Semiten. Dass Müller sie vor die
Kadmeionen ansetzt und sie von diesen erst vertrieben werden lässt,
scheint ohnehin nicht plausibel, da die Harmonia sich doch erst in
Theben abgesondert haben muss. Vielmehr scheint gerade einer der
späteren Kämpfe die Vertreibung derselben veranlasst zu haben,
wenn wir auf Pausanias' Bericht etwas Werth legen wollen (IX 26, 7:
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720 K. Tflmpel:
Vaxd bk Tf|V 'eniTÖvoJV CTpareiav Kai &Xu)civ tuiv Orißujv dv-
^cnicav M^v önö täv *ApT€iu*v ol Kaßeipöi'. Waren wirklich die
frisch von Norden einwandernden Eadmeionen die Veranlassnng ge-
wesen, so würden nicht die argivischen Epigonen genannt sein. Auch
die Thatsache, dass die Erinys trotz der Aphrodite, z. B. in der Oidi-
pussage, noch kräftig fortlebte, wtlrde nichts für ein viel sp&teres
Datum des üebergangs beweisto. Denn da ja auch in spätester Zeit
das Tilphossion noch fortbestand, so konnten sich an dem dortigen
Cultusort parallel der thebischen Aphrodite noch alle die älteren
Vorstellungen erhalten haben, und so in unsere Quellen übergeben.
Aber zur Eridenz Iftsst sich mit unseren Mitteln diese Vermuthung
nicht bringen. Die Aufgabe, Mythologie, soweit sie historische Ele-
mente in sich aufgenommen hat, in Geschichte umzusetzen, ist so
schwer, dass noch der grosse Grote sich derselben überhaupt be-
schied, indem er die mythologische Urgeschichte von Hellas mit dem
gemalten Vorhang des Parrhasios verglich. *Der Vorhang ist das
Gemälde selbst, er verdeckt nichts, und es kann durch keinen Scharf-
sinn weggezogen werden' Gesch. Griech. I p. VIII (übs. v. Meissner).
Wir fragen uns weiter: welcher Zeit die Aphrodite-Dreiheit
zuzuschreiben sei. Wenn unsere Vermuthung, dass die Aigiden erst
die Verschmelzung der Athene mit Urania veranlaset haben, richtig
ist, was wir bis auf weiteres annehmen, so können die drei Xoana
frühestens nach der Vollendung der dorischen Wanderung sich con-
stituirt haben, da eine Rückwanderung von Aigiden noth wendige
Voraussetzung wäi*e. Viel jünger herab müsste unser Datum für
dieselben fedlen, wenn 0. Müllers Aeusserung (Orch.' 114) Yon
*dem Holzbild der Aphrodite zu Theben' begründet wäre. An das
Agalma neben Ares, das Aischylos in den ^Septem' erwähnt, hat er
nicht gedacht, denn er spricht von Mem Bild, das Harmonia aus
phönikischen Schiffsschnäbeln habe schnitzen lassen'. Er stellte sich
also wahrscheinlich jene drei Aphroditen als mit dem Bücken an-
einanderstehend vor, und aus einem Holzstamm geschnitzt, wie z. B.
die Hekatebilder. Doch verbietet der siebenmalige Plural der betreffen-
den Stelle des Augenzeugen Pausanias solche Annahme.*) Etwas
Positives lässt sich aber nicht beibringen; auch mit den Zahlen,
welche die Einführung des Aphroditedienstes in Griechenland zeit-
lich umschränken woUen, 1200 (Duncker, Gesch. d. Alterth. 11^42)
und 1600—1100 (E. Curtius, Gr. Gesch. I*^ öl) ist nichts ge-
*) Noch eine andre Vermuthung, die wenn sie richtig wäre, einen
gleich späten Ursprung involviren würde, braucht nur erwähnt zu werden,
um ab^ethan zu sein. Länormant-de Witte (£l. C^. IV28) schreiben
über die 3 Xoana: ^Une Venus Apostrophia, unie ä deux autresVänuB,
nous rappelle la disposition ordinaire du groupe des trois Gräces et se
r^duit tout simplement ä mie Vänus callipy ge '(!}.. Drei hocharchaische
Bilder, die man auf Harmonia zurückffihrtel und die aussahen, als wären
sie phönikiBche Akrostolial
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Ares und Aphrodite. 721
Wonnen. Nor soviel ISsst sich festhalten, dass Harmonia bloss my-
thisch als Stifterin der drei Aphroditebilder gelten kann; vielleicht
ist sie es geworden in Erinnerung an die Vereinigung der drei ver-
schiedenen Göttercnlte der Athene, Demeter nnd Erinys, die sich
gewissermassen unter ihren Auspicien vollzog.
Was femer die Verbreitung des Aphroditedienstes betrifft,
80 fUlt sie natürlich weit später als die Zeit, in welche wir die
Verbreitung der Erinys-Tilphossa und ihrer Begleitung ansetzen
können. Die letztere ffSUt in eine uns ganz unerreichbare Zeit, die
erstere in eine jüngere, wie die späte Treibhausstadt Megalepolis
vermuthen lässt; zwischen beiden Gruppen liegt jene wichtige Epoche
des üebergangs vom anikonischen in den ikonischen Dienst, dessen
Chronologie, so wichtig sie für uns wäre, doch nicht durchaus klar
ist. An eins der berühmten Wandergeschlechter von Theben, die
Aigiden oder Gtephyräer, können wir die Verbreitung der Aphrodite-
Dreiheit mit Ares nicht anknüpfen, da die Oertlichkeiten des Vor-
kommens nicht übereinstimmen (vgl. Preller, Dem. u. Pers. 392ff.
0. Müller, Orch. 112ff. Overbeck, Kunstmyth. U 273). Wenn
sie wirklich bei der Verbreitung jener Trias von Göttinnen bethei-
ligt gewesen sind, so kann es nur bei der älteren Phase derselben
der Fall gewesen sein, in welcher sie ja, wie wir vermutheten, die
Verschmelzung der Tritonia mit der Urania veranlassten. In diese
Richtung weist uns auch eine merkwürdige, aber ziemlich räthsel-
hafte Inschrift unbekannten Fundortes, über deren Verbleib nichts
bekannt ist Sie wird von Welcker (G. GL. II 166) angeführt und
lautet: ^dpiii |i r^rpa et xai bioacopoic'. Der Dual, welcher sich
hinter der Pluralform öiocKÖpoic versteckt, kann uns nicht veran-
lassen, an der Dreizahl der ^Mütter' zu zweifeln, die auch Welcker
wahrscheinlich ist; und es wäre also denkbar, dass mit den ixryziQeQ
die drei boiotischen Göttinnen, hier unter der Führung des Ares,
steckten. An die Aigiden als Stifter der Urkunde zu denken, liegt
nahe, weil diese mit ihren einheimischen Gülten leicht die berühmten
Götter ihrer langjährigen Durchgangsstation nach Thera, die amy-
kläischen Dioskuren, vereinigen konnten.*) Der Name Thera der
Insel aber, welcher übereinstimmend auf diese boiotischen Wanderer
zurückgeführt wird, hat eine sonst alleinstehende Parallele in der
später unverständlich gewordenen Localbenennung der ^sogenannten
Thera' bei Lebadeia in Boiotien (Paus. IX 39, 4). Ebendaher muss
der Ares Thereitas stammen, der in Sparta (Paus. HI 19, 8) nicht
alteinheimisch sein kann. Sehr wahrscheinlich verhält sich dann
Thereitas zu Thera wie Enyalios zu Enyo, und Thera gehört
zur Areereligion. (So auch H. D. Müller, Ares 89 und Dilthey, Rhein.
*) Doch wäre auch nicht unmöfflich, dass die Mütter einem ganz
verschiedenartigen Gült lu Kreta und Engyon auf Sikelien angehörten,
was die Ansicht Welckers ist
Jahrb. /. elats. Phil. Suppl. Bd. XI. 46
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722 K. Ttimpel:
JB. 53/4 [1873] p. 42). Dazu stimmt, dass an dem bolotischen Thera
ein Persephonedienst localisirt war, wie sonst an den Stfttten der
alten Erinys (cf. oben p. 685, 694), und dass vermuthlich wie bei
den im gleichen Capitel von Paasanias beschriebenen Trophonios-
Herkjna-Heiligthümem, ein X^^M^^ °^t Zubehör im Spiele war. Die
üebermitüer nach Lakonika aber würden nur die Aigiden sein können,
die dann die Tritonia und Demeter mit der Aresgefthrtin zusammen
als Vn^^pcc' einführten. Sollten jedoch unter den ^biocKÖpoi' hier,
wie bei Eur. (Phoen. 609) die thebischen Brüder Amphion und Zethos
zu verstehen sein, so würde man erst recht an die Aigiden zu denken
haben.
Schliesslich darf ein eigeuthümliches Moment wenigstens nidit
übersehen werden, nttmlich die Einzahl der Aphrodite neben Ares in
dem polyneikischen Heiligthum zwischen Argos und Mantineia.
Vielleicht irren wir nicht, wenn wir wegen des ganz singulftren Holz-
materials der Aresstatue dasselbe für früher halten als die anderen
Ares- und Aphroditetempel, in denen uns die Dreizahl der Aphro-
dite entgegentrat. Man wende nicht ein, die von Aischylos erwfthnte
spätere Ares- und Aphrodite-Gruppe zu Theben zeige auch nur eine
Aphrodite: denn diese steht in einer Achtzahl der grossen thebischen
Götter, welche den Anstrich eines einheimischen Systems hat, und
jene ganze Zeit, in welcher sich die Yölkerschichtungen in jener Stadt
häuften, als vergangen voraussetzt Auch bürgt die Notiz von der
Stiftung der Bilder durch Polyneikes und vielleicht auch die eigen-
thümliche Doppelanlage des Heiligthums für ein hohes Alter, und
wir scheuen uns deshalb nicht, die Vermuthung auszusprechen, dieser
Tempel stamme aus einer früheren Zeit, in welcher deutlich noch
eine, specialisirte Aphrodite, die aus der Erinys hervorgegangene,
spftter zur Unterscheidung von den anderen ^ Apostrophia' genannt,
mit Ares zusammen als ftltestes Götterpaar zu Theben residirte.
Dritter TheiL
Aphrodite-Dionaia (Pandemos) und Ares, das poetische Paar
der hellenischen Nationalmythologie.
L Der Gtosang des Demodokos.
§ 31. KriHk des Mythos, Wir haben im Vorstehenden den lo<
calen Cult des Paares Ares und Aphrodite aufzuhellen gesucht durch
ZurückfÜhrung auf ein metamorphosirtes G5tterpaar eines einzelnen
Stammes , und hoffen somit einen Verweis auf die Dichter als allei-
nige Erfinder dieser Buhlschaft überflüssig gemacht zu haben. Da-
mit ist im Wesentlichen unsere Aufgabe erftült. Doch kann verlangt
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Ares and Aphrodite. 723
werden, dass das, was die epische Poesie aus unserem Paar gemacht
bat, als wenigstens nicht mit unserer Darstellung collidirend sich
erweise. Erst durch die Betrachtung dieser mehr continuirlichen
üeberlieferung kann die dritte und schwierigste Frage unseres Pro-
gramms: nach der Bedeutung des Paares, für welche uns bis-
her nur das lückenhafteste Material zu Oebote stand, eiuigermassen
erschöpfend beantwortet werden. Wenn wir demnach wieder vor-
wärts schreitend unser Paar aus der Beschränkung des Cantonlebens
in die freiere Atmosphäre des nationalen G5tterhimmels verfolgen,
so ist die nächstliegende Frage, wie sich die localen Charakterzüge
im Spiegel der weiten hellenischen Dichtkunst reflectiren, was neu
hinzugekommen, und was das Ursprüngliche ist. Dies führt uns zu
einer langgescheuten Crux gewissenhafter Mjthologen, dem Gesang
des Demodokos in dem VIII. Buch der Odyssee.
Die einzige Deutung, um von den blossen Andeutungen H. D.
Müllers hier abzusehen, hat W. Schwartz gegeben an den 5 oben
(p. 644) citirten Stellen seines Buches (Ursprung der My thologie).
Die Buhlscbaft des Ares mit der Aphrodite in den Banden des hinter-
gangenen Gatten Hephaistos ist ihm ein Bild des Gewitters: der
''Gewittergott Ares buhlt mit der Gattin des Gewitterschmiedes:
Aphrodite', die selber als Uranostochter eine * Gewittergeburt' ist.
Ihr Gürtel, wie der des Ares ist ein Gewittersymbol, nämlich der
^Begenbogen', der wie ein ^goldenes Geschmeide' aussieht (noch heute
heisse derselbe in Griechenland ^f| l\jjyi\ rffc TTavaTiac'); *die böse
Fessel ist der BlitzesfEiden ', das ^unendliche Gelächter der Götter
as der Donner'. Der Hahn, den wir auf einigen Sarkophagen bei
dieser Scene finden, ist als ^der ursprüngliche Lanzenträger des Got-
tes' und als Mer Gewittervogel anwesend (cf. die Hähne der Thurm-
spitzen)'; und ^Eros, der Spröseling dieser Gewitterbuhlschaft, ist in
Beziehung auf diese mit dem Pfeil ausgestattet'. Man ist enttäuscht,
nicht auch den tiefsinnigen Dialog zwischen Hermes und Poseidon
meteorologisch gedeutet zu finden.
Wir unterscheiden zuerst zwischen. echtem Kern und Agglo-
meraten. Zu den letzteren gehört vor allen Dingen das zuschauende
olympische Publicum. Das muss selbst deijenige zugeben, der nicht,
wie wir thun, in der olympischen Götter&milie und überhaupt dem
griechischen Polytheismus ein erst historisch Gewordenes sieht. Aus-
zuscheiden ist femer die Schmückung der Aphrodite durch die Cha-
riten am Schlnss des Gesangs; denn die Chariten waren ursprünglich
der Mittelpunkt eines selbständigen grossen Dienstes zu Orchomenos,
der die Aphrodite nichts angeht Das damit verbundene Bad ist im
besten Fall ein prototypischer Mjrthos, denn die %dp6€V0C Upocu-
vnv diT^T€iov ^xouca' der sikyonischen Aphrodite wurde XouTpo-
qnSpoc genannt (Paus. U 10, 4) und in Bom wurde noch zu Ovids
Zeiten das Bild der Venus (Yerticordia) am 1. April gebadet:
et FastilV 136 ff.:
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724 K. Tflmpel:
*Aiirea marmoreo redimicula solvite coUo,
Demite dmtias. tota layanda dea esl
Aurea siccato redünicula reddite collo' etc. etc.
Wir h&tten ein hochzeitliches Bad zu erkennen, wie bei der Palkä.
der Hera Lygodesma, der Demeter Lnsia, Europa (Ant Earya
179) und Leto (Zoster bei Steph. Byz. p. 196, 2).
Auszuscheiden ist femer, wie schon Welcker (G. GL. I lOB^
erkacnt hat, das Oesprttch zwischen Hermes und Poseidon, als imicr
den Gesichtspunkt des MSrchens fallend; wir dürfen hinzusetzen
auch das Hereinspielen des Helios, als Personification der Sonne^ die
Alles sieht. Wir kommen jetzt zu Hephaistos. Dass er als Gatte,
Ares nur als Buhle der Aphrodite erscheint , kann uns nicht ▼eraB-
lassen, aus der socialen Rechtmässigkeit seiner dichterischen Be-
ziehungen zu Aphrodite auch auf eine mythologische Echtheit dieses
Yerhftltnisses zu schliessen und einem echten irdpebpoc Hephaistos
zu Liehe etwa den Ares als po^ischen Eindringling zu behandeln,
wie Raoul-Rochette thui Er will (Point. in6d. Artikel ^ Venus et
Mars') alles Ernstes beweisen, dass die Bande, welche Aphrodite an
Ares knüpfen, nie andere, als die des Ehebruchs gewesen seien.
Jedenfalls weiss weder die griechische Cult-, noch Kunst^^eechicbte
von einem Paar Aphrodite und Hephaistos, wenn auch die Möglich-
keit nicht ausgschlossen scheint, dass, nach der beliebten Annahme,
auf der Hephaistos-Insel Lemnos die Anwesenheit eines Aphrodite-
cultes zu einer mythischen Verknüpfung heider Götter geftlhrt habe.
Wenigstens wird das dortige, zur Erinnerung an die berühmte ^buc-
0C|iia T^vaiKoiv' gefeierte Fest von den Dichtem ziemlich allge-
mein mit der Aphrodite in Verbindutig gehracht, so dass die Annahme,
es sei ein Aphroditefestcult gewesen, nicht allzufem liegt. Freilich
dem Hephaistos begegnen wir in diesem Zusammenhang erst hei
Yalerius Flaccus (II 315) und dem Scholiasten zu Apollon. Rh. (I 860\
der auch offenhar nur an Homer denkt. Doch seihst angenommen,
es hahe zu Lemnos oder auch zu Athen, wo im Gau Melite zwei
Tempel des Hephaistos und der Urania benachbart standen (Pans.
I 14, 7), ein mythisches Gattenyerhftltniss zwischen beiden ezistirt,
so kann darum immer noch keine reale Cultrivalitttt zwischen Ares
und Hephaistos um Aphrodite die Gegenüberstellung heider Neben-
buhler bei Demodokos veranlasst haben« Denn auf Lemnos gab es,
wenn nicht Alles trügt, einen mit Ares combinirten Aphroditecnlt
ebensowenig, wie zu Theben einen solchen von Aphrodite und He-
phaistos. In Beziehung zu einander könnten also beide Paare nur
durch die Dichtkunst gesetzt sein. Diese Sachlage würde auch durch
eine Berufung auf Athen nicht geändert werden, wo in zwei verschiede-
nen Regionen sich beide Cultpaare finden. Denn Athene gewinnt auch
erst in nachepischer 2^it Bedeutung, wo von Cultstreiten innerhalb
der Stadt, ähnlich solchen, die auf Kypros den cultmässigen Gegen-
satz zwischen Ares und Adonis veranlassten (cf. oben p. 683), nic^t
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Ares und Aphrodite. 725
wohl mehr die Bede sein kann. Sind wir demnach auf die Dichter
als Schöpfer des Gegensatzes zwischen Ares and Hephaistos an-
gewiesen, so Wli dieses ganze Yerhftltniss anter den Gesichtspankt
der spielenden Motivirong, welche nach H. D. MfiUer (St.-M7th. II
91) ^in einem religiös-symbolischen Mythos in der Begel sp&teren
Ursprang s za sein pflegt', also vom eigentlichen Kern (hier Ares
und Aphrodite) zu trennen ist. Hephaistos ist also hochwahrschein-
lich (cf. unten p. 7dl*)) bloss anorganisch als der Yerfertiger
der mancherlei Fesseln, Schmuck- und anderer Geräthe, deren sich
die griechische Mythologie bedient, in den vorliegenden Mythos
hineingezogen worden, wie ja auch sein Fehlen im Aloldenmythos
beweist War er nun einmal der Künstler dieses Fangnetzes,
so konnte der Dichter leicht in Erinnerung, sei es nun an Lemnos
oder vielleicht auch nur an die Ehe des Hephaistos mit Charis
in der Dias, wie Maury (Histoire etc. III 296) will, demselben
die Aphrodite zum Gatten geben. Indem nun Hephaistos als be-
leidigter Ehemann sich rächen musste, gewann der Dichter einer-
seits eine vollkommene Motivirung für die Fesselung des glücklichen
erhörten Liebhabers Ares, die ursprünglich naturmythische Gründe
gehabt haben muss, andererseits einen hübschen Gegensatz zwischen
dem hinkenden, schmutzigen fiLandwerks- und dem sti:ahlenden, ju-
gendlichen Kriegsgott, der seinen Nebenbuhler aussticht und hinter-
geht Dieser Gegensatz zwischen den rein anthropomorphischen Cha-
rakteren ist zu vorzüglich, als dass man die Ehre, ihn geschaffen zu
haben, dem feinsinnigen Dichter absprechen könnte zu Gunsten einer
unbewusst bildenden, rein religiös-symboUschen Mythenepoche.
§ 32. Deutung des Mythos, Nachdem wir somit auch Hephaistos
ausgeschieden haben, bleibt nur der *\epöc t^^I^oc' (so auch H. D.
Müller, Ares p. 61^ ^mit Anderen') in Fesseln als religiös -symbo-
lischer Kern des Märchens übrig, und wir haben, um zur Deutung
des religiösen Gehalts schreiten zu könne, nurnoch das Symbol der
Fessel zu erklären. An ein Bild des Blitzes zu denken, fehlt die
nothwendigste Voraussetzung, das Epitheton ^golden'. — Wir suchen
deshalb nach Anhaltspunkten in der übrigen Mythologie beider Götter.
Zunächst kommt uns dabei die Erinnerung an die gefesselten Sta-
tuen des Ares Enyalios und der Aphrodite Morpho zu Sparta
(Paus, in 15, 11), bei denen gleiche Grundanschauungen vorliegen
können. Aber hier herrscht grosse Unklarheit Welcker, um bei
der Letzteren zu beginnen, sieht in der gefesselten Aphrodite Morpho
eine Göttin der himmlischen Liebe, stützt sich aber auf eine falsche
Voraussetzung. Er confnndirt missverständlich die beiden in diesem
Heiligthum in getrennten Zellen hausenden Cultbilder l) die *'Aq>po-
biTT) dinXiCjLi^vii ' im unteren und 2) die Aphrodite in dem *Mop-
q)OÖc lepöv' im oberen Stockwerk, eine ^KaXuirrpdv re Ixouca kqi
TT^bac TTcpi ToTc TTOci', und erhält so eine bewaffiiete Urania, die
zugleich durch die Fesselung als ^olKOupöc' (an das Haus gebunden)
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726 K. Tümpel:
bezeichnet wird, und ^als Göttin züchtiger Gattenliebe mit dem un-
geflllligen Zeichen der häuslichen Kalyptra^ ausgestattet ist (vergl.
hierzu oben p. 698). — Die Beiden sind unbedingt auseinander zu hal-
ten, wenn auch nicht in der Weise^ wie L6normant und de Witte
(^1. C6r. lY 27) thun, welche die bewaffnete Urania, weil sie im
Unterstock sitzt, ftbr eine ^V^nus infernale', die Morpho der oberen
Cella aber für eine ^V6nus Celeste' halten; letztere soll gar nackt
sein, wohl weil Tansanias nur Schleier und Fesseln erwfthnt (IV 63
a. a. 0.). — Was bedeuten hier die Fesseln? E. Curtius (in den
*Nuove memorie dell' instituto* I (1866) p. 374 ff.), und mit ihm Ber-
noulli (Aphrodite p. 37), hält sie fOr missYerstandenen phöniki-
schen Beinschmuck (Jesaias III) und zieht zur Unterstützung die
Bemerkung des Plutarchos (Quae8t.Bom.61) bei-.dassdas Anschliessen
der Götterbilder phönildsche Sitte sei. Aber wenn man nicht um
ein Missverständniss (des Pausanias) zu erklären, ein anderes (des
Plutarchos) annehmen will, das doch erst erwiesen werden mfisste,
werden beide Zeugnisse als sich gegenseitig ausschliessend gelten
müssen, da nach dem einen (Jesaias) die Fesseln ideal, zum Bilde
gehörig sein müssten, im andern (Plutarch) real. Zudem müsste dann
Tor allen Dingen wenigstens der Name deutlich semitisch sein; aber die
Versuche in dieser Eichtung zu etymologisiren(Moyers, Phoenizierl
586) müssen als fehlgeschlagen gelten. So werden wir denn im
Bereich des Griechenthums den Schlüssel fQr die Erklärung suchen
müssen. Wichtig ist, dass Hera in der bekannten Erzählung von
Hephaistos gleichfalls gefesselt wird (Preller, G. M. I' 139) und
zwar auch in einem Sessel. Heras Bedeutung als einer Erd- oder
besser Natur- und Fruchtbarkeitsgöttin kann durch die neusten Ver-
suche, sie zu einer Mondgöttin zu machen, nicht als widerlegt gelten.
Dann bedeutet die Fesselung derselben aber offenbar die winter-
liche Bannung, wie wir sie bei fast allen Wesen dieser Art als
gleichbedeutend mit dem Aufenthalt im Todesreich finden. Wenden
wir diese Erklärung auf die Aphrodite Morpho an, so stimmt danoit
yortxefflioh der Schleier, den sie mit Eronos (»s dem chthonisclien
Zeus nach H. D. Müller) und den Eidola, den Schatten der Verstorbenen
theilt, sowie der Name. Dieser geht nicht auf die Schönheit, etwa
wegen der Nacktheit, oder gar ironisch auf die Hässliohkeit des alten
Holzbildes, sondern hängt zusammen mit |iiop<pv6c (dunkel) und Mop-
q)€uc, ist also ein treuer Ausdruck des Schleier- und Fesselsjmbols.
Die gleiche mythische Deutung hat für Ares, der zu Sparta in
seinem Tempel ebenfalls gefesselt dargestellt ist (Paus, m 15, 5),
H. D. Müller aus dem Parallelmythos von der Fesselung des Ares
durch die AloYden gegeben (Ares 33 ff.), die wir nun nicht nur kunst-
mythologisch auf den Ares Borghese anwenden können, bei dem der
Fussring offenbar nur ein ethisch umgedeutetes, ursprünglich mythi-
sches Symbol ist, sondern auch auf den Demodokosgesang.
Der Naturgott^ der im Sommer Segen und Fruchtbarkeit spen-
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Ares und Aphrodite. 727
dety gilt im Winter als von einer bösen Macht gebannt; der Eintritt
der bösen Jahreszeit ist seine Niederfahrt zur Unterwelt, wo er in
Fesseln nnd Banden ausharren muss, bis zum Frü^jahrsanfang seine
Erlösungsstunde schlSgt, und mit ihm neues Leben und Freudigkeit
in die Natur einzieht. Durch einen weiteren Schritt wird wohl auch
die chthonische Phase des Naturgottes abgetrennt von der oberwelt-
lichen, sommerlichen, und in persönlichen Gegensatz zu dieser ge-
setzt, wie wir schon an anderer Stelle zu erw&hnen Gelegenheit hatten.
Diese Weiterentwickelung durch Scheidung l&sst sich dagegen nicht
nachweisen bei der Natnrgöttin, bei welcher der Jahreswechsel nur in
einem Umschwung des Schicks^s, des Zustandes derselben Göttin zu
Tage tritt. Scheinbare Ausnahmen, wie Demeter und Persephone, sind
erst Aphrodite jeden&lls als eine rein passivisch von aussen her ge-
fesselte durch Ustorische Yerhttltnisse geschaffen. So muss in unserem
Fall erscheinen, w&hrend dies bei Ares nicht so durchaus feststeht. Er
könnte^ wie in fast allen seinen mythischen Yerhftltnissen, prägnant
chthonisch sein und hfttte die Aphrodite in seinen Todesfesseln
gefangen; und hiergegen würde nichts bedeuten, dass er im Demo-
dokosgesang der vorzugsweise xmd allein Gestrafte zu sein scheint.
Denn wir haben gelernt, dass ^der Sinn, der sich gleich auf den
ersten Blick darbietet, sich mit einer gewissen Absichtlichkeit auf-
drängt, nicht als schöpferische Idee des Mythos gelten darf' (H. D.
Müller, Si-Myth. 11 24, cf. 22). Gleichwohl kann hier nicht ohne
Bedeutung sein, dass beide Götter gleichmässig und gemeinschaft-
lich in dem Fesselnetz gebannt sind. Wir müssen darum dieses^
zumal es fast eine Räumlichkeit bildet, auf seine allgemeine topische
Bedeutung zurückzufahren. Diese wird uns zur Evidenz klar durch
das Epitheton der ^ünsichtbarkeit', dessen dichterische Motivi-
rung uns aber nicht irre machen darf. Denn nicht darum, weil es
*wie Spinnefäden fein' ist, bleibt das Netz für Jedermann un-
sichtbar, sondern weil es in dem für aUes Lebendige unerreichbaren
Jenseits liegt — ja es selber vorstellt, ^das Land, von dess Bezirk
kein Wandrer wiederkehrt' (daher ^bec^ol — äppiiKTOi fiXuTOi Kpa-
TcpoC. Wird doch der Unterweltsgott des polytheistischen Systems
als ^'AibTic' der Unsichtbare verstanden. Deshalb heissen die Banden:
*i^Ot* dpdxvm XcTTrd, tat' oö k^ Tic oitoi tboiTO,
ofire Oeüjv ^aKdpu)v'
(nämlich der olympischen), also ganz wie die ^ä<paveic becjuct' der
Hera. Die Eigenschaft der Unsichtbarkeit ist nur eine Consequenz
jener Vorstellungen, nach denen das Todesreich fem von Göttern
und Menschen, unnahbar, verborgen und Tersteckt im nächtlichen
Dunkel gedacht wird; der Herrscher desselben, welcher durch den
Tod das Leben aus Natur und Menschheit entführt, und darum ^dt-
briXoc' heisst [so nicht nur Hades (Soph. Aias 608), sondern auch
Ares gerade an unserer Stelle (0 309)], ist doch selbst als Bewohner
dieses Orts der Oberwelt entrückt und unsichtbar, und zwar Ursprung-
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728 K. Tflmpel:
lieh in seiner ürexistenz als einiger Jahresgoti, dorob Zwang, indem
er wShrend der Winterszeit dem Erdenleben entzogen wird. Als er
aber bei der Doalisining ans einem Gefangenen znm Herrscher jener
Regionen wurde, mnsste durch andre MoÜTinrng das, was er in Wirklich-
keit widerwillig erleidet, zn einer freiwillig gehandhabten fWiigkeit
omgestempelt werden; nnd es heisst nnn, Hades kann sieh mittels
seiner ^Kuv^n' unsichtbar machen, w enn er w ill; als wenn diese Haube
nicht gerade so wie der Schleier des Kronoe ein Symbol seiner unver-
meidlichen chthoniBchen Winterphase wftre. Bei Ares ist der alte Zog
nicht verwischt: der Zwang tritt deutlich zu Tage. Wider seinen
Willen wird er als ein passivischer (spfiter medialer, jedenfitdls aber
zugleich sich auch activisch bethStigender) ^&iTÖTpoiTOc' mitsammt
seiner ^dirocTp6q>ia' Aphrodite in das ferne unsichtbare Todes-
gebiet entrückt, dem er noch in späterer Zeit, freiüeh missverstfind-
licher Weise als Ejiegsgott, neue Bewohner zuführt*) ALs eine
Süssere Bestätigung fttr das Attribut der Unsichtbarkeit als chtho-
nisches Symbol (es ist H. D. Müller (Ares 33) trotz seiner bedeu-
tenden Spürkraft entgangen) sei noch Folgendes angeführt: auch
die Gorgonlschen Gefilde, welche derselbe Gelehrte (Ares p. 69)
als unterweltliche Parallele zum Tartaros^ Hades, Aia, Areüas, etc.
nachgewiesen hat, werden von Aischylos (Prometh. 795) beschrieben
als Gebiete,
^Sc oöO' i^Xtoc irpocb^CTai
dicTiciv 0Ö8' f| vuKTcpoc ^r\vt\ nori*
ganz wie das Fesselnetz. Da es somit bis zur Gewissheit erhoben ifii,
dass dieses in seiner Unsichtbarkeit und Unentfliehbarkeit weiter nidits
ist, als eine Bezeichnung für die Unterwelt, wie OdXa^O€, K^pa^oc,
der Styzumflossene Tartaros, der von Drachen bewachte Areshain, die
XOroc-Bande der Hera eta etc., so haben wir nun auch das Jkfittel
in der Hand, die übrigen Symbole der Aresreligion in Einklang zu
bringen. Das Fesselsystem soll dieselbe Anschauung des Todes-
reiches als eines Gefängnisses ausdrücken, wie das ferne Eiland
Aretias, welches der in sich zurückfliessende Meeresarm von der
irdischen Welt trennt. Ist doch in gleicher Weise Odysseus auf der
^ Diese objective UnBichtbarkeit trifft von anderer Seite her
zufällig zusammen mit der subjectiven Eigenschaft der Blindheit,
oder richtiger der Blendung des chthonischen Hemchers (des ursprüng-
lich winterlichen JahresffoUes) in ^rmanischen, kleinasiatitchen, grie-
chischen Religionen (Lyknrgos, Oidipus). Sie fällt zugleich mit der
ebenfalls allgemein indogermanischen Frohne (Ennaetens i. B.), der
Fesselung und Verstdmmelang, namentlich Sehnendurchschneidnng (Oidi-
pus, Zeus: Apollodoros 1 6, 3), unter den gemeinsamen Grundbegriff der
Gefangenschaft bei Besiegung, unter deren Symbolik sich die alteNaior-
religion die ünthätigkeit des Gottes im Winter vergeffenw^rtigte. Ver-
stümmelung, Sehnendurchschneidung war auch in späterer Zeit noch das
Schicksal der G^fauffenen bei den Skythen und anderen auf niedrigerer
Cultnrstufe zurückgebliebenen indoeuropäischen Mitbrüdem der Griechen.
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Ares und Aphrodite. 729
Insel Aiaie, die mit Aia identiscb ist, der Oefiuigene der Höhlen-
bewohnenn Eärke, einer chthonischen Göttin! (H. D. Müller, Ares
102 ff.). Die Schlange, welche sich um den Areshain schlingt, yer-
httlt sich als Beschützerin des Yliesses, der Hesperischen Aepfel
(Ladon), der Grotte, in welche sich Menoikeus stürzt, wie das
stjgisdie GewSsser, das den Eintritt in die Unterwelt und den Aus-
tritt aus ihr verwehrt; und der K^pa|iOC der Alotden functionirt, wie
der KerberoB, der Alles hinein, Nichts wieder herauslSssi Der Sinn
des Urmythos aber, den wir aus den zersprengten Trümmern und
Bepliken von Drachen-, Alol'den- und Demodokossage zu reconstruiren
haben, ist der, dass der Sommergott bei Eintritt der schönen Jahres-
zeit durch den Bruch der winterlichen Fesseln (den Drachenmord)
entweder die Erdgöttin allein, oder besser sich und die Erdgöttin
zum neuen Hieros-Gamos des Naturlebens aus der Gewalt des Win-
ters befreit, in welche Beide beim Eintritt der schlimmen Jahreszeit
mitten im Höhepunkt ihres fruchtbaren Wirkens gefiekllen waren. —
Gegen unsere Herbeiziehung des Demodokosgesangs zur Aufhellung
der Aresreligion aber wird man nicht den Einwand erheben können,
dass das are^ische Drachensjmbol fehle; denn es fehlt auch im AloY-
denmjthos und würde im Demodokosmjthos neben dem Netz eine
Tautologie sein, wie dort neben dem Keramos. Der Wechsel des
symbolischen Ausdrucks beweist nichts gegen die Einheitlichkeit des
wiedergegebenen Grundgedankens.
§ 33. Fest. Es muss von vornherein angenommen werden, wie
H. D. Müller häu£g betont hat, dass jeder echt religiös-symbolische
Mythos, da er einen bestimmten Wendepunkt im jährlich wieder-
kehrenden Wechsel des Naturlebens bildlich festhält, auch in einem
Festcult seinen Ausdruck gefunden haben muss. Wir werden also
untersuchet! müssen, welche wichtige Jahresepoche der Symbolik
unseres Mythos entspricht Vor allen Dingen ist kein Zweifel,
dass der Jahresumlauf auch als die Lebensdauer der lebenden und
sterbenden, und wieder auferstehenden, der freien und gebundenen
Naturgottheit galt, welche nach der natven Auffassung des Natur-
menachen die Ereignisse des Jahreswechsels an sich erlebt So war
in ursprünglicher Einfachheit des Gedankens das Jahresleben ein
einziges grosses mythisches Drama, dessen einzelne Phasen nur durch
den Bezug auf einander Bedeutung haben, und in welchem die
Fesselung mit der Befreiung, die Hochzeit mit der Verwittwung,
die Geburt mit dem Toä, und dieser mit der Wiederauferstehung,
der Neuvermählung u. s. w. correspondirt. Die entsprechenden Wende-
punkte des Jahres sind nicht die Aequiuoctien, die nichts Charakte-
ristisches haben^ sondern die Sonnenwenden, nach denen (abgesehen
von den Zugvögeln) noch Hesiod ('€. k. *H. 477, 562, 661) allein
den Jahreslauf astronomisch bestimmt Am Wintersolstitium begeg-
net sich die höchste Macht des Winters mit der sich vorbereitenden
neuen Herrschaft des Sommers: die Tage sind die kürzesten im
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730 K. Tümpel:
ganzen Jahre geworden und die Sonne scheint ihre Geltung verloren
zu haben. Da tritt die Wendung ein; die Nacht mues allm&hlich
weichen, und der Anbruch des Frühlings bereitet sich vor. Die Macht
des Winters ist gebrochen, die Gottheit lebt neu auf und gewinnt
ihre Selbstftndigkeit, ihre segensyolle Wirkungskraft wieder. Das
Gegenstück hierzu ist die Sommersonnenwende. Hier ist die Herr-
Schaft zu ihrer Vollreife gediehen, und wird zugleich in der Ernte-
zeit gebrochen. Denn mit dem Hochsommer beginnt sowohl in den
Bumpfreichen Urwäldern des prähistorischen, als auf den urbaren
Fruchtgeländen des historischen Südens die pest- und fieberreiche
Zeit, welche die zerstörende Herrschaft des chthonischen Princips
ankündigt und in die Schrecken der neuen Jahreszeit hinüberleitet,
bis zum Anbruch neuen Lebens am winterlichen Sonnenwendepnnkt
(cf. Ares den Pestgott, Soph. 0. ß. 290).
Der Einwand, dass der astronomische Moment des Solstitiums
der am schwersten aufzufindende sei, kann hiergegen nichts bedeuten:
je älter die Zeit, je länger die Feste (cf. die *30-Nächte'). Nun müssen
wir aber annehmen, dass auf dem Lande sich gerade die ältesten Cult-
gebrauche am längsten erhalten haben, welche das neuerungssüchtige
Stadtleben perhorrescirte, wie ja auch bei den conservativen Italikem
die ältesten Feste agrarische waren (Bemhardy, Römische Litt-Gesch.
p. 393). Von diesen aber sagt A. Mommsen (Delphika p. 26) gut:
^IxL der Winterszeit, der genialis hiems, die in der ganzen Welt am
reichsten ist an geselligen Freuden, blieben die Bauern zu Haus,
feierten und schmausten bei dem, was die Vorräthe des Gehöftes
vermochten', worin ohne Zweifel auch der Vorzug der winter-
lichen vor der sommerlichen Sonnenwende begründet liegt, welcher
im Jahresanfang seinen Ausdruck erhl^t.*) Da die erstere als Be-
wiUkommnungsfest der schönen Jahreszeit zugleich eine echte Freuden-
feier ist, so erklärt sich uns schon hieraus die Lage des boiotischen
Neujahrs, das ja wie das alte attische (Boeckh. a. a. 0) an den
ersten Neumond nach dem Wintersolstitium ^Ült (cf. oben p. 700).
An letzteres würde denn auch die Erlösung von Ares und Aphro-
dite aus den Winterfesseln sich anschliessend*), während die Yon
*) In der achäischen Zensreligion, z. B. wie im neuattisohen und
olympischen Jahr (Boeckh, C. 1. Gr. I p. 782 A, cf. 734 A) freilich die sommer-
liche (H. D. Müller, Si-Myth. II 192), aber in der dionysischen vor dem
Einflnes der Weincoltur, welche aus dem stemeknndigen Orient die städti-
schen grossen Dionysien des Frühlings ae quin octi ums (des semitischen
Jahresanfangs) einführte, offenbar das Wintersolstitium mit seinen
später freilich auch in diesem Sinne umgestalteten ländlichen Festen.
Aeqninoctien zum Jahresanfang haben nur das dorische, phokische und
makedonische Jahr (Boeckh, (J. 1. Gr. a. a. 0.), also die jfUigeren Aeren
**) Auch der Saturnus der ItaJiker, dessen Bild sonst mit wollenen
Binden um die Füsse gefesselt zu sein pflegte, wie Ares und Morpho,
wurde an seinem Fest, das yom 17. December an in der um die Winter-
sonnenwende gelegenen Woche gefeiert wurde, entfesselt nun Zeichen
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Ares und Aphrodite. 731
Demodokos in den Vordergrund gerückte Fesselung eigentlicb an
das Sommersolstitium gehört*) Da aber der Mythos uns in seiner
das ganze Jahr umfassenden Gesammtheit erhalten ist, so steht zu
erwarten, dass ihm ein einziges, den Jahresanfang bildendes Fest
entsprochen habe, das wir auf die Wintersonnenwende vermuthungs-
weise festsetzen könnten, auch wenn es sich nicht um einen boioti-
sehen Cultmythos handelte. Dass dies aber wirklich der Fall ist,
dafür spricht das die Handlung zunächst erweiternde Personal; Po-
seidon und Hermes. Denn um von Poseidon zu schweigen, dem
Hauptgott des östlichen Boiotiens, so sind ^sagenhafte Spuren älterer
Verehrung des Hermes, und Culte desselben, welche wirklich auf
höheres Alter Anspruch machen dürfen, grade in Boiotien, Attika,
Argolis und Arkadien zu finden' H. D. Müller, St.-Myth. II 402),
also genau in den Landschaften, in welchen wir die ältesten Be-
standtheile und die spätere Phase des combinirten Ares -Aphrodite -
cults antrafen. Mit der Berechtigung, den Odysseegesang mit Theben
zu Terknüpfen, ist aber zugleich die Möglichkeit gegeben, die Brücke
vom Mythos zu dem dazu gehörigen Cult zu 'schlagen. Denn die
Aphrodisia fielen zu Theben an das Wintersolstitium und
bildeten daselbst den Jahresanfang, an dem die Beamten wechsel-
ten (cf.oben p. 700): also eine genaue Bestätigung der Consequenzen,
die sich aus unserer Deutung des Demodokosgesanges ergaben.
Und auch Ares kann dabei nicht gefehlt haben. Es ist keine
allzukühne Vermuthung, dass die Polemarchen zu Theben, die
ein mit den spartanischen Polemarchen nicht zu verwechselnder echt
thebischer Magistrat sind (Grote, Gesch. v. Griechenland V35ö^**)
(Meissner); Boeckh^ C. I. Gr. I p. 730 AB), auch während der Be-
setzung der Eadmeia durch die Spartaner, ihre Amtsniederlegung
und ihren Amtsantritt nicht ohne Opfer und feierliche Handlungen
für Ares**) begangen haben werden, der sehr wahrscheinlich bei
der Stiftung dieses nicht allzualten Magistrats schon seine jüngere
Bedeutung als Eriegsgott angenommen hatte. Denn auch zu Athen
waren die iroX^jiiapxot Opferpriester des Enyalios (Schoemann, Gr.
Staatsalterth. U 395). Das Fest auf der Burg war also wahrschein-
der Wiederkehr den 'goldenen Zeitalters' im JahrescycluB, der sommer-
lichen Fruchtbarkeit (cf. Preller, Rom. Myth.' 412 ff.).
*) Möglicherweise ist der Fenergott Hephaistos grade mit Bezug
aAif die den Winter einleitende Hoehsommerhitse ausgewählt, um das
Paar mitten in reinem Segenswirken sn bannen.
♦*) 0. Müller (Droh.« 224 f.) möchte dieses Amt freilich, wohl
wesen der Dreizahl, an Amphion und Zethos anknüpfen; allein die Zwei-
lam dieser Beamten, die auch ausser Theben vorkommen, ist im übrigen
Boiotien nicht constant; dass der Oheim Lykos der Brüder einmal
(ApoUod. UI 5, 6, 4) Polemarch genannt wird, kann für die Neffen nichts
beweisen, und der von ihm bei dem lydisohen Brüderpaar yoraasgesetzte
kriegerische Charakter im Gegensatz zu den rein priesterlichen Ead-
meionen beruht auf einer Täuschung; (cf. Excurs II).
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732 K. Tümpel:
lieh nur der Abschluss der Aresfeier, die in den Händen der Pole-
marchen lag. Am gleichen Tage feierten (nnten in der Stadt) die
Frauen das Fest der Aphrodite (PolTainos ^^v 'Aq)pobiTT)C ^opTri' ai
jLi^v TuvaiK€C liraiZov t^ Oeifi')* ^^^ ^^ ^^^ ^^^^ ^^ Gastmahl,
bei dem die lakonisirenden Polemarchen ermordet werden, einen offi-
ciellen Charakter gehabt haben*), da auch der Orammateus der
beiden Polemarchen zugegen war und das Local das ^TajiicTov toC
TToXejüiapxeiou' war (Xenophon, Hell V 4. 6). Unter der Voraus-
Setzung eines amtlich religiösen Festmahls würde sich auch erklären
lassen, dass die Polemarchen bei Xenophon (cf. oben p. 700) geradezu als
( Aphrodite-)fe8tfeiemd bezeichnet werden, was selbst in der schlechten
üeberlieferung bei Poljainos (9poupdpxHi [sc. cppoupac AaKUi vik^c statt
iToXejidpxoic] Iboie TijLif)cai Tf|V Oeöv) noch durchblickt üeber die
ConstatiruDg eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen Aphrodite-
fest und Aresfestmahl dürfen wir bei der Verworrenheit der üeber-
lieferung eigentlich kaum hinausgehen. Und doch drängt Alles zu
der Vermuthung, dass wirklich eine gemeinsame Culthandlon^r^
und sei es auch nui*ein Festmahl, die Opferpriester des Ares und
die Festdamen der Aphrodite am Abend zu yereinigen pflegte. Wie
würde sonst so lange vorher Phyllidas, der Schreiber der Polemarchen
und heimliche Mitverschworene der yerbannten Patrioten, den Vater-
landsverräthem haben Aussicht auf diesen schönen und yomehmen
Besuch machen ( VdXat uiricxvoujüievoc' Xenophon; *^k iraXaioö kccttiT'
TcXkuic' Plutarchos) und den Plan vorbereiten können, unter deren
Verkleidung die Bächer des Vaterlandes einzuführen? Wie wäre es
denkbar, dass gerade die Vornehmsten der Thebanerinnen, von denen
doch Plutarchos insgemein (de G. Socr. 598 C) sagt, dass sie selbst am
Tage und verschleiert so selten das Haus zu verlassen pflegten, sich zur
Nachtzeit zu einem Gelage solcher Willkürherrscher begeben hätten?
Freilich Plutarchos hat statt der ^Y^vaiKCC KäXXicrat Ka\ cejLivÖTaTai'
des Zeitgenossen Xenophon nur ^t^vaia tüjv öndvbpuiv' (Pelop. IX).
Aber kann man glauben, dass die sich so misstrauisch geberdenden
Polemarchen sich so grob durch *itötoc' und gemeine ^cuvoucta' würden
haben übertölpeln lassen? Das überreiche, wohl aus looaler Tradi-
tion geschöpfte Detail, mit dem der 558 Jahre später lebende Boioter
Plutarchos seine Erzählung ausschmückt^ kann uns um so weniger
*) Für einen privaten Charakter desselben dürfte nicht die Abwesen-
heit aes Leontidas geltend gemacht werden; denn dieser war wohl frei-
lich mit Archias der bedeutendste Mann der spartafrenndlichen Partei
(Plut. d. G. Socr. p. 677) und vielleicht auch gewesener Polemarch, ge-
hörte aber nicht zu den Beamten des Jahres 379. Zu diesen rechet ihn
nur Plutarchos einmal (Agesil. XXIV), wo er im Widerspruch mit seinen
BonaÜKen Angaben (Pelop. VII, IX, X; d. G. Soor. 698, 677, 694, 696,
697) 'Archias und Leontidas' als Polemarchen bezeichnet, aber bloss in
einer gelegentlichen Bemerkunff und o£Eenbar nur einem hübschen Gegen-
satz zu Liebe: '€pTH* M^v Tupdvvouc, XÖTip b^ iroXcMdpxouc' nennt er die
Beiden. Die historische Wahrheit ist hier Nebensache.
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Area tmd Aphrodite. 733
Yeriaituen einfi^Sssen, als er in seinem anderen Bericht von der Be-
freiung der Eadmeia (de G. Soor. 577) yielmehr von *tu)v iv dEitl)-
^ari TUvatKÜüv' redet und somit in die Xenophontisch-Poljainische
Tradition einlenkt Wenn wir somit die Yermuthung wagen, dass
jene einmalig bezeugte gemeinsame Mahlzeit von Polemarchen imd
Patricierinnen am Aphroditefest, der wir einen Bezug zum Arescult
yindicirten, ein jfthrlich wiederkehrender Gebrauch war, so ist damit
noch keineswegs gefolgert, was Engel (Kjpr. II 149) schloss: dass
auch die sinnlich üppige Ausartung des Weibergelages, wie sie in
dem einen Falle wirklich beabsichtigt war, ein bleibender Cultbrauch
sei. Freilich verlockend genug wSre eine solche Hypothese, die zum
Hieros-Gamos von Ares und Aphrodite im Mythos die genau ent-
sprechende Passion in der symbolisch-dramatischen Culthandlung der
beiderseitigen Priester liefern würde. Aber eine solche Ausartung
würde immer nur dem importirten^Aphroditecult, nicht aber dem
ursprünglichen Ares-Erinysdienst angehören können, auch wenn die
übermüthigen Polemarchen nur einen symbolischen Act durch wört-
liche Auffassung zu travestiren beabsichtigt hätten.
Prüfen wir nun noch unser Resultat auf seine Haltbarkeit, so ist
das vollstSndige Fehlen jeder Nachricht von einem dem Ares geheiligten
Festtag zu Theben unserer Annahme, dass er mit demjenigen seiner
Gattin zusammenfalle, nur günstig. Was sollte auch anders die
Aphrodite veranlassen, ihr Fest, das sie sonst ausnahmslos am 1. April
begeht, hier merkwürdigerweise am Wintersolstitium zu feiern? Wie
gerade Ares seinen Namensantheil am gemeinsamen Fest verlieren
konnte auf Kosten der Aphrodite, erklärt die einfache üeberlegung,
dass in demselben Maasse, wie Ares durch seine Wesensbeschrftnkung
seitens des Eadmos in den Hintergrund gedrängt ward, der Dienst
seiner Genossin Erinys durch Verschmelzung mit dem wirkungs-
vollen fremden Bilderdienst der Aphrodite sich wieder hob und frisches
Leben bekauL Und während Ares durch den Anschluss an einen
bestimmten Magistrat seinen Wirkungskreis verengert sehen musste,
80 erhielt sich Aphrodite-Erinys ihre vollständige Popularität*); das
Aresopfer trat in den Hintergrund, diejenigen der Aphrodite erhiel-
ten sieh lebendig und blieben Bis Bezeichnung des ursprünglich ge-
*^ Nicht unmöglich, dass der fremde jüngere Name sein schlieasHch
fl^Lnzkches üebergewicht der kyklischen Thebals verdankt, welche
aen Querschnitt eines relativ späten Zustande gebend und festhaltend,
unter dem Einfluss des Homer und im Bestreben, die Fühlung mit diesem
zu wahren, manchen älter lurückführenden Zug verwischte, manchen
weniger charakteristischen Zug für immer in den Vordergrund rfickte
und so die Auf&ssnng des Demodokos schuf, der jedenfEiIls jünger ist^
als jenes von manchen Alten noch dem Homer selbst zugeschriebenen
Epos. Der Demodokosgesang fällt durch seinen frivolen Ton aus dem
Gesammtcharakter der Odyssee, die sonst im Gegensatz zur Ilias
eine durchaus würdige Vorstellung von den Göttern gibt, vollstöndig
heraus.
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734 K. Tümpel:
meinsamen Festtages bestehen, der doch als Nenjahrstag der Ares-
stadt und als Antritts- und Abscheidetermin der obersten Eri^rs-
beamten die Kehrseite seiner Bedeutung nicht verleugnen kann. —
So hat sich uns auf dem Umwege einer Betrachtung der Beziehungen
des Ares zur Aphrodite bewährt, was H. D. Müller bloss von
Ares allein aus in seiner Monographie bemerkt (p. 77): dass jeden-
foUs Theben ein Hauptpunkt für den Cnlt des chthonischen Ares
vor Alters gewesen sein müsse, und man es deshalb nur natürlich
finden könne, dass in einer thebischen Sage die alte Bedeutung
des Ares noch so stark durchschimmere.
§ 34. Opfer. Was nun das Opferwesen betrifft, so kann der
umstand, dass die Polemarchen bei der oben beigezogenen Gelegen*
heit, nach Plutarch Wein trinken, ebensowenig gegen, als für einen
bestimmten Cultgebrauch beweisen, zumal jedes anderweitige Zeng-
niss fehlt, und Engel, Kjpros II 269 mit Becht vielmehr nepha-
lische Opfer für Ares in Anspruch genommen hat, also weinlose.
Denn Polemon stellt (beim Schol. zu Sophokles 00. v. 100) die 'vn-
<pdXia kpd' den ^olvöcTrovba' scharf gegenüber. Dasselbe thut Por-
phyrion (Ant nymph. XIX), der sie als VcXiKpnTtt' erklärt*), weil
Honig der integrirende Bestandtheil derselben war. Honig ist aber
nicht nur die typische Opferkost der Schlangen (0. Jahn, ArchSoL
Beiträge 223^^), z.B. der Trophoniosschlange, sondern auch speciell
des Aresdrachens, dessen Cult doch mit dem des Ares selbst zu-
sammenflLlli So heisst es mit Bezug auf den sp&ter zum WSchter
der goldenen Hesperidenäpfel gemachten Ladondrachen, dass die
^sacerdos
Hesperidum templi custos epulasque draconi
quae dabat et sacros servabat in arbore ramos',
dies besorgte ^spargens humida mella soporiferumque papaver'.
Der schon dem Servius (zu dieser Stelle) aufföllige Widerspruch
zwischen der bezweckten W ach samkeit des Drachen und der schlaf-
bringenden Kraft des angeblich als Mittel zu diesem Zweck ver-
wandten Mohns zeigt deutlich, dass nur ein bestehender Opferbrauch
mit in die Erzählung schlecht und recht verflochten ist. Besser in den
Zusammenhang verarbeitet ist der Mohntrank bei ApoUonios Rhodios,
wo der Aresdrache (hier als Wächter des goldenen Yüesses) einge-
schläfert wird durch die ^q>dp|LiaKa' (Argon. 157) der Medeia (qxtp-
fidKUi £v|iiiX€ Onpöc Kdpr)' 164, ApoUodoros: ^bpäKOvra KaTaKOl^äcac
TOic qpapjLidKOic' (Bibl. I 9, 23, 11). Denn dass es sich hierbei wieder
um Mohn gehandelt haben wird, lehrt das genau entsprechende
^somniferum venenum' als Schlangenspeise bei Ovid (Metanu IX
693). Das ^q>ap|idcc€iv' betrifft eben die nothwendige Würze, die
beim Honigtrank nicht fehlen kann (cf. Plutarch. Symp. IV 6, 2
= Beiske Vm 672, 3), V^XiTCiov Ttivouciv uiroipap^dccov-
*) 'vii<pdXioi cirovbai ai 6id ^^itoc'
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Ares nnd Aphrodite. 735
T€C "rtiv T^wwirr^Ta olvujbcci ^iCaic Kai aucrnpaic. ''6XXiiV€C hk
vnqpAXia raOra koi ficXiCTTOvba Ououciv').
Diesen ^nephalischeii' Honig-Mohn-Trank bekam aber nicht nur
Ares und sein Drache, sondern anch Erinjs, wenn wir vom athe-
nischen Semnendienst auf den thebischen Muttercult schliessen
dürfen. Bei Sophokles (0. C. 461) soll Ismene den Erinjen opfern
^ubari ^€XiccTlC* iir]hk npocfpipexv jn^Ou' (Wein} und v. 100 heisst
der ihnen Opfernde ^vfJ9U>v doivoic', was Polemon (beim Scho-
liast zu dieser Stelle) erklärt: *oö T^p cir^vöcrai olvoc auraic ('Cpi-
vuci), &XX' 8bu)p, Kai vr)9dXiai KaXoCvrat a\ CTrovbai auTUJv'. In
den Eumeniden des Aischylos (108) erhalten sie ^xoac t^ doivouc,
V T) q> d X i a ^eiXiTMara'^ womit zu vergleichen ist Apollonios Rh. (Argon.
IV 712), wo Eirke den Erinjen darbringt: *TT€Xdvouc MciXiKTpd
T€ vii<paXir)Civ . . dir* cux^Xflciv (Preller, Polemon frg. p. 74).
Ueberall wird hier der Gegensatz zu den weinigen Opfern
als charakteristisch für die Nephalia hervorgehoben und Plutarch
sagt an der vorigen Stelle, wo von dem nephalischen Honigtrank
die Rede ist, ausdrücklich: *Kai toöto fjv ciTOvbfi Kai |Ltd0u irplv
äMTreXov q>avf\yai\ Damit hat der Gegensatz zwischen nephalischen
und weinigen Opfern die Bedeutung als Charakteristiken zweier ver-
schiedenen Zeitepochen erhalten, das noch eine genauere Bestim-
mung erh< durch Philochoros (bei Hesych. und Photius (lex.) s. v.
^vii9dXia l\)\a\ cf. Schol. Soph. 0. C. 100). Dieser nennt als von
den Nephalia principiell verschieden noch Feige und Myrthe unter
den ^olvöcncyba* (*viiq)dXia HtiXa* xd \xi\ djuir^Xiva, |Lt?iTe cuKiva,
MTJTe jLiupiva- dKcTva x^p olvöcTTOVba X^xcTai)'. Nun hat aber Hehn
(Culturpflanzen und Hausthiere etc.^ p. 83ff., 191ff.) nachgewiesen,
dass Feige und Myrthe erst von den semitischen Colonisten aus dem
Orient nach Griechenland herübergebracht worden sind, und hat das-
selbe auch für den Wein hoch wahrscheinlich gemacht, unter zwar
heftigem^ aber durchaus nicht entscheidendem Widerspruch A. M ü 1 1 e r's
vom rein sprachlichen Standpunkte (Bezzenberger, Beiträge p. 294).
Somit reducirt sich der zeitliche Gegensatz beider Opfer auf einen
Gegensatz zweier Culturen, der orientalischen semitischer Colo-
nisten, welche Wein, Feigen und Myrthen brachten, und einer ur-
griechischen, also indoeuropäischen, welcher die Nephalien eigen-
thümlich gewesen sein müssen. Und wirklich wurde der Honig
schon lange, bevor man von den Semiten Bienenkörbe anlegen lernte,
in den Wäldern Europas von wilden Bienen gesammelt (Hehn a. a. 0.
117, 134 ff.) und der Mohn ist, wie sein griechischer Wortlaut
^ifJKU)V (cf. G. Curtius, GZ^ 162) gegenüber der semitischen,
von der Kopfform übertragenen Benennung (hehr. V1l) zeigt, wenig-
stens nicht über Phönikien eingeführt, sondern ^wahrscheinlich ein
uraltes, mit dem Getreide als Unkraut aus Asien gekommenes Ge-
wächs' Hehn a. a. 0. 270). Sikyon, die semitische ^ Gurkenstadt',
existirte schon längst vorher als griechische ^Mohnstadt' Mekone
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736 K. Tflmpel:
(Hesiod. Theog. 536) und zur Erinnerung an jene yorsemitische
Epoche, in welcher es noch keine * Aphrodite' in GriQchenland gab,
trttgt die grosse sikjonische Göttin noch im Bilde des Eanachos
ausser dem orientalischen Granatapfel — den Mohn (Paus. 11 10, 4) .*)
Was endlich die Milch betrifft, mit welcher bei Enripides (Orest.
115) und nach Porphyrion (Ant Nymph. XXVIII), vielleicht auch
bei Homer (k 519j X 27) namentlich das den Todten gesp^idete
^füi6A(KpiiT0v', offenbar nach uraltem Brauch, gemischt war, so ist ihre
Verwendung bei den Nephalien von einem viehzüchtenden Volk auch
in vorsemitischer Epoche begreiflich.**) Sie wird übrigens aacb
bei den Kuchen, welche die Drachen (Paos. IX 39, 5) nnd die Erinyen
erhielten (Apollon. Rh. Arg. IV 712) nicht wohl gefehlt haben.
Auch die Pappelblätter und der Fenchel, welche bei Bekker
(Anekdota p. 279, cf. Gerhard, Akad. Abh. 11 44), als Schlangen-
kost vorkommen, sind indoeuropäisches Ureigen thum (Hehn270^). —
Ein weiteres Licht föllt auf diese Verhältoisse durch die Bück-
schlüsse, welche die Berichte späterer Hellenen über das gleichsei^e
Barbarenthum ihrer von orientalischem Einfluss unberührt gebliebe-
nen nordischen Stammverwandten gestatten. Denn solche sind be-
stimmt zu verstehen unter den V^ Trivovrec oTvov ßcipßapoi', welche
zur Zeit Plutarchs noch (*Ka\ |Lt^xpi vOv', Sympos. IV 6, 2) ^cXi-
xeiov TTivouciv uTTO(pap)üi<iccovT€C KTd, (siehe p.73ö oben). Er combinirt
richtig: *'£XXr^v€c viiqpÄXia raOra Kai jieXicirovba Ououciv, die
ÄVTiecTOV <puciv lidXicTa ToO fi^XiTOc irpdc töv oTvov Jxovtoc*.
Diese Barbaren hielten eben den Griechen nur die Verhältnisse ihrer
eigenen Vorzeit als eine Art „antiquit6 contemporaine^' vor, um einen
treffenden Ausdruck Max Müll er 's zu gebrauchen. Als drittes Argu-
ment für den vorsemitischen, autochthon griechischen Charakter der
Nephalien vermögen wir den umstand anzuführen, dass die übrigen
Gottheiten^ ausser Ares und Erinys, welche nach Polemon (a. a. O.)
zu Athen NephaHa erhalten, durchgehends rein griechische sind:
^TToXdjLiujv b^ dv Tij!» Trpdc Ti^aiov xal dXXoic ticI Oeoic vticpaXtouc
qpaci euciac x^v^cOai fp&qiwy oötwc *A6iivaToi T€ t^ • • • • vt|-
9dXia ixkv Wpd eüouci Mviijiocüvij Moiicij (Preller), *Hoi, 'HXii|i, Cc-
X^VT), Nu|iq>aic, 'AcppobiTq Oupav(<f'. Denn die Letztere haben wir
schon oben (p. 704) als eine nur semitisirte griechische Göttin erkannt,
*) Cf. p. 696**); so war auch DionysoB nicht von Anfang an spedell der
Weingott, sondern erhielt Nephalia, wie alle anderen Griechengötter vor
£infahnii]|f der semitischen Cultur (cf. Preller, Polemon a. a. 0.).
*^ Milch und Honi^ als Haaptingredientien der Phantasievorstellang
von einem seligen Jenseits oder Schlanraffenland (cf. Poes che 1 bei Pam
und Braune, Beiträge V 897 nnd überhaupt 891 ff.) harren noch einer
Specialontersuchnng. Material aus dem Griechenthum (Nektar >» Am-
brosia) hat, wie ich erst nachträglich ersehe, Bergk (Athenegebart:
Fleckeisens Jahrb. 81 (1860) 877—884), der in erfreulicher Weise mit dem
oben Gegebenen übereinstimmt, auf die ethnologische Bedentang des
Honigtranks aber nicht aufmerksam geworden ist.
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Ares tmd Aphrodite. 737
was sich hier durch die Nachbarachaft, in der sie erscheint, bestfttigt.
Eben so wird aber jede andere Aphrodite, bei der sich Nephalia nach-
weisen lassen, als nicht. genuin phönikisch gelten müssen.
Dies ist der Fall bei einer Venus in Born, derselben, deren
Bild , wie wir oben zu erwähnen Gelegenheit hatten, genau wie die
Aphrodite des Demodokosfesangs ein hochzeitliches Bad erhielt, nttm-
lieh die Venus Verticordia. Von ihrem Opfercult heisst es bei
dem durchaus authentischen Oyid in den Fasti (IV 151):
*Nec pigeat tritum niveo cum lacte papayer
Sumere et ezpressis mella liquata fayis.
• » *
Supplicibus yerbis eam placate; sub illa
Et forma et mores et bona fieuna manet
Roma pudicitia proavorum tempore lapsa est:
Cymaeam yeteres consuluistis anum.
Templa iubet fieri Veneri, quibus ordine faotis
Inde Venus yerso nomina corde tenet'.
Der Name Verticordia ist , wie auch aus ihrer auf gleich ethischem
Grundgedanken basirenden Stiftungssage (Valerius Max. Memorab.
Vin 15, 12) heryorgeht, eine genaue üebersetzung der ethischen
Apostrophia. und da wir die Wurzeln ihres Dienstes, der erst
114 a. Ch. (Preller, Böm. Myth. P 393) auf Geheiss der sibyllini-
sehen Bücher eingeführt wurde, mit Allem, was damit zusammen-
hängt, auf griechischem Boden suchen müssen (Klausen, Aeneas etc.
p. 285, Aum. 411 p.), so sind wir somit berechtigt, wirklich bei der
thebischen Aphrodite den Ursprung jener nephalischen Opfer zu suchen.
Barg diese doch thatsächlich, wie uns aus allen anderen Symptomen
feststand, einen alten griechischen Cult hinter ihrer semitischen Aussen-
seite. Wir haben also jetzt nicht nur Aufschluss über den Opfer -
dienst der Letzteren erhalten, wie schon yorher über die Festzeit*),
sondern finden auch das Henrorgehen der thebischen Aphrodite aus
der Erinys bestätigt, da diese yon den bei Polemon als nepha-
liache Opfer erhaltend aufgezählten Göttinnen einzig und allein in
Betracht kommen kann.
Aber noch nach einer anderen Seite hin müssen wir Oyid für seine
Nachricht dankbar sein, nämlich dass er uns noch einmal unwider-
stehlich den Ares als Gatten der Apostrophia und also auch der
Erinys erweist. Denn ßogar bei der ganz ethisch modificirten Verti-
cordia haben sich, und darum um so auffälUger, Erinnerungen an
diesen Optt erhalten, die der Art ihrer Erwähnung nach nicht der
neuen Heimath angehören, sondern bestimmt in Verknüpfung mit
den Nephalien aus Griechenland herübergekommen sind. In der oben
*) Dass Oyid das römische Fest der Verticordia am 1. April erwähnt,
dam allgemeinen Festtag der reinen semitischen Culte, ist für das üiebi-
8che Winterfest irreleyant
Jahrb. t olMt. Pha SuppL Bd. XL 47 C^ r^r^n\o
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738 K. Tümpel:
frei gelassenen Lücke unseres Citats ans Ovid steht nSmlich nocb
das Distichon:
^Cmn primnm cnpido Venus est deducta marito,
Hoc bibit: ex illo tempore nupta fuit'.
Hierin liegt der ausdrücklichste Hinweis, dass nicht jede beliebige;
Aphrodite, sondern eben nur die Verticoriia-Apostrophia, welche
aus der Erinys zu Theben hervorging, diese aber eben darum be-
stimmt, eheliche Ansprüche auf Ares besitzt
Der Schlussstein unserer Argumentation ist somit eingesetzt,
und unsere Beweiskette geschlossen; um jedoch die Bedeutungsfrage
unseres Programms erschöpfend beantworten zu können, bleibt noch
die Frage zu erledigen, ob nicht aus Winterfest und nephalischen
Opfern eine unbedingt chthonische Bedeutung von Ares, Aphrodite
und Erinys zu folgern seL Aber, was die Letzteren betrifft, so wurde
ja Musen, Chariten und Nymphen, dem Mond, der Sonne und der
Morgenröthe mit denselben Stoffen gespendet (offenbar ursprünglich
nur im Winter zum Emp&ng der Sommergötter, zu deren Abschied
im Sommer man Feldfrüchte hatte). Und auch das Winterfest hat
erst spSter sein ergänzendes sommerliches Gegenstück verloren, als
die beiden Götter in Folge von historischen Ereignissen in ihrer
Machtvollkommenheit auf die chthonische SphSre beschränkt wurden.*)
Dies ist aber, wie wir schon oben erkannten, unter dem Ein-
fluss der eindringenden Kadmos-Demeter-Keligion geschehen, welche
das ältere Götterpaar zu einem unterweltlichen, wenn nicht gehass-
ten, so doch gefdrchteten stempelte, zugleich aber durch die Macht
und das Ansehen des kadmischen Stamms bewirkte, dass trotz dieser
Degradation Ares als Ejriegsgott in den olympischen Himmel des
polytheistischen Systems einging. Eine Spur der früheren Universa-
lität scheint sich noch erhalten zu haben in dem athenischen Ares-
hügel, aus dem sich ungezwungen ein Bergcult des Ares ergibt;
dadurch käme die Preller'sche Beobachtung zur Geltung, dass die
Erinys, neben der wir einen alten Aresdienst immer vorauszusetzen
haben, sich überall an Berg und Quellschlucht anschliesse. Ist
nun letztere weiter nichts, als eine Localisirung des rein mythisch-
ideellen Gebiets des chthonischen Jenseits, so wird die demffimmel
benachbarte Bergspitze ungezwungen als Wohnung des Himmels-
gottes, also als Localisirung eines oberweltlichen Diesseits gelten,
ähnlich wie ausser anderen Bergen namentlich der Olympos. Berg
und Quellschlucht entsprechen also in ihrer sich ergänzenden
Gegensätzlichkeit von Seiten des Cultes der mythischen Doppelphase
des Gottes im Sommer und Winter. Mit der Unterdrückung der
sommerlichen Lichtseite des Ares verschvrinden auch seine H5hen-
culte, von denen sich nur zu Theben in der Wintersonnwend-Berg-
*) Weni|;8tenB^ scheint der Rest eines Mythos und Festcnltes am
Sommersolstitium in dem Opfer des Menoikeus erhalten va sein, dessen
treffende Besprechung durch 0. Müller wir p. 714 citirten.
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Ares und Aphrodite. 739
feier auf der Akropolis ein üeberbleibsel erhalten haben mag.*)
Wurde also schon in der Ilias Aphrodite als Ausländerin von den
hellenischen Yollblutgöttem gehöhnt und gescholten, so haben diese
als Olympier in der Odyssee bei der chthonisch auftretenden Eypris
doppelten Grund. Das HohngelSchter und die Schadenfreude der-
selben empflbigt die ungewohnte Verfassung, in welcher die längst
gekannte Aphrodite Eypris der Ilias in dem Odysseegesang über
Theben her einen neuen £inzug in die griechische Götterwelt hält.
Hinter der Motivirung des ionischen Bhapsoden lag vielleicht eine
aiolische Tradition, welche an die chthonische Bedeutung des Mythos
noch bewusste oder unbewusste Beminiscenzen bewahrte. Wenig-
stens bleibt die Erweiterung, welche Demodokos seinem Stoff durch
das Götterpublicum angedeihen liess, dem alten echten Charakter treu.
Denn der Hass der üranionen, welcher so überraschend gegen die
^dv^pTcpot' zum Durchbruch kommt, ist der beste Commentar zu den
Epitheten *CTUT€p6c' und 'fxöiCTOC ßpoTiuv', welche Ai-es (IL B 479,
C 209; € 890, 897 ff.) mit vielen anderen chthonischen Wesen theilt
(H. D. Müller, Ares p. 60)*). Diese Vermuthung wird genährt durch
die Genealogie des mit boiotischen Culten wohl vertrauten Hesiodos,
welcher den beiden fürchterlichen Gesellen Deimos und Phobos,
die doch eigentlich nur den Ares angehen, die Aphrodite zur Mutter
zu geben wagt; worüber sich schon Welcker (G. GL. I 420) und
Schwenck (I 244) gewundert haben. Die Sonderbarkeit schwindet,
wenn man annimmt, dass noch eine Erinnerung sich erhalten hatte
an die chthonische Natur der Aphrodite-Erinys im Localcult, an welche
sich solche ungeschlachte Wesen gern anschliessen mochten.
*) Wie ich nachträglich sehe, stimmt diese Beobachtung überein
mit den Nachweisen, welche Bergk in seiner vortrefflichen Abhandlung
„Geburt der Athene'' (in Fleckeisens Jahrb. 81 (1861) p. 28;»— 319;
377—424) für eine urgiiechische Vorstellung vom flimmelsberg mit
daselbst aus Felsspalte hervordringendem Götterquell (Ladon, Styx,
Acheron, Lethe, Acneloos, Okeanos) gegeben hat. Wenngleich bei gänz-
lich abweichendem Auegangspunct jegliche Berührung mit H. D. Müllers
Forschungen fehlt, so arbeiten sich doch beide Gelehrte entgegen und
treffen zusammen : nur dass, was letzterem als ausschliesslich chthonisches
Jenseits erscheint, von Bergk als ein olympisches gefasst wird. Da aber
bei dem ursprünglichen geocentrischen Standpnncte jenes Gewässer auch
nach Bergk nar das Erdenrund vom äusseren Jenseits trennen sollte, als
dessen Localisirung der Felsspalt feststeht, so kann die Bergspitze bloss
als irdischer Cultmittelpunct verstanden werden: als Aufentiialtsort der
Gottheit während ihres irdisch- präsenten Segenswirkens im Sommer,
also ihrer olympischen Diesseitigkeit. Das Jenseits bleibt folglich mit
H. D. Müller prägnant chthonisch (Die Vorstellung vom reinen Zenith
(unserem 'Himmel') als ursprünglicher Wohnang des Naturgottes setzt
ohnehin eme für die älteste Zeit undenkbare Abstraotion voraus). ~- Da
übrigens Bergk in den verschiedensten Ausdrucksformen immer den gleichen
Urtypns nachweist (so p. 393), so bedürfte es nur einer Vertheilang dieser
parallelen Vorstellnngscomplexe vom GOtterheim an die entsprechenden
Stammmythologien, um beide heterogenen Forschungen wechselseitig zu
befruchten und nach gemeinsamem Ziel zu richten.
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740 K Tümpel:
Wir haben uns schon länger um die Schwelle bewegt, über
welche hinweg der Weg ans dem loealen in den nationalen Beli-
gionskreis führt; bevor wir aber betrachten, was aus. dem Mythen-
Stoff in der Behandlung durch die Panhellenen geworden ist, sei
noch der Möglichkeit gedacht, dass in einer herolfschen Metamorphose
sich UQser Paar anderweit erhalten habe. Ohne andere Möglichkeiten
ansschliessen zu wollen, sei kurz bemerkt^ dass Preller (G. M. n~
384 ff.) in Oinomaos und Hippodameia unser Paar wiederzuerkennen
glaubt: Oinomaos heisst Sohn des Ares und der ^'Apiriva, was an
Harpje erinnert; Hippodameia geniesst die Gunst der Aphrodite,
trägt sogar ein Epitheton derselben als Namen; sie wird Ton den
Eleiem als Stifterin eines Wettlaufs der Mädchen zu Ehren der Ehe-
göttin Hera erwähnt. — Daraus wttrde immer nur folgen, dass sie
Tochter des *Oinomaos-Ares' wäre. Eine Zurückweisung hat schon
gegeben H. D. Müller (Myth. I 108)^), auf die wir verweisen.
Absohnitt U. Die Träger der Verbindimg.
§ 35. Die IHonaia der Ächaier. Wir haben im Vorstehenden
zu beobachten Gelegenheit gehabt, wie sich im Epos der locale
Charakter des thebischen Paares veränderte. Aber wir haben uns
nicht gefragt, q,us welcher Quelle dieser veränderte Charakter fliesst.
Die Antwort ist leicht. Die Aphrodite Homers, die uns in der Ilias
begegnet, zeigt ein ganz entgegengesetztes Wesen, und dieses ist
auch bei der Wiedergabe eines heterogenen Mythos das Ausschlag-
gebende gewesen. Die ins System aufgenommene ^Atoc GuYarnp'
ist theils dardanischen Ursprungs: Gattin des Anchises und Mutter
des Aineias, theils achäischen, als Tochter der Dione von Zeus. Es
ist ziemlich gleich giltig, ob die Aphrodite mit der Dione selbst
zusammengeflossen ist*); wie Gerhard, oder bloss mit einer Toch-
ter, wie Welcker will. Zurückzuweisen ist nur, was E. Gurtins
(Gr. Gesck, P 94) sagt: ^Der pelasgische Zeus blieb auch in
Dodona nicht allein, sondern ihm wurde die aus fernem Morgenland
herüberverpflanzte Göttin der schaffenden Naturkraft unter dem
Kamen Dione verbunden'.**) Das Richtige hat wahrscheinlicher Weise
*) Wofür man nicht die heiligen Tauben der Dione anffihxen darf;
denn diese gehören zu der dunklen aütochthonen Wildlingsart, welche
mit den erat Anfang des 6. Jahrh. nach Griechenland kommenden weissen
zahmen, ursprünglich centralasiatischen, dann palästinensischen Cult-
tauben der Semiramis (Astarte, Baaltis) nichts zu thun hat (Hehn, Cal-
turpflanzen etc. 298' ff.).
**) Mit Berufung auf Welcker, der ja aber Aphrodite mit einer
Tochter der Dione zusammengeflossen denkt (I 362). Seine Ansicht
entspricht eher dem Gedanken Schwencks (Myth. lY 218^, „die Himmels-
königin sei aus dem semitischen Lande zu dem griechischen Himmela-
künig nach Dodona gebracht worden, von wo sich der Cult aber nicht
unter dem Namen der Dione verbreitete, sondern unter dem der Aphro-
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Ares und Aphrodite. 741
H. D. Müller getroffen (Mjth. 11 208), welcher annimmt, die Ver-
schmelzung Bei auf Ejpros vor sich gegangen durch Vermittlang
der ach&ischen Colonie von Zeus-Dipnedienem unter Teukros Tela-
monios zu Salamis.
Aus diesen Elementen setzt sich die dichterische Aphrodite des
achäisch-aiolisch-ionischen Epos zusammen; und es erklärt sich, wie
gerade bei den leichtlebigen lonern Aphrodite jenen bestrickenden,
liebreizenden, aber auch moralisch unbedenklichen Charakter ent-
wickeln konnte, den sie auch bei ihrem Verhfiltniss zu Ares zeigt;
denn die Eleinasiate« hatten nichts yon dem schwerblütigen Wesen
der Thebaier, yon denen sie die Verbindung einer düsteren Aphro-
dite mit Ares überkamen, um sie auf ihre heitere Olympierin zu
übertragen. Verlor jene dadurch ihren eigenthümlichen Charakter,
so tauschte sie dagegen die Unsterblichkeit ein; büsste das Paar
auch seine Würde ein, so empfing es doch als Ersatz eine Verbrei-
tung durch Dichtermund über ganz Hellas und über dessen Grenzen
hinaus. Ist es doch ebenso gegangen mit Eros' Verhältniss zu Aphro-
dite, einer Verbindung, die eigentlich nur die Aphrodite Melainis
(eine chthonische) zu Thespiai angegangen zu haben scheint, wäh-
rend später dayon nichts zu bemerken ist.
Hatte schon der Dichter des Demodokosgesangs den düsteren
Grundton des chthonischen Mythos unter den heiteren Farben der
homerischen LiebesgOttin verdeckt, wie viel mehr der Nachdichter,
und gar der Künstler, der sich an religiöse Dogmatik ohnehin nicht
kehrt, und im Sinne des poetischen Natdonalschatzes operirt. So er-
scheint auf dem archaistischen borghesischen Zwölfg5tteraltar, der
doch auf ein altes Original zurückgehen wird, Aphrodite schon mit
der Taube in der Hand, dem Lieblingsthier der Eypris-Dionaia. Ja
sogar im Cult gerieth, wie es scheint, der ältere chthonische Cha-
rakter der Aphrodite in Vergessenheit; wenigstens ist in Megale-
polis zu Fausanias* Zeit gerade der Name der ^Apostrophia' in Ver-
gessenheit gerathen, trotzdem ihr Xoanon so gut erhalten war , wie
zu Theben. Vermuthlich hielt man die Fandemos für die Gattin des
Ares, wdcher seinen Tempel gleich daneben hatte, oder gar die Ura-
nia, was zu dem Zeitpunct der Gründung von Megalepolis (370 a. Ch.)
freilich noch nicht der Fall gewesen sein kann, in der späteren Zeit aber
bei solch künstlich geschaffenem Cult nicht zu den Unmöglichkeiten
gehört. Ein religiöses gemeinsames Fortleben von A. u. A. in der
orphischen Mystik hat willkürlich Creuzer (Symb.H 297) angenom-
men, und Engel (Kypr. II 208) hat es ihm nachgesprochen; allein
ohne Grund, wie ein Blick in Lobecks Aglaophamus lehrt: die Be-
hauptung schwebt völlig in der LufL In einer anderen Form da-
gegen hat sich die Nationalreligion des Paares bemächtigt, um es
dite von Kythere und Eypris*'. [Eine Abfertigung dieser Meinung bei
Müllenhotf, deutsche Alterthumskunde (p. 71) ohne Namennennung.]
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742 K. Tfimpel:
der Gefahr des Vergessenwerdens zu enireissen, nämlich im Zwölf-
göttersystem.
§ 35. D<is ZwölfgöUersystem. Dieses hat an der Gruppining
von Ares und Aphrodite auch in solchen Zeiten festgehalten, wo die
Erinnerung an dasselbe fast ans dem Gedftchtniss der Zeitgenossen
geschwunden zu sein schien. Zugleich reicht es in eine wenig be-
kannte Zeit zurück, so dass man es geradezu als Beweis ftkr die alte
Bedeutung und Würde unseres Paares beiziehen kann. Denn seine
erste Erwähnung findet sich im Anfang des 8. Jahrhunderts, wie
Ch. Petersen (Zwölfgöttersjstem II, 1868, Hanburg. Progr.) nach-
gewiesen hat, nicht Ende des sechsten, wie noch 1876 Flasch (Par-
thenonfries p. 25) schreibt. Die Paarung von Ares und Aphrodite
unter den Zwölfgöttem ist aber zu allen Zeiten so constant, dass
wir sie auch flir jene frühe Zeit annehmen müssen, gegen Gerhard,
welcher (G. M. § 353, 2) es für möglich hält, 'dass Ares mit der
Aphrodite zugleich erst spät in die hellenische ZwöLfgötterzahl auf-
genommen sei, und dass sie daselbst möglicherweise wegen des haupt-
sächlich aus italischem Brauch bekannten Alters dies^ Paarung ver-
bunden worden seien'. Denn die Königszeit Bioms hatte noch keine
VenuS; und der späteren Paarung derselben mit Mars ist erst nach-
träglich rückwirkende Kraft gegeben.
Zugleich muss gegen die Aufißeissung Welckers, der Ares und
Aphrodite im Zwölfgöttersystem nur zur nothdttrffcigen Baumaus-
füUung ein- und nebeneinander treten lässt, Verwahrung eingelegt
werden, da gerade das System durch die Constanz seiner Paarung
merkwürdig abweicht von der Freiheit, mit der sonst in Gülten und unter
den freien Götterversammlungen der Kunstwerke sich Aphrodite an
alle möglichen anderen Götter anschliesst. War es z. B. nicht möglich,
dass Poseidon, der seinen Platz neben Demeter und Athene wechselt,
einmal neben Aphrodite, und Ares neben Athene trat? und doch
kommt dies nie vor!*) — Wenn man bedenkt, welch' weite Verbrei-
tung die Zwölfgötter hatten, so begreift man, was für eine kräftige
*) Die einzige Ausnahme bildet die Anordnung der ZwGlfgötter,
welchen der Argonautenaltar am Pontos ^stiftet sein sollte. Sie heissen
in der von H. Keil yerglichenen Mediceischen HaDdschrift der Scholien
zu ApoUonios Bhodios (Argon. II 632), anders als in den gedruckten Texten,
folgendermassen (cf. Gerhard, Ges. Ak. Abh. 1 209) '*) : ' Zeus , Poseidon,
Hades — Hermes, Hephaistos, Apollon — Demeter, Hestia, Ares(!), Aphro-
dite, Athene'. Ahrens bat (Phil.-Vers., Haunover 1864, p. 3—24) statt
'"Apiic' gesetzt '"Hpa, *ApT€|uiic', und so zwei regelmässige Gruppen su
sechs Göttern nnd Göttinnen hergestellt, die unter sich wieder nach der
Anciennetät getheilt sind. Hier erscheint also Aphrodite nicht neben
Ares 7 aber dieser fehlt dafür auch gänslich. An seiner Statt ersdieint
Hades, — ob in einem dunklen Bewusstsein ihrer gleichen Bedeutung?
Zorn mindesten ein sehr merkwürdiger „Zufall" gerade bei dem Ar^-
nautenmythos, in welchem sich die Erinnerungen an die chthonische Natnr
des Ares und seiner Unterwelt Aretias im Gedächtniss der Aigeier so
kräftig erhalten hatten I
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Ares and Aphrodite. 743
Stütze unser Paar aD ihnen hatte. Ist es doch den Bömern erst of&-
ciell bekannt geworden durch jenes Lectistemium der Zwölfgötter,
welches die sibjUinischen Bücher aus dem aiolischen Kymai an-
empfehlen.
Ein dritter berufener Trftger aber sollte Athen werden; und
was diese Stütze für unser Paar leistete, war nicht eine formelhaft
starre Conserrirung , wie sie dem Zwölfgötter^ystem verdankt wird,
noch eine sinnlich würdelose Weiterbildung der epischen Leicht-
fertigkeiten, sondern eine lebendige Fortführung durch die Kunst,
welche die diyergirenden Fttden des poljtheltstischen Systems und der
epischen Poesie nüt einander verknüpfte.
§ 37. Die atHscJte Sunst. Auch in diesem Fall bewährt sich
die gerühmte Theoxenie Athens, wie eine kurze Musterung der Monu-
mente guter Zeit beweist. So treten uns gleich die Merkmale atti-
scher Werkstatt entgegen an der Fran9ois-Yase (§ 11 Nr. l), wo
die Aspiration von ^HAct>POAIT€' (auf einem anderen Felde, als
dem oben § 11 berührten) den Athener verräth (cf. Kühner, Gramm,
d« griech. Sprache p. 101 ff. § 22, 10). Die volcenter Schale des
Brittischen Museums (Nr. 6) hat einen deutlichen Atticis-
mus in der Legende *€PP€ct>A', die nur zu 0€pp^(paTTa ergänzt werden
kann, einer Namensform, die durch Demosthenes (Konon § 8, p. 470;
c£ 1259, 5) und Piaton (E^ratylos 404) als eine speciell im attischen
Munde beliebte Eustomie verbürgt ist Ebenfalls als attisch gibt
die Euxytheos-Oltos-Yase (Nr. 4) sich zu erkennen durch
die Legende: *A6€NAIA', welche die stehende Namensform dieser
Oöttin auf attischen Inschriften vor Eukleides gibt — Für die beiden
Athenegeburten (Nr. 2, 3) hat Löschke peloponnesischen
Ursprung der Erfindung des Sujets nachgewiesen (A. Z. 1 8 7 6 , p. 108 ff.).
Seine Argumente sind sprachliche Missverstftndnisse des archa;isti-
schen Copisten, der also jedenfalls einem anderen Dialekt angehört,
tun wahrscheinlichsten, wie Löschke sagt (p. 110), dem attischen.
Auf gleiche Vermuthung führt auch die auf anderen rothfigurigen
Vasen (C. I. Gr. IV 7402, 7403) wiederkehrende Beischi-ift der
Pariser Vase (Nr. 5): HIAeieYlA (statt 'eiAeieYlA'), die am
besten sich durch den Hinweis auf die schon beider Lesung ^HA0PO-
AIT6' bemerkte Neigung der Athener, vocalischen Anlaut zu aspi-
riren, erklärt. Henzen (A. d. I. XIV p. 94 f.) will zwar behaupten,
dass diese aspirirte Form einen selbständigen Ursprung vom Stamm
MAA-Q', attisch \X^O|iai, tXeuüC etc. habe, mit der Bedeutung ^die Huld-
reiche'. Allein diese Ableitung würde, da eine von Henzen noch nicht
gekannte Vase (M. d. I. IX, T, 55) auch 'HEAeiGYA' als lebende Form
bezeugt, immer nur den Werth einer Volksetymologie besitzen, durch
welche das Idiom seine Abweichung zu rechtfertigen sucht Dieses selbe
eigenmächtige Verfahren nun, das der Copist bei der Uebertragung der
Inschriften, wohl mehr unwillkürlich, einschlug, sind wir auch da voraus-
zusetzen berechtigt, wo sich Abweichungen vom Per sonal des gemein-
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744 K. Tümpel:
samen peloponnesiBchen Typus zeigen. Dieser Fall tritt ein bei unseres
Paar. W&hrend die auf attischen Darstellungen (nach LGschke) nie
Yorkomxnende Aphrodite auf den Copien des abweichenden pelopon-
nesischen Schemas beide Male vorhanden ist, erscheint auf der einen
dieser Nachbildungen, dem Pariser Bild, auch Ares, der sonst nur
auf attischen rothfigurigen Athenegeburten zugegen zu sein pfl^t
Und er erscheint offenbar in Erinnerung an die alte Verbindung beider
G5tter: denn sie stehen neben einander. Für die
Blacas'sche (Nr. 3) und die Sosias-Schale (Nr. 5)*) ist
attischer Ursprung wieder nahegelegt durch die Verbindung von
Herakles mit Athene, und aus dem gleichen Grunde fOr das archaY-
sche Original des capitolinischen Puteais.
Wenn wir von der aus korinthischer Eunstttbung hervorgehenden
Kypseloslade und den Darstellungen des Zwölfgöttersystems absehen,
sind also in gut griechischer Zeit Ares und Aphrodite nur von der atti-
schen Kunst, und zwar immer in ehrbarer Weise, sehr wahrscheinlich
als Ehegatten, wiedergegeben worden (auf dem Bild des Herakleioten
Zeuxis sind sie zum mindesten sehr zweifelhaft); und wollen wir die
Zwölfgötterdarstellungen mit einrechnen, so sind wieder die beiden
einzigen Kunstmaler, die in Betracht kommen, Euphranor und
Asklepiodoros, nach Plutarch (de gloria Athenienium 11 «»= Over-
beck, S. Q. 1109) Athener. Die monumentale Kunst freilich verhSit
sich sonst zurückhaltend. Was den plastischen Fries des Athene-
Niketempels betrifft, so braucht wohl kaum erwähnt zu werden,
dass der Gerhard'sche Beconstructionsversuch , auf welchem A. u.
A. auch vorhanden sind, auf zu schwachen Füssen steht, um auf
mehr als das PrSdicat der Möglichkeit Anspruch machen zu können
(Abh. d. Berl. A. d. W. 1840: T. IV 2 — Ak. Abh. T. XVm 2).
In der Götterversammlung bei der Aphroditegeburt, welche das Bathron
des Olympischen Zeus von Pheidias zierte, fehlt Ares (Paus. V
11, 3). War hier vielleicht Hephaistos der Bevorzugte? Gerhard
behauptet es (Ak. Abh. I 199)*^, indem er meint, die Absicht des
Künstlers war, die Aphrodite als zwölfte Gottheit in den Kreis der
Olympier aufisunehmen, was er erreiche nicht durch ihre Verbindung
*) Gerhard sieht hier eine Einmischung desBelben unter die Zwölf-
götter, die ihm selbst 'befremdlich' erscheint (Ak. Abh. I 198 ff.). Das
Auffällige schwindet, wenn man, wie billig, auf eine Annahme des
Zwölfgöttersystems hier verzichtet. In Wahtheit ist Herakles hier der
elfte oder der siebzehnte, nicht aber der zwölfte. Denn Athene nuioirt
Tollständig mit Artemis (oder 'ApoUon' Robert) und Hermes, und
Hephaistos sollte ganz unter der 'athenischen' ZwölfgÖttensahl fehlen?
Nimmermehr! Die Zusammenstellunff ist eben zwanglos, von jenem Systeim
unabhängig: ein Canon nicht beabsichtigt. Om bo lebendiger tritt uns
somit Ares und Aphrodite hier entgegen. — Zugleich ein Beweis ffegen
Welckers Ansicht vom attischen Ursprung des Zwölfgöttersystems: hätte
er Eecht, so dürfte darunter das Paar Herakles - Athene unter keinen
Umständen fehlen.
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Ares and Aplirodite. 745
mit Eros, sondern darob ihre Paamng mit Hephaistos. Dieser ist
in den Text sehr gat hinein oonjicirt von Brunn (E. Qt. I 175) auf
Grund der symmetrisolien Ei^tsprechung der beiden Flügel der Dar-
stellung:
Helioa Sroi Peitho Selene
Zew [Hephaistoi] Hennei Aphrodite ApoUon Hcrftklea Powidon
Hars Oharis HMtU ArtoniU Athene Amphitclte.
Dann ist aber auch Charis die Genossin des Hephaistos, wie auf dem
anderen Flügel Athene die des Herakles, und an einen Bezug des
Hephaistos auf Aphrodite kann gerade nicht gedacht werden, da
Charis die Gattin desselben in der Hias ist (C 382). Vielmehr
war es gerade die Absicht des Künstlers, die erotischen Beziehungen
der Aphrodite bei ihrer Geburt fern zu halten. Sonst würde er
einen so seltenen und offenbar wenig anerkannten Mythos (wenn
man es wirklich Mythos nennen darf), wie der von Charis als Gattin
des Hephaistos, nicht hervorgezogen haben, um diesen Gott ander*
weit zu binden. Gleiche Mittel standen ihm für Ares nicht zu Ge-
bote , und deshalb Hess er ihn weg: Beweis genug, dass im Volks-
bewusstsein seine eigentliche echte Gefmurtin Aphrodite war, und
dass dieses Bewusstsein lebhaft genug war, um mit ihm rechnen zu
müssen. Besser konnte Ares seine alten Ansprüche auf Aphrodite
gar nicht behaupten, als dadurch, dass er bei ihrer Gebart fehlt.*)
Nicht unwahrscheinlich ist eine Anwesenheit von Ares und
Aphrodite unter den zwölf Göttern der Pandorageburt am Sockel der
Athene Farthenos von PheidiaS; obgleich gerade dieser grosse
Künstler die combinirte Darstellung unseres Paars absichtlich ver-
mieden zu haben scheint^ wohl aus dem Grunde, den F lasch (Par-
thenonfiies p. 33) geltend macht: ^Ares muss von seiner Geliebten
getrennt werden. Ihr buhlerisches Wesen soll nicht durch diesen
Zug hervortreten'. Und wirklich ist es ansprechend zu vermuthen,
dass in Athen wenigstens das Bewusstsein von der religiösen, ernsten
Bedeutung dieser Paarung, wie sie noch den archaischen Vasen-
malern vorschwebte, schon damals im Schwinden war**), und die Er-
*) Doch vielleicht hatte Gerhard Recht, wenn er trotidem wegen
der 3 flankirenden GOtterpaare ein ZwÖli^Ottersystem individuell atti-
scher Modification erkannte? Denn wirkhoh sind Peitho und Eros, so-
wie Helios und Selene seeundftr; auch Amphitrite ist wieder da, und
Aphrodite ist ja &oti8ch die dreiiehmte. Aber — Demeter fehlt, und
da Charis rein' episch ist, und die Veränderungen im Personal lediglich
der Aphrodite zu Liebe vorgenommen sein können, so lässt sich bestimmt
vermuthen, dass die Zwölfzahl hier nur als eine aus der symmetrischen
Composition heraus sich empfehlende gewählt war, vielleicht in Erinne-
rung an das ilteire S^st^n, dessen Integrität aber durch solch' freie
Copie nicht alterixt wurd.
**) Damit ist selbstverständlich die Möglichkeit, dass zu Caltzwecken
eittfe emstreligiöse Gruppirung beider GöUer beliebt sein k^nne, ganz
nach Weise der arofaa'isohen Darstellmigen, durchtfüs nicht beschiftutt.
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746 K. Tümpel:
innemmg an dieselbe nur mehr in der Skandalficene des Odyssee-
gesangs wurzelte. Aus solchem tiefem Verfall musste Hellenismus
und Rom unser Paar retten und emporziehen!
Schlusswort.
Recapitnlation der Resnltate.
§ 38. Historischer Überblick, Blicken wir jetzt auf die Er-
gebnisse unserer Untersuchung, so dr&igt sich uns die grosse Be-
deutung auf, welche die verschiedenen Entwickelungsphasen der Aphro-
dite fOr den Charakter ihres Verhältnisses zu Ares gehabt haben,
während an Ares mit Ausnahme seiner nicht mehr verfolgbaren Er-
hebung zum Eriegsgott die Zeiten ziemlich spurlos vorübergegangen
sind. Wir sahen aber auch die üebergänge, welche die Gattin des
Ares erlebt, ziemlich eng mit den grossen Periodenwendepuncten der
griechischen Geschichte verknüpft. Nur in unbestimmten Umrissen
schauten wir in dem Dunkel vorhistorischer Zeit in dem spftteren *Boio-
tien' einen Stamm, den der Äonen, mit Schlangensymbol und Höhlen-
cult ihres Götterpaares, in dem Augenblicke auftauchend, wo er seine
Selbständigkeit an einen von Norden her schiebenden und gescho-
benen mächtigeren Stamm, die kadmischen Argiver, verliert, und in
seinen überbleibenden Resten ein neues G^meindewesen mit gründen
hilft. Die beiden obersten Gottheiten, die er verehrte, Ares und
Erinys, werden unter dem Druck der Eadmos (Hermes) -Demeter-
Religion in eine chthonische, niedrigere Werthstufe hinabgedrückt,
treten aber durch eine genealogische Verknüpfung in die neue Re-
ligion mit hinüber. Durch eine Wandlung, die sich unseren Blicken
entzieht, aber überall ihre Spuren hinterlässt, geht an einem
uns nicht erkennbaren Zeitpunct, wohl durch eine Berührung mit
semitischen Einwanderern, welche den Bilderdienst brachten, aus der
Erinys eine Aphrodite-Erinys an der Seite des Ares hervor und tritt
mit diesem an die Spitze des zu einer Stadt sich verdichtenden Ge-
mein de lebens Theben. Etwas mehr lichtet sich das Dunkel, das
über diesen Anfängen ruht, in jener glücklichen Epoche, welche nach
dem unstäten Wanderleben voll Kampf und Blut den segensreichen
Frieden des homerischen Zeitalters brachte. Die olympische Götter-
familie übt ihre ausgleichende und verschmelzende Kraft, der auch
das alte thebische Paar auf die Dauer sich nicht entziehen kann. Der
Gott des Krieges und die Göttin der Liebe, die in der Dias noch
unverbunden neben einander hergingen, bloss durch ein geschwister-
liches Verhältniss und als Fremdlinge vom frei werdenden National-
stolz der Panhellenen verbunden, die sich ihrer uralten Volkszusam-
mengehörigkeit bewusst werden und auf die fremden Eindringlinge
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Ares nnd Aphrodite.. 747
mit Verachtung und Hass herabsehen: sie erscheinen in der jün-
geren Odyssee, in einem ihrer spätesten Theile, in Liebe verbun-
den. Dieselbe Zeit also, welche den ersten Versuch machte, die
kriegerische Urania von Eythera mit der weichlichen Aphrodite von
Kjpros za verschmelzen, die Zeit Hesiods und des homerischen
Bhapsoden des Demodokosliedes , zieht die beiden thebischen, als
Qatten vereinten Götter aus ihrer localen Verborgenheit ans Licht:
der eine durch einen trockenen Bericht, der durch genealogische
Verknüpfungen (Harmonia, Deimos und Phobos) noch dankenswerthen
Localton trug, der andere mit der ganzen naiven Heiterkeit und Phan-
tasiefülle des ionischen Epikers. Angesichts des parteiisch gef&rbten
Vorurtheils der übermüthigen Olympier verwandelt sich der ehr-
würdige, aber verlegene Localmythos auf Orund der fremden (se-
mitischen) Maske, welche die echtgriechische Oattin des Ares vor-
genommen hatte, in eine ehebrecherische Skandalscene zweier
Barbarengötter voll Spott und Demüthigung, nach welcher sie Beide
zur Genugthuung der seligen Griechengötter beschämt in ihre Hei-
mathen, nach Norden und Süden, abziehen.
Aber Grosses wird damit erreicht: ganz Hellas nimmt nun
Antheil an unserem Paar, nicht bloss einige wenige Töchterculte von
Theben. Bildende Kunst und Handelsverkehr (im Zwölfgöttersystem)
vereinigen sich mit der Poesie, um dem Paar seinen Platz in dem
Anschauungsbereich von Hellas zu sichern. Aber bald erlahmt das
Interesse, und erst die erneute Belebung der antiken Welt durch
die Aufschliessung des Orients erweckt auch hier neue Lebenskraft.
Das kosmopolitische Streben jener erweiterten Weltanschauung zieht
jetzt die orientalisch conservirten Culte der bewaffneten Kythereia in
den Kreis seiner Betrachtung. Bei seiner Rührigkeit und Gewandt-
heit war es dem Alles nivellirenden und namentlich Fremdartiges
mit Leidenschaft aufgreifenden Hellenismus ein Leichtes, die pi-
kanten Beziehungen, welche die Bewaf&mng dieser Aphrodite zu
jener Verbindung mit Ares darbot, ausfindig zu machen und zu ver-
werthen. Auf der breiten Basis der über das Griechenthum hinaus-
wachsenden Cultur der antiken Welt fällt nun das mehr und mehr
orientalisirte Paar nach dieser dritten Metamorphose, getragen von
den Fittichen eines philosophischen Gedankens und verherrlicht von
der Kunst, seinen Einzug in das jung aufstrebende Bom, das ihm
eine zweite Nachblüthe bereitet. Der jugendfrische neue Träger der
antiken Cultur empföngt die Ankömmlinge mit immer wachsender
Begeisterung. Wird es doch auch wie eine Prophezeiung für die
Republik, die sich auf das Caesarenreich vorbereitet, wenn Mars-
Ares, der Stammgott des römischen Volkes mit der Venus Victrix
des julischen Geschlechts nun als schon seit uralter Zeit eng ver-
bunden gelten kann!
Als Eltempaar des kaiserlichen Roms erlebt in seiner letzten
Umwandlung unser Paar eine politische Bedeutung, die ihm auf
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748 E. Tämpel:
griechischem Boden nicht beachieden war. Denn wenn auch in der
späten Zeit seiner Hegemonie Theben den Versuch madite, seine
Gälte seinen Schützlingen (z. B. in MegalepoUs) aufzudringen, so hat
doch die Entwickelung der Stamm götter zu Gemeinde- und Stadt-
gottheiten nicht durch eine letzte Steigerung die nationale Weihe
in einem griechischen Einheitsstaat unter thebischer Aegide ge-
funden.
Der Wendepunct aber, an welchem das Schicksal unseres
Paares zum Besseren umschlug, ist das alexandrische Zeitalter; das
Geheimniss, aus dem es sich erklfirt, wie an die Stelle einer schiefen
Ebene eine Klimax treten, wie eine consequent fortschreitende Ver-
kümmerung in einen Aufschwung umschlagen konnte, der in seinem
Zielpunct den ursprünglichen Ausgangspunct überragt: dieses Ge-
heimniss liegt in der Stellvertretung, welche die sinnlich yerweich-
lichte kyprische Bastardgöttin sich geMlen lassen muss seitens der
rein erhaltenen, stolzemsten Göttin von Askalon. Sie fesselt nach
gut orientalischer Weise herrschsüchtig den Ares in ihren weichen Ban-
den. Was der Ejpris nicht gelungen war, den Ares zu einem Adonis
zu machen, das vollbringt jetzt die Eythereia. Sie zwingt ihn zu
ihren Füssen als schmachtenden Liebhaber, und das Wunderbare
begiebt sich: Ares, der mit Ausnahme seines üebergangs in den
Eriegsgott unverändert geblieben war ah der Seite der proteusartigen
Aphrodite, er verändert jetzt sein Wesen von innen heraus, und trägt
in seinen Zügen jene Melancholie und Sentimentalität, die weiter
nichts ist, als das Stempelzeichen seines Verhältnisses zu der orien-
talischen Göttin.
Wir haben den Ereis durchlaufen und schliessen mit den letzten
Worten jener vortre£Elichen Stelle aus dem Jahn'schen Aufisatz, die
wir an die Spitze dieser Arbeit setzten: „Jedenfalls nimmt die üntei^
suchung kein geringeres Interesse in Anspruch: auf welche Weise
die gegebenen Züge eines Mythos im Wechsel der geistigen Anf-
fiEUSsung unter verschiedenen Zeitveiiiältnisstti im Detail durcl^bildet
worden sind, worin der eigenthümliche h^lenische Charakter des-
selben begründet ist: eine Richtung der Forschung, welche gegen-
wärtig auf mythologischem Gebiete der über den üra|MTing des
Mythos sowohl dem Süm, als dem Local nach häufig allzusehr nadi-
gesetzt wird."
Excurs I (zu p. 664).
lieber „Ares nnd Aphrodite^' anf der Sosiassehale.
Die beiden von Gerhard 1831 (A. d.i. in 426^ £Ür 1832 ver-
sprochenen Fragmente der Schale, welche bekanntikdi eine Versamm-
lung von 4 sitzenden und 18 stehenden Göttern dafsteUt, wurden
mit dem gesammten Gefäss und einem Bestaurationsversuch des Ver-
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Ares and Aphrodite. 749
lorenen in den ^TriDkschalen und Oefttssen des kgL Museoms zu
Berlin', T. VI. VE, gegeben. Die von Gerhard letzthin im Text
hierzu p. 63 ^ vorgeschlagene Lesung A(P€C) und A0(POArT€)
[linkslftufig] wurde von den Nachfolgenden: Welcker (Alte Denkm.
I 412), Hinck (A. d. L 1866, p. 100), Aldenhoven (A. d. L 1869,
p. 118), Bernoulli (Aphrodite) angenommen, ohne dass nach der
allen übrigen zu Grunde liegenden Gerhard^schen Publication selbst
diese Lesung berechtigt gewesen wäre. Die Namensangabe aber
bildeten 3 Buchstaben: eine Art flaches TT; ein P oder A und ein O,
derartig gesperrt über den leeren Baum vertheilt, dass über die
Art ihrer Zusammengehörigkeit, und namentlich über die Möglich-
keit einer Continuität der Legende die stärksten Zweifel blieben.
Denn zwischen ^TT' und A(P) hatten ein, und zwischen A und 0
zwei Buchstaben bequem Platz, deren Ausfall schwer erklärbar
schien. — Nur eine erneute Revision konnte dieses Missverhältniss
entscheiden, und entweder der Abbildung Recht geben — so war
obige Lesung so gut wie unmöglich — , oder die Letztere bestätigen:
dann ward die Zeichnung correcturbedürftig. Letzteres ist das Re-
sultat der neusten sorgföltigen Collation, welche Herr Prof. Dr.
C. Robert zu Ber^, der schon 1877 gelegentlich seiner Abhand-
lung: de Gratiis atticis (in den Oommentationes philoL in hono-
rem Th. Mommsenii p. 143 ff.) dieses Monument behandelt hatte, an
Ort und Stelle b^ufs einer neuen, besseren Publication des Bildes
vornahm, und von der er, so weit sie unser Paar betrifft, auf eine
diesbezügliche Anfrage durch gütige Vermittlung des Herrn Prof.
Dr. Overbeck die folgenden Daten mitzutheilen mit ausserordentlicher
Freundlichkeit bereit war. Indem ich beiden Herren für ihre Unter-
stützung Dank sage, lasse ich die Angaben des Ersteren hier folgen:
^Den Buchstaben, den Gerhard in der Mitte gibt, habe ich nicht
^itdecken können. Weitere Buchstaben haben nie dagestanden'.
Somit ist die eine Möglichkeit, Hephaistos und Aphrodite zu lesen,
welche nach Gerhards früherer Ansicht (Trinkechaleu des kgl. Mu-
seums T. IV, Vn) Brunn (Gesch. d. gr. K. 11 733/4), Welcker
(Ann. d. L III 425) und Boeckh (C. L Gr. TV 8291) und Preuner
(Hestia-Vesta p. 172) als die eiuaige gelten lassen wollen, aus-
geschlossen; denn es müssten l) 6— 7 Buchstaben von der erhalte-
nen Fläche abgsjnrungen sein; 2) würde rechtsläufige Lesung im
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750 K. Tümpel:
Widerspruch zu den Übrigen Beischriften stehen, die sänunüich links-
läufig sind; 3) ist die Lage des Querstrichs beim A die auf Vasen-
inschhften bei Linkslftufigkeit bei Weitem bevorzugte; 4) würden
auch die Namen zu den falschen Personen beigeschrieben sein, denn:
*die obere Beischrift bezieht sich auf die hinten sitzende weibliche,
die untere auf die vom sitzende mfinnliche Gottheit' (Robert).
Gegen Hephaistos und für Ares spricht femer der Mangel an Ana-
logien, welche Hephaistos und Aphrodite verbunden zeigen; und die
rothfigurige Yolcenter Vase des Britt Mus., die wir oben § 11 Nr.
6 und § 35 aufführten. (Cf. Gerhard, Trinkschalen und Gefi&sse
p. 53^ zu Taf. H: ^Die Erklärung des berühmten Kunstwerks des
Sosias gewinnt durch Vergleichung des gegenwärtigen Bildes an Wahr-
scheinlichkeit für die bisher zweifelhafte (!) Gruppe von Ares und Aphro-
dite'.) Hören wir noch Prof Bobert! ^Zu Gunsten der letzteren Benen-
nung' (Ares und Aphrodite) ^muss ich mich darauf berufen, dass
dieser Gott (Ares) allein den ärmellosen Chiton trägt, während die
übrigen Götter sämmtlich mit dem ionischen Chiton bekleidet sind. Ent-
scheidend aber und sehr charakteristisch ist die Bildung des Auges ;
es allein, von allen Augen der Aussenseite, steht im Profil, und ist
von buschigen Wimpern umgeben. Kein grösserer Gegensatz, als
zwischen diesem Auge und dem des Dionysos ! Die durchweg schlech-
ten Publicationen geben davon auch keine entfernte Vorstellung'.
Durch dieselbe freundliche Mittheilung erhalten wir auch Kunde von
der Existenz eines dritten ^kleinen Fragments', das bei Gerhard
weder erwähnt, noch abgebildet ist: ^Es enthält den rechten Ell-
bogen des Ares und die Brust der Aphrodite, unter ersterem ist
die linke Hand der Aphrodite theilweise erhalten: sie hält einen
Gegenstand, dessen Bestimmung mir noch nicht gelungen ist, keines-
falls eine Schale!' Das ist des Neuen so viel, dass man einer exacten
Beproduction des Ganzen mit Spannung entgegen sehen muss.
ExcuTS II (zu p. 715).
Die Äonen in Theben.
Es ist unsere Pflicht, das mythologische Material nicht bloss
einseitig auf religionssystematischen Gewinn auszubeuten, sondern
auch den bei der Ausscheidung des echt Mythischen sich ergebenden
Bückstand an historischen Elementen, mit denen jenes eine Ver-
schmelzung eingegangen war, möglichst zu verwerthen. So muss
Einspruch erhoben werden gegen 0. Müllers Behauptung (Qrch.'
231), dass ^Theben aus den Heiligthümem des Eadmos und der
Demeter entstanden und früh ein Sitz alter Priesterschaften, anfäng-
lich ohne alle politische Bedeutung gewesen sei, und erst dadurch,
dass es kriegerischen Stämmen unterworfen wurde, Macht imd An
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Area nsd Aphrodite. 751
sehen erlangt habe'. Er bedenkt nicht, dass solche (häufig nach
ihrer Gottheit benannte) Geschlechter, wie die Asklepiaden, Tropho-
niaden und eben auch Kadmeionen, erst in Folge der mannigfachen
Eriegsschicksale, welche ein griechisches Gemeindewesen durch Sjn*
oikismos aus der Mischung der verschiedensten Elemente hervor-
gehen zu lassen pflegen, zu blossen religiösen Opfergenossenschaften
erst herabsinken unter Verlust ihrer ursprünglichen politischen
Bedeutung, welche sie in heroischer Zeit unter autonomen gottent-
sprossenen Königen besassen. Die ^priesterlichen Adelsgeschlechter',
welche in historischer Zeit ihren Partikularismus nur auf religiösem
Gebiet noch Msten, sind blosse Trttmmer alter selbstherrlicher Stämme
mit separatem Cult; an den sie sich nur um zäher hängen , je mehr
sie von ihrer politischen Bedeutung einbüssen. — Die Kadmeionen
waren also ebensowenig bloss eine Priesterkaste, wie die Lydier des
Amphion und Zethos blosse ^kriegerische Stämme' xar* dHoxriv.
Wie 0. Müller zuerst diese Erbauer der Stadt Theben von den
ältesten Gründern der Burg Kadmeia scharf trennte (a. a. 0.), so
versuchten wir eine Scheidung der letzteren von den noch älteren
Äonen, deren Einfluss wir hier noch etwas nachgehen wollen.
Die auffoJlende Erscheinung, dass die einwandernden Sieger die
vorgefundene staatsrechtliche Ordnung annehmen, wiederholt sich
auch ausser Theben, wo ja die vornehmen Kadmeionen sich, wie es
scheint, den Namen Sparten (von cireipeiv = T^vväv, wie in Biom
ingenuus, patricius, und das nie von der Plebs gebrauchte gens),
gern gefallen Hessen.*) Auch zu Athen wird der Eupatridenname
als Ehrenname der einsässigen Geschlechter durch die einwandernden
Neliden übernommen, die doch als Kodriden und Medontiden, später
Alkmaioniden fast 5 Jahrhunderte lang die oberste Herrschaft des
Königthums und Archontats allein in den Händen hielten. — Wenn
Ares der oberste Stadtgott, sein Drache das Stadtwappen, die Pole-
marchen als seine wahrscheinlichen Opferpriester der zweithöchste
Magistrat zu Theben auch in historischer Zeit blieben, abgesehen
von der grossen Bedeutung der Erinys, so müssen in der That die
aonischen Sparten auch in der Kadmeionenstadt eine grosse Bedeu-
tung gehabt haben; ja es ist nicht unmöglich, dass sie sogar die
Könige aus ihrer Mitte stellten, in ähnlicher Weise, wie in Lakedai-
mon die achäischen Ureinwohner den dorischen Eroberem die Königs-
djnastien der Ägiden und Eurypontiden lieferten. Denn wenn Pau-
sanias berichtet: ^im ^kv bi\ Kdbjiou (sc. ßactXeuovroc) fi^TiCTov,
*) Gelehrte Spielerei ist es freilich wohl nur, wenn Hadrian, der
Stifter des EpameinondasdenkmalB auf dem Schlachtfeld von Mantineia,
dieseB Erinner angszeichen schmückt mit einer 'dciric ..bpdKovTa ^xouca
iireipTac^dvov ', welcher 'bpdKwv kQikei omaivciv, f^vouc tüiv CirapTiIiv
KoXou^^uJv clvai TÖv '6ira^£tvü[ivöav ' (Paus. Vlli 11, 6). Glaubwürdiger
ist der Drache als Stadtwappen und Schiffszeichen der Thebaier
bei Eniipides Iph. AuL 266.
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752 InhaltBabersieht.
jüietä T€ ainöv Kdb^ov, i^büvavro ol CnapToC (XI 5, 1), so iat as
klar, dass er den Spalten die absolut höcb^te Macht im kadmischen
Theben zuzuschreiben sich nicht gescheut haben würde, wenn nicht
Eadmos als Gottheit ^natürlich^ eine noch höhere hätte zugestanden
werden müssen, und da ausserdem schon länger die genealogische
Anknüpfung der LabdaJdden an Eadmos durch den Poljdoros als
eine oberflttchliche erkannt ist, so scheue ich mich nicht, das Königs-
geschlecht der Labdakiden yermuthungsweise für die aonischen Spar-
ten, die Ares-Erinjsverehrer, in Anspruch zu nehmen. Oder sollte
es nicht aufG&llig sein, dass der Labdakide Oidipus, der im sparta-
nischen Aigidenheiligthum und auf dem Kolonos Hippies und Areiofl-
Pagos zu Athen, wie in Theben selbst, so eng mit der Erinjs my-
thisch verknüpffc ist, seinen Namen derselben mythisch-symbolischen
Fussfesselimg verdankt, die wir am Ares-Enyalios zu Sparta und
dem späteren Ares-Borghese erblicken, in der Mythologie des Ead-
mos-Hermes aber yergeblich suchen? Man vergleiche hier die weit-
gehenden Vermuthungen von Oerhard (6r« M. § 744).
Inhaltsübersicht.
Sdto
Einleitung. Geschichte der Frage 641—652
§ 1. Die naturphiloBophiBch-symboliflche Richtung.
§ 2. Die ethieche und natursymboliBche Richtung.
§ S. Weldkers Ansicht
§ 4. Piincipien.
Erster Theil.
Aphrodite Areia (Urania^ und Ares, das epigramma»
tische Paar des Hellenismug.
Abschnitt I: Die Gülte 668—661
§ 5. Theben und Megalepolis.
§ 6. Arges und Athen.
§ 7. Patrai und Akakesion.
§ 8. Sparta.
Abschnitt 11: PoSsie und Kunst yor Alexander . . 661 — 667
§ 9. Epos.
§ 10. Lyrik und Drama.
% 11. SunstdeiaDn&LBr.
§ 12. Nicht erhaltene Kunstwerke.
Abschnitt HI: Urania die Genossin des Ares seit
Alexander 667—686
I 11 SS^h ^«Uemsmu..
§ 16. Philosophie.
§ 16. Kypris und Kythereia.
§ 17. Baal und Ares.
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Inhaltsabersicht. 753
Saite
Zweiter Theil.
Aphrodite -£ r in y 8 (Apostrophia) und Ares, das reli-
giöse Paar des thebischen Localcalts.
Abschnitt I: Tritonia, Thesmia, Erinys 686—696.
§ 18. Ansserthebische Gälte.
§ 19. Poseidon und Ares.
§ 20. Thebische Eadmossage.
§ 21. Tilphossa Erinys.
Abschnitt II: Urania, Pi^ndemos, Apostrophia . . 696-705
§ 22. Urania.
§ 23. PandemosL
§ 24. Apostrophia.
§ 26. Yergleichmig beider Gruppen.
Abschnitt III: Aphrodite Apostrophia und Ares als
Metamorphose des aonischen GOtterpaars Eri-
nys und Ares 705—722
§ 26. Enyo nnd die Homololoi.
§ 27. Erinys Tilphossa und Ares.
§ 28. Die aomscäie Cultgemeinde.
§ 29. Harmonia.
§ 80. Chronologie.
Dritter Tiieil.
Aphrodite Dionaia (Pandemos) und Ares, das poetische
Paar der hellenischen Nationalmythologie.
Abschnitt I: Der Gesang des Demodokos .... 722—740
§ 31. Kritik.
§ 32. Dentnng.
i 33. Fest.
§ 34. Opfer.
AbBchnitt 11: Die Träger der Verbindung .... 740—746
§ 35. Die Dionaia der Achaier.
§ 36. Das ZwOlfgöttersystem.
§ 37. Die attische Kunst
Schlusswort: Recapitulation der Resultate 746—748
§ 38. Historischer TJeberblick.
*
Excors I: 'Ares und Aphrodite' auf der Sosiasschale . 748—750
Excurs II: Die Äonen in Theben 750 — 752
Jahrb. f. d^i. Phil. Sappl. Bd. XI. 48
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Hilfsmaterien.
Aeqainoctien 729 f.
Aia 708 f.
Aigeus, -iden 704. 721 f.
Alalkomenai 686
Alkippe 687.
Aloiden 718.
Äonen*), AoniS 691. 716 ff.
Aphrodisien 700. 702. 732 ff.
Areia, -etias 708 ff.
Areion 687. 689. 711**).
Areiopag S88. 693.
AsklepioB 717.
Bergealt 789.
Delphoi, -usa 693 f.
Demeter Herkyna 718.
— Thesmophoroa 692.
Drache 696. 707 ff. 715. 729. 751)*.
Ektenen 690. 712.
EroB 741.
Fesselung 725 ff.
Gaia 708. 712.
Haliartos 686.
Halirrhothios 687.
Harmonia 709.
HephaistoB 724 ff.
Herkyna 717 f.
Hermes 781.
Honig, cf. Nephalien!
Hyanten 691. 712. 716.
'IXcieuKX 748.
Kabeirendiener 719 f.
Eolonos Hippios 685. 693.
Eoronis 717.
Ladon 710 f. 716.
Melanippe, -ob 689.
Menoikeus 714. 738)*.
Milch, Mohn, cf. Nephalien!
Moira, cf. Urania!
Morpho 726 f.
Nephalien 784 ff.
Neujahr 730 f.
Onka 690.
Persephone 686. 694. 708.
Pheneos 685.
Phlya 686.
Polemarchen 781.
Praxidikai 686.
äluellschlacht 698 ff. 789.
ikyon; Aphrodite 696. 735 f.
Sparten 718. 751.
Solstitien 729 f.
Temmiker, Tennerer 691.
Thelpnsa 686.
Thera, -eitaa 721.
Thrakien 718 f.
Tüphossa 686. 693.
Tritaia 691.
Trophonios 717 f.
XJnterweltseingang, cf. Qnell-
Schlucht!
Urania Moira ^v ia|iro1c 696.
— nnd Aigeos 704. 786.
Venns Yerticordia 787.
Weinlose Opfer, cf. Nephalien!
Wintersolsttt 700. 702. 729 f.
Zeus in Theben 696.
*) Zu p. 717, dem historischen Bericht von Kämpfen der Äonen mit
den Einwohnern von Attika, cf. die mythischen Parallelzeugnisse Tom
Streit des Ares mit Poseidon p. 687 f.
Berichtigung:
p. 6»6**) Uea ■tatt „j 83": „p. 736 f. | 34«.
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Inhalt.
iteite
1. De Soidae biographicorom origine et fide. Scripsit
Ä. Daub 401-490
2. Das Verhältniss der griechischen Vasenbilder zu den
Gedichten des epischen Kyklofl. Von H. Luckenbach 491—638
3. Ares und Aphrodite. Eine Untersuchung über
Ursprung und Bedeutung ihrer Verbindung. Von
Karl Tümpel 639—752
r;/*
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A FINE IS INCURRED IF THIS BOOK IS
NOT RETÜRNED TO THE LIBRARY ON
OR BEFORE THE LAST DA11E STAMPED
BELOW. * ,
•
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